Für die "verantwortungsvollsten" Fraktionen der Weltbourgeoisie hat der weltweite Aufschwung des Populismus, nicht zuletzt der Brexit und die unvorhergesehene Herrschaft Trumps in den USA, eine Kaskade von Problemen und Hindernissen geschaffen. In den letzten paar Monaten haben wir einige energische Versuche erlebt, sich der populistischen Welle entgegenzustemmen, am deutlichsten zum Ausdruck gekommen in den französischen Präsidentschaftswahlen im letzten April/Mai, als international gewichtige Leute wie Merkel und Obama plus die französische Sozialistische Partei und Andere dem Pro-EU-Kandidaten Emmanuel Macron, der weithin als die wirksamste Barriere gegen den populistischen, gegen die EU eingestellten Front National betrachtet wurde, uneingeschränkten Rückhalt gewährten. Jedoch sind die grundlegenden gesellschaftlichen Kräfte, die die populistische Welle erzeugen, keineswegs verschwunden; ihre politischen Ausdrücke üben weiterhin einen schwerwiegenden Einfluss auf das politische Leben der Bourgeoisie aus. Das Resultat der allgemeinen Wahlen in Österreich - unmittelbar den spektakulären Erfolgen der rechten AfD in Deutschland folgend - liefert eine weitere Bestätigung dafür, dass der Populismus weitaus mehr ist als eine politische Blase und eine reale Dysfunktion an den Wurzeln der kapitalistischen Gesellschaft artikuliert.
Der Gewinner der jüngsten Nationalratswahlen in Österreich ist zum neuen, jungen Shooting Star in der europäischen Politik ernannt worden: der Christdemokrat Sebastian Kurz. Seine "Liste Kurz - neue ÖVP" errang 31,49 Prozent der Stimmen, gefolgt von der sozialdemokratischen SPÖ mit 26,86 Prozent und den Rechtspopulisten der FPÖ mit 25,97 Prozent. Zum ersten Mal überhaupt gewann ein ÖVP-Führer eine allgemeine Wahl gegen einen amtierenden SPÖ-Kanzler. Es ist auch erst das zweite Mal seit Beginn der Kanzlerschaft des berühmten Bruno Kreisky 1971, dass die ÖVP in einer allgemeinen Wahl mehr Stimmen errang als die SPÖ.
Sebastian Kurz hat vom österreichischen Bundespräsidenten Van der Bellen das Mandat erhalten, eine neue Regierung zu bilden. Wenn er reüssiert, wird er im Alter von 31 Jahren Europas jüngster Regierungschef sein. Kurz wird mit dem neuen französischen Präsidenten Emmanuel Macron verglichen, nicht nur aufgrund seiner Jugendlichkeit, sondern auch weil er - wie sein französischer Gegenpart - einen erfolgreichen Wahlkampf führte, der sich im Kern rund um seine eigene Person und seines eigenen "Charismas" drehte.
Doch neben diesen Ähnlichkeiten gibt es auch wichtige Unterschiede zwischen diesen beiden Politikern. Während Macron eine Art neue politische Bewegung um sich selbst (République En Marche) schuf, nutzte Kurz die existierenden Strukturen der ÖVP für seinen Wahlkampf. Wie er dies tat, unterscheidet sich deutlich von der Art und Weise, wie Donald Trump in den Vereinigten Staaten die Republikanische Partei für seine eigenen Ziele kaperte. Die einst so stolze ÖVP, eine der beiden Hauptparteien im österreichischen Staat der Nachkriegsepoche, akzeptierte glücklich, auf den Status eines Wahlhelfers ihres Führers degradiert zu werden. Sie tat dies, weil sich Kurz ihr mit Erfolg als ihre einzige Hoffnung verkaufte, nicht nur um mehr Wählerstimmen zu erringen als die Sozialdemokraten, sondern auch um zu vermeiden, dass sie in der Wählergunst von der populistischen FPÖ überholt wird. Mit anderen Worten, was die ÖVP antrieb, war keine politische Strategie im Interesse des bürgerlichen Nationalstaates (die sichtlich eines der Motive Macrons und seiner Anhänger war), sondern die Bewahrung der Sonderinteressen, des Einflusses und der Privilegien der ÖVP.
Das Risiko hat sich gelohnt. Im Sommer provozierte Kurz, der Anführer der ÖVP als Juniorpartner in der sozialdemokratisch geführten Koalition unter dem SPÖ-Kanzler Christian Kern war, aktiv eine Regierungskrise und rief zu Neuwahlen auf. Im Grunde bereitete Kurz diesen Coup bereits seit der "Flüchtlingskrise" im Herbst 2015 Schritt für Schritt vor. Ursprünglich hatte die Kern-Regierung die sogenannte "Willkommenspolitik" der deutschen Bundeskanzlerin Merkel unterstützt. Dies war kein Problem, da die Rolle Österreichs im Wesentlichen darin bestand, die Flüchtlinge auf ihrer Route vom Balkan nach Deutschland durchzuwinken. Plötzlich initiierte Kurz, der offensichtlich ein sehr feines Gespür für Stimmungswechsel in der Wählerschaft hat, eine radikale Umkehr in der Flüchtlingspolitik der österreichischen Regierung: die Schließung der österreichischen Grenze, aktiver Beistand für Ungarn und andere Staaten bei der Versiegelung der Balkan-Route. Kurz profitierte von seiner Rolle als Außenminister, um diese neue Politik zu fördern, die mit seiner Person assoziiert wurde. Die Flüchtlingsfrage war und ist im Kapitalismus mit außenpolitischen Interessen verschränkt. Das Ende der österreichischen Unterstützung für Merkels Flüchtlingspolitik führte ein Element der Konfrontation in den Beziehungen Wiens zu Deutschland und auch zur Türkei ein. Berlin möchte, dass die Türkei und auch die Staaten der nordafrikanischen Küsten eine führende Rolle dabei spielen, Flüchtlinge daran zu hindern, nach Europa zu fliehen. Auf diese Weise hofft man auch Einfluss in diesen Ländern zu erlangen und dem Einfluss von Mächten wie Russland oder China dort entgegenzuwirken. Indem es sich darauf konzentriert, die Balkan-Route zu schließen, ist Österreich, angetrieben von Kurz, noch entschlossener, seine Interessen auf der Balkan-Halbinsel zu verfolgen, die denen der Türkei diametral entgegengesetzt sind. Doch in diesem Punkt könnte das Denken von Kurz etwas kurzsichtig sein. Anders als Ungarn beispielsweise ist Österreich nicht nur ein Nachbar des Balkan, es ist auch ein alpines Land. Mit der Schließung der Balkan-Route landeten die Flüchtlinge aus Nordafrika nun über Italien in Österreich. Indem er das eine Loch stopfte, half Kurz mit, ein neues zu öffnen. Als Antwort darauf kündigte die Regierung in Wien die Mobilisierung der Armee gegen die halbverhungerten und hilflosen Männer, Frauen und Kinder an (es wurde gar vom Einsatz von Panzern gesprochen). Regierungskreise in Rom waren bestürzt über diesen plötzlichen Einsatz des österreichischen Militärs nahe der österreichisch-italienischen Grenze. Doch selbst österreichische Diplomaten begannen ihre Konsternierung über Österreich zum Ausdruck zu bringen, das in Reaktion auf die Flüchtlingsfrage eine Verschlechterung der Beziehungen zu beiden wichtigsten Nachbarn, Deutschland im Norden, Italien im Süden, in Kauf nahm. Dennoch gab es für Kurz kein Innehalten, da es ihm mit seiner Außenpolitik gegen Flüchtlinge gelang, eine Welle des Nationalismus in Teilen der Bevölkerung zu entfachen. Unter den Ingredenzien dieses Nationalismus befanden sich neben der Angst vor den Flüchtlingen und der Islamophobie alte anti-deutsche und anti-italienische Ressentiments, die plötzlich Wiederauferstehung feierten.
