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Weltrevolution - 1992

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Weltrevolution Nr. 52

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Sozialdemokratie und Kommunismus - von Anton Pannekoek

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Während die Herrschenden gerne so tun, als ob die Arbeiterbewegung längst Schiffbruch erlitten habe und sie der Vergangenheit angehöre, nur um die Geschichte der Arbeiterbewegung zu verzerren und auf den Kopf zu stellen, wenn sie nicht gar ganz zu verschweigen, wollen wir uns hier in unserer Zeitung um eine Darstellung der wirklichen Geschichte der Arbeiterbewegung bemühen. Nachfolgend veröffentlichen wir einen Beitrag aus dem Jahre 1920 von Anton Pannekoek, der den Werdegang der Arbeiterbewegung im vorigen Jahrhundert bis 1918/1919 aufrollt.

SOZIALDEMOKRATIE UND KOMMUNISMUS

DER WERDEGANG DER ARBEITERBEWEGUNG

Der Weltkrieg hat nicht nur eine gewaltige Umwälzung aller wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse gebracht: er hat auch den Sozialismus völlig umgewandelt. Wer mit der deutschen Sozialdemokratie aufgewachsen ist und sich in ihren Reihen an dem Kampf der Arbeiterklasse beteiligte, steht oft verwirrt den neuen Erscheinungen gegenüber und fragt sich, ob denn alles, was er bisher gelernt und getätigt hat, falsch war und weshalb er umlernen und einer neuen Lehre folgten soll. Die Antwort ist: es war nicht falsch, aber es war eine unvollkommene, zeitweilige Wahrheit. Der Sozialismus ist nicht eine feste unveränderliche Lehre. Mit der Entwicklung der Welt wächst die Einsicht der Menschen und mit den neuen Verhältnissen kommen neue Methoden zur Erreichung unseres Ziels auf. Das zeigt sich schon bei einem kurzen Überblick über die Entwicklung des Sozialismus im letzten Jahrhundert.

Am Anfang des 19. Jahrhunderts herrschte der utopische Sozialismus. Weitblickende Denker mit klarem Empfinden für die Unerträglichkeiten des Kapitalismus arbeiteten Entwürfe für eine bessere Gesellschaft aus, in der die Arbeit genossenschaftlich organisiert sein sollte. Ein Wendepunkt trat ein, als Marx und Engels 1847 das kommunistische Manifest herausgaben. Hier treten zuerst die Hauptpunkte des späteren Sozialismus klar hervor: aus dem Kapitalismus selbst wird die Kraft zur Umwandlung in eine sozialistische Gesellschaft herauswachsen: diese Kraft ist der Klassenkampf des Proletariats. Die armen, verachteten, unwissenden Arbeiter werden die Träger dieser Umwälzung sein, indem sie den Kampf gegen die Bourgeoisie aufnehmen, dadurch Kraft und Fähigkeit erwerben und sich als Klasse organisieren: durch eine Revolution wird das Proletariat die politische Herrschaft erobern und die wirtschaftliche Umwälzung durchführen.

Hervorzuheben ist dabei, daß Marx und Engels ihr Ziel nicht Sozialismus und sich selbst nicht Sozialisten nennen. Engels hat das nachher erklärt: zu jener Zeit wurden mit dem Namen Sozialismus verschiedene Richtungen der Bourgeoisie bezeichnet, die aus Mitleid mit dem Proletariat oder aus anderen Gründen, die kapitalistische Ordnung umändern wollten: oft waren ihre Ziele reaktionär. Der Kommunismus dagegen war eine proletarische Bewegung. Kommunisten hießen die Arbeitergruppen, die das System des Kapitalismus bekämpften. Von dem Kommunistischen Arbeiterbund ging das Manifest aus, das dem Proletariat Ziel und Richtung seines Kampfes wies.

Das Jahr 1848 brachte die bürgerlichen Revolutionen, die dem Kapitalismus den Weg in Mitteleuropa bahnten und damit auch die Umwandlung der überlieferten Kleinstaaterei in kräftige Nationalstaaten vorbereitete. Die Industrie entwickelte sich in den 50er und 60er Jahren in einem gewaltigen Tempo und in dieser Prosperität versank alle revolutionäre Bewegung so gründlich, daß sogar der Name des Kommunismus vergessen wurde. Als dann in den 60er Jahren aus diesem breiteren Kapitalismus die Arbeiterbewegung wieder emporkam, in England, Frankreich und Deutschland, hatte sie zwar einen viel breiteren Boden als die früheren kommunistischen Sekten, aber ihre Ziele waren viel begrenzter und bescheidener: Verbesserung der unmittelbaren Lage, Gewerkschaften, demokratische Reformen. In Deutschland entfaltete Lassalle eine Agitation für Produktionsgenossenschaften mit Staatshilfe: der Staat sollte sich seiner sozialen Aufgaben zugunsten der Arbeiterklasse bewußt werden, und um ihn dazu zu zwingen, sollte die Demokratie, die Herrschaft der Massen über den Staat dienen. So wird es verständlich, daß die von Lassalle begründete Partei sich den bescheidenen Namen Sozialdemokratie zulegte: in diesem Namen wird zum Ausdruck gebracht, daß das Ziel der Partei die Demokratie mit sozialem Zweck war.

Aber allmählich wuchs die Partei über diese engen ersten Ziele hinaus. Die stürmische kapitalistische Entwicklung Deutschlands, die Kriege zur Gründung des deutschen Reiches, das Bündnis von Bourgeoisie und junkerlichem Militarismus, das Sozialistengesetz, die reaktionäre Zoll- und Steuerpolitik, trieben die Arbeiterschaft in einen scharfen Klassenkampf hinein und machten sie zur Führerin in der europäischen Arbeiterbewegung, die ihren Namen und ihre Losungen übernahm. Die Praxis schärfte ihren Geist zum Verständnis der Marx'schen Lehren, die vor allem von Kautsky in zahlreichen Popularisierungen und Anwendungen den Sozialisten zugänglich gemacht wurden. Und so wurden die Prinzipien und Ziele des alten Kommunismus: das kommunistische Manifest von ihr als ihre Programmschrift, der Marxismus als ihre Theorie, der Klassenkampf als ihre Taktik, die Eroberung der politischen Herrschaft durch das Proletariat, die soziale Revolution als ihr Ziel anerkannt.

Dennoch war ein Unterschied vorhanden: der Charakter des neuen Marxismus, der Geist der ganzen Bewegung war anders als der alte Kommunismus. Die Sozialdemokratie wuchs empor inmitten einer kräftigen kapitalistischen Entwicklung. An einen gewaltsamen Umsturz war vorerst nicht zu denken. Deshalb verlegte man die Revolution auf die ferne Zukunft und stellte sich mit Propaganda und Organisation zu deren Vorbereitung und mit dem Kampfe für unmittelbare Verbesserungen zufrieden. Die Theorie betonte, daß die Revolution als Folge der wirtschaftlichen Entwicklung notwendig kommen müsse, und vergaß dabei, daß die Aktion, die spontane Tätigkeit der Massen zu ihrem Kommen notwendig sei. So wurde sie zu einer Art ökonomischer Fatalismus. Die Sozialdemokratie und die nachher emporkommenden Gewerkschaften wurden zu einem Glied der kapitalistischen Gesellschaft: sie verkörperten darin den wachsenden Widerstand und die Opposition der Arbeitermassen, und sie waren das Organ, das die völlige Verelendung der Massen durch den Druck des Kapitals verhinderten. Durch das allgemeine Wahlrecht wuchsen sie zu einer starken Opposition innerhalb des bürgerlichen Parlaments empor. Ihr Grundcharakter war, trotz der Theorie reformistisch auf das Unmittelbare, Kleine gerichtet, statt revolutionär: und die Grundursache dafür lag in der kapitalistischen Prosperität, die den proletarischen Massen eine gewisse Lebenssicherheit gab und keine wirklich revolutionäre Stimmung aufkommen ließ.

In dem letzten Jahrzehnt verstärkten sich diese Tendenzen. Die Arbeiterbewegung hatte nahezu erreicht, was unter diesen Umständen erreichbar war: sie war zu einem mächtigen Parteigebilde ausgewachsen, das eine Million Mitglieder und ein Drittel aller Wählerstimmen umfaßte, und neben ihr stand eine Gewerkschaftsbewegung, die den Hauptteil der organisierungsfähigen Arbeiter in sich aufgenommen hatte. Sie stieß jetzt ihr Haupt gegen eine mächtigere Schranke, gegen die sie mit den altbewährten Mitteln nicht aufkommen konnte: die starken Organisationen des Großkapitals in Syndikaten, Unternehmerverbänden und Interessengemeinschaften, sowie die von Finanzkapital, schwerer Industrie und Militarismus geführte Politik des Imperialismus, die größtenteils außerhalb des Parlaments geleitet wurde. Zu einer völligen Umwandlung und Erneuerung der Taktik war aber diese Arbeiterbewegung nicht fähig, die mächtigen Organisationen waren einmal da, sie waren Selbstzweck geworden und wollten sich behaupten. Träger dieser Tendenz war die Bürokratie, dies zahlreiche Heer der Beamten, Führer, Parlamentarier, Sekretäre, Redakteure, die eine eigene Gruppe mit eigenen Interessen bildeten. Unter ihren Händen war allmählich das Ziel, unter Beibehaltung der alten Namen, ein anderes geworden. Eroberung der politischen Herrschaft durch das Proletariat war für sie Eroberung der Mehrheit durch ihre Partei, Ersetzung der regierenden Politiker und der Staatsbürokratie durch sie, die sozialdemokratischen Politiker und die Partei- und Gewerkschaftsbürokratie. Neue Gesetze zugunsten des Proletariats, die sie dann erlassen würden, sollten den Sozialismus verwirklichen. Und diese Auffassung herrschte nicht nur bei den Revisionisten, auch Kautsky, der theoretische Politiker der Radikalen, erklärte in einer Diskussion, daß die Sozialdemokratie den Staat mit all seinen Organen und Ministerien erhalten und bloß andere Leute, Sozialdemokraten, an die Stelle der damaligen Minister einsetzen wollte.

Der Weltkrieg brachte auch die Krise innerhalb der Arbeiterbewegung. Die Sozialdemokratie stellte sich unter die Losung der "Vaterlandsverteidigung" überall in den Dienst des Imperialismus: die Partei- und Gewerkschaftsbürokratie arbeiteten Hand in Hand mit der Staatsbürokratie und dem Unternehmertum, die Arbeiter zu zwingen, Kraft, Blut und Leben bis zum äußersten herzugeben. Es war der Zusammenbruch der Sozialdemokratie als Partei der proletarischen Revolution. Nun kam, trotz der scharfen Unterdrückung in allen Ländern die Opposition allmählich empor und erhob aufs Neue die alte Fahne des Klassenkampfes, des Marxismus und der Revolution. Unter welchem Namen sollte sie kämpfen? Sie könnte sich mit Recht auf die alten Losungen der Sozialdemokratie berufen, die die sozialdemokratischen Parteien im Stich gelassen hatten. Aber der Name "Sozialist" war jetzt bedeutungslos und kraftlos geworden, da praktisch der Unterschied zwischen Sozialisten und Bürgerlichen völlig verschwunden war. Um den Klassenkampf zu führen, mußte zuerst und in schärfster Weise der Kampf gegen die Sozialdemokratie geführt werden, die das Proletariat in den Abgrund des Elends, der Unterwürfigkeit, des Krieges, der Vernichtung, der Machtlosigkeit gestürzt hatte. Konnten die neuen Kämpfer diesen geschändeten, entehrten Namen annehmen? Ein neuer Name war notwendig und welcher Name war da mehr geeignet als der alte ursprüngliche der ersten Träger des Klassenkampfes? In allen Ländern springt derselbe Gedanke auf, wieder den Namen Kommunismus anzunehmen.

Wieder, wie zu Marx' Zeiten stehen sich der Kommunismus als proletarisch-revolutionäre und der Sozialismus als bürgerlich-reformistische Richtung gegenüber. Und der neue Kommunismus ist nicht einfach eine Neuauflage der Lehre der radikalen Sozialdemokratie. Aus der Weltkrise hat er neue Einsichten gewonnen, die ihn weit über jene alte Lehre hinausheben. Den Unterschied dieser Lehre wollen wir jetzt betrachten.

 

Was ist der Unterschied zwischen der proletarischen und bürgerlichen Revolution? Wie kann die Arbeiterklasse die Macht ergreifen? Darf sie ihre Macht an irgendeine Partei "delegieren"? Welche Rolle spielen die Massenaktionen der Arbeiter und welche massive Entwicklung des Bewußtseins ist für diese Revolution notwendig?

Im nachfolgenden veröffentlichen wir den 2. Teil eines Artikels aus dem Jahre 1920 von A. Pannekoek, wo er die Auffassungen der Sozialdemokratie von der Revolution verwirft und die Position der Kommunisten aufzeigt. Auch wenn Pannekoek nicht näher auf den eigentlichen Hintergrund der Entwicklung eingeht, nämlich den Wechsel vom aufsteigenden zum niedergehenden Kapitalismus, halten wir es dennoch für wichtig, diesen Text unverändert, aber leicht gekürzt zu veröffentlichen. Diese "Vernachlässigung" ist z.T. darauf zurückzuführen, daß der Text 1920 geschrieben wurde, als die Diskussion um die tiefergehenden theoretischen Ursachen wegen der aktuellen Ereignisse damals in den Hintergrund gedrängt wurde. Ungeachtet dieser Schwäche liefert der Artikel einen wichtigen Beitrag zur Geschichte der Arbeiterbewegung.

 

MASSENAKTION UND REVOLUTION

Der Gegensatz zwischen Kommunismus und Sozialdemokratie trat auch schon vor dem Kriege, wenn auch nicht unter diesem Namen auf. Er betraf damals die Taktik des Kampfes. Unter dem Namen "Linksradikale" trat damals in der Sozialdemokratie eine Opposition hervor (aus ihr stammen die älteren der heutigen Kommunisten), die gegenüber den Radikalen und den Revisionisten die Notwendigkeit der Massenaktion verfocht. In diesem Streite war es vor allem, in dem die radikalen Wortführer, namentlich Kautsky, den revolutionsfeindlichen Charakter ihrer Anschauungen und ihrer Taktik hervortreten lassen mußten.

