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Weltrevolution Nr. 99

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Aufbrechen: Welche Aufarbeitung der Geschichte?

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Anfang des Jahres erschien die neueste Nummer von Aufbrechen, der „Zweimonatlichen Zeitung aus Berlin für kommunistische Debatte und revolutionäre Praxis“ Nr. 3. Schwerpunkt dieser Nummer ist das Thema „Lenin/Leninismus“. So findet man dort auf 10 Seiten 6 Artikel, die sich alle kritisch mit der russischen Revolution, der Rolle der Bolschewiki und Lenins auseinandersetzen. (1)

Im Vergleich zu früheren Ausgaben der Zeitung spiegelt diese Ausgabe einen begrüßenswerten Schritt zu mehr programmatischen Diskussionen wieder. Gerade bei Gruppierungen, die aus linkskapitalistischen politischen Zusammenhängen wie dem Maoismus & Stalinismus  stammen, bei denen die Geschichte der Arbeiterbewegung kaum bekannt ist und deren Geschichtsbild von stalinistischen Verfälschungen geprägt war, ist es unabdingbar, einen programmatischen Bruch mit dieser linkskapitalistischen Vergangenheit herbeizuführen. Dieser Bruch kann nur über die Aneignung der wirklichen Geschichte erfolgen.

Allein die Tatsache, dass sich die GenossInnen des Aufbrechen mit diesem Themenkatalog befassen und sich nicht mehr  aktionistisch zu verausgaben scheinen, ist ein Schritt vorwärts. In der Debatte zwischen Lenin und Gorter im Jahre 1920 beziehen die GenossInnen für Gorter Stellung, leugnen aber andererseits im Gegensatz zu vielen anderen nicht, dass Lenin einen wichtigen Beitrag zur russischen Revolution geleistet hat. Auch verwerfen sie im Gegensatz etwa zu den Rätekommunisten oder anderen „Anti-Leninisten“ nicht die Notwendigkeit einer Partei. In allen Artikeln gibt es wertvolle Ansätze zu einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Gang der Ereignisse in Russland.

 

Welche Methode zur Aufarbeitung der Geschichte?

Gleichzeitig wird jedoch spürbar, wenn man diese Ausgabe mit etwas mehr Abstand betrachtet, dass die Genossen einen besonderen Zugang zur Geschichte suchen. So wird nach  der Gesamtlektüre ihrer Artikel ein idealistischer Einschlag deutlich, der sich darin äußert, dass sich die Artikel vor allem danach ausrichten, welche Ideen und Konzepte die einzelnen Führerpersönlichkeiten in den Kämpfen gehabt hätten. Die Betonung liegt eher auf den Vorstellungen der Vordenker, der Gedankenwelt einzelner Persönlichkeiten als auf der Vermittlung der wirklichen Abläufe und des kollektiven Prozesses. Diese Tendenz ist zunächst einmal nicht verwunderlich, sondern ist eigentlich nur eine besondere Form der Darstellung der Geschichte, wie sie seit 1989 verstärkt zu finden ist. Denn unter dem Gewicht der bürgerlichen Kampagnen, die die russische Revolution als einen Putsch darstellen und eine Kontinuität zwischen Lenin und Stalin aufzeigen wollen, die überhaupt keine Unterscheidung zwischen Revolution und Konterrevolution machen, kämpfen alle suchenden Leute, die sich heute mit der Geschichte befassen, um so schwerer beim Zugang zur Geschichte.

 

So banal das auch klingen mag, aber man tut sich sehr schwer, so fundamentale Ereignisse wie die  Oktoberrevolution als einen Zusammenprall von Klassen zu sehen. Im Mittelpunkt steht nicht so sehr das kollektive Leben, der Kampf einer Klasse gegen die andere, statt dessen befasst man sich eher mit der Rolle und den Plänen einzelner Persönlichkeiten. Große Schwierigkeiten treten auf, wenn es um die Einschätzung der Dynamik einer Bewegung geht, das Kräfteverhältnis zwischen den Klassen, die Erschütterungen der ganzen Welt durch die internationale revolutionäre Welle von Kämpfen und die Ausstrahlung der Oktoberrevolution auf die Arbeiterklasse zu analysieren, vor allem den damaligen Stand der Debatten und Erkenntnisse in der Arbeiterbewegung und unter den Revolutionären nachzuvollziehen – und das nicht nur aus heutiger, sondern auch aus damaliger Sicht. Tatsächlich erfordert all das die Überwindung einer Sichtweise, die die Welt von „oben“, sozusagen vom „Balkon der Geschichte“ aus betrachtet, statt dessen muss man sich mit der wirklichen Geschichte, ihrer Dynamik, den Prozessen und Umwälzungen befassen. So wird Persönlichkeiten wie Karl Korsch oder Georg Lukacs in der historischen Auseinandersetzung ein Platz eingeräumt, den sie zu keiner Zeit eingenommen haben. Ein anderes Beispiel: als historische Erklärung für den Opportunismus in der III. Internationale wird die angebliche „philosophische Unzulänglichkeit“ der II. Internationale angeführt (siehe dazu den Artikel zu Aufbrechen und die nationale Frage in Weltrevolution Nr. 97).