Zusätzlich zur Flüchtlingsfrage begann Kurz in wachsendem Maße die Koalitionsregierung selbst in Frage zu stellen, die zu einer Stagnation und Blockade verurteilt war, welche er zum Teil selbst zu verursachen mitgeholfen hatte. Letztendlich waren alle Beteiligten erleichtert, als die Koalition beendet wurde und Neuwahlen ausgerufen wurden. Noch in der Regierung begann Kurz seinen Wahlkampf und entwickelte die Rhetorik eines Oppositionsführers. Er profitierte von seiner Jugend, um sich als Verfechter einer Revolte gegen "das Establishment", dem er selbst angehört, zu präsentieren. Sein Erfolg mit dieser Masche ist umso erstaunlicher, wenn man das Scheitern der benachbarten bayrischen CSU in Deutschland unter Seehofer berücksichtigt, der als Mitglied der Großen Koalition in Berlin versuchte, sich ebenfalls als Oppositionskraft in der Flüchtlingsfrage zu präsentieren. Die CSU verlor mehr Stimmen in den jüngsten Bundestagswahlen als jede andere Partei in der Regierungskoalition. Auf dieser Ebene scheint Kurz noch etwas Anderes mit Macron gemeinsam zu haben: eine hochentwickelte Fähigkeit, politische Macht zu erringen und zu handhaben. Doch während für Macron die Macht nicht ein Selbstzweck ist, sondern Mittel zur Verwirklichung eines politischen Programms für das nationale Kapital, ist es überhaupt noch nicht klar, was Kurz erreichen will. Abgesehen vom vagen Versprechen, Steuern zu senken und Österreich zu einem sicheren und heimeligen Ort zu machen, scheint niemand zu wissen, was er zu beabsichtigen gedenkt. Ob er es selbst weiß?
Neben der "Liste Kurz" ist der Hauptgewinner dieser Wahlen die rechtspopulistische FPÖ. Unter ihrem Führer Christian Strache (ein rhetorisches Talent) erreichte sie fast das Rekordergebnis, das von den "Freiheitlichen" unter dem berüchtigten Jörg Haider vor einem Vierteljahrhundert erzielt worden war. Sie erhielt fast genauso viele Stimmen wie die seit Jahrzehnten führende Partei des österreichischen Staates, die SPÖ. Heute ist die FPÖ eine der erfahrensten, bestorganisierten und etablierten rechtspopulistischen Parteien in Europa. Es gelingt ihr, viele Fehler ähnlicher Parteien in anderen EU-Ländern zu vermeiden. Zum Beispiel kritisierte sie Madame Le Pen und ihren Front National heftig dafür, mit dem Gedanken zu spielen, die Europäische Union oder die Eurozone zu verlassen. Stattdessen ruft die FPÖ Österreich dazu auf, eine führende Rolle dabei zu spielen, die EU "mehr zu einer Union der Vaterländer" und den Euro zu einer eher "nordischen" Währung (die sich Griechenland und möglicherweise anderer südeuropäischer Mitglieder entledigt) zu machen. Sie verurteilte auch den Vorschlag von Geert Wilders in den Niederlanden als lächerlich, den Koran zu verbieten. All dies bedeutet nicht, dass die Positionen und Mitglieder der FPÖ weniger "extremistisch" sind als in den Tagen Jörg Haiders. Doch es sollte daran erinnert werden, dass sich Haider vor seinem Tod in einem Autounfall von der FPÖ abgespalten und seine eigene Partei, die BZÖ (die nicht mehr im Parlament vertreten ist), gegründet hatte. Die FPÖ von heute ist nicht mehr die FPÖ Haiders. Sie ist professioneller, "marktliberaler", und vor allen Dingen ist eine Strömung verschwunden, die unter Haider eine herausragende Rolle gespielt hatte: die "Deutschnationalen". Dies war die Strömung gewesen, die zum Teil aus Nostalgie für das Dritte Reich ihre Symphathie für die Idee einer "Wiedervereinigung" Österreichs mit Deutschland bekundet hatte. Diese Option ist zurzeit ein Non-Thema für die Hauptfraktionen der österreichischen (und auch der deutschen) Bourgeoisie. Im vergangenen Vierteljahrhundert ist es der FPÖ gelungen, sich sowohl der österreichischen als auch der europäischen Bourgeoisie genehmer zu machen. Als Jörg Haiders FPÖ im Jahr 2000 eine Regierung mit der ÖVP bildete, gab es heftige Proteste auf den Straßen Österreichs und Europas, und die Europäische Union erzwang eine Art von diplomatische Halb-Isolation gegen ihr österreichisches Mitglied. Heute könnte die Situation kaum unterschiedlicher sein. Nicht nur die ÖVP, sondern auch die SPÖ hat ihre Bereitschaft signalisiert, mit der FPÖ zu regieren; es sind keinerlei Einwände aus den anderen europäischen Staaten hören, und bis jetzt gibt es auch keine Demonstrationen.
Der gegenwärtige Erfolg der FPÖ ist eine weitere Bekräftigung des Scheiterns der Politik des früheren ÖVP-Kanzlers Schüssel, der die Bildung einer Regierung mit Jörg Haider im Jahr 2000 mit dem Argument gerechtfertigt hatte, dass die Einbeziehung der Populisten in die Macht ihnen ihren Anti-Establishment-Nimbus rauben werde. Jetzt ist die FPÖ nicht nur stärker denn je, sie ist auch imstande geblieben, ihr Image als Protestpartei aufrechtzuerhalten. Sie hat dies zum Teil auf der Länder- und Gemeindeebene und zum Teil, wie die FPÖ selbst sagt, vom ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban gelernt. Obwohl Orban seit mittlerweile sieben Jahren der Chef der ungarischen Regierung ist, gelingt es ihm zum Teil noch immer, sich als eine Oppositionskraft darzustellen: in Opposition gegen "Brüssel", gegen das "Finanzkapital" oder gegen die "Open Society Foundation" seines Lieblingsfeindes, des US-ungarischen Hedge Fond-Milliardärs George Soros. Im Grunde stützt sich die "Anti-Establishment"-Reputation von Parteien wie der FPÖ auf ihre Bereitschaft, Maßnahmen zu befürworten - und umzusetzen -, die einigen Interessen der "Eliten" und selbst der Wahrung der Interessen des nationalen Kapitals in seiner Gesamtheit widersprechen, die aber in Teilen der Wählerschaft populär sind. Die "Business as usual"-Reaktion der Bourgeoisie in Österreich und im Rest Europas bedeutet nicht, dass man nun denkt, die FPÖ sei zu einem verlässlichen Repräsentanten ihrer Interessen geworden. Sie spiegelt in erster Linie eine gewisse Resignation angesichts des Unvermeidlichen wider. Unfähig, das Problem des "Populismus" zu lösen, der die Frucht der Verrottung ihres eigenen Systems ist, muss die Bourgeoisie das Beste daraus machen und seine negativen Auswirkungen so weit wie möglich begrenzen.