Der parlamentarische und der gewerkschaftliche Kampf hatten unter dem kräftig emporstrebenden Kapitalismus den Arbeitern einige Verbesserungen ihrer Lebensverhältnisse gebracht und zugleich einen kräftigen Damm gegen die nie ruhenden Verelendungstendenzen des Kapitalismus gebaut. Aber in dem letzten Jahrzehnt gab dieser Damm trotz der stark wachsenden Organisation allmählich nach: der Imperialismus stärkte die Macht des Unternehmertums und des Militarismus, schwächte das Parlament, trieb die Gewerkschaften in die Defensive und bereitete den Weltkrieg vor. Es wurde klar, daß die alten Kampfmethoden nicht mehr ausreichten. Instinktiv empfanden das die Massen: in allen Ländern sieht man sie in Aktionen losbrechen, oft gegen den Willen ihrer Führer, bald in riesigen gewerkschaftlichen Kämpfen, bald in Verkehrsstreiks, die die Wirtschaft lähmen, bald in Demonstrationen politischen Charakters. Oft erschüttert der Ausbruch proletarischer Empörung und proletarischer Kraft die Selbstsicherheit der Bourgeoisie in solchem Maße, daß sie Zugeständnisse macht; oft auch werden die Bewegungen durch Metzeleien erstickt. Die sozialdemokratischen Führer suchen diese Aktionen auch für ihre politischen Ziele zu benutzen; sie erkennen die Nützlichkeit politischer Streiks für bestimmte Ziele an, bloß unter der Bedingung, daß sie sich innerhalb der vorgeschriebenen Schranken halten, auf Geheiß der Führer begonnen und abgebrochen werden, und jedenfalls der offiziellen Taktik dieser Führer untergeordnet bleiben. So werden sie bisweilen auch angewandt; aber meist ohne viel Resultat. Die stürmische Gewalt des Elementarausbruchs der Massen wird durch die Politik der Kompromisse, der er dienen soll, gelähmt. Was die herrschende Bourgeoisie sonst mit Furcht schlägt: die Unsicherheit, wie weit sich die Aktion zu einer revolutionären Bewegung entwickeln könnte, fehlte bei den "disziplinierten" Massenaktionen, deren Harmlosigkeit im Voraus angekündigt wurde.

Die revolutionären Marxisten, die späteren Kommunisten haben damals schon die Beschränktheit der herrschenden sozialdemokratischen Auffassung durchschaut. Sie sahen, daß während der ganzen Geschichte die Massen, die Klassen selbst die treibende und die aktive Kraft aller Umwälzungen waren. Die Revolutionen entstanden nie aus dem klugen Beschluß anerkannter Führer; wenn die Verhältnisse, wenn die Lage unerträglich geworden war, brachen die Massen aus irgendeinem Anlaß los, fegten die alten Gewalten weg und die neue, zur Herrschaft berufene Klasse oder Schicht gestaltete Staat oder Gesellschaft nach ihren Bedürfnissen um. Nur während des letzten halben Jahrhunderts ruhiger kapitalistischer Entwicklung konnte die Illusion aufkommen, die Führer, die einzelnen Personen, lenkten nach ihrer höheren Einsicht die Geschichte. Die Parlamentarier im Parlament, die Beamten der Zentralvorstände glauben, ihre Taten, Reden, Verhandlungen, Entscheidungen, bestimmen den Gang der Ereignisse; die Massen hinter ihnen sollen nur gelegentlich auftreten, wenn sie gerufen werden, den Worten der Wortführer Nachdruck zu verleihen, um dann wieder schleunigst von der politischen Bildfläche zu verschwinden. Die Masse habe bloß eine passive Rolle zu spielen, sie habe die Führer zu wählen, die dann als die aktive wirksame Kraft der Entwicklung handeln.

War diese Auffassung schon beschränkt im Hinblick auf die früheren Revolutionen in der Geschichte, so ist sie es noch mehr, wenn man den tiefen Unterschied zwischen einer bürgerlichen und einer proletarischen Revolution ins Auge faßt. In bürgerlichen Revolutionen trat die Volksmasse von Arbeitern und Kleinbürgern nur einmal auf (wie in Paris im Februar 1848) oder nur dann und wann, wie in der großen französischen Revolution, um das alte Königtum oder eine neue unhaltbare Gewalt, wie die der Girondisten zu stürzen. Hatten sie ihre Arbeit getan, dann traten als neue Männer, als neue Regierung, die Vertreter der Bourgeoisie auf, um die Staatsinstitute, die Verfassung, die Gesetze, umzugestalten und zu erneuern. Proletarische Massenkraft war nötig, um das alte zu stürzen, aber nicht um das neue aufzubauen, denn der Neuaufbau war die Organisation einer neuen Klassenherrschaft.

Nach diesem Muster dachten sich die radikalen Sozialdemokraten auch die proletarische Revolution - die sie - im Gegensatz zu den Reformisten - als notwendig voraussahen. Eine große Volkserhebung sollte die alte militärisch-absolutistische Herrschaft wegfegen, die Sozialdemokraten an die Spitze bringen, und dies würde dann das weitere besorgen und durch neue Gesetze den Sozialismus aufbauen. So dachten sie sich die proletarische Revolution. Aber diese Revolution ist etwas ganz anderes. Die proletarische Revolution ist die Befreiung der Massen aus aller Klassenherrschaft und Ausbeutung. Das bedeutet, daß sie selbst ihre Geschicke in die Hand nehmen, daß sie selbst Meister über ihre Arbeit sein müssen. Aus dem alten Geschlecht beschränkter Arbeitssklaven, die nur an sich denken und nichts weiter sehen als ihre Werkstatt, müssen neue Menschen werden, trotzig, kampfbereit, unabhängigen Geistes, von kräftiger Solidarität erfüllt, nicht mehr durch den schlauen Betrug der bürgerlichen Lehren zu verwirren, und fähig, selbständig die Arbeit zu regeln. Diese Umwandlung kann nicht nur durch einen einzigen Revolutionsakt zustande kommen; ein langer Prozeß des Kampfes ist nötig, in dem die Arbeiter durch Not und bittere Enttäuschungen, durch gelegentliche Siege und wiederholte Niederlagen allmählich die Kraft, die feste Einheit und die Reife zur Freiheit und Herrschaft gewinnen. Dieser Kampfprozeß ist die proletarische Revolution.

 

Wie lange dieser Prozeß dauern wird, ist nach Ländern und Umständen verschieden und hängt vor allem von der Widerstandskraft der herrschenden Klasse ab. Daß er in Rußland relativ rasch vollendet war, lag daran, daß die Bourgeoisie schwach war und durch ihr Bündnis mit dem Landadel die Bauern auf die Seite der Arbeiter trieb. Das große Machtinstitut der Bourgeoisie ist die Staatsgewalt, die gewaltige, feinverzweigte Organisation der Herrschaft mit allen ihren Machtmitteln: Gesetzgebung, Schule, Polizei, Justiz, Militär und der Bürokratie, die die Leitung aller Zweige des öffentlichen Lebens in die Hand nahm. Die Revolution ist der Kampf des Proletariats gegen diesen Machtapparat der herrschenden Klasse, und es kann seine Freiheit nur gewinnen, indem es der feindlichen Organisation eine stärkere, festere Organisation gegenüberstellt. Staatsgewalt und Bourgeoisie suchen die Arbeiter machtlos, zersplittert und zaghaft zu halten, jede erwachende Einheit durch Gewalt und Betrug zu brechen, in allen Aktionen ihre Kraft zu zermürben. Demgegenüber tritt die Arbeitermasse in Massenaktionen auf, deren Wirkung die Lähmung und Abbröckelung der staatlichen Organisation ist. Solange letztere intakt bleibt, kann das Proletariat nicht siegen, denn immer wieder wird es sie gegen sich auftreten sehen. Der Kampf muß also - wenn nicht die Welt im Kapitalismus zugrunde gehen soll - damit enden, daß schließlich unter den unaufhörlichen mächtigen Aktionen des Proletariats die bürokratische Staatsmaschinerie zermürbt wird und machtlos zusammenbricht...

(Der vollständige Text kann bei der IKS angefordert werden)

Weltrevolution Nr. 53

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Weltrevolution Nr. 54

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Diskussionsveranstaltung: Ist der Kommunismus möglich?

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 Am 25. Mai 1992 lud die IKS erneut zu einer öffentlichen Diskussionsveranstaltung nach Köln ein. Dieses Mal lautete das Thema: "Ist der Kommunismus möglich oder nicht?". Obwohl es sicherlich keine Massenveranstaltung war, zeugte die Tat­sache, daß relativ viele Leute aus den ver­schiedensten Orten dafür von weit her an­gereist waren, davon, daß bei ihnen die bürgerliche Lüge, derzufolge im zusam­mengebrochenen Osten der Kommunismus Schiffbruch erlitten habe, trotzdem nicht ankommt. Der Versuch, jeglichen Ansatz einer marxistischen Diskussion über eine klassenlose Gesellschaft zu überstimmen, gelingt bei ihnen nicht.

WARUM DER KOMMUNISMUS MÖGLICH IST

Das Einleitungsre­ferat der IKS zeigte auf, daß der Kommu­nismus keine Erfindung von Marx ist, sondern als Idee so alt ist wie die Klassen­gesellschaft selbst. Aber die Träume der ausgebeuteten Klassen von einer Welt ohne Ausbeutung waren nicht realisierbar, weil jahrtausendelang die wirtschaftliche Vorbedingung dafür, d.h. die Produktivität der menschlichen Arbeit, nicht aus­reichte. Wie der Marxismus aufzeigt, kann die Klassengesellschaft nur dadurch über­wunden werden, indem der Kampf ums Dasein durch die Überwindung des Man­gels und die Herstellung eines Überflusses an den lebensnotwendigen Dingen über­flüssig wird. Damit hat paradoxerweise erst der Kapitalismus die Voraussetzungen für den Kommunismus geschaffen. Dies sind vornehmlich zwei:

- die revolutionäre Steigerung der Produk­tivität

- sowie das Entstehen einer revolutio­nären, zugleich ausgebeuteten Klasse, das Proletariat - und dies auf Weltebene.

Erst der Kapitalismus schuf die Vorausset­zung einer kommunistischen Weltgesell­schaft, indem sie eine gegenseitige Abhän­gigkeit aller Weltteile voneinander herbei­führte. Und deshalb gehört es zu den er­sten Prinzipien des Marxismus, daß die kommunistische Revolution nur auf Weltebene siegen kann. Deshalb führte trotz der Machtergreifung der Arbeiter­klasse 1917 in Rußland vor allem die Nie­derlage der Weltrevolution (insbesondere das Scheitern der Ausdehnung nach Deutschland) notwendigerweise zur bür­gerlichen Konterrevolution innerhalb Rußlands und später auch international. Die Tatsache, daß diese Konterrevolution nicht von "Außen" kam (die gegen das Proletariat in Rußland einfallenden weißen Armeen wurden zurückgeworfen), sondern durch eine Entartung von Innen, unter Beibehaltung des Namens und der Sprache der Revolution, gibt der herrschenden Klasse heute die Möglichkeit, den Zu­sammenbruch des Stalinismus als das Scheitern des Kommunismus und des Marxismus schlechthin zu verkaufen. In Wirklichkeit war der Stalinismus der Hen­ker der kommunistischen Revolution. Und sein aufgrund der Isolation Rußlands un­vermeidbarer Sieg bestätigte in Wirklich­keit die These des Marxismus, daß die Revolution nur weltweit siegen kann. Heute, so wurde am Ende des Referates betont, gehört von daher die Verteidigung der Perspektive des Kommunismus gegen die Verleumdungen der Herrschenden zu den vorrangigsten Aufgaben der Marxi­sten.

In der anschließenden Diskussion be­merkte einer der Teilnehmer geradeheraus, er sei erstaunt darüber, daß man es heute überhaupt noch wagt, in der Öffentlichkeit über dieses Thema zu reden. Und er zwei­felte an dem Nutzen einer solchen Diskussion. Denn selbst wenn es stimmt, daß das Fiasko des Stalinismus den Kommunismus nicht trifft, so ist diese Gleichsetzung von Stalinismus und Kommunismus in den Köpfen fast aller Arbeiter der Welt heute so vollständig, daß diese Perspektive auf ewig abgeschrieben erscheint.

SOZIALISMUS ODER BARBAREI

Die Erwiderungen darauf bestritten kei­neswegs die gegenwärtigen Auswirkungen dieser antikommunistischen Kampagne in den Köpfen der Arbeiter. Es wurde aber entschieden bestritten, daß dadurch der Kommunismus und der Marxismus auf alle Ewigkeit hin erledigt seien. Zum einen wurde darauf hingewiesen, daß durch den Zusammenbruch des Ostens und dem da­mit verbundenen ideologischen Sieg des Kapitals der Klassenkampf keineswegs be­seitigt worden ist. Im Gegenteil: der Klas­senkampf besteht weiterhin als unaus­löschbarer Ausdruck des Gespaltenseins dieser Gesellschaft in einander feindlich gegenüberstehende Klassen. Mit der ge­genwärtigen Verschärfung der Krise des Kapitalismus können diese Klassengegen­sätze nur zunehmen. Damit wäre es aber mehr als verfrüht, den Marxismus endgül­tig abschreiben zu wollen. Denn der Mar­xismus ist die Theorie des Klassen­kampfes vom Standpunkt des Proletariats aus gesehen. Und der Kommunismus sei­nerseits als gesellschaftliches Ziel ist das Resultat der Existenz der Arbeiterklasse als eigenständige Klasse mit Interessen, welche innerhalb des Kapitalismus nicht erfüllt werden können. Zudem: egal wie die Arbeiter heute darüber denken, und egal ob sie den Stalinismus für ein Kind des Marxismus halten oder nicht, wird der Kapitalismus in seiner westlichen Spielart sich als ebenso bankrottes Gesellschaftssy­stem erweisen. Millionen von Arbeiter werden in den kommenden Jahren wahr­nehmen und begreifen müssen, daß der Kapitalismus gerade in seiner "klassischen" marktwirtschaftlichen Form nicht nur unfähig ist, die Probleme der Menschheit zu lösen, sondern nicht mal imstande ist, das Überleben der Mensch­heit zu sichern, sondern es immer mehr bedroht. Sobald diese Tatsache für die Masse der Arbeiter offensichtlich wird, wird auch die Notwendigkeit, Lösungen außerhalb des Systems zu suchen, zur Massenfrage. In Wahrheit ist es die Situa­tion des Kapitalismus selbst, welche die Frage des Kommunismus stellt, und nicht etwa eine Handvoll "ewig gestriger Marxi­sten". Die Frage nach einer Gesellschaft, die diese Barbarei überwindet, also eine neue Gesellschaft, d.h. der Kommunis­mus, ist das aktuellste und brennendste Thema der Menschheit überhaupt. Dies bleibt auch dann der Fall, wenn die mei­sten Arbeiter dies noch nicht erkannt ha­ben. Wie ein Teilnehmer anmerkte, geht es heute für die Menschheit um die Alter­native "Sozialismus oder Barbarei", "Weltrevolution oder Niedergang". Es gibt keine dritte Alternative.

