Dekadenz des Kapitalismus, Teil IX: Die Komintern und der Virus des „Luxemburgismus“ (1924)

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Der vorherige Artikel dieser Reihe zeigte auf, wie die Hoffnungen auf einen unmittelbar bevorstehenden revolutionären Sieg, die von den proletarischen Erhebungen 1917-19 geweckt worden waren, nur zwei Jahre später einem nüchterneren Denkprozess unter den Revolutionären bezüglich des allgegenwärtigen Verlaufs der historischen Krise des Kapitalismus gewichen waren. Auf dem Dritten Kongress der Kommunistischen Internationalen war ein Schlüsselthema in der Debatte folgende Frage: Das kapitalistische System ist zweifellos in eine Epoche des Niedergangs eingetreten, doch was geschieht, wenn das Proletariat nicht sofort mit dem Sturz dieses Systems auf die neue Epoche antwortet? Und worin besteht die Aufgabe der kommunistischen Organisationen, wenn sich der Klassenkampf und das subjektive proletarische Verständnis seiner Lage auf dem Rückzug befinden, obwohl die objektiven historischen Bedingungen für die Revolution immer noch vorhanden sind?

Die Beschleunigung der Geschichte, die zu unterschiedlichen und oftmals sich scharf widersprechenden Antworten der revolutionären Organisationen führte, setzte sich in den folgenden Jahren fort, da die Degeneration der Revolution in Russland, ihre wachsende Isolation den Weg zu einer beispiellosen Form der Konterrevolutionäre öffnete. Das Jahr 1921 war ein schicksalhafter Wendepunkt: Angesichts der breiten Unzufriedenheit unter dem Petrograder und Kronstädter Proletariat wie auch einer Welle von Bauernrevolten unternahmen die Bolschewiki den katastrophalen Schritt, zur massiven Repression gegen die Arbeiterklasse zu greifen, während sie gleichzeitig innerparteiliche Fraktionen verbannten. Die Neue Ökonomische Politik, die unmittelbar nach dem Kronstädter Aufstand eingeführt wurde, machte zwar gegenüber einigen ökonomischen Forderungen dieser Fraktionen Zugeständnisse, jedoch nicht auf politischer Ebene: Es sollte keine Lockerung der Vorherrschaft der Staatspartei über die Sowjets geben. Und schon ein Jahr später begann Lenin darüber zu klagen, dass sich der Staat selbst der Kontrolle der proletarischen Partei entzog und sie in eine Richtung drängte, die sie nicht überschauen konnte. Im gleichen Jahr, also zu einer Zeit, als sich Deutschland noch in einem Zustand der sozialen Gärung befand, besiegelte der „Sowjet“-Staat in Rapallo einen Geheimvertrag mit dem deutschen Imperialismus: Dies war ein deutliches Anzeichen dafür, dass der russische Staat im Begriff war, seine nationalen Interessen über die Bedürfnisse des internationalen Klassenkampfes zu stellen. 1923 gab es in Russland immer mehr Arbeiterstreiks; es kam zur Bildung illegaler kommunistischer Gruppierungen wie Miasnikows Arbeitergruppe, aber auch zu einer „legalen“ Linksopposition innerhalb der Partei, die nicht nur alte Dissidenten wie Ossinski um sich sammelte, sondern auch Trotzki selbst.

Lenin starb im Januar 1924, und im Dezember desselben Jahres stimmte Stalin (noch) zaghaft den Schlachtruf „Sozialismus in einem Land“ an. Ab 1925/26 wurde Letzterer zur offiziellen Politik der russischen Partei. Die neue Linie symbolisierte einen entscheidenden Bruch mit dem Internationalismus.

Bolschewisierung versus „Luxemburgismus“

Eigentliche alle Kommunisten, die zusammenkamen, um die neue Internationale 1919 zu gründen, waren sich einig, dass der Kapitalismus sich als ein  System im historischen Niedergang erwiesen hat, auch wenn sie unterschiedlicher Meinung über die politischen Implikationen der neuen Periode und über die Mittel waren, die es bedurfte, um den revolutionären Kampf zu entwickeln – zum Beispiel ob bürgerliche Parlamente als eine „Tribüne“ für die revolutionäre Propaganda benutzt oder zugunsten der Aktion auf den Straßen und an den Arbeitsplätzen boykottiert werden sollten. Hinsichtlich der theoretischen Untermauerungen der neuen Epoche gab es wenig Zeit für eine nachhaltige Debatte. Die einzige wirklich kohärente Analyse einer „Wirtschaftslehre der Dekadenz“ lieferte Rosa Luxemburg unmittelbar vor Ausbruch des Weltkrieges. Wie wir gesehen haben[1], provozierte ihre Theorie des kapitalistischen Zusammenbruchs viel Kritik sowohl seitens der Reformisten als auch von den Revolutionären, doch die Kritik war größtenteils negativ – es gab nur wenig Hinweise auf einen alternativen Rahmen zum Verständnis der fundamentalen Widersprüche, die den Kapitalismus in die Epoche des Verfalls zwangen. Jedenfalls wurden die Meinungsverschiedenheiten über diesen Punkt zu Recht nicht als fundamental betrachtet. Es ging im Wesentlichen darum zu akzeptieren, dass das System eine Stufe erreicht hat, auf der die Revolution sowohl möglich als auch notwendig wurde.