 

Im Falle der Aufbrechen-Artikel wird dies anhand der Einschätzung der russischen Revolution bemerkbar. So wird in dem Artikel „Der ‚linke Radikalismus‘ – und die internationale Arbeiterbewegung – Die Kontroverse zwischen Lenin und der ‚deutsch-holländischen Linken‘“ auf der einen Seite Lenin im Gegensatz zu vielen bürgerlichen Behauptungen keineswegs als ‚bürgerlicher Revolutionär‘ dargestellt. Auch beziehen die Genossen anerkennenswerterweise Stellung für Gorter. Andererseits ist ihre Argumentation und Herangehensweise nicht wirklich historisch eingebettet, sie wird nicht eingeordnet in den welt-historischen Kontext, sondern sie sucht auf ‚modernistische‘ (d.h. eine ahistorische) Weise die Welt zu interpretieren und zu beurteilen. So werfen die GenossInnen Lenin vor, dass „Lenin (...) mit dem Verweis auf die Erfahrungen der Bolschewiki die kommunistischen Parteien Westeuropas auf die bürgerlichen Parlamente zu orientieren [versuchte], die es auf revolutionäre Art als Tribüne auszunutzen gälte.“ (S. 3). Hier wird die Position Lenins des Jahres 1920 sozusagen „zeitlos“ verabsolutiert, und mit keiner Zeile Bezug genommen auf den Lenin des Jahres 1914 oder 1917 oder 1919, d.h. dem Wandel seiner Positionen wird nicht Rechnung getragen. Statt dessen soll man glauben, „in der Parlaments- wie in der Gewerkschaftsfrage kapitulierte das Verständnis des ‚großen Strategen Lenin‘ vor den Verhältnissen des entwickelten Kapitalismus und den Anforderungen der proletarischen Revolution. Insofern war es fatal, dass er seine – unter russischen Bedingungen so erfolgreiche – revolutionäre Politik zum Leitstern der weltweiten kommunistischen Bewegung machen wollte. Den Höhepunkt erreichte die Tragödie, als unter der ideologischen Konstruktion des „Leninismus, als Marxismus der Epoche des Imperialismus und der proletarischen Revolution‘ (Stalin) ein – noch weiter verflachtes – bürgerliches Revolutionsverständnis zur Generallinie der Kommunistischen Internationale wurde.“ (S. 3)

 

Anstatt auf die Dynamik der revolutionären Welle von Kämpfen zu sprechen zu kommen, als nach der Niederschlagung der Kämpfe in Deutschland der internationalen Ausdehnung der Revolution die Spitze gebrochen wurde, der Höhepunkt der Bewegung ab 1919/1920 überschritten war, und die Kommunisten in Russland händeringend nach einem Ausweg aus der Isolierung suchten, die ganze Debatte auf dem II. Kongress der Komintern auf diesem Hintergrund stattfand, wird die oben erwähnte Position Lenins sozusagen zeitlich „verabsolutiert“. Man erfährt bei der Lektüre der Aufbrechen-Artikel nichts davon, dass Lenins gefährliche und opportunistische Position, die einen Rückfall in Methoden des 19. Jahrhunderts (Parlamentsbeteiligung, Gewerkschaftsarbeit) beinhaltete und keineswegs ein Mittel sein konnte, um die „ins Stocken geratenen und zögernden Massen“ weiter zur Revolution vorwärtszutreiben, im Widerspruch stand zu dem ganzen Wirken Lenins selber vor 1919. Es wird nicht erwähnt, dass Lenin als einer der Führer des nach der Revolution entstandenen russischen Staates Stellung bezog. Anstatt der Isolierung der Revolution in Russland entsprechendes Gewicht einzuräumen und zu erklären, dass dieser „Kurswechsel“ nicht nur ein Kurswechsel Lenins, sondern des Großteils der Komintern vom II. zum III. Kongress als Reaktion auf den Rückfluss der Kämpfe war,  wird Lenin z.B. im Artikel „Staat statt Revolution“ dem Vorwurf ausgesetzt: „Ein im Kampf um Befreiung und um den Kommunismus selbständig handelnde Klasse, die mehr ist als eine Manövriermasse ihrer ‚revolutionären Führer‘ passte auch so gar nicht recht ins Weltbild Lenins.“  (S. 6)

 

Durch solche Aussagen kann der Eindruck aufkommen, Lenin sei von Anfang an auf Entmündigung und Entmachtung der Arbeiterräte aus gewesen. In den Artikeln erfährt man nichts darüber, dass Lenin bei der Vorbereitung der Revolution eine Hauptrolle beim Vorwärtstreiben der Massen war und die Speerspitze bis 1919 gegen den Opportunismus blieb. Man bleibt dem Leser eine Erklärung für das Entstehen der Position Lenins schuldig. Auf das Dilemma der Bolschewiki - als Speerspitze der Arbeiterklasse in einem zunehmend isolierten Land handeln zu müssen, aber an der Spitze eines Staates zu stehen, der sich immer mehr den Bedürfnissen der Revolution widersetzte - wird in dem Aufbrechen-Artikel unzureichend eingegangen.

 

Des weiteren wird in mehreren Artikeln, insbesondere aber im Artikel „Staat statt Revolution“ und „Entfremdung minus Sow-jetmacht“ mit Lenins Ideen zum Staat und Sozialismus abgerechnet. Auch hier kann der Leser leicht den Eindruck erhalten, Lenins konfuse und widersprüchliche Ideen zum Sozialismus seien Wegbereiter für die spätere staatskapitalistische Entwicklung gewesen.

