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Weltrevolution Nr.160

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Anti-Autoritäre in Griechenland: Reflexionen über die Gewalt

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Am 5. Mai wurde während der riesigen Demonstrationen in Athen gegen die Austeritätsmaßnahmen der griechischen Regierung die Marfin-Bank offenbar von Brandsätzen, die aus der Menge heraus geworfen worden waren, in Brand gesetzt. Drei Bankangestellte starben an Rauchvergiftung. Dieser Zwischenfall provozierte eine hektische Antwort der Regierung, die darauf erpicht war, sämtliche Demonstranten als extrem gewalttätige Rowdys zu brandmarken, und der Polizei, die eine Reihe von brutalen Razzien im von „Anarchisten“ dominierten Athener Bezirk Exarcheia durchführte. Die Toten wirkten sich auch eine Zeitlang betäubend auf die Entwicklung des Kampfes aus, da viele ArbeiterInnen sich nicht im Klaren waren, wie sie weiter verfahren sollen, oder gar die Notwendigkeit anerkannten, Austeritätsmaßnahmen zu akzeptieren, um „die Wirtschaft zu retten“ oder einen Rutsch ins Chaos zu vermeiden (zumindest laut jüngsten Meinungsumfragen, die behaupten, dass über 50 Prozent der Bevölkerung bereit seien, das drakonische EU/IWW-Paket zu akzeptieren, oder Lohnkürzungen dem nationalen Bankrott vorziehen).

Von Seiten der „Protestierenden“, von jener sehr beträchtlichen Zahl von Proletariern, die davon überzeugt sind, dass man sich den ökonomischen Angriffen widersetzen müsse, hat es vielfältige Reaktionen gegeben. Viele Stellungnahmen haben mit einiger Rechtfertigung dem Bankeigentümer, Vgenopoulos, die Schuld zugeschrieben, der Angestellte mit der Drohung des Arbeitsplatzverlustes dazu zwang, auf Arbeit zu bleiben, obwohl bekannt war, dass die Demonstrationsroute an der Bank vorbeiführte und Brandanschläge gegen Banken bei solchen Gelegenheiten allgemein üblich waren. Darüber hinaus waren die Eingänge zur Bank verschlossen, was es äußerst erschwerte, das Gebäude zu verlassen. (1) Andere (siehe beispielsweise die Stellungnahme von der „Anarchistischen Hocke“ auf dem „Occupied London Blog“ (2)) beschuldigten paramilitärische Banden, den Anschlag begangen zu haben.

Dies mag so sein oder auch nicht; doch eine Antwort, die an diesem Punkt verharrt, hilft uns nicht wirklich weiter, um zu verstehen, warum die Bourgeoisie in Griechenland solch einen extensiven Gebrauch von Agenten „unter falscher Fahne“ gemacht hat, um Provokationen und Gewalttätigkeiten zu begehen. Die Wahrheit ist, dass solche Aktivitäten im Zusammenhang mit einer Kultur der Gewalt von Minderheiten in einem beträchtlichen Teil des „antiautoritären“ Milieus in Griechenland durchaus gedeihen. Eine Hingabe zur Gewalt als Selbstzweck kann leicht zu einem positiven Hindernis für die Entwicklung einer breiten Klassenbewegung und ihrer Bemühungen werden, den Kampf gegen die staatlichen Anschläge auf die Lebensbedingungen der Arbeiterklasse zu organisieren und auszuweiten.

Die folgenden Stellungnahmen zeigen jedoch, dass die jüngste Tragödie einen ernsthaften Prozess der Selbstprüfung und des Nachdenkens innerhalb dieses Milieus andlungen Handlungenb

angeschoben hat. Die erste Stellungnahme ist ein Text von Genossen, die ebenfalls zum „Occupied London Blog“ beitragen, viele von ihnen griechischer Herkunft. Obgleich sie keinesfalls die Bourgeoisie von der Verantwortung für die Toten freispricht, versucht ihre Stellungnahme, zu den Wurzeln des Problems vorzudringen. „Es ist an der Zeit für uns, offen über die Gewalt zu sprechen und kritisch eine spezifische Gewaltkultur zu untersuchen, die sich in den letzten Jahren in Griechenland entwickelt hat. Unsere Bewegung war nicht stark geworden wegen den dynamischen Mitteln, die sie gelegentlich nutzt, sondern wegen ihrer politischen Artikulierung. Die Bewegung vom Dezember 2008 wurde nicht zu einem historischen Ereignis, weil Tausende von Leuten Steine und Molotow-Cocktails warfen, sondern hauptsächlich wegen ihrer politischen und sozialen Charakteristiken – und ihrer reichhaltigen Vermächtnisse auf dieser Ebene.“ (3)

Die zweite Stellungnahme ist aus einem längeren Text („Die Kinder von der Galerie“) von TPTG, einer libertär-kommunistischen Gruppe in Griechenland.(4) In der vorletzten Ausgabe unserer Zeitung veröffentlichten wir Teile eines Artikels, der von derselben Gruppe (auch wenn unter anderem Namen) (5) verfasst wurde, ein Text, der klar die Sabotagerolle enthüllt, die von den Gewerkschaften und der griechischen Kommunistischen Partei in der gegenwärtigen Welle von Streiks und Demonstrationen gespielt wird. Wie unsere französischen Genossen hervorgehoben haben, schienen einige Passagen in der vollständigen Ausgabe jenes Artikels nicht die Gefahr zu berücksichtigen, dass einige Gewaltakte, die im Verlauf breiter Kämpfe ausgeübt werden, ein kontraproduktives Resultat haben können. (6) Die unten veröffentlichte Passage zeigt im Gegenteil dieselbe kritische Herangehensweise wie das Statement von Occupied London, wenn beispielsweise geschrieben wird: „Was das anarchistisch/antiautoritäre Milieu selbst und seine vorherrschende rebellische Tendenz angeht, ist die Tradition einer fetischisierten, macho-haften Glorifizierung der Gewalt zu alt und zu durchgängig, als dass man ihr gleichgültig gegenüberstehen kann. Die Gewalt als ein Selbstzweck ist in all ihren Variationen (einschließlich des eigentlichen bewaffneten Kampfes) ständig und mittlerweile jahrelang propagiert worden, und besonders nach der Dezember-Rebellion ist ein gewisser Grad nihilistischen Zerfalls deutlich geworden.“

Wir können diesen Denkprozess nur ermutigen und hoffen, dass wir an den Debatten teilnehmen können, die von ihm ausgelöst werden. Sowohl das Statement von Occupied London als auch die vielen Artikel der TPTG argumentieren, dass die wahre Stärke der Bewegung in Griechenland und eigentlich jeder proletarischen Bewegung ihre Fähigkeit zur Selbstorganisation, Ausweitung und „politischen Artikulierung“ ist; und wir fügen hinzu, dass dies die wahre Alternative nicht nur zur substitutionistischen Gewalt einer Minderheit, sondern auch zur Unterdrückung der Klassenbewegung durch die „offiziellen“ Kräfte ist, die ihre Führung beanspruchen – die Gewerkschaften, die KP und die Linksextremen. World Revolution, 16.5.2010

 

 

Stellungnahme von Occupied London

Was haben wir ernsthaft zu den Zwischenfällen vom Mittwoch zu sagen?

Der folgende Text fasst einige anfängliche Gedanken von einigen unter uns hier bei Occupied London über die tragischen Ereignisse am Mittwoch zusammen. Die englische und griechische Version folgt – bitte verbreitet den Text weiter.

Was haben wir ernsthaft zu den Zwischenfällen vom Mittwoch zu sagen?

Was bedeuten die Ereignisse vom Mittwoch (5.5.) ganz ehrlich für die anarchistisch-antiautoritäre Bewegung? Wie verhalten wir uns gegenüber dem Tod dieser drei Menschen – ungeachtet dessen, wer ihn verursacht hat? Wie verhalten wir uns als Menschen und als Leute im Kampf? Wir, die wir nicht akzeptieren, dass solche Dinge „isolierte Vorfälle“ (der Polizei- oder Staatsgewalt) sind, und die auf die tägliche Gewalt zeigen, die vom Staat und vom kapitalistischen System ausgeübt wird. Wir, die wir den Mut haben, die Dinge beim Namen zu nennen; wir, die jene, die Migranten auf Polizeirevieren foltern, oder jene entlarven, die in den glamourösen Amtsräumen und TV-Sendern mit unserem Leben spielen. Also, was haben wir nun zu sagen?

Wir könnten uns hinter der Stellungnahme verstecken, die von der Gewerkschaft der Bankangestellten (OTOE) herausgegeben wurde, oder hinter den Anschuldigungen der Arbeitgeber in der Bankenbranche; oder wir könnten uns an der Tatsache halten, dass die Dahingeschiedenen gezwungen wurden, in einem Gebäude ohne Brandschutz zu verbleiben – und dabei sogar eingeschlossen wurden. Wir könnten auch dabei bleiben, was für ein Abschaum Vgenopoulos, der Besitzer der Bank, ist; oder auch dabei, wie dieser tragische Vorfall dafür benutzt wird, eine unerhörte Repression auszulösen. Wer immer es wagte, am Mittwochabend durch Exarcheia zu gehen, hat bereits eine klare Vorstellung darüber. Doch darum geht es nicht.

Für uns geht es darum zu sehen, wie groß unser, unser aller Anteil an der Verantwortung ist. Wir sind alle gemeinsam verantwortlich. Ja, wir haben recht, wenn wir mit all unserer Kraft gegen die ungerechten Maßnahmen kämpfen, die uns aufgezwungen werden; wir haben recht, wenn wir mit all unserer Macht und Kreativität für eine bessere Welt kämpfen. Doch als politische Wesen sind wir alle gleich verantwortlich für jede einzelne politische Wahl, die wir treffen, für die Mittel, die wir uns angeeignet haben, und für unser Schweigen, jedes Mal wenn wir unsere Schwächen und unsere Fehler nicht einräumen. Wir, die wir nicht die Leute bescheißen, um Stimmen zu gewinnen, wir, die wir kein Interesse haben, jemand auszubeuten, haben die Fähigkeit, unter diesen tragischen Umständen ehrlich mit uns selbst und jenen um uns herum zu sein.

Was die griechische anarchistische Bewegung derzeit erlebt, ist die totale Lähmung. Weil es bedrückende Bedingungen für eine harte Selbstkritik sind, für eine Kritik, die weh tut. Abgesehen von der schrecklichen Tatsache, dass Leute gestorben sind, die auf „unserer Seite“ waren, auf der Seite der ArbeiterInnen – ArbeiterInnen unter äußerst schwierigen Bedingungen, die es ziemlich sicher vorgezogen hätten, an unserer Seite mit zu marschieren, wenn die Dinge sich verschlimmern auf ihrem Arbeitsplatz -, abgesehen davon sind wir hiermit auch mit Protestierenden konfrontiert, die das Leben von Menschen in Gefahr bringen. Selbst wenn (und dies steht außer Frage) es keine Absicht gab zu töten, so ist dies eine wichtige Frage, die einige Diskussionen auslösen kann – so manche Diskussion bezüglich der Ziele, die wir uns gesetzt haben, und der Mittel, die wir wählen.

Der Vorfall ereignete sich nicht bei Nacht, als eine Sabotageaktion. Er geschah während der größten Demonstration in der zeitgenössischen griechischen Geschichte. Und hier stellt sich eine Reihe schmerzender Fragen: Ganz allgemein, gibt es in einer Demonstration von 150-200 000 Menschen, einmalig in den letzten Jahren, wirklich ein Bedürfnis nach einer „Heraufstufung der Gewalt“? Wenn man sieht, wie Tausende rufen: „Brenne, Parlament, brenne!“ und auf die Bullen fluchen, hat da eine weitere niedergebrannte Bank der Bewegung wirklich mehr anzubieten?

Wenn die Bewegung sich anschickt, massenhaft zu werden – wie im Dezember 2008 -, was kann eine Aktion anbieten, wenn sie die Grenzen dessen überschreitet, was eine Gesellschaft (zumindest zum gegenwärtigen Zeitpunkt) aushalten kann, oder wenn sie menschliches Leben in Gefahr bringt?

Wenn wir uns auf die Straße begeben, sind wir eins mit den Leuten um uns herum, auf ihrer Seite, mit ihnen – darum geht es, wenn wir unsere Hintern bewegen, um Texte und Plakate zu verfassen -, und unsere Vorbehalte sind ein einzelner Parameter unter vielen, die zusammenkommen. Es ist an der Zeit für uns, offen über die Gewalt zu sprechen und kritisch eine spezifische Gewaltkultur zu untersuchen, die sich in den letzten Jahren in Griechenland entwickelt hat. Unsere Bewegung war nicht stark geworden wegen den dynamischen Mitteln, die sie gelegentlich nutzt, sondern wegen ihrer politischen Artikulierung. Die Bewegung vom Dezember 2008 wurde nicht zu einem historischen Ereignis, weil Tausende von Leuten Steine und Molotow-Cocktails warfen, sondern hauptsächlich wegen ihrer politischen und sozialen Charakteristiken – und ihrer reichhaltigen Vermächtnisse auf dieser Ebene. Natürlich reagieren wir auf die Gewalt, die gegen uns ausgeübt wird, und dennoch sind wir umgekehrt dazu aufgefordert, über unsere politischen Alternativen wie auch über die Mittel zu reden, die wir uns angeeignet haben, wobei wir unsere – und ihre – Grenzen erkennen müssen.

Wenn wir über Freiheit sprechen, bedeutet es, dass wir in jedem einzelnen Moment daran zweifeln, was wir gestern noch für selbstverständlich hielten. Dass wir es wagen, den ganzen Weg zu gehen und ohne klischeehafte politische Formulierungen den Dingen ins Auge schauen, wie sie sind. Es ist klar, dass wir, weil wir Gewalt nicht als Selbstzweck betrachten, ihr nicht gestatten dürfen, ihren Schatten auf die politische Dimension unserer Aktionen zu werfen. Wir sind weder Mörder noch Heilige. Wir sind Teil einer sozialen Bewegung, mit unseren Schwächen und Fehlern. Statt uns nach einer solch enormen Demonstration stärker zu fühlen, fühlen wir uns heute wie betäubt, um es vorsichtig zu formulieren. Dies an sich spricht Bände. Wir müssen diese tragische Erfahrung in eine Gewissensprüfung umwandeln und uns einander inspirieren, da wir letztendlich alle auf der Grundlage unseres Bewusstseins handeln. Und die Pflege solch eines kollektiven Bewusstseins steht dabei auf dem Spiel.

 

 

 

 

Aktuelles und Laufendes: 

  • Proteste in Griechenland [1]
  • Krisenprogramm Griechenland [2]
  • Klassenkampf Griechenland [3]

Bundeswehr in Afghanistan - Die Logik des Krieges

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Vor über sieben Monaten, am 4. September 2009, ließ ein Oberst der deutschen ISAF-Kräfte in Afghanistan entgegen aller Einsatzregeln und trotz wiederholter Einwände der amerikanischen Piloten zwei angeblich von den Taliban bei Kunduz entführte Tanklaster von amerikanischen Militärjets bombardieren, was zum Tod von über 140 Menschen, die meisten von ihnen Zivilisten, führte. Vor gut einem Monat, am 2. und 15. April 2010, wurden bei Angriffen der Taliban in der Provinz Baghlan insgesamt sieben deutsche Soldaten getötet, was die Gesamtzahl der in Afghanistan getöteten deutschen Soldaten auf 43 hochschnellen ließ. Kurz darauf erschossen Bundeswehrsoldaten versehentlich sechs afghanische Regierungssoldaten, als diese der Aufforderung, anzuhalten, nicht nachkamen. Diese Vorfälle stehen im Zeichen einer Akzentverschiebung in der Afghanistan-Politik des deutschen Imperialismus. Vorbei die Zeiten, als die deutsche Diplomatie einen regelrechten Eiertanz um das Unwort Krieg veranstaltete, wenn es darum ging, den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan zu erklären. Vorüber auch die Zeiten, als die deutsche Politik uns den Afghanistan-Einsatz noch vornehmlich als humanitären Einsatz und die deutschen ISAF-Kräfte als Wiederaufbauhelfer in Uniform verkaufen wollte. Jetzt wird Tacheles geredet: Schneidig erklärt der neue Verteidigungsminister Guttenberg nun, dass die deutschen Soldaten sich in Afghanistan in einem veritablen Krieg befinden.