Das gegenwärtige Steckenpferd der FPÖ ist, dass Österreich sich der "Visegrad"-Gruppe anschließen soll, einer informellen Umgruppierung Ungarns, der Tschechischen Republik, Slowakei und Polens, ursprünglich gebildet, um dem Übergewicht der alten westlichen Mitglieder in den Institutionen der Europäischen Union entgegenzuwirken. Zunächst nicht mehr als eine lose Koordinierung, erlangte sie durch die gegenwärtige Flüchtlingskrise und durch den Aufstieg des Populismus in Europa einen neuen Anstoß und eine neue Bedeutung. Ungarn und Polen haben bereits rechts-"populistische" Regierungen. Die ANO von Andrej Babis (bekannt als "der Donald Trump der Tschechischen Republik" - tatsächlich ist er Slowake) hat jüngst die Wahlen in Prag gewonnen. Alle vier Länder verweigern am lautesten die Aufnahme von Flüchtlingen und Muslimen in ihren Ländern. Nach seinem Wahlsieg erklärte Babis, dass er davon ausgeht, dass Österreich und Sebastian Kurz sich der "anti-liberalen Front", wie er sie bezeichnet, innerhalb der EU anschließen. Die "Visegrad-Bewegung", wie sie mittlerweile genannt wird, tendiert dazu, dem Populismus eine zusätzliche Dimension zu verleihen, indem sie eine Politik der "populären Provokation" als Bestandteil der Beziehungen zwischen den Regierungen der Europäischen Union etabliert. Doch die FPÖ hat eine weitere Provokation im Ärmel: Sie möchte die Frage Südtirols "neu stellen", gegenwärtig eine norditalienische Provinz, deren Rückkehr nach Österreich viele in der FPÖ möchten. Abhängig davon, ob die FPÖ in die Regierung tritt oder nicht und wie weit sie in dieser Frage zu gehen beabsichtigt, könnte dies zur ersten Infragestellung von Grenzen zwischen zwei Mitgliedern der Europäischen Union führen (die Regel ist, dass die EU keine Mitgliedschaft von Ländern zulässt, die Grenzen mit EU-Ländern anfechten).
Die Anhänger der politischen Stabilität nicht nur in Österreich selbst hätten es vorgezogen, wenn die vorherige Koalition unter Christian Kern ihre Arbeit hätte fortsetzen können. Die SPÖ und selbst die ÖVP haben noch den Ruf, die zwei verantwortungsvollsten und verlässlichsten Staatsparteien zu sein. Beide zusammen haben eine stabile Mehrheit, um eine neue Koalition zu bilden, diesmal unter der Führung von Sebastian Kurz. Doch genau diese Option erscheint in vielerlei Hinsicht als die problematischste. Weil Kurz einen Wahlkampf gegen die Große Koalition geführt hatte, erscheinen nicht nur die Stimmen der FPÖ, sondern auch die der ÖVP als Stimmen gegen die Große Koalition. Dies zu ignorieren würde bedeuten, die politische Führung des Landes in einen eklatanten Widerspruch zu ihrer demokratischen Ideologie zu setzen. Das Dilemma der österreichischen Bourgeoisie heute besteht darin, dass die machbaren Alternativen zu einer Großen Koalition beide die FPÖ in der Regierung vorsehen.
Einige Wochen vor den österreichischen Wahlen war die deutsche Bourgeoisie bei ihren Bundestagswahlen in der Lage, auf den Aufstieg der rechts-"populistischen" Alternative für Deutschland zu antworten, indem sie eine neue Sechs-Parteien-Konstellation im Parlament schuf. Die Option, die Große Koalition (Christ- und Sozialdemokraten) in Berlin zu beenden, wurde eröffnet, indem die liberale FDP zurück in den Bundestag gebracht wurde. Wenn die Etablierung einer so genannten Jamaika-Koalition zwischen den Christdemokraten, den Liberalen und den Grünen (gegenwärtig in der Verhandlung) gelingt, wird die AfD in Deutschland nicht nur auf Distanz von der Regierungsverantwortung gehalten, sie wird (durch die SPD) auch nicht die größte Oppositionspartei im neuen Bundestag sein. In Österreich wurden keine solchen Vorkehrungen getroffen. Im Gegenteil. Der Wahlkampf dort war von einem brutalen Machtkampf zwischen der SPÖ und der ÖVP dominiert, der so weit ging, dass Kern und Kurz völlig blind gegenüber allem Anderen zu sein schienen. Die Auseinandersetzung zwischen den beiden nahm solch skandalöse Ausmaße an (eklatante Verleumdungen und Intrigen), dass die FPÖ (normalerweise der Provokateur par excellence) in der Lage war, ruhig an der Seitenlinie zu bleiben und sich von ihrer besten Seite zu zeigen. Unter diesen Umständen achtete niemand großartig auf die Tatsache, dass die Grünen (die einzige etablierte Partei, die den Slogan "Refugees welcome" aufrechthielt) unter einem monströsen fremdenfeindlichen Wahlkampf aller drei größeren Parteien begraben wurde und sich wegen eines Machtkampfes in ihren Reihen spaltete. Das Resultat war, dass die Grünen nicht mehr im neuen Parlament vertreten sind. Es ist eine Partei, der die österreichische Bourgeoisie seit Jahren als eine zusätzliche Regierungsoption, als eine mögliche Alternative zur FPÖ wohlgesonnen war.
Noch nach dem Ersten Weltkrieg war Wien eines der großen Zentren des kulturellen Lebens und des Wissens in Europa gewesen. Eines der Hauptzentren des intellektuellen Lebens in jenen Jahren dort war der regelmäßige öffentliche Ein-Mann-Dialog der meist gefeierten Figur im Wiener Kulturleben damals gewesen. Diese Person war nicht Sigmund Freud (der Vater der Psychoanalyse) oder Robert Musil (einer der Schöpfer des modernen Romans) oder Arnold Schönberg (der die moderne "klassische" Musik revolutionierte). Es war ein Mann namens Karl Kraus. Kraus war imstande, auf der Grundlage einer Analyse der Veränderungen im lokalen Wiener Slang oder der Art und Weise, wie Schlagzeilen in der Sensationspresse oder Todesanzeigen formuliert wurden, ein Gespür dafür zu zu bekommen, was in der Gesellschaft vor sich geht - und dies nicht nur in Österreich. Er war wie jemand, der einen einzigen Regentropfen betrachtete und in ihm die ganze ihn umgebende Landschaft detailliert widergespiegelt sah. Statt diese Details zu ignorieren oder in ihnen verloren zu gehen, strebte er danach, die allgemeinen Wahrheiten zu entschlüsseln, die in den charakteristischen Besonderheiten enthalten waren. Es ist klar, dass die Analyse der Wahlen in Österreich heute uns ebenfalls zu einem besseren Verständnis der politischen Weltlage insgesamt verhelfen kann. Österreich ist eines der Länder in Europa, wo sich der zeitgenössische Rechtspopulismus am frühesten und am stärksten entwickelt hatte. Heute ist die FPÖ auf Augenhöhe mit den beiden traditionellen, etablierten Parteien in Österreich. Wie die Brexiteers in Großbritannien, die Trumpisten in den Vereinigten Staaten oder die Unabhängigkeitsanhänger in Katalonien sind sie bereit, Dinge zu tun, die die Leute hinter ihnen mobilisieren, selbst wenn diese Dinge gelegentlich den Interessen des Kapitals und selbst ihren eigenen Partikularinteressen widersprechen.
Die vielleicht auffälligste Besonderheit Österreichs, die die Entwicklung des Populismus dort befördert hat und die gleichzeitig eine allgemeine Tendenz im zeitgenössischen Kapitalismus repräsentiert, ist der Niedergang des parteipolitischen Apparates. Die SPÖ und die ÖVP hatten ein solch unumstrittenes Monopol der parteipolitischen Macht über ein dreiviertel Jahrhundert lang gehabt, dass sie sich zumeist um die Wahrung ihrer eigennützigen Interessen kümmerten, statt ihren Job fürs Kapital zu verrichten. Sie sind auch in den Augen eines bedeutenden Teils der Bevölkerung immer unglaubwürdiger geworden. Genau in dieser Frage hat Sebastian Kurz so etwas wie ein eigenes politisches Projekt vorgeschlagen: die "Rationalisierung",die "Größenreduzierung" des Parteiapparates der ÖVP. Wenn er dies ernst meint, wird es zur Folge haben, dass Parteimitglieder ihre Privilegien und gar ihre Jobs verlieren. Dies würde unweigerlich neue Konflikte schaffen, diesmal in der ÖVP selbst. Aufgrund ihrer Unfähigkeit, der Gesellschaft in ihrer Gesamtheit eine Perspektive vorzustellen, hat die herrschende Klasse enorme Schwierigkeiten bei der Erneuerung ihres parteipolitischen Apparates. Mit den jüngsten Wahlen scheint Österreich tiefer in den Sumpf seiner politischen Krise im Kontext des kapitalistischen Zerfalls zu sinken.
