Waffenlieferungen und Hungerhilfe

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Als die geplante Panzerlieferung an Saudi-Arabien in den Medien publik wurde, schrie die parlamentarische Opposition – von Linkspartei über Grüne bis SPD - auf, der Panzerverkauf verletze die Rüstungsexportrichtlinien der Bundesregierung und den Standpunkt der EU. Ähnliche Töne bei der Verkündung des geplanten Verkaufs von Patrouillenbooten an Angola.

 

Auch wenn die parlamentarische Opposition noch so lauthals „Skandal“ brüllt, Tatsache ist, die zahlreichen Rüstungsexporte aus deutschen Waffenschmieden sind ein Eckpfeiler der deutschen Erfolgsstory als Exportvizeweltmeister.  Zwar liegen deutsche Waffenexporteure noch weit hinter den USA und Russland zurück, die  einen Weltmarkanteil von 30% bzw. 23% halten, aber  Deutschland hat sich in der Zwischenzeit zum drittgrößten Waffenexporteur weltweit gemausert. Deutsche Rüstungsexporteure haben ihren Weltmarktanteil von 7% auf 11% steigern können. Wie nicht anders bei einem High-Tech-Exporteur zu erwarten, gehören hochentwickelte Waffensysteme zu den Bestsellern deutscher Waffenexporteure. Die Lieferung von Schiffen und U-Booten (z.B. an Israel, Griechenland, Türkei) macht fast die Hälfte aller Exporte aus, auch Flugzeuge wie Eurofighter sind sehr begehrt; man hofft an Indien 126 Eurofighter im Wert von 8-10 Mrd. zu verkaufen. Und während Deutschland an das bankrotte Griechenland z.B. 200 Panzerhaubitzen verkaufte, rüstete es gleichzeitig den Erzrivalen Türkei auf. Allein die Türkei nahm ca. 10% deutscher Waffenlieferungen ab. Der Deal mit Saudi-Arabien soll zwischen 1.7 und 2 Milliarden Euro einbringen. Waffenverkäufe gehören zum Kerngeschäft aller Industrieländer, wenn nicht gar zu deren Hauptgeschäft wie im Falle der USA oder Russland. Natürlich geht es nicht nur um kommerzielle Interessen der Waffenlobby, sondern auch um militärstrategische und politisch-soziale Aspekte. Der Deal mit Saudi-Arabien betrifft ein Land, dessen Arsenale zwar jetzt schon randvoll sind, das aber als wichtiger Gegenpol gegen die Regionalmacht Iran gestärkt werden soll. Zwar galt Saudi-Arabien jahrelang als zentraler arabischer Kontrahent Israels, längst haben sich aber die Konfrontationslinien verlagert; die Auseinandersetzungen mit dem Iran rücken stärker in den Vordergrund. Bislang hat Riad auch schon 72 Eurofighter erworben, so dass die Panzerlieferungen nicht das erste große Rüstungsgeschäft mit den Saudis sind.

Die Bundespolizei bildet saudi-arabische Grenzschützer aus, die Bezahlung der Beamten läuft über den privaten deutsch-französischen Rüstungskonzern EADS, der über eine Tochterfirma umfangreiche Technologie zur Grenzsicherung (Stacheldrahtzäune, Überwachungseinrichtungen usw.) lieferte.

Gleichzeitig gilt das Regime der Saudis als Bollwerk gegen soziale Erhebungen im arabischen Raum. Der Leopard 2A7+ ist speziell für den Kampf im bebauten Gelände konstruiert und daher besonders für die Niederschlagung von Aufständen geeignet. Wie entschlossen die Saudis sind, ihre Truppen als Killerkommandos loszuschicken, bewies deren Rolle bei der Niederschlagung der Opposition in Bahrain. Während deutsche Politiker in den Medien so tun, als ob sie den „arabischen Frühling“ unterstützten, stärkt das deutsche Kapital in Wirklichkeit all den Kräften den Rücken, die sich nicht davor scheuen, Panzer, Heckenschützen, Scharfschützen usw. gegen Aufständische einzusetzen, wie immer wieder in Ägypten, Syrien geschehen.