Die Rückkehr des deutschen Militarismus

In gewisser Weise war dies ein Tabubruch. Seit Gründung der Bundesrepublik 1949 war die deutsche Bourgeoisie stets emsig darum bemüht gewesen, ihren fortbestehenden imperialistischen Heißhunger hinter einer Fassade des Pazifismus und Antimilitarismus zu verbergen. So gehörte zu ihrer Gründungsmythologie der schöne Vorsatz, dass von deutschem Boden kein Krieg mehr ausgehen dürfe. Alles Militärische verschwand aus der Öffentlichkeit, eine Glorifizierung und Verherrlichung der eigenen kriegerischen Vergangenheit, wie sie sonst überall noch heute selbstverständlich ist, wird bis heute von der deutschen Bourgeoisie tunlichst unterlassen. Das Primat der Zivilgesellschaft trieb dabei seltsame Blüten: Soldaten wurden nicht mehr Soldaten genannt, sondern waren fortan „Bürger in Uniform“. Militärische Rituale wie der Zapfenstreich und die öffentliche Vereidigung von Rekruten verschwanden für lange Zeit in der Mottenkiste.

Dieser formelle Antimilitarismus war sicherlich dem Umstand geschuldet, dass der deutsche Imperialismus als Verlierer aus dem II. Weltkrieg hervorgegangen war. Und das nicht nur militärisch; auch moralisch war der deutsche Imperialismus aufgrund der ungeheuren Verbrechen, die die Wehrmacht und SS im II. Weltkrieg begangen hatten, zutiefst diskreditiert. Doch in den 40 Jahren des Kalten Krieges zwischen Ost und West erwies sich diese teils aufgezwungene, teils freiwillige Zurückhaltung in Sachen Militarismus durchaus als vorteilhaft für die deutsche Bourgeoisie. Letztere verstand es meisterhaft, die Welt von ihrer Läuterung zu überzeugen und in die Rolle des „friedlichen Maklers“ zwischen Ost und West, Nord und Süd zu schlüpfen. Gar nicht zu reden von den ökonomischen Vorteilen, die sich daraus ergaben, dass die deutsche Wirtschaft weitaus weniger von unproduktiven Rüstungsausgaben belastet wurde als andere Volkswirtschaften.

Auch nach dem Zusammenbruch des Ostblocks blieb der deutsche Imperialismus zunächst seiner Linie treu, als es ihm gelang, sich von einer militärischen Beteiligung am sog. Golfkrieg Anfang der 90er Jahre frei zu kaufen. Und selbst als sich die Einsätze deutscher Soldaten im Rahmen von UN- oder NATO-Missionen im Verlaufe der folgenden zwei Jahrzehnte häuften, hielt die deutsche Politik unbeirrt an ihrer Friedensrhetorik fest. Entweder sie verklärte diese Militäreinsätze als „Friedensmissionen“, als „humanitäre Hilfe“, oder sie bemühte gar – wie im Kosovo-Krieg – ihre eigene dunkle Vergangenheit, indem sie den Slogan: „Nie wieder Krieg!“ in „Nie wieder Ausschwitz!“ umwandelte. Dabei kam ihr der Umstand entgegen, dass es bei diesen Einsätzen – mit Ausnahme des Kosovo-Kriegs – so gut wie nie zu militärischen Auseinandersetzungen kam. Und dies obwohl beispielsweise die Kette der Balkankriege anfangs maßgeblich durch Deutschland angezettelt wurde, indem es die Unabhängigkeitsbestrebungen Sloweniens und Kroatiens gegen den Willen der anderen Großmächte unterstützte.

So verhielt es sich bis in die jüngste Zeit auch im Fall Afghanistan. Der deutsche Imperialismus verfuhr hier nach dem Motto: Wasch mir den Pelz, aber mach‘ mich nicht nass. Militäreinsatz ja, aber bitte ohne Krieg! Er verweigerte sich konsequent der wiederholt vorgetragenen Bitte der USA um massive Aufstockung der eigenen Truppen und ihre Entsendung in den umkämpften Süden Afghanistans. Stattdessen verfolgte er die Absicht, gegen den militärisch übermächtigen US-Imperialismus zu punkten, indem er die Prioritäten des ISAF-Einsatzes umzukehren versuchte. Gebetsmühlenartig wiederholten deutsche Politiker ihr Mantra: zivile Aufbauhilfe vor militärischer Niederschlagung der Taliban.

Nun scheint jedoch die Zeit des Versteckspielens vorbei. Der Mythos von einem pazifistischen, antimilitaristischen Deutschland ist in der afghanischen Einöde zerschellt. Nach Jahren der relativen Ruhe in Kunduz sehen sich die deutschen Soldaten nunmehr fast täglich Anschlägen der Taliban ausgesetzt. Und siehe da, unter dem humanitären Schleier der Bourgeoisie blitzt plötzlich das altbekannte Antlitz des deutschen Militarismus wieder hervor. Während das Massaker vom 4. September tagelang von der Bundesregierung vertuscht wurde und bis heute ungeahndet ist, kam die Reaktion des Bundesverteidigungsministers Guttenberg auf die tödlichen Anschläge auf Bundeswehrsoldaten im vergangenen April prompt. Da war die Rede von einem „hinterhältigen Anschlag“, von „feigen Mördern“ und von „Terroristen“, die es zu verfolgen gelte, von „Kameraden“, die „gefallen“ sind. Vielen Überlebenden der Weltkriegsgeneration dürfte dieser markige Jargon bekannt vorkommen, hatte sich doch die Wehrmacht gegenüber den Freischärlern in den von ihr besetzten Ländern einer ähnlichen Wortwahl bedient.

Afghanistan – ein deutsches Vietnam?

Immer größeren Kreisen der herrschenden Klasse dämmert, dass der Krieg in Afghanistan militärisch nicht zu gewinnen ist. Es gibt gar Stimmen, die über ein drohendes „deutsches Vietnam“ unken. Dennoch deutet vieles darauf hin, dass der deutsche Imperialismus nolens volens immer tiefer in den Krieg in Afghanistan verstrickt wird. Gefangen in der Logik des Krieges, antwortet er auf jeden erfolgreichen Anschlag der Taliban mit einer weiteren Aufrüstung und personellen Aufstockung seiner Truppen vor Ort. So forderte der Wehrbeauftragte der Bundeswehr nach den tödlichen Anschlägen gegen deutsche Soldaten Anfang und Mitte April den Einsatz von Leopard II-Panzern in Afghanistan – eine Forderung, die nicht etwa aus politischen Erwägungen, sondern aus militärischen Gründen abgelehnt wurde. Dafür kündigte Guttenberg den Einsatz von Panzer-Haubitzen mit großer Reichweite an und unternimmt damit einen weiteren Schritt bei der Ausweitung des militärischen Engagements.

Wie ist diese Diskrepanz zu erklären? Neben den geostrategischen Interessen, die auch der deutsche Imperialismus in dieser Region hat, gibt es noch einen anderen gewichtigen Grund, warum die deutsche Bourgeoisie ihr militärisches Engagement in Afghanistan vorläufig nicht beendet. Er ist in der Änderung der Strategie des US-Imperialismus seit dem Machtantritt Obamas zu finden, die der Niederlage des US-Unilaterialismus unter Bush jun. Rechnung trägt und eine Politik der verstärkten Einbindung der Alliierten forciert. Während die Bush-Administration sich zwar über die „feigen Deutschen“ in Afghanistan mokierte, sie ansonsten aber in Ruhe ließ, lässt Obama über die deutsche Rolle in Afghanistan offiziell nur Gutes verbreiten, um hinter den Kulissen umso resoluter eine Ausweitung der deutschen Beteiligung an den internationalen Truppen zu fordern. Nur so lässt sich die zusätzliche Entsendung von 500 Soldaten nach Afghanistan und die Ausweitung des deutschen Engagements nach Baghlan (eben jene Provinz, in der die jüngsten tödlichen Anschläge gegen deutsche Truppen stattfanden) erklären. Denn der Preis, den der deutsche Imperialismus im Falle seiner Verweigerung gegenüber den USA oder gar seines Rückzugs aus Afghanistan bezahlen müsste, wäre hoch: Deutschland würde sich in den Rang eines Zaungastes des imperialistischen Schauspiels katapultieren, verschmäht und geringgeschätzt von den USA und anderen Großmächten. Und dies just zu einem Zeitpunkt, wo dank des neuen Multilateralismus der Obama-Administration die eigenen Einflussmöglichkeiten potenziell gestiegen sind.

Der Afghanistan-Krieg als Katalysator des Klassenbewusstseins

Es gibt Kriege im niedergehenden Kapitalismus, die eine negative Auswirkung auf das Bewusstsein der Arbeiterklasse haben, die es trüben und verwirren. Ein solcher Krieg war beispielsweise der II. Weltkrieg. Damals war es insbesondere den angelsächsischen Bourgeoisien gelungen, ihre Völker mittels der demokratischen und antifaschistischen Mystifikation für den Eintritt in den Krieg gegen die Achsenmächte zu erwärmen und zu mobilisieren, und dies obwohl die britische und US-amerikanische Arbeiterklasse nicht – wie ihre deutschen Klassenbrüder- und schwestern – traumatisiert war durch eine niedergeschlagene Revolution wie 1918-23 in Deutschland. Auch die sog. Befreiungskriege, die in den 60er und 70er Jahren insbesondere den afrikanischen Kontinent erschütterten, waren einer Bewusstseinsbildung in der Arbeiterklasse vor Ort in keiner Weise dienlich. Sie ertränkten sie vielmehr in einem Meer von Nationalismus und erstickten ihre aufkommenden Kämpfe.

Es gibt jedoch auch Kriege in derselben Epoche, die das Klassenbewusstsein stimulieren und den ArbeiterInnen die Augen über die inhumane, destruktive Natur des dekadenten Kapitalismus öffnen. Das Beispiel schlechthin für einen solchen Fall ist zweifellos der I. Weltkrieg, der von der revolutionären Welle des Proletariats beendet wurde, die damals halb Europa überflutet und in Russland sowie in Deutschland ihren Höhepunkt gefunden hatte. Es gibt Gründe anzunehmen, dass auch der Afghanistan-Krieg zu einem wichtigen Katalysator des Klassenbewusstseins werden kann, denn vielleicht, wenn natürlich auch nicht vergleichbar mit der Wirkung des I. Weltkriegs. In der Tat ist dieser Krieg in Deutschland – und nicht nur dort - ziemlich unpopulär. Gelang es anfangs noch, der Arbeiterklasse den Einsatz deutscher Truppen in Afghanistan als „Kampf gegen den Terrorismus“ zu verkaufen, sind heute laut offiziellen Umfragen zwei Drittel der Bevölkerung der Auffassung, dass – al-Qaida hin, Taliban her - deutsche Truppen nichts in Afghanistan zu suchen haben. Auch und gerade unter den deutschen Soldaten in Kunduz – zumeist junge Angehörige der Arbeiterklasse, die sich in Ermangelung von Jobs auf dem zivilen Arbeitsmarkt für einige Jahre bei der Bundeswehr „selbstverpflichtet“ haben – wachsen die Zweifel über ihren Einsatz; die Zahl der Selbstmorde in „Camp Warehouse“, dem Stationierungsort der deutschen Soldaten, wächst.

Vor allem aber der Umstand, dass der Afghanistan-Krieg just zu dem Zeitpunkt zu eskalieren scheint, wo die Arbeiterklasse von den Folgen der schlimmsten Weltwirtschaftskrise seit 1929 heimgesucht wird, könnte zu einer Beschleunigung des Denkprozesses in der Arbeiterklasse in Deutschland führen. Angesichts der Milliardenausgaben für das Afghanistan-Abenteuer wird es den Herrschenden schwerfallen, ihren bevorstehenden Generalangriff auf die Arbeiterklasse zu legitimieren. Und die Schar jener wird steigen, die sich angewidert von diesem Gesellschaftssystem abwenden, das nichts als Tod und Verderben, Krise und Krieg zu bieten hat. Jo 18.5.2010

Aktuelles und Laufendes: 

  • Bundeswehreinsatz Afghanistan [4]
  • Kunduz [5]
  • deutscher Militarismus [6]

Leute: 

  • Guttenberg Afghanistan [7]

Die Folgen der Wiedervereinigung für die Arbeiterklasse in Ost und West - Teil 3

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Die ostdeutsche Arbeiterklasse erlebte in den Wendejahren eine wahre Achterbahnfahrt der Gefühle. Nach der Erleichterung über das unblutige Ende des stalinistischen Regimes, dem ekstatischen Freudentaumel bei der Einführung der D-Mark und der Euphorie über die Wiedervereinigung folgte im Laufe des Jahres 1990 jäh ein Katzenjammer, von dem sich die Arbeiterklasse in Ostdeutschland bis heute nicht richtig erholt hat. Die Unterschriften unter dem Einheitsvertrag waren noch nicht trocken, da wurden die ostdeutschen Lohnabhängigen schon mit einem für sie völlig neuen Phänomen konfrontiert – mit der Arbeitslosigkeit. Waren sie zu DDR-Zeiten per Verfassung noch vor Entlassungen geschützt gewesen (was sie allerdings nicht vor der versteckten Arbeitslosigkeit bewahrt hatte), mussten sie nun miterleben, wie sich ihre beruflichen Existenzen in Luft auflösten. „In Ostdeutschland war der Beschäftigungsabbau seit 1989 rasant. Waren im Umbruchjahr noch rund 9,7 Mio. Erwerbstätige zu verzeichnen, erreichte die Zahl der Erwerbstätigen 1997 mit 6,05 Mio. ihren absoluten Tiefpunkt, der den bisherigen Tiefststand von 1993 (knapp 6,6 Mio.) nochmals deutlich unterschritt (...) Nachdem die Arbeitslosenquote bis 1995 auf 14,9% in den ostdeutschen Bundesländern gesunken war, ist sie bis 1997 auf fast 19,5% angestiegen. Ihren bisherigen Höchstpunkt erreichte die Unterbeschäftigung in Ostdeutschland im Februar 1998 mit einer Arbeitslosenquote von 22,9%.“[1] Das ganze Ausmaß dieser Explosion der Arbeitslosigkeit enthüllt sich erst, wenn man berücksichtigt, dass ein großer Teil der Beschäftigten sein Dasein in sog. ABM-Maßnahmen fristete und nicht in die offizielle Statistik einfloss. Besonders hart getroffen wurde der Industriesektor: Vier von fünf Arbeitsplätzen gingen über den Jordan.

Neben dem wirtschaftlichen Verlust, der mit der Arbeitslosigkeit einherging, wog besonders der Umstand schwer, dass mit dem Verlust des Arbeitsplatzes auch der Lebensmittelpunkt, die Identität der ostdeutschen Arbeiterklasse verloren ging. Denn anders als westdeutsche und Westberliner ArbeiterInnen definierten (und definieren) sich die Angehörigen der ostdeutschen Arbeiterklasse noch schlicht und einfach als... Arbeiter.[2] Hier zählte noch das Kollektiv, anders als der Individualismus, wie er vorwiegend unter ihren westlichen Klassenbrüdern und -schwestern noch herrscht. Darüber hinaus – und in krassem Gegensatz zur tatsächlichen materiellen Lage – war das DDR-Regime stets darum bemüht gewesen, die ostdeutsche Arbeiterklasse propagandistisch zu überhöhen („führende Kraft beim Aufbau des Sozialismus“ u.ä.). All dies wurde nun, kaum dass die DDR ihr elendes Leben ausgehaucht hatte, in Abrede gestellt. Die westdeutschen Invasoren gaben sich keine große Mühe, ihre Geringschätzung gegenüber dem Tun und Schaffen der „Ossis“ zu verbergen; ganze Biographien wurden in Frage gestellt. Es war die Zeit, als das Wort vom „Besserwessi“ die Runde machte, also von jenen Westdeutschen, die sich bei ihrem Auftreten in den „neuen Bundesländern“ wie Kolonialherren gegenüber primitiven Eingeborenen aufführten.