Steinklopfer, 23.10.2017
Vor 72 Jahren, im August 1945, wurden die beiden ersten Atombomben über Hiroshima und Nagasaki abgeworfen. Nach den massiven Zerstörungen, die im Zweiten Weltkrieg bereits mit allen Arten von Waffen, insbesondere Brandbomben, angerichtet worden waren, leitete der Gebrauch von Atombomben eine neue Stufe potenzieller Zerstörungskraft ein, die den ganzen Planeten bedroht.
Am 9. September 2017 zeigten nordkoreanischen Medien anlässlich des Gedenkens an die Etablierung des nordkoreanischen Regimes ein riesiges, staatlicherseits organisiertes Fest mit einem strahlenden Kim Jong-un, der die Wasserstoffbombe als "eine außergewöhnliche Leistung und ein großes Ereignis in der Geschichte unseres Volkes" pries.
Nordkorea hat erfolgreich eine Nuklearexplosion durchgeführt, deren Stärke alle vorherigen Tests weit übertraf. Nordkorea ist damit in den exklusiven Klub der Atommächte der Welt eingetreten. Die Nachrichten über diesen jüngsten Schritt im Abstieg der bürgerlichen Gesellschaft in die Barbarei kamen nicht aus heiterem Himmel. Der makabre Triumph der Massenzerstörungstechnologie seitens des stalinistischen Regimes in Pjöngjang ist der Höhepunkt monatelanger gegenseitiger Drohungen der Vereinigten Staaten von Amerika und der Demokratischen Volksrepublik Korea. Nordkorea hat bereits 17 Raketentests in diesem Jahr durchgeführt - mehr als alle früheren Tests zusammengenommen. Mit der Drohung, die zu den USA gehörende Pazifikinsel Guam oder Ziele auf dem amerikanischen Festland anzugreifen, hat der Showdown zwischen Nordkorea und den USA eine neue Stufe erreicht. Die USA drohen mit ihrem gesamten Arsenal militärischer, wirtschaftlicher und politischer Waffen: Präsident Trump spricht darüber, Nordkorea mit "Feuer und Zorn" heimzusuchen, falls die USA oder irgendeiner ihrer Verbündeten von diesem Regime angegriffen wird. Das Risiko, dass dabei Atomwaffen eingesetzt werden, erhöht die Einsätze wie nie zuvor und stellt eine direkte Bedrohung für einige der größten Metropolen Asiens - Seoul, Tokio, etc. - dar. Die jüngsten militärischen Schritte der USA und ihrer Verbündeten Korea und Japan (namentlich die Installierung des neuen THAAD-Raketensystems in Südkorea) haben die Konfrontation zwischen den USA und China verschärft und andere Länder in diesen Mahlstrom gezogen.
Jahrzehntelang, während des Kalten Krieges, waren hauptsächlich die Großmächte mit Atomwaffen ausgerüstet. Doch nach 1989 hat eine Reihe von weiteren Ländern Zugang zur Atombombe erlangt oder versucht es, was die Gefahr der gegenseitigen Zerstörung noch unkalkulierbarer macht. Es müssen unterschiedliche Faktoren berücksichtigt werden, um zu verstehen, warum "Underdogs" wie Nordkorea die Fähigkeit entwickelt haben, eine atomare Bedrohung darzustellen. Diese Entwicklungen können nur in einem breiteren historischen und internationalen Kontext verstanden werden.
Infolge der Verheerungen durch den Zweiten Weltkrieg und des Korea-Krieges, der einige Jahre später folgte, mussten sich sowohl der Norden als auch der Süden beim Wiederaufbau auf ihre "Schutzmächte" stützen. Nordkorea wurde von China und Russland abhängig, zwei Länder, die von stalinistischen Regimes beherrscht wurden, die unfähig waren, auf dem Weltmarkt zu bestehen, und den fortgeschritteneren kapitalistischen Ländern hinterherhinkten. Russland war infolge der Niederlage von Nazi-Deutschland Blockführer geworden, doch war es durch den Krieg aufs Schwerste ausgezehrt und musste nun den größeren Teil seiner Ressourcen dem neuen Rüstungswettlauf im Kalten Krieg widmen. Der Gegensatz zwischen den beiden Blöcken lässt sich in der Tatsache zusammenfassen, dass ein erschöpftes Russland Fabriken in Ost- und Mitteleuropa demontieren musste, während die USA große Geldbeträge besonders in den deutschen und koreanischen Wiederaufbau pumpten (Marshallplan).
Der nordkoreanische Wiederaufbau folgte dem stalinistischen Modell. Obwohl er vor 1945 wirtschaftlich entwickelter als der Süden und besser ausgestattet mit Rohstoffen und Energiequellen war, litt der Norden unter einer ähnlichen Rückständigkeit - typisch für Regimes, die im Würgegriff des Militarismus waren und von einer stalinistischen Clique angeführt wurden. So wie die Sowjetunion nicht imstande war, wirtschaftlich konkurrenzfähig auf dem Weltmarkt zu werden, und stark vom Einsatz (oder seiner Androhung) ihrer militärischen Kapazitäten abhing, so war auch Nordkorea unfähig, auf wirtschaftlicher Ebene Wettbewerbsfähigkeit auf dem Weltmarkt zu erlangen. Seine Hauptexporterzeugnisse sind Waffen, einige Rohstoffe und seit jüngerem billige Textilien und Teile seiner Arbeitskräfte, die das nordkoreanische Regime in Gestalt von "Vertragsarbeiter_innen" an Unternehmen anderer Länder verkauft.[1]
Gleichzeitig ist die Abhängigkeit von seinen Verteidigern China und Russland stark gestiegen; 90 Prozent des nordkoreanischen Handels beschränkt sich auf China. Beherrscht von einer Parteidiktatur, die eine straffe Kontrolle über die Armee ausübt und in der jegliche rivalisierende bürgerliche Fraktion eliminiert worden ist, hat das Regime dieselben angeborenen Schwächen wie alle Regimes unter stalinistischer Kontrolle[2], dennoch hat es Jahrzehnte des Mangels, Hungers und der Repression überlebt. Der militärische und politische Apparat war in der Lage gewesen, jegliche Erhebung der Bevölkerung, insbesondere der Arbeiterklasse, zu verhindern. Im Vergleich zur jahrzehntelangen Herrschaft anderer Dynastien in unterentwickelten Ländern hält Nordkorea den Rekord mit einem Familienclan (Kim Il-sung, Kim Jong-il und Kim-Jong-un), der seine Bevölkerung nun schon seit mehr als sechzig Jahren terrorisiert und sie dazu zwingt, sich seinem groteskesten Personenkult zu beugen.[3]
Angesichts der nationalistischen Ambitionen des Südens und der imperialistischen Interessen der US A und unfähig, auf irgendeine wirtschaftliche Stärke zu bauen, kann das Regime nur mit extremer Repression nach innen und mit militärischer Erpressung nach außen überleben. Und im Zeitalter der Atomwaffen ist die Erpressung furchterregend genug, um seine Feinde abzuschrecken.