1924 fand in der Kommunistischen Internationalen jedoch eine Wiederbelebung der Kontroverse über Luxemburgs ökonomischer Analyse statt. Luxemburgs Ansichten übten einen beträchtlichen Einfluss auf die kommunistische Bewegung in Deutschland aus, sowohl in der offiziellen KPD als auch in der linkskommunistischen KAPD. Doch nun wurde angesichts des wachsenden Drucks, die kommunistischen Parteien außerhalb Russlands fester an die Bedürfnisse des russischen Staates zu binden, ein Prozess der „Bolschewisierung“ in der gesamten Komintern in Gang gesetzt, mit dem Ziel, unerwünschte Divergenzen in Theorie und Taktik auszumerzen. In einem bestimmten Moment in der Bolschewisierungskampagne wurde die Fortdauer des „Luxemburgismus“ in der deutschen Partei als die Urquelle einer Vielzahl von Abweichungen identifiziert – insbesondere der „Irrtümer“ in der nationalen und kolonialen Frage und einer spontaneistischen Herangehensweise an die Rolle der Partei. Auf der abstrakten, „theoretischen“ Ebene führte dieser Kurs gegen den Luxemburgismus zu Bucharins Der Imperialismus und die Akkumulation des Kapitals (1924).

Wir begegneten Bucharin zuletzt als ein Sprecher der Linken der bolschewistischen Partei während des Krieges – seine nahezu prophetische Analyse des Staatskapitalismus und seine Anerkennung der Notwendigkeit, zur Forderung von Marx nach einer Zerstörung des kapitalistischen Staates zurückzukehren, katapultierte ihn in die erste Reihe der internationalen Bewegung; mit seiner Ablehnung des Schlachtrufs der „nationalen Selbstbestimmung“  stand er auch Luxemburg nahe, sehr zum Ärger Lenins. In Russland 1918 war er ein führendes Mitglied der linkskommunistischen Gruppe gewesen, die gegen den Vertrag von Brest-Litowsk und, noch bedeutsamer, gegen die frühe Bürokratisierung des Sowjetstaates opponierte. Doch sobald die Kontroverse über den Friedensvertrag eingeschlafen war, wurden Bucharins kritische Fertigkeiten von seiner Bewunderung für die Methoden des Kriegskommunismus abgelöst, den er als authentische Übergangsform zum Kommunismus zu theoretisieren begann.[2] Jener Mann, der den leviathanischen Staat kritisiert hatte, welcher vom Imperialismus geschaffen wurde, erblickte nun keine Probleme im „proletarischen Staat“, der während der Übergangsperiode immer allmächtiger werden sollte. In der Gewerkschaftsdebatte 1921 stellte sich Bucharin auf die Seite Trotzkis und rief zur direkten Unterordnung der Gewerkschaften unter diesen Staatsapparat auf. Doch mit der Einführung der NÖP änderte Bucharin seine Position erneut. Er ging zu den Methoden des äußersten Zwangs, die im Kriegskommunismus favorisiert wurden, insbesondere gegenüber der Bauernschaft, auf Distanz und begann nun, anstelle der direkten Staatsdekrete die NÖP mit ihrer Mischung aus Staats- und Privateigentum und der Abhängigkeit von den Märkten als das „normale“ Modell für den Übergang zum Kommunismus zu betrachten. Doch diese Übergangsphase wurde – wie in der Periode, als er mit dem Kriegskommunismus geliebäugelt hatte – von Bucharin immer mehr in nationale Begriffe gefasst, im Gegensatz zu seiner Sichtweise während des Krieges, als er auf die globale Interdependenz der Weltwirtschaft hingewiesen hatte. Tatsächlich kann Bucharin in gewisser Weise als „Urheber“ der Thesen des Sozialismus in einem Land angesehen werden, die Stalin schließlich aufgriff und letztlich benutzte, um Bucharin, zunächst politisch, dann physisch, loszuwerden.[3]

Bucharins Der Imperialismus und die Akkumulation des Kapitals war klar als eine theoretische Rechtfertigung zur Entlarvung der „Schwächen“ der KPD in der nationalen, kolonialen und Bauernfrage beabsichtigt – dies war die kühne Behauptung am Ende des Werks, obgleich bar jeder Verknüpfung in den Argumenten zwischen dem Angriff gegen Luxemburgs Wirtschaftslehre und ihren angeblichen politischen Konsequenzen. Bucharins Generalangriff gegen Luxemburg in der theoretischen Frage der kapitalistischen Akkumulation wurde jedoch von einigen Revolutionären aufgegriffen, auch wenn sie im Wesentlichen nichts mit den dubiosen politischen Zielen des Dokuments zu tun hatten.

Wir denken, dass dies aus vielerlei Gründen ein Fehler war. Das politische Ziel des Texts von Bucharin kann weder von seinem aggressiven Tonfall noch von seinem theoretischen Inhalt getrennt werden.