Es versteht sich von selbst, dass angesichts dieser maßlosen Entwertung ihrer bisherigen Existenz die Einheitseuphorie der Ostdeutschen abrupt einer großen Verbitterung wich. Dass diese nicht in eine größere Protestbewegung mündete, hat sicherlich auch mit der Demoralisierung zu tun, die sich gleichzeitig in der ostdeutschen Bevölkerung breitmachte. Schließlich hatte sich ausgerechnet ihre größte Hoffnung, der Anschluss an die Verheißungen des „goldenen Westens“, als größte Bedrohung ihrer Existenz und Biographie entpuppt. Stattdessen suchten (und suchen) immer mehr Menschen in Ostdeutschland Zuflucht in der „Ostalgie“, der Verklärung der alten DDR, die allem Anschein nach mit zunehmender zeitlicher Distanz sogar noch wächst.[3]

Schlimmer noch: bei ihrer Suche nach einem Sündenbock für ihre entwürdigende Lage verirrten sich Teile der ostdeutschen Arbeiterklasse auf das Terrain der Fremdenfeindlichkeit und des Rassismus. Die neunziger Jahre waren gezeichnet von einer nicht enden wollenden Kette von gewalttätigen Übergriffen gegen Ausländer, besonders gegen Südeuropäer und Afrikaner, mit Toten und Schwerverletzten, von Brandanschlägen gegen Asylheime (Rostock-Lichtenhagen, um nur das spektakulärste Beispiel zu nennen) und Döner-Buden. Diese entsetzlichen Taten - begangen von jungen ostdeutschen Arbeitern, unter stillschweigender Zustimmung der Älteren - konnten geschehen, weil die Xenophobie schon lange zuvor zum Alltag der ostdeutschen Arbeiterklasse gehört hatte.[4] Diese fürchterliche Intoleranz gegenüber dem Fremden – die giftige Frucht des Stalinismus, der seit jeher ein Virtuose auf dem Gebiet des Völkerhasses war, aber auch das Ergebnis einer jahrzehntelangen Isolierung von der Welt und dem Weltmarkt – wurde darüber hinaus von westdeutschen Neonazis angestachelt, die schon kurz nach der Wende ihre Pflöcke in den Osten steckten und erfolgreich Kapital aus den ausländerfeindlichen Ressentiments schlugen. Auch der deutsche Staat trug sein Scherflein zur Pogromstimmung in den ostdeutschen Gemeinden bei, indem er ostdeutschen Dörfern Asylheime vor die Nase setzte, deren Bewohnerzahl deutlich die der Dörfler überstieg. Erst als auch EU-Europäer, Japaner und Amerikaner Opfer von rechtsradikal motivierten Übergriffen wurden und die internationale Reputation der Bundesrepublik sowie ihr Ruf als Wirtschaftsstandort Schaden zu nehmen drohte, trat der „Rechtsstaat“ energischer auf den Plan. Ohne jedoch für ein endgültiges Ende dieses Spukes zu sorgen.

Dass es den Neonazis gelang, sich in ostdeutschen Gemeinderäten, ja sogar Länderparlamenten vorübergehend zu etablieren, erklärt sich aber auch aus der demographischen Entwicklung in Ostdeutschland, die sich in einer enormen Ausdünnung der Bevölkerung äußerte. Allein in den ersten Jahren, von der Wende 1989 bis 1995, verließen fast 1,7 Millionen Ostdeutsche ihre Heimat, um ihr berufliches Glück in Westdeutschland oder gar im Ausland (Schweiz, Österreich) zu suchen. Seitdem hat der Strom der Auswanderer zwar abgenommen, dennoch ist die Bevölkerungsbilanz Ostdeutschlands auch heute noch negativ. Dabei fällt auf, dass es vor allem junge, gut qualifizierte Frauen sind, die ihrer ostdeutschen Heimat den Rücken kehren. Zurück bleiben, neben den Alten, viele frustrierte Männer, oft ungebildet und anfällig für die rechten Rattenfänger.

Doch die Bevölkerung Ostdeutschlands wird nicht nur durch die Abwanderung dezimiert, sondern auch durch den „Gebärstreik“ der ostdeutschen Frauen: So „betrug der ostdeutsche Geburtenrückgang von 1990 auf 1991 40%, von 1991 auf 1992 19% und von 1992 auf 1993 nochmals 8%, und er hat sich erst seit 1994 stabilisiert. Ab 1996 ist wieder eine leichte Zunahme zu verzeichnen; mit einer Geburtenrate von 6,5 pro 1.000 Einwohner im Jahre 1997 hat sich das ostdeutsche Geburtenniveau gegenüber dem Jahr 1989 beinahe halbiert und erreicht lediglich 60% des westdeutschen Niveaus, das in diesem Zeitraum praktisch stabil geblieben ist.“[5] Das Statistische Bundesamt hat im Rahmen der „11. Koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung nach Bundesländern“ prognostiziert, dass die Bevölkerung Ostdeutschlands, Ende der achtziger Jahre noch über 17 Millionen stark, bis zum Jahr 2050 auf 9,1 Millionen sinken werde. Was dies bedeutet, kann man sich in vielen Regionen Brandenburgs und Mecklenburg-Vorpommerns bereits heute anschauen. Ganze Dörfer vergreisen und werden auf kurz oder lang ganz verlassen sein; in vielen Städten ist das öffentliche Leben erloschen, denn fast alles, was jung ist, hat das Weite gesucht. Und während in den alten Bundesländern Wohnungsmangel herrscht, wurden in vielen ostdeutschen Städten ganze Wohnsiedlungen wegen Leerstand abgerissen. So rückt die Vision eines helvetischen Naturparkexperten, große Teile der neuen Bundesländer wieder der Natur zu überlassen, immer näher...

Das Schicksal der ostdeutschen Arbeiterklasse in den letzten zwanzig Jahren ist in gewisser Weise einmalig. Anders als die ArbeiterInnen aus den anderen Ländern des ehemaligen Warschauer Paktes erlebte sie den Übergang von der stalinistischen „Plan“wirtschaft zur westlichen „Markt“wirtschaft im Zeitraffer. Ihr Sturz ins soziale Nichts geschah rasend schnell, ihre Desillusionierung über den westlichen Kapitalismus war unermesslich. Doch auch ihre Klassenbrüder und -schwestern jenseits des einstigen Eisernen Vorhangs kamen nicht ungeschoren davon. Immerhin trugen sie über die Sozialversicherungskassen (s.o.) maßgeblich zur Finanzierung der Wiedervereinigung bei. Durch die steigenden Abgaben für die Arbeitslosen-, Renten- und Krankenversicherung kam es im Verlaufe der neunziger Jahre zu erheblichen Reallohneinbußen, was dazu führte, dass der westdeutsche Durchschnittslohn im internationalen Vergleich zurückfiel. Ferner litt die Lebensqualität in Westdeutschland noch in einem anderen Sinn unter der Wiedervereinigung: Während in Ostdeutschland im Rahmen des „Aufbaus Ost“ an vielen Orten eine moderne Infrastruktur entstand, verrotteten in den westdeutschen Kommunen die Straßen und Brücken, wurden Büchereien und Kindergärten geschlossen. Und um das Maß vollzumachen, wurde (und wird) den Lohnabhängigen (und nur ihnen!) der sog. „Solidaritätsbeitrag“ für Ostdeutschland abverlangt.[6] In Berlin, wo Ost und West direkt aufeinanderprallten, gab es noch ein weiteres Opfer der Wiedervereinigung: die Arbeitsimmigranten. Sie wurden im Verlaufe der neunziger Jahre aus der Produktion ausgemustert und durch hoch motivierte Ostberliner Arbeiter und Arbeiterinnen ersetzt. Die Folge: in Berlin konzentrieren sich die Problemgebiete nicht im Ostteil der Stadt, sondern in den Westberliner Bezirken mit hohem Immigrantenanteil (Kreuzberg, Neukölln, Wedding, Spandau).

Wir sehen also, dass die Arbeiterklasse in Ost- und Westdeutschland gemeinsam, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß, an den Folgen der Wiedervereinigung litt. Doch gemeinsame Not schweißt nicht unbedingt zusammen. Dies lehrt uns jedenfalls die Erfahrung aus den ersten zwanzig Jahren der deutschen „Einheit“. Kaum war die erste Euphorie über den Fall der Mauer verflogen, machten sich die ersten Risse zwischen den beiden Teilen der Arbeiterklasse in Deutschland bemerkbar. Insbesondere unter den ArbeiterInnen Westdeutschlands und Westberlins machte sich schon früh Skepsis hinsichtlich der Folgen der Wiedervereinigung breit. In den grenznahen Regionen stöhnte man unter der Invasion der „Ossis“, die die Geschäfte leer kauften. Auch fühlten sich viele aufgeschlossene ArbeiterInnen, die die Arbeitsimmigranten stets als ein Teil ihrer Arbeitswelt wahrgenommen hatten, von der plumpen Ausländerfeindlichkeit mancher ihrer ostdeutschen KollegInnen abgestoßen. Noch schwerer wog der Vorwurf, die ostdeutschen ArbeiterInnen würden mit ihrer Übermotiviertheit die Standards untergraben, die sich die Arbeiterklasse Westdeutschlands mühsam erkämpft hatte.

Es versteht sich von selbst, dass diese Misshelligkeiten flugs von den bürgerlichen Boulevardmedien aufgegriffen wurden, um die Spaltung zu vertiefen und zu verinnerlichen. „Jammerossis gegen Besserwessis“ hieß es jahrelang in den Schlagzeilen der west- und ostdeutschen Revolverblätter. Den Vogel schossen allerdings die Gewerkschaften ab. Sie zementierten durch eine geteilte Tarifpolitik die Spaltung auf dem ökonomischen Gebiet. Bis heute müssen ArbeiterInnen in Ostdeutschland für weniger Geld länger arbeiten. Auch der traurige Höhepunkt in der Entfremdung zwischen der Arbeiterklasse in Ost- und Westdeutschland geht auf das Konto der gewerkschaftlichen Spalter – der Streik der ostdeutschen Metaller im Jahr 2003 für die 35-Stunden-Woche. Hier spielte die IG Metall ein doppeltes Spiel: Einerseits trieb sie die ostdeutschen Metallarbeiter in diesen Konflikt, wohl wissend, dass Wohl und Weh ihes Kampfes von der Zustimmung und Solidarität ihrer KollegInnen in Westdeutschland abhing. Andererseits verhinderte sie eben diese Solidarisierung durch ihre Betriebsratsbonzen in den Betrieben der westdeutschen Metallbranche. Es drohte eine direkte Konfrontation zwischen ost- und westdeutschen Arbeitern; denn der Streik in den ostdeutschen Zulieferbetrieben drohte die Produktion in den westdeutschen Automobilfabriken lahmzulegen. Zudem gab es hässliche Auseinandersetzungen zwischen den Streikenden und Streikbrechern, die aus Westdeutschland herangekarrt wurden. Unter dem Druck der Öffentlichkeit wurde der Streik ergebnislos beendet. Es sollte der erste und letzte nennenswerte Widerstand der ostdeutschen Arbeiterklasse bleiben.

Mittlerweile sind fast zwanzig Jahre seit der Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 vergangen. Eine neue Generation ist ins Arbeitsleben getreten, die in den Wendejahren geboren wurde und nichts anderes kennt als den Kapitalismus westlicher Prägung. Sie ist frei von vielen Gebrechen, unter denen die noch in der DDR sozialisierten Generationen nach dem Fall der Mauer litten – das Gefühl, ein Underdog zu sein, die xenophoben Ressentiments, etc. Sie ist unbelastet von dem Dünkel, der das Denken und Verhalten nicht weniger in der Bonner Republik aufgewachsener ArbeiterInnen gegenüber den ostdeutschen Klassenbrüdern und -schwestern prägte. Und sie kann auf einen Schatz von Erfahrungen bauen, der einmalig in der Welt ist. Denn die deutsche Arbeiterklasse bündelt in sich die Erfahrungen aus den drei großen Ideologien des Kapitalismus im 20. Jahrhundert. Keine andere Arbeiterklasse kann von sich sagen, Stalinismus, Faschismus und Demokratie gleichermaßen am eigenen Leib erlebt zu haben.

 



[1] Handbuch zur Deutschen Einheit, S. 859.

[2] Ebenda, S. 530.

[3] Laut Meinungsumfragen sind heute mehr Ostdeutsche denn je für eine Wiederkehr der DDR.

[4] Es war beispielsweise übler Brauch gewesen, die wenigen ausländischen Arbeitskollegen, die in der DDR-Wirtschaft beschäftigt gewesen waren, mit solch diffamierenden Wörtern wie „Presspappe“ (gemeint waren die Angolaner und Mosambiquaner) oder „Fidschi“ (die Vietnamesen) zu titulieren.

[5] Handbuch zur Deutschen Einheit, S. 525.

[6] Übrigens verwendete die deutsche Bourgeoisie einen großen Teil der Erträge aus dem „Solidariträtsbeitrag“ dafür, sich aus einer aktiven militärischen Beteiligung am ersten Golfkrieg Anfang der neunziger Jahre freizukaufen.

Historische Ereignisse: 

  • Wiedervereinigung Deutschland [8]

Direkte Demokratie - Noch eine Illusion, die uns ans System binden soll

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In vielen Diskussionen oder Interventionen, sei es beim Presseverkauf auf der Strasse, auf den Demonstrationen oder unseren öffentlichen Veranstaltungen, aber auch anderswo, hört man Sorgen oder Befürchtungen über die Zukunft. Im selben Atemzug werden Politiker oder Parlamentarier für das herrschende Elend verantwortlich gemacht, beschuldigt, dass sie unfähig seien, sich für ein besseres Leben einzusetzen, dafür zu kämpfen, den Lebensstandard zu erhöhen. Da hat die Bourgeoisie mit ihrer „besten aller Regierungsformen“, der Demokratie, eine Reihe von Alternativen anzubieten. Das bekannteste Beispiel dafür ist aktuell der „Obamaismus“. Vor den Präsidentschaftswahlen in den USA wurden die Auftritte Obamas mediengerecht aufgezogen, wurde er selbst – nicht nur im eigenen Land – wie ein Popstar gefeiert. Viele Leute haben noch einmal Hoffnung auf eine Veränderung geschöpft – eine Veränderung im Rahmen dieses Systems.

In der Schweiz werden diese demokratischen Illusionen nicht nur durch Wahlen von Personen, sondern zusätzlich durch Referenden und entsprechende Abstimmungskämpfe um so genannte Sachvorlagen genährt.

Am diesjährigen 1. Mai in der Schweiz feierten die Redner der Gewerkschaften den „Sieg“ vom 7. März 2010, als das „Stimmvolk“ in einem Referendum der Linken die Senkung des Umwandlungssatzes bei der beruflichen Vorsorge (Rentenklau bei den Pensionskassen) ablehnte. Die „kommunistische“ PdA sagte am 7. März: „Der heutige Sieg ist ein wichtiger Schritt im Kampf gegen die weiteren geplanten Abbaumassnahmen des Sozialstaats der bürgerlichen Parteien.“ Die Linken riefen gleich auf zum nächsten „fulminanten Abstimmungskampf“ beim Referendum gegen die Änderung des Arbeitslosenversicherungsgesetzes, für das am 1. Mai eifrig Unterschriften gesammelt wurden - gerade auch von vielen jungen Unzufriedenen. Sie sammelten Unterschriften gegen diese Gesetzesänderung, die natürlich eine Verschlechterung für die Arbeitslosen vorsieht; andere sammelten Unterschriften für eine Initiative „Gemeinsam für gerechte Löhne“ oder für eine andere Initiative „Familiengerechte Stadt Zürich“; die Gruppe Schweiz ohne Armee mobilisiert potenzielle Unterschriftensammler für eine geplante Initiative „Ja zur Aufhebung der Wehrpflicht“[1].

Sind diese direktdemokratischen Mittel der Volksinitiative und des Referendums nicht geeignete Mittel für all diejenigen, die gesellschaftlich etwas verändern wollen? Soll man nicht mit denjenigen Mitteln anfangen, die uns das System zur Verfügung stellt? Würden wir nicht auch in einer herrschaftsfreien Gesellschaft mit Mehrheitsentscheiden bestimmen, wie die Zukunft aussehen soll? Was ist denn da falsch an der direkten Demokratie?

Was ist ein Referendum?

Wir können hier nicht einen umfassenden Überblick über alle möglichen Arten von Referenden geben[2]. Da aber dieses Mittel (zusammen mit der Volksinitiative) in der Schweizer Politik ein so grosses Gewicht besitzt und unter den Menschen, die etwas ändern wollen, nach wie vor relevant ist und da Referenden zunehmend auch von anderen Ländern für gewisse Teilbereiche der Politik übernommen werden, möchten wir kurz darlegen, wie und zu welchen Zwecken Volksinitiativen und Referenden in der Schweiz eingeführt wurden. Mit einem Referendum kann eine vom Parlament bereits beschlossene Gesetzesänderung zur Volksabstimmung gebracht werden, sofern 50'000 Stimmberechtigte dies mit ihrer Unterschrift verlangen; eine Volksinitiative, die 100‘000 Unterschriften erfordert, kann eine Änderung in der Bundesverfassung (entspricht dem Grundgesetz in Deutschland), begehren. Diese beiden direktdemokratischen Mittel wurden in der Schweiz im 19. Jahrhundert eingeführt (wobei es anfangs weniger Unterschriften brauchte), um den nationalen Zusammenhalt zu stärken. Die Schweiz war 1848 nach dem Sonderbundskrieg zwischen Liberalen und Konservativen als Bundesstaat entstanden. Die siegreichen Liberalen konnten aber nicht regieren, ohne auf die starken Minder- und Besonderheiten Rücksicht zu nehmen: die verschiedenen Sprachen, Kulturen und Konfessionen, Stadt und Land, Berg und Tal. Die damals 25 Kantone und Halbkantone entsprachen einer gesellschaftlichen Heterogenität, die zwar im zentralisierten Bundesstaat zusammengefasst wurde, aber doch irgendwie föderalistisch abgefedert werden musste. So führte die Bourgeoisie 1874 die Initiative und das Gesetzesreferendum ein. Damit hatten die für das System wichtigen politischen Minderheiten ein Mittel in der Hand, um für sie nachteilige Änderungen zu blockieren bzw. zur Volksabstimmung zu bringen oder Verfassungsänderungen vorzuschlagen. Es sind Mittel, die im 19. Jahrhundert vor allem für die ländlichen, katholischen, konservativen Teile der staatstragenden Klasse eingeführt wurden. Allein die Drohung mit dem Referendum führt dazu, dass sich das Parlament genau überlegt, wie der (sprichwörtlich schweizerische) Kompromiss formuliert sein muss, damit er alle Klippen umschiffen kann.

Dieser kurze Ausflug in die Geschichte macht deutlich, dass diese direktdemokratischen Mittel eingeführt wurden, nicht um die bürgerliche Gesellschaft in einem fortschrittlichen Sinne zu verändern, sondern um konservative Teile der Gesellschaft zufriedenzustellen und besser in den Staat zu Bundesstaat zu integrieren. Diese Funktion, die Referendum und Initiative im 19. Jahrhundert hatten, änderte sich mit dem Auftreten des Proletariats als revolutionäre Klasse am Ende des 1. Weltkrieges. Seither dienen die direktdemokratischen Mittel in erster Linie der Ablenkung des selbständigen Kampfes der Arbeiterklasse in die Bahnen des bürgerlich-demokratischen Systems.

Könnte man aber nicht mit einer Volksinitiative eine revolutionäre Verfassungsänderung erwirken? Dabei desillusioniert schon ein Blick auf die Statistik der bis heute zur Abstimmung gebrachten Initiativen: Von deren 171 wurden gerade einmal 16 angenommen (d.h. weniger als 10%); die letzte Initiative, die angenommen wurde, war das Minarettverbot – wahrlich (k)eine revolutionäre Leistung …

Ist das Referendum eine Alternative für die Arbeiterklasse?

Sollen die Arbeiter aber nicht trotzdem zur Urne gehen und ihre Stimme abgeben, wenn sie schon gefragt werden? Man kann doch nichts dagegen haben, wenn die Leute als Stimmbürger und -bürgerinnen selbst entscheiden können, ob sie mit dem einen oder anderen Anliegen einverstanden sind oder nicht?

Um diese Fragen besser beantworten zu können, um gegen jene, die diese Wahlmethode befürworten, argumentieren zu können, reicht es nicht aus, verschiedene Texte oder unsere Plattform zu zitieren[3].

Wer aber die Frage nach dem Nutzen von Referenden für die Arbeiterklasse stellt, geht mit uns offenbar darin einig, dass die Arbeiterklasse diejenige gesellschaftliche Kraft ist, welche vorangehen muss, wenn es darum geht, die gesellschaftlichen Verhältnisse umzuwälzen. Die Herausforderungen, denen wir gegenüberstehen, können wir nur gemeinsam lösen. Eine wirklich klassenlose Gesellschaft lässt sich nur verwirklichen, wenn wir weltweit bewusst und gemeinsam dieses Ziel erkämpfen. In diesem Kampf müssen wir miteinander diskutieren, die beste Lösung in der klärenden, solidarischen Kontroverse suchen. Die demokratische Stimmabgabe ist dagegen ein Einzelakt von Individuen, die möglichst nicht wissen dürfen, wem der Nachbar die Stimme gegeben hat – schliesslich gilt ja das Abstimmungsgeheimnis bzw. das geheime Wahlrecht. Die bürgerliche Demokratie behauptet, dass die Stimmabgabe eine direkte Beteiligung auch der Arbeiter an der politischen Macht beinhalte. Doch genau das Gegenteil ist der Fall: Mit dem passiven Einwerfen eines Stimmzettels stirbt das wirkliche politische Denken. Es wird zu einem leeren Ritual, das uns zwingt, uns entweder hinter die eine oder andere Version bürgerlicher Alternativen zu stellen – Alternativen, welche stets im nationalstaatlichen Denken gefangen sind. In einer Vollversammlung von Arbeitern, die einen Streik beschliessen, werden zwar auch die Stimmen gezählt, doch dient dieser „demokratische“ Akt nur dazu, den Stand der Einigkeit in einem Kollektiv abzuschätzen: Sind wir uns heute einig genug, dass wir den Kampf in dieser oder jener Form aufnehmen? Oder sollen wir noch weiter diskutieren? Das Stimmenverhältnis in einer Vollversammlung oder in einem Arbeiterrat ist nur ein Moment in einem dynamischen Prozess, in dem weiter diskutiert und gekämpft wird. Die Demokratie in der kapitalistischen Gesellschaft ist aber das Gegenteil: Man gibt seine Stimme ab, dann wird ausgezählt – und am Ende hat die Mehrheit hat recht bzw. hat sich durchgesetzt. Das Gesetz, das vorher von den Parlamentariern ausgehandelt wurde, kann nur noch angenommen oder abgelehnt werden. Wollt ihr eine Arbeitslosenversicherung, die pleite geht? Oder wollt ihr schon heute bei der Arbeitslosenentschädigung Abstriche machen, damit die Pleite hinausgeschoben werden kann? Nur das steht im „fulminanten Abstimmungskampf“ um das Arbeitslosenversicherungs-Referendum zur Diskussion.

Fängt denn politisches Denken nicht mit der Diskussion um einen Abstimmungskampf an? Wir meinen, dass das Gegenteil der Fall ist: Spätestens wenn man an der Urne seine Stimme für die eine oder andere der uns vorgelegten systemkonformen „Lösungen“ abgibt, hört das politische Denken und vor allem die gemeinsame Suche nach wirklichen Alternativen zu dieser Gesellschaft auf.

Sicherlich können wir hier nicht verkennen, dass Teile der Arbeiterklasse trotzdem zur Urne gehen, egal ob es sich um Wahlen zur Repräsentation im Parlament oder um Abstimmungen über ein Referendum handelt. Deshalb sind die Arbeiter noch lange nicht dumm oder unfähig; sie sind auch nicht als Privilegierte anzusehen, die auf die Seite der bürgerlichen Klasse gewechselt wären. Es handelt sich um einen Ausdruck der Schwierigkeiten der Arbeiterklasse, zu einem wirklichen Klassenbewusstsein zu gelangen. Dieses Bewusstsein ist noch nicht an jenem Punkt angelangt, wo die Manöver und Spaltungstaktiken der herrschenden Klasse kollektiv durchschaut werden. Auch wenn die Bourgeoisie bei ihrem Spiel mit der Demokratie mitunter Schwierigkeiten hat, gelingt es ihr immer wieder, kurzfristig ihre Interessen durchzusetzen. Dabei ist die demokratische Methode eine ihrer Waffen, mit der sie Illusionen verbreiten kann. Und vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die parlamentarische (repräsentative) Demokratie bei vielen Leuten je länger je weniger verfängt, ist zu beobachten, dass die herrschende Klasse auch in anderen Ländern direktdemokratische Mittel in Teilbereichen der Politik einführen will. In Österreich und Deutschland gibt es Bürgerinitiativen, die sich für „mehr Demokratie“ einsetzen. In Italien gibt es schon verschiedene Arten von Referenden, die vor allem von der parlamentarischen Linken propagiert werden[4].

Gerade die demokratischen Illusionen der Arbeiterklasse sind für den Kapitalismus sehr wichtig. Sie binden die Arbeiterklasse an die herrschende Logik des Staates und hindern sie daran, nach ihren eigenen Lösungen zu suchen und gemeinsam dafür zu kämpfen – über alle Grenzen hinweg! Ghz & Flc, 16.05.10



[1] Vgl. unseren Artikel von 2009 über diese Gruppe: /content/1826/initiative-der-gruppe-schweiz-ohne-armee-gegen-neue-kampfflugzeuge [9]

[2] Um diesbezüglich genauere Informationen zu bekommen, siehe den Link: https://de.wikipedia.org/wiki/Referendum [10]

[3] Wir haben darüber einige Artikel veröffentlicht. Interessenten möchten wir wir auf unsere territoriale und internationale Presse, insbesondere auf den Artikel „Wählt nicht, kämpft“, verweisen. Ebenfalls möchten wir auf unsere Broschüre „Plattform und Manifeste“, insbesondere auf den Plattformpunkt acht über die parlamentarischen Wahlen, hinweisen.

[4] https://it.internationalism.org/rziz/2003/130/referendum [11]

Nationale Situationen: 

  • Nationale Lage in der Schweiz [12]

Aktuelles und Laufendes: 

  • Referendum Schweiz [13]

Griechenland: TPTG-Artikel „In kritischen und erstickenden Zeiten“

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(dieser Text wurde von Genoss/Innen ua. Der „Freunde der klassenlosen Gesellschaft“ übersetzt und zirkuliert. Wir bedanken uns für die Zusendung des Textes und möchten unseren Leser/Innen hier die ungekürzte Version zur Verfügung stellen. In unserer Zeitung haben wir einen Auszug veröffentlicht-IKS)

Kritische und erstickende Zeiten

Ein Bericht über die Demonstrationen in Athen vom 5. und 6. Mai sowie einige allgemeine Gedanken zur gegenwärtigen kritischen Situation der Bewegung in Griechenland

Obwohl sich der akute fiskalpolitische Terrorismus zurzeit mit ständigen Drohungen eines unmittelbar bevorstehenden Staatsbankrotts und „notwendigen Opfern“ von Tag zu Tag verschärft, war die Antwort des Proletariats unmittelbar vor der Verabschiedung neuer Austeritätsmaßnahmen im griechischen Parlament beeindruckend. Es war vermutlich die größte Demonstration von Arbeitern seit dem Ende der Diktatur, größer noch als die im Jahr 2001, die zum Ergebnis hatte, dass eine geplante Rentenreform zurückgezogen wurde. Nach unseren Schätzungen waren im Athener Stadtzentrum mehr als 200.000 und im Rest des Landes weitere 50.000 Demonstranten auf der Straße. In fast allen Sektoren des (Re-)Produktionsprozesses fanden Streiks statt. Auch eine proletarische Menge, die jener ähnelte, die im Dezember 2008 auf die Straße gegangen war (und die in der Propaganda der Mainstream-Medien abwertend als „vermummte Jugendliche“ bezeichnet wird), war mit dabei, ausgerüstet mit Äxten, Hämmern und Vorschlaghammern, Molotowcocktails, Steinen, Gasmasken, Schutzbrillen und Stöcken. Obwohl die Vermummten mitunter ausgebuht wurden, wenn sie zu gewaltsamen Angriffen auf Gebäude übergingen, passten sie insgesamt gut in den bunt zusammengewürfelten und wütenden Strom von Demonstranten. Die Parolen reichten von einer vollständigen Ablehnung des politischen System („Brennen wir dieses Bordell von Parlament nieder!“) bis zu patriotischen („IWF raus!“) und populistischen Losungen („Diebe!“, „Das Volk verlangt, dass die Gauner ins Gefängnis gesteckt werden!“). Parolen, die sich aggressiv gegen Politiker im Allgemeinen richten, gewinnen gegenwärtig mehr und mehr Verbreitung.

Auf der Demo der Gewerkschaftsverbände GSEE (privater Sektor) und ADEDY (öffentlicher Dienst) überfluteten die Leute den Platz zu Tausenden; als der GSEE-Vorsitzende seine Rede begann, wurde er ausgepfiffen. Wie bereits auf der Demo vom 11. März schlug die GSEE-Führung einen Umweg ein, um die Masse zu umgehen und sich an die Spitze des Zugs zu setzen, aber diesmal folgten ihr nur wenige…

Die Demo von PAME (der „Arbeiterfront“ der Kommunistischen Partei) war mit deutlich über 20.000 Teilnehmern ebenfalls groß und kam als erste am Syntagma-Platz an. Geplant war, dass sie dort eine Weile bleibt und dann vor dem Eintreffen der größeren Hauptdemonstration den Platz verlässt. Doch die Mitglieder wollten nicht gehen, sondern blieben stehen und riefen wütende Parolen gegen die Politiker. Die KP-Vorsitzende erklärte später, faschistische Provokateure (konkret beschuldigte sie die LAOS-Partei, ein Mischmasch aus rechtsradikalen Schlägern und einem Abschaum von Nostalgikern der Junta) hätten PAME-Tafeln getragen und KP-Mitglieder dazu angestachelt, das Parlament zu stürmen, und damit die Verfassungstreue der KP diskreditiert! Das ist zwar insofern nicht ganz falsch, als dort tatsächlich Faschisten gesichtet wurden, doch wie Augenzeugen berichten, bereitete es der KP-Führung in Wahrheit gewisse Schwierigkeiten, ihre Mitglieder eilig von dem Platz wegzulotsen und daran zu hindern, wütende Parolen gegen das Parlament zu rufen. Vielleicht ist es zu gewagt, darin ein Anzeichen für aufkeimenden Ungehorsam in der straff disziplinierten monolithischen Partei zu sehen, aber in so bewegten Zeiten kann das niemand mit Gewissheit sagen...

Die gut 70 Faschisten, die sich gegenüber der Bereitschaftspolizei aufgestellt hatten, verfluchten die Politiker („Hurensöhne, Politiker!“), sangen die Nationalhymne und warfen sogar ein paar Steine auf das Parlament; wahrscheinlich wollten sie eine Eskalation der Gewalt verhindern, doch sie wurden rasch von den riesigen Wellen von Demonstranten verschluckt, die sich dem Platz näherten.

Größere Gruppen von Arbeitern (Elektriker, Postarbeiter, Angestellte der Stadtverwaltung) versuchten sogleich, auf jedem erdenklichen Weg in das Parlamentsgebäude zu gelangen, doch mehrere Hundert Bullen auf dem Vorplatz versperrten sämtliche Eingänge. Eine andere Menge von Arbeiterinnen und Arbeitern aller Altersgruppen stellte sich den Bullen entgegen, die vor dem Grab des Unbekannten Soldaten standen, und beschimpften und bedrohten sie. Die Bereitschaftsbullen konnten die Menge zwar durch einen massiven Gegenangriff mit Tränengas und Rauchbomben auseinander treiben, doch es zogen ständig neue Blöcke von Demonstranten vor das Parlament, während diejenigen, die zurückgedrängt worden waren, sich von Neuem in der Panepistimiou-Straße und der Syngrou-Allee sammelten. Sie zerstörten, was immer gerade in Reichweite war, und attackierten die Einheiten der Bereitschaftspolizei, die über die angrenzenden Straßen verteilt waren. Obwohl die meisten großen Gebäude im Stadtzentrum mit Rollläden geschlossen waren, konnten sie auch einige Banken und staatliche Gebäude angreifen. Insbesondere in der Syngrou-Allee gab es erheblichen Sachschaden, da nicht genug Bullen da waren, um sofort einzuschreiten, denn die oberste Anweisung lautete, das Parlament zu schützen und die Panepistimiou-Straße und die Stadiou-Straße zu räumen, durch welche die Menge immer wieder vor das Parlament zog. Luxusautos, ein Finanzamt und die Präfektur von Athen wurden in Brand gesetzt und noch Stunden später sah es in der Gegend aus wie in einem Kriegsgebiet.

Die Straßenschlachten dauerten beinahe drei Stunden. Es ist unmöglich, das Geschehen hier vollständig darzustellen. Nur ein Beispiel: Einigen Lehrern und Arbeitern gelang es, Bereitschaftsbullen der Gruppe D – einer neuen Einheit mit Motorrädern – zu umzingeln und zu verprügeln, während die Bullen riefen: „Bitte nicht, wir sind auch Arbeiter!“

Die in die Panepistimiou-Straße zurückgedrängten Demonstranten zogen immer wieder in Blöcken vor das Parlament und die Zusammenstöße mit der Polizei hörten nicht auf. Auch hier war die Menge bunt gemischt und wollte nicht gehen. Mit Steinen in den Händen erzählte uns ein Gemeindearbeiter sichtlich bewegt, wie sehr ihn die Situation an die ersten Jahre nach dem Ende der Diktatur erinnerte; 1980 hatte er an der Demonstration zum Gedenken an den Aufstand im Polytechnikum teilgenommen, bei der die Polizei die 20 Jahre alte Arbeiterin Kanellopoulou ermordete.

Kurz darauf erreichte die entsetzliche Meldung ausländischer Nachrichtenagenturen die Handys: drei oder vier Tote in einer ausgebrannten Bank!

Es hatte an mehreren Stellen Versuche gegeben, Banken niederzubrennen, aber die Menge ließ davon jeweils ab, da in den Gebäuden Streikbrecher eingeschlossen waren. Nur das Gebäude der Marfin Bank in der Stadiou-Straße wurde schließlich in Brand gesetzt. Es waren allerdings nicht „vermummte Hooligans“ gewesen, die die Bankangestellten nur wenige Minuten vor der Tragödie unter anderem als „Streikbrecher“ angebrüllt und sie aufgefordert hatten, das Gebäude zu verlassen, sondern organisierte Blöcke von Streikenden. Aufgrund der Größe und Dichte der Demo, des allgemeinen Aufruhrs und der lauten Sprechchöre herrschte natürlich – wie immer in solchen Situationen – ein gewisses Durcheinander, das es schwierig macht, die Tatsachen über den tragischen Vorfall exakt wiederzugeben. Es scheint jedoch der Wahrheit nahe zu kommen (wenn man einzelne Informationen von Augenzeugen zusammenfügt), dass in dieser Bank, mitten im Zentrum Athens und am Tag eines Generalstreiks, etwa 20 Angestellte von ihrem Boss zur Arbeit gezwungen und „zu ihrem Schutz“ eingeschlossen worden waren und drei von ihnen schließlich an Erstickung starben. Durch ein Loch, das in die Fensterscheibe geschlagen worden war, wurde ein Molotowcocktail ins Erdgeschoss geworfen, doch als mehrere Bankangestellte auf den Balkonen gesehen wurden, riefen ihnen Demonstranten zu, das Gebäude zu verlassen, und versuchten das Feuer zu löschen. Was dann tatsächlich geschah und wieso das Gebäude in so kurzer Zeit in vollen Flammen stand, ist bislang unklar. Über die makabre Serie von Vorfällen – Demonstranten versuchten, den Eingeschlossenen zu helfen, die Feuerwehr brauchte zu lang, einige von ihnen aus dem Gebäude zu holen, und der grinsende Milliardär und Chef der Bank wurde von der wütenden Menge verjagt – wurde wohl hinreichend berichtet. Etwas später gab der Ministerpräsident die Nachricht im Parlament bekannt und verurteilte die „politische Unverantwortlichkeit“ derjenigen, die Widerstand gegen die Maßnahmen leisteten und „zum Tod von Menschen führen“, während die „Rettungsmaßnahmen“ der Regierung „für das Leben“ seien. Diese Verdrehung hatte Erfolg. Kurz darauf folgte ein Großeinsatz der Polizei: die Mengen wurden auseinandergejagt, die gesamte Innenstadt bis spät in die Nacht abgesperrt, der Stadtteil Exarchia einem Belagerungszustand unterworfen; die Polizei drang in ein anarchistisches besetztes Haus ein und nahm viele der Anwesenden fest, ein Zentrum von Migranten wurde zerstört und der Rauch über der Stadt wollte ebenso wenig verschwinden wie ein Gefühl der Bitterkeit und Betäubung…

Die Folgen wurden bereits am nächsten Tag deutlich: Die Aasgeier von den Medien beuteten die tragischen Tode aus, lösten sie als eine „persönliche Tragödie“ aus ihrem allgemeinen Kontext (bloße Leichen, abgetrennt von allen gesellschaftlichen Beziehungen) und gingen in einigen Fällen so weit, Protest und Widerstand zu kriminalisieren. Die Regierung gewann etwas Zeit, indem sie das Thema der Auseinandersetzungen verschob, und die Gewerkschaften sahen sich von jeglicher Pflicht entbunden, für den Tag der Verabschiedung der Maßnahmen zum Streik aufzurufen. In diesem Klima der Angst, Enttäuschung und Erstarrung versammelten sich abends trotzdem ein paar Tausend Leute auf einer Kundgebung vor dem Parlament, zu der die Gewerkschaften und linke Organisationen aufgerufen hatten. Die Wut war noch immer da, es wurden die Fäuste gereckt, Wasserflaschen und ein paar Böller auf die Bullen geworfen und Parolen gegen das Parlament und die Polizei gerufen. Eine alte Frau forderte die Leute zu Sprechchören auf, dass „sie [die Politiker] verschwinden sollen“, ein Typ pinkelte in eine Flasche und warf sie auf die Bullen; nur wenige Antiautoritäre waren gekommen, und als es dunkel wurde und die Gewerkschaften und die meisten Organisationen gingen, blieben noch immer Leute da, vollkommen unbewaffnete, gewöhnliche, alltägliche Leute. Von der Polizei brutal angegriffen, zurückgedrängt und die Stufen am Syntagmaplatz hinuntergeworfen, wurde die von Panik ergriffene, aber zugleich wütende Menge aus jungen wie alten Leuten schließlich in den angrenzenden Straßen auseinander getrieben. Die Ordnung war wieder hergestellt. Es stand ihnen jedoch nicht nur die Angst ins Gesicht geschrieben; auch ihr Hass war unübersehbar. Es ist sicher, dass sie wiederkommen werden.

Abschließend einige allgemeinere Reflexionen:

§ Ein hartes Durchgreifen gegen Anarchisten und Antiautoritäre hat bereits eingesetzt und wird sich noch verschärfen. Die Kriminalisierung eines gesamten sozialen und politischen Milieus, das bis zu den Organisationen der extremen Linken reicht, war schon immer ein Ablenkungsmanöver des Staates, das nun, da ihm der mörderische Angriff so günstige Bedingungen bietet, erst recht zum Einsatz kommen wird. Doch den Anarchisten etwas anzuhängen, wird nicht dazu führen, dass die mehreren Hunderttausend Demonstranten und die noch viel größere Zahl von Menschen, die untätig geblieben, aber ebenfalls besorgt sind, den IWF und das „Rettungspaket“ vergessen, das ihnen die Regierung anbietet. Niemand kann seine Rechnungen bezahlen oder in eine weniger düstere Zukunft blicken, nur weil unser Milieu schikaniert wird. Die Regierung wird in absehbarer Zeit den Widerstand überhaupt kriminalisieren müssen, und wie die Vorfälle vom 6. Mai zeigen, hat sie damit bereits begonnen.

§ In begrenztem Maße wird der Staat zudem versuchen, die „Schuld“ bestimmten Politikern zuzuschieben, um die „Stimmung im Volk“ zu besänftigen, die sich durchaus zu einem „Blutdurst“ entwickeln könnte. Um die Wogen zu glätten, wird er möglicherweise ein paar eklatante Fälle von „Korruption“ aburteilen und ein paar Politiker opfern.

§ Im Zuge eines Spektakels der Schuldzuweisungen sprechen sowohl LAOS wie die KP von einer „Abweichung von der Verfassung“. Darin drückt sich die zunehmende Angst der herrschenden Klasse vor einer Verschärfung der politischen Krise, einer Verschärfung der Legitimationskrise aus. Derzeit erleben verschiedene Szenarien eine Neuauflage (eine Partei der Geschäftsleute, eine Art Regime der Junta), die die tiefe Angst vor einem proletarischen Aufstand offenbaren und de facto dazu dienen, das Problem der Schuldenkrise wieder von der Straße auf die Bühne der großen Politik zu verschieben – zu der banalen Frage „Wer wird die Lösung sein?“ statt „Was ist die ‚Lösung’?“.

§ Vor dem Hintergrund all dessen ist es höchste Zeit, zu den entscheidenden Fragen zu kommen. Es ist mehr als deutlich, dass bereits das widerliche Spiel begonnen hat, die Angst und Schuldgefühle wegen der Schulden in Angst und Schuldgefühle wegen des Widerstands und des (gewaltsamen) Aufruhrs gegen den Terrorismus der Schulden zu verwandeln. Wenn der Klassenkampf eskaliert, könnte sich die Lage mehr und mehr wie ein regelrechter Bürgerkrieg darstellen. Die Gewaltfrage ist bereits zentral geworden. So wie wir die staatliche Handhabung der Gewalt beurteilen, müssen wir auch die proletarische Gewalt beurteilen: Die Bewegung muss sich in praktischen Begriffen mit Legitimation und Inhalt aufrührerischer Gewalt auseinandersetzen. Was das anarchistisch-antiautoritäre Milieu und die in ihm vorherrschende insurrektionalistische Strömung betrifft, ist die Tradition der Fetischisierung und machoartigen Verherrlichung von Gewalt zu lang und ungebrochen, als dass man ihr gleichgültig gegenüberstehen könnte. Seit Jahren wird die Gewalt als Selbstzweck in allen möglichen propagiert (bis hin zum richtiggehenden bewaffneten Kampf) und insbesondere nach der Rebellion vom Dezember ist ein gewisses Maß an nihilistischem Zerfall zutage getreten (in unserem Text The Rebellious Passage haben wir an einigen Stellen darauf hingewiesen), der sich auf das Milieu selbst erstreckt. An den Rändern des Milieus ist eine wachsende Zahl sehr junger Leute sichtbar geworden, die für nihilistische grenzenlose Gewalt (kostümiert als „Nihilismus des Dezember“) und Zerstörung eintreten, selbst wenn dies das variable Kapital einschließt (in Gestalt von Streikbrechern, „kleinbürgerlichen Elementen“, „gesetzestreuen Bürgern“). Dieser Verfall, der aus der Rebellion und ihren Grenzen sowie aus der Krise erwächst, ist unübersehbar. In gewissem Maße wurde im Milieu bereits damit begonnen, solche Verhaltenweisen zu verurteilen und Selbstkritik zu leisten (einige anarchistische Gruppen haben die Verantwortlichen für den Anschlag auf die Bank sogar als „parastaatliche Schlägertypen“ bezeichnet) und es ist durchaus möglich, dass organisierte Anarchisten und Antiautoritäre (Gruppen wie besetzte Häuser) versuchen werden, solche Tendenzen sowohl politisch wie in der Praxis zu isolieren. Die Situation ist jedoch komplizierter und übersteigt das theoretische wie praktische (selbst-)kritische Vermögen dieses Milieus. Im Rückblick betrachtet, hätte es auch während der Rebellion vom Dezember zu solchen tragischen Vorfällen mit allen Konsequenzen kommen können – verhindert wurde dies nicht nur durch Zufall (neben Gebäuden, die am 7. Dezember in Brand gesetzt wurden, befand sich eine Tankstelle, die aber nicht explodierte, und die gewalttätigsten Riots fanden nachts statt, als die meisten betroffenen Gebäuden leer waren), sondern auch durch die Schaffung einer (wenngleich begrenzten) proletarischen Öffentlichkeit und von Kampfgemeinschaften, die sich nicht nur durch Gewalt zusammenfanden, sondern auch durch ihre Inhalte, ihren Diskurs und andere Formen der Kommunikation. Diese bereits existierenden Gemeinschaften (von Studierenden, Fußballhooligans, Einwanderern, Anarchisten), die sich durch die rebellierenden Subjekte selbst in Kampfgemeinschaften verwandelten, waren es, die der Gewalt einen sinnvollen Ort zuwiesen. Wird es solche Gemeinschaften nun, da nicht mehr nur eine proletarische Minderheit aktiv ist, von Neuem geben? Werden sich am Arbeitsplatz, in den Stadtteilen oder auf der Straße praktische Formen von Selbstorganisation entwickeln, um Form und Inhalt des Kampfes zu bestimmen und die Gewalt auf diese Weise in eine Perspektive der Befreiung zu stellen?

Beunruhigende Fragen in schwierigen Zeiten, doch während wir kämpfen, werden wir die Antworten finden müssen.

TPTG

9. Mai 2010

Aktuelles und Laufendes: 

  • Kämpfe in Griechenland [14]

Türkei: Solidarität mit dem Widerstand der Tekel-Beschäftigten

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Türkei: Solidarität mit dem Widerstand der Tekel-Beschäftigten gegen die Regierung und die Gewerkschaften (Teil 3) & Lehren: Wozu bestehen Gewerkschaften? Was ist ihre Funktion?

Wir bedanken uns sehr bei dem Tekel-Beschäftigten, der diesen Artikel verfasst hat, und sich mit der Zeit zwischen dem 2. März und dem 2. April befasst, und Lehren aus der allgemeinen Entwicklung zieht. IKS

(Die IKS erstellt gegenwärtig auf Deutsch eine Textsammlung mit Dokumenten zum Tekel-Streik. Der hier veröffentlichte 3. Teil baut auf den 1. Teil (welcher schon auf unserer Webseite veröffentlicht wurde) und den 2. (in Übersetzung befindlichen) Teil.

Beitrag des Genossen aus der Türkei

Am 2. März wurden, obwohl wir das ablehnten, die Zelte von den Gewerkschaftsbossen abgerissen, die Straße vor dem Turk-Is-Gebäude geräumt, und wir wurden aufgefordert, wieder nach Hause zurückzukehren. 70-80 verblieben in Ankara, um zu beraten, was wir in den nächsten drei Tagen tun könnten. Nach diesen drei Tagen kehrten 60 von uns nach Hause zurück, und 20 von uns, ich gehörte dazu, blieben noch weitere zwei Tage. Obwohl der Kampf in Ankara 78 Tage dauerte, blieben wir 83 Tage. Wir stimmten darin überein, dass wir uns sehr anstrengen mussten, den Kampf weiterzubringen, und ich kehrte schließlich auch nach Adiyaman zurück. Sobald ich aus Ankara zurückkehrte, fuhren 40 von uns zu unseren Brüdern und Schwestern, die in Gaziantep in der Textilindustrie im Streik stehen. Der Tekel-Kampf war ein Beispiel für unsere Klasse. Als ein Tekel-Beschäftigter war ich sowohl stolz als auch bewusst, dass ich mehr für unsere Klasse tun könnte und selbst dazu beitragen müsste. Obgleich meine wirtschaftliche Lage dies nicht zuließ und trotz der Erschöpfung nach 83 Tagen Kampf und anderen Problemen wollte ich mich noch mehr anstrengen, um den Prozess weiter zu treiben. Wir wollten ein formales Komitee gründen und den Prozess in unsere eigenen Hände nehmen. Auch wenn wir dies noch nicht formalisieren können, mussten wir es zumindest gründen, indem wir in Kontakt mit Beschäftigten aus anderen Städten blieben, da wir am 1. April nach Ankara zurückkehren wollten.

Wir müssen überall hingehen wo wir können und den Leuten über den Tekel-Kampf bis ins letzte Detail berichten. Dazu müssen wir ein Komitee bilden und innerhalb der Klasse zusammenschließen. Unsere Aufgabe ist schwerer als sie erscheint. Wir müssen uns auf der einen Seite mit dem Kapital auseinandersetzen, der Regierung und den Gewerkschaftsführern auf der anderen Seite. Auch wenn unsere wirtschaftliche Lage nicht gut ist, auch wenn wir körperlich müde sind, wenn wir den Sieg wollen, müssen wir kämpfen, kämpfen und nochmals kämpfen!

Obgleich ich von meiner Familie 83 Tage getrennt war, bin ich anschließend nur eine Woche zu Hause geblieben. Ich bin nach Istanbul gefahren, um die Leute über den Widerstand der Tekel-Beschäftigten zu berichten, ohne die Gelegenheit zu haben, mit meiner Frau und meinen Kinder die Zeit nachzuholen. Wir hatten viele Treffen unter den Beschäftigten des Tekel-Komitees, insbesondere in Diyarbakir, Izmir, Hatay, und ich habe mich an vielen Treffen mit Kollegen aus dem informellen Komitee in Istanbul getroffen. Wir hatten ebenso viele Treffen in der Mimar Sinan Universität, eines in dem Lehrerwohnhein Sirinevler, eins in dem Gebäude der Ingenieursgewerkschaft, wir diskutierten mit Piloten und anderen Beschäftigten der Luftfahrtindustrie aus der dissidenten Regenbogenbewegung in Hava-Is, und mit Beschäftigten der Justiz. Wir trafen ebenso den Istanbuler Vorsitzenden der Friedens- und Demokratiepartei und baten darum, dass Tekel-Beschäftigte die Gelegenheit erhalten, am Newroz Feiertag zu reden.

In den Treffen wurden wir alle sehr warmherzig empfangen. Die Bitte der PDP wurde akzeptiert, ich wurde gebeten, auf den Newroz Demonstrationen als Redner aufzutreten. Weil ich nach Adiyaman zurückkehren musste, schlug ich einen Kollegen aus Istanbul als Redner vor. Als ich in Istanbul war, besuchte ich die kämpfenden Feuerwehrleute, die Sinter Metaller, die Esenyurt Kommunalbeschäftigten, den Sabah Verlag, und streikende ATV Fernsehbeschäftigte und am letzten Tag die Beschäftigten der Istanbuler Wasser- und Kanalisationsbetriebe (ISKI). Einen halben Tag lang diskutierten wir mit den Arbeitern, um zu sehen, wie wir den Kampf stärken können; dabei unterrichteten wir sie über den Kampf der Tekel-Beschäftigten. Die ISKI-Beschäftigten berichteten mir, dass sie ihren Kampf begannen, weil sie sich ermutigt fühlten durch den Kampf der Tekel-Beschäftigten. Egal welche Arbeiter ich besuchte, egal bei welcher Demonstration ich mich beteiligte, überall hörte ich „der Kampf der Tekel-Beschäftigten hat uns Mut gegeben“. Während der Woche meines Aufenthaltes in Istanbul machte mich dies sehr glücklich. Mein ganzer Aufenthalt in Istanbul war für mich sehr erfüllend. Natürlich gab es auch Negativerlebnisse. Leider verstarb einer meiner Angehörigen, aber ich blieb dennoch eine ganze Woche wie geplant in Istanbul.

Zu den schlechten Nachrichten gehörte, dass in dieser Zeit 24 Studenten von ihrer Schule verwiesen wurden (Mehmetcik Gymnasium), weil sie den Tekel-Kampf unterstützt haben. Und in Ankara wurde auch eine Klassenschwester von uns aus dem Wissenschafts- und Technologieforschungsrat der Türkei (TUBITAK), Aynur Camalan, entlassen. Wenn das Kapital Arbeiter wie wir so brutal angreift, müssen wir uns dagegen zusammenschließen. So verfassten wir zwei Stellungnahmen für die Presse in Adiyaman und zeigten, dass unsere Freunde nicht alleine dastanden. Wir bereiteten uns auch für Demonstration des 1. April vor. Die Gewerkschaftsführer wollten, dass lediglich 50 Beschäftigte aus jeder Stadt nach Ankara kommen sollten, so dass insgesamt nicht mehr als 1000 Arbeiter zusammenkommen sollten. Als ein informelles Komitee erhöhten wir diese Zahl von 50 auf 180 in Adiyaman allein, und ich kam am 31. März schon mit 10 Kollegen nach Ankara.

Trotz all der Ankündigungen der Gewerkschaften, die Zahl auf 50 pro Stadt zu beschränken, gelang es uns, 180 Arbeiter zu mobilisieren (wobei wir die Kosten übernahmen, nicht die Gewerkschaften), weil wir uns dessen bewusst waren, dass die Gewerkschaften wie früher wieder zu manipulieren versuchen wollten. Wir hatten viele Treffen mit Massenorganisationen, Vereinigungen und Gewerkschaften. Wir besuchten Aynur Camalan, die Klassenschwester von TUBITAK, die ihren Job verloren hatte.

Am 1. April versammelten wir uns in Kizilay, aber wir mussten uns sehr bemühen, vor das Turk- Is zu gelangen, weil 15.000 Polizisten das Gebäude bewachten. Was taten all diese Polizisten vor uns und dem Gewerkschaftsgebäude? Jetzt müssen wir diejenigen fragen, die sich gegen uns richten. (…) Wenn ein Bollwerk von 15.000 Polizisten zwischen uns und den Gewerkschaften aufgebaut wird, warum bestehen dann überhaupt Gewerkschaften? Wenn ihr mich fragt, ist es ganz natürlich, dass die Polizei die Gewerkschaften und die Gewerkschaftsführer schützt, denn stellen sich die Gewerkschaften und deren Führer nicht vor die Regierung und das Kapital? Bestehen die Gewerkschaften nicht nur, um die Arbeiter im Interesse des Kapitals unter Kontrolle zu behalten?

Am 1. April gelang es ca. 35-40 von uns trotz alledem die Barrikaden einzeln zu durchbrechen und vor das Gebäude der Gewerkschaft Turk-Is zu gelangen. Es ging uns darum, eine gewisse Mehrheit zu erreichen, und dass auch andere dort hin gelangen könnten; aber das gelang uns nicht, unglücklicherweise gelang es unserer Mehrheit nicht, mit 15.000 Polizisten fertig zu werden. Die Gewerkschaften hatten verkündet, dass nur 1000 von uns nach Ankara kommen würden. Als informellem Komitee gelang es uns, diese Zahl auf 2300 zu erhöhen. 15.000 Polizisten blockierten den 2300 den Weg. Wir versammelten uns auf der Sakarya-Straße. Dort sollten wir mindestens die Nacht verbringen, mit all denjenigen, die gekommen waren um uns zu unterstützen. Tagesüber waren wir zweimal von der Polizei angegriffen worden, die dabei Pfefferspray und Polizeiknüppel einsetzte. Wir wollten natürlich die Nacht vor dem Hauptquartier der Gewerkschaft Turk-Is verbringen, aber als wir auf die Polizei stießen, verharrten wir in der Sakarya-Straße. Im Laufe der Nacht riefen jedoch die Gewerkschaftsleute die uns unterstützenden Arbeiter leise und gerissen dazu auf, das Gebiet zu räumen. So blieben wir nur als eine Minderheit vor. Die Gewerkschafter forderten mich auch mehrmals auf, den Rückzug anzutreten, aber wir beugten uns ihnen nicht und blieben vor Ort. Aber als unsere Unterstützer gegen 23.00h abzogen, mussten wir auch gehen.

Für den 2. April wurde eine Presseankündigung erwartet. Als wir gegen 9.00 h in der Sakarya-Straße eintrafen, wurden wir von der Polizei angegriffen, die erneut Pfefferspray und Schlagstöcke einsetzte. Eine Stunde später oder so gelang ca. 100 von uns, die Polizeiabsperrungen zu durchbrechen und ein Sit-in zu beginnen. Die Polizei bedrohte uns. Wir widersetzten uns. Die Polizei musste die Absperrung öffnen, und uns gelang es mit der anderen Gruppe, die draußen geblieben war, zusammenzuschließen. Wir begannen, in Richtung des Gebäudes der Turk-Is zu marschieren, aber die Gewerkschaftsbosse taten erneut das, was sie tun mussten, und machten ihre Stellungnahme gegenüber der Presse ca. 100 m von der Gewerkschaftszentrale entfernt. Egal wie stark wir dies forderten, die Gewerkschaftsführer weigerten sich, vor das Gewerkschaftsgebäude auf die Straße zu kommen. Die Gewerkschaften und die Polizei handelten Hand in Hand; und da einige von uns abrückten, gelang es uns nicht dorthin zu gehen, wohin wir wollten. Es gab einen interessanten Punkt, den die Gewerkschafter verkündet hatten. Sie sagten, sie würden am 3. Juni zurückkommen und dort drei Nächte verbringen. Es ist schon merkwürdig, wie wir dort drei Nächte verbringen sollen, da es uns nicht mal gelang, eine einzige Nacht dort auszuhalten. Danach musste die Polizei zunächst die Gewerkschafter vor uns schützen und ihnen den Fluchtweg freihalten; dann standen wir der Polizei allein gegenüber. Ungeachtet der Drohungen und dem Druck der Polizei, zerstreuten wir uns nicht; darauf folgte ein Angriff mit Pfefferspray und Schlagstöcken, worauf wir uns am Nachmittag zerstreuten. Wir ließen einen schwarzen Trauerkranz von einigen Floristen binden, um das Verhalten der Turk-Is und der Regierung zu verurteilen, den wir vor der Gewerkschaftszentrale niederlegten.

Meine lieben Klassenbrüder und –schwestern: Was wir uns fragen müssen, wenn 15.000 Polizisten vor dem Gewerkschaftsgebäude und den Arbeitern zusammengezogen sind und Absperrungen errichtet haben, wozu bestehen eigentlich Gewerkschaften? Ich rufe alle meine Klassenbrüder- und schwestern auf, wenn wir den Sieg erringen sollen, müssen wir gemeinsam kämpfen.

Wir als Tekel-Beschäftigte haben einen Funken gezündet; alle zusammen werden wir diesen zu einem gewaltigen Feuerball machen. Deshalb möchte ich meinen Respekt für euch alle zum Ausdruck bringen, indem ich meinen Text mit einem Gedicht ende:

The steam of the tea flies away while our lives are still fresh

Cloths get as long as roads, and only sorrow returns

A bown of rice, they say our food has landed on our homes

Yearnings become roads, roads, where does labour go

Hunger is for us, cold is for us, poverty is for us

They have called in fate, living with it is for us

Us who feed, us who hunger, us who are naked again

We have not written this fate, it is us who will break it yet again

Wir als Tekel-Beschäftigte sagen, auch wenn wir eine Niederlage einstecken sollten, werden wir unseren Kindern eine ehrbare Zukunft hinterlassen.

Ein Tekel-Beschäftigter aus Adiyaman

Aktuelles und Laufendes: 

  • Tekel-Streik Türkei [15]
  • Gewerkschaften in der Türkei [16]
  • Turk-Is [17]

Vor 30 Jahren: Massenstreik in Polen 1980

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Im Sommer 1980 hielt die polnische Arbeiterklasse die ganze Welt in Atem. Eine riesige Massenstreikbewegung entfaltete sich: Mehrere Hunderttausend Arbeiter streikten wild in verschiedenen Städten und brachten die herrschende Klasse in Polen, aber auch in den anderen Ländern zum Zittern.

Heute, wo in Griechenland die Arbeiterklasse wieder anfängt, den Folgen der Wirtschaftskrise massenhaft die Stirn zu bieten, ist es umso wichtiger, sich mit der Frage des Massenstreiks und insbesondere mit seinem letzten Beispiel damals in Polen zu befassen.

Was war passiert?

Nach der Ankündigung von Preiserhöhungen für Fleisch reagierten die Arbeiter in vielen Betrieben prompt mit Arbeitsniederlegungen. Am 1. Juli 1980 streikten Arbeiter in Tczew bei Danzig und in dem Warschauer Vorort Ursus. In Ursus wurden Vollversammlungen abgehalten, ein Streikkomitee gebildet, gemeinsame Forderungen aufgestellt. In den Tagen danach weitere Ausdehnung der Streiks: Warschau, Lodz, Danzig.... Die Regierung versuchte mit schnellen Konzessionen in Form von Lohnerhöhungen eine weitere Ausdehnung einzudämmen. Mitte Juli traten die Arbeiter der verkehrsmäßig zentral gelegenen Stadt Lublin in den Streik. Diese Stadt liegt an der Strecke UdSSR - DDR, der Versorgungsader der sowjetischen Truppen in der DDR. Ihre Forderungen lauteten: keine Repression gegen die Streikenden, Abzug der Polizei aus den Fabriken, Lohnerhöhungen und freie Gewerkschaftswahlen.

An einigen Orten wurde die Arbeit wieder aufgenommen, in anderen schlossen sich weitere Arbeiter der Bewegung an. Ende Juli hoffte die Regierung, sie hätte durch ihre Taktik, mit jedem Betrieb gesondert zu verhandeln, die Flamme der Streiks ausgelöscht. Aber am 14. August erhielt die Bewegung wieder Auftrieb: Die Bediensteten der Verkehrsbetriebe von Warschau und die Werftarbeiter von Danzig traten in den Streik. Und wieder aus immer mehr Orten neue Streikmeldungen.

Was die Arbeiter stark machte

Die Arbeiter hatten aus den Kämpfen von 1970 und 1976 die Lehren gezogen. Sie hatten gesehen, dass die offiziellen Gewerkschaften Teil des stalinistischen Staatsapparates waren und bei jeder Forderung der Arbeiter auf Seiten der Regierung standen. Deshalb war ein Ausschlag gebendes Moment für die Streikbewegung von 1980 die Selbstinitiative der Arbeiter; sie warteten auf keine Anweisung von oben, sondern kamen selbst zusammen, um Zeitpunkt und Schwerpunkt ihrer Kämpfe zu bestimmen.

Am deutlichsten wurde dies in der Region Danzig-Gdynia-Zopot, dem Industriegürtel an der Ostsee. Die Lenin-Werft in Danzig beschäftigte allein ca. 20.000 Arbeiter. In einer Massenversammlung wurden gemeinsam Forderungen aufgestellt. Ein Streikkomitee wurde gebildet, anfangs standen ökonomische Forderungen im Vordergrund.

Die Arbeiter waren entschlossen: Eine blutige Niederschlagung der Kämpfe wie 1970 und 1976 sollte sich nicht wiederholen. Gerade in einer Industriehochburg wie Danzig-Gdynia-Zopot war es so offensichtlich, dass sich alle Arbeiter zusammenschließen mussten, um das Kräfteverhältnis zu ihrem Gunsten zu beeinflussen. Ein überbetriebliches Streikkomitee (MKS) wurde gebildet. Ihm gehörten 400 Mitglieder an, zwei Vertreter je Fabrik. In der zweiten Augusthälfte gab es ca. 800-1000 Delegierte. Durch die Bildung eines überbetrieblichen Streikkomitees wurde die Zersplitterung in verschiedene Betriebe und Industriebranchen überwunden. Die Arbeiter traten dem Kapital in geschlossener Front entgegen. Sie versammelten sich täglich auf dem Gelände der Lenin-Werft.

Lautsprecher wurden angebracht, damit die Diskussionen des Streikkomitees von Allen mitgehört werden konnten. Kurze Zeit später wurden Mikrofone außerhalb des Versammlungsraumes des Streikkomitees installiert, damit die Arbeiter aus den Versammlungen heraus direkt in die Diskussion eingreifen konnten. Abends fuhren die Delegierten - meist mit Kassetten über die Verhandlungen ausgerüstet - in ihre Betriebe zurück und stellten sich den Vollversammlungen.