Kim Jong-un sieht in der Atombombe seine Lebensversicherung. Wie er selbst öffentlich erklärte, hat er die Lehre daraus gezogen, was in der Ukraine und in Libyen einerseits und in Pakistan andererseits geschah. Nach der Auflösung der UdSSR war der neu gebildete ukrainische Staat - unter massivem Druck nicht nur aus Moskau, sondern auch aus Washington - gezwungen worden, die Atomwaffen auf seinem Territorium an die Russen auszuhändigen. Was Libyen angeht, so willigte es ein, im Austausch für eine Beendigung der internationalen Isolation des Gaddafi-Regimes in Tripolis seine Versuche aufzugeben, eine Atombombe zu erlangen. Ein ähnliches Schicksal ereilte den Irak, wo Saddam Husseins Regime sein Atomprogramm infolge der Drohungen vor allem aus den USA fallenließ.[4] Dagegen gelang es Pakistan, in den Besitz "der Bombe" zu kommen. Was an diesen Beispielen auffällt, ist die Tatsache, wie unterschiedlich Länder behandelt werden, abhängig davon, ob sie eine atomare Kapazität besitzen oder nicht. Bis zum heutigen Tag haben die Vereinigten Staaten Pakistan noch nie militärisch bedroht. Und dies trotz der Tatsache, dass das Regime in Lahore immer noch ein bedeutender Unterstützer der Taliban in Afghanistan ist, Bin Laden Unterschlupf gewährt hat und sich China, dem Hauptrivalen der USA, immer mehr annähert. Im Gegensatz dazu wurden die Ukraine, ihrer Atomwaffen entledigt, von Russland und Libyen von Frankreich und Großbritannien (mit den USA im Hintergrund) militärisch angegriffen. Die Lektion ist klar: In den Augen ihrer Führer ist "die Bombe" vielleicht das wirksamste Mittel für schwächere Mächte, um zu verhindern, dass sie zu sehr herumgeschoben oder gar von den stärkeren gestürzt werden. Diese Politik wird freilich von den Großmächten als inakzeptabel betrachtet, die seit Jahrzehnten über ein atomares Arsenal verfügen und die atomare Bedrohung für ihre eigenen imperialistischen Interessen nutzen. Obwohl der Kalte Krieg vorüber ist, halten alle existierenden Atommächte (USA, Russland, China, Frankreich, Großbritannien) gigantische Arsenale von Atomwaffen - geschätzte 22.000 Atombomben. Und die USA - als die einzige verbliebene Supermacht, auch wenn geschwächt und überall in der Welt herausgefordert - haben es ihrem langjährigen Verbündeten Israel und einem Land wie Indien gestattet, sich selbst mit Atomwaffen auszurüsten, solange sie für die USA von Nutzen sind (im Falle Indiens ist es sein Gegengewicht zu China und Pakistan). So haben die USA selbst zur Weiterverbreitung von Atomwaffen beigetragen. Unter den existierenden Atommächten können bis jetzt nur russische und chinesische Raketen US-Territorium erreichen, iranische Raketen (ob mit Atomsprengköpfen ausgerüstet oder nicht) nicht. Nordkorea wäre der erste "Schurkenstaat", der dazu in der Lage ist. Dies ist unerträglich für die USA.
In Zeiten des Kalten Krieges beschränkte sich die Androhung, Atomwaffen einzusetzen, auf die Großmächte. Seit 1989 bedeutete die Weiterverbreitung von Kernwaffen, dass immer mehr Länder Zugang zu ihnen erlangen bzw. sie schnell herstellen können; und niemand kann die Gefahr ausschließen, dass diese Waffen in die Hände von terroristischen Gruppierungen gelangen können. Die Drohung eines „bipolaren" nuklearen Holocausts hat dem noch schlimmeren Albtraum eines "multi-polaren" Genozids Platz gemacht.
Doch die neue Eskalation kann nicht allein mit den Besonderheiten des nordkoreanischen Regimes und seines Überlebenskampfes erklärt werden. Der Konflikt in Korea selbst verleiht wegen der geostrategischen Lage Koreas und seine Bedeutung für die USA und China ihrer globalen imperialistischen Rivalität eine weitere Qualität.
Korea war immer das Objekt imperialistischer Ambitionen seiner Nachbarn gewesen. In der Sonderausgabe unserer INTERNATIONALEN REVUE (engl., franz., span. Ausgabe) über den Fernen Osten schrieben wir: "Die Gründe liegen auf der Hand: Umgeben von Russland, China und Japan, machte Koreas geographische Lage es zu einem Sprungbrett für eine Expansion von einem Land in das andere. Korea sitzt unentrinnbar gefangen in der Klemme zwischen dem japanischen Inselreich und den beiden kontinentalen Imperien Russland und China. Die Kontrolle über Korea ermöglicht die Kontrolle über drei Meere - das Japanische Meer, das Gelbe Meer und das Ostchinesische Meer. Unter der Kontrolle eines Landes könnte Korea als Messer im Rücken anderer Länder dienen. Seit den 1890er Jahren war Korea das Objekt der imperialistischen Ambitionen der größten Räuber in dieser Region gewesen, die anfangs nur zu dritt waren: Russland, Japan und China - mit der entsprechenden Unterstützung resp. des jeweiligen Widerstandes der europäischen und US-amerikanischen Räuber, die im Hintergrund agierten. Auch wenn besonders der nördliche Teil Koreas einige wichtige Rohstoffe besitzt, ist es vor allem seine strategische Lage, die das Land zu einem unverzichtbaren Eckpfeiler für den Imperialismus in der Region macht."[5]
Besonders seit der Aufteilung des Landes im Korea-Krieg dient Nordkorea als Puffer zwischen China und Südkorea und somit zwischen China und den USA. Wenn das Regime im Norden fällt, wären nicht nur südkoreanische, sondern auch US-Truppen näher denn je an der chinesischen Grenze stationiert - ein Albtraum für China. So ist China dazu verdammt, das Regime in Nordkorea zu unterstützen, um seine eigenen Grenzen vor allem gegen die USA zu schützen. Angesichts der Neigung des nordkoreanischen Regimes, unvorhersehbar und eigenwillig zu handeln, musste China zwar einigen Sanktionen gegen Pjöngjang zustimmen, lehnte aber eine völlige Strangulierung des Regimes ab. Für China ist die aggressive Politik des nordkoreanischen Regimes ein zweischneidiges Schwert: Einerseits provoziert sie eine stärkere, militärische Reaktion der USA, Südkoreas und Japans und schwächt die chinesische Position an der Nordflanke, wobei es jedoch möglicherweise mehr Raum für Manöver an seiner Südflanke (zum Beispiel das Südchinesische Meer) lässt. Aber der Zusammenbruch des nordkoreanischen Regimes würde China gegenüber den USA und seinem Erzfeind Japan weitaus verwundbarer machen. Und die Konsequenzen eines möglichen Kollapses des nordkoreanischen Regimes sowie die Welle von Flüchtlingen, die dann nach China oder über China fliehen, sind äußerst beängstigend für Peking.
Obwohl in ihrer Position bedroht und untergraben, können die USA - paradoxerweise - von den nordkoreanischen Drohungen auch profitieren, weil sie eine willkommene Rechtfertigung für ihre eigene militärische Präsenz oder die ihrer Verbündeten rund um China sind. Wir können davon ausgehen, dass, wenn Nordkorea nicht so provokant agiert hätte, die USA nicht so leicht das THAAD-Waffensystem in Südkorea hätten installieren können. Jede Waffe, die in Südkorea aufgestellt wird, kann leicht gegen China genutzt werden; was sich für Südkorea als "defensive" Waffe darstellt, ist eine "offensive" Waffe gegen China.