Der Tonfall des Textes deutet darauf hin, dass es sein Ziel war, Luxemburg fertigzumachen, sie zu diskreditieren. Wie Rosdolsky hervorhebt: „Der heutige Leser der Bucharinschen Abhandlung fühlt sich unangenehm betroffen von dem heftigen und zuweilen auch frivolen Ton seiner Polemik gegen Rosa Luxemburg, die wenige Jahre früher faschistischen Mördern zum Opfer gefallen war. Indes war dieser Ton vor allem dem Umstand zuzuschreiben, dass Bucharins Schrift nicht so sehr durch wissenschaftliche als durch politische Interessen diktiert war. Es galt, den damals noch sehr starken Einfluss des ‚Luxemburgismus‘ in den führenden Kreisen der Kommunistischen Partei Deutschlands zu brechen, und zu diesem Zwecke schien jedes Mittel gut genug.“[4] Man watet durch Seiten voller Sarkasmus und herablassender Nebenbemerkungen, ehe ganz zum Schluss des Buches Bucharin widerwillig eingesteht, dass Rosa einen exzellenten historischen Überblick über die Art und Weise verschafft hat, wie sich der Kapitalismus zu den anderen Gesellschaftssystemen verhalten hat, die seine Umgebung bildeten. Es gibt keinen ernsthaften Versuch, sich mit den wirklichen Fragen zu befassen, denen sich Rosa Luxemburg in ihrem Werk gewidmet hatte – die Preisgabe der Perspektive des Zusammenbruchs des Kapitalismus durch die Revisionisten und die Notwendigkeit, die dem kapitalistischen Akkumulationsprozess innewohnende Tendenz zum Zusammenbruch zu begreifen. Im Gegenteil, Bucharins Argumente erwecken den Eindruck, dass er auf alles einschlug, was ihm in die Hände kam, auch wenn es bedeutete, Luxemburgs Thesen gründlich zu verzerren.

Zum Beispiel heißt es bezüglich des Vorwurfs, dass Luxemburgs Theorie den Imperialismus harmonisch und im friedlichen Austausch von Äquivalenten mit der vor-kapitalistischen Welt leben lässt, bei Bucharin: „Beide Seiten sind äußerst zufrieden. Satte Wölfe, unversehrte Schafe“.[5] Wir hatten gerade erwähnt, dass sich Bucharin bemüßigt fühlte, anderswo zuzugeben, dass eine Hauptstärke ihres Buches darin besteht, die Art und Weise, wie der Kapitalismus das nicht-kapitalistische Milieu integrierte, aufzuzeichnen und zu brandmarken – die Ausplünderung, Ausbeutung und Zerstörung dieser Welt. Das ist das ganze Gegenteil eines harmonischen Miteinanders von Schafen und Wölfen. Die Schafe werden entweder gefressen oder sie werden durch ihr eigenes Wirtschaftswachstum selbst kapitalistische Wölfe, und ihre Konkurrenz verringert die Nahrungsmittelversorgung weiter…

Gleichermaßen krude ist das Argument, dass in Luxemburgs Definition des Imperialismus nur Kämpfe um ausgesucht nicht-kapitalistische Märkte als imperialistische Konflikte zählen und dass „ein Kampf um bereits kapitalistisch gewordene Gebiete kein Imperialismus sei, was zum Himmel schreit“.[6] In Wirklichkeit ist Luxemburgs Argument: „Der Imperialismus ist der politische Ausdruck des Prozesses der Kapitalakkumulation in ihrem Konkurrenzkampf um die Reste des noch nicht mit Beschlag belegten nichtkapitalistischen Weltmilieus“[7] darauf ausgerichtet, eine ganze Ära, den allgemeinen Kontext zu schildern, in dem imperialistische Konflikte stattfinden. Die Rückkehr imperialistischer Konflikte ins Zentrum des Systems, die Verlagerung zu offenen militärischen Rivalitäten zwischen den entwickelten kapitalistischen Mächten wurde bereits in Die Akkumulation… registriert und in der Junius-Broschüre ausführlich dargelegt.

Zum Thema Imperialismus haben wir noch Bucharins Argument, dass dem Kapitalismus eine glänzende Zukunft bevorstehe, da es genug Gebiete mit nicht-kapitalistischer Produktion in der Welt gebe. „Dass der Imperialismus Katastrophe bedeutet ist eine Tatsache. Da wir in die Periode des Zusammenbruchs des Kapitalismus eingetreten sind, nicht minder. Tatsache ist aber auch, dass die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung der Erde zu „dritten Personen“ gehört. (…) Ebensowenig aber unterliegt es einem Zweifel, dass nicht die industriellen und landwirtschaftlichen Lohnarbeiter, sondern die Bauern die Hauptmasse der heute lebenden Bevölkerung der Erde darstellen. (…) Würde die Theorie Rosa Luxemburgs auch nur annähernd stimmen, wäre es um die Sache der Revolution wahrlich schlecht bestellt“.[8]

Paul Frölich (einer der „Luxemburgisten“ in der KPD, die nach dem Ausschluss der späteren KAPD-Mitglieder in der Partei verblieben) antwortete darauf sehr gut in seiner Luxemburg-Biographie, die zuerst 1939 veröffentlicht wurde:

„Verschiedene Kritiker, und besonders Bucharin, glaubten, einen wirksamen Trumpf gegen Rosa Luxemburg auszuspielen, indem sie auf die gewaltigen Möglichkeiten der kapitalistischen Ausbreitung in den nicht-kapitalistischen Raum hinwiesen. Die Schöpferin der Akkumulationstheorie hat diesem Argument bereits die Spitze abgebrochen durch die wiederholte Betonung, der Kapitalismus müsse in Todeszuckungen geraten, längst bevor die ihm immanente Tendenz auf Erweiterung des Marktes auf die objektive Schranke gestoßen sei (…) Die Expansionsmöglichkeit ist kein geographischer Bereich: nicht die Zahl der Quadratmeilen entscheidet, auch kein demographischer Begriff: nicht das Zahlenverhältnis von kapitalistischer und nichtkapitalistischer Bevölkerung zeigt die Reife des Prozesses an. Es handelt sich um ein sozialökonomisches Problem, bei dem ein Komplex von widersprechenden Interessen, Kräften und Erscheinungen in Rechnung gesetzt werden muss…“[9].

Kurz, Bucharin hat schlicht und einfach die Geographie und Demographie mit der realen Kapazität der verbleibenden nicht-kapitalistischen Systeme verwechselt, Tauschwert zu generieren und so einen wirksamen Markt für die kapitalistische Produktion zu bilden.

Kapitalistische Widersprüche

Wenn wir nun Bucharins Behandlung der zentralen Frage in Luxemburgs Theorie betrachten, das von Marx‘ Reproduktionsschemata gestellte Problem, dann stellen wir erneut fest, dass Bucharins Vorgehensweise völlig losgelöst von seiner politischen Perspektive ist. In einer zweiteiligen Kritik, die 1982 (Internationale Revue, Nr. 30, engl., franz., span. Ausgabe, „Über den Kapitalismus hinausgehen: Abschaffung des Lohnsystems“) veröffentlicht worden war, wird völlig richtig argumentiert, dass Bucharins Kritik an Luxemburg tiefe Divergenzen bezüglich des eigentlichen Inhalts des Kommunismus enthüllt.

Zentral für Luxemburgs Theorie ist das Argument, dass Marx‘ Schemata der erweiterten Reproduktion im Kapital, Band 2, die der Einfachheit halber von einer Gesellschaft ausgingen, die ausschließlich aus Arbeitern und Kapitalisten zusammengesetzt war, eben als abstrakte Schemata wahrgenommen werden sollten, und nicht als eine Demonstration der realen Möglichkeiten einer harmonischen kapitalistischen Akkumulation in einem geschlossenen System. In der Realität ist der Kapitalismus ständig dazu getrieben worden, über die Grenzen seiner eigenen Gesellschaftsverhältnisse hinauszugehen. Für Luxemburg stellt sich laut Marx‘ Argumentation in anderen Teilen des Kapital das Problem der Realisierung dem Kapital in seiner Gesamtheit, auch wenn für individuelle ArbeiterInnen und Kapitalisten andere ArbeiterInnen und Kapitalisten zweifellos einen perfekten Markt für ihren gesamten Mehrwert darstellen können. Bucharin stimmt zweifellos zu, dass es einen Bedarf an einer ständigen Quelle zusätzlicher Nachfrage geben muss, damit eine erweiterte Reproduktion stattfinden kann. Doch er besteht darauf, dass diese zusätzliche Nachfrage von den ArbeiterInnen geschaffen wird; vielleicht nicht von den ArbeiterInnen, die das variable Kapital absorbieren, das vom Kapitalisten zu Beginn des Akkumulationszyklus‘ bereitgestellt wurde, dafür aber von zusätzlichen ArbeiterInnen: „Die Einstellung zusätzlicher Arbeiter erzeugt eine zusätzliche Nachfrage, die gerade jenen Teil des Mehrwerts realisiert, der akkumuliert werden soll, nämlich denjenigen Teil, der sich notwendigerweise in funktionierendes, zusätzliches, variables Kapital zu verwandeln hat“.[10] Worauf unser Artikel antwortet: „Wendet man Bucharins Analyse auf die Realität an, kommt man zu folgendem Problem: Was kann die Kapitalisten dazu bewegen, keine Arbeiter zu entlassen, wenn das Geschäft keinen Absatz findet? Ganz einfach: man stelle einen ‚zusätzlichen Arbeiter‘ ein! Auf diese Idee muss man erst einmal kommen. Das Problem ist nur, dass ein Kapitalist, der diesem Ratschlag folgt, ganz schnell bankrottgehen würde.“[11]

Diese Argumentation hat ein ähnliches Niveau wie Otto Bauers Antwort auf Luxemburg, die sie in ihrer Antikritik in Stücke zerreißt: Für Bauer bildet das Bevölkerungswachstum einfach die neuen Märkte, die für die Akkumulation benötigt werden. Der Kapitalismus würde sicherlich heute aufblühen, wenn das Bevölkerungswachstum das Problem der Mehrwertrealisierung löste. Doch wie merkwürdig, nicht nur das Bevölkerungswachstum war in den letzten Jahrzehnten ein konstanter Faktor, auch die Krise ist in schwindelerregende Höhen „gewachsen“. Wie Frölich unterstrich, ist das Problem der Mehrwertrealisierung keine Frage der Demographie, sondern der solventen Nachfrage, der Nachfrage, die auch zahlungsfähig ist. Und da die Nachfrage der Arbeiterhaushalte nicht mehr absorbieren kann als das ursprüngliche variable Kapital, das vom Kapitalisten verauslagt wird, erweist sich die Einstellung neuer ArbeiterInnen als eine Nicht-Lösung, sobald man den Kapitalismus in seiner Gesamtheit betrachtet.

