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April 2009

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Bürgerkrieg in Deutschland 1918 – 19- Teil IV

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In den ersten drei Teilen unserer Serie über die Deutsche Revolution 1918-19 zeigten wir, wie sich nach dem Zusammenbruch der Sozialistischen Internationale im Angesicht des I. Weltkrieges das Blatt zugunsten des Proletariats wendete, mit dem Höhepunkt der Novemberrevolution von 1918, die, wie die Oktoberrevolution ein Jahr zuvor, ein Aufstand gegen den imperialistischen Krieg war. Während der Rote Oktober den ersten mächtigen Schlag der Arbeiterklasse gegen den „Großen Krieg“ darstellte, war es die Tat des deutschen Proletariats, die ihn letztendlich beendete.

Laut den Geschichtsbüchern der herrschenden Klasse endet damit auch die Parallele zwischen den Bewegungen in Russland und Deutschland. Die revolutionäre Bewegung in Deutschland habe sich lediglich auf den November 1918 beschränkt und gegen den Krieg gerichtet. Im Gegensatz zu Russland habe es in Deutschland nie eine revolutionäre sozialistische Bewegung gegeben, die sich gegen das kapitalistische System als solches gerichtet habe. Die „Extremisten“, die für eine „bolschewistische“ Revolution in Deutschland gefochten hatten, hätten dies nicht begriffen und dafür mit ihrem Leben bezahlt. So die Behauptungen.

In den ersten drei Teilen unserer Serie über die Deutsche Revolution 1918-19 zeigten wir, wie sich nach dem Zusammenbruch der Sozialistischen Internationale im Angesicht des I. Weltkrieges das Blatt zugunsten des Proletariats wendete, mit dem Höhepunkt der Novemberrevolution von 1918, die, wie die Oktoberrevolution ein Jahr zuvor, ein Aufstand gegen den imperialistischen Krieg war. Während der Rote Oktober den ersten mächtigen Schlag der Arbeiterklasse gegen den „Großen Krieg“ darstellte, war es die Tat des deutschen Proletariats, die ihn letztendlich beendete.

Laut den Geschichtsbüchern der herrschenden Klasse endet damit auch die Parallele zwischen den Bewegungen in Russland und Deutschland. Die revolutionäre Bewegung in Deutschland habe sich lediglich auf den November 1918 beschränkt und gegen den Krieg gerichtet. Im Gegensatz zu Russland habe es in Deutschland nie eine revolutionäre sozialistische Bewegung gegeben, die sich gegen das kapitalistische System als solches gerichtet habe. Die „Extremisten“, die für eine „bolschewistische“ Revolution in Deutschland gefochten hatten, hätten dies nicht begriffen und dafür mit ihrem Leben bezahlt. So die Behauptungen.

Doch die herrschende Klasse jener Zeit besaß nicht die Nonchalance der heutigen Historiker hinsichtlich der Unerschütterlichkeit der kapitalistischen Herrschaft. Ihr damaliges Programm: Bürgerkrieg!

Die „Doppelherrschaft“ und das Rätesystem

Diese Orientierung wurde durch eine Situation der Doppelherrschaft veranlasst, die aus der Novemberrevolution resultierte. Wenn die Beendigung des imperialistischen Krieges das Hauptresultat vom November war, so war sein Hauptprodukt das System der Arbeiter- und Soldatenräte, die sich, wie in Russland und Österreich-Ungarn, über das ganze Land erstreckten.

Die deutsche Bourgeoisie, insbesondere die Sozialdemokratie, zog sofort die Lehren aus dem, was in Russland passiert war, intervenierte von Anfang an, um diese Revolutionsorgane zu einer leeren Hülle zu machen. In vielen Fällen erzwangen sie die Wahl von Delegierten auf der Grundlage von Parteilisten, die sich die SPD und die schwankende, versöhnlerische USPD teilten, was im Endeffekt auf den Ausschluss von Revolutionären aus diesen Organen hinauslief. Auf dem ersten nationalen Kongress der Arbeiter- und Soldatenräte in Berlin hinderte der linke Flügel des Kapitals Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg am Sprechen. Vor allem paukte er einen Antrag durch, in dem die Absicht erklärt wird, alle Macht einer kommenden parlamentarischen Regierung auszuhändigen.

Diese Erfolge der Bourgeoisie bilden noch immer die Grundlage des Mythos‘, dass im Gegensatz zu Russland die Räte in Deutschland nicht revolutionär gewesen seien. Dabei wird jedoch übersehen, dass auch in Russland die Räte zu Beginn der Revolution keinen revolutionären Kurs verfolgten, dass die meisten Delegierten, die zunächst gewählt worden waren, keine Revolutionäre waren und dass es auch dort die „Sowjets“ anfangs eilig hatten, ihre Macht abzugeben.

Nach der Novemberrevolution machte sich die deutsche Bourgeoisie keine Illusionen über die angebliche Harmlosigkeit des Rätesystems. Auch wenn sie die Macht für sich beanspruchten, erlaubten diese Räte dem bürgerlichen Staatsapparat auch weiterhin, mit ihnen zusammen zu koexistieren. Andererseits war das Rätesystem durch seine eigentliche Natur dynamisch und elastisch, seine Zusammensetzung, Haltung und Handlungsweise in der Lage, sich allen Wendungen anzupassen und zu radikalisieren. Die Spartakisten, die dies sofort begriffen hatten, begannen mit einer pausenlosen Agitation für die Neuwahl von Delegierten, die eine scharfe Linkswende in der gesamten Bewegung konkretisieren würde.

Niemand verstand die potenzielle Gefahr dieser „Doppelherrschaft“ besser als die deutsche Militärführung. General Groener, dazu ernannt, die Operationen der Reaktion zu leiten, aktivierte umgehend die geheime Telefonverbindung 998 zum neuen Kanzler, den Sozialdemokraten Ebert. Und genauso wie der legendäre römische Senator Cato zweitausend Jahre zuvor jede Rede mit den Worten „Karthago (der Todesfeind Roms) muss vernichtet werden“ beendet hatte, dachte Groener an die Zerstörung der Arbeiterräte und vor allem der Soldatenräte. Obwohl während und nach der Novemberrevolution die Soldatenräte teilweise ein konservatives totes Gewicht darstellten, um die Arbeiter zurückzuhalten, wusste Groener, dass die Radikalisierung der Revolution diese Tendenz umkehren würde, wenn die Arbeiterräte beginnen würden, die Soldaten hinter sich zu ziehen. Vor allem: die Ambitionen der Soldatenräte bestanden darin, das Kommando zu übernehmen und die Herrschaft der Offiziere über die Streitkräfte zu brechen. Dies lief auf nichts anderes hinaus als die Bewaffnung der Revolution. Keine herrschende Klasse hat jemals freiwillig die Aufgabe ihres eigenen Monopols über die Streitkräfte akzeptiert. In diesem Sinn setzte die bloße Existenz des Rätesystems den Bürgerkrieg auf die Agenda.

Mehr noch: die Bourgeoisie begriff, dass im Anschluss an der Novemberrevolution die Zeit nicht mehr auf ihrer Seite war. Die spontane Tendenz der gesamten Situation wies in Richtung Radikalisierung der Arbeiterklasse, Verlust ihrer Illusionen bezüglich der Sozialdemokratie und der „Demokratie“ sowie eines wachsenden Selbstbewusstseins. Ohne das geringste Zögern schlug die deutsche Bourgeoisie den Weg zu einer Politik der systematischen Provozierung militärischer Auseinandersetzungen ein. Ihr Ziel: ihrem Klassenfeind entscheidende Konfrontationen aufzuzwingen, noch bevor die revolutionäre Situation herangereift war. Konkreter: die „Enthauptung“ des Proletariats durch eine blutige Niederlage der Arbeiter der Hauptstadt Berlin, dem politischen Zentrum der deutschen Arbeiterbewegung, bevor die Kämpfe in den Provinzen eine „kritische“ Stufe erreicht hatten.

Der offene Kampf zwischen zwei Klassen, von denen jede entschlossen war, ihre eigene Macht durchzusetzen, jede mit ihren eigenen Organisationen der Klassenherrschaft, konnte nur ein temporärer, instabiler, unhaltbarer Zustand sein. „Doppelherrschaft“ endet im Bürgerkrieg.

Die Kräfte der Konterrevolution

Im Gegensatz zur Lage in Russland 1917 stand die Deutsche Revolution den feindlichen Kräften der gesamten Weltbourgeoisie gegenüber. Die herrschende Klasse war nicht mehr durch den imperialistischen Krieg in zwei rivalisierende Lager gespalten. Als solche stand der Revolution nicht nur die deutsche Bourgeoisie gegenüber, sondern auch die Kräfte der Entente, die sich auf der Westseite des Rheins sammelten, bereit, militärisch zu intervenieren, sollte die deutsche Regierung die Kontrolle über die soziale Lage verlieren. Die Vereinigten Staaten, ein relativer Newcomer auf der weltpolitischen Ebene, spielten die Karte der „Demokratie“ und des „Rechts der Nationen auf Selbstbestimmung“, wobei sie sich selbst als die einzige Garantie für Frieden und Wohlstand präsentierten. Als solche versuchten sie eine politische Alternative zum revolutionären Russland zu formulieren. Die französische Bourgeoisie, die ihrerseits von ihrem eigenen imperialistischen Durst nach Rache besessen war, brannte darauf, tiefer auf deutsches Territorium vorzudringen und die Revolution dabei in Blut zu ertränken. Es war Großbritannien, damals die größte Macht auf der Welt, das die Führung dieser konterrevolutionären Allianz übernahm. Statt das Embargo, das es während des Krieges gegen Deutschland verhängt hatte, aufzuheben, verschärfte Großbritannien es teilweise sogar noch. London war entschlossen, die Bevölkerung Deutschlands solange auszuhungern, bis dieses Land ein politisches Regime installiert hatte, das von der Regierung Ihrer Majestät befürwortet wurde.