Der Konflikt zwischen Nordkorea und Südkorea sowie den USA wird durch die neue Konstellation im Fernen Osten verschlimmert. Fast zeitgleich mit seinem ökonomischen Aufstieg in den 1990er Jahren begann China auch neue imperialistische Ambitionen zu entwickeln. So haben wir die Modernisierung seiner Armee gesehen, die Etablierung der "Perlenschnur"-Marinebasen rund um sein Territorium und in den Gewässern des Indischen Ozeans und Südostasiens - eine Art militärische Besetzung zumindest eines Teils des Südchinesischen Meeres; der Aufbau von Militärbasen in Dschibuti; wachsendes ökonomisches Gewicht in Afrika und Lateinamerika; kombinierte Manöver mit den Russen in der Ostsee, im Mittelmeer und im Fernen Osten, etc. Die USA haben China zur Nummer eins unter den Gefahren erklärt, die in Schach gehalten werden müssen. Daher ist der Prozess der Wiederbewaffnung Japans (möglicherweise sogar die Gestattung von Atomwaffen) wie auch der wachsenden militärischen Anstrengungen in Südkorea Teil einer globalen Strategie sowohl zum Schutz Südkoreas als auch zur Eindämmung Chinas. Natürlich hat dies der US-Rüstungsindustrie einen zusätzlichen Schub gegeben. Zusammen mit Saudi-Arabien ist Südkorea zum wichtigsten Kunden der US-Waffenindustrie geworden. Sein Beitrag zur Finanzierung des enormen Militärapparates der USA heute ist beträchtlich.
Gleichzeitig erschwert Nordkoreas Fähigkeit zu Nuklearschlägen es dem US-Imperialismus, militärisch in dieser Region zurückzuschlagen, und es ist wahrscheinlich, dass dies seine Entschlossenheit stärken wird, in anderen Hotspots gegen China zu antworten.
Jegliche direkte militärische Konfrontation mit Nordkorea würde eine Kette von Verwüstungen auf beiden Seiten auslösen. Die Hälfte der südkoreanischen Bevölkerung lebt im Gebiet von Seoul, und viele der 250.000 US-Amerikaner in Südkorea leben in der Region - leicht erreichbar von nordkoreanischen Raketen. Trumps "Feuer und Zorn"-Drohungen würden zum Tod nicht nur einer sehr hohen Zahl von Koreanern, sondern auch vieler US-Bürger führen. Die Auslöschung des Regimes in Nordkorea kann nur auf Kosten gigantischer Zerstörungen in Südkorea erreicht werden - ganz zu schweigen von der Eskalation, die dies auf globaler imperialistischer Ebene bedeuten würde.
Die herrschende Ansicht in der Mainstream-Presse über diese Entwicklungen ist, dass sie die Folge daraus sind, dass ein Verrückter in Pjöngjang an der Macht sitzt oder dass hier Narzissmus und Irrationalität sowohl von Kim Jong-un als auch von Trump Hand in Hand gehen. Es ist richtig, dass beide viele aufschlussreiche Muster für eine psychoanalytische Untersuchung präsentieren und dass die Art, wie sie sprechen und handeln, der Eskalation einen spektakulären und nahezu hysterischen Tonfall verleihen. Doch wir haben bereits gesehen, dass vom Standpunkt der Verteidigung seines nationalen Kapitals die Atompolitik Kim Jong-uns sehr wohl einen Sinn macht. Die wahre Irrationalität liegt viel tiefer - in der Irrationalität der nationalen Konkurrenz in einer Ära des fortgeschrittenen kapitalistischen Verfalls. Der Rüstungswettlauf im Fernen Osten ist nur ein Ausdruck des sich verbreitenden Krebsgeschwürs des Militarismus, seinerseits das zwangsläufige Produkt eines Gesellschaftssystems, das in einer historischen Sackgasse gefangen ist. Kein Politiker, welches psychologische Profil er auch immer hat, kann der tödlichen Logik dieses Systems entkommen. Der sehr intelligente und wortgewandte Obama versprach, das katastrophale Engagement der Bush-Administration im Nahen Osten herunterzufahren; doch kaum hatte er Truppen aus Afghanistan und dem Irak zurückgezogen, war er gezwungen, die Präsenz der USA im Fernen Osten zu erhöhen. Trump kritisierte seine Vorgänger für ihre Unfähigkeit, Verwicklungen in "ausländische Kriege" zu vermeiden, besonders im Nahen Osten, doch muss er nun die Militärpräsenz der USA fast überall erhöhen, einschließlich des Nahen Ostens. In Wahrheit haben sowohl Obama als auch Trump demonstriert, dass der Einfluss des Militarismus stärker ist als die Deklarationen und Wünsche einzelner Politiker.
Die Geschichte hat gezeigt, dass China einen hohen Preis im Kampf um Korea gezahlt hat. Im Koreakrieg trugen Maos Truppen ihre erste ausländische Invasion aus und erlitten hohe Verluste. Seit dem Zweiten Weltkrieg und erst recht nach dem Koreakrieg waren die USA in der Lage gewesen, die Unterhaltung riesiger Stützpunkte in der Region mit der chinesischen Gefahr zu rechtfertigen. Hinzu kommt Chinas Rivalität mit Japan. In solch einem Kontext, wo es im Moment nicht darum geht, Waffen gegen Südkorea einzusetzen, spielt China die ökonomische Karte. Sein Ziel ist es, Südkorea so weit wie möglich von der chinesischen Wirtschaft abhängig zu machen. Schon heute ist der Hauptexportmarkt Südkoreas China (um die 23 Prozent), nicht mehr die Vereinigten Staaten (rund 12 Prozent). Und Südkorea ist der viertgrößte Exportmarkt für chinesische Produkte. Die Aufstellung des THAAD-Raketenabwehrsystems in Südkorea steht symbolhaft für den herben Rückschlag, den diese Politik erlitten hat. Peking sah sich veranlasst, sofort mit der Androhung wirtschaftlicher Sanktionen gegen Seoul zu reagieren. Die Politik Pekings gegenüber Pjöngjang war es seit einiger Zeit, zu versuchen, es zu überreden, dem Beispiel Chinas oder Vietnams zu folgen: Privatisierung von Staatsunternehmen und die Öffnung für ausländische Investitionen, während die stalinistische Partei an der Macht bleibt. Kim Jong-un hat sich selbst als viel offener gegenüber solcher Idee erwiesen als sein Vater. Zwischen 30 und 50 Prozent der Wirtschaft, heißt es, befinden sich heute in privater Hand, was, wie die Erfahrung aus den osteuropäischen Ländern, aus Russland und China gezeigt hat, bedeutet, hauptsächlich in den Händen von Cliquen, die der Partei angehören oder der Partei und der Armee loyal gegenüber sind. Auch wenn diese Privatisierungen nicht offiziell sind (sie haben keine gesetzliche Grundlage, so dass sie jederzeit widerrufen werden können), scheinen sie einige Wirtschaftszweige effizienter gemacht zu haben. Selbst ein eigenes Fernsprechsystem, mit einer Million Benutzer, ist (mit der Hilfe eines ägyptischen Unternehmens) eingerichtet worden. Doch trotz alledem haben sich die Beziehungen zwischen Peking und Pjöngjang in den letzten Jahren stetig verschlechtert, und der Einfluss, den China auf Letzteres ausübt, schwindet deutlich. Der Hauptkonfliktherd ist das Atomprogramm. Auch wenn er auf die chinesischen Vorschläge für eine wirtschaftliche Weiterentwicklung bis zu einem gewissen Umfang eingeht, hat Kim Jong-un nie einen Hehl daraus gemacht, dass seine erste Priorität "die Bombe" ist, nicht die Wirtschaft. Für ihn ist die Bombe die Garantie für das Überleben seines Regimes. Sobald dies erreicht ist, sagt er, werden wir uns um die Wirtschaft kümmern. Kims Bombe ist also nicht nur das Symbol für die Grenzen des chinesischen Einflusses, sie zeigt auch, wie sehr militärische Interessen gegenüber den ökonomischen Interessen überwiegen.