Durch diese Vorgehensweise wurde ein Großteil der Arbeiter direkt an den Kämpfen beteiligt, die Delegierten mussten Rechenschaft ablegen, waren jederzeit abwählbar, und die Vollversammlungen in den jeweiligen Betrieben konnten nicht hinters Licht geführt werden, wie es die Gewerkschaften üblicherweise tun. In einzelnen Betrieben wurden zusätzliche Forderungen formuliert.

Unterdessen breitete sich nach Eintritt der Arbeiter von Danzig-Gdynia und Zopot die Bewegung auf andere Städte weiter aus. Um den Kontakt der Arbeiter untereinander zu blockieren, unterbrach die Regierung am 16. August die Telefonleitungen. Die Arbeiter drohten sofort mit einer weiteren schnellen Ausdehnung der Streiks. Die Regierung gab nach!

Die Vollversammlung der Arbeiter beschloss die Bildung einer Arbeitermiliz. Da der Alkoholkonsum gerade auch in den Reihen der Arbeiter sehr stark war, beschloss man gemeinsam, den Alkoholkonsum zu verbieten. Die Arbeiter wussten, sie brauchen einen klaren Kopf, um der Regierung entgegenzutreten!

Eine Regierungsdelegation kam zu Verhandlungen mit den Arbeitern - vor versammelter Belegschaft, nicht hinter verschlossenen Türen. Die Arbeiter verlangten die Neuzusammensetzung der Regierungsdelegation, weil deren Anführer nur eine Marionette war. Die Regierung gab nach.

Als die Regierung mit dem Einsatz von Militär gegen die Arbeiter in Danzig drohte, reagierten die Eisenbahner von Lublin: „Wenn den Arbeitern in Danzig auch nur ein Haar gekrümmt wird, dann legen wir die strategisch wichtige Eisenbahnverbindung von der UdSSR in die DDR lahm“. Die Regierung hatte verstanden! Dies hätte bedeutet, dass ihre Kriegswirtschaft, ihre Truppen an einem lebenswichtigen Nerv getroffen worden wären, und dies zu Zeiten des Kalten Krieges.

In nahezu allen Großstädten waren die Arbeiter mobilisiert.

Über eine halbe Million Arbeiter hatten gemerkt, dass sie die entscheidende Kraft im Lande waren, die direkt der Regierung gegenübertrat. Sie hatten gespürt, was sie stark machte:

- die schnelle Ausdehnung des Kampfes, anstatt sich in gewaltsamen Konfrontationen wie 1970 und 1976 aufzureiben,

- die Selbstorganisierung ihrer Kämpfe, die Selbstinitiative, anstatt sich den Gewerkschaften anzuvertrauen,

- die Vollversammlungen, die Verhandlungen des überbetrieblichen Streikkomitees mit der Regierung vor den Augen und Ohren der Arbeiter, die die Kontrolle über die Bewegung ausüben, größtmögliche Massenaktivität vor Ort.

Kurzum: die Ausdehnung der Bewegung war die beste Waffe der Solidarität. Hilfe nicht nur durch Deklarationen, sondern indem man selbst in den Kampf trat. Das veränderte das Kräfteverhältnis von Grund auf. Und weil die Arbeiter so massiv auf den Plan traten, konnte die Regierung keine Repression ausüben. Während der Sommerstreiks, als die Arbeiter in einer Front geschlossen dem Kapital gegenübertraten, gab es keinen einzigen Verletzten oder Toten. Die polnische Bourgeoisie wusste, dass sie diesen Fehler nicht begehen durfte, dass sie stattdessen die Arbeiterklasse erst von innen schwächen musste.

Schließlich forderten die Arbeiter in Danzig, denen die Regierung nachgegeben hatte, die zugestandenen Konzessionen auf die anderen Städte anzuwenden. Sie wollten sich nicht spalten lassen, sondern boten ihre Solidarität den Arbeitern in den anderen Städten an.

Die Arbeiterklasse war der Anziehungspunkt:

Arbeiter aus verschiedenen Städten reisten nach Danzig, um direkt mit den Streikenden dort Kontakt aufzunehmen. Aber auch Bauern und Studenten kamen zu den Fabriktoren, um die Streikbulletins, die Informationen selbst entgegenzunehmen. Die Arbeiterklasse war die führende Kraft.

Die Reaktion der Bourgeoisie: Isolierung

Welche Gefahr von den Kämpfen in Polen ausging, konnte man anhand der Reaktion der herrschenden Klasse in den Nachbarländern erkennen.

Sofort wurde die Grenze zur DDR, zur CSSR und zur Sowjetunion dicht gemacht. Während noch zuvor Tag für Tag polnische Arbeiter in die DDR, vor allem nach Berlin zum Einkaufen fuhren, da es in den leeren Regalen in Polen noch weniger Erzeugnisse als in der DDR gab, wollte die osteuropäische Bourgeoisie nun die polnische Arbeiterklasse isolieren. Eine direkte Kontaktaufnahme zu den Arbeitern in den anderen Ländern sollte mit allen Mitteln verhindert werden! Und zu dieser Maßnahme gab es allen Anlass. Denn in der benachbarten CSSR streikten im Kohlerevier um Ostrau - dem polnischen Beispiel folgend - die Kumpel. Auch im rumänischen Bergbaurevier und im russischen Togliattigrad griffen die Arbeiter das Beispiel der polnischen Arbeiter auf. Auch wenn es im Westen zu keinen Solidaritätsstreiks kam, so griffen doch die Arbeiter an vielen Orten die Losungen ihrer Klassenbrüder und -schwestern in Polen auf. In Turin skandierten im September 1980 die Arbeiter ‘Machen wir es wie in Danzig’.

Aufgrund seines Ausmaßes sollte der Massenstreik in Polen eine gewaltige Ausstrahlung auf die Arbeiter in anderen Ländern haben. Wie 1953 in der DDR, 1956 in Ungarn und Polen und 1970 sowie 1976 erneut in Polen zeigten die polnischen Arbeiter mit ihrem Massenstreik von 1980 auf, dass die sich „sozialistisch“ schimpfenden Regimes staatskapitalistische, arbeiterfeindliche Regierungen waren. Trotz des Sperrringes, der um Polen gelegt wurde, trotz des „Eisernen Vorhangs“ stellte die Massenbewegung der polnischen Arbeiterklasse einen weltweiten Bezugspunkt dar. Es war die Zeit des Kalten Krieges, des Afghanistankrieges; doch die Arbeiter hatten ein Zeichen gesetzt. Mit ihrem Kampf traten die Arbeiter der militärischen Aufrüstung, der Kriegswirtschaft entgegen. Die Vereinigung der Arbeiter von Ost und West tauchte, auch wenn sie noch nicht konkret formuliert wurde, zumindest wieder als Perspektive auf.

Jeder musste die Kraft und die Ausstrahlung der Arbeiterklasse anerkennen.

Wie die Bewegung untergraben wurde

Die Bewegung konnte solch eine Kraft entfalten, weil sie sich schnell ausgedehnt hatte und die Arbeiter selbst die Initiative ergriffen hatten. Ausdehnung über alle Fabriktore hinweg, Abwählbarkeit der Delegierten, Vollversammlungen usw., all das hatte ihre Stärke ermöglicht. Anfangs war die Bewegung noch frei von gewerkschaftlichen Fesseln.

Im Laufe der Bewegung jedoch gelang es den Mitgliedern der frisch gegründeten „freien Gewerkschaft“ Solidarnosc, der Bewegung Fesseln anzulegen.

Während zunächst die Verhandlungen offen geführt wurden, verbreitete sich schließlich die Meinung, dass „Experten“ notwendig seien, um Details mit der Regierung auszuhandeln. Immer öfter wurden die Verhandlungen geheim weitergeführt, die Lautsprecheranlagen auf den Werften, die vorher die Verhandlungen übertrugen, funktionierten plötzlich „aus technischen Gründen“ immer seltener. Lech Walesa, von dem später bekannt wurde, dass er ein Spitzel der polnischen Geheimpolizei war, wurde zum Anführer der neuen Gewerkschaftsbewegung gekürt (1). Der neue Feind der Arbeiter, die frisch aus der Taufe gehobene Gewerkschaft „Solidarnosc“, hatte sich eingeschlichen und ihre Sabotagearbeit begonnen. So gelang es den Gewerkschaftsanhängern um Walesa, die Forderungen umzukrempeln. Während anfangs ökonomische und politische Forderungen an oberster Stelle standen, rückte jetzt die Anerkennung der Gewerkschaften an die erste Stelle. Erst danach folgten ökonomische und politische Forderungen (2). Die altbekannte Taktik: Verteidigung der Gewerkschaften statt Verteidigung der Arbeiterinteressen.

Mit dem Ende der Bewegung war eine neue Gewerkschaft aus der Taufe gehoben worden, die die Schwächen der Arbeiterklasse voll auszuschlachten wusste.

Denn war es vorher eine Stärke der Arbeiter in Polen gewesen, sich der Tatsache bewusst zu sein, dass die offiziellen Gewerkschaften auf Staatsseite standen, meinten viele Arbeiter jetzt, dass die neu gegründete, 10 Mio. Mitglieder starke Gewerkschaft Solidarnosc nicht korrupt sei und unsere Interessen verteidige. Die Arbeiter in Polen hatten noch nicht die Erfahrung der Arbeiter im Westen mit „freien Gewerkschaften“ gemacht.

Als Walesa damals predigte: „Wir wollen ein zweites Japan aufbauen, Wohlstand für alle“, glaubten viele Arbeiter in Polen aus Unerfahrenheit mit den kapitalistischen Verhältnissen im Westen an solche Illusionen. So übernahm Solidarnosc und Walesa an der Spitze sehr schnell die Feuerwehrrolle. Denn als die Arbeiter begriffen, dass man jetzt zwar eine neue Gewerkschaft hatte, aber die wirtschaftliche Situation noch schlechter war als zuvor, und im Herbst 1980 unter anderem aus Protest über den Abschluss des Abkommens erneut in den Streik traten, da zeigte die neue Gewerkschaft bereits ihr wahres Gesicht. Schon wenig später wurde Lech Walesa im Armeehubschrauber durchs Land geflogen, um streikende Arbeiter zur Aufgabe zu bewegen: „Wir wollen keine weiteren Streiks, weil sie das Land in den Abgrund führen, wir brauchen Ruhe“.

Von Anfang an betrieb die Gewerkschaft Solidarnosc eine systematische Untergrabungsarbeit. Immer wieder entriss sie den Arbeitern die Initiative, hinderte sie daran, neue Streiks auszulösen. Die Massenstreikbewegung hatte im Sommer 1980 dieses ungeheure Ausmaß annehmen können, weil die polnische Bourgeoisie, wie die stalinistische Regierungen im Ostblock überhaupt, politisch schlecht ausgerüstet war, um der Arbeiterklasse anders als mit Repression entgegenzutreten. Im Westen erledigen die Gewerkschaften und die bürgerliche Demokratie diese Arbeit eines Auffangbeckens. Vor dem Hintergrund dieser politischen Rückständigkeit der dortigen Kapitalistenklasse sowie des Kalten Krieges kam der polnischen Bourgeoisie die neue Gewerkschaft äußerst suspekt vor. Aber nicht das subjektive Empfinden sollte den Ausschlag geben, sondern die objektive Rolle, die Solidarnosc gegen die Arbeiter spielte. So begann die stalinistische Regierung 1981 allmählich zu begreifen, dass trotz der Tatsache, dass Solidarnosc im stalinistischen Herrschaftssystem ein „Fremdkörper“ war, sie nützliche Dienste leistet. Das Kräfteverhältnis begann sich zu wandeln.

Im Dezember 1981 konnte die polnische Bourgeoisie dann die von ihr lange vorbereitete Repression durchführen. Die Solidarnosc hatte die Arbeiter politisch entwaffnet und damit ihre Niederlage möglich gemacht. Während im Sommer 1980 dank der Eigeninitiative der Arbeiter und der Ausdehnung ihrer Kämpfe - ohne eine Gewerkschaft an ihrer Seite - keinem Arbeiter ein Haar gekrümmt wurde, wurden im Dezember 1981 über 1200 Arbeiter ermordet, Tausende ins Gefängnis gesteckt und in die Flucht getrieben. Diese Repression fand nach intensiven Absprachen zwischen den Herrschenden in Ost und West statt.

Nach den Streiks im Sommer 1980 gewährte die westliche Bourgeoisie Solidarnosc alle mögliche „Aufbauhilfe“, um sie gegen die Arbeiter zu stärken. Es wurden Kampagnen wie „Pakete für Polen“ lanciert, Kredithilfen im Rahmen des Währungsfonds gewährt, damit niemand auf den Gedanken kam, dass die Arbeiter im Westen dem Weg der Arbeiter in Polen folgen und den Kampf in die eigenen Hände nehmen. Vor der Repression im Dezember 1981 wurden die Pläne der Niederschlagung zwischen den Regierungschefs direkt abgesprochen. Am 13. Dezember 1981, dem Tag des Beginns der Repression, saßen Helmut Schmidt (Sozialdemokrat) und Altstalinist Erich Honecker unweit von Berlin zusammen und wuschen ihre Hände in Unschuld. Dabei hatten sie nicht nur grünes Licht für die Repression gegeben, sondern auch ihre Erfahrung in diesen Fragen weitergegeben.

Im Sommer 1980 war es wegen des Absperrringes nicht möglich, dass die IKS in Polen selbst intervenierte. Ab September 1980 haben wir jedoch ein internationales Flugblatt zu den Massenstreiks in Polen in nahezu einem Dutzend Staaten verbreitet und mit Hilfe von Kontakten damals auch in Polen zirkulieren lassen. Bei nachfolgenden Interventionen der IKS in Polen kritisierten wir immer wieder die Illusionen der polnischen Arbeiter. Für uns als Revolutionäre galt es, sich nicht den Illusionen der Arbeiter zu beugen, sondern durch das Aufzeigen ihrer mangelnden Erfahrung mit den „radikalen“ Gewerkschaften, wie sie die Arbeiter im Westen gemacht hatten, die Arbeiter zu warnen. Auch wenn unsere Position zu den Gewerkschaften zunächst in Polen unpopulär war und wir in dieser Frage gegen den Strom schwammen, gab uns die Erfahrung letztendlich recht.

Ein Jahr später, im Dezember 1981, zeigte Solidarnosc, welche Niederlage der Arbeiter sie ermöglicht hatte! Nach dem Streikende 1980 war kein Winter vergangen, und schon war Solidarnosc zu einem staatstragenden Element geworden. Dass der ehemalige Führer Lech Walesa später gar Staatspräsident wurde, ist sicherlich nicht nur darauf zurückzuführen, dass er das Vertrauen von Kirche und westlichen Regierungen besaß, sondern auch weil er als Gewerkschaftsvertreter ein ausgezeichneter Verteidiger des Staates ist. Mittlerweile ist er genauso verhasst wie seinerzeit der stalinistische Oberhenker Gierek.

Wenn wir die positiven Lehren vom Sommer 1980 – Ausdehnung der Kämpfe, Selbstorganisierung des Massenstreiks - heute in Erinnerung rufen, dann weil wir auf deren heutige Gültigkeit hinweisen wollen. Auch wenn heute durch die Änderung der internationalen Lage ähnlich selbständige Massenstreiks in nächster Zeit nicht zu erwarten sind, müssen die Lehren aus dieser Bewegung der Arbeiterklasse wieder aufgegriffen werden und in die nächsten Kämpfe mit einfließen. Dav.

1) Auch wenn die Gründung einer „freien Gewerkschaft“ nur durch die Illusionen und Unerfahrenheit der Arbeiter in Polen selbst erklärt werden kann, steht außer Zweifel, dass die Organisationsbestrebungen seitens des KOR (eine teilweise pro-westliche Oppositionsgruppe) nur möglich waren wegen der Hilfestellung aus dem Westen für den systematischen Aufbau der Solidarnosc. Trotz der Gegnerschaft zwischen den beiden imperialistischen Blöcken gab es eine Einheit gegen die Arbeiterklasse.