Zwar wird an mehreren Stellen eher im Vorbeigehen auf die Tatsache hingewiesen, dass „...der erste Weltkrieg, der Bürgerkrieg und die Intervention der Entente weite Teile des Landes in eine Wüste verwandelten“,[...]  „der Weg in eine revolutionäre Gesellschaft schien wegen des drohenden ökonomischen Zusammenbruchs und der deutschen Offensiven nicht mehr möglich“ (ausgehend von der Lage im Frühjahr 1918), und die Frage wird aufgeworfen, „in wie weit die Ausschaltung des kollektiven Prozesses zum Wesen des Bolschewismus gehörte oder durch die Sachzwänge der Situation in Russland geschuldet war, kann hier jedoch nicht geklärt werden“.

 

Aber es herrscht eher ein merkwürdiges Schweigen über die Gründe für das Entstehen dieses neuen staatskapitalistischen Gebildes, das aufgrund der verhinderten Ausdehnung der Revolution schnell monströse Ausmaße annahm anstatt  - durch die internationale Revolution begünstigt - abzusterben. Man vermisst eine klare Aussage, dass der Sozialismus in einem Land unmöglich ist, und dass jedes Staatsgebilde wie das in Russland nach der Revolution notwendigerweise zu einer konterrevolutionären Kraft werden muss, solange die Revolution nicht international siegt.

 

Die Genossen scheinen nicht zu merken, dass die Tragödie des Niedergangs der russischen Revolution zuallererst eine Bestätigung der klassischen marxistischen Lehre von der Unmöglichkeit des Sozialismus in einem Land

 

war. Sie begreifen nicht, dass der Kampf der revolutionären Elemente in der Bolschewistischen Partei - mit Trotzki an der Spitze - gegen die stalinistische Theorie des Sozialismus in einem Land die unabdingbare Verteidigung des Marxismus gegen die stalinistische Konterrevolution darstellte.(2) Dies erfüllt uns umso mehr mit Sorgen, da es sich bei den Aufbrechen GenossInnen zum Teil um Genoss-Innen handelt, die unter dem Einfluss des Stalinismus politisiert wurden, so dass der Bruch mit dieser Weltsicht die unabdingbare Voraussetzung für eine Hinwendung zu einer proletarischen Theorie und Praxis bedeutet.

 

Nicht nur, dass es keine Aussage zur Frage „Sozialismus in einem Land“ in dieser Schwerpunktnummer zu Lenin/Leninismus gibt: darüber hinaus wird in dem oben erwähnten Zitat der Stalinismus als ‚bürgerliches Revolutionsverständnis‘ bezeichnet, während der Stalinismus in Wahrheit die Ideologie der kapitalistischen Konterrevolution war.

 

Die Bilanz der Russischen Revolution – eine Frage von Leben und Tod jeder politischen Gruppe

Die Geschichte seit den 20er Jahren hat bewiesen: Beim Kampf gegen die stalinistische Konterrevolution leisteten nur diejenigen einen wirkungsvollen Beitrag, die am proletarischen Klassencharakter des Oktober 1917 festgehalten haben, und die auch die Rolle der Bolschewiki bei der Revolution entsprechend würdigten. Diejenigen, die den proletarischen Charakter des Oktober 1917 geleugnet und den Beitrag der Bolschewiki zur Revolution über Bord geschmissen und nicht den wirklichen Hintergrund des Niedergangs der Revolution und die verheerende Rolle der Bolschewiki bei dieser Entartung (von der Speerspitze der Revolution zur konterrevolutionären Kraft) berücksichtigt haben, waren nicht in der Lage, einen organisierten, kontinuierlichen Abwehrkampf gegen den Stalinismus aufrechtzuerhalten.

 

Neben einem kleinen Haufen versprengter Genossen um die Berliner KAPD, die zumindest bis Mitte 30er Jahre überleben konnten und den proletarischen Charakter der Oktoberrevolution verteidigten und zu einer wirklichen Aufarbeitung beitrugen, ist es das Hauptverdienst der ‚Italienischen‘ Auslandsfraktion um die Zeitschrift ‚Bilan‘ und der Gauche Communiste de France (GCF), die Lehren aus Russland  gezogen zu haben. Nur durch eine Verteidigung des proletarischen Charakters des Oktobers, nur durch eine Bejahung des Verteidigungskampfes der revolutionären Organisationen gegen den Opportunismus konnten sie eine organisatorische Kontinuität bewahren.  Auch wenn die IKS viele Positionen von der deutsch-holländischen Linken übernommen hat, so hätte unsere Organisation nie aufgebaut werden und überleben können, ohne uns auf den Beitrag der Italienischen Linken hinsichtlich der Organisationsfrage und des Zugangs zur Geschichte zu stützen.

 

Das gesamte Wirken Bilan‘s und der Gruppe GCF (Internationalisme) bestand darin, eine wirklich kritische Bilanz der russischen Revolution aus einer militanten Warte zu ziehen und nicht in den „Gehirnen der Vordenker“ nach den Ursachen des Niedergangs zu suchen (d.h. die Erklärung durch angeblich vorgefertigte Konzepte).

 

Eine Aufarbeitung der Gründe für das Scheitern der Revolution ist nur möglich, indem man sich die Methode der Kommunistischen Linken aneignet.

 

Die Erfahrung aus der Entwicklung gerade seit 68 zeigt, wenn die Leute, die aus K-Gruppen kommen, es nicht schaffen, die wirkliche Geschichte aufzuarbeiten, laufen sie Gefahr, in die alten Muster linkskapitalistischer Auffassungen und Praktiken zurückzuverfallen oder sie verschwinden einfach vom Erdboden.

 

Vor dieser Weichenstellung stehen die Genoss-Innen um die Zeitschrift Aufbrechen. Wir finden, es gibt positive Ansätze in der bisherigen Arbeit der Zeitschrift. Diese Ansätze müssen nun vorangetrieben werden. Die programmatische Auseinandersetzung muss einen wirklichen Anschluss an die Geschichte finden. Die Schatzkammer an Erfahrung und Lehren aus der revolutionären Welle lässt sich nicht öffnen, indem man sozusagen bei der Lektüre von Texten von Korsch, Lukacs oder auch Lenin stehenbleibt und von der wirklichen Entwicklung und den Anstrengungen um Klarheit innerhalb der revolutionären Bewegung absieht.

 

Die revolutionären Organisationen, die die Tradition der Kommunistischen Linken fortsetzen, welche im Abwehrkampf gegen die Entartung der russischen Revolution geboren wurden, bieten einen unerläßlichen Anknüpfungspunkt. Diesen Faden gilt es für die GenossInnen von Aufbrechen aufzugreifen.                                         Weltrevolution

 

(1) „Über die Notwendigkeit, Lenin zu relativieren, um den Leninismus loszuwerden“,

 

-„Bürgerliche oder proletarische Revolution? Klassenkampf- und Organisationsverständnis bei Rosa Luxemburg und W.I. Lenin“,

 

-„Der Verteidigung der philosophischen Thesen von Korschs Lenin-Kritik“,

 

-„Der ‚linke Radikalismus‘ und die internationale Arbeiterbewegung - Die Kontroverse zwischen Lenin und den ‚deutsch-holländischen‘ Linken“,

 

-„Entfremdung minus Sowjetmacht – Die Bolschewiki und Taylor“,

 

-„Staat statt Revolution – Lenins Erziehungsdiktatur....“.

 

(2) Man sollte nicht vergessen, dass Trotzki den aus unserer Sicht berechtigten Verdacht äußerte, dass Stalin Lenin umgebracht hat, weil Lenin einen furchterregender Gegner der stalinistischen Konterrevolution dargestellt hätte. Die Proklamierung des Sozialismus in einem Lande als Position der Komintern konnte wahrscheinlich nur über Lenins Leiche gehen. Und so sehr Lenins Auffassungen zum Staat sich auch im Laufe der Jahre wandelten, gehörte er doch zu denjenigen, die  (viel früher und entschlossener als Trotzki) dem ständigen Wuchern des Staatsapparates entgegentreten wollten und der neuen Bürokratie ihren Kampf angesagt hatten.

 

Öffentliche Debatte in Amsterdam: Der Rätekommunismus ist keine Brücke zwischen Marxismus und Anarchismus

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Am 21. November haben wir in Amsterdam eine öffentliche Diskussion mit reger Publikumsbeteiligung zum Thema „Die Holländische Linke – eine Brücke zwischen Anarchismus und Marxismus?" abgehalten. Unser Ziel bestand darin, gegenüber dem Versuch der Vereinnahmung dieser linkskommunistischen Strömung – und insbesondere der Rätekommunisten – durch den Anarchismus zu reagieren. Weil wir eine öffentliche Debatte dazu anstrebten, haben wir den anarchistischen Autor Ton Geurtsen, der einer der Hauptverfechter dieser These ist, und den letzten lebenden Vertreter der holländischen Linken, Cajo Brendel, eingeladen, auf dieser Diskussion ihren Standpunkt zu vertreten.

Nachfolgend veröffentlichen wir das Einleitungsreferat der IKS in dieser Debatte, das unsere Position zu dieser Frage zusammenfasst. Es befasst sich vor allem mit unserer Einschätzung des Verhältnisses zwischen Marxismus und Anarchismus, das wesentlich ist für die Einordnung des Kampfes der Linkskommunisten im allgemeinen und den der deutsch-holländischen Linken im besonderen. Darüber hinaus geben wir einige Informationen zum Hintergrund der Debatte sowie einen kurzen Überblick über die Debatte selbst, damit unsere Leser sich einen Eindruck über die Wichtigkeit dieser Diskussion verschaffen können.

Seit dem Zusammenbruch der Berliner Mauer 1989 ist der Marxismus mehr als je zuvor diskreditiert worden: Die Bourgeoisie hat gewaltige Kampagnen gestartet, um den ökonomischen und imperialistischen Bankrott des Stalinismus, seinen Terror und seine Konzentrationslager mit dem Marxismus gleichzusetzen und in unseren Köpfen einzumeißeln, dass der Klassenkampf nur zur Diktatur führt und letzten Endes scheitern muss; es gäbe zum „liberalen" Kapitalismus keine Alternative, da er das „am wenigsten schlechte" aller Systeme sei. Wer immer gegen diese Propaganda, gegen die - barbarischen Kriege und die Ausbeutung sowie gegen die Zerstörung unserer Umwelt ankämpft, nach Alternativen und revolutionären Positionen sucht, stößt sehr schnell auf den Anarchismus, der scheinbar „saubere Hände" hat. Jedoch können diejenigen, die sich ernsthaft für eine Klassenanalyse interessieren, nur sehr schwer dem Marxismus ausweichen.