Die Tatsache, dass China kein Blockführer ist, der Nordkorea "disziplinieren könnte, ist ein zusätzliches Element in der Tendenz des "Jeder für sich" und macht die Situation noch unkalkulierbarer. Schließlich muss betont werden, dass, während Kim Jong-un und seine Armee mithilfe der Bombe um ihr Überleben spielen und darauf spekulieren, dass die USA einen atomaren Konflikt vermeiden möchten, solch eine Kalkulation die Herrscher des Kapitalismus noch nie dabei gestoppt hat, eine Politik der verbrannten Erde zu betreiben und ihre eigene Auslöschung zu riskieren, um an der Macht zu bleiben oder schlicht aus Rachelust. Zögerte Hitler etwa, Massaker und Exekutionen bis zu seinem letzten Atemzug anzuordnen? Hat Assad nicht die Zerstörung großer Gebiete seines eigenen Landes in Kauf genommen, um die Kontrolle zu behalten?
Wir erleben im Fernen Osten also eine Verschärfung der Spannungen zwischen den Hauptrivalen USA und China, mit Russland und Japan, die sich hinter diesen beiden führenden Mächten zusammenrotten. Doch keine dieser führenden Mächte hat einen militärischen Block hinter sich geschart. Japan und Südkorea unterstützen die USA soweit, wie die USA einen gewissen Grad an Schutz gegen Nordkorea und China anbieten können, doch sie sind keine Lakaien der USA, und sie suchen beständig nach Raum für eigene Manöver. Und Südkorea sowie Japan haben auch wegen einiger Inseln territoriale Konflikte untereinander. Unterdessen haben andere Länder, die in der Vergangenheit die USA unterstützt haben, wie die Philippinen, die beim Kampf gegen Terroristen aller Art in diesem Land auf die militärische Unterstützung der USA gebaut hatten, damit gedroht, im Konflikt im Südchinesischen Meer Partei für China zu ergreifen; und Duterte hat auch über die Möglichkeit getönt, russische und chinesische Waffen statt jene zu kaufen, die die westlichen Länder liefern. Und in Korea selbst können die Amerikaner, auch wenn die USA ein unerlässlicher Bodyguard bleiben, nicht auf die bedingungslose Loyalität der herrschenden Fraktionen Südkoreas zählen, von denen einige das Gefühl haben, dass sie lediglich Figuren auf dem Schachbrett für die USA sind.
Weil sie beide als unverzichtbare Puffer gegen die größeren Rivalen dienen, haben all die imperialistischen Räuber der Region ein Interesse daran, Korea geteilt zu halten. Dasselbe trifft auf das Regime in Pjöngjang zu. Die herrschende Klasse Südkoreas hat jedoch stets von einer Wiedervereinigung geträumt und sie regelmäßig angestrebt. Die so genannte "Sonnenschein"-Politik, die eine wachsende Zusammenarbeit mit Pjöngjang befürwortet, ist ein Versuch, den Weg zu einer langfristigen Vereinbarung mit der Hoffnung auf eine letztendliche Wiedervereinigung zu ebnen.
Dieser Traum in der herrschenden Klasse Südkoreas ist nach der Wiedervereinigung Deutschlands 1990 stärker geworden. Dies verlieh den Bestrebungen des Südens einen Schub, die Vereinigung Koreas zurück auf die Tagesordnung der Weltpolitik zu setzen. Dem deutschen Beispiel folgend, begannen südkoreanische Politiker ihre "Sonnenschein"-Politik als eine Art koreanische Version der Ostpolitik des westdeutschen Bundeskanzlers Willy Brandt in den 1970er Jahren zu formulieren. Ihr Ziel war es, eine ökonomische und "humanitäre" Abhängigkeit des Nordens von Südkorea als Mittel zur Vorbereitung der Wiedervereinigung zu schaffen. Sobald die beiden koreanischen Staaten sich gegenseitig diplomatisch anerkannt hatten, wurden sie beide im September 1991 Mitglieder der Vereinten Nationen. Drei Monate später unterzeichneten der Norden und der Süden ein Abkommen über "Wiederversöhnung, Nicht-Aggression, Handel und Zusammenarbeit". Wenngleich noch kein Friedensvertrag, beendete dieses Abkommen offiziell den Kriegszustand zwischen den beiden Koreas. Wie die südkoreanische Regierung damals betonte, wurde der Friedensvertrag, zu dem sie aufgerufen hatte, von der Weigerung der Vereinigten Staaten unterbunden, Nordkorea diplomatisch anzuerkennen. Diese Haltung Washingtons unterminierte die "Sonnenschein"-Politik, so dass der neue Präsident, Kim Young Sam, mit der Unterstützung des US-Präsidenten Bill Clinton zur Politik der aggressiven Eindämmung des Nordens zurückkehrte. Diese Politik des Letztgenannten nahm sich zum Vorbild der so genannten Kennan-Doktrin, die im Verlauf des Kalten Krieges von den USA gegen die UdSSR entwickelt wurde. Sie besteht aus der militärischen Umzingelung und ökonomischen Strangulierung des Feindes, um dessen Regime in die Knie zu zwingen. 1994 zog US-Präsident Clinton als Reaktion auf die nordkoreanischen Fortschritte bei der Entwicklung von Atomwaffen einen Präventivschlag gegen die Atomkraftwerke des Regimes in Betracht: Trotz des Verzichts auf Atomwaffen durch Nordkorea im Genfer Rahmenabkommen im Herbst 1994 verhärteten die USA ihre Haltung gegenüber Nordkorea. Die abermalige Verschärfung des innerkoreanischen Konflikts, die daraus resultierte, trug sicherlich mit zum Ausmaß der Hungersnot bei, die Nordkorea zwischen 1995 und 1998 heimsuchte. Diese Katastrophe wiederum wurde von den "Sonnenschein"-Politikern genutzt, aufs Neue nach der Macht zu greifen.
Der Gründer des Giganten Hyundai Chung Ju Yung hat, so heißt es, die Politik der ökonomischen Strangulierung, die die Seouler Regierung praktizierte, 1998 in Frage gestellt, indem er dem Norden eintausend Kühe spendete. Anfang 2000 traf Kim Dae-jung, der prominenteste Befürworter der "Sonnenschein"-Politik, der auf dieser Grundlage die Präsidentschaftswahlen gewonnen hatte, seinen nordkoreanischen Gegenpart Kim Jong Il (dem Vater vom Kim Jong-un). Dabei musste das Sträuben des Nordens, sich an diesem "historischen Gipfel" zu beteiligen, mithilfe einer Zahlung von 186 Millionen Dollar überwunden werden, die vom Hyundai-Konzern gestellt wurde - ein Deal, der mit der Hilfe der Spitze des südkoreanischen Geheimdienstes abgeschlossen wurde. Dem folgte 2004 ein wichtiges wirtschaftliches Projekt: die Einrichtung einer Sonderwirtschaftszone in Kaesong nach dem chinesischen Modell, wo südkoreanische Unternehmen billige nordkoreanische Arbeitskräfte einstellen und ausbeuten konnten. Für seine "Sonnenschein"-Politik wurde Kim Dae-jung mit dem Friedensnobelpreis belohnt. Aber sie trug ihm und seinem Nachfolger Roh Moo-hyun auch die Opposition ihrer südkoreanischen Rivalen und der Vereinigten Staaten ein.