NUR DER KOMMUNISMUS KANN DIE HEUTIGEN PROBLEME DER MENSCHHEIT LÖSEN

Bei einem anderen Teil der Diskussion ging es darum aufzuzeigen, daß der Kom­munismus nicht nur eine Notwendigkeit darstellt, sondern auch möglich ist. Das alte Argument, der Kommunismus sei nicht möglich, weil die Menschen "schlecht" und die Gesellschaft "zu kom­pliziert geworden" ist, feiert heute neue Triumphe. Auch hier stellt man gerne Strohpuppen auf, d.h. Argumente, die mit dem Marxismus nichts zu tun haben, um sie dann triumphierend umzuwerfen. Der Marxismus ist nämlich niemals davon aus­gegangen, daß die Menschen "von Grund auf gut" sind. Der Marxismus weiß sehr wohl, den Menschen in seiner Wider­sprüchlichkeit zu sehen. Und er weiß aus der Geschichte nur allzu gut, zu welchen Grausamkeiten die Gattung Mensch im­stande ist. Es war gerade das Verdienst von Marx, darauf hinzuweisen, daß es unmöglich ist, eine klassenlose Gesell­schaft durch Appelle an menschliche Güte herbeizuführen. Der Kommunismus kann nur dann zur Möglichkeit werden, wenn der Existenzkampf durch die Befreiung der Produktivkräfte von den Fesseln des Ka­pitalismus überflüssig und hinfällig wird. Ebenso wenig läßt der Marxismus die Komplexität der heutigen Gesellschaft au­ßer Acht. Und er will nicht diese Komple­xität abschaffen, sondern die Anarchie der kapitalistischen Marktgesetze. Als Beispiel für die Möglichkeit des Kommunismus heute wurde unter anderem das Beispiel Widerspruch zwischen Stadt und Land aufgeführt. Die Arbeitsteilung zwischen Stadt und Land ist eine der am frühesten in der Menschheitsgeschichte entstandenen Teilung. In der vorkapitalistischen Gesell­schaft war die Stadt der Herrschaft des Landes und der Agrarwirtschaft unterwor­fen. Erst der Kapitalismus hat dieses Ver­hältnis völlig umgekehrt. Durch die Zen­tralisierung der Produktion und durch die Konzentration der Produktionsmittel in Riesenfabriken und der Reichtümer der Gesellschaft in akkumulierendes Privatka­pital entstand die hochzentralisierte Welt von heute. Die Rohstoffe, Transportmittel, die Arbeitskräfte usw., alles wurde dort zusammengeballt, wo die kapitalistische Produktion stattfand. Aber dieser Fort­schritt hat neue, im Rahmen des Kapita­lismus schier unlösbare Probleme und Wi­dersprüche herbeigeführt. Dies sind unter anderem die Entstehung der Megastädte, der Massenverarmung auf dem Lande und die damit verbundene Landflucht, sowie die Entwicklung eines weltweit gespann­ten, aber immer anarchischer, auf die Umwelt sich verheerend auswirkendes Transportsystem.

Auf der Umweltmesse zur Umweltkonfe­renz von Rio werden gegenwärtig biologi­sche und ökologische Technik und Wis­senschaft vorgestellt, die es auf modernste Weise ermöglichen, auf höchster Produk­tivitätsstufe alle Bedürfnisse der Mensch­heit im Agrarbereich wieder direkt von Bauern, wie im Mittelalter, herstellen zu lassen. Dadurch kann nicht nur die Menschheit ohne Zerstörung der Umwelt ausreichend ernährt werden, sondern der Gegensatz zwischen Stadt und Land mit all seinen verheerenden Folgen aufgehoben werden. Aber wie diese Unternehmer sel­ber beklagen: sie kommen nicht zum Zuge, weil diese Umwandlung der Gesell­schaft von den mächtigen Kapitalinteressen abgewürgt wird. Während früher gerne die These von Marx, daß im Kommunismus der Gegensatz zwischen Stadt und Land aufgehoben werden muß, als schlagendster Beweis benutzt wurde, um zu behaupten, der "Mann sei ein wirklichkeitsfremder Träumer", stellt sich jetzt unleugbar her­aus, wer die wirklichen Utopisten sind. Es sind nämlich diejenigen, die diese und alle anderen brennenden Probleme der Menschheit INNERHALB des Kapitalis­mus glauben zu lösen können.

KOMMUNISMUS KANN NUR DAS WERK DER ARBEITERKLASSE SEIN

Gegen Ende des Treffens wurde folgende Frage "provokativ" an uns gerichtet: "Wenn ihr die Lösung habt, warum habt ihr dann keine größere Anhängerschaft?" Nun, die Kommunisten sind keine bürger­lichen Marktschreier, die nur zu verkün­den brauchen: "Wählt uns, damit wir eure Probleme für euch lösen können". Im Ge­genteil. Die Kommunisten verkünden sehr unbequeme Wahrheiten, welche die mei­sten nicht gerne hören möchten und viel­leicht gar erst mal abschrecken. Wir sa­gen: es gibt unmittelbar hier und heute keine Lösungen für die Probleme der Menschheit. Diese Probleme können in­nerhalb des bestehenden Systems über­haupt nicht gelöst werden. Kein einziges dieser Probleme kann im nationalen Rah­men gelöst werden. Mehr noch: die Kom­munisten haben zwar eine Perspektive zu verteidigen, aber sie haben keine Lösun­gen. Denn nur die Arbeiterklasse kann diese gigantische Aufgabe der Umwand­lung der Gesellschaft in Angriff nehmen. Und weil die Arbeiterklasse keine wirt­schaftliche Macht innerhalb dieser Gesell­schaft besitzt, kann die Lösung der Pro­bleme auch nur beginnen durch die welt­weite Machtergreifung durch die Arbeiter­räte. Der wissenschaftliche Sozialismus, im Gegensatz zum vormarxistischen utopi­schen Sozialismus hält überhaupt nichts von ausgetüftelten Projekten, wie die Zu­kunftsgesellschaft auszusehen habe. Der Kommunismus, wie Engels sagte, ist die "Lehre von der Befreiung des Proleta­riats". Deshalb waren wir auch nicht ein­verstanden mit einem in der Diskussion aufgekommenen Vorschlag, daß wir uns zuerst darauf zu einigen haben, wie diese Zukunftsgesellschaft auszusehen hat. Richtig an dieser Sorge war natürlich die Vorrangigkeit, inhaltliche Fragen zu klä­ren. Aber das Ziel des Kommunismus können wir nur in den groben Zügen, so­zusagen negativ definieren. D.h. als Ab­grenzung gegenüber dem, was es nicht ist, oder keinesfalls sein darf - z.B. der Stali­nismus, d.h. Staatskapitalismus wie in der ehemaligen UdSSR. Aber der Kommunis­mus kann nur das Werk der Arbeitermas­sen sein. Er kann nur entstehen durch die Kreativität und kollektive Mitarbeit von Millionen und Abermillionen. Von daher - wie auch bei dieser Veranstaltung - ist die Frage des Kommunismus untrennbar mit einem anderen Grundsatz des Marxismus verbunden, daß die Arbeiterklasse heute noch die revolutionäre Kraft in dieser Ge­sellschaft darstellt.

DIE AUFGABEN DER KOMMUNISTEN

Am Ende wurde auch die Frage nach dem Zweck dieser Diskussion gestellt. Und wofür müssen es denn überhaupt Kommu­nisten geben? Wie oben aufgezeigt, wird notwendigerweise durch den Zusammen­bruch des Kapitalismus die Frage nach ei­nem Ausweg sich stellen müssen, welche über den Kapitalismus hinausführt. Aber diese Frage bedeutet keineswegs, daß automatisch auch eine Antwort darauf ge­funden werden könne. Es besteht die Ge­fahr, daß die Arbeiterklasse im entschei­denden Augenblick nicht in der Lage sein mag, eine Alternative zum Kapitalismus finden zu können. Und ein solches Versa­gen müßte aufs engste damit zusammen­hängen, daß die Perspektive des Kommu­nismus und des Marxismus durch die bür­gerliche Gleichsetzung mit dem Stalinis­mus zu stark in Mißkredit geraten ist. Von daher wird es für die Menschheit lebens­notwendig sein, daß es in einer solchen Situation Marxisten gibt, die gegenüber dem Suchen der Millionen von Arbeitern in der Lage sein werden, die Perspektive des Kommunismus deutlich und überzeu­gend verteidigen zu können. Um uns auf diese Aufgabe vorzubereiten, dazu dienen Auseinandersetzungen wie bei dieser Dis­kussionsveranstaltung.

Was ist der historische Materialismus

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 WIEDERVERÖFFENTLICHUNG

Wie kann man das, was in der Welt vor sich geht, analysieren und begreifen? Ist die Methode, die uns die bürgerliche "Wissenschaft" lehrt, dazu hilfreich? Gehört der Marxismus auf den Misthaufen der Geschichte, wie uns eingeflößt werden soll? In unserer Zeitung wollen wir unsere Leser mit den Grundbegriffen des Marxismus und der Arbeiterbewegung vertraut machen, um aufzuzeigen, daß sie ein unabdingbares Instrument für die Analyse der Welt bleiben. Nachfolgend bringen wir einen Text in unveränderter Form, der 1909 zum ersten Mal veröffentlicht wurde, und der unserer Meinung nach einen wertvollen Beitrag zum Begreifen der Geschichte liefert.

WAS IST DER HISTORISCHE MA­TERIALISMUS?

von Hermann Gorter

Für jeden, der das gesellschaftliche Leben um sich herum beobachtet, ist es klar, daß die Mitglieder der Gesellschaft in be­stimmten Verhältnissen zueinander leben. Gesellschaftlich sind sie zu einander nicht gleich, sondern sie stehen auf höherer und niederer Stufe und in Gruppen und Klas­sen einander gegenüber. Der oberflächli­che Zuschauer könnte meinen, daß diese Verhältnisse nur Eigentumsverhältnisse seien: die einen besitzen Grund und Bo­den, die anderen Fabriken oder Produkti­onsmittel oder zum Verkauf bestimmte Waren, andere besitzen nichts. Der ober­flächliche Zuschauer könnte auch meinen, daß der Unterschied hauptsächlich ein po­litischer sei; einige Gruppen verfügen über die Staatsgewalt, andere haben dar­auf keinen oder fast keinen Einfluß. Wer aber tiefer blickt, bemerkt, daß hinter den Eigentums- und politischen Verhältnissen Produktionsverhältnisse stecken, das heißt, Verhältnisse, worin die Menschen zueinander stehen beim Produzieren des­sen, was die Gesellschaft braucht.

Arbeiter, Unternehmer, Reeder, Rentiers, Großgrundbesitzer, Pächter, Großhändler und Krämer, sie sind es, was sie sind, durch den Platz, den sie im Produktions­prozeß, in der Bearbeitung und der Zir­kulation der Produkte einnehmen. Dieser Unterschied ist noch tiefer als der, daß der eine Geld hat oder der andere keins. Die Verarbeitung der Naturschätze ist ja die Grundlage der Gesellschaft. Wir ste­hen zueinander in Arbeits-, in Produkti­onsverhältnissen.

Worauf stützen sich nun diese Arbeitsver­hältnisse? Schweben die Menschen als Kapitalisten und Arbeiter, Großgrundbe­sitzer, Pächter und Tagelöhner, und wie all die anderen Arten von Mitgliedern der Gesellschaft sonst noch heißen mögen, nur so in der Luft? Nein, sie stützen sich auf die Technik, auf die Werkzeuge, wo­mit sie in der Erde, in der Natur arbeiten. Die Industriellen und die Proletarier stüt­zen sich auf die Maschine, sind von der Maschine abhängig. Wenn es keine Ma­schinen gäbe, so gäbe es auch keine Indu­striellen und keine Proletarier, jedenfalls nicht solche, wie jetzt. Der einfache Web­stuhl erzeugte die Arbeit im Hause durch die eigene Familie, der zugesetzte höl­zerne Webstuhl erzeugte eine Gesellschaft mit kleinen Meistern und Gesellen, die große durch Dampf oder Elektrizität ge­triebene eiserne Webmaschine eine Ge­sellschaft mit Großindustriellen, Aktio­nären, Direktoren, Bankiers und Lohnar­beitern. Die Produktionsverhältnisse schweben nicht wie Rauch - oder Dunst­streifen in der Luft, sie bilden feste Rah­men, worin die Menschen gefaßt sind. Der Produktionsprozeß ist ein materieller Prozeß, die Werkzeuge sind wie die Eck- und Stützpunkte der Rahmen, worin wir stehen.

Die Technik, die Werkzeuge, die Produk­tivkräfte sind der Unterbau der Gesell­schaft, die eigentliche Grundlage, worauf sich der ganze riesenhafte und so verwic­kelte Organismus der Gesellschaft erhebt. Die nämlichen Menschen jedoch, die ihre gesellschaftlichen Verhältnisse nach ihrer materiellen Produktionsweise bilden, bil­den auch nach diesen Verhältnissen ihre Ideen, ihre Vorstellungen, ihre Anschau­ungen, ihre Grundsätze. Die Kapitalisten, die Arbeiter und die anderen Klassen, die durch die Technik der Gesellschaft, worin sie leben, gezwungen werden, in be­stimmten Verhältnissen- als Meister oder Knecht, Eigentümer und Besitzloser, Grundbesitzer, Pächter, Tagelöhner - zu­einander stehen die nämlichen Kapitalisten und Arbeiter usw. denken auch als Kapi­talisten, Arbeiter usw. Sie bilden ihre Ideen, ihre Vorstellungen nicht als ab­strakte Wesen, sondern als die sehr kon­kreten, wirklichen lebendigen Menschen, die sie sind, als gesellschaftliche, in einer bestimmten Gesellschaft lebende Men­schen. Also nicht nur unsere materiellen Verhältnisse hängen von der Technik ab, stützen sich auf die Arbeiter, auf die Pro­duktivkräfte, sondern da wir innerhalb unserer materiellen Verhältnisse und unter diesen Verhältnissen denken, hängen auch unsere Gedanken unmittelbar von diesen Verhältnissen und also mittelbar von den Produktivkräften ab.

Das moderne gesellschaftliche Sein des modernen Proletariers ist von der Ma­schine geschaffen worden. Seine gesell­schaftlichen Gedanken, die dem Verhält­nis entspringen, worin er als Proletarier steht, stützen sich also mittelbar auf das moderne Maschinenwesen, hängen direkt davon ab. Und so ist es mit allen Klassen der Gesellschaft. Denn die Verhältnisse, worin einzelne Menschen zueinander ste­hen, gelten nicht für sie allein. Gesell­schaftlich steht der Mensch nicht in einer besonderen, nur ihm eigenen Beziehung zu anderen; er hat viele seinesgleichen, die in genau demselben Verhältnis zu an­deren stehen. Ein Arbeiter- um bei diesem Beispiele zu bleiben - steht nicht allein als Lohnarbeiter anderen Menschen gegen­über, er ist einer von vielen, er ist Mit­glieder einer Klasse von Millionen, die sich als Lohnarbeiter in der nämlichen Lage befinden wie er. Und so ist es mit jedem Menschen in der zivilisierten Welt. Jeder gehört zu einer Gruppe, einer Klasse, deren Mitglieder sich zum Pro­duktionsprozeß in der nämlichen Weise verhalten. Es ist also nicht nur wahr, daß ein Arbeiter, ein Kapitalist, ein Bauer usw. gesellschaftlich so denken wird, wie die Arbeitsverhältnisse ihn denken ma­chen, sondern seine Anschauungen, seine Ideen, seine Vorstellungen werden in all­gemeinen Zügen übereinstimmen mit denen von Hunderttausenden anderer, die sich in derselben Lage wie er befinden. Es gibt ein Klassendenken, wie es auch eine Klassenstellung im Arbeitsprozeß gibt.