Wenn nun die Bundesregierung von der Opposition kritisiert wird, dass die Entscheidung geheim im Bundessicherheitsrat getroffen wurde, dabei die Rüstungsexportrichtlinien missachtet würden usw., tut man so, als ob der Verkauf von Waffen an und die Unterstützung (z.B.  Beratung und Ausbildung von Polizeikräften) von  „demokratischen“ Regimes moralisch „sauberer“, „unanfechtbar“ wären.

Dass der deutsche Imperialismus an den verschiedensten Fronten immer mehr mitmischt und sich auf noch mehr Auslandseinsätze vorbereitet, zeigen nicht nur die jüngsten Äußerungen des Verteidigungsministers, der anlässlich der ruhenden Wehrpflicht noch mehr Auslandseinsätze vorhersagte, sondern auch das 1.5 Milliarden teure neue Gebäude des Bundesnachrichtendienstes, der zuletzt aufgrund der Pressemeldung über den Diebstahl von Bauplänen, im Blickpunk der Öffentlichkeit geriet..

 

Kanonen statt Hungerhilfe.

 

Nicht weniger aufschlussreich war in diesem Zusammenhang die jüngste Reise von Merkel nach Afrika.

 

UNO und NGO haben Alarm geschlagen wegen der sich ausbreitenden Hungernot in Ostafrika. „Rund zwölf Millionen Menschen brauchen wegen der Dürre am Horn von Afrika laut Uno schnell Hilfe. Es hat dort so wenig geregnet wie seit fast 60 Jahren nicht mehr. Durch den ausbleibenden Regen sind in der Region nämlich die Getreidepreise explodiert, in Somalia ist Hirse so teuer wie noch nie - im vergangenen Jahr stieg der Preis um 240 Prozent. In Äthiopien ist der Maispreis in die Höhe geschnellt. Die bewaffneten Konflikte im Süden Somalias verschärfen die Dürre-Katastrophe zusätzlich. Viele Menschen trauen sich aus Angst vor Milizen-Angriffen kaum noch, ihre Felder zu bestellen. Auch Nomaden können in viele Gebiete nicht mehr mit ihren Tieren ziehen, weil dort Bürgerkrieg herrscht. Häufig treiben die bewaffneten Milizen Schutzgelder ein. URL:

www.spiegel.de/politik/ausland/duerre-in-ostafrika-wie-es-zur-jahrhundertkatastrophe-kam-a-774114.html, 13.07.2011.

So ist in Kenia das größte Flüchtlingslager der Welt - Dadaab - mit ca. 400.000 Menschen entstanden, wo diese um ihr Überleben kämpfen.

Mitten in diesem Inferno wurde jüngst ein neuer Staat ausgerufen, Südsudan, der schon jetzt als einer der ärmsten Staaten der Welt gilt und wegen seiner Rohstoffvorkommen zur bevorzugten Zielscheibe imperialistischer  Ambitionen mehrerer Staaten geworden ist. In dieser Region, die alle Plagen des niedergehenden Kapitalismus aufweist –