Der „Rätekommunismus", der immer wieder als „anarchistisch" bezeichnet wurde, scheint eine Brücke zwischen Marxismus und Anarchismus zu schlagen. Er hat eindeutig nie etwas mit dem Stalinismus zu tun gehabt; von Anfang an hat er dessen „Parteipraxis" als im Widerspruch zum Marxismus stehend verurteilt. Er scheint auch die anti-autoritären anarchistischen Prinzipien der Freiheit, der Autonomie und der Demokratie zu verkörpern. Auf der Suche nach revolutionären Positionen stößt man deshalb schnell auf die Positionen der holländischen „Rätekommunisten", die unter anderem von Anton Pannekoek und der GIK (Gruppe Internationaler Kommunisten – 1927-1940) und nach dem 2. Weltkrieg von dem Communistenbond Spartacus und der Gruppe Daad en Gedachte vertreten wurden. Deren Positionen wiederum stützen sich auf die Positionen der Linkskommunisten während des 1. Weltkriegs (Rosa Luxemburg, Karl Liebknecht, Herman Gorter). Haben sich die „Rätekommunisten" getäuscht, und gehören sie nicht eher dem anarchistischen Lager an? Waren sie im Begriff, mit dem Marxismus zu brechen?

Als Gegenpol zum Stalinismus haben die „Rätekommunisten" immer die grundlegenden Prinzipien des Marxismus verteidigt. Im Rahmen dieses Einleitungsreferates können wir nicht im Einzelnen auf ihre Positionen und deren Entwicklung eingehen. Das soll in der Diskussion geschehen; deshalb hier nur einige Kernaussagen. Der Marxismus analysiert die Entwicklung der Gesellschaft vom Standpunkt der Arbeiterklasse aus. Die Geschichte ist geprägt von Widersprüchen zwischen der Entwicklung der Produktivkräfte und den Produktionsverhältnissen. In der Geschichte der Klassenkämpfe ging es im Wesentlichen darum, dass neue ausbeutende Klassen die alten ablösten und die ausgebeuteten Klassen gegen ihre Ausbeuter kämpften. Wichtig ist hier, dass die Arbeiterklasse die erste Klasse ist, die ausgebeutet und revolutionär ist. Durch die Arbeiterrevolution kann die Klassengesellschaft insgesamt überwunden werden. Die „Diktatur der Arbeiterklasse" wird die erste Klassendiktatur einer Mehrheit über eine Minderheit sein und damit die größte Demokratie der Menschheitsgeschichte. Erst dann wird eine sozialistische Gesellschaft aufgebaut werden können, das „Reich der Freiheit", wo die Klassengegensätze schrittweise verschwinden. Der Marxismus interveniert im Klassenkampf auf der Grundlage der aus dem Klassenkampf hervorgegangen Lehren, um für die Zerstörung des bürgerlichen Staates und die Abschaffung der Lohnarbeit einzutreten; die Befreiung der Arbeiterklasse kann nur das Werk der Arbeiterklasse selbst sein, das Ziel ist die freie Vereinigung aller Produzenten.

Dagegen geht der Anarchismus nicht in erster Linie von den Widersprüchen und bestehenden Gesellschaftsverhältnissen aus, ebensowenig stützt er sich auf eine historische Analyse und Perspektive, in der der Klassenkampf überwunden wird, sondern auf abstrakte, „ewig" gültige Prinzipien wie „gegen jede Autorität, für den Föderalismus, für die Freiheit des Einzelnen, die Ablehnung aller Macht" im allgemeinen, die unabhängig von den jeweiligen historischen Bedingungen einfach umgesetzt werden sollen, um eine gesellschaftliche Alternative zu verwirklichen.

Wir werden zunächst die Folgen dieser Divergenzen zwischen Marxismus und Anarchismus hinsichtlich der wichtigsten Phasen in der Geschichte beleuchten. Wir können hier keinen vollständigen historischen Überblick liefern, sondern nur einige Eckpunkte aufgreifen.

Anarchismus und Marxismus im 19. Jahrhundert

Im 19. Jahrhundert unterstützten die Marxisten den Kampf um Reformen und Sozialgesetzgebung mittels der Gewerkschaften und der Wahlbeteiligung. Der Kapitalismus befand sich noch im industriellen -Aufstieg, - die proletarische Revolution stand daher noch nicht auf der Tagesordnung. Die Arbeiterklasse kämpfte nicht für irgendwelche schönen Ideale, sondern die immer wiederkehrende und sich verschärfende Wirtschaftskrise trieb sie ständig zum Kampf an und lieferte jeweils neue Lehren für denselben. Der Kampf um Verbesserungen innerhalb des Kapitalismus bot gleichzeitig eine Grundlage für die Organisierung und Bildung der Arbeiterklasse im Hinblick auf den Endkampf gegen den Kapitalismus. Er wies auf das Ziel und die Mittel. So bildeten die ökonomischen und politischen Kämpfe ein Ganzes.

Demgegenüber gab es für den Anarchismus einen Gegensatz zwischen ökonomischem und politischem Kampf, da sie entgegengesetzte Mittel seien; er ging nicht so sehr von der Arbeiterklasse, sondern vom „Volk" oder den „Massen" aus. Allgemein gesehen kann man zwei Strömungen unterscheiden:

- ein anarchistischer utopischer Sozialismus (Proudhonisten, Genossenschaften usw.), der sich von der wirklichen Entwicklung der Industrialisierung abwandte und den Staat einfach abschaffen wollte, um föderative Beziehungen zwischen unabhängigen, isolierten Kleinproduzenten aufzubauen, so wie sie in der Zeit vor der Industrialisierung bestanden. Er wandte sich gegen jeden Lohnkampf, weil er die Anerkennung der Lohnarbeit beinhalte;

- ein putschistischer Anarchismus (Bakunin), der eine „Elite" von Verschwörern an die Macht bringen wollte, indem man sich auf eine Masse von Lumpenproletariern stützte, während die Arbeiterklasse sich auf den gewerkschaftlichen Kampf begrenzen und jeden politischen Kampf ablehnen sollte (d.h. Wahlbeteiligung), da dieser per Definition bürgerlich sei.

Der Anarchismus hat so die Arbeiter in gefährliche politische Abenteuer gestürzt und verschwommene Weltbilder sowie Illusionen über die Möglichkeit sozialistischer Inseln inmitten des Kapitalismus verbreitet, die es aber nicht geben kann.

Anarchismus und Marxismus in der Zeit der „Krieg und Revolution"

Während des Übergangs vom 19. zum 20. Jahrhundert kämpfte der marxistische Flügel innerhalb der Sozialdemokratie nicht nur gegen den Anarchismus, sondern auch gegen die Revisionisten und Reformisten Diese leugneten nämlich die Notwendigkeit einer proletarischen Revolution. Sie verbreiteten Illusionen über die Möglichkeit eines „krisenfreien" Kapitalismus und eines ständig wachsenden Wohlstandes, an dem alle teilhätten. Die Arbeiterklasse sollte sich dieser Strömung zufolge auf den Kampf um schrittweise und permanente Reformen beschränken; dabei wurden gerade Reformen just zu diesem Zeitpunkt immer weniger möglich.

Der marxistische Flügel, der weiterhin für die Notwendigkeit der proletarischen Revolution eintrat, wurde regelmäßig als „anarchistisch" bezeichnet. In Wirklichkeit erarbeitete der marxistische Flügel eine Analyse der neuen Periode in der Entwicklung des Kapitalismus, des Imperialismus, in dem sich die Kampfbedingungen der Arbeiterklasse geändert hatten und die Revolution nunmehr auf der Tagesordnung stand: die neue Epoche von Krieg und Revolution, der Alternative zwischen Sozialismus und Barbarei.

1909 fasste Pannekoek diesen Kampf gegen die beiden Strömungen folgendermaßen zusammen: „Anarchismus und Revisionismus sind jeweils bürgerliche Orientierungen innerhalb der Arbeiterbewegung; sie wollen eine bürgerliche Weltauffassung mit proletarischen Sympathien unter einen Hut bringen", und dies sei möglich, weil sie sich zwischen beiden befänden: „Der Anarchismus ist die Ideologie der entfesselten Kleinbourgeoisie und der Revisionismus die Ideologie der gehorsamen Kleinbourgeoisie."

[...] Seitdem ist die Einschätzung des Anarchismus durch die Marxisten in den entscheidenden Momenten, sowohl im Krieg als auch in der Revolution, vollauf bestätigt worden:

- die Linkskommunisten bezogen eine konsequent internationalistische Position gegenüber dem Krieg: massiver Arbeiterkampf gegen die internationale Bourgeoisie und Umwandlung des imperialistischen Weltkrieges in eine proletarische Weltrevolution. Der offizielle Anarchismus unterstützte Hand in Hand mit der Sozialdemokratie den Krieg (z.B. die CNT, NAS); damit wurde die erste Klassengrenze zwischen Proletariat und Bourgeoisie überschritten. Wenn trotzdem einige Anarchisten vereinzelt gegen den Krieg und auch gegen ihre eigenen Organisationen ankämpften (was sehr lobenswert ist), dann geschah das nicht, weil sie die Lage begriffen hätten, sondern weil sie sich moralisch über die Angriffe gegen die Menschheit entrüsteten. So veröffentlichten 1915 35 Libertäre (u.a. Alexander Berkman, Emma Goldman, Enrico Malatesta, Ferdinand Domela Nieuwenhuis), ohne irgendeine Organisation zu repräsentieren, ein Manifest gegen den Krieg. Diesem Manifest zufolge sei der Krieg einfach eine Folge der Existenz von militaristischen Staaten und der ideologischen Unterwerfung unter sie; die Lösung bestünde in einer Revolte „aller Unterdrückten" gegen diese Staaten.

- die Linkskommunisten verteidigten die Oktoberrevolution als den Beginn der proletarischen Weltrevolution gegen den imperialistischen Weltkrieg. Die offiziellen anarchistischen Organisationen (Kropotkin) wandten sich gerade gegen die Diktatur des Proletariats, da sie aus ihrer Sicht nur eine Machtverschiebung auf Staats- ebene und vor allem nicht den Anfang der internationalen Arbeiterrätemacht darstellte. Die Revolution ist die zweite Klassengrenze zwischen Bourgeoisie und Proletariat. Erneut begrüßten einige wenige Anarchisten die Revolution (u.a. Voline, Victor Serge, Domela Nieuwenhuis), ohne aber die Lage zu begreifen oder sie richtig einzuschätzen. Einige traten auch der III. Internationalen bei (z.B. Victor Serge). Die Anarchisten begriffen auch den Prozess des Niedergangs der Revolution aufgrund ihrer Isolierung nach ihrer Niederlage in Deutschland nicht. Stattdessen wurden in abstrakter Weise angebliche Prinzipien der offiziellen Staatspolitik der Bolschewiki an den Pranger gestellt.

So sind die offiziellen Organisationen des Anarchismus zum gleichen Zeitpunkt wie die Sozialdemokratie endgültig in das Lager der Bourgeoisie übergelaufen. Sie traten 1914 (wie übrigens auch 1939) als Kriegsbefürworter auf und wandten sich gegen die proletarische Revolution.

[....]

Diese Analyse wurde in Spanien 1936 erneut bestätigt. Der Anarchismus unterstützte die „demokratische" Regierung in einem Bürgerkrieg gegen Franco, der nur das Vorspiel für den 2. Weltkrieg und keineswegs eine soziale Revolution war. Der Anarchismus stürzte sich auf die „Kollektivierung" in der Industrie und in der Landwirtschaft, ohne dass vorher überhaupt die Frage der politischen Macht gestellt wurde, denn die Bourgeoisie hielt weiterhin die Macht in ihren Händen. So verbreitete er die Illusion über die Möglichkeit von „sozialistischen Inseln", obwohl diese in Wirklichkeit in einem unerbittlichen Konkurrenzkampf auf einem kapitalistischen Weltmarkt standen und die Lohnarbeit unangetastet ließen. Darüber hinaus beteiligten sich die Anarchisten bedingungslos an den arbeiterfeindlichen bürgerlichen Regierungen, weil diese unter „antifaschistischer" Flagge auftraten, mit der später der 2. Weltkrieg ideologisch verbrämt wurde. Deshalb tragen die Anarchisten eine große Verantwortung bei der Vorbereitung des 2. Weltkrieges. Allerdings blieben auch hier einige Anarchisten (wie die „Freunde Durrutis") im Gegensatz zu den anarchistischen Organisationen und trotz ihrer eigenen Konfusionen auf dem Boden der Arbeiterklasse. [...]

Einige Schlussfolgerungen

Der Anarchismus vertritt alte abstrakte und „ewige" Ideale, die den liberalen und humanitären Traditionen der Bourgeoisie aus einer Zeit entstammen, als diese noch revolutionär war. Aber obgleich die Wurzeln dieser Ideale eindeutig dem Bürgertum entstammen, haben sie nicht notwendigerweise eine feste Klassenbasis. Denn anarchistische Prinzipien können völlig unterschiedliche und widersprüchliche Klasseninteressen zum Ausdruck bringen; so kann der Anarchismus in den unterschiedlichsten Formen auftreten – vom Terrorismus und Putschismus über den Syndikalismus und Pazifismus bis zum Antimilitarismus und zur Philanthropie. Er kann Bündnisse schließen mit Fraktionen der Bourgeoisie und soweit gehen, imperialistische Weltkriege zu unterstützen und sich der proletarischen Revolution entgegenstellen.

In den entscheidenden Momenten der Geschichte, in Zeiten von Krieg und Revolution, gelingt es der Bourgeoisie ziemlich leicht, die abstrakten anarchistischen Ideale für ihre Zwecke einzusetzen. Und da der Anarchismus der Klassen-analyse abstrakte Ideale gegenüberstellt, trägt er ständig zur Verwirrung innerhalb der Arbeiterklasse bei. Wenn einzelne Anarchisten zufällig das richtige Lager wählen, geschieht dies eher aus Klasseninstinkt als aufgrund eines wirklichen Verständnisses der Lage. Genauer gesagt, ist der Anarchismus vor allem der politische Ausdruck eines revoltierenden Kleinbürgertums, das als solches selbst keine Perspektiven anzubieten hat, das aber einen großen Einfluss innerhalb der Arbeiterklasse haben kann, gegenüber der das Kleinbürgertum selbst sehr misstrauisch ist.

Es gibt sicherlich Punkte, wo die Abgrenzung zwischen „Rätekommunismus" und Anarchismus äußerst schwach ist. Aber der „Rätekommunismus" kann nur denjenigen als eine Brücke zwischen Anarchismus und Marxismus erscheinen, die die Augen vor der Geschichte verschließen. Versuche der Anarchisten, den „Rätekommunismus" für sich zu vereinnahmen, laufen darauf hinaus, die wesentlichen Beiträge des Rätekommunismus über Bord zu schmeißen, indem man abstrakte Forderungen vertritt. Das kann nur für noch mehr Verwirrung in der Arbeiterklasse sorgen und dazu beitragen, die Arbeiterklasse für das bürgerliche Lager einzuspannen. Denn der Anarchismus hat weder eine wirkliche Alternative gegenüber dem Marxismus anzubieten, noch hat er „saubere Hände", wie die beiden Weltkriege und die revolutionäre Welle von Kämpfen 1917-23 belegen.

Die IKS beruft sich kritisch auf zahlreiche Beiträge des „Rätekommunismus", wobei wir aber gleichzeitig zahlreiche Divergenzen mit ihm haben. Das ändert aber nichts am marxistischen Charakter des „Rätekommunismus", der mit dem Anarchismus nichts gemeinsam hat. Aus: Internationalisme, Zeitung der IKS in Belgien

Eine lebhafte Diskussion

Eine lebhafte Diskussion entwickelte sich, in der die IKS stets auf den grundlegenden Widerspruch zwischen der anarchistischen und der linkskommunistischen Haltung hinwies. So wurden insbesondere die Haltung gegenüber dem imperialistischen Krieg und den sogenannten „Befreiungsbewegungen", die Einschätzung des spanischen Bürgerkrieges 1936-37 und des Niedergangs der russischen Revolution sowie die Einschätzung der jetzigen Periode debattiert. All diese Fragen belegten aus unserer Sicht die Gültigkeit der Positionen der Holländischen Linken, insbesondere ihres proletarischen Internationalismus gegenüber den beiden Weltkriegen, ihrer unbeirrbaren Ablehnung des Stalinismus, der Betonung der Rolle der Arbeiterräte im revolutionären Prozess.

Trotz der deutlichen Meinungsverschiedenheiten, die während der Diskussion zu Tage traten, haben alle Teilnehmer die Nützlichkeit und Lebendigkeit dieser Diskussion hervorgehoben, und auch wenn es nicht in allen Punkten Übereinstimmung mit unseren Analysen gab, brachten viele Teilnehmer ihre Übereinstimmung mit der Richtigkeit einer historischen und theoretisch-programmatischen Herangehensweise zum Ausdruck, so wie sie von der IKS vertreten wurde. Denn gegenüber der allgemeinen Atmosphäre der Verwirrung und um den Medienkampagnen der Bourgeoisie gegen den Kommunismus entgegenzutreten, ist es unerlässlich, die theoretischen Grundsatzfragen wieder aufzugreifen und zu vertiefen, die marxistische Methode anzuwenden und sie lebendig auszugestalten. Wir wollen auf einige der Diskussionspunkte in unserer Presse und in späteren Diskussionsveranstaltungen zurückkommen.

Der Hintergrund der Debatte

Einige Tage vor der Debatte haben die beiden Eingeladenen uns eine Absage ihrer Teilnahme geschickt. Wir haben dies zu Beginn der Veranstaltung mitgeteilt und dazu Stellung bezogen. Der Anarchist T. Geurtsen, der uns zwar eine „lebhafte Debatte" wünschte, wollte die Gründe für sein Fernbleiben nicht mitteilen. Cajo Brendel schrieb, er wollte an der Diskussion nicht teilnehmen, und er sei auch nicht mit unseren Auffassungen einverstanden, aber er bezog gleichzeitig politisch Stellung zum Diskussionsthema. Er erklärte unmissverständlich, dass er „überhaupt kein Anarchist" sei, und dass er „nicht damit einverstanden" sei , dass der „‚Rätekommunismus‘ eine ‚Brücke zwischen Marxismus und Anarchismus‘" sei. Wir begrüßen diese Stellungnahme und teilen sie. Wir wollen auf seine Stellungnahme in unserer Presse zurückkommen.

Wir bedauern unsererseits außerordentlich, dass die Eingeladenen nicht zur Diskussion kommen konnten oder wollten, da wir ihnen angeboten hatten, ihren Standpunkt persönlich und öffentlich zu vertreten. Dies trifft insbesondere für Cajo Brendel und die Rätisten der Gruppe „Daad en Gedachte" zu, die immer wieder von einer angeblichen Verfälschung ihrer Positionen durch die IKS sprechen. Es wäre eine gute Gelegenheit gewesen, öffentlich und ausführlich auf die angeblichen Lügen und Verzerrungen der IKS einzugehen, um zur Kernfrage – dem Beitrag der Holländischen Linken zum heutigen Arbeiterkampf – zu kommen. In diesem Zusammenhang möchten wir die Anwesenheit von Leuten aus dem anarchistischen Milieu begrüßen, die sich aktiv an der Debatte beteiligt haben, um zur Klärung der revolutionären Perspektiven für den Arbeiterkampf beizutragen. Aber die Abwesenheit von „Vertretern" des „offiziellen Anarchismus" hat uns nicht besonders überrascht. Ihre Haltung, die sie vor kurzem noch bekräftigten, als sie uns vor einigen Wochen noch anlässlich der anarchistischen Buchmesse in Utrecht sehr „anti-autoritär" eine Teilnahme an den Debatten verboten, ist Teil ihrer systematischen Sabotage jedes politischen Klärungsprozesses gegenüber dem Zusammenbruch des Stalinismus und der Kampagne über den „Tod des Kommunismus".

Politische Strömungen und Verweise: 

  • Rätismus [1]

Source URL:https://de.internationalism.org/en/node/1092

Links
[1] https://de.internationalism.org/en/tag/politische-stromungen-und-verweise/ratismus