Die Form, worin die Arbeitsverhältnisse der verschiedenen Klassen, der Kapitali­sten, der Unternehmer, der Arbeiter usw. ans Licht treten, ist in der kapitalistischen und im allgemeinen in der in Klassen ge­spaltenen Gesellschaft zugleich ein Ei­gentumsverhältnis. Kapitalisten, Kauf­leute, Lohnarbeiter, Bauern habe nicht nur in der Produktion eine ihnen eigen­tümliche Stellung inne, sondern auch in dem Besitz, in dem Eigentum. Der divi­dendeneinstreichende Aktionär spielt im Produktionsprozeß nicht nur die Rolle des Geldleihers und des Schmarotzers, son­dern er ist auch Miteigentümer der Unter­nehmung, der Produktionsmittel, des Grundstücks, der Werkzeuge, der Roh­stoffe, der Produkte. Der Kaufmann ist nicht nur Austauscher, Zwischenperson, sondern auch Besitzer der Kaufwaren und des Handelsgewinns. Der Arbeiter ist nicht nur der Verfertiger von Gütern, sondern auch Besitzer seiner jedesmal von ihm verkauften Arbeitskraft und des dafür erhaltenen Preises. Mit anderen Worten, Arbeitsverhältnisse sind in einer Gesell­schaft, die in Klassen geteilt ist, zugleich Eigentumsverhältnisse.

Nicht immer war das so. In der primitiven kommunistischen Gesellschaft waren Grund und Boden, das gemeinschaftlich gebaute Hause, die Viehherden, kurz, die hauptsächlichsten Produktionsmittel, ge­meinschaftliches Eigentum. Man verrich­tete die hauptsächlichsten gesellschaftli­chen Arbeiten zusammen; man war, abge­sehen von dem Unterschied in Geschlecht und Alter, im Produktionsprozeß einander gleich, und im Eigentum gab es keinen oder nur einen geringen Unterschied. Nachdem aber die Arbeitsteilung so groß geworden war, daß besondere Berufsarten entstanden, und nachdem durch bessere Technik und Arbeitsteilung ein Überschuß über das für das Leben direkt Notwendige produziert wurde, wußten einige durch Wissen oder Streitbarkeit hervorragende Berufe, wie Priester oder Krieger, sich diesen Überschuß und schließlich auch die Produktionsmittel anzueignen. So sind die Klassen entstanden und ist das Privatei­gentum die Form geworden, worin die Arbeitsverhältnisse ans Licht treten.

Durch die Entwicklung der Technik und durch die Teilung der Arbeit sind also die Klassen entstanden, Klassenverhältnisse und Eigentumsverhältnisse beruhen auf der Arbeit. Durch die Entwicklung der Technik, die einige Berufe in den Stand setzte, sich der Produktionsmittel zu be­mächtigen, entstanden Besitzende und Be­sitzlose und wurde die große Menge des Volkes zu Sklaven, Leibeigenen, Lohnar­beitern. Und der Überschuß, den die Technik, die Arbeit über das unmittelbar Notwendige hinaus erzeugt, ist immer größer geworden und immer schroffer wurde also der Klassengegensatz zu den Besitzlosen. In gleichem Maße wuchs also auch der Klassenkampf, der Kampf, den die Klassen um den Besitz der Produkte und der Produktionsmittel führen, und so wurde es zur allgemeinen Form des Kampfes ums Dasein der Menschen in der Gesellschaft. Die Arbeitsverhältnisse sind Eigentumsverhältnisse, und Eigentums­verhältnisse sind Verhältnisse der mitein­ander kämpfenden Klassen: und alle zu­sammen beruhen sie auf der Entwicklung der Arbeit, gehen sie hervor aus dem Ar­beitsprozeß aus der Technik.

Aber die Technik steht nicht still. Sie ist in einer rascheren oder langsameren Ent­wicklung und Bewegung begriffen, die Produktivkräfte wachsen, die Produkti­onsweise ändert sich. Und wenn die Pro­duktionsweise sich ändert, müssen sich notwendig auch die Verhältnisse ändern, worin die Menschen im Arbeitsprozeß zu­einander stehen. Das Verhältnis der frühe­ren kleinen Meister zueinander und zu ih­ren Gesellen ist ein ganz anderes, als jetzt das Verhältnis der großen Unternehmer zueinander und zu dem Lohnproletariat. Die maschinenmäßige Produktion hat eine Änderung der alten Verhältnisse bewirkt. Und da in einer Klassengesellschaft Pro­duktionsverhältnisse zugleich Eigentums­verhältnisse sind, werden mit den ersten auch die zweiten umgewälzt. Und da die Anschauungen, Vorstellungen, Ideen, usw. sich bilden innerhalb der Verhält­nisse und nach den Verhältnissen, worin die Menschen leben, ändert sich ihr Be­wußtsein auch, wenn die Arbeit, die Pro­duktion und das Eigentum sich ändern: Arbeit und Denken sind in fortwährender Änderung und Entwicklung begriffen: "Der Menschen verändert, indem er durch seine Arbeit die Natur verändert, zugleich seine eigene Natur". Die Produktions­weise des materiellen Lebens bedingt das ganze gesellschaftliche Leben. "Es ist nicht das Bewußtsein der Menschen, das ihr Sein, sondern umgekehrt ihr gesell­schaftliches Sein, das ihr Bewußtsein be­stimmt".

Aber auf einer gewissen Stufe ihrer Ent­wicklung geraten die materiellen Produk­tivkräfte der Gesellschaft in Widerspruch mit den vorhandenen Produktions- und Eigentumsverhältnissen. Innerhalb der alten Verhältnisse können sich die neuen Produktivkräfte nicht entwickeln, sich nicht ausleben. Dann erhebt sich ein Kampf zwischen denen, die an den alten Produktions- und Eigentumsverhältnissen interessiert sind, und denen, die ein Inter­esse an der Entwicklung der neuen Pro­duktivkräfte haben. Es tritt eine Epoche sozialer Revolution ein, bis die neuen Produktivkräfte den Sieg erringen und die neuen Produktions- und Eigentumsver­hältnisse entstanden sind, innerhalb deren sie blühen können. Und durch diese Re­volution ändert sich auch das Denken der Menschen, es ändert sich mit ihr und in ihr.

Dies ist kurzgefaßt der Inhalt unserer Lehre. In anschaulicher Darstellung kann man sie in folgender Weise noch einmal übersehen:

1) Die Technik, die Produktivkräfte bil­den die Basis der Gesellschaft. Die Pro­duktivkräfte bestimmten die Produktions­verhältnisse, die Verhältnisse, worin die Menschen im Produktionsprozeß einander gegenüberstehen. Die Produktionsverhält­nisse sind zugleich Eigentumsverhältnisse. Die Produktions- und Eigentumsverhält­nisse sind nicht nur Verhältnisse von Per­sonen, sondern von Klassen. Diese Klas­sen-, Eigentums- und Produktionsverhält­nisse (mit anderen Worten das gesell­schaftliche Sein) bestimmen das Bewußt­sein der Menschen, d.h. ihre Anschauun­gen über das Recht, Politik, Moral, Reli­gion, Philosophie, Kunst. usw.

2) Die Technik entwickelt sich fortwäh­rend. Die Produktivkräfte, die Produkti­onsweise, die Produktionsverhältnisse, die Eigentums-, die Klassenverhältnisse än­dern sich demnach ununterbrochen. Das Bewußtsein der Menschen, ihre Anschau­ungen und Vorstellungen über Recht, Po­litik, Moral, Religion usw. ändern sich also auch mit den Produktionsverhältnis­sen mit den Produktivkräften.

3) Die neue Technik gerät auf einer ge­wissen Stufe ihrer Entwicklung in Wider­spruch mit den alten Produktions- und Ei­gentumsverhältnissen.

Schließlich siegt die neue Technik. Der ökonomische Kampf zwischen den kon­servativen Schichten, die an den alten Formen, und den fortschrittlichen Schichten, die an den neuen Kräften inter­essiert sind, kommt ihnen in juristischen, politischen, religiösen, philosophischen und künstlerischen Formen zum Bewußt­sein.

(aus Gorter, Der historische Materialis­mus, Berlin 1909).


Weltrevolution Nr. 55

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Konferenz von Rio: Kein Überleben der Menschheit ohne Zerstörung des Kapitalismus

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 Viele meinen, daß nach der Konferenz von Rio dort das Todesurteil für die Erde, wahrscheinlich für die Menschheit mit gefällt wurde. Wem ist nicht wieder ein­mal deutlich geworden, daß die Politiker, alle Regierungen der Welt unfähig sind, das Überleben der Menschheit zu si­chern? Die getroffenen Entscheidungen - sie sind ein blanker Hohn in Anbetracht dessen, was eigentlich unternommen wer­den müßte. Die meisten Entscheidungen sind bekannt; wir wollen sie hier aus Platzgründen nicht weiter aufführen. Und wieder einmal soll alles übers Geld gere­gelt werden. Kein Zufall, daß bei den meisten von uns jetzt das Gefühl auf­kommt, der ganzen Umweltzerstörung hilflos ausgeliefert zu sein, machtlos mit ansehen zu müssen, wie das Todesurteil auf Raten vollstreckt wird.

Wir aber sagen: Man durfte und konnte von Rio nichts anderes erwarten. Die dort versammelten Politiker konnten nichts anderes machen als das, nämlich weiter unter dem Deckmantel von Beschlüssen des Schutzes der Umwelt zur Zerstörung unserer Lebensgrundlagen beizutragen. Warum aber konnte man nichts anderes erwarten? Was sind die Ursachen für die Zerstörung der Natur und was muß wirk­lich getan werden? Dies wollen wir im nachfolgenden aufzuzeigen versuchen.

Während in den früheren Gesellschaften (Urgeschichte, Sklavengesellschaft) zwar meist ein Sinn für die Aufrechterhaltung der Naturbedingungen vorhanden war und es zu den einfachsten Überlebensin­stinkten gehörte, diese weitgehend zu schützen, wurde seit dem Feudalismus auch oft räuberisch und rücksichtslos gegenüber der Natur vorgegangen. Aber erst mit dem Kapitalismus trat eine neue Stufe bei der Zerstörung der Grundlagen der Natur ein. Denn während früher die Menschen zunächst Gebrauchsgegen­stände nur für ihren persönlichen Bedarf und erst später Waren für einen kleinen Markt produzierten (die Technik und der Markt dementsprechend wenig entwickelt waren), und die Zerstörung der Natur sich dabei in Grenzen hielt, änderte sich das mit dem Kapitalismus grundsätzlich.

Denn der Kapitalismus muß nämlich auf­grund seiner ihm innewohnenden Gesetze seine Produktion ständig ausdehnen. Für ihn gilt nur eins: akkumulieren, expan­dieren, verkaufen.

Der triumphale Einzug der industriellen Revolution und die damit verbundene Massenproduktion, dahinter liegend die Akkumulationsbedürfnisse des Kapitals, ließen einen riesigen Durst nach neuen Absatzmärkten aufkommen. Das Kapital mußte eine Jagd nach Märkten in alle Ge­biete der Erde antreten. So nahm während der aufsteigenden Phase des Kapitalis­mus, d.h. vom Ende des Mittelalters bis hin zum Anfang dieses Jahrhunderts, während der er für eine gigantische Ent­wicklung der Produktivkräfte sorgte, die rücksichtslose Ausbeutung und Zerstö­rung der Natur zwar schon neue, massive Ausmaße an, aber sie bedrohte noch nicht das Überleben der Menschheit selbst.

Erst als das System in sein Niedergangs­stadium mit dem 1. Weltkrieg eintrat, er­reichten auch die Zerstörung und Verwü­stung eine neue qualitative und quantitative Stufe. Seitdem bekämpfen sich nämlich alle kapitalistischen Nationen auf einem gesättigten Weltmarkt, bei dem die Rü­stungsindustrie mit der damit verbun­denen Schwerindustrie im Vordergrund stand. Und in dieser Entwicklung gibt es im Kapitalismus kein Zurück - entweder im Konkurrenzkampf alle Kosten drüc­ken, - d.h. Verwüstung und Zerstörung zum Überlebensmotto zu machen -, oder als Verlierer aus diesem Kampf hervorge­hen.

Auf diesem Hintergrund treten nun die Grünen auf den Plan, die eine Lösung in­nerhalb des Kapitalismus anbieten, wo mittels einiger Reformen eine Eindäm­mung der Umweltzerstörung und Arten­schutz usw. möglich sei. Dabei muß aber für jeden deutlich werden, daß der größte Killer der Umwelt- und Überlebensbe­dingungen die kapitalistische Produkti­onsweise selber ist. Warum?


DIE NATUR AUF DEM ALTAR DES PROFITS GEOPFERT

Der Kapitalismus ist ausschließlich auf Profit ausgerichtet. Ein Kapitalist läßt nur dann und dort produzieren, wenn für ihn als einzelnen Unternehmer Profit raus­springt. Welches Produkt er herstellen läßt, wie es aussieht, wo es produziert wird, all das richtet sich nur nach einem Gesichtspunkt - ob es für den Unterneh­mer lukrativ ist, die Produktion gewinn­bringend zu betreiben. Ob das Produkt (seine Erstellung und seine Verwendung, ggf. Wiederverwertung) mit den Gege­benheiten der Natur in Einklang gebracht werden kann, ob es den Interessen der Menschheit entspricht, ob es deren Ge­sundheit schädigt oder nicht, all das ist für den Kapitalisten belanglos. Er läßt halt nur eine Ware produzieren - und da ist für ihn nur von Interesse, ob er seine Waren absetzen kann... ob das jetzt Le­bensmittel, Möbel oder Panzer sind.