Nordkorea war über die triumphale Rückkehr der "Sonnenschein"-Politiker im Süden aufgebracht. Um zu begreifen, warum, muss man einen Blick darauf werfen, was in Deutschland geschah. Dort wurde das stalinistisch beherrschte Ostdeutschland 1990 ganz und gar geschluckt. In solch einer Lage würden die nordkoreanischen Stalinisten nicht nur ihre Macht verlieren, wie es in Ostberlin geschah, sondern auch ihr Leben. Die konzilianteren Töne aus dem Süden konnte die Ängste der Stalinisten in Pjöngjang, dass dies der Anfang vom Ende Nordkoreas sein könnte, nicht zerstreuen. Die Hoffnung der "Sonnenschein"-Politiker, dass das Regime im Norden ihre Politik der "Wandlung durch Zusammenarbeit" unterstützen würde, schien zunichte gemacht worden zu sein. Auch erhielt die "Sonnenschein"-Politik keinerlei Rückendeckung aus Washington.
Nach dem Intermezzo der ihres Amtes enthobenen Park Geun-hye, die für einen eher konfrontativen Kurs gegenüber dem Norden gestanden hatte, übernahm 2017 Moon die Regierungsgeschäfte.[6] Moon kam als unerschütterlicher Vertreter der "Sonnenschein"-Doktrin, die eher auf Dialog und Kooperation denn auf Konfrontation mit dem Norden setzt, an die Macht. Er war angeblich empört über die neue Eskalation zwischen Nordkorea und den Vereinigten Staaten. Er stellte zumindest anfangs die Entscheidung von Donald Trump (die dieser offensichtlich ohne Konsultation der Moon-Regierung traf) in Frage, das amerikanische THAAD-Raketenabwehrsystem in Südkorea aufzustellen, ein Schritt, der bereits unter Park Geun-hye, der des Amtes enthobenen Präsidentin, geplant worden war. Statt sich auf die Seite von Donald Trump im jüngsten Konflikt zu stellen, rief Seoul anfangs zur Mäßigung auf beiden Seiten auf. Doch nach den jüngsten Raketentests und Drohungen bat Moon plötzlich um die Aufstellung von US-Atomwaffen und peitschte die Installierung dieses Raketensystems in Südkorea durch. Zusätzlich soll die Reichweite südkoreanischer Raketen (bis jetzt auf 800 km Reichweite beschränkt) und ihre Trägerkapazität von 500 kg deutlich erhöht werden. Es ist zu früh, den Schluss zu ziehen, dass all dies eine unumkehrbare Kehrtwende der "Sonnenschein"-Politik bedeutet, aber all dies setzt sie mit Sicherheit aufs Spiel.
In all diesen Ländern versucht die herrschende Klasse, die Arbeiterklasse auf ein nationalistisches Terrain zu ziehen. Doch die Arbeiterklasse darf sich nicht in diese Falle locken lassen. Richtig, die Kampfbereitschaft und das Bewusstsein der Arbeiterklasse in Nordkorea sind schwer einzuschätzen. Angesichts der täglichen Überwachung und des Terrors müsste der Widerstand massenhaft sein und sofort den Staat und seinen Militär- und Polizeiapparat konfrontieren. Dies erscheint im Moment als unwahrscheinlich. Darüber hinaus werden die Auswirkungen der UN-Sanktionen das nordkoreanische Regime nicht die Luft abschneiden; sie werden vor allem die Arbeiterklasse treffen. Jedes Mal, wenn ihre Herrscher erfolgreiche Raketentests verkünden, wissen die Arbeiter_innen und Bauern /Bäuerinnen, dass neue Sanktionen im Anmarsch sind, für die sie die Zeche zahlen müssen. Und sie wissen, dass ihre Herrscher sich einen Dreck um die Gefahren einer Hungersnot scheren.
Umso mehr Gewicht liegt daher auf den Schultern der Arbeiterklasse in Südkorea und China. Obwohl jahrzehntelange "antikommunistische Kampagnen" den Blick vieler Arbeiterinnen auf den Kommunismus verstellt haben, haben sich südkoreanische und chinesische Arbeiter_innen in den letzten Jahrzehnten an vielen militanten und massenhaften Kämpfen beteiligt, was ein Anzeichen dafür ist, dass sie nicht gewillt sind, sich selbst in einem imperialistischen Krieg für ihre Ausbeuter zu opfern. Und wie groß auch immer der Widerstand der Arbeiterklasse ist, um den Kriegskurs zu konfrontieren, es ist wichtig, dass es innerhalb der Klasse eine Stimme gibt, die das älteste Prinzip und Motto der Arbeiterklasse vertritt - "Arbeiter_innen haben kein Vaterland". Daher unterstützen wir das internationalistische Flugblatt, das die Genossen der koreanischen Gruppe Internationale Kommunistische Perspektive geschrieben haben und das wir hier veröffentlichen.
Wir haben einige Kritik an dieser Stellungnahme, insbesondere an ihrem Fokus auf die Aufstellung von THAAD, was der Idee Auftrieb verleihen könnte, dass Ein-Punkt-Kampagnen gleichwertig wie der Arbeiterkampf seien, um ihre Interessen gegen die Erfordernisse der Kriegsmaschinerie zu verteidigen. Die Arbeiterklasse kann ihr Bewusstsein nicht durch die Agitation gegen diese oder jene Waffe weiterentwickeln. Die Aufgabe der Revolutionäre ist es, die Sackgasse des gesamten Systems zu enthüllen und sich an den Kämpfen für Klassenforderungen zu beteiligen, die die Illusionen über eine "nationale Einheit" auseinandernehmen und eine echte Solidarität mit Arbeiter_innen in anderen Ländern entwickeln können. Jedoch sollten unterschiedliche Ansichten unter Internationalisten debattiert werden und sie nicht daran hindern, sich zusammenzuschließen, um ihre gemeinsam geteilten Prinzipien zu verteidigen. Wir möchten daran erinnern, dass Lenin und Rosa Luxemburg nach dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges zusammen gegen den imperialistischen Konflikt kämpften, aber hitzig über die nationale Frage debattierten. Wir stehen also in Solidarität mit den Genossen der IKP und all jenen, die für einen echten Internationalismus in dieser Region kämpfen.
Internationale Kommunistische Strömung
18.9.2017
[1]Die Arbeiter_innen erhalten zwischen 120-150 Pfund und arbeiten wie Sklaven mit nur einem oder zwei freien Tagen im Monat.
[2]Siehe "Thesen zur ökonomischen und politischen Krise in der UdSSR und den osteuropäischen Ländern"; /content/871/thesen-zur-oekonomischen-und-politischen-krise-der-udssr-und-den-osteuropaeischen [3]
[3]Die Liste der Titel der Führer ist endlos; siehe [14].
[4] Der US-Außenminister Powell und der britische Premierminister Blair warnten beide davor, dass Atomwaffen bereits für Saddam Hussein verfügbar waren; wie sich herausstellte, waren dies "Fake News" und ein Vorwand für die Invasion des Irak 2003.
[6]Die Gründe für die Amtsenthebung von Park Geun-hye waren vielfältiger Art: Einerseits gab es den Machtkampf zwischen den "Sonnenschein"-Politikern und den "Konfrontationisten", und wir können davon ausgehen, dass Erstere einige Fäden in der großen Welle von Protesten gegen Park Geun-Hye zogen. Gleichzeitig trug auch die Wut in der Bevölkerung über das große Ausmaß der Korruption zu ihrem Sturz bei. Jedenfalls war all dies benutzt worden, um das Ansehen der Demokratie zu steigern.
Links
[1] https://de.internationalism.org/tag/geographisch/osterreich
[2] https://de.internationalism.org/tag/6/1317/parlamentarischer-zirkus
[3] https://de.internationalism.org/content/871/thesen-zur-oekonomischen-und-politischen-krise-der-udssr-und-den-osteuropaeischen
[4] https://en.wikipedia.org/wiki/List_of_Kim_Jong-il%27s_titles
[5] https://de.internationalism.org/tag/6/1296/usa
[6] https://de.internationalism.org/tag/6/1315/korea
[7] https://de.internationalism.org/tag/6/1316/konflikte
[8] https://de.internationalism.org/tag/3/43/imperialismus