„Schwarzer Block“: Der Kampf der Arbeiterklasse braucht keine Vermummung

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Im Juli 2017 trafen sich in Hamburg die höchsten Repräsentanten der Herrschenden aus 20 Staaten. Geschützt von mehr als 30.000 Polizisten aus vielen Teilnehmerländern, mit einem Kostenaufwand von ca. 130 Millionen Euro stritten die Vertreter der Herrschenden um gemeinsame Schritte gegen Terrorismus, äußerten ihre Ablehnung der angekündigten protektionistischen Maßnahmen von Trump und dessen Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkommen. Wir wissen, dass seitdem sowohl der internationale Handelskrieg heftiger entbrannt, die Klimafolgen 2018 dramatischer denn je geworden sind, und der Kampf gegen den Terrorismus durch die imperialistischen Rivalen die Gewaltspirale nicht eingedämmt hat. Kurzum, die Führer der G20 können die Widersprüche und Gegensätze nicht lösen und überwinden; sie selbst sind Teil des Problems, und um diese Widersprüche und Gegensätze zu überwinden muss das System selbst überwunden werden.

Gegen diese Veranstaltung mit der größten Polizeimobilisierung brachten Zehntausende ihre Wut und ihre Abscheu zum Ausdruck. Überschattet aber wurden diese Proteste durch die Brandstiftungen und Plünderungen durch eine zahlenmäßig kleine Gruppe von Randalierern, welche auf die Provokationen des Polizeiapparates, der nur nach gewaltsamen Auseinandersetzung lechzte, hineinfielen und nach ihren Gewaltorgien von der vollen Wucht der staatlichen Repression  getroffen wurden, u.a. durch die europaweite  intensive Fahndung nach beteiligten Gewalttätern.  Durch das Auftreten und den medialen Fokus auf den Schwarzen Block und andere Randalierer soll der Eindruck vermittelt werden, diese Aktionen seien die einzig möglichen. Wir öffentlichen nachfolgenden einen Artikel unserer Sektion in Frankreich, der sich mit diesem Phänomen in Frankreich befasst, um zu zeigen, dass es sich um ein internationales Phänomen handelt, das überall eine Gefahr für diejenigen darstellt, die aufrichtig gegen dieses System ankämpfen wollen.

Weltrevolution, Juli 2018

„Schwarzer Block“: Der Kampf der Arbeiterklasse braucht keine Vermummung

1200 „vermummte und maskierte Personen“, schwarz gekleidet, randalierend, plündernd, Einrichtungsgegenstände auf den Straßen zerschlagend, Geschäfte demolierend, gewaltsame Zusammenstöße mit der Polizei: dieses Bild prägte die Kundgebungen des 1. Mai in Paris. Presse, Politiker, Gewerkschaften, Soziologen, jeder von ihnen bot seine Analyse, seine Verurteilung der Gewalt, und einen Versuch, diese schwarzen Blöcke zu „verstehen“: „Schläger“ und „grundlose Gewalt“ für die einen, „Kämpfer“ und „Taktiken des Kampfes“ gegen den Kapitalismus für die anderen.

Ein Ausdruck des Zerfalls

Diese Bewegung ist nicht neu: Der Ursprung der schwarzen Blöcke ist Ende der 1980er Jahre zu suchen, als die West-Berliner Polizei den Ausdruck ‚schwarzer Block‘ einführte, um bestimmte linksextreme Demonstranten zu bezeichnen, die Kapuzen tragen und mit Stöcken bewaffnet sind, die ihrerseits von der in den 1960er Jahren in Italien geborenen Autonomia-Bewegung inspiriert wurden. Ihre spektakulären Aktionen wiederholten sich 1999 in Seattle gegen die Konferenz der Welthandelsorganisation (WTO)  im Juli 2001 in Genua, in friedlichen Märschen der G8-Gegner  in Straßburg, im Jahr 2009, am Rande der Feiern zum 60-jährigen Bestehen der NATO; im Oktober 2011 in Rom, während der Proteste der Indignados gegen die Krise und das Finanzkapital;  im Februar 2014 bei den Gegnern des Flughafenbaus Notre-Dame in Frankreich; im Juli 2017 in Hamburg beim G20; anlässlich der Demonstrationen gegen das „Arbeitsgesetz“ in Frankreich im selben Jahr...