Innerhalb Deutschlands selbst war die zentrale Achse der Konterrevolution das Bündnis zwischen den Hauptkräften der Sozialdemokratie und des Militärs. Die Sozialdemokratie war das trojanische Pferd des weißen Terrors, indem sie hinter den Linien des Klassenfeindes operierte, die Revolution von innen sabotierte und ihre verbliebene Autorität als ehemalige Arbeiterpartei (und in Gestalt der Gewerkschaften) nutzte, um ein Maximum an Konfusion und Demoralisierung zu schaffen. Das Militär lieferte die bewaffneten Kräfte, brachte aber auch die Erbarmungslosigkeit, Verwegenheit und strategische Fähigkeit mit, die es seit jeher auszeichnen.

Was für ein schwankender, halbherziger Haufen die russischen Sozialisten um Kerenski 1917 doch waren, verglichen mit den kaltblütigen Konterrevolutionären der deutschen SPD! Was für ein unorganisierter Mob die russischen Offiziere doch im Vergleich mit der grimmigen Effizienz der preußischen Militärelite waren[1]!

In den Tagen und Wochen nach der Novemberrevolution machte sich diese morbide Allianz daran, zwei Hauptprobleme zu lösen: Angesichts der Auflösung der imperialistischen Armeen musste sie den harten Kern einer neuen Kraft, eine Weiße Armee des Terrors, zusammenhalten. Sie bezog ihr Rohmaterial aus zwei Hauptquellen, aus dem alten Offizierskorps und aus jenen entwurzelten Speichelleckern, die durch den Krieg verrückt geworden waren und nicht mehr in das „zivile“ Leben integriert werden konnten. Als gebrochene Opfer des Imperialismus waren diese ehemaligen Soldaten auf der Suche nach einem Ventil für ihren blinden Hass und nach jemanden, der für ihre Dienste zahlte. Aus diesen Desperados rekrutierten und trainierten die adligen Offiziere – politisch unterstützt und gedeckt durch die SPD – das, was zu den Freikorps werden sollte, die Söldner der Konterrevolution, Kern der späteren Nazibewegung.

Diese bewaffneten Kräfte wurden durch eine ganze Reihe von Spionageringen und Agents provocateurs unterstützt, die von der SPD und dem Armeestab koordiniert wurden.

Das zweite Problem war, wie man den Arbeitern gegenüber den Einsatz des weißen Terrors rechtfertigte. Es war die Sozialdemokratie, die dieses Problem löste. Vier Jahre lang hat sie im Namen des Friedens den imperialistischen Krieg gepredigt. Nun predigte sie den Bürgerkrieg im Namen der... Verhinderung des Bürgerkrieges. Wir kennen niemanden, der Blutvergießen will, erklärte sie – außer Spartakus! Zu viele Arbeiter haben ihr Blut vergossen im Großen Krieg – aber Spartakus dürstet nach mehr!

Die damaligen Massenmedien verbreiteten diese schamlosen Lügen: Spartakus mordet und plündert und heuert Soldaten für die Konterrevolution an und kollaboriert mit der Entente und erhält Geld von den Kapitalisten und bereitet eine Diktatur vor. Die SPD beschuldigte Spartakus dessen, was sie selbst tat!

Die erste große Menschenjagd des 20. Jahrhunderts in einer der hoch-„zivilisierten“ Industrienationen Westeuropas richtete sich gegen Spartakus. Und während die höchsten Tiere aus Kapital und Militär enorme Belohnungen für die Liquidierung der Spartakusführer auslobten, wobei sie es vorzogen, anonym zu bleiben, rief die SPD in ihrer Parteipresse offen zur Ermordung von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg auf. Anders als ihre bürgerlichen Freunde wurde die SPD zu dieser Kampagne nicht nur durch ihren (bürgerlichen) Klasseninstinkt und durch ihr strategisches Denken veranlasst, sondern auch durch einen Hass, der nicht weniger grenzenlos war wie der der Freikorps.

Die deutsche Bourgeoisie ließ sich nicht vom oberflächlichen und flüchtigen Eindruck des Moments blenden: von Spartakus als eine kleine, abseits stehende Gruppe. Sie wusste, dass hier das Herz des Proletariats schlug, und war bereit, zum tödlichen Schlag auszuholen.

Dezember 1918: Erste Siege des Proletariats

Die konterrevolutionäre Offensive begann am 6. Dezember in Berlin mit einem Angriff an drei Fronten. Das Hauptquartier der Roten Fahne, der Zeitung des Spartakusbundes, war Ziel einer Razzia. Eine andere Gruppe von Soldaten versuchte die Führer des Exekutivorgans der Arbeiterräte, die sich in einer Sitzung befanden, festzunehmen. Die Absicht, die Arbeiterräte als solche zu eliminieren, war offensichtlich. Eine weitere Gruppe von Soldaten kam ihnen um der Ecke entgegen und forderte Ebert dazu auf, den Vollzugsrat zu verbieten. Außerdem geriet eine Demonstration von Spartakus nahe des Stadtzentrums, in der Chausseestraße, in den Hinterhalt: 18 Tote, 30 Verletzte. Dank proletarischer Tapferkeit und Erfindungsgabe gelang es, Schlimmeres zu verhüten. Die Führer des Vollzugsausschusses waren in der Lage, den Soldaten diese Aktion auszureden. Und eine Gruppe russischer Kriegsgefangener, die von hinten die Friedrichstraße entlang kam, war imstande, mit ihren bloßen Händen die Maschinengewehrschützen von der Chausseestraße zu überraschen und zu überwältigen[2].

Am folgenden Tag wurde ein Versuch unternommen, Karl Liebknecht in den Büros der Roten Fahne festzunehmen (bzw. zu kidnappen) und zu ermorden. Seine eigene Kaltschnäuzigkeit rettete ihm bei dieser Gelegenheit das Leben.

Diese Aktionen provozierten die ersten gigantischen Solidaritätsdemonstrationen des Berliner Proletariats mit Spartakus. Von nun an waren sämtliche Demonstrationen des Spartakusbundes bewaffnet, mit Maschinengewehrbatterien bestückte Lastwagen an der Spitze. Gleichzeitig intensivierte sich angesichts solcher Provokationen die gigantische Streikwelle, die im November in den Schwerindustrieregionen Oberschlesiens und der Ruhr ausgebrochen war.

Das nächste Ziel der Konterrevolution war die Volksmarinedivision, bewaffnete Matrosen, die von den Hafenstädten an der Küste nach Berlin gekommen waren, um die Revolution zu verbreiten. Ihre bloße Existenz war für die Behörden eine Provokation, dies um so mehr, seitdem sie den Palast der geheiligten preußischen Könige besetzt hatten[3].

Diesmal bereitete die SPD den Boden vorsichtiger. Sie wartete die Resultate des nationalen Rätekongresses ab, die sich als vorteilhaft für die Übergabe der Macht an die SPD-Regierung und an die künftige Nationalversammlung herausstellten. Eine Medienkampagne beschuldigte die Matrosen des Marodierens und Plünderns. Kriminelle, Spartakisten!

Am Morgen des 24. Dezember, Heiligabend, präsentierte die Regierung den 28 Matrosen im Palast und ihren 80 Genossen im Marstall ein Ultimatum[4]: bedingungslose Aufgabe. Die schlecht bewaffnete Armeegarnison gelobte, bis zum letzten Mann zu kämpfen. Genau zehn Minuten später (es war nicht einmal genug Zeit, Frauen und Kinder aus den Gebäuden zu evakuieren) weckte das Donnern der Artillerie die Großstadt.

„Das wäre nun, trotz aller Zähigkeit der Matrosen, weil sie mit ihren Waffen keinen Staat machen konnten, eine verlorene Schlacht geworden – wenn sie irgendwo sonst stattgefunden hätte. Aber sie fand mitten in Berlin statt. Bei Schlachten spielen bekanntlich Flüsse, Hügel, Geländeschwierigkeiten eine große Rolle. In Berlin waren die Geländeschwierigkeiten Menschen.

Wie die Kanonen stolz und großmäulig krachten, weckten sie Zivilisten aus dem Schlaf, die sofort verstanden, was die Kanonen sagten. Sie liefen herbei, um auch ihre Ansicht zu äußern. Und dass sie herbei- und nicht wegliefen, war ein Zeichen, dass sie die Kanonen verstanden.” (Bd. 4. Seite 143)[5]

Anders als Großbritannien oder Frankreich war Deutschland keine dauerhafte zentralisierte Monarchie gewesen. Anders als London oder Paris wurde Berlin nicht zu einer Weltmetropole unter der Anleitung eines Regierungsplanes gestaltet. Ähnlich dem Ruhrtal wucherte Berlin wie ein Krebs. Das Ergebnis war, dass das Regierungsviertel letztendlich auf drei Seiten von einem „roten Gürtel“ riesiger Arbeiterbezirke umgeben war[6]. Bewaffnete Arbeiter eilten zum Ort des Geschehens, um die Matrosen zu verteidigen. Arbeiterinnen und Kinder standen zwischen den Gewehren und deren Zielen, nur mit ihrem Mut, ihrem Humor und ihrer Überzeugungskraft ausgerüstet. Die Soldaten warfen ihren Waffen weg und entwaffneten die Offiziere[7].

Am folgenden Tag nahm die massivste Demonstration in der Hauptstadt seit dem 9. November Besitz vom Stadtzentrum – diesmal gegen die SPD und in Verteidigung der Revolution. Am gleichen Tag besetzten Arbeitergruppen die Büros des Vorwärts, der Tageszeitung der SPD. Es gibt wenig Zweifel daran, dass diese Tat das spontane Ergebnis der tiefen Empörung des Proletariats war. Jahrzehntelang war der Vorwärts das Sprachrohr der Arbeiterklasse gewesen – bis die SPD-Führung ihn während des Weltkrieges stahl. Jetzt war er das schamloseste und unehrlichste Organ der Konterrevolution.

Die SPD sah sofort die Möglichkeit, die Situation für eine neue Provokation auszunutzen, indem sie eine Kampagne gegen den angeblichen „Angriff auf die Pressefreiheit“ startete. Doch die Obleute, die revolutionären Delegierten, eilten zur Zentrale des Vorwärts und überzeugten die Besetzer von der taktischen Klugheit eines vorläufigen Rückzugs, um eine vorzeitige Konfrontation zu vermeiden.

Das Jahr endete mit einer weiteren Demonstration der revolutionären Entschlossenheit: die Beerdigung der elf toten Matrosen aus der Schlacht um den Marstall. Am gleichen Tag verließ die USPD die Koalitionsregierung mit der SPD. Und während die Ebert-Regierung mit dem Gedanken spielte, aus der Hauptstadt zu fliehen, begann der Gründungskongress der KPD.

Die Eichhorn-Affäre und die zweite Vorwärts-Besetzung

Die Ereignisse des Dezember 1918 enthüllten, dass eine tiefgehende Konsolidierung der Revolution begonnen hatte. Die Arbeiterklasse gewann die ersten Konfrontationen in der neuen Phase, entweder durch die Kühnheit ihrer Aktionen oder durch die Klugheit ihrer taktischen Rückzüge. Die SPD hatte zumindest begonnen, ihren konterrevolutionären Charakter vor den Augen der gesamten Klasse zu entblößen. Es stellte sich schnell heraus, dass die bürgerliche Strategie der Provokationen schwierig, ja riskant war.

Mit dem Rücken zur Wand zog die herrschende Klasse mit bemerkenswerter Klarheit die Lehren aus diesen ersten Geplänkeln. Sie realisierte, dass die direkte und massive Anvisierung von Symbolen und Identifikationsfiguren der Revolution – Spartakus, die Führung der Arbeiterräte oder die Marinedivisionen – sich als kontraproduktiv erwies, da sie die Solidarität der gesamten Arbeiterklasse provozierte. Besser die weniger prominenten Figuren angreifen, die nur die Solidarität von Teilen der Klasse genossen, um so die Arbeiter in der Hauptstadt zu spalten und sie vom Rest des Landes zu isolieren. Solch eine Figur war Emil Eichhorn, der dem linken Flügel der USPD angehörte. Ein verrückter Zufall, eine der Parodoxien, die jede große Revolution produziert, hatte diesen Mann zum Präsidenten der Berliner Polizei gemacht. In dieser Funktion begann er Waffen an die Arbeitermilizen zu verteilen. Er war eine Provokation für die herrschende Klasse. Ihn zum Ziel der Angriffe zu machen würde dabei helfen, die Kräfte der Konterrevolution zu galvanisieren, die noch unter den ersten Rückschlägen wankten. Gleichzeitig war die Verteidigung eines Polizeichefs ein zwiespältiger Anlass für die Mobilisierung der revolutionären Kräfte!

Doch die Konterrevolution hatte eine zweite Provokation im Ärmel, nicht weniger zwiespältig, mit nicht geringerem Potenzial, um die Klasse zu spalten und ins Stocken zu bringen. Es war der SPD-Führung nicht entgangen, dass die kurze Besetzung der Vorwärts-Büros sozialdemokratische Arbeiter schockiert hatte. Die meisten dieser Arbeiter schämten sich für den Inhalt dieser Zeitung. Was sie besorgte, war etwas anderes: Es könnte das Menetekel des militärischen Konfliktes zwischen sozialdemokratischen und kommunistischen Arbeitern – mit grellen Farben von der SPD an die Wand gemalt – aus solchen Besetzungen resultieren. Diese Sorge wog umso schwerer – und die SPD-Führung wusste dies -, weil sie von dem realen proletarischen Anliegen, die Einheit der Klasse zu verteidigen, getragen wurde.

Die gesamte Provokationsmaschinerie wurde wieder in Bewegung gesetzt.

Schwall von Lügen: Eichhorn sei korrupt, ein Krimineller, der, von den Russen bezahlt, einen konterrevolutionären Putsch vorbereite!

Ultimatum: Eichhorn müsse umgehend zurücktreten oder mit Gewalt entfernt werden!

Entfaltung roher Gewalt: Diesmal wurden 10.000 Mann im Stadtzentrum postiert, 80.000 in unmittelbarer Nähe zusammengezogen. Miteingeschlossen die höchst disziplinierte Elitedivision des General Maercker, Infanterietruppen, eine „eiserne Brigade“ von der Küste, Milizen aus den bürgerlichen Bezirken und die ersten Freikorps. Doch sie umfassten auch die „Republikanische Garde“, eine bewaffnete Miliz der SPD, wo der Name Eichhorn unbekannt war.

Die fatale Falle des Januar 1919

Wie die Bourgeoisie erwartete, mobilisierte der Angriff gegen Eichhorn nicht jene Truppen in der Hauptstadt, die mit der Revolution sympathisierten. Auch die Arbeiter in den Provinzen, wo der Name Eichhorn unbekannt war, erhoben sich nicht.

Doch es gab eine neue Komponente in der Situation, die alle überraschte. Dies war die Massivität und Intensität der Reaktion des Proletariats von Berlin. Am Sonntag, den 5. Januar, folgten 150.000 dem Aufruf der Revolutionären Obleute[8] zur Demonstration vor dem Polizeipräsidium am Alexanderplatz. Am folgenden Tag legten über eine halbe Million Arbeiter die Werkzeuge beiseite und nahmen das Stadtzentrum in ihren Besitz. Diese Arbeiter waren bereit, zu kämpfen und zu sterben. Sie hatten sofort begriffen, dass es nicht um Eichhorn, sondern um die Verteidigung der Revolution ging.

Obgleich sie von der machtvollen Antwort verblüfft war, war die Konterrevolution kaltblütig genug, mit ihren Plänen weiterzumachen. Einmal mehr wurde der Vorwärts besetzt, aber auch andere Pressebüros im Stadtzentrum. Diesmal allerdings hatten Agents provocateurs von der Polizei die Initiative ergriffen[9].

Die junge KPD warnte sofort die Arbeiterklasse. In einem Flugblatt und in Artikeln auf der ersten Seite der Roten Fahne rief sie das Proletariat dazu auf, neue Delegierte für ihre Räte zu wählen und sich selbst zu bewaffnen, sich aber auch zu vergegenwärtigen, dass der Moment der bewaffneten Erhebung noch nicht gekommen war. Solch eine Erhebung erforderte eine zentralisierte Führung auf der Ebene des gesamten Landes. Diese konnte nur durch die Arbeiterräte geschaffen werden, in welchen die Revolutionäre Einfluss ausübten.

Am Abend des 5. Januar kamen die revolutionären Führer zu Beratungen im Hauptquartier von Eichhorn zusammen. Um die 70 Obleute waren anwesend, von denen gute 80 Prozent Anhänger der Linken in der USPD waren, der Rest Anhänger der KPD. Die Mitglieder des Zentralkomitees der Berliner Organisation der USPD kreuzten genauso wie zwei Mitglieder des Zentralkomitees der KPD, Karl Liebknecht und Wilhelm Pieck, auf.

Zunächst waren sich die Delegierten der Arbeiterorganisationen unsicher darüber, wie sie antworten sollten. Doch dann verwandelte sich die Atmosphäre, ja wurde elektrisiert durch die eintreffenden Berichte. Diese Berichte betrafen die bewaffneten Besetzungen im Zeitungsviertel und die angebliche Bereitschaft verschiedener Garnisonen, sich einer bewaffneten Erhebung anzuschließen. Nun erklärte Liebknecht, dass unter diesen Umständen nicht nur die Zurückweisung des Angriffs gegen Eichhorn notwendig geworden ist, sondern auch die bewaffnete Erhebung.

Die Augenzeugenberichte dieses dramatischen Treffens deuten an, dass die Intervention von Liebknecht der fatale Wendepunkt gewesen war. Den ganzen Krieg hindurch war er für das deutsche, ja für das Weltproletariat der politische Kompass und das moralische Gewissen gewesen. Nun, in diesem eminent wichtigen Moment der Revolution verlor er seinen Kopf und seine Orientierung. Vor allem ebnete er den Weg für die Unabhängigen, die damals noch die dominierende politische Kraft waren. Bar jeglicher klar definierter Prinzipien, einer klaren langfristigen Perspektive und eines tieferen Vertrauens in die Sache des Proletariats, war diese „unabhängige“ Strömung dazu verdammt, unter dem Druck der unmittelbaren Situation beständig hin und her zu schwanken und sich so mit der herrschenden Klasse zu versöhnen. Doch die andere Seite der Münze, des „Zentrismus“, war das starke Bedürfnis nach Teilnahme, wann immer eine unklare „Aktion“ anstand, nicht zuletzt um die eigene revolutionäre Entschlossenheit zu dokumentieren.

„Die Unabhängige Partei hatte kein klares politisches Programm; aber nichts lag ihr ferner, als ein Handstreich gegen die Regierung Ebert-Scheidemann. In dieser Konferenz lag die Entscheidung bei den Unabhängigen. Und da zeigte es sich, daß sich insbesondere jene schwankenden Gestalten, wie sie im Berliner Zentralvorstand saßen, die sich gewöhnlich nicht gern in Gefahr begaben, aber doch überall dabei sein wollten, als die wildesten Schreier und recht ‚revolutionär‘ gebärdeten.“[10]

Laut Richard Müller eskalierte die Situation so in eine Art Konkurrenz zwischen der USPD-Führung und der KPD-Delegation.

„Jetzt wollten die Unabhängigen Mut und Konsequenz zeigen, indem sie das von Liebknecht gesteckte Ziel noch übertrumpften. Konnte Liebknecht angesichts des ‚revolutionären‘ Feuers dieser ‚schwankenden und zagenden Elemente‘ zurückstehen? Das lag nicht in seiner Natur.“[11]

Warnungen wie jener von Soldatendelegierten, die ihre Zweifel über die Kampfbereitschaft der Truppen äußerten, wurde nicht Gehör geschenkt.

„Richard Müller wandte sich in der schärfsten Form gegen das vorgeschlagene Ziel des Kampfes, Sturz der Regierung. Er legte dar, daß dafür weder politisch noch militärisch die Voraussetzungen gegeben seien. Die Bewegung im Reiche wachse von Tag zu Tag. In kurzer Zeit könnten die politischen, militärischen und psychologischen Voraussetzungen für den Kampf um die Macht geschaffen sein. Ein verfrühtes isoliertes Vorgehen in Berlin könne die weitere Entwicklung der Revolution gefährden. – Nur mit Mühe konnte er seine ablehnende Haltung gegen den allseitigen Widerspruch vortragen.“[12]

Drei wichtige Entscheidungen wurden zur Abstimmung gestellt und angenommen. Der Aufruf zu einem Generalstreik wurde einmütig verabschiedet. Die beiden anderen Entscheidungen, die Aufrufe, die Regierung zu stürzen und die Besetzung der Pressebüros aufrechtzuhalten, wurden mit großen Mehrheit angenommen, jedoch mit sechs Gegenstimmen[13].

Schließlich wurde ein „provisorisches revolutionäres Aktionskomitee“ mit 53 Mitgliedern und drei Vorsitzenden, Liebknecht, Ledebour, Scholze, gebildet.

Nun war das Proletariat in die Falle getappt.

Die so genannte Spartakuswoche

Nun folgte eine blutige Woche der Kämpfe in Berlin. Die Bourgeoisie nannte sie die „Spartakuswoche“: die Vereitelung eines „kommunistischen Putsches“ dank der „Helden der Freiheit und Demokratie“. Das Schicksal der deutschen und Weltrevolution wurde in dieser Woche vom 5. bis zum 12. Januar besiegelt.

Am Morgen nach der Konstituierung des Revolutionskomitees war der Generalstreik in der Stadt fast total. Noch mehr Arbeiter als tags zuvor strömten in das Stadtzentrum, viele von ihnen bewaffnet. Doch gegen Mittag waren alle Hoffnungen auf eine aktive Unterstützung durch die Garnisonen zerstoben. Selbst die Matrosendivision, eine lebende Legende, erklärte sich selbst für neutral, ja ging soweit, dass sie ihren eigenen Delegierten, Dorrenbach, wegen seiner in ihren Augen unverantwortlichen Beteiligung am Aufruf zum Aufstand festsetzte. Am Nachmittag desselben Tages wies dieselbe Volksmarinedivision das Revolutionskomitee aus den Marstall, wo es Schutz gesucht hatte. Auch die konkreten Maßnahmen, um die Regierung zu entfernen, wurden vereitelt oder sogar ignoriert, da keine sichtbare bewaffnete Macht hinter ihnen stand[14]!

Den ganzen Tag hindurch waren die Massen auf den Straßen, auf weitere Instruktionen von ihren Führern wartend. Doch es kamen keine solche Instruktionen. Die Kunst der erfolgreichen Ausführung von Massenaktionen besteht in der Konzentration und Ausrichtung aller Energien auf ein Ziel, das über den Ausgangspunkt hinausgeht, das den Teilnehmern das Gefühl des kollektiven Erfolges und der kollektiven Stärke gibt. In der gegebenen Situation war die bloße Wiederholung des Streiks und der Massendemonstrationen früherer Tage nicht genug. Ein wirklicher Fortschritt wäre zum Beispiel die Umzingelung der Kasernen und die Agitation der Soldaten gewesen, um diese für die neue Stufe der Revolution zu gewinnen, die Entwaffnung der Offiziere, der Beginn einer breiteren Bewaffnung der Arbeiter[15]. Doch das selbsternannte Revolutionskomitee schlug keine solche Maßnahmen vor, nicht zuletzt, weil es bereits einen Handlungsrahmen vorgeschlagen hatte, der weitaus radikaler, aber unglücklicherweise auch unrealistischer war. Nachdem es zu nichts Geringerem als den bewaffneten Aufstand aufgerufen hatte, wären konkretere, aber weitaus weniger spektakuläre Maßnahmen eine Enttäuschung gewesen, ein Anti-Höhepunkt, ein Rückzug. Das Komitee und mit ihm das Proletariat waren Gefangene eines fehlgeleiteten, leeren Radikalismus.

Die Führung der KPD war entsetzt, als sie die Neuigkeiten über den vorgeschlagenen Aufstand vernahm. Besonders Rosa Luxemburg und Leo Jogiches beschuldigten Liebknecht und Pieck, sich nicht nur von den Beschlüssen des Parteikongresses in der vorherigen Woche, sondern auch vom Parteiprogramm selbst abgewendet zu haben[16].

Doch diese Fehler konnten nicht ungeschehen gemacht werden und waren als solche (noch) nicht die dringendste Frage. Die Wende in den Ereignissen konfrontierte die Partei mit einem fürchterlichen Dilemma: Wie sollte sie das Proletariat aus der Falle befreien, in der Letztere gefangen war?

Diese Aufgabe war weitaus schwieriger als jene, die während der berühmten „Juli-Tage“ von 1917 in Russland von den Bolschewiki gemeistert worden war, als es der Partei gelang, der Klasse zu helfen, der Falle einer vorzeitigen militärischen Konfrontation auszuweichen.

Die erstaunliche, weil paradoxe Antwort, die die Partei, angetrieben von Rosa Luxemburg, fand, war folgende. Die KPD, der entschlossenste Gegner einer bewaffneten Revolution bis dahin, musste nun zu ihrem glühendsten Protagonisten werden. Dies aus einem einzigen Grund. Die Macht in Berlin zu übernehmen war der einzige Weg, um das blutige Massaker zu verhindern, das nun drohte, die Enthauptung des deutschen Proletariats. Wenn diese Gefahr einmal gebannt war, konnte das Berliner Proletariat das Problem angehen, durchzuhalten oder sich geordnet zurückzuziehen, bis die Revolution im gesamten Land reif war.

Karl Radek, der geheime Emissär der russischen Partei in Berlin, schlug einen alternativen Kurs vor: sofortiger Rückzug bei voller Bewaffnung, aber, falls notwendig, die Aufgabe. Doch die Klasse in ihrer Gesamtheit hatte noch immer keine Waffen. Das Problem war, dass der Schein eines „undemokratischen“ kommunistischen „Putsches“ der Regierung den Vorwand gab, den sie benötigte, um ein Blutbad anzurichten. Kein Rückzug der Kombattanten konnte dies verhindern.

Der von Rosa Luxemburg vorgeschlagene Handlungsverlauf beruhte auf der Analyse, dass das militärische Kräfteverhältnis in der Hauptstadt für das Proletariat nicht ungünstig war. Und in der Tat: auch wenn der 6. Januar die Hoffnungen des Revolutionskomitees auf „seine“ Truppen zerschmetterte, so wurde rasch deutlich, dass die Konterrevolution sich ebenfalls verkalkuliert hatte. Die Republikanische Garde und jene Truppen, die mit der SPD sympathisierten, weigerten sich nun ihrerseits, Gewalt gegen die revolutionären Arbeiter anzuwenden. In ihren Berichten über die Ereignisse bestätigten sowohl der Revolutionär Richard Müller als auch später der Konterrevolutionär Noske die Richtigkeit der Analyse von Rosa Luxemburg: Vom militärischen Standpunkt aus war das Kräfteverhältnis zu Beginn der Woche zu Gunsten des Proletariats.

Doch die entscheidende Frage war nicht das militärische, sondern das politische Kräfteverhältnis. Und dies sprach gegen das Proletariat aus dem einfachen Grund, dass die Führung der Bewegung immer noch in den Händen der „Zentristen“ lag, den schwankenden Elementen, und noch nicht in den Händen konsequenter Revolutionäre. Gemäß der marxistischen „Kunst des Aufstandes“ ist die bewaffnete Erhebung der letzte Schritt in dem Prozess einer im Aufwind befindlichen Revolution, der lediglich die letzten Widerstandsnester wegfegt.

Als das provisorische Komitee die Falle realisierte, in der es sich selbst hineinmanövriert hatte, begann es, statt das Proletariat zu bewaffnen, mit der Regierung zu verhandeln, die es soeben noch als enthoben erklärt hatte, ohne überhaupt zu wissen, worüber es verhandeln wollte. Angesichts des Verhaltens des Komitees zwang die KPD am 10. Januar Liebknecht und Pieck, aus ihm auszutreten. Doch der Schaden war schon angerichtet. Die Politik der Versöhnung lähmte das Proletariat und brachte all seine Zweifel und all sein Zaudern ans Tageslicht. Die Arbeiter einer ganzen Reihe von großen Fabriken kamen mit Erklärungen heraus, in denen die SPD verurteilt wurde, aber auch Liebknecht und die „Spartakisten“ und zur Wiederversöhnung der „sozialistischen Parteien“ aufgerufen wurde.

Zu diesem Zeitpunkt, als die Konterrevolution taumelte, rettete der Sozialdemokrat Noske alles. „Einer muss ja der Bluthund sein. Ich fürchte mich nicht vor der Verantwortung“, erklärte er. Während sie „Verhandlungen“ vortäuschte, um Zeit zu gewinnen, forderte die SPD nun die Offiziere, Studenten, die bürgerlichen Milizen offen auf, den Arbeiterwiderstand in Blut zu ertränken. So gespalten und demoralisiert, wie das Proletariat war, war der Weg nun offen für den grausamsten weißen Terror. Diese Gräueltaten umfassten die Bombardierung von Gebäuden mit Artillerie und Minen, die Ermordung von Gefangenen und sogar von Verhandlungsdelegierten, das Lynchen von Arbeitern, aber auch von Soldaten, die Revolutionären die Hände geschüttelt hatten, die Belästigung von Frauen und Kindern in den Arbeiterbezirken, die Schändung von Leichen, aber auch die systematische Jagd und Ermordung von Revolutionären wie Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg. Wir werden zum Charakter und zu der Bedeutung dieses Terrors im letzten Artikel dieser Serie zurückkommen.

Revolutionärer Massenstreik, Januar-März 1919

In einem berühmten Artikel, veröffentlicht in der Roten Fahne am 27. November 1918, mit dem Titel „Der Acheron in Bewegung“, kündigte Rosa Luxemburg den Beginn einer neuen Phase in der Revolution an: die Phase des Massenstreiks. Dies wurde bald in beeindruckender Manier bestätigt. Die materielle Lage der Bevölkerung verbesserte sich nicht nach dem Ende des Krieges. Das Gegenteil war der Fall. Inflation, Entlassungen und Massenarbeitslosigkeit, Kurzarbeit und fallende Reallöhne schufen neues Elend für Millionen von Arbeitern, Staatsbeamten, aber auch für große Teile der Mittelschichten. In wachsendem Maße zwang das materielle Elend, aber auch die bittere Enttäuschung über die Resultate der Novemberrevolution die Massen zur Selbstverteidigung. Ihre leeren Bäuche waren ein mächtiges Argument gegen die angeblichen Wohltaten der neuen bürgerlichen Demokratie. Vor allem im ersten Vierteljahr 1919 rollten erfolgreiche Streikwellen durch das Land. Neben den traditionellen Zentren der organisierten sozialistischen Bewegung wie Berlin, die Hafenstädte oder die Ballungsgebiete des Maschinenbaus und der hochtechnologisierten Sektoren[17], wurden auch politisch weniger erfahrene Teile des Proletariats in den revolutionären Prozess gespült. Diese schlossen die, wie Rosa Luxemburg sie in ihrem „Massenstreik“ nannte, „Helotenschichten“ mit ein[18]. Es waren die besonders unterdrückten Teile der Klasse, die wenig von der sozialistischen Erziehung profitiert hatten und auf welche die sozialdemokratischen und gewerkschaftlichen Funktionäre vor dem Krieg oft herabgeblickt hatten. Rosa Luxemburg hatte vorausgesagt, dass sie in einem künftigen Kampf für den Sozialismus eine führende Rolle spielen würden.

Und nun waren sie da. Zum Beispiel die Millionen von Bergarbeiter, Metall- und Textilarbeiter in den Industriebezirken am Niederrhein und in Westfalen[19]. Dort wurden die defensiven Arbeiterkämpfe sofort von einem brutalen Bündnis der Arbeitgeber und ihres bewaffneten Werkschutzes, der Gewerkschaften und der Freikorps konfrontiert. Aus diesen ersten Konfrontationen kristallisierten sich zwei Hauptforderungen der Streikbewegung heraus, die auf einer Konferenz der Delegierten aus der ganzen Region Anfang Februar in Essen formuliert wurden: Alle Macht den Arbeiter- und Soldatenräten! Sozialisierung der Fabriken und des Bergbaus!

Die Situation eskalierte, als das Militär versuchte, den Soldatenrat zu entwaffnen und zu schleifen, und 30.000 Freikorps entsandte, um das Ruhrgebiet zu besetzen. Am 14. Februar riefen die Arbeiter- und Soldatenräte zu einem Generalstreik und zum bewaffneten Widerstand auf. Die Entschlossenheit der Arbeiter war in einigen Gebieten so groß, dass die weiße Söldnerarmee nicht anzugreifen wagte. Die Empörung über die SPD, die das Militär offen unterstützte und den Streik anprangerte, war unbeschreiblich. So groß, dass am 25. Februar die Räte – unterstützt von den kommunistischen Delegierten – beschlossen, den Streik zu beenden. Unglücklicherweise in einem Augenblick, als er in Zentraldeutschland begann! Die Führung befürchtete, dass die Arbeiter die Bergwerke fluten oder sozialdemokratische Arbeiter attackieren[20]. Tatsächlich aber demonstrierten die Arbeiter einen hohen Grad an Disziplin, mit einer großen Minderheit, die den Aufruf zur Rückkehr an die Arbeit respektierte – obwohl sie damit nicht einverstanden war.

Ende März brach ein zweiter gigantischer Massenstreik aus, der trotz der Repression durch die Freikorps einige Wochen lang dauerte.

„Er zeigt auch weiter, daß die sozialdemokratischen Partei- und Gewerkschaftsführer den Einfluß auf die Massen verloren hatten. Die Kraft der revolutionären Bewegung der Monate Februar und März lag nicht in dem Besitz und Gebrauch von militärischen Waffen, sondern in der Möglichkeit, der bürgerlich-sozialdemokratischen Regierung das wirtschaftliche Fundament durch Stillegung der wichtigsten Produktionsgebiete zu entziehen (...) Der gewaltige militärische Aufzug, die Bewaffnung der Bourgeoisie, die Brutalitäten der Militärs, konnten diese Kraft nicht brechen, konnten die streikenden Arbeiter nicht zur Arbeit zwingen.“[21]

Das zweite Zentrum des Massenstreiks lag in Mitteldeutschland[22]. Dort explodierte die Streikbewegung Mitte Februar nicht nur als Reaktion auf die Verarmung und Repression, sondern auch aus Solidarität mit den Opfern der Repression in Berlin und mit den Streiks an Rhein und Ruhr. Wie in der letztgenannten Region deutlich wird, bezog die Bewegung ihre Stärke daraus, dass sie von den Arbeiter- und Soldatenräten angeführt wurde, in denen die Sozialdemokraten rapide an Einfluss verloren.

Doch auch wenn im Ruhrgebiet die Beschäftigten der Schwerindustrie dominierten, umfasste die Bewegung nicht nur Bergarbeiter, sondern nahezu jeden Beruf und jede Industriebranche. Zum ersten Mal seit dem Beginn der Revolution schlossen sich die Eisenbahnarbeiter dem Streik an. Dies war von besonderer Bedeutung. Eine der ersten Maßnahmen der Ebert-Regierung zu Kriegsende bestand darin, die Löhne bei den Eisenbahnen substanziell zu erhöhen. Die Bourgeoisie musste diesen Sektor neutralisieren, um in der Lage zu sein, ihre konterrevolutionären Brigaden von einem Ende Deutschlands zum anderen zu bewegen. Nun wurde zum ersten Mal diese Möglichkeit in Frage gestellt.

Nicht weniger bedeutsam war, dass die Soldaten in den Garnisonen herauskamen, um die Streikenden zu unterstützen. Die Nationalversammlung, die vor den Berliner Arbeitern geflohen war, ging nach Weimar, um ihre konstituierende Parlamentssitzung abzuhalten. Sie traf inmitten eines akuten Klassenkampfes und feindlich gesinnter Soldaten ein und musste sich hinter einer Barriere aus Artillerie und Maschinengewehren treffen[23].

Die selektive Besetzung von Städten durch die Freikorps provozierte Straßenkämpfe in Halle, Merseburg und Zeitz, Explosionen der Massen, erzürnt bis zur Raserei, wie Richard Müller es formulierte. Wie an der Ruhr waren diese militärischen Aktionen nicht imstande, die Streikbewegung zu brechen.

Der Aufruf der Fabrikdelegierten zu einem Generalstreik am 24. Februar sollte eine weitere enorm bedeutsame Entwicklung enthüllen. Er wurde einmütig von allen Delegierten unterstützt, einschließlich jener von der SPD. Mit anderen Worten: die Sozialdemokratie verlor sogar über ihre eigenen Mitglieder die Kontrolle.

„Der Streik hatte sich unmittelbar nach Ausbruch in größtmöglichstem Maße entfaltet. Eine weitere Steigerung war nicht möglich es sei denn durch den bewaffneten Aufstand, der von den Streikenden abgelehnt wurde und auch aussichtslos erschien. Die einzige Möglichkeit den Streik wirksamer zu machen, lag bei der Berliner Arbeiterschaft.“[24]

So forderten also die Arbeiter das Proletariat von Berlin auf, sich anzuschließen, ja die Bewegung anzuführen, die in Zentraldeutschland und an Rhein und Ruhr aufgelodert war.

Und die Arbeiter Berlin antworteten so gut sie konnten, trotz der Niederlage, die sie gerade erlitten hatten. In Berlin verlagerte sich das Epizentrum von den Straßen zu den Massenversammlungen. Die Diskussionen, die in den Fabriken, Büros und Kasernen stattfanden, bewirkten ein kontinuierliches Schrumpfen des Einflusses der SPD und der Anzahl ihrer Delegierten in den Arbeiterräten. Die Versuche der Noske-Partei, die Soldaten zu entwaffnen und ihre Organisationen zu liquidieren, beschleunigte lediglich diesen Prozess. Eine allgemeine Versammlung der Arbeiterräte von Berlin rief am 28. Februar das gesamte Proletariat dazu auf, seine Organisationen zu verteidigen und sich auf den Kampf vorzubereiten. Der Versuch der SPD, diese Resolution zu verhindern, wurde durch ihre eigenen Delegierten durchkreuzt.

Diese Versammlung wählte aufs Neue ihr Aktionskomitee. Die SPD verlor ihre Mehrheit. In den nächsten Wahlen zu diesem Organ am 19. April bekam die KPD fast soviele Delegierte gewählt wie die SPD. In den Berliner Räten wendete sich das Blatt zugunsten der Revolution.[25]

Im Wissen, dass das Proletariat nur triumphieren kann, wenn es von einer vereinten, zentralisierten Organisation geführt wird, begann die Massenagitation in Berlin für die Neuwahlen der Arbeiter- und Soldatenräte im gesamten Land sowie für den Aufruf zu einem neuen nationalen Rätekongress. Trotz der hysterischen Opposition der Regierung und der SPD gegen diesen Vorschlag begannen die Soldatenräte sich zu seinem Gunsten auszusprechen. Die Sozialdemokraten spielten auf Zeit, waren sie sich doch der praktischen Schwierigkeiten bei der Realisierung solcher Pläne damals völlig bewusst.

Doch die Bewegung in Berlin war mit einer weiteren dringenden Frage konfrontiert: der Aufruf zur Unterstützung durch die Arbeiter in Mitteldeutschland. Die allgemeine Versammlung der Arbeiterräte von Berlin traf sich am 3. März, um über diese Frage zu entscheiden. Die SPD, die wusste, dass der Albtraum der Januar-Woche immer noch in den Köpfen des Proletariats der Hauptstadt spukte, war entschlossen, einen Generalstreik zu verhindern. Und tatsächlich zögerten die Arbeiter zunächst... Die Revolutionäre, die für die Solidarität mit Mitteldeutschland agitierten, wendeten allmählich das Blatt. Delegationen aus allen wichtigen Fabriken der Stadt wurden zur Räteversammlung gesandt, um sie darüber zu informieren, dass die Massenversammlungen an den Arbeitsplätzen schon längst beschlossen hatten, die Arbeit niederzulegen. Es wurde klar, dass dort die Kommunisten und Linksunabhängigen nun die Mehrheit der Arbeiter hinter sich wussten.

Auch in Berlin war der Generalstreik fast total. Nur in Betrieben, die von den Arbeiterräten entsprechend angewiesen worden waren (Feuerwehren, Wasser-, Strom- und Gasversorgung, Medizin, Nahrungsmittelproduktion), wurde die Arbeit fortgesetzt. Die SPD und ihr Sprachrohr, der Vorwärts, prangerten umgehend den Streik an und riefen jene Delegierte, die Parteimitglieder waren, dazu auf, genauso zu verfahren. Das Resultat: diese Delegierten erklärten sich nun gegen die Position ihrer eigenen Partei. Darüber hinaus schwenkten auch die Drucker, die zu den wenigen Berufen gehörten, die unter starkem sozialdemokratischen Einfluss standen und sich nicht der Streikfront angeschlossen hatten, jetzt um – aus Protest gegen das Verhalten der SPD. Auf diese Weise wurde ein wichtiger Bestandteil der Hasskampagne der Konterrevolution zum Schweigen gebracht.

Trotz all dieser Anzeichen von Reifung erwies sich das Trauma vom Januar als fatal. Der Generalstreik in Berlin kam zu spät, erst als dieser in Mitteldeutschland endete. Schlimmer noch: die Kommunisten, die in der Tat durch die Januar-Niederlage traumatisiert waren, weigerten sich, sich zusammen mit Sozialdemokraten an der Streikführung zu beteiligen. Die Einheit der Streikfront begann zu bröckeln. Spaltung und Demoralisierung grassierten.

Dies war der Augenblick für die Freikorps, um in Berlin einzumarschieren. Die Lehren aus den Januar-Ereignissen ziehend, versammelten sich die Arbeiter in den Fabriken und nicht auf den Straßen. Doch statt die Arbeiter sofort anzugreifen, marschierten die Freikorps zunächst gegen die Garnisonen und Soldatenräte und begannen dabei mit jenen Regimentern, die sich an der Unterdrückung der Arbeiter im Januar beteiligt hatten, jene, die die wenigsten Sympathien in der Arbeiterbevölkerung genossen. Erst danach wendeten sie sich dem Proletariat zu. Wie im Januar gab es summarische Exekutionen auf den Straßen, Revolutionäre wurden ermordet (unter ihnen Leo Jogiches), die Leichen in die Spree geworfen. Diesmal war der Terror noch schlimmer als im Januar und forderte mehr als tausend Menschenleben. Der Arbeiterbezirk Lichtenberg östlich des Stadtzentrums wurde von der Luftwaffe bombardiert.

Müller schrieb über die Kämpfe zwischen Januar und März: „Das war die gewaltigste Erhebung des deutschen Proletariats, der Arbeiter, Angestellten und Beamten und selbst eines Teils der kleinbürgerlichen Mittelschichten, eine Erhebung, die an Größe und Tiefe bisher noch nicht zu verzeichnen war, und die später in solchem Ausmaße nur noch einmal, im Kapp-Putsch, erreicht wurde. Nicht nur in den hier behandelten Teilen Deutschlands standen die Volksmassen im Generalstreik: in Sachsen, in Baden und Bayern, überall schlugen die Wellen der sozialen Revolution gegen die Mauern der kapitalistischen Produktions- und Eigentumsordnung. Das war es, was dieser Bewegung die Bedeutung gab. Die Arbeitermassen schritten auf dem Weg weiter, der zur Fortführung der politischen Umwälzung vom November 1918 beschritten werden mußte.“[26]

Jedoch:

„Auf der revolutionären Bewegung lastete noch der Fluch der Januaraktion, deren sinnloses Beginnen und tragische Folgen die Berliner Arbeiterschaft so zerrissen, so aktionsunfähig gemacht hatten, daß es wochenlanger zäher Arbeit bedurfte, um zu einem neuen Kampf zu kommen. Wäre der Januarputsch nicht gemacht worden, dann hätte das Berliner Proletariat die Kämpfenden in Rheinland-Westfalen und in Mitteldeutschland rechtzeitig unterstützen können, die Revolution wäre erfolgreich weitergeführt worden und das neue Deutschland hätte ein anderes politisches und wirtschaftliches Gesicht bekommen.“[27]

Hätte die Revolution siegen können?

Das Unvermögen des Weltproletariats, den I. Weltkrieg zu verhindern, erschwerte die Bedingungen für eine erfolgreiche Revolution. Im Vergleich zu einer Revolution, die primär eine Reaktion auf eine Wirtschaftskrise ist, birgt eine Revolution gegen den Weltkrieg einige Nachteile. Erstens tötet oder versehrt der Krieg Millionen von Arbeitern, viele von ihnen erfahrene und klassenbewusste Sozialisten. Zweitens kann die Bourgeoisie, anders als bei einer Wirtschaftskrise, solch einen Krieg stoppen, wenn sie sieht, dass seine Fortsetzung ihr System bedrohen würde. Dies geschah im November 1918. Es bewirkte eine Spaltung innerhalb der Arbeiterklasse jeden Landes zwischen jenen, die mit einer Waffenruhe zufrieden waren, und jenen, für die nur der Sozialismus das Problem lösen konnte. Drittens ist das internationale Proletariat gespalten, zuerst durch den Krieg selbst und dann zwischen den Arbeitern in den „besiegten“ und in den „siegreichen“ Ländern. Es ist kein Zufall, dass eine revolutionäre Situation dort entstand, wo der Krieg verloren wurde (Russland, Österreich-Ungarn, Deutschland) – nicht unter den Hauptmächten der Entente (Großbritannien, Frankreich, die Vereinigten Staaten).

Doch heißt das, dass der Erfolg einer proletarischen Revolution unter diesen Umständen von Anfang an eine Unmöglichkeit war? Wir möchten daran erinnern, dass dies eines der Hauptargumente war, die von der Sozialdemokratie geltend gemacht wurden, um ihre konterrevolutionäre Rolle zu rechtfertigen. Doch in Wahrheit war dies nicht im entferntesten der Fall.

Erstens: obwohl der „Große Krieg“ das Proletariat physisch dezimierte und psychologisch schwächte, hinderte dies die Klasse nicht daran, einen mächtigen revolutionären Angriff gegen den Kapitalismus zu entfesseln. Das Blutbad, das verübt wurde, war immens, aber geringer als das vom II. Weltkrieg ausgelöste und nicht zu vergleichen mit dem, was ein Dritter Weltkrieg mit thermonuklearen Waffen bedeuten würde.

Zweitens: obwohl die Bourgeoisie den Krieg zum Halten bringen konnte, heißt dies nicht, dass sie seine materiellen und politischen Konsequenzen vermeiden konnte. Zu diesen Konsequenzen gehörte die Auspowerung des Produktionsapparates, die Desorganisation der Wirtschaft und die Überausbeutung der Arbeiterklasse in Europa. Besonders in den besiegten Ländern führte die Beendigung des Krieges keineswegs zu einer raschen Restauration des Vorkriegs-Lebenstandards der Bevölkerungsmassen. Das Gegenteil war der Fall. Obwohl die Forderung nach der „Sozialisierung der Industrie“ auch die Gefahr beinhaltete, die Klasse vom Kampf um die Macht abzulenken und zu einer Art von Selbstverwaltungsprojekten zu führen, wie sie die Anarchisten und Syndikalisten favorisierten, war 1919 in Deutschland die Haupttriebfeder hinter dieser Forderung die Sorge um das physische Überleben des Proletariats. Die Arbeiter, die mehr und mehr überzeugt von der Unfähigkeit des Kapitalismus waren, genügend Nahrungsmittel, Kohle, etc. zu erschwinglichen Preisen herzustellen, um die Bevölkerung durch den Winter zu bringen, begannen zu realisieren, dass eine unterernährte und ausgezehrte Arbeitskraft, die vom Ausbruch von Krankheiten und Infektionen gefährdet ist, diese Probleme in die eigene Hand nehmen muss – bevor es zu spät war.

In diesem Sinne endete der Kampf gegen den Krieg nicht mit dem Krieg selbst. Ferner hinterließ der Einfluss des Krieges tiefe Spuren im Bewusstsein der Klasse. Er beraubte der modernen Kriegsführung ihr heroisches Image.

Drittens war der Graben zwischen den Arbeitern in den „besiegten“ Ländern und den Arbeitern in den „Sieger“ländern nicht unüberwindbar. Besonders in Großbritannien gab es mächtige Streikbewegungen sowohl während des Krieges als auch nach Kriegsende. Das auffälligste Phänomen von 1919, dem „Jahr der Revolution“ in Mitteleuropa, war die relative Abwesenheit des französischen Proletariats auf der Bühne. Wo war dieser Sektor der Klasse, der von 1848 bis zur Pariser Kommune 1871 die Vorhut der proletarischen Erhebung gewesen war? Zu einem großen Umfang war er vom chauvinistischen Taumel der Bourgeoisie infiziert, die „ihren“ Arbeitern eine neue Ära des Wohlstandes auf der Grundlage der Reparationen versprach, die sie von Deutschland erzwingen wollte. Gab es kein Gegenmittel zum nationalistischen Gift? Ja, das gab es. Der Sieg des Proletariats in Deutschland wäre dieses Gegenmittel gewesen.

1919 war Deutschland das unerlässliche Scharnier zwischen der Revolution im Osten und dem schlummernden Klassenbewusstsein im Westen. Die europäische Arbeiterklasse von 1919 war im Geiste des Sozialismus erzogen worden. Ihre Überzeugung von der Notwendigkeit und Möglichkeit des Sozialismus war noch nicht von der stalinistischen Konterrevolution ausgehöhlt worden. Der Sieg der Revolution in Deutschland hätte die Illusionen über die Möglichkeit einer Rückkehr zu einer scheinbaren „Stabilität“ der Vorkriegswelt unterminiert. Die Wiedererlangung der führenden Rolle im Klassenkampf durch das deutsche Proletariat hätte das Vertrauen in die Zukunft des Sozialismus enorm gestärkt.

Doch war der Triumph der Revolution in Deutschland selbst jemals eine realistische Möglichkeit? Die Novemberrevolution 1918 offenbarte die Macht und das Heldentum der Klasse, aber auch enorme Illusionen, Konfusionen und Schwankungen. Doch dies war nicht weniger der Fall in Russland Februar 1917. In den folgenden Monaten enthüllte der Verlauf der Russischen Revolution die fortschreitende Reifung eines immensen Potenzials, das zum Sieg im Oktober führte. Doch auch in Deutschland sehen wir von November 1918 an – trotz der Beendigung des Krieges – eine ähnliche Reifung. Im ersten Vierteljahr 1919 haben wir die Ausbreitung von Massenstreiks gesehen, das Hineinziehen der gesamten Klasse in den Kampf, eine wachsende Rolle der Arbeiterräte und der Revolutionäre in ihnen, erste Bemühungen zur Schaffung einer zentralisierten Organisation und Führung der Bewegung, die fortschreitende Entlarvung der konterrevolutionären Rolle der SPD und der Gewerkschaften sowie die Grenzen der Wirksamkeit der Staatsrepression.

Im Verlauf von 1919 wurden lokale Erhebungen und „Räterepubliken“ in den Küstenstädten, in Bayern und anderswo liquidiert. Diese Episoden sind voller Beispiele des proletarischen Heldentums und bitterer Lehren für die Zukunft. Für den Ausgang der Revolution in Deutschland waren sie nicht entscheidend. Die Ausschlag gebenden Zentren lagen anderswo. Erstens in den riesigen industriellen Ballungsgebieten im heutigen Bundesland Nordrhein-Westfalen. In den Augen der Bourgeoisie wurde diese Region von einer finsteren Spezies aus einer Art Unterwelt bevölkert, die nie das Tageslicht erblickte und außerhalb der Grenzen der Zivilisation lebte. Sie war erschrocken, als sie diese ungeheuerliche graue Armee in wuchernden Städten sah, wo die Sonne selten schien und wo der Schnee schwarz war, Folge der Bergwerke und Hochöfen. Erschrocken, ja noch erschrockener, als sie in Berührung kam mit der Intelligenz, der menschlichen Wärme, dem Sinn für Solidarität und Disziplin dieser Armee, nicht mehr das Kanonenfutter imperialistischer Kriege, sondern Protagonist des eigenen Klassenkrieges. Weder 1919 noch 1920 war die kombinierte Brutalität von Militär und Freikorps im Stande, diesen Widersacher auf dessen eigenem Terrain zu zerschmettern. Er wurde erst überwältigt, als diese Arbeiter nach der Abwehr des Kapp-Putsches 1920 den Fehler begingen, ihre „Rote Ruhr-Armee“ aus den Städten und den Kohlehalden hinauszuschicken, um eine konventionelle Schlacht zu kämpfen.

Zweitens in Mitteldeutschland mit seiner sehr alten, hochqualifizierten Arbeiterklasse, von der sozialistischen Tradition durchdrungen[28]. Vor und während des Weltkrieges wurden äußerst moderne Industrien wie die chemische, die Flugzeugindustrie errichtet, die zehntausende von Arbeitern anzogen, unerfahren zwar, aber kämpferisch, radikal, voller Sinn für die Solidarität. Auch dieser Sektor sollte sich in weiteren Massenkämpfen 1920 (Kapp) und 1921 (März-Aktion) engagieren.

Doch wenn Rhein und Ruhr sowie Mitteldeutschland die Lungen, das Herz und die Verdauungsorgane waren, so war Berlin das Gehirn. Berlin, die drittgrößte Stadt in der Welt (nach New York und London), war so etwas wie das Silicon Valley des damaligen Europa. Die Grundlage seines wirtschaftlichen Aufstiegs war die Genialität seiner Arbeitskraft, hoch gebildet, mit einer langen sozialistischen Erziehung, das Herz im Prozess der Bildung der Klassenpartei.

Die Eroberung der Macht war im ersten Vierteljahr 1919 noch nicht auf der Tagesordnung. Aufgabe damals war es, Zeit für die Reifung der Revolution in der gesamten Klasse zu gewinnen und eine entscheidende Niederlage zu vermeiden. Die Zeit war in diesem entscheidenden Moment auf der Seite des Proletariats. Das Klassenbewusstsein reifte heran. Das Proletariat strebte danach, seine für den Sieg notwendigen Organe zu schaffen – die Partei, die Räte. Die Hauptbataillone der Klasse schlossen sich dem Kampf an.

Doch durch die Niederlage im Januar 1919 in Berlin wechselte die Zeit die Seiten, ging über auf die Seite der Bourgeoisie. Die Berliner Niederlage kam in zwei Teilen: im Januar und im März-April 1919. Dabei war der Januar entscheidend, weil er eine moralische und nicht nur eine physische Niederlage war. Die Vereinigung der entscheidenden Sektoren der Klasse im Massenstreik war die Kraft, die in der Lage war, die Strategie der Konterrevolution zu durchkreuzen und den Weg zum Aufstand zu öffnen. Doch dieser Vereinigungsprozess – dem ähnlich, was in Russland Ende des Sommers 1917 angesichts des Kornilow-Putsches stattgefunden hatte – hing vor allem von zwei Faktoren ab: von der Klassenpartei und den Arbeitern in der Hauptstadt. Die Bourgeoisie hatte mit ihrer Strategie der vorbeugenden Zufügung von schweren Verletzungen an diesen beiden entscheidenden Elementen Erfolg. Das Scheitern der Revolution in Deutschland in ihren „Kornilow-Tagen“ war vor allem das Resultat ihres Scheiterns in der deutschen Version der Juli-Tage[29].

Der auffälligste Unterschied zu Russland war die Abwesenheit einer revolutionären Partei, die in der Lage war, eine zusammenhängende und klare Politik gegenüber den unvermeidbaren Stürmen der Revolutionen und den Divergenzen in den eigenen Reihen zu formulieren und zu vertreten. Wie wir im vorhergegangenen Artikel gesagt hatten, konnte die Revolution in Russland auch ohne die Konstituierung einer weltweiten Klassenpartei triumphieren – aber nicht in Deutschland.

Daher widmeten wir einen ganzen Artikel dieser Reihe dem Gründungskongress der KPD. Dieser Kongress begriff viele Fragen, aber nicht die brennendsten Themen der Stunde. Obwohl er formell die Analyse der Lage, die von Rosa Luxemburg vorgestellt wurde, annahm, unterschätzten in Wirklichkeit zu viele Delegierte den Klassenfeind. Obgleich der Text nachdrücklich auf die Rolle der Massen bestand, war ihre Sichtweise der Revolution noch immer von den Beispielen der vergangenen bürgerlichen Revolutionen beeinflusst. Die Machtergreifung durch die Bourgeoisie war nichts anderes als der letzte Akt auf ihrem Weg zur Macht, der durch den Aufstieg ihrer wirtschaftlichen Macht vorbereitet worden war. Da das Proletariat als ausgebeutete Klasse ohne Eigentum keinen Reichtum anhäufen kann, muss es seinen Sieg mit anderen Mitteln vorbereiten. Es muss Bewusstsein, Erfahrung, Organisation anhäufen. Es muss aktiv werden und lernen, sein Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen[30].

Zeitökonomie der Revolution

Die kapitalistische Produktionsweise bestimmt den Charakter der proletarischen Revolution. Die proletarische Revolution enthüllt das Geheimnis der kapitalistischen Produktionsweise. Durch die Stufen der Kooperation, der Manufaktur und der Industrialisierung schreitend, bringt der Kapitalismus die Produktivkräfte hervor, die die Vorbedingung für die klassenlose Gesellschaft sind. Er tut dies durch die Etablierung der assoziierten Arbeit. Dieser „kollektive Produzent“, der Erzeuger von Reichtum, wird von den kapitalistischen Produktionsverhältnissen zum Sklaven gemacht, und zwar durch die private, konkurrenzfähige, archaische Aneignung der Früchte der assoziierten Arbeit. Die proletarische Revolution schafft das Privateigentum ab, indem sie die Aneignungsweise auf eine Linie mit dem assoziierten Charakter der Produktion bringt. Unter dem Kommando des Kapitals hat das Proletariat von Anfang an die materiellen Bedingungen für seine eigene Befreiung geschaffen. Doch die Totengräber der kapitalistischen Gesellschaft können ihre historische Mission nur erfüllen, wenn die proletarische Revolution selbst das Produkt der „assoziierten Arbeit“ ist, der ArbeiterInnen der Welt, die handeln müssen, indem sie als eine Person sprechen. Das Kollektiv der Lohnarbeit muss zur bewussten kollektiven Assoziation des Kampfes werden.

Dieses Zusammenschweißen sowohl der Klasse in ihrer Gesamtheit als auch ihrer revolutionären Minderheiten im Kampf braucht Zeit. In Russland dauerte es über ein Dutzend Jahre, vom Kampf für eine „neue Art der Klassenpartei“ 1903 über die Massenstreiks von 1905/06 und den Vorabend des Ersten Weltkrieges bis zu den berauschenden Tagen von 1917. In Deutschland, in den westlichen Ländern insgesamt gewährte der Kontext des Weltkrieges und die brutale Beschleunigung der Geschichte nur wenig Zeit für diese nötige Reifung. Die Intelligenz und Entschlossenheit der Bourgeoisie nach dem Waffenstillstand von 1918 reduzierten die verfügbare Zeit noch weiter.

Wir haben wiederholt in dieser Artikelserie über die Erschütterung des Selbstvertrauens der Klasse und ihrer revolutionären Avantgarde durch den Zusammenbruch der Sozialistischen Internationale angesichts des Kriegsausbruchs gesprochen. Was bedeutete dies?

Die bürgerliche Gesellschaft begreift die Frage der Selbstvergewisserung als Vertrauen des Individuums in seine eigenen Kräfte. Diese Konzeption vergisst, dass die Menschheit mehr als jede andere Spezies, um zu überleben und sich weiterzuentwickeln, der Gesellschaft bedarf. Dies trifft um so mehr auf das Proletariat zu, die assoziierte Arbeit, die nicht individuell, sondern kollektiv produziert und kämpft, die nicht individuelle Revolutionäre, sondern revolutionäre Organisationen hervorbringt. Die Machtlosigkeit des individuellen Arbeiters – die viel extremer ist als die des einzelnen Kapitalisten oder gar des individuellen Kleineigentümers – enthüllt sich im Kampf als reale, bis dahin verborgene Stärke dieser Klasse. Ihre Abhängigkeit vom Kollektiv nimmt den Charakter der künftigen kommunistischen Gesellschaft vorweg, wo die bewusste Stärkung der Gemeinschaft erstmalig die Entwicklung der vollen Individualität erlaubt. Das Selbstvertrauen des Individuums setzt das Vertrauen der einzelnen Teile im Ganzen, das gegenseitige Vertrauen der Mitglieder der Kampfgemeinschaft voraus.

Mit anderen Worten: nur durch die Zusammenschweißung einer Einheit im Kampf kann die Klasse den Mut und das Vertrauen entwickeln, die notwendig sind für ihren Sieg. Nur auf kollektive Weise können ihre theoretischen und analytischen Waffen ausreichend geschärft werden. Die Fehler der KPD-Delegierten in einem entscheidenden Moment in Berlin waren in Wirklichkeit das Produkt der immer noch unzureichenden Reife dieser kollektiven Stärke der jungen Klassenpartei insgesamt.

Unser Beharren auf den kollektiven Charakter des proletarischen Kampfes leugnet keineswegs die Bedeutung der Rolle von Individuen in der Geschichte. Trotzki schrieb in seinem Buch Die Geschichte der russischen Revolution, dass ohne Lenin die Bolschewiki im Oktober 1917 möglicherweise zu spät den richtigen Augenblick für den Aufstand erkannt hätten. Die Partei war nahe dran, ihr „Rendezvous mit der Geschichte“ zu verpassen. Wenn die KPD statt Karl Liebknecht und Wilhelm Pieck die scharfsinnigen Analytiker Rosa Luxemburg und Leo Jogiches am 5. Januar ins Hauptquartier von Emil Eichhorn geschickt hätte, wären die historischen Folgen möglicherweise andere gewesen.

Wir streiten nicht die Bedeutung von Lenin oder Rosa Luxemburg in den damaligen revolutionären Kämpfen ab. Was wir bestreiten, ist, dass ihre Rolle vor allem das Produkt ihrer individuellen Genialität war. Ihre Bedeutung rührte vor allem aus ihrer Fähigkeit, kollektiv zu sein, wie ein Prisma alles Licht, das von der Klasse und der Partei als Ganzes ausgestrahlt wird, zu konzentrieren und zu lenken. Die tragische Rolle von Rosa Luxemburg in der Deutschen Revolution, die Tatsache, dass ihr Einfluss auf die Partei im entscheidenden Moment nicht groß genug war, ist mit der Tatsache verknüpft, dass sie die lebendige Erfahrung der internationalen Bewegung in einem Augenblick verkörperte, als die Bewegung in Deutschland noch an ihrer Isolation vom Rest des Weltproletariats litt.

Wir möchten betonen, dass die Geschichte ein offener Prozess ist und dass die Niederlage der ersten Welle der Weltrevolution keine vorhersehbare Entwicklung war. Es ist nicht unsere Absicht, zu erzählen, „was gewesen wäre“. Es gibt nie einen Weg zurück in der Geschichte. Es gibt nur einen Weg vorwärts. Im Nachhinein ist der Verlauf, den die Geschichte nimmt, stets „unvermeidlich“. Doch übersehen wir hier, dass die Entschlossenheit – oder der Mangel an Entschlossenheit – des Proletariats, seine Fähigkeit, Lehren zu ziehen und seine Kräfte international zu vereinigen, Bestandteile dieser Gleichung sind. Mit anderen Worten, das, was „unvermeidlich“ wird, hängt auch von uns ab. Unsere Bemühungen um ein bewusstes Ziel sind eine aktive Komponente in der Gleichung der Geschichte.

Im nächsten, abschließenden Kapitel dieser Reihe werden wir die enormen Konsequenzen aus der Niederlage der Deutschen Revolution untersuchen und dabei die Relevanz dieser Ereignisse für heute und morgen berücksichtigen.

Steinklopfer

[1]Dieses Bündnis zwischen dem Militär und der SPD, das sich als entscheidend für den Sieg der Konterrevolution herausstellte, wäre ohne die Unterstützung der britischen Bourgeoisie nicht möglich gewesen. Die Zerschmetterung der Macht der preußischen Militärkaste war eines der Kriegsziele Londons. Diesem Ziel wurde abgeschworen, um die Kräfte der Reaktion nicht zu schwächen. In diesem Sinne ist es keine Übertreibung, von einer Allianz zwischen der deutschen und britischen Bourgeoisie als den Pfeiler der damaligen internationalen Konterrevolution zu sprechen. Wir werden zu dieser Frage im letzten Teil dieser Serie zurückkommen.

[2]Tausende von russischen und anderen Kriegsgefangenen wurden trotz des Kriegsendes noch immer von der deutschen Bourgeoisie festgehalten und zur Zwangsarbeit verurteilt. Sie beteiligten sich zusammen mit ihren deutschen Klassenbrüdern- und schwestern aktiv an der Revolution.

[3]Dieses monumentale barocke Gebäude, das den II. Weltkrieg überlebt hatte, wurde von der DDR gesprengt und vom stalinistischen „Palast der Republik“ ersetzt. Das „wiedervereinigte“ Deutschland hat nun diesen Palast abgerissen und beabsichtigt, die Fassade des alten zu rekonstruieren.

[4]Dieses Gebäude, das hinter dem Palast liegt, existiert immer noch.

[5]Dies ist die Formulierung des Autors Alfred Döblin in seinem Buch Karl und Rosa, dem letzten Teil seiner Novelle in vier Bänden: November 1918. Als ein Sympathisant des linken Flügels der USPD war er Augenzeuge der Revolution in Berlin. Seine monumentale Beschreibung wurde in den 30er Jahren geschrieben und ist von der Konfusion und Verzweiflung angesichts der triumphierenden Konterrevolution gezeichnet.

[6]Im Laufe des Wiederaufbaus des Stadtzentrums nach dem Fall der Berliner Mauer wurden Fluchttunnel verschiedener Regierungen des 20. Jahrhunderts ausgegraben, die in den offiziellen Plänen nicht verzeichnet sind. Denkmäler der Angst der herrschenden Klasse, die dokumentieren, wovor die Bourgeoisie Angst hat.

[7]Es gab Sympathiestreiks, Demonstrationen und Hausbesetzungen in einer Anzahl von Städten, einschließlich Hamburg, Stuttgart und Düsseldorf.

[8]Revolutionäre Delegierte aus den Fabriken (siehe die vorherigen Artikel dieser Reihe).

[9]Diese Entwicklung, die von Richard Müller in seiner Geschichte der Deutschen Revolution in Gänze dokumentiert wurde, verfasst in den 1920er Jahren, ist heute eine akzeptierte Tatsache unter Historikern.

[10]Band 3 von Müllers Geschichte der Deutschen Revolution: Bürgerkrieg in Deutschland. S. 35, 36.

[11]Ebenda.

[12]Ebenda, S. 33. Richard Müller war einer der erfahrensten und talentiertesten Führer der Bewegung. Es gab gewisse Parallelen zu Trotzki 1917 in Russland. Beide waren Vorsitzende des Aktionsausschusses der Arbeiterräte in der Hauptstadt. Beide wurden schließlich Historiker der Revolution, in der sie direkt beteiligt waren. Es tut weh zu sehen, wie pauschal Wilhelm Pieck die Warnungen solch eines erfahrenen und verantwortungsvollen Führers wegwischte.

[13]Die sechs Gegner waren Müller, Däumig, Eckert, Malzahn, Neuendorf und Rusch.

[14]Der Fall Lemmgen, ein revolutionärer Matrose, ist legendär, aber leider unwahr. Nach dem Scheitern seiner wiederholten Versuche, die Staatsbank, die Reichsbank, zu konfiszieren (ein öffentlich Bediensteter, genannt Hamburger, bestritt die Gültigkeit der Unterschriften unter seiner Anordnung), war der arme Lemmgen so demoralisiert, dass er nach Hause ging und sich in sein Bett vergrub.

[15]Genau dieser Handlungsverlauf wurde öffentlich von der KPD vorgeschlagen, insbesondere in ihrem zentralen Presseorgan, die Rote Fahne.

[16]Besonders die Passage im Programm, die erklärte, dass die Partei nur mit der Unterstützung der großen Massen des Proletariats die Macht annehmen werde.

[17]So wie in Thüringen, die Region um Stuttgart oder das Rheintal seit langem bestehende Bastionen der marxistischen Bewegung.

[18]Die Heloten war Repräsentanten einer höchst militanten revolutionären Bewegung des jüdischen Proletariats in der Antike.

[19]Gelegen an den Flüssen Ruhr und Wupper.

[20]Am 22. Februar griffen kommunistische Arbeiter in Mülheim eine öffentliche Versammlung der SPD mit Maschinengewehren an.

[21]R. Müller, Band 3, S. 141, 142.

[22]Die Provinzen von Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt. Das Epizentrum war die Stadt Halle und der nahegelegene Chemiegürtel rund um die gigantische Leuna-Fabrik.

[23]Der Begriff „Weimarer Republik“, die sich in der deutschen Geschichte von 1919 bis 1933 erstreckte, kommt ursprünglich aus dieser Episode.

[24]Müller, ebenda, S. 146.

[25]In den ersten Wochen der Revolution hatten die USPD und der Spartakusbund lediglich ein Viertel aller Delegierten hinter sich. Die SPD dominierte massiv. Die Parteimitgliedschaft der Delegierten, die in Berlin zu Beginn 1919 gewählt wurden, war wie folgt:

28. Februar: USPD 305; SPD 271; KPD 99; Demokraten: 73.

19. April: USPD 312; SPD 164; KPD 103; Demokraten 73.

Es sollte bemerkt werden, dass die KPD in dieser Periode nur in der Klandestinität operieren konnte und dass eine beträchtliche Zahl von USP-Delegierten, die gewählt worden waren, in Wahrheit mit den Kommunisten symphatisierte und sich ihnen bald darauf anschließen sollte.

[26]Müller, ebenda, S. 161.

[27]Ebenda, S. 154.

[28]Kein Zufall, dass die Wiege der marxistischen Bewegung in Deutschland mit den Namen thüringischer Städte verbunden wird: Eisenach, Gotha, Erfurt.

[29]Die Juli-Tage von 1917 waren einer der wichtigsten Momente nicht nur in der Russischen Revolution, sondern in der Geschichte. Am 4. Juli bestürmte eine bewaffnete Demonstration, eine halbe Million stark, die Führer des Petrograder Sowjets, