Wie können wir eine massive, vereinigte und solidarische Bewegung entwickeln?

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In Großbritannien verbreitet sich seit Juni 2022 von Streik zu Streik wie ein Echo der Ruf:
„Enough is enough!" – „Genug ist genug!"

Diese Massenbewegung, die zunächst als "Sommer des Zorns" bezeichnet wurde, verlängerte sich in den "Herbst des Zorns" und dann zum "Winter des Zorns". Die Streikwelle in Großbritannien ist ein Symbol für den Kampfgeist der Arbeiter und Arbeiterinnen, der sich überall auf der Welt entwickelt:

- In Spanien, wo Ärztinnen und Kinderärzte in der Region Madrid Ende November in den Streik traten, ebenso wie der Luft- und Eisenbahnsektor im Dezember. Für Januar sind in vielen Regionen weitere Streiks im Gesundheitswesen angekündigt.

- In Deutschland, wo die Angestellten aufgrund der hohen Preise befürchten, dass sie mit den Folgen einer beispiellosen Energiekrise konfrontiert werden. In der wichtigen Metall- und Elektroindustrie kam es im November zu einer Reihe von Warnstreiks.

- In Italien, wo Mitte Oktober ein Streik der Fluglotsen zu einem Streik der Piloten der Fluggesellschaft EasyJet hinzukam. Die Regierung sah sich sogar gezwungen, Streiks an Feiertagen zu verbieten.

- In Belgien, wo am 9. November und am 16. Dezember ein landesweiter Streik ausgerufen wurde.

- In Griechenland, wo im November eine Demonstration Zehntausender Privatbeschäftigter in Athen mit dem Ruf "Die hohen Lebenshaltungskosten sind unerträglich!" stattfand.

- In Frankreich, wo es in den letzten Monaten immer wieder zu Streiks im öffentlichen Nahverkehr, in Krankenhäusern usw. gekommen ist.

- In Portugal, wo die Arbeiter einen Mindestlohn von 800 Euro gegenüber derzeit 705 Euro fordern. Am 18. November wurde der öffentliche Dienst bestreikt. Im Dezember wurde auch der Transportsektor mobilisiert.

- In den USA griffen Abgeordnete des Repräsentantenhauses ein, um einen Arbeitskonflikt zu lösen und einen Streik im Schienengüterverkehr abzuwenden. Im Januar waren es die Krankenschwestern in New York, die sich zu Tausenden mobilisiert hatten.

Die Liste ließe sich endlos fortsetzen, denn in Wirklichkeit gibt es überall eine Vielzahl von kleinen, voneinander isolierten Streiks in Unternehmen und Verwaltungen. Denn überall, in allen Ländern, in allen Sektoren, verschlechtern sich die Lebens- und Arbeitsbedingungen, überall explodieren die Preise, gibt es Hungerlöhne, überall Prekarität und Flexibilität, überall Höllentempo und zu wenig Personal, überall eine schreckliche Verschlechterung der Wohnverhältnisse, insbesondere für junge Menschen.

Seit der Covid-19-Pandemie sind die Krankenhäuser zum Symbol dieser alltäglichen Realität aller ArbeiterInnen geworden: Personalmangel und bis zur Erschöpfung überausgebeutet werden für einen Lohn, der nicht mehr ausreicht, um die Rechnungen zu bezahlen.

Die lange Streikwelle, die seit Juni 2022 Großbritannien erfasst hat, ein Land, in dem das Proletariat seit den Thatcher-Jahren resigniert zu haben schien, ist Ausdruck eines echten Bruchs, eines Stimmungswandels innerhalb der Arbeiterklasse, nicht nur in Großbritannien, sondern auch auf internationaler Ebene. Diese Kämpfe zeigen, dass die Ausgebeuteten angesichts der dramatischen Vertiefung der Krise nicht mehr bereit sind, sich alles gefallen zu lassen.

Angesichts einer Inflationsrate von über 11 Prozent und der Ankündigung eines Sparhaushalts durch die Regierung von Rishi Sunak kam es in fast allen Bereichen zu Streiks: Verkehr (Züge, Busse, U-Bahn, Flughäfen) und Gesundheitswesen, Postbeamte der Royal Mail, Beamte des Ministeriums für Umwelt, Ernährung und ländliche Angelegenheiten, Amazon-Angestellte, Schulangestellte in Schottland, Ölarbeiter in der Nordsee... Solch ein Ausmaß der Mobilisierung der Pflegekräfte war in diesem Land seit über einem Jahrhundert nicht mehr gesehen worden! Und es wird erwartet, dass ab Februar auch die Lehrer streiken werden.

In Frankreich hat die Regierung darüber hinaus beschlossen, eine neue "Reform" durchzusetzen, mit der das gesetzliche Renteneintrittsalter angehoben werden soll. Das Ziel ist einfach: Einsparungen, bei denen die Arbeiterklasse wie eine Zitrone ausgepresst wird, bis hin zum Tod. Konkret bedeutet dies, dass die Beschäftigten alt, krank und erschöpft arbeiten oder mit einer gekürzten und miserablen Rente in den Ruhestand gehen müssen. Häufig wird der Knoten in diesem Dilemma durch die Entlassung vor dem Erreichen der Altersgrenze durchschlagen.
Die Angriffe auf unsere Lebensbedingungen werden nicht aufhören. Die Weltwirtschaftskrise wird sich weiter verschärfen. Um international auf dem Markt und im Wettbewerb zu bestehen, wird jede herrschende Klasse in jedem Land der Arbeiterklasse unter Berufung auf die "Solidarität mit der Ukraine" oder die "Zukunft der nationalen Wirtschaft" immer unhaltbarere Lebens- und Arbeitsbedingungen aufzwingen.

Dies gilt umso mehr mit der Entwicklung der Kriegswirtschaft. Ein wachsender Teil der Arbeit und des Wohlstands fließt in die Kriegswirtschaft. In der Ukraine, aber auch in Äthiopien, im Jemen, in Syrien, Mali, Niger, im Kongo usw. bedeutet das: Bomben, Kugeln und Tod! Anderswo führt es zu Angst, Inflation und einem schnelleren Arbeitstempo. Alle Regierungen fordern "Opfer"!

Angesichts dieses kapitalistischen Systems, das die Menschheit in Elend und Krieg, in Konkurrenz und Spaltung stürzt, ist es an der Arbeiterklasse (LohnarbeiterInnen in allen Branchen, allen Nationen, arbeitslos oder erwerbstätig, mit oder ohne Abschluss, erwerbstätig oder im Ruhestand ...), eine andere Perspektive anzubieten. Indem sie diese "Opfer" ablehnt, indem sie einen vereinten, massiven und solidarischen Kampf entwickelt, kann sie zeigen, dass eine andere Welt möglich ist.

Gespalten sind wir schwach - gespalten verlieren wir

Seit Monaten gibt es in jedem Land und in jedem Sektor Streiks. Aber sie sind voneinander isoliert. Jeder streikt für sich, in seiner Fabrik, seinem Lager, seinem Unternehmen, seiner Verwaltung. Es gibt keine wirkliche Verbindung zwischen diesen Kämpfen, selbst wenn man nur die Straße überqueren müsste, damit die Streikenden im Krankenhaus auf die Streikenden in der Schule oder im Supermarkt gegenüber treffen. Manchmal grenzt diese Spaltung an Lächerlichkeit, wenn die Streiks in ein und demselben Unternehmen nach Berufsgruppe, Schicht oder Stockwerk aufgeteilt werden. Man muss sich vorstellen, dass die Sekretärinnen zu einem anderen Zeitpunkt streiken als die technischen Angestellten, oder dass die Arbeiterinnen im ersten Stock in ihrer Ecke streiken, ohne dass sie mit den Arbeitern im zweiten Stock in Verbindung stehen. Manchmal geschieht dies tatsächlich!

Die Zersplitterung der Streiks, das Einsperren jeder und jedes Einzelnen in ihrer Ecke spielt der Bourgeoisie in die Hände, sie schwächt uns, macht uns ohnmächtig, erschöpft uns und führt uns in die Niederlage.

Deshalb wendet die Bourgeoisie so viel Energie auf, um die Zersplitterung aufrechtzuerhalten. In allen Ländern die gleiche Strategie: Die Regierungen spalten. Sie geben vor, diesen oder jenen Sektor zu unterstützen, um dann gegen andere vorzugehen. Sie stellen einen bestimmten Sektor oder ein bestimmtes Unternehmen in den Mittelpunkt und machen Versprechungen, die sie nie einhalten werden, um die Angriffe, die überall sonst stattfinden, unbemerkt zu lassen. Um besser spalten zu können, richten sie punktuelle Hilfen an eine Kategorie und beschneiden die Rechte aller anderen. Überall wird Branche für Branche und Unternehmen für Unternehmen verhandelt.