Es gibt jedoch noch eine andere Seite in Bucharins Argument, da er auch behauptet, dass die Kapitalisten selbst den zusätzlichen Markt bilden, der für die weitere Akkumulation benötigt wird, weil sie in die Produktionsmittel investieren. „Käufer der zusätzlichen Produktionsmittel sind die Kapitalisten selbst, Käufer der zusätzlichen Konsumtionsmittel die zusätzlichen Arbeiter, die von den Kapitalisten, die die Arbeitskraft dieser zusätzlichen Arbeiter kaufen, Geld erhalten“[12] Dieser Argumentationsstrang wird am meisten von jenen favorisiert, die wie Bauer behaupten, Luxemburg habe etwas zu einem Problem gemacht, das keines sei: Die Produktion und der Verkauf zusätzlicher Produktionsmittel lösten das Akkumulationsproblem. Luxemburg hat den Kern dieses Arguments bereits in ihrer Kritik an Tugan-Baranowskis Bemühungen kritisiert, der beweisen wollte, dass der Kapitalismus keinen unüberwindbaren Grenzen im Akkumulationsprozess gegenübersteht: „Außerdem findet, wie wir gesehn haben (Buch II, Abschn. III), eine beständige Zirkulation statt zwischen konstantem Kapital und konstantem Kapital (auch abgesehn von der beschleunigten Akkumulation), die insofern zunächst unabhängig ist von der individuellen Konsumtion, als sie nie in dieselbe eingeht, die aber doch durch sie definitiv begrenzt ist, indem die Produktion von konstantem Kapital nie seiner selbst willen stattfindet, sondern nur, weil mehr davon gebraucht wird in den Produktionssphären, deren Produkte in die individuelle Konsumtion eingehn.“[13] Für Luxemburg würde eine wörtliche Auslegung der Reproduktionsschemata wie Tugan-Baranowskis „nicht eine Kapitalakkumulation, sondern eine wachsende Produktion von Produktionsmitteln ohne jeden Zweck“[14] bewirken.

Bucharin war sich bewusst, dass die Produktion von Produktionsgütern in der Tat keine Lösung des Problems ist, weil er den „zusätzlichen Arbeiter“ ins Spiel bringt, der die wachsenden Warenmengen, die von den zusätzlichen Produktionsmitteln hergestellt werden, aufkaufen soll. Ja, er tadelte Tugan-Baranowski dafür, dass er nicht begriffen habe, dass „der gesamte Produktionsapparat der Gesellschaft, im Grunde genommen, nichts anders als ein Apparat zur Produktion menschlicher Konsumtionsmittel“ sei.[15] Doch er brachte dieses Argument lediglich vor, um Luxemburg zu beschuldigen, Tugan-Baranowski mit Marx zu verwechseln. Und am Ende antwortete er auf Luxemburg wie so viele andere vor ihm, indem er Marx auf irreführende Weise zitierte, was erneut zu implizieren schien, dass der Kapitalismus völlig zufrieden gestellt werden könnte, indem er seine Expansion auf die Grundlage einer endlosen Produktion von Konsumgütern stellt: „Akkumulation um der Akkumulation, Produktion um der Produktion willen, in dieser Form sprach die klassische Ökonomie den historischen Beruf der Bourgeoisperiode aus.“[16] Dies sind sicherlich Marx‘ Worte, doch Bucharins Bezugnahme auf sie ist irreführend: Marx‘ Sprache ist hier eher polemisch als exakt: Das Kapital stützt sich in der Tat auf die Akkumulation um ihrer selbst willen, d.h. auf die Akkumulation von Reichtum in ihrer historisch dominierenden Wertform; aber es kann dies nicht durch die bloße Produktion um ihrer selbst erreichen. Dies deshalb, weil es nur Waren produziert, und eine Ware realisiert keinen Profit für den Kapitalisten, wenn sie nicht verkauft wird. Er produziert nicht um seiner selbst willen, nur um die Lager zu füllen oder das, was er produziert, ins Wasser zu schmeißen (selbst wenn dies nicht selten das unerwartete Resultat seiner Unfähigkeit ist, einen Markt für seine Güter zu schaffen).

Bucharins staatskapitalistische Lösungen

Bucharins Biograph Stephen Cohen, der die oben kritisierten Kommentare Bucharins über Tugan-Baranowski zitierte, bemerkt einen weiteren grundlegenden Widerspruch in Bucharins Vorgehensweise.

„Auf den ersten Blick scheint seine unflexible Vorgehensweise gegen Tugan-Baranowskis Argument kurios zu sein. Bucharin selbst hat nach all dem des Öfteren die regulierende Kraft staatskapitalistischer Systeme betont, später sogar eine Theorie entwickelt, wonach sich unter dem ‚reinen‘ Staatskapitalismus (ohne freiem Markt) die Produktion krisenfrei weiterentwickelt, während der Konsum hinterherhinkt.“[17]

Cohen legte seine Finger in die offene Wunde von Bucharins Analyse. Er bezog sich dabei auf die folgende Passage in Der Imperialismus und die Akkumulation des Kapitals: „Stellen wir uns einmal drei gesellschaftlich-ökonomische Formationen vor: die kollektiv-kapitalistische Gesellschaftsordnung (Staatskapitalismus), bei der die kapitalistische Klasse zu einem einzigen Trust vereinigt ist, und wir es mit einer organisierten, aber gleichzeitig vom Standpunkt der Klassen antagonistischen Wirtschaft zu tun haben; ferner die „klassische“ kapitalistische Gesellschaft, die Marx analysiert, endlich die sozialistische Gesellschaft. Verfolgen wir nun: 1. die Art des Vorgangs der erweiterten Reproduktion, also die Momente, die eine „Akkumulation“ ermöglichen. (Wir versehen das Wort Akkumulation mit Anführungszeichen, da die Bezeichnung Akkumulation ihrem Wesen nach nur kapitalistische Verhältnisse voraussetzt); 2. wie, wo und wann Krisen entstehen können.

1. Der Staatskapitalismus. Ist hier eine Akkumulation möglich? Natürlich. Es wächst das konstante Kapital, da die Konsumtion der Kapitalisten wächst. Es entstehen dauernd neue Produktionszweige, die neuen Bedürfnissen entsprechen. Es wächst die Konsumtion der Arbeiter, mögen ihr auch bestimmte Schranken gesetzt sein. Ungeachtet dieser „Unterkonsumtion“ der Massen entsteht keine Krise, da die gegenseitige Nachfrage aller Produktionszweige, wie auch die Konsumentennachfrage, sowohl der Kapitalisten als auch der Arbeiter, von vorneherein gegeben sind. (Statt einer „Anarchie der Produktion“ – ein vom Standpunkt des Kapitals rationeller Plan). Hat man sich bei den Produktionsmitteln „verrechnet“, so wandert der Überfluss auf Lager, in der folgenden Produktionsperiode aber wird eine entsprechende Korrektur vorgenommen. Hat man sich dagegen in Konsumtionsmitteln für Arbeiter „verrechnet“, so wird dieses Plus durch eine Verteilung unter die Arbeiter „verfüttert“ oder aber die entsprechende Portion des Produkts wird vernichtet. Auch im Falle eines Rechenfehlers in der Produktion von „Luxusgegenständen“ ist der Ausweg klar. Somit kann hier keinerlei Krise der Überproduktion entstehen. Der Gang der Produktion vollzieht sich im Allgemeinen glatt. Den Ansporn für die Produktion und den Produktionsplan bildet die Konsumtion der Kapitalisten. Daher besteht hier keinerlei besonders schnelle Entwicklung der Produktion (geringe Zahl von Kapitalisten).“[18]

Wie Cohen machte auch Frölich auf diese Passage und Kommentare aufmerksam.

„Aber seine (Bucharins) eigene ‚Lösung‘ wurde zur indirekten Bestätigung ihrer entscheidenden Thesen.“ Und diese Lösung ist „überraschend. Wir haben hier einen ‚Kapitalismus‘, der nicht Wirtschaftsanarchie, sondern Planwirtschaft ist, in dem es keine Konkurrenz, sondern einen allgemeinen Welttrust gibt und in dem die Kapitalisten sich nicht um die Realisierung ihres Mehrwerts zu kümmern brauchen, weil sie unverkäufliche Produkte einfach verfüttern.“[19]

Unser Artikel äußerte sich ähnlich ablehnend über die Idee, das Mehrprodukt wegzuwerfen: „Bucharin behauptet, das Problem theoretisch zu lösen, indem er es eliminiert. Das Problem der kapitalistischen Überproduktionskrisen ist die Schwierigkeit, das zu verkaufen, was produziert wird. Bucharin erzählt uns nun: Alles, was getan werden müsse, sei, ‚es umsonst zu verschleudern‘! Wenn der Kapitalismus in der Lage ist, seine Produkte gratis zu verteilen, würde er in der Tat keine größere Krise erleiden – da sein Hauptwiderspruch somit gelöst wäre. Doch solch ein Kapitalismus kann nur in der Einbildung Bucharins existieren, dem die Argumente ausgegangen sind. Die ‚kostenlose‘ Verteilung der Produktion, das heißt die Organisation der Gesellschaft in solch einer Weise, dass die Menschen direkt für sich produzieren, ist in der Tat der einzige Ausweg der Menschheit. Doch diese ‚Lösung‘ besteht  nicht in einer organisierten Form des Kapitalismus, sondern im Kommunismus.“[20]

Als er sich in den folgenden Kapiteln der „klassischen“ kapitalistischen Gesellschaft zuwendet, geht Bucharin davon aus, dass Überproduktionskrisen durchaus stattfinden können – doch seien sie lediglich Resultat zeitweiliger Disproportionalitäten zwischen den Produktionsabteilungen (eine Auffassung, die zuvor von den „klassischen“ Nationalökonomen zum Ausdruck gebracht und von Marx kritisiert wurde, wie wir in dem Artikel „Die tödlichen Widersprüche der bürgerlichen Gesellschaft“ in der Internationalen Revue Nr. 46 aufgezeigt hatten). Schließlich widmete sich Bucharin in ein paar dürftigen Zeilen dem Sozialismus als solchen und trug das naheliegende Argument vor, dass eine Gesellschaft, die nur zur Befriedigung menschlicher Bedürfnisse produziert, keine Überproduktionskrise kennt. Doch was Bucharin vor allem zu interessieren schien, war der völlig durchplante Kapitalismus, wo der Staat alle Probleme der Disproportionalität oder der Fehlkalkulation aus dem Weg räumt. Mit anderen Worten: die Art von Gesellschaft, wie sie in der UdSSR Mitte der 1920er Jahre herrschte und die er bereits als Sozialismus dargestellt hatte… Allerdings war Bucharins Science-Fiction-Staatskapitalismus ein Welttrust, ein globaler Koloss ohne vorkapitalistische Überbleibsel und ohne Konflikte zwischen nationalen Kapitalien. Doch seine Vision eines Sozialismus in der UdSSR war eine ähnlich albtraumhafte Utopie, im Grunde ein in sich geschlossenes Kartell ohne innere Konkurrenz und mit einer fügsamen Bauernschaft, die teilweise und temporär außerhalb seiner ökonomischen Zuständigkeit steht.

So zieht der Artikel in der Internationalen Revue, Nr. 29, (engl., franz., span. Ausgabe) korrekterweise die Schlussfolgerung, dass Bucharins Attacke gegen Rosa Luxemburgs Wirtschaftstheorie zwei fundamental entgegengesetzte Sichtweisen des Sozialismus enthüllt. Für Luxemburg rührt der wesentliche Widerspruch in der kapitalistischen Akkumulation aus dem Widerspruch zwischen dem Gebrauchswert und dem Tauschwert, ein Widerspruch, der der Ware innewohnt – und vor allem der Ware Arbeitskraft, die das einmalige Charakteristikum hat, in der Lage zu sein, einen zusätzlichen Wert zu erzeugen, was die Quelle des kapitalistischen Profits ist, aber auch die Quelle seines Problems, ausreichend Märkte zu finden, um seinen Profit zu realisieren. Folglicherweise können dieser Widerspruch und all die Erschütterungen, die aus ihm resultieren, nur durch die Abschaffung der Lohnarbeit und der Warenproduktion überwunden werden – die wesentlichen Vorbedingungen der kommunistischen Produktionsweise.

Bucharin kritisiert dagegen Luxemburg, weil sie alles zu einfach sehe und „einen Widerspruch herausgreift“, wo es doch in Wahrheit viele gebe: der Widerspruch zwischen Produktionszweigen, zwischen Industrie und Landwirtschaft, die Anarchie des Marktes und die Konkurrenz.[21] All dies trifft zu, doch Bucharins staatskapitalistische Lösung zeigt, dass es für ihn ein fundamentales Problem mit dem Kapitalismus gibt: sein Mangel an Planung. Sobald der Staat die Aufgabe und Verteilung übernimmt, hätten wir eine krisenfreie Akkumulation.

Welchen Irrtümern über den Übergang zum Kommunismus die Arbeiterbewegung vor der Russischen Revolution auch immer aufgesessen war, ihre klarsten Elemente hatten stets argumentiert, dass der Kommunismus/Sozialismus nur auf Weltebene geschaffen werden kann, da jedes Land, jede kapitalistische Nation unvermeidlich vom Weltmarkt beherrscht wird; und dass die Befreiung der Produktivkräfte, die von der proletarischen Revolution in Gang gesetzt wird, nur dann wirksam werden kann, wenn die Tyrannei des globalen Kapitals in allen Hauptzentren gestürzt worden ist. Im Gegensatz dazu postuliert die stalinistische Vision des Sozialismus in einem Land die Akkumulation in einem geschlossenen System – etwas, das für den klassischen Kapitalismus unmöglich gewesen war und für ein staatlich vollkommen reguliertes System nicht mehr möglich war, auch wenn die schiere Größe (und der riesige landwirtschaftliche Sektor) Russlands eine autarke Entwicklungsphase zeitweilig möglich machte. Doch wenn, wie Luxemburg behauptete, der Kapitalismus als Weltordnung in den Schranken eines geschlossenen Systems nicht operieren kann, so war dies noch weniger der Fall für die einzelnen nationalen Kapitalien, und die stalinistische Autarkie in den 1930er Jahren war – gegründet auf dem fieberhaften Ausbau einer Kriegswirtschaft – in ihrem Kern eine Vorbereitung für seine unvermeidliche militärisch-imperialistische Expansion, die schließlich im imperialistischen Holocaust und den folgenden Eroberungen verwirklicht wurde.

Zwischen 1924, als Bucharin sein Buch schrieb, und 1929, dem Jahr des großen Crash, erlebte der Kapitalismus eine Phase der relativen Stabilität und in einigen Gebieten – vor allem in den USA – eines spektakulären Wachstums. Doch dies war lediglich die Ruhe vor dem Sturm der größten Wirtschaftskrise, die der Kapitalismus jemals erlebt hatte. Im nächsten Artikel dieser Serie werden wir einige Versuche der Revolutionäre betrachten, die Ursprünge und Folgen dieser Krise und vor allem ihre Bedeutung als Ausdruck des Niedergangs der kapitalistischen Produktionsweise zu verstehen.

Gerrard


[1] „Rosa Luxemburg und die Grenzen der kapitalistischen Expansion“, Internationale Revue, Nr. 48.

[2] Siehe „1920: Bucharin und die Übergangsperiode“, Internationale Revue, Nr. 96 (engl., franz., span. Ausgabe).

[3] In seiner Biographie Bukharin and the Bolshevik Revolution, London 1974, datierte Stephen Cohen Bucharins ursprüngliche Version der Theorie auf das Jahr 1922 zurück. Siehe S. 147f.

[4] Roman Rosdolsky, Zur Entstehungsgeschichte des Marxschen ‚Kapital‘, Bd. 2, Europäische Verlagsanstalt, Frankfurt am Main 1968, S. 529 (Fußnote). Wie wir in einem früheren Artikel („Rosa Luxemburg und die Grenzen der kapitalistischen Expansion“, Internationale Revue, Nr. 48) angemerkt hatten, hatte Rosdolsky seine eigene Kritik an Luxemburg, aber er blendete die von ihr formulierten Probleme nicht aus. Bezüglich Bucharins Behandlung der Reproduktionsschemata argumentiert er, dass Bucharin genauso wie Luxemburg mathematische Fehler unterlaufen seien; ja, Bucharin sehe in Marx‘ Formulierung des Problems der erweiterten Reproduktion die faktische Lösung: „Bucharin vergaß völlig, dass die erweiterte Reproduktion des gesellschaftlichen Gesamtkapitals nicht nur zum Wachstum von c und v, sondern auch von ἀ, d.h. zum Wachstum der individuellen Konsumtion der Kapitalisten führen muss. Dennoch blieb dieser elementare Fehler fast zwei Jahrzehnte lang unbeachtet, und Bucharin galt allgemein als der autoritativste Verteidiger der Marx-‚Orthodoxie‘ gegen Rosa Luxemburgs Angriffe ‚auf jenen Teil der Marxschen Analyse, worin uns der unvergleichliche Meister das vollkommenste Produkt seines Genius überliefert hatte‘ (Bucharin, Der Imperialismus und die Akkumulation des Kapitals)… - Dessenungeachtet ist Bucharins allgemeine Gleichgewichtsformel sehr nützlich, obwohl auch er (wie die meisten Kritiker Rosa Luxemburgs) die bloße Formulierung des Problems für dessen Lösung versieht.“ (Zur Entstehungsgeschichte…, S. 529)

[5] Der Imperialismus und die Akkumulation des Kapitals, Verlag für Literatur und Politik, Wien, Berlin,  S. 103.

[6] ebenda, S. 108.

[7] Rosa Luxemburg, Die Akkumulation des Kapitals, Kapitel 31, „Schutzzoll und Akkumulation“, Dietz-Verlag Berlin 1975, S. 391.

[8] Bucharin, s.o., S. 116-117.

[9] Paul Frölich, Rosa Luxemburg, Gedanke und Tat, Dietz-Verlag Berlin, 1990, S. 210.

[10] Bucharin, s.o., S. 20.

[11] Internationale Revue, Nr. 29, engl., franz., span. Ausgabe, 1982

[12] Bucharin, s.o., S. 31.

[13] Kapital, Bd. III, Kap. 18, S. 289, zitiert bei Luxemburg, ob. cit., Kap. 25, S. 295f.

[14] Luxemburg, s.o., S. 285.

[15] Bucharin, s.o., S. 62.

[16] Marx, Kapital, Bd. 1, zitiert nach Bucharin, S. 34.

[17] Cohen, S. 174. Cohen verwendet den Begriff „auf den ersten Blick“, weil er anschließend argumentiert, dass das, was Bucharin dabei vorschwebte, weniger die alte Kontroverse mit Tugan war, sondern vielmehr die neue Kontroverse in der russischen Partei, zwischen den „Über-Industrialisierern“ (anfangs mit Preobraschenskij und der Linksopposition, später mit Stalin), die dazu neigten, sich auf die Zwangsakkumulation der Produktionsmittel im staatlichen Sektor zu konzentrieren, und seiner eigenen Ansicht, die – in Anbetracht seiner Ablehnung der Bewertung der Wichtigkeit nicht-kapitalistischer Nachfrage durch Rosa Luxemburg – ironischerweise weiterhin die Notwendigkeit betont, die Expansion der Staatsindustrie auf die allmähliche Weiterentwicklung des bäuerlichen Marktes zu stützen, statt auf, wie die Über-Industrialisierer schockierenderweise behaupten, eine direkte Ausbeutung der Bauern und auf die Ausplünderung ihres Reichtums.

[18] Bucharin, s.o., S. 80-81.

[19] Paul Frölich, s.o., S. 209.

[20] Internationale Revue, Nr. 29. engl., franz., span. Ausgabe, 1982

[21] Es ist bemerkenswert, dass auch Henryk Grossmann Bucharin darin kritisierte, dass er vage über Widersprüche spreche, ohne die wesentlichen zu lokalisieren, die zum Zusammenbruch des Systems führen. Siehe Henryk Grossmann, Das Akkumulations- und Zusammenbruchsgesetz des kapitalistischen Systems, Archiv Sozialistischer Literatur 8, Verlag Neue Kritik Frankfurt, S. 44-48.