Die schwarze Blockbewegung behauptet, sich dem Kapitalismus, den Regierungen, den Polizeikräften und der Globalisierung entgegenzustellen und lehnt die klassischen politischen Aktivitäten der Linken oder extremen Linken ab, wie ihre anarchistischen Parolen es ausdrücken: „Marx attack“, „Unter dem Pflaster der Strand“! (ein Slogan aus der Zeit des Mai 68), „Nieder mit dem Hess!“ (Elend, auf Arabisch). Sie sagen, „kaputtzuschlagen“ bedeutet, das Geld zurückzuerobern, das multinationale Konzerne dem Volk stehlen, Versicherungen, Privatisierungsagenturen, steinreiche Eigentümer und alle anderen blechen lassen, die den Reichtum monopolisieren, und die von ihnen geschaffenen Ungleichheiten zu bekämpfen“ (Auszug aus einem am 1. Mai verteilten Flugblatt).

Die Methoden des Schwarzen Blocks, die von winzigen Gruppen angezettelten Zusammenstöße mit der Polizei und das Kaputtschlagen bieten in Wirklichkeit keine echte Perspektive und keine Alternative zur kapitalistischen Gesellschaft. Tatsächlich sind sie ein Teil des Fäulnisprozesses des Kapitalismus, in der unmittelbares, nihilistisches und zerstörerisches Handeln Vorrang vor jeder langfristigen politischen Vision hat, die sich auf geschichtliche Erfahrungen und die wirklich bewusste Inangriffnahme und Durchführung eines revolutionären Projekts durch die Arbeiterklasse stützt.

Kaputtzuschlagen, zu zerstören, die Vergangenheit über Bord zu werfen, all dies ist das Gegenteil des Kampfes des Proletariats für eine andere Welt, die sich im Gegenteil bewusst auf die Geschichte und das Beste aus der Erfahrung der ganzen Menschheit stützt. Diese Handlungsweisen des Schwarzen Blocks, diese „berauschenden“ Abenteuer sollen „heroisch und vorbildlich“ sein und die kollektiven Formen des Kampfes des Proletariats verachten. Diese individualistischen, rein durch den Willen angetriebenen, durch Ungeduld geprägten Revolten sind nur Ausdruck des Gewichts der kleinbürgerlichen Gesellschaftsschichten ohne Zukunft. Sie richten sich nicht gegen das kapitalistische Weltsystem, sondern nur gegen die gröbsten Formen und Symbole dieses Systems in Form einer ‚Abrechnung‘, der Rache frustrierter kleiner Minderheiten und nicht einer revolutionären Konfrontation einer Klasse mit der anderen. Die Zerstörung einer Bushaltestelle, eines Fastfood-Ladens oder der Fenster einer Bank hat den Kapitalismus weder finanziell noch ideologisch geschwächt. Dies dient noch weniger dazu, „gestohlenes Geld von den multinationalen Konzernen zurückzuerobern“: Die Proletarier werden nur noch mehr bestraft, um für die sinnlos zerstörten städtischen Einrichtungen zu zahlen! Die schwarzen Blöcke haben daher keinerlei positiven Auswirkungen auf den Kampf des Proletariats und führen im Gegenteil nur zu den schlimmsten Illusionen der jungen Arbeitergeneration über die Möglichkeit, einen vermeintlich anderen, schnelleren und einfacheren Weg als den des Klassenkampfes einzuschlagen.

Tatsächlich sind schwarze Blöcke sogar ein beliebtes Feld für gezieltes Vorgehen von Bullen und dem Staat im allgemeinen gegen dieses Milieu. Ihre aufsehenerregenden und gewalttätigen Aktionen werden von der herrschenden Klasse geschickt ausgenutzt, um die polizeilichen Kontrollen, Überwachung und Unterdrückung zu verstärken. Diese kleinen Gruppen sind selbst regelmäßig Opfer der Unterwanderung durch Polizeispitzel, die noch mehr Menschen in ihren Reihen anstiften, um soviel wie möglich zu zerschlagen und die Wut in sinnlosen Zusammenstößen verpuffen zu lassen. Warum? Die herrschende Klasse ist sich vollkommen bewusst, dass diese Art von Aktionen ihr System stärkt, indem sie Angst schürt, Unterdrückung legitimiert, vom Kampf abschreckt, der „nur dazu dient, kaputtzuschlagen und nicht aufzubauen“, zu spalten und noch mehr zu verhindern, dass über die Bedürfnisse der Einheit des proletarischen Kampfes nachgedacht wird. Wenn am Ende einer Demonstration nicht die kämpferischsten und bewusstesten Arbeiter zusammenkommen, um beispielsweise über die gerade stattgefundene Bewegung, die Sinnlosigkeit der von den Gewerkschaften vorgeschlagenen Aktionen, den Aufbau von Verbindungen und die Fortsetzung von Denkprozessen in Diskussionsgruppen und über sinnvolle Aktionen zu diskutieren, wenn stattdessen Demonstranten vor der prügelnden Polizei fliehen, kann sich der Staat nur freuen! Zynisch erklärte der französische Innenminister Collomb, die Demonstranten hätten diese auf Gewalt erpichten Elemente „nicht kontrollieren“ können, ihnen freien Lauf gelassen anstatt sie unter „Kontrolle“ zu haben.

