Griechenland - Die Schuldenkrise und ihre Opfer

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Die Krise im Euro-Raum nimmt immer dramatischere Züge an. Griechenland, das einst zu den Ländern mit den niedrigsten Selbstmordraten weltweit zählte, erlebt zurzeit eine Welle von Selbstmorden. Allein 2011 ist – laut der Zeitung „Ta Nea“ - die Selbstmordrate um 45 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen. In vielen Abschiedsbriefen wird ausdrücklich die Krise als Grund für den Freitod angegeben, etliche Selbstmorde werden „öffentlich inszeniert, um auf die schlechte Lage aufmerksam zu machen“ (SPIEGEL online, 1 5.4.1 2). Doch dieses Phänomen ist nicht nur eine Reaktion auf die Krise und auf die mit ihr einhergehende Verarmung und Verelendung weiter Teile der Bevölkerung. Vollständig erklären lässt es sich nur, wenn man noch einen weiteren Faktor dabei berücksichtigt. Die Selbstmordwelle in Griechenland und anderswo wirft ein Schlaglicht auf die akute Perspektivlosigkeit, die derzeit beileibe nicht nur in der griechischen Arbeiterklasse grassiert. Im Gegensatz zu den Arbeitergenerationen des 19. Jahrhunderts, deren Kämpfe noch vom Streben nach einer besseren Gesellschaft beseelt gewesen waren, hat unsere Klasse heute ihren Glauben am Kommunismus verloren bzw. noch nicht wiederentdeckt. Auf Dauer reicht es jedoch nicht aus zu wissen, wogegen man kämpft; erst wenn sich die Ausgebeuteten auch bewusst sind, wofür sie kämpfen, erst wenn sie überzeugt sind, dass der Kommunismus nicht nur notwendig, sondern auch möglich ist, wird ihr Widerstand jene moralische Kraft erlangen, die unerlässlich ist, um die Mutlosigkeit und Depression zu vertreiben, die sich derzeit in wachsenden Teilen der Arbeiterklasse breitmachen.

Noch eine andere Zahl lässt aufhorchen: Seit Ausbruch der Krise haben sich in Italien allein rund sechzig mittelständische Unternehmer das Leben genommen. Sie verzweifelten an säumige Schuldner, die selbst pleite sind, und an Banken, die nicht mehr bereit sind, Kredite zu vergeben. Ihr Freitod ist der krasseste Ausdruck für den Bankrott der herrschenden Klasse, für die Ausweglosigkeit der Lage der kapitalistischen Klasse, die – anders als im oben geschilderten Fall der Arbeiterklasse – nicht nur eine gefühlte, sondern auch eine faktische Ausweglosigkeit ist. Die Bourgeoisie, vom kleinen Familienunternehmer bis hin zum arrivierten Großkapital, ist eine Klasse, deren Uhr abgelaufen ist, die nur dank der Schwäche der Ausgebeuteten dieser Welt noch nicht von der historischen Bühne abgetreten ist.

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