auseinanderbrechende Staaten („failed-states“), explodierende Lebensmittelpreise, völlig verarmte Fischer und Bauern, (von denen einige versuchen, sich als moderne Seeräuber durchzuschlagen während ein bedeutende Teil der Minderjährige als Kindersoldaten sich verdingen müssen), die massive Zunahme von Vergewaltigungen von Frauen und Mädchen. Dies alles hat zur Folge, dass nun nach der Dürre nahezu ein Dutzend Millionen Menschen vom Hunger bedroht sind. In Anbetracht von dieser Katastrophe hat nun die  Bundeskanzlerin des Exportweltmeisters und drittgrößten Rüstungslieferanten Deutschland doch ihr wohltätiges Herz gespürt und dem weltweitgrößten Flüchtlingslager Dadaab EINE Million Euro, (nein, kein Irrtum,  nicht eine Milliarde) Dollar versprochen (mittlerweile ist das Erbarmen etwas größer geworden und man hat auf 5 Millionen aufgestockt). Und ein paar Stunden später saß sie schon im Flugzeug nach Angola, um dort weitere Rüstungsgüter in Form von Patrouillenbooten zu verkaufen.

Solch ein Verhalten deckt nicht nur den Zynismus und die ganze Menschenverachtung des deutschen Kapitals wie überhaupt des Kapitals auf, sondern es entblößt auch den abgrundtiefen Interessensgegensatz, den die herrschende Klasse der ganzen Welt vom Rest der Menschheit trennt.

Denn während die Regierenden vor dem Hintergrund von immer häufigeren Truppeneinsätzen an immer weiter entfernten Kriegsschauplätzen Milliarden verpulvern, um Militärtransportflugzeuge zum Transport von Truppen und Kriegsgerät zu bauen und Tankflugzeuge zum Auftanken von Bombern in Auftrag geben, während zum Beispiel der Einsatz eines Eurofighters pro Stunde 74.000 Euro kostet, während man Milliarden in Rettungspakete für Banken und Firmen steckt, wirft man den Hungernden der Welt ein paar Brosamen hin und verkauft gleichzeitig den Herrschern vor Ort oder in der Region Waffen aller Art. Und wenn dann die Flüchtlinge es wagen sollten, zu versuchen, sich unter Lebensgefahr nach Europa durchzuschlagen, um hier einen miserablen bezahlten Job zu ergattern, dann ist eine der dringendsten Sorgen, die Festung Europa weiter auszubauen. Denn eines der ersten Abkommen, das mit der neuen Übergangsregierung in Libyen geschlossen wurde, war die weitere Verriegelung und Rückführung von Flüchtlingen.

Hier über eine  „Verletzung der Waffenexportregelungen“ oder eine Missachtung des Parlaments zu jammern, wie es die Opposition in Deutschland tut, ist die reinste Augenwischerei. Denn es handelt sich um keinen parlamentarischen Skandal, sondern um die alltägliche Fratze eines vor Blut triefenden Systems. 

17.7.2011

P.s.

Dass die Hungerkatastrophe durch neue Trends mit verschärft wurde, die die Bauernbevölkerung vor Ort (ob Vieh hütende Nomaden oder ‚ortsansässige‘ Bauern) vertreibt und in eine noch größere Misere stürzt, zeigen folgende  Beispiele: „In Äthiopien scheint die drohende Katastrophe hingegen nicht nur dem Wetter geschuldet zu sein, sondern auch dem Bestreben der äthiopischen Regierung, Landwirtschaft im industriellen Maßstab anzusiedeln. Große Flächen, die ursprünglich als Ausweichflächen für die Viehherden der Nomaden dienten, sind inzwischen an indische, chinesische und südkoreanische Agrarkonzerne verpachtet worden. Die äthiopische Regierung setzt eigenen Angaben zufolge lieber auf moderne Industrie als auf pastorale Tradition.“ (FAZ, 14.07.2011) „Seit mehreren Jahren versuchen alle arabischen Regimes, ihre Versorgung mit Grundnahrungsmitteln so weit wie möglich vom Weltmarkt abzukoppeln, indem sie über Staatsfonds riesige Ländereien in Afrika und Zentralasien aufkaufen. (…) In Reaktion auf die Aufstandsbewegung kaufte die Militärregierung (Ägyptens) große Flächen im Nordsudan, die sie ägyptischen Firmen zur Bearbeitung übergab.“ (Wildcat, Sommer 2011, S. 66). 

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