(2) ‘Sicherheit der Streikenden, Freilassung aller politischen Häftlinge und der Arbeiter, die in Streiks von 1970/76 verurteilt worden waren, Veröffentlichung der Informationen des Streikkomitees, Zahlung der Löhne während des Streiks, Lohnerhöhungen, Inflationsausgleich, bessere Lebensmittelversorgung, Abschaffung der Privilegien für die Staatsbonzen, Herabsetzung des Rentenalters, Verbesserung der medizinischen Versorgung und mehr Kindergartenplätze, mehr Wohnungen, der Samstag soll arbeitsfrei werden, mehr Urlaub für Schichtdienstler’.

Leute: 

  • Walesa [18]
  • Gierek [19]

Geschichte der Arbeiterbewegung: 

  • 1980 - Massenstreik in Polen [20]

Historische Ereignisse: 

  • Polen 1980 [21]
  • Masssenstreik Polen [22]
  • Solidarnosc [23]

Ölpest am Golf von Mexiko: Der Kapitalismus – eine Katastrophe für die Natur und die Menschheit

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Die jüngste Ölpest im Golf von Mexiko wirft ein grelles Licht auf die Rücksichtslosigkeit und den unglaublich nachlässigen und waghalsigen Umgang der Kapitalisten mit den Ressourcen der Natur.

Seit dem Untergang der Ölplattform "Deepwater Horizon" am 22. April, bei dem elf Arbeiter starben, strömen jeden Tag mindestens 800.000 Liter Rohöl in den Golf von Mexiko, verseuchen auf Hunderten von Kilometern die Küsten und hinterlassen einen riesigen Ölteppich im Golf von Mexiko selbst. Dabei kann niemand genau feststellen, wie viel Öl seit dem 22. April aus dem Leck ausströmt. (1) „Einen Monat nach dem Untergang der Bohrplattform ‚Deepwater Horizon‘ ist der Großteil des bisher ausgetretenen Öls unter Wasser geblieben. Bis zu 16 Kilometer lang, sechs Kilometer breit und hundert Meter hoch sind die (...) riesigen Ölschwaden unter der Oberfläche des Golfs von Mexiko.“ Durch den Einsatz von sogenannten Dispergatoren hat man verhindert, „dass ein Teil des Öls an Land geht. Das ist da, wo die größte Konzentration an Journalisten wartet“ (d.h. die größte Öffentlichkeit). (Chemikalien gegen die Ölkatastrophe. Operation Verschleiern und Verschieben, Spiegelonline, 18.05.2010).

Erste Ermittlungen haben ergeben, dass „die für die Aufsicht der Ölförderung verantwortliche Rohstoffbehörde MMS ohne genaue Sicherheits- und Umweltprüfungen Genehmigungen erteilt (…) Im konkreten Fall habe die MMS es unterlassen, den Blowout Preventer [zentrales Abstellventil] vor dem Einsatz auf Tauglichkeit zu prüfen (…) in einem entscheidenden Hydrauliksystem des tonnenschweren Bauteils habe es offenbar ein Leck gegeben. Außerdem sei ein Sicherheitstest wenige Stunden vor der Explosion fehlgeschlagen.“ www.spiegel.de/wissenschaft/natur/us-oelpest-schwere-sicherheitsmaengel-vor-explosion-der-oelplattform-a-694602.html [24] und https://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,694271,00.html [25]

Weitere Ermittlungen haben aufgezeigt, dass gar keine Absauganlagen entwickelt wurden, die austretendes Öl am Meeresboden auffangen könnten. Genauso wenig gibt es Möglichkeiten von Entlastungsbohrungen für solche Notfälle. Welche Haltung verbirgt das wohl, wenn man Ölvorkommen tief am Meeresboden anzapft, ohne überhaupt irgendwelche „Auffangmöglichkeiten“ zu haben und vorgesehene Schließeinrichtungen nicht funktionieren?

„Die 560 Millionen Dollar teure Ölplattform ‚Deepwater Horizon‘ etwa war eine der modernsten Bohrplattformen der Welt. Zwölf Meter hohen Wellen und Winden in Orkanstärke konnte sie trotzen.“(ebenda) Auf der einen Seite astronomische Produktionskosten für den Bau einer solchen Plattform (mehr als eine halbe Milliarde Dollar!) und 100 Millionen Euro Kosten für eine Bohrung, wie sie die Ölplattform zum Zeitpunkt des Unglücks vornahm, und auf der anderen Seite entweder gar nicht vorhandene oder nicht funktionierende Sicherheitssysteme für Notfälle unter Wasser - wie kann man so etwas erklären?

Profitjagd auf Kosten der Natur

Als die systematische Erdölförderung vor ca. 100 Jahren einsetzte, musste nur ein geringer finanzieller und technischer Aufwand betrieben werden, um die Ölquellen anzuzapfen. Mittlerweile, ein Jahrhundert später, stehen die Ölgesellschaften vor einer neuen Situation. „Ein großer Teil des globalen Erdöls wird aus Feldern gepumpt, die zum Teil bereits vor mehr als 60 Jahren ohne großen technologischen Aufwand gefunden wurden. Heute jedoch müssen die Prospektoren mit kostspieligen Methoden nach Feldern suchen, die an den unzugänglichen Standorten der Erde liegen - und die Ölmengen liefern, die früher als marginal angesehen wurden. (…) Vor allem den westlichen Unternehmen fehlt inzwischen weitgehend der Zugang zu den einfachen, billigen, aussichtsreichen Quellen in Asien und Lateinamerika. Diese nämlich befinden sich inzwischen alle in der Hand nationaler Ölgesellschaften. Sie heißen Saudi Aramco (Saudi-Arabien), Gazprom (Russland), NIOC (Iran) oder PDVSA (Venezuela) und stehen unter staatlicher Obhut. Sie sind die wahren Giganten im Geschäft; sie kontrollieren mehr als drei Viertel der globalen Reserven.

‘Big Oil‘, wie die alten privaten Konzerne noch immer genannt werden, kontrolliert gerade noch rund zehn Prozent der globalen Öl- und Gasreserven. BP und Co. bleiben nur die aufwendigen, teuren und gefährlichen Projekte. Aus der Not heraus stoßen die Konzerne zu den letzten Grenzen vor, zu Vorkommen, die sonst keiner anfassen mag. (…) Milliarden wurden von den Konzernen investiert, um in früher für undenkbar gehaltene Tiefen vorzudringen. Jede neue Explorationsmethode wird von der Industrie bejubelt, treibt sie doch jenen Zeitpunkt weiter hinaus, an dem der Ölfluss versiegen wird. (…) Rund 60 Milliarden Barrel Öl, so eine aktuelle Schätzung der US-Regierung, lagern unter dem Meeresgrund des Golfs von Mexiko. Das gigantische Vorkommen reicht aus, um Amerikas Wirtschaft, (…) fast für ein Jahrzehnt am Laufen zu halten. Erst Ende März hatte US-Präsident Obama verkündet, neue Seegebiete vor der Ostküste der USA, nördlich von Alaska und im östlichen Golf von Mexiko, für Offshore-Bohrungen freizugeben (…) Dass BP und andere Ölgesellschaften bei der Suche und Erschließung an die technologischen Grenzen gehen müssen, liegt daran, dass ihnen keine anderen Möglichkeiten mehr bleiben".

Immer höhere Kosten, immer größere Risiken

„Längst haben sich die Ölgesellschaften von Plattformen verabschiedet, die auf dem Meeresboden fest verankert sind. Schwimmende Monstren, sogenannte Halbtaucher, dümpeln auf den Ozeanen, unter sich Kilometer von Wasser. Steigleitungen aus Spezialstahl oder extrem festen Verbundwerkstoffen führen in die stockdunkle Tiefe. Normale Leitungen würden unter ihrem eigenen Gewicht zerbersten. In 1500 Meter Tiefe ist das Wasser fünf Grad kalt - das Öl jedoch kommt fast kochend aus dem Grund. Extreme Belastungen des Materials sind die Folge. Die Risiken sind beträchtlich. Mit der Tiefe vergrößern sich die technischen Anforderungen an die Bohrung enorm, Die Technik ist gefährlich: Beim Aushärten entstehen Risse im Zement, durch die Öl und Gas mit Urgewalt nach oben zischen können. Ein Funken reicht dann - und es kommt zur Explosion.“ (ebenda) …wie jetzt!

Fieberhaft kämpfen Zehntausende von Einsatzkräften bislang weitestgehend vergeblich darum, das Öl von weiteren Stränden fernzuhalten. Flugzeuge vom Typ Lockheed C-130 versprühten Tonnen des Chemikaliengemischs Corexit, das den Ölteppich auflösen soll - und das selbst im Verdacht steht, die maritime Lebenswelt zu schädigen. Langfristig können also durch die chemischen Rettungsmaßnahmen durchaus noch größere, unabsehbare Schäden entstehen(2). Die wirtschaftlichen Folgen für die Bevölkerung vor Ort sind aber schon jetzt katastrophal, weil viele Fischer in den Ruin getrieben werden.

Während der Wettlauf um die Erschließung neuer Ölquellen immer höhere Investitionen erfordert, müssen gleichzeitig immer größere technische Wagnisse eingegangen werden. Die kapitalistischen Konkurrenzbedingungen treiben die Rivalen dazu, immer mehr zu riskieren und immer weniger Rücksicht auf die Bedürfnisse der Natur zu nehmen. Schmelzende Polkappen und die damit frei werdenden Nordwest-Passage sowie das auftauende Eis in den Permafrostzonen haben schon seit langem den Appetit der Ölgesellschaften geweckt und zu Spannungen zwischen Ländern geführt, die Gebietsansprüche in der Region erheben.

Während die grenzenlose Verwendung von nicht erneuerbaren, fossilen Energiequellen wie Öl im Grunde ohnehin die reinste Verschwendung und die permanente Suche nach neuen Ölquellen eine reine Absurdität ist, treibt die Wirtschaftskrise und der mit ihr verbundene Konkurrenzkampf die Unternehmen dazu, immer weniger Geld für mögliche und erforderliche Sicherheitssysteme aufzubringen. Das System plündert immer waghalsiger, rücksichtsloser und räuberischer die Ressourcen des Planeten aus. War es seit jeher eine gängige Kriegsmethode, die Politik der „verbrannten“ Erde zu praktizieren, die z.B. auch von den USA im ersten Golfkrieg 1991 eingesetzt wurde, als sie Ölförderanlagen am Persischen Golf in Brand schossen und Unmengen von Öl ausliefen bzw. riesige Brände verursachten, bewirkt der alltägliche Druck der Krise nun, dass man billigend „verbrannte Erde“ und verpestete Meere in Kauf nimmt, um seine ökonomischen Interessen durchzusetzen.

Die jetzige Ölpest war vorhersehbar – genau wie die Katastrophe von 2005, als Hurrikan Katrina die Stadt New Orleans überflutete und ca. 1800 Menschen in den Tod riss, als eine ganze Stadt evakuiert, Hunderttausende umgesiedelt werden mussten. So wie die Katastrophe von New Orleans ein Ergebnis der Unfähigkeit des Kapitalismus war, für ausreichenden Schutz vor den Gefahren der Natur zu sorgen, ist die jetzige Ölpest das Ergebnis kapitalistischen Profitstrebens.

USA und Haiti – zwei Gesichter des gleichen Systems

Innerhalb kurzer Zeit sind der Golf von Mexiko und die Karibik Schauplatz gewaltiger Katastrophen geworden. Reiner Zufall?

Als die Erde unter der Karibikinsel Haiti bebte und mehr als 200.000 Menschen den Tod fanden, 300.000 Menschen verletzt und 1.5 Mio. Menschen obdachlos wurden, wurde offensichtlich, dass die Menschen Opfer einer unglaublich nachlässigen Baupolitik geworden waren (s. frühere Artikel auf unserer Webseite). Dass das chronisch verarmte, seit langem von Rückständigkeit geplagte Haiti zum Friedhof für so viele Menschen wurde, erscheint leicht nachvollziehbar. Aber ist es ein Zufall, dass die Umweltkatastrophe im Golf von Mexiko eines der technisch höchst entwickelten Länder, die USA, trifft?

In der Golfregion und der Karibik kommen in Wirklichkeit himmelschreiende Gegensätze und Widersprüche zum Vorschein, die ein typischer Ausdruck eines niedergehenden Systems sind. Sowohl das Schicksal der Menschen im bettelarmen Haiti (wie auch z.B. das Leiden der Opfer im vom Drogenkrieg geplagten Mexiko) als auch die Lage in den USA zeigt, in welches Stadium diese Gesellschaft eingetreten ist.

Einerseits melden immer mehr US-Bundesstaaten Bankrott an (s. Artikel auf unserer Webseite zu den Studentenprotesten in den USA), immer mehr Menschen hausen in Zeltstädten. Andererseits verkündet die US-Regierung mit Stolz: „Das erste Raumschiff der US-Luftwaffe hat seine Feuertaufe bestanden: Am frühen Freitagmorgen [23. April, ein Tag nach dem Beginn der Ölpest] ) startete das geheimnisumwobene Space Plane erfolgreich zu seinem Testflug im All. Vom militärischen Teil des Weltraumbahnhofs Cape Canaveral im Bundesstaat Florida wurde das unbemannte Mini-Shuttle von einer Atlas-V-Rakete in den Orbit befördert. Der unbemannte Weltraumgleiter X-37-B wurde in den vergangenen zehn Jahren unter strengster Geheimhaltung entwickelt (…) Eine naheliegende und mehrfach geäußerte Vermutung ist, dass die X-37-B als Weltraumdrohne zum Einsatz kommen könnte, um strategisch wichtige Ziele überall auf der Welt aufzuklären.“

Während man sich erhofft, damit Gefahren für die Sicherheit der USA aus der Luft aufzuspüren, lässt man die Kräfte weitestgehend frei walten, die unbehindert von oder gar mit Zustimmung und Wohlwollen seitens der US-Behörden die gefährlichsten und bedrohlichsten Eingriffe an der Natur vornehmen, dabei Menschenleben fahrlässig gefährden und, wie jetzt bei den Ölbohrungen, eine auf Jahre hinaus vergiftete Natur hinterlassen.

Die Prioritäten dieses verfaulenden, am Militarismus erkrankten Systems sind klar: Man investiert 35 Milliarden Euro in 180 neue Tankflugzeuge, die u.a. Bomber und andere Massenvernichtungsflugzeuge auftanken sollen, man befördert 30.000 US-Soldaten mit Riesenaufwand durch sieben Länder über Tausende von Kilometern vom Irak nach Afghanistan, damit sie dort weiter wüten können… aber gleichzeitig landen immer mehr Obdachlose auf der Straße, verkommen immer mehr Stadtviertel, verfällt die Infrastruktur und kämpfen immer mehr Menschen ums Überleben. Der Gegensatz zwischen dem, was möglich wäre - eine Gesellschaft, die nicht auf Profit basiert, sondern auf der Bedürfnisbefriedigung der Menschen -, und der grausigen Wirklichkeit im Kapitalismus könnte nicht eklatanter sein. Jeder Tag, den die kapitalistische Produktionsweise die Menschheit weiter im Würgegriff hält, ist ein Tag zu viel. Dv. 18.05.2010

(1) An der Unglücksstelle liefen nach ersten Angaben täglich etwa 1.000 Barrel [26] (160.000 Liter) Rohöl ins Meer. Einige Tage später wurden die Schätzungen durch die Entdeckung eines dritten Lecks auf eine Austrittsmenge von etwa 5.000 Barrel (etwa 800.000 Liter) pro Tag korrigiert. Neuere Berechnungen verschiedener Forscher, die auf Unterwasservideos der Lecks beruhen, liefern eine Austrittsmenge von mindestens 50.000 Barrel (etwa 8 Millionen Liter) täglich.

(2) Bisher sind 1.8 Millionen Liter der Spezialflüssigkeit Corexit im Golf von Mexiko eingesetzt worden... Es besteht die Gefahr dass ein Teil der unterirdischen Ölschwaden in Richtung des offenen Atlantik getragen wird.

Aktuelles und Laufendes: 

  • Umweltverschmutzung [27]
  • Ölpest Golf von Mexiko [28]
  • Deepwater Horizon [29]
  • Kapitalismus Umweltverschmutzung [30]
  • Katrina 2005 [31]
  • Haiti Erdbeben [32]

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