Die Art der Produktion, ob und wieviele Rohstoffe dabei eingesetzt werden, wie schädigend und gefährdend die Produktion oder der Konsum, bzw. Verwendung für den Menschen ist (ob für Lunge, Haut, Herz, Kreislauf, Ohren usw.), ob dies tagsüber oder nachts produziert oder ver­wendet wird, ob dafür Fließbänder laufen oder wieviel Transportaufwand darin­steckt, ob bei der Produktion und bei der Nutzung und Weiterverwendung Luft, Boden, Wasser usw. verschmutzt wird, alles spielt für den Kapitalisten keine wirkliche Rolle, wird gar billigend und rücksichtslos in kauf genommen. Denn egal, was schließlich aus dem Produkt wird, wo es schließlich landet, wie es "verwertet" wird, darüber braucht er sich nicht den Kopf zu zerbrechen. Er hat die Freiheit! Denn sobald der Unternehmer für seine Ware das Geld einkassiert hat, ist für ihn die Sache erledigt. Dreck und Müll, Schrott und Zerstörung - landen bei und treffen die Gesellschaft. Es wurde für den einzelnen Unternehmer Reibach ge­macht. Das ist es, was zählt und nichts anderes! Was kümmert es die Autoindu­strie, daß die PKWs und LKWs giftige Gase ausstoßen, was schert es die Rü­stungsindustrie, daß ihre Waffen syste­matisch Menschen morden und nur zur Zerstörung dienen, was sorgt sich die chemische Industrie um die Auswirkun­gen der Düngemittel in der Landwirt­schaft und den damit verbundenen Kreis­läufen. Das Interesse eines einzelnen Un­ternehmers ist erst einmal befriedigt.

Das Ergebnis für die Gesellschaft: Chaos, Anarchie, Zerstörung der Natur, Ver­schmutzung, Verwüstung, Gesundheit der Menschen beschädigt, gar ruiniert - ohne Bedeutung für den Unternehmer.

ZWEI TODFEINDE: DIE BEDÜRF­NISSE DER MENSCHHEIT UND DIE DES KAPITALS

Und hier sind wir beim Grundübel, bei der Wurzel der rücksichtslosen Zerstö­rung der Natur, der Lebensgrundlagen der Menschen angelangt: der Wider­spruch zwischen den Interessen eines Unternehmens und den Bedürfnissen der Gesellschaft.

Weil der Kapitalist sich einen Dreck schert um die Bedürfnisse der Gesell­schaft, weil im Kapitalismus nur Waren hergestellt werden, aber nicht überprüft wird, ob es auch nützliche Sachen sind (Gebrauchswert!), weil im Konkur­renzkampf alles auf dem Altar des Profits geopfert wird, "erntet" die Gesellschaft die Resultate dieser Interessenskollision zwischen Kapital und Gesellschaft: Chaos, rücksichtslose Zerstörung, Raub­bau an allen Ressourcen der Erde - von den Rohstoffen über Luft und Wasser bis hin zum Menschen selbst.

Der einzelne Bauer, der im Konkurrenz­kampf entsprechend billig produzieren muß, fragt nicht nach den Auswirkungen der Düngemittel für den Menschen; für ihn steigt der Ernteertrag. Welche lang­fristigen Wirkungen die Gülle in der Landwirtschaft und den Wasserhaushalt hat - interessiert ihn auch nicht; es gibt nur ein kurzfristiges Interesse... Profit einheimsen.

Daß in diesem Konkurrenzkampf dann auch noch der Staat die einzelnen Unter­nehmer gegenüber anderen internationa­len Konkurrenten unterstützt, ist nicht der Gipfel der Absurdität, sondern nur ein normaler Bestandteil des gesellschaftli­chen Wahnsinns - des mörderischen Kur­ses der Zerstörung der Menschheit. So "protegiert" der Staat die Diesel-fahren­den LKW, wohlwissend, daß Diesel krebserregend wirkt; aber der Staat im Dienst des Kapitals muß den Unterneh­mern den Transport möglichst billig an­bieten - und da müssen halt Diesel-Sub­ventionen an den LKW-Transportbereich bezahlt werden. Die Gesundheit ist das Geringste, was auf dem Opfertisch des Profits geopfert werden kann...

Solange jedenfalls dieses Grundübel, diese Quelle, die all die Zerstörung und Verpestung ausspuckt, die kapitalistische Produktionsform nicht beseitigt ist, wird die Natur und damit die Menschheit wei­ter ins Verderben gestürzt. Solange diese Wurzel - die kapitalistische Produktions­form - nicht beseitigt, wird dieses Un­kraut immer weiter wachsen.

Dieser grundsätzliche menschen- und na­turverachtende Charakter der kapitalisti­schen Produktion muß jedem deutlich vor Augen treten.

Wenn man sich dieser Prinzipien des Ka­pitalismus vergegenwärtigt, muß man se­hen, auf welchem Hintergrund der Gipfel in Rio stattfand. Nach 150 Jahren kapita­listischer "Entwicklung" ist die sog. 3. Welt völlig bankrott und zum ständigen Krüppel geschlagen. Weltweit tobt ein mörderischer Handelskrieg, bei dem sich gerade die großen Industriestaaten an der Kehle liegen. Deshalb müssen Länder mit irgendwelchen Rohstoffvorkommen oder anderen Naturschätzen - wie Regenwäl­dern - diese als Waffen im Wirtschafts­krieg gegen andere Nationen ansehen und einsetzen. Für Länder wie Brasilien, die Philippinen usw. ist es nur allzu logisch, daß sie - von Zinsen erdrückt und ohne Chance auf dem Weltmarkt - bei diesem Überlebenskampf im kapitalistischen Dschungel versuchen müssen, ihre Re­genwälder abzuholzen, um zu Geld mit Holz oder anderen Stoffen dieser Art zu kommen (tatsächlich stecken oft große Multis dahinter, und hinter diesen wie­derum die großen Industriestaaten). Wäh­rend die Politiker von "Zusammenarbeit" sprechen, stechen sie sich in Wirklichkeit alle bei diesem Konkurrenzkampf Messer in den Rücken. In der gegenwärtigen Zer­fallsphase des Kapitalismus muß jede Na­tion mehr als je zuvor sich um ihr "eigenes Schicksal" kümmern. Auf die­sem Hintergrund werden diese lebens­wichtigen Fragen wie Umweltzerstörung, Abfallwirtschaft usw. nicht durch "globale Zusammenarbeit" gelöst werden, sondern der Zusammenstoß zwischen den Staaten, der Konkurrenzkampf bis hin zum Krieg, - wie der Golfkrieg mit sei­nen Zerstörungen bewies - wird all diese Probleme nicht nur nicht lösen, sondern vielmehr nur noch zuspitzen.

DIE ZUKUNFT IM KAPITALISMUS: ESKALATION DER ZERSTÖRUNG BIS HIN ZUR VERNICHTUNG DER MENSCHHEIT

Die Eskalation der Zerstörung, der Ver­nichtung unserer Lebensgrundlagen ist also nur weiter vorprogrammiert. Anstatt auf mehr Kooperation, auf Einsicht und dergleichen mehr seitens der Regierungen zu hoffen, müssen wir vielmehr mit noch mehr Zerstörung, rücksichtslosem Vor­gehen gegenüber der Menschheit rechnen!

Auf diesem Hintergrund ist es illusorisch, irgendeine Lösung von den Staatsmän­nern zu erwarten. Das hieße den Mafia­bossen sich anzuvertrauen, um einen Kampf gegen die Mafia zu erwarten.

Viele Leute sagen aber jetzt, man müsse - weil die Politiker unfähig sind, irgendet­was globales auszurichten - bei sich selbst, d.h. im kleinen anfangen, etwas zu tun. Wir haben uns in einem anderen Artikel mit diesem "Ansatzpunkt" ausein­andergesetzt. Wollen deshalb an dieser Stelle nur sagen, daß der Kern des Pro­blems getroffen werden muß, und der liegt in der Funktionsweise der kapitali­stischen Gesellschaft mit ihrer anarchi­schen, von der Konkurrenz geprägten Produktionsform und der damit verbun­denen militärisch-industriellen-politischen Infrastruktur.

Nein, die einzige wirklich an der Wurzel des Problems angreifende Lösung ist die Erkenntnis, daß die Erde nicht gerettet werden kann mit Hilfe der Politiker oder "im kleinen Rahmen". Das Überleben der Menschheit kann nur gesichert werden, indem diese kapitalistische Gesellschaft aus der Welt geschafft wird und eine neue, nicht nach Profit orientierte Gesell­schaft aufgebaut wird. Dieses Systems muß als solches über Bord geworfen wer­den. Nichts geringeres als das.

Und es steht fest - solange dies nicht ge­schieht, läuft uns die Zeit davon.

Immer mehr wird zerstört werden. Der Kapitalismus wird uns neben der Zerstö­rung der Lebensgrundlagen der Natur (Stichwort Ozonloch, Treibhauseffekt, Wasserverschmutzung-, -mangel usw.), eine ganze Horrorshow präsentieren, von der wir schon einige Ausschnitt erleben: Kriege, Flüchtlingswellen, nationalisti­sche Explosionen, nukleare fall-outs, usw...

Deshalb kann die Lösung eben nur glo­bal, weltumfassend, weltweit sein, indem halt die Strukturen, die Wurzeln dieser Gesellschaft selbst ausgerissen- und durch eine neue Gesellschaft ersetzt werden. D.h. eine weltweite, eine die Gesellschaft umwälzende Lösung - kurzum eine Welt­revolution. Dav Juli 1992


Theoretische Fragen: 

  • Umwelt [1]

Welche Vorstellungen vom Kommunismus

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Immer wenn wir mit Leuten ins Gespräch kommen, sei es beim Verkauf unserer Zeitung, oder bei Gesprächen unter Kol­legen oder sonstwo, wenn heiß diskutiert wird, wie z.B. bei unseren öffentlichen Diskussionsveranstaltungen, jedes Mal wenn wir sagen, daß wir Kommunisten sind, folgt meist die Frage: "wie stellt ihr euch den Kommunismus denn eigentlich konkret vor?" Und zunächst geraten wir natürlich in etwas Verlegenheit, denn es gibt keine Vorzeigemodelle, keine Region, auf die wir hinweisen können, um zu ver­deutlichen, was uns vom Kommunismus überzeugt hat. Also erscheint unser Pro­gramm, der Kommunismus, schon mal als eine vage, nicht überzeugende Aussage. Zudem haben alle bürgerlichen Parteien (ob rechts, links, grün oder sonst was) alle ihr Programm, auch wenn sie es nachher meist nicht einhalten, um alle nur ein Programm durchzusetzen: Spar- und Kriegspolitik. Im Gegensatz zu den Bürgerlichen haben die Kommunisten also keinen demagogischen Maßnahmen­katalog, nein wir haben gleich ein ganzes Maximalprogramm, eine neue Gesell­schaft vorzuschlagen. Nichts weniger als das. Nur, wie verdeutlichen, was wir ei­gentlich damit meinen?

DER KOMMUNISMUS KANN NICHT INNERHALB, SONDERN NUR NACH DEM KAPITALISMUS ENT­STEHEN

Als erstes ist es uns dann wichtig aufzu­zeigen, daß die Umwälzung hin zum Kommunismus unter ganz anderen Be­dingungen verläuft, als das Durchbrechen neuer Produktionsformen in früheren Ge­sellschaften. Früher war es nämlich so, daß die neuen, aufsteigenden Gesell­schaften sich schon im Schoß der alten Gesellschaft heran entwickelten. Die feu­dalen Gesellschaftsstrukturen tauchten langsam innerhalb der niedergehenden Sklavengesellschaft des Römischen Rei­ches auf. Und dieser Einzug dauerte zum Teil jahrhundertelang.

Auch die bürgerliche Gesellschaft kroch langsam und mit ungleicher Geschwin­digkeit innerhalb der Feudalgesellschaft hervor. Die Bourgeoisie war schon auf ökonomischem Gebiet längst zur herr­schenden Klasse geworden, als sie die letzten politischen Fesseln des Feudalis­mus abstreifte - wie dies in der französi­schen Revolution von 1789 geschah. Während der Kapitalismus also im Feu­dalismus heranwachsen konnte, ist das beim Kommunismus nicht möglich. Der Kommunismus kann nur weltweit entste­hen, und zwar nur auf den Trümmern der kapitalistischen Gesellschaft. Der Kom­munismus ist auch in einem Land nicht möglich (Rußland zeigt das unverkenn­bar), sondern nur weltweit und gleichzei­tig. Denn die Gesetze der Marktwirt­schaft, des Weltmarktes, das Wertgesetz auf der einen, die Entschlossenheit des Kapitals auf der anderen Seite würden ein Entstehen des Kommunismus in einer Region nicht zulassen. Deshalb können die Kommunisten heute kein Modell prä­sentieren, um überzeugend zu wirken.

WAS DER KOMMUNISMUS NICHT IST

Auch wenn es unabdingbar ist, dies zu tun, hilft es gleichzeitig wenig weiter, wenn wir aufzeigen, was der Kommunis­mus nicht ist. Denn an Lügen, "hier ist der Kommunismus", hat es ja mit der Sowjetunion und den anderen Ländern wie Osteuropa und Kuba, Vietnam usw. nie gefehlt. Dadurch ist das ganze Bild vom Kommunismus total verzerrt. In al­ler kürze: für uns ist der Kommunismus kein "Staatskapitalismus", so wie es ihn in der UdSSR, in China, Kuba oder sonstwo gab. Er ist also nicht die einfa­che Verstaatlichung der Produktionsmit­tel. Auch ist er kein "Kriegskommunismus", wie er einst dar­gestellt wurde, als nämlich 1920-21 im Bürgerkrieg in Rußland das Geld abge­schafft worden war, nicht etwa weil Überfluß geherrscht hätte, sondern weil es nichts mehr wert war infolge von In­flation und Krieg. Der Kommunismus hat also nichts mit Kriegswirtschaft und Mangelwirtschaft zu tun, in der eine Staatspartei ihre Diktatur ausübt.

EINIGE HAUPTMERKMALE DES KOMMUNISMUS

Dennoch - auch wenn es unmöglich ist und man Gefahr läuft, einer Spekulation zu verfallen, so lassen sich doch einige Hauptkennzeichen des Kommunismus aufzeigen:

1) Die Produktion findet nicht mehr für Profit, sondern für die Bedürfnisse der Menschen statt.

2) Das Privateigentum wird abgeschafft sein. Alle Güter befinden sich im "Besitz" der Gesellschaft und werden geteilt.

3) Dadurch entfällt die Konkurrenz; die gesamten Mechanismen des Wett­bewerbs, die Überlebensprinzipien der kapitalistischen Gesellschaft (sprich, der Konkurrenzkampf, jeder gegen je­den bis hin zum Krieg) werden ver­schwinden.

4) Die Lohnarbeit wird abgeschafft sein. Die Menschen werden produzie­ren, schaffen, kreativ sein, nicht aus Zwang, ihre Arbeitskraft verkaufen zu müssen, um zu überleben, sondern um die Bedürfnisse der Menschen zu be­friedigen.

Aus den oben genannten Prinzipien geht hervor, daß

- Es keine Zerstörung der Produktion (wie in Krisen oder Kriegen) geben wird.

- Während bislang beispielsweise in den USA während des kalten Krieges 2 von 3 Ingenieuren für das Pentagon arbeiteten, ungeheure Ressourcen in die Kriegswirt­schaft fließen, werden die Ressourcen der Menschheit dann nicht für Zerstörung verwendet, sondern eine für den Men­schen dienliche, nützliche Produktion.