So wurden viele Demonstranten dazu gedrängt, sich auf die Seite der Gewerkschaften und den Ordnungsdienst der Gewerkschaft CGT zu stellen. Die Aktion der Schwarzen Blöcke trägt darüber hinaus zu wachsender politischer Verwirrung bei: Früher als Linke, Libertäre, Anarchisten, „Globalisierungsgegner“ dargestellt, werden sie heute als Ausdruck der „Linksradikalen“ eingestuft, ein Ausdruck, der mitunter auch zur Bezeichnung der Kommunistischen Linken verwendet wird.

Wir wissen, wie sehr dem Staat daran liegt, alles mögliche in einen Topf zu schmeißen um die Repression besser vorzubereiten. Dies trifft heute zu für die Verstärkung der polizeilichen Maßnahmen und der gewerkschaftlichen Überwachung der Arbeiter, um sie „vor Gewalt zu schützen“, vor allem wird dies noch wichtiger für die Zukunft, wenn der Klassenkampf die Macht der Herrschenden wirklich schwächen wird. Die „Radikalität“ der schwarzen Blöcke nimmt daher in keiner Weise am Prozess der Reifung des proletarischen Bewusstseins für die Revolution teil. Es gibt nichts Revolutionäres an deren „Programm“, weder in ihren Aktionen, noch in deren Parolen, noch in deren Zielen. Auch wenn es den Neoanarchisten nicht gefällt, die glauben, dass „die Verurteilung der schwarzen Blöcke bedeutet, die Vertreter der Macht zu stützen“ (Dissent, 15. Juni 2007), sind es die schwarzen Blöcke und ihre Anhänger, die in Wirklichkeit die Macht des Kapitals eher stützen, als sie zu schwächen.

Nur das Proletariat und seine Kampfmethoden bieten eine Perspektive

Wenn Politologen auf zynische Weise feststellen, dass „der schwarze Block die Stimmung prägt  und in der Demonstration eine Stimmung des Zusammenhalts schafft“, dass sie „den Kapitalismus nicht stürzen werden“ und „der Aufstand mag erheiternd sein, aber es ist keine Revolution....“, stellen sie eine falsche Kontinuität zwischen der Bewegung der Indignados in Spanien, Occupy in den Vereinigten Staaten und dem arabischen Frühling mit der blinden Aktion der schwarzen Blöcke her. Dies ist echt irreführend, denn diese Protestbewegungen wurden durch ständiges Nachdenken und Diskussion, durch Solidarität  bei großen Versammlungen vorwärtsgetrieben. So auch während des Anti-CPE-Kampfes in Frankreich im Jahr 2006, als die junge Studentengeneration die offene Konfrontation mit den Bullen ablehnte und sich für die Abhaltung von Vollversammlungen, politische Diskussionen und Konfrontationen einsetzte, die Ausweitung der Bewegung und den Zusammenschluss zwischen den Generationen bei den Demonstrationen anstrebte und für alle offen war. All das bewegte sich, wenn auch noch zögernd, abtastend und konfus in Richtung der historischen Formen des Kampfes des Proletariats gegen den Kapitalismus. Der Sturz des Kapitalismus wird durch den Klassenkampf verwirklicht werden, indem er durch eine aktive Beteiligung der Mehrheit der Arbeiter getragen wird, bei dem eine Klassengewalt ganz anderer Art als die der schwarzen Blöcke angewandt wird: massiv und bewusst, einheitlich und organisiert, emanzipatorisch. Sie wird ein Teil sein bei der Machtergreifung der arbeitenden Massen für eine weltweite Revolution.

Stopio, 18. Juni 2018

Rubric: 

Weltrevolution Nr. 182