In Frankreich wird die Ankündigung der Rentenreform, die die gesamte Arbeiterklasse betreffen wird, von einer ohrenbetäubenden Medien-"Debatte" über die Ungerechtigkeit der Reform für diese oder jene Bevölkerungsgruppe begleitet. Sie müsste gerechter werden, indem man die besonderen Profile von Auszubildenden, bestimmten Handarbeitern, Frauen usw. besser einbezieht. Immer die gleiche Falle!

Die ArbeiterInnen müssen ihre Kämpfe selbst in die Hand nehmen

Was ist der Grund für diese Spaltung? Sind es nur die Propaganda und die Manöver der Regierungen, die es schaffen, uns so zu spalten und die Streiks und Kämpfe der Arbeiterklasse voneinander zu trennen?

Das Gefühl, dass wir alle im selben Boot sitzen, wächst. Die Idee, dass nur ein massiver, vereinter und solidarischer Kampf ein Kräfteverhältnis herstellen kann, keimt in allen Köpfen. Warum also sehen wir diese Spaltungen zwischen ArbeiterInnen seit Monaten, in allen Ländern, in allen Sektoren?

In Großbritannien werden Streiks traditionell von Streikposten vor jedem bestreikten Ort begleitet. Seit Monaten stehen die Streikposten nebeneinander, manchmal nur einen Tag auseinander, manchmal zur gleichen Zeit, aber einige hundert Meter voneinander entfernt. Ohne Verbindung untereinander. Jeder hat seinen Streik, jeder seine Streikposten. Ohne den Kampf gegen diese Zersplitterung, ohne die Entwicklung einer echten Einheit im Kampf droht die Kampfbereitschaft zu versiegen. In den letzten Wochen haben sich die Ausweglosigkeit und die Gefahr dieser Situation allmählich herumgesprochen. Die ArbeiterInnen, die seit sechs Monaten abwechselnd streiken, könnten von einem Gefühl der Müdigkeit und Hilflosigkeit befallen werden.

Dennoch haben uns ArbeiterInnen an mehreren Streikposten das Gefühl vermittelt, in etwas Größeres als ihre Firma, ihre Verwaltung oder ihre Branche verwickelt zu sein, und es gibt eine wachsende Bereitschaft, gemeinsam zu kämpfen.

Nur sind es seit Monaten in allen Ländern, in allen Sektoren die Gewerkschaften, die all diese zerstückelten Kämpfe organisieren, es sind die Gewerkschaften, die ihre Methoden diktieren, die spalten, isolieren, die Verhandlungen Branche für Branche, Korporation für Korporation befürworten, es sind die Gewerkschaften, die aus jeder Forderung eine spezifische Forderung machen, es sind die Gewerkschaften, die warnen, dass man vor allem "die Forderungen nicht vermischen darf, um die Unterschiede nicht zu verwässern".

Aber die Gewerkschaften haben auch wahrgenommen, dass die Wut brodelt, dass sie überschwappen und die Dämme brechen könnte, die sie zwischen den Branchen, Unternehmen, Sektoren usw. errichtet haben. Sie wissen, dass die Idee, "alle gemeinsam zu kämpfen", in der Klasse heranreift.

Deshalb beginnen die Gewerkschaften z. B. in Großbritannien, von sektorübergreifenden Zusammenkünften zu sprechen, was sie bislang tunlichst vermieden hatten. Die Worte "Einheit" und "Solidarität" tauchen in ihren Reden auf. Sie geben nicht auf, zu spalten, aber um dies weiterhin tun zu können, passen sie sich den Anliegen der Klasse an. So behalten sie die Kontrolle und die Führung der Kämpfe.

In Frankreich haben die Gewerkschaften angesichts der angekündigten Rentenreform ihre Einheit und Entschlossenheit demonstriert, zu großen Straßendemonstrationen aufgerufen und sich mit der Regierung in einen Machtkampf begeben. Sie rufen, dass diese Reform nicht durchkommen werde und dass Millionen von Menschen sie ablehnen müssten.

Soweit die Rede und die Versprechungen. Aber wie sieht es in Wirklichkeit aus? Um sich eine Vorstellung davon zu machen, genügt es, sich an die Kampfbewegung von 2019-2020 zu erinnern, die sich bereits gegen Macrons Rentenreform richtete. Angesichts des wachsenden Kampfgeistes und der Solidaritätswelle zwischen den Generationen hatten die Gewerkschaften denselben Trick angewandt und die "Konvergenz der Kämpfe" propagiert, einen Ersatz für eine einheitliche Bewegung, bei der die Demonstrierenden, die auf der Straße marschierten, nach Branchen und Unternehmen eingeteilt wurden. Wir waren nicht alle zusammen, sondern Eine hinter dem Anderen. Die Spruchbänder der Gewerkschaften und die Ordnungsdienste trennten die Demonstrationszüge nach Branchen und Betrieben auf. Vor allem gab es keine Diskussionen, keine Versammlungen. Es hieß: "Marschiert mit euren Kollegen und geht nach Hause, bis zum nächsten Mal“. Die Lautsprecheranlage wird voll aufgedreht, um sicherzustellen, dass auch die Hartnäckigsten sich nicht gegenseitig verstehen können. Denn was die Bourgeoisie wirklich erschüttert, ist, wenn die Arbeiter und Arbeiterinnen ihre Kämpfe selbst in die Hand nehmen, wenn sie sich organisieren, wenn sie anfangen, sich zu versammeln, zu debattieren – zu einer kämpfenden Klasse werden!

Um in Großbritannien und Frankreich, wie überall sonst auch, ein Kräfteverhältnis aufzubauen, das es uns ermöglicht, den unaufhörlichen Angriffen auf unsere Lebens- und Arbeitsbedingungen, die sich in der Zukunft noch gewaltsam verschärfen werden, zu widerstehen, müssen wir, wo immer wir können, zusammenkommen, um zu diskutieren und die Kampfmethoden hervorzuheben, die die Stärke der Arbeiterklasse ausmachen und es ihr in bestimmten Momenten ihrer Geschichte ermöglicht haben, die Bourgeoisie und ihr System ins Wanken zu bringen:

- die Suche nach Unterstützung und Solidarität über die eigene Abteilung, den eigenen Betrieb, die eigene Branche, die eigene Stadt, die eigene Region, das eigene Land hinaus;

- die autonome Organisation des Arbeiterkampfes, insbesondere durch Vollversammlungen, ohne die Kontrolle den Gewerkschaften zu überlassen, diesen sogenannten "Spezialisten" für Kämpfe und deren Organisation;

- die möglichst breite Diskussion über die allgemeinen Bedürfnisse des Kampfes, über die Lehren, die aus den Kämpfen und auch aus den Niederlagen zu ziehen sind. Denn es wird Niederlagen geben, aber die größte Niederlage ist es, die Angriffe zu erdulden, ohne zu reagieren. Die Aufnahme des Kampfes ist der erste Sieg der Ausgebeuteten.

1985 unter Thatcher kämpften die britischen Bergarbeiter ein ganzes Jahr lang mit enormem Mut und beispielhafter Entschlossenheit; aber isoliert, abgetrennt in ihrer Branche, waren sie machtlos; und ihre Niederlage war die Niederlage der gesamten Arbeiterklasse. Wir müssen aus unseren Fehlern lernen. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass die Schwächen überwunden werden, die die Arbeiterklasse seit Jahrzehnten untergraben und für eine Reihe von Niederlagen verantwortlich sind: ein beschränkter Blick lediglich auf die eigene Branche und Gewerkschaftsillusion. Die Autonomie des Kampfes, Einheit und Solidarität sind die unerlässlichen Meilensteine für die Vorbereitung der Kämpfe von morgen!

Dazu müssen wir uns als Mitglieder derselben Klasse erkennen, einer Klasse, die durch Solidarität im Kampf vereint ist: das Proletariat. Die Kämpfe von heute sind unerlässlich, nicht nur, um uns gegen Angriffe zu verteidigen, sondern auch, um diese Klassenidentität auf globaler Ebene zurückzuerobern und den Sturz dieses Systems vorzubereiten, das für Elend und Katastrophen aller Art steht.

Im Kapitalismus gibt es keine Lösung: weder gegen die Zerstörung des Planeten noch gegen Kriege, Arbeitslosigkeit, Unsicherheit oder Elend. Nur der Kampf des Weltproletariats, der von allen Unterdrückten und Ausgebeuteten der Welt unterstützt wird, kann den Weg zu einer Alternative ebnen – dem Kommunismus.

Die Streiks in Großbritannien, die Demonstrationen in Frankreich sind eine Kampfansage an die ProletarierInnen aller Länder.

Internationale Kommunistische Strömung, 12. Januar 2023

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