- Damit entfallen all die Mittel für Rü­stung, Militär, Armee, Verteidigung des Privateigentums, der Gewaltverhältnisse, alles Ausgaben von unvorstellbaren Grö­ßen; wenn man bedenkt, daß die Wirt­schaft der meisten Länder, allen voran, die der ehemaligen UdSSR und der USA und natürlich der 3. Welt meist auf die Rüstungsproduktion fixiert ist, wird al­lein das schon eine ungeheure Freisetzung von Ressourcen bewirken.

- Durch die Abschaffung der Konkurrenz und die Produktion nicht von Tausch­werten, um Geld zu machen, sondern von Gebrauchsgütern (nützliche Güter), pro­duziert nicht mehr jeder Konkurrent ge­gen jeden, jeder für sich in seiner Ecke, um sich von seinen Konkurrenten abzu­schotten. Stattdessen wird das ganze Wis­sen der Menschheit, das ganze Know-how, die Technik für alle nutzbringend eingesetzt werden können.

Anstatt dem Prinzip des jeder gegen je­den, jeder für sich unterworfen zu sein, werden alle Reichtümer der Gesellschaft sinnvoll und planerisch abgestimmt in die Produktion einfließen. Das dem Kapita­lismus innewohnende Chaos, hervorgeru­fen durch die Marktwirtschaft und die Konkurrenz, diese Anarchie der kapitali­stischen Produktion wird es nicht mehr geben.

VOLLE ENTFALTUNG DER SCHAFFENSKRAFT DER MEN­SCHEN

Allein die Koordination und Kombination der menschlichen Reichtümer, die For­tentwicklung des Know-how zugunsten der Menschen und nicht zugunsten militä­rischer, zerstörerischer Zwecke, die Frei­setzung von Arbeitskräften aus zerstöreri­schen, unproduktiven, parasitären Sekto­ren, die Integration der Milliarden Men­schen, die im Kapitalismus entweder un­produktiv sind oder gar auf de Straße lie­gen, all das wird zu einem Ansteigen der Produktivität der Arbeit und zu Möglich­keiten der Produktionserweiterung füh­ren. Gleichzeitig wird dadurch die Ge­samtarbeitszeit sinken. Weil sie nicht mehr der Lohnarbeit, einem Ausbeu­tungsverhältnis und auch natürlich nicht mehr einer Entfremdung unterworfen sein werden, wird unter den Menschen soviel Schöpferkraft, soviel Energie, soviel Ein­satz freigesetzt werden, daß dies weit über unser Vorstellungsvermögen hinaus­geht. Während sich die Menschen heute in der Lohnarbeit so teuer wie möglich verkaufen, und so gut wie möglich aus der Affäre ziehen, um nicht zu schnell zu verschlissen zu werden, das ganze Ver­hältnis zur Arbeit eben durch die Ent­fremdung und Ausbeutung bestimmt ist, wird es im Kommunismus ganz anders aussehen.

Zu wissen, daß die produzierten Güter den Menschen zunutze kommen, die Ein­sicht in die Planbarkeit, die Steuerbarkeit der Produktion, das Wissen, daß wir für die Menschen, für die Gesellschaft arbei­ten und nicht für einen Unternehmer, der uns ausbeutet, den letzen Tropfen Schweiß aus einem rauspreßt, all das wird ein bislang nicht gekanntes Interesse und einen Tatendrang der Menschen freiset­zen.

Das heißt im Kommunismus wird es zu einer wahren Explosion der Schaffens­kraft der Menschen kommen. Die wich­tigste Produktivkraft, der Mensch wird sich eben erst dann ungehindert entfalten können.

DAS ENDE DER ENTFREMDUNG

Indem nicht mehr alles dem Profit geopfert, sondern bewußt geplant und sinnvoll entschieden werden kann, die Produktion nicht mehr der Anarchie und dem Chaos unterliegt, sondern von der Gesellschaft selbst organisiert wird und damit darüber bewußt entschieden wird, wie, wo, was, wann produziert wird, wird die ganze Verschwendung und Zer­störung der Ressourcen (Mensch und Natur) nicht mehr vorhanden sein. Der Ansporn in den Menschen, etwas für die Menschen, für die Gesellschaft tun zu wollen, wird alle bislang von den Men­schen aufgebrachten Energien in den Schatten stellen. Während der Kapitalis­mus die Menschen, die er in Lohnarbeit gesteckt hat, aufs brutalste und stumpf­sinnig ausbeutet, deren Arbeitskraft ver­schleißt und sie jahrelang tag-tagein ins Tretwerk der Lohnmaschinerie einspannt, sind gleichzeitig Milliarden von Men­schen einem nackten Überlebenskampf ausgeliefert - arbeits-, wohnungslos, hun­gern oder vegetieren oft - wie in der 3. Welt stumpfsinnig vor sich hin. All das wird im Kommunismus ganz anders sein.

Auch wenn all das hier Erwähnte nur ein kurzer Umriß sein kann, so kann man doch schon erkennen, daß das Aufzeich­nen einer kommunistischen Gesellschaft über unser bisheriges Vorstellungsvermö­gen hinausgeht. Deshalb wollen wir die Gefahr der Spekulation vermeiden - son­dern ganz realistisch unterstreichen, daß wir noch nicht einmal wissen, sondern nur ahnen können, welche zerstörte Ge­sellschaft uns der Kapitalismus hinterlas­sen wird.

Zudem wird der Kommunismus nicht von heute auf morgen möglich sein, sondern nach der Machtergreifung durch die Ar­beiterklasse, der ein zerstörerischer Bür­gerkrieg vorausgehen wird, wird es zunächst eine Übergangsperiode vom Ka­pitalismus zum Kommunismus geben.

Klar ist jedenfalls, daß all dies eine gi­gantische Aufgabe sein wird, daß es gar eine Dauer von ganzen Generationen in Anspruch nehmen wird. Nun wird uns dann natürlich die Frage entgegenge­schleudert, ja wer soll denn eigentlich den Kommunismus errichten? Wollt ihr

das als Partei, als kleine Gruppe machen, oder wer soll das tun? Unsere Antwort, daß die Arbeiterklasse die einzige revolu­tionäre Kraft ist, die dies verwirklichen kann, stößt dann im Gegenzug auf noch mehr Zweifel... womit wir schon an einer zweiten Argumentationslinie angelangt sind... Dies ist natürlich genauso eine der am heißesten diskutierten Fragen, und wir wollen hier aus Platzgründen unsere Le­ser auf unsere bisherigen Antworten dazu (siehe WR 53) verweisen.

DER KOMMUNISMUS: DAS ERGEBNIS EINER LEBENDIGEN, REVOLUTIONÄREN KLASSE

Ja, aber der Mensch, so wie er heute ist, wird er überhaupt dazu in der Lage sein, in einer Gesellschaft ohne Profit, ohne Privateigentum zu leben? Wie werden die Menschen im Kommunismus aussehen?

Vor dieser Frage standen die Kommuni­sten schon im letzten Jahrhundert. Da­mals schon betonten Marx und Engels, die Gründer der wissenschaftlichen Erklä­rung des Kommunismus: "...ebenso wird der gemeinsame Betrieb der Produktion durch die ganze Gesellschaft und die dar­aus folgende neue Entwicklung der Pro­duktion ganz andere Menschen bedürfen und auch erzeugen"(Grundsätze des Kommunismus, 1847).

Um nicht irgendwelchen Spekulationen zu verfallen, heben wir deshalb hervor, daß der Kommunismus nur das Ergebnis einer lebendigen, revolutionären Klasse sein wird, die nicht an der Errichtung neuer Ausbeutungsverhältnisse interes­siert ist, sondern an deren Abschaffung. Zur Erreichung dieses Ziels verfügt die Arbeiterklasse nur über zwei Mittel:

- ihre Fähigkeit, sich vereinigend, über alle sie spaltenden Gräben hinweg zu­sammenzuschließen, kurzum ihre Einheit als Klasse, ihre Klassensolidarität;

- und ihr Bewußtsein.

Ja, aber wenn wir uns den jetzigen Zu­stand der Arbeiterklasse anschauen, wie aber können die Arbeiter dann zu diesem revolutionären Bewußtsein gelangen? Auch darauf antworteten damals schon Marx und Engels: "..sowohl zur massen­haften Erzeugung dieses kommunistischen Bewußtseins wie zur Durchsetzung der Sache selbst (ist) eine massenhafte Ver­änderung der Menschen nötig, die nur in einer praktischen Bewegung, in einer REVOLUTION vor sich gehen kann; daß also die Revolution nicht nur nötig ist, weil die herrschende Klasse auf keine an­dere Weise gestürzt werden kann, sondern auch, weil die stürzende Klasse nur in ei­ner Revolution dahin kommen kann, sich den ganzen alten Dreck vom Halse zu schaffen und zu einer neuen Begründung der Gesellschaft befähigt zu werden" (Deutsche Ideologie, 1845, MEW Bd. 3, S. 70).

Wie aber wird es zu dieser Entfaltung des Bewußtseins kommen? Dieses Bewußtsein wird durch den Stachel der Krise voran­getrieben werden. Denn wenn der Kapi­talismus gezwungen ist, der Arbeiter­klasse die materiellen Grundlagen für ihr Überleben zu entziehen, werden immer mehr Arbeiter die Illusionen über den Charakter dieses Systems verlieren, ler­nen, durch ihren Widerstand als Klasse ihre Kraft zu erkennen, somit an Selbst­vertrauen zu gewinnen. Aus diesen Kämpfen muß dann massenhaft das Be­wußtsein heranwachsen, daß eine neue Gesellschaft nötig ist, und daß der Träger dieser neuen Gesellschaft die Arbeiter­klasse ist. Zu dieser Erkenntnis, zu deren Verbreitung müssen wir als Revolutio­näre beitragen. Dd 7/92

 

 

Weltrevolution Nr. 56

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Verkehrschaos – Spiegelbild kapitalistischer Anarchie

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 Das alltägliche Verkehrschaos - und damit verbunden Staus, Smog, Streß, Umweltzer­störung usw. Jeder kennt es, wir brauchen es hier nicht weiter zu beschreiben. Natür­lich fühlt sich jeder hilflos, meint, man könne nichts ausrichten. Wir aber sagen: diese Anarchie im Verkehr, das alltägliche Chaos sind keine Naturgegebenheiten, denen wir hilflos ausgeliefert zu sein brau­chen. Wir meinen, dieser Verkehrsinfarkt ist das Spiegelbild der kapitalistischen Ver­hältnisse selbst. D.h. eine wilde, chaotische Verkehrsform, die notwendigerweise in ei­nem zerstörerischen Chaos enden muß. Um aus dieser Anarchie im Verkehrswesen her­auszukommen, gibt es nur einen Weg: die Überwindung dieser Gesellschaft.

Wir wollen nachfolgend die Ursachen für dieses Verkehrschaos im Kapitalismus auf­zeigen, und warum eine Lösung innerhalb dieses Systems nicht denkbar ist.

DIE TECHNISCHE REVOLUTIO­NIERUNG DER TRANSPORTMIT­TEL IM KAPITALISMUS

Zunächst ein Rückblick auf das Ver­kehrsaufkommen in der Geschichte. Denn die Transportbedürfnisse in der Gesell­schaft haben sich in der Geschichte ge­waltig verändert. Während der Antike und im Römischen Reich gab es größere Transportbewegungen meist nur in Erobe­rungsfeldzügen, ansonsten war der Wa­ren- und Personenverkehr nur sehr be­schränkt; die Produktion erfolgte lange Zeit nur für lokale Käufer, Sklaven stell­ten Sachen für ihre jeweiligen Herren und für keinen Markt her.

Die Transportmittel und die Technik blie­ben jahrhundertelang im Wesentlichen un­verändert. Selbst im Mittelalter kam es bis zum 15./16. Jahrhundert zu keinen größeren Warenbewegungen über örtliche Märkte hinaus. Die Bauernwirtschaft und damit Subsistenzwirtschaft, Abgaben an Lehnsherren und Adlige - all das ver­langte noch keine umfassenden qualitativ neuen Verkehrsmittel. Die Märkte be­fanden sich jeweils in unmittelbarer Nähe der Produktionsstätten - eine Umwälzung der alten, mehr als Tausend Jahre lang bewährten Transportmittel war noch nicht erforderlich.

Erst mit dem aufkommenden Handel im Kapitalismus und der sich dahinter ver­steckenden Notwendigkeit für das Kapital, ständig seine Produktion auszudehnen und neue Absatzmärkte zu suchen, war eine neue Triebfeder für die Entwicklung des Transportes entstanden. Die Kapitalakku­mulation, der wirtschaftliche Expansions­drang sorgten für eine Revolutionierung im Transportwesen. Die aufkommende Dampfschifffahrt, die Entwicklung und weltweite Ausdehnung der Eisenbahnen, neue Schiffahrtskanäle und Straßensy­steme, all das waren technische Wunder­werke, die der Kapitalismus neben vielen anderen technischen Erneuerungen inner­halb kürzester Zeit in der industriellen Revolution aus dem Boden sprießen ließ. In diesem Prozeß errichtete er im letzten Jahrhundert einen Weltmarkt; neue Konti­nente wurden der Kapitalsherrschaft un­terworfen. All diese neuen kapitalistischen Eroberungen, die in Westeuropa damit einhergehende Industrialisierung erfor­derte eine Umwälzung der Verkehrsver­hältnisse. Insofern hat der Kapitalismus durch seinen ihm innewohnenden Drang zur ständigen Eroberung neuer Märkte eine wahre technische Revolution, einen gewaltigen Fortschritt für die Menschheit gebracht. Das Kapital erforderte und er­möglichte eine neue Mobilität der Waren (ob Arbeitskraft oder als Güter).

Aber da der Kapitalismus auch eine auf Ausbeutung basierte Gesellschaft ist, in der wirtschaftliche Anarchie, Krise, Zer­störung und Chaos verankert sind, brachte der Kapitalismus damit auch ein neues Maß, eine neue Dimension an Anarchie und Chaos im Transportwesen mit sich.

Wenn nun die Grünen und andere Parteien "alternative Verkehrssysteme" anpreisen, dann mag sich zwar hier und da eine nützliche Verbesserung daraus ergeben, aber an den wahren Ursachen dieses Chaos wird nicht gerüttelt. Denn diese Anarchie im Verkehr hat ihre Wurzeln in den Grundwidersprüchen der kapitalisti­schen Produktionsweise selber. Aus Platzgründen können wir hier nicht näher auf die ökonomischen Grundwidersprüche dieses Systems insgesamt eingehen. Wir wollen uns nur auf die für das "Verkehrswesen" direkt relevanten be­schränken.

DIE WURZELN DES CHAOS UND DER ANARCHIE

Wenn ein Unternehmer eine Firma auf­macht, fragt er nicht nach dem Nutzen und den Konsequenzen für die Gesell­schaft. Bei der "Standortwahl" sind für ihn einzig und allein billige Produktions­bedingungen und günstige Wege zum Markt ausschlaggebend. Die Bedürfnisse der Menschen, der Natur, all das wird nicht berücksichtigt - nur finanzielle Aspekte spielen bei der Standortwahl und den damit verbundenen Warenbewegun­gen eine Rolle.

Das Beispiel der Milch, die morgens aus den bayerischen Alpen mit dem LKW nach Italien transportiert wird, um dort nach der Verarbeitung zu Joghurt wieder zu­rück über die Alpen auf den deutschen Markt befördert wird, ist mit am bekann­testen.

Anhand dieses Beispiels läßt sich aufzei­gen, daß es im Kapitalismus viele völlig überflüssige Transportbewegungen gibt, die gesellschaftlich und technisch absolut sinnlos und verschwenderisch sind, weil das Wesen des Produktes dieses Hin- und Herverschieben nicht erfordert - sondern nur billiger Arbeitskräfteeinsatz diese chaotischen Güterbewegungen erklären kann. Unterschiedliche Löhne, die best­mögliche Ausnützung von Preisen (Gütern oder Arbeitskraft) erklärt so einen Teil des Transportaufkommens.

Diese Anarchie und Willkür der Stand­ortwahl bzw. seine Festlegung nach rein kapitalistischen Kriterien, der Anteil der technisch überflüssigen und daher rein profitbedingten Transporte kann nicht in­nerhalb des Kapitalismus überwunden werden!

Neben diesem Aspekt des völlig überflüs­sigen Verkehrsanteils ergab sich so aber auch im Laufe der Zeit die Entwicklung, daß sich Produktionsstandort, Wohnort der Beschäftigten und Absatzmarkt immer weiter voneinander entfernten. Während z.B. früher der Bauer in der Subsistenz­wirtschaft auf seiner Scholle arbeitete und lebte, und selbst im Frühkapitalismus noch die ersten Industriearbeiter in un­mittelbarer Fabriknähe lebten (Stichwort Black Country in England und Ruhrgebiet in Deutschland), reisen heute die Be­schäftigten oft stundenlang zur Arbeit. Viele Innenstädte sind nachts ganz entvöl­kert, Pendler kommen tagsüber und ver­doppeln oft die Zahl der Menschen in der Stadt. Dahinter steckt die ganze Entwick­lung des Widerspruchs zwischen Stadt und Land, auf den wir hier auch aus Platzgründen nicht näher eingehen kön­nen, der aber auch ein typisches Kind des Kapitalismus ist. Auch diese Entwicklung kann nicht innerhalb des Kapitalismus ge­bremst oder umgelenkt werden. Erst in einer anderen Gesellschaft ist eine andere Organisierung möglich.

DIE UNTERNEHMER: RAUBTIERE AN DER GESELLSCHAFT

Die unüberwindbaren Interessensgegen­sätze zwischen den Interessen eines ein­zelnen Unternehmers und der Gesellschaft schlagen sich im Transportbereich auch weiter folgendermaßen nieder:

Während die Gesellschaft im Interesse ei­nes rationellen Einsatzes der Produkti­onsmittel, des Schutzes der Natur, des möglichst geringen Materialaufwandes usw. danach strebt, den Transportaufwand bei Produktion und Verkauf möglichst ge­ring zu halten, kämpft jeder Transportun­ternehmer für einen möglichst hohen Transportanteil. So reibt sich jede Flugge­sellschaft die Hände über die Kiwis und Äpfel, die sie von Neuseeland und Chile nach Europa fliegen können. Oder jeder Spediteur jubelt, wenn er Autoteile quer durch Europa herumtransportieren kann.

So ist natürlich der Transportsektor ein riesiger Markt. Während die öffentlichen Verkehrsmittel zwar auch gewaltige Inve­stitionsmittel anziehen, ist es jedoch ty­pisch, daß für das Kapital das Auto das Mittel ist, das für viele Wirtschaftsbran­chen am meisten "einfährt". Ein Anschaf­fungswert für jeden Kunden von ca. 30.000 DM, mit daran hängender Mine­ralölindustrie, Straßenbau, Versiche­rungsparasiten, Reparaturwerkstätten usw. - so ist der Autokunde eine riesige Quelle, die jeder einzelne Unternehmer anzapfen möchte. Anstatt daß jeder Ein­zelne entsprechend öffentliche Verkehrs­mittel benutzt, ist es eine typische Ausge­burt kapitalistischer Verhältnisse, daß je­der einzelne Verkehrsteilnehmer im Inter­esse der Industrie eher ein "Autokunde" ist. Pervers mögen die einen sagen, die Kapitalsvertreter antworten: "so ist das mal im Kapitalismus". Wie gesagt - wie viel gesellschaftliche Ressourcenver­schwendung, wie viel Umweltzerstörung, Lärm, Abgase, Verkehrstote usw. damit produziert werden - all das spielt keine Rolle - Hauptsache Umsatz wird ge­macht...

DER WAHNSINN DER KONKUR­RENZ

Da alles durch den Markt und die Kon­kurrenz bestimmt wird, stehen damit auch die verschiedenen Verkehrsträger in einem absurden Wettkampf gegeneinander. An­statt die artspezifischen Vorteile der je­weiligen Vekehrsträger sinnvoll abge­stimmt aufeinander einzusetzen, bekämp­fen sie sich ruinös. PKW, LKW und Busse gegen Bahn, Bahnen untereinander, Bahn gegen Schiff usw...

Daß dabei jeweils Lobbies gebildet wer­den, um die Interessen besser durchzuset­zen, liegt ebenso in der Natur der kapita­listischen Gesetze wie der Krieg selbst. Und wenn die Autoindustrie als Gewinner die Eisenbahnen als Verlierer ins Abseits drängt, so zählt dies zum normalen gesell­schaftlichen Irrsinn in dieser Gesellschaft.

Diese Ausgangsbedingungen der kapitali­stischen Produktion, die Anarchie bei der Wahl des Produktionsstandortes, die Konkurrenz der Verkehrsträger unterein­ander, die Profitinteressen der Transport­unternehmen und deren Bestreben nach hohen Transportanteilen, die Auseinande­rentwicklung zwischen Stadt und Land - all das hat im Transportwesen einen Wahnsinn, ein grenzenloses Chaos entste­hen lassen. Auch hier obsiegt das typische kapitalistische Motto. Jeder muß für sich sehen, wie er irgendwie irgendwo hin­kommt. Anstatt sich mit rationell und ge­sellschaftlich nützlich geplanten, aufein­ander abgestimmten Transportmitteln fortzubewegen, die allen Menschen leicht zugänglich zur Verfügung stehen, ist jeder im Kapitalismus auf "sich allein gestellt".

Fehlende Planung des gesamten Trans­portwesens, fehlende Zentralisierung, Wirtschaftskrieg zwischen den Verkehrs­systemen - all das hat aber in diesem Jahrhundert neue Dimensionen erreicht.

DER ZUSAMMENPRALL ZWI­SCHEN DEM TECHNISCH MÖGLI­CHEN UND DER GESELLSCHAFT­LICHEN WIRKLICHKEIT

Denn nachdem der Kapitalismus zunächst mit dem ausklingenden letzten Jahrhun­dert einen Weltmarkt hergestellt hatte, ist er seitdem auf die Grenzen seines Systems gestoßen - und überlebt seitdem nur noch durch Zerstörung.

Die damals wirtschaftlich zurückgebliebe­nen Länder, die sog. Kolonien, waren seinerzeit schon zu wirtschaftlichen Krüp­peln geschlagen waren, denn sie sollten daran gehindert werden, eine umfassende Industrialisierung im Umfang der sog. In­dustrieländer zu durchlaufen, um so neue Konkurrenten fernzuhalten. Dies schlug sich so nieder, daß es die absurdesten Kontraste zwischen den seitdem wirt­schaftlich unterentwickelt gebliebenen Ländern und den sog. Industrieländern gibt.

Weil nur Geld, d.h. ein kaufkräftiger Markt auch neue Transportmittel anzieht, die meisten Länder der sog. 3. Welt aber wirtschaftlich zurückgeblieben sind, und eine umfassende Industrialisierung dort ausgeblieben ist, sind große Teil dieser Länder von modernen Transportmitteln überhaupt abgeschnitten, bzw. es überle­ben die anachronistischsten Transport­mittel. Wenn es überhaupt Straßen, Wege und Schienen gibt, dann beherrschen oft noch Fuhrwerke, Esel, Kamel usw. die Straße. Alte, klapprige, gifte Abgase aus­spuckende LKWs und Busse, das ist das typische Straßenbild. In den Megastädten wie Mexiko, Kairo, Calcutta usw. wird die Luft bis zum Umfallen verpestet. Aber nicht nur Lärm- und Abgasterror gehören dort zum Alltag. Die Widersprüche sind noch absurder: so sehen die somalischen Flüchtlinge, die von Krieg und Dürre in den Tod gejagt werden, und wo es wegen der Kriegswirtschaft an zivilen Trans­portmitteln und -wegen fehlt, jeden Tag am Himmel über sich Flugzeuge. Sie flie­gen von und nach Europa - mit Touristen nach Kenia in die Safaris und die Billig­bordells, und Maschinen mit südafrikani­schen Trauben für den europäischen Markt. Kontraste und Absurditäten für das Geschichtsbuch.

All das nur, weil Löhne und Preise welt­weit so auseinanderklaffen. Riesige Mas­sen von Industriegütern, Nahrungsmitteln usw. werden beispielsweise aus Fernost nach Europa oder Amerika ver­schifft. Dabei fahren die Schiffe an Afrika oder Südamerika vorbei - obgleich die Men­schen dort diese Güter wirklich bräuchten. Aber weil ihre Kaufkraft nicht ausreicht, läuft der "Verkehr" an ihnen vorbei - stattdessen fließt er in die über­füllten und umkämpften kaufkräftigeren Märkte.

Auf der einen Seite also technische Rück­ständigkeit in vielen Gegenden; in den Hochburgen der Landflucht, den bekann­ten Megastädten Abgaskonzentrationen und Verkehrschaos so häufig und weit ge­diehen, so wild und dicht wie Fliegen auf der Scheiße. Andererseits eine absurde Situation in den Industrieländern, wo es die höchst entwickelte Technik, high-tech überall gibt, wo aber ein Verkehrsinfarkt die Gesellschaft jeden Tag terrorisiert. Gerade in den Industriezentren selber, wo der Kontrast zwischen den technisch vor­handenen Möglichkeiten und der tatsäch­lichen Organisationsform der Gesellschaft (hier die Organisationsform des Ver­kehrswesens) am deutlichsten auffällt, ist das Verkehrschaos mittlerweile zum All­tag geworden.

Hier wird auch am deutlichsten, daß zwar die technischen Mittel zu einer wirklich "vernünftigen" Verkehrsgestaltung vor­handen sind, daß aber der Raubtier- und Anarchiecharakter der kapitalistischen Verhältnisse dies unmöglich macht.

So ist eine wirkliche Umorganisie­rung, eine den Interessen der Menschen die­nende Transportgestaltung der Gesell­schaft nur möglich, indem diese Gesell­schaft umgekrempelt wird.

Deshalb sagen wir: jede auch noch so kleine Reform im Verkehrswesen kriegt das wirkliche Problem - die Anarchie der kapitalistischen Produktionsweise selber - nicht zu packen. Sie kann deshalb nur Flickwerk sein und verbreitet meist die Illusion, es sei "möglich etwas zu verbes­sern".

Genauso wie die Gesellschaft insgesamt nur noch mehr Wirtschaftskrieg, Explo­sion von nationalistischen Konflikten usw. anzu­bieten hat, so kann auch die Anarchie im Verkehrswesen nur noch zunehmen. Erst in einer neuen Gesellschaft, in der nicht für Profit, sondern für die Bedürf­nisse der Menschen produziert wird, ist eine ver­nünftige, den Menschen dienende Organi­sation des Transportes möglich. Dv, 9/92

Weltrevolution Nr. 57

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1933: Demokratie als Wegbereiter des Faschismus

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Im Jan. 1933 übernahmen die Nazis die Macht in Deutschland - demokratisch und frei gewählt im Reichstag. Programm und Ziel der Nazis: Deutschland aus der Krise von 1929 herauszuführen, und dies ging nur - dessen waren sich die Nazis von Anfang an bewußt - durch Krieg. Den bereiteten sie dann auch systematisch und planvoll vor. Was daraus geworden ist, wissen wir: KZs, der 2. Weltkrieg usw.

Heute rufen uns alle "guten Demokraten" dazu auf, daß wir uns gegen die "neue Nazi-Gefahr", gegen "Rechts" und hinter die Demokratie stellen. Die Demokraten wollen uns verkaufen, daß der Faschismus der eigentliche Feind sei, und wir uns alle gegen ihn mobilisieren sollten. Tatsächlich sind Demokratie und Faschismus aber zwei Gesichter der gleichen kapitalistischen Barbarei (siehe dazu WR 56). Es gibt keinen grundsätzlichen Gegensatz zwischen den beiden. Die Geschichte hat bewiesen, daß die Demokratie zu genauso viel Bluttaten und Barbarei zur Verteidigung des Kapitalismus fähig ist wie ihre Zwillingsbrüder Faschismus oder Stalinismus. Unsere Position ist: wir dürfen uns nicht von dieser falschen Polarisierung Antifaschismus gegen Faschismus aufsaugen lassen. Stattdessen müssen wir resolut den Standpunkt der Arbeiterklasse vertreten , die gegen alle Formen der bürgerlichen Herrschaft, ob faschistisch oder demokratisch ankämpfen muß. Nachfolgend wollen wir uns damit auseinandersetzen, warum der Faschismus in Deutschland seinen Einzug halten konnte.

DIE WIRKLICHEN URSACHEN:

DIE NIEDERLAGE DER ARBEITERKLASSE IN DEN 20er JAHREN

1914 war die Welt in einen Krieg gest

So steckte in den 20er Jahren der Arbeiterklasse ihre Niederlage tief in den Knochen. Alle ihre fr

ürzt worden - mit Unterstützung aller hurrapatriotischen bürgerlichen Parteien versteht sich - aber auch der meisten sozialdemokratischen Parteien. Der 1. Weltkrieg wurde nur durch die revolutionäre Erhebung der Arbeiter in Rußland und Deutschland zu Ende gebracht, denn im Verlaufe des Krieges entfesselte sich ein Widerstand in den Reihen der Arbeiter mit Streiks, Protestdemos, Meutereien bis hin zur revolutionären Erhebung. Um den Frieden durchzusetzen, um nicht zu verhungern, mußten die Arbeiter in Rußland die Macht ergreifen. Auch in Deutschland kam es zu mächtigen revolutionären Erschütterungen. Aber vor allem dank der Drecksarbeit der SPD und der Gewerkschaften, die sich schützend vor den bürgerlichen Staat stellten, kam die Ausdehnung der Revolution in Deutschland nicht voran. Mehr als 20.000 Arbeiter wurden 1919 umgebracht, regierungsverantwortlicher Bluthund war die SPD gewesen. Ergebnis der Niederschlagung und Versandung der Bewegung in Deutschland: die Arbeiter in Rußland blieben weitgehend isoliert. So mußten sie im Folgenden der Offensive einer imperialistischen Armee von 22 Staaten - an deren Spitze die großen Demokratien - entgegentreten, die sie zwar militärisch gewannen, aber in der sie politisch die Macht verloren. Anfang der 20er Jahre, spätestens 1923 war der revolutionären Bewegung, die ein Echo in vielen Ländern gefunden hatte, die Spitze gebrochen. Das Kapital entfaltete eine blutige Konterrevolution. Die Arbeiterklasse war physisch zu Boden gestreckt, ihre Kampfmoral untergraben, vor allem war sie politisch desorientiert. In Rußland, wo die Arbeiter infolge der Isolierung der Revolution in einem schmerzvollen Prozeß mittlerweile die Macht verloren hatten, hatte sich eine neue Herrscherclique eingenistet, die ihr Terrorregime gegen die Arbeiterklasse auszuüben begann. Der Stalinismus gab vor, die Fortsetzung der Oktoberrevolution zu sein, obwohl er tatsächlich der Totengräber derselben war. Der Kommunistische Internationale, vormals Weltpartei des Proletariats, unterwarf sich den Interessen des russischen nationalen Kapitals, kapitulierte vor dem Stalinismus, wurde zu ihrem Instrument. In Deutschland war die SPD am Ruder, deren Apparat seit 1914 in den Staat integriert war. Es war gerade die SPD gewesen, mit deren Hilfe das Kapital den Krieg hatte führen können. Und es war vor allem die Heldentat der SPD und der Gewerkschaften, die Gefahr der Ausdehnung der Revolution gebannt zu haben. Diese feinen Demokraten hatten die Arbeiter niedergestreckt, und nicht die Nazis, die erst viel später ihre Drecksarbeit ausrichten konnten. Hätten SPD und Gewerkschaften sich nicht schützend vor das Kapital gestellt, nicht dessen Terrorherrschaft ausgeübt, wäre alles ganz anders gekommen. üheren Massenorganisationen waren in das Lager des Kapitals übergewechselt: SPD, Gewerkschaften. Und diese Niederlage der Arbeiter sollte dem Kapital freie Hand geben, denn das Kapital stand nunmehr keinem mächtigen Gegner mehr gegenüber. Es konnte seine barbarischen, kriegerischen Tendenzen in einem "neuen Ausmaß" ausleben.

DER KRIEG WIRD ZUR ÜBERLEBENSART

DIE NAZIS DIE KRIEGSPARTEI

Denn der 1. Weltkrieg hatte eine neue Periode eingeläutet. Der Kapitalismus konnte nunmehr nur noch

Auch war Deutschland der große Verlierer des 1. Weltkriegs gewesen. Stark angeschlagen und mit Reparationszahlungen belastet, blieb f

Auf diesem Hintergrund waren die Nazis die konsequenteste Kriegspartei. Auch wenn sie unter den verzweifelten Kleinb

- Verstärkung des Staatskapitalismus, forcierte Militarisierung, kurzum Mobilisierung aller Ressourcen f

- und das erforderte die vollständige Unterwerfung der Arbeiterklasse, nachdem die SPD und die Gewerkschaften in den Kämpfen von 1918-23 schon die unabdingbare Vorarbeit geleistet hatten.

Erst als die Arbeiterklasse schon besiegt war und damit der Weg frei war f

Nun sagen viele, vor allem Linke, daß man den Faschismus hätte verhindern können, "wenn sich alle linken Kräfte zusammengeschlossen hätten. Wenn eine Einheitsfront aller Demokraten zustandegekommen wäre, dann hätte man den Aufstieg der Nazis vermeiden können".

 

überleben durch einen Zyklus von Krieg - Wiederaufbau - Krise - Krieg - Wiederaufbau... Nach einer kurzen Wiederaufbauphase versank die Weltwirtschaft 1929 erneut in einer Krise. Zuvor schon hatte in Deutschland die Inflation von 1923 für eine Enteignung des Mittelstandes und ein Wegschmelzen der letzten Sparguthaben der Arbeiter gesorgt. ür Deutschland kein anderer Weg, als am aggressivsten aufzutreten und den anderen Ländern deren Märkte und Rohstoffgebiete abzujagen. Aber die Krise von 1929 trieb alle Länder in diese Konfrontation - der fatalen kapitalistischen Logik folgend, blieb keine andere Lösung als die Kriegsvorbereitung auf allen Seiten. Der Krieg war zur Überlebensform schlechthin geworden. ürgern den größten Anhang fanden, wurden sie tatsächlich zur Partei des Großkapitals. Der Faschismus war nie das Kind eines deutschen Kleinbürgertums, sondern er wurde zur Trumpfkarte des deutschen Großkapitals. Die Aufgabe, die die Nazi-Partei im Namen des Kapitals zu erfüllen hatte, hieß:ür den Krieg,ür die Logik des Kapitals, konnten die Nazis aufmarschieren. D.h. erst als die Arbeiterklasse in der großen Krise von 1929, die zu einer ungeheueren Verarmung der Arbeiter führte, keinen wesentlichen Widerstand mehr leistete, brach die Nazipest herein. Der Aufstieg der Nazis zur Macht war also erst möglich geworden, nachdem die Arbeiter geschlagen waren - dann war aber auch der Faschismus nicht mehr aufzuhalten. Zu gründlich und zu brutal hatte die Demokratie der Arbeiterklasse das Blut ausgesaugt.

DER MYTHOS VOM "AUSGEBLIEBENEN WIDERSTAND"

Ihr Grundgedanke ist, der Faschismus sei etwas Schlimmeres als die Demokratie, wobei der Faschismus gerade die notwendige Etappe zum Krieg und Militarisierung der Arbeiterklasse ist, die erst möglich wurde, nachdem die Demokratie die Arbeiter entwaffnet hatte. Die Linken l

Widerstand von wem?

Der SPD?: Seit 1914 war ihre ganze Ausrichtung gewesen, die Arbeiterklasse an den Staat zu binden: ob im 1. Weltkrieg, ob 1918/1919, ob in den 20er Jahren, wenn immer sie an der Regierung stand. Und jedesmal wenn die SPD f

Die GEWERKSCHAFTEN?: Sie waren seit 1914 zur Polizei im Betrieb geworden, hatten einen Burgfrieden (Streikverbot) beschlossen, wirkten als Staudamm gegen die revolutionäre Erhebung 1918/19, wurden in den 20er Jahren vollends in den Staatsapparat integriert, sorgten daf

Von diesen beiden Organisationen also Widerstand zu erwarten, hieße als ob man von der Polizei Widerstand gegen eine Regierung erwartet. F

Die KPD?: Während sie in den Kämpfen von 1918/19 noch an der Spitze der Bewegung gestanden und resolut die Interessen der Arbeiter verteidigt hatte, war sie in den 20er Jahren fr

ügen uns etwas vor von einem nicht vorhandenen Gegensatz zwischen Demokratie und Faschismus. Und sie verlangen Widerstand von Organisationen, die längst in den Staat integriert worden waren, denen viel Blut an den Fingern klebte, und die sich alle durch ihre Feindschaft gegenüber der Arbeiterklasse in den revolutionären Kämpfen ausgezeichnet hatten, ür ein Massaker an den Arbeitern verantwortlich war, rechtfertigte sie dies, indem sie sagte, alles müsse der Verteidigung der Demokratie (d.h. der Herrschaft des Kapitals) untergeordnet werden. ür, daß kein wesentlicher Widerstand in der Krise von 1929 aufkam. Zwar wurden im Jan. 1933 Gewerkschaftsführer für eine Zeit in Haft genommen, aber kurz danach wieder freigelassen. Der Apparat stellte sich den Nazis zur Verfügung. Auch wenn die Nazis zwar schauträchtig einige Gewerkschaftshäuser anzündeten, ändert das nichts daran, daß der Gewerkschaftsapparat für sie ein unverzichtbares Instrument war. Dieser Apparat ging nämlich nahtlos über in die Deutsche Arbeitsfront, die "Nazi-Gewerkschaft". Kein Zufall, daß die Gewerkschaften am 1. Mai 1933 unter Nazi-Fahnen mitmarschierten. ür sie spielt es nämlich keine Rolle, welche Partei an der Regierung ist, ihre Aufgabe besteht darin, das System zu verteidigen!üh zum Vasallen Moskaus geworden. Sie schlug als erste den Kurs der rückhaltlosen Unterwerfung unter die Interessen des russischen Kapitals ein, ihre Stalinisierung war am schnellsten vorangeschritten. Auch stützte sie sich bei ihrer Arbeit auf die Gewerkschaften (z.B. revolutionäre Gewerkschaftsopposition) und den Parlamentarismus, ("Haltet Hitler auf, wählt Thälmann") d.h. gerade die Waffen, mit Hilfe derer die Arbeiter geschwächt, gefesselt und niedergestreckt worden waren. Schlimmer noch mit ihrem Schlachtruf der nationalen Befreiung des "unterdrückten Deutschlands" trat sie auf nationalistischem Parkett in einen Wettlauf mit den Nazis, der die Arbeiter genau von ihren Interessen ablenkte.

DER FASCHISMUS STÜTZTE SICH AUF DIE BLUTIGE VORARBEIT DER DEMOKRATIE

Man darf also nicht "

So ist der Faschismus kein besonders reaktionäres Phänomen, sondern eine Stufe in der Logik des Kapitals, der Kriegsvorbereitung, bei niedergeschlagener Arbeiterklasse.

Wenn der Faschismus 1933 aber nicht aufgehalten werden konnte, weil die Arbeiterklasse längst geschlagen war, wie sieht es denn heute aus? Wir sagen: die in der Krise verfaulende Gesellschaft wird immer mehr verzweifelte Elemente hervorbringen, die sich durch faschistische Ideen angezogen f

überrascht" sein, daß es keinen umfassenden Widerstand gegen die Nazis gegeben hat. Erstens sind sie selbst in bürgerlichen Begriffen legal an die Macht gekommen, mit demokratischen Abstimmungen, und vor allem steckt dahinter die Erwartung eines Widerstandes von diesen "demokratischen Kräften". Man glaubt damit, daß es einen Widerspruch zwischen Demokratie und Faschismus gebe. Tatsächlich war es so: indem die Demokratie der Arbeiterklasse die entscheidende Niederlage in den revolutionären Kämpfen von 1919-23 beigefügt hatte, war sie selbst zum Steigbügelhalter des Faschismus geworden. Die Demokratie ist nicht der Feind, der Staudamm gegen den Faschismus, sondern nur ihr Wegbereiter, sobald die Arbeiterklasse geschlagen ist. 1933 war ein Aufbäumen der Arbeiterklasse unmöglich geworden, weil das Kräfteverhältnis längst zugunsten des Kapitals gekippt war. ühlen. Und sie werden umso stärker, wenn die Arbeiterklasse es nicht schafft, sich auf ihrem Boden zur Wehr zu setzen. Wenn die Arbeiterklasse sich hinter die Demokratie, den Staat ziehen läßt, dann wäre langfristig das Tor zu einer Niederlage der Arbeiterklasse aufgestoßen. Aber heute ist dies noch nicht der Fall. Deshalb ist es so entscheidend, daß die Arbeiterklasse sich heute auf ihrem eigenen Boden gegen die Krise zur Wehr setzt. Wie das geht, und welche Bedingungen dafür existieren, haben wir in anderen Artikeln dieser Zeitung aufgezeigt. Dav. 12/92

DIE FRAGE DES SOZIALFASCHISMUS

Damals hat sich Trotzki insbesondere mit der Forderung identifiziert, SPD und KPD sollten sich zusammenschließen, um Hitler zu stoppen. Aber die Sozialdemokraten, die Henker der deutschen Revolution, dachten nicht im Traum daran, sich mit einer KPD zusammenzutun, die trotz ihrer späteren Entartung als ein Produkt eben dieser Revolution angesehen wurde, um eine NSDAP zu stoppen, welche sich bei Militär und Arbeitgebern einer wachsenden Beliebtheit erfreute.

Die Hauptzielscheibe von Trotzkis Kritik war jedoch die KPD bzw. die politische Linie der durch die stalinistische Konterrevolution zum Leichnam gewordenen Kommunistischen Internationale. Unter der Parole des Sozialfaschismus erklärte die Komintern bzw. die KPD die Sozialdemokraten zum Hauptfeind der Arbeiterklasse, mit der jegliche B

ündnispolitik ausgeschlossen sei. Trotzki polemisierte gegen diese Position. Dabei berief er sich auf Lenins Kritik an der Weigerung der deutsch-holländischen Linken (KAPD, KAPN) sowie der Führung der KP-Italiens Anfang der 20er Jahre (unter Bordiga), sich mit bürgerlichen "Demokraten" gegen Rechts zu verbünden. Sich auf Lenins Schrift "Der Linksradikalismus -eine Kinderkrankheit des Kommunismus" berufend, behauptete nun Trotzki, die stalinistische Politik der "Bekämpfung des Sozialfaschismus" sei identisch mit der Ablehnung der bürgerlichen Demokratie durch die kommunistische Linke. Diese Behauptung, welche von allen Trotzkisten bis auf den heutigen Tag wiederholt wird, war nichts als eine bösartige Verleumdung. Die Kommunistische Linke kämpfte für einen Zusammenschluß der Arbeiterklasse außerhalb und gegen alle bürgerlichen Institutionen, welche die Klasse stets zu spalten versuchen. Der Stalinismus dagegen wollte mit seiner "Bekämpfung des Sozialfaschismus" die SPD von der Führung eben dieser bürgerlichen Institutionen (vor allem die Gewerkschaften) verdrängen und ablösen. Diese stalinistische Anfeindung der SPD schloß eine Zusammenarbeit mit anderen bürgerlichen Parteien ausdrücklich nicht aus. So arbeitete die KPD zusammen mit den Betriebsorganisationen der NSDAP 1932 während des Berliner Verkehrsbetriebsstreiks. Dies war eine Vorwegnahme des Hitler-Stalin-Paktes von 1939. Danach - und bis zum deutschen Überfall auf die Sowjetunion 1941 erklärten die Stalinisten, der Hauptfeind des internationalen Proletariats sei der englische und französische Imperialismus. Und während die KPD 1932 behauptete, die bevorstehende Reichskanzlerschaft Hitlers sei der unmittelbare Auftakt zur proletarischen Machtübernahme in Deutschland, verkündeten die Marxisten als einzige die bittere Wahrheit, daß Hitler den Weg zum 2. imperialistischen Weltkrieg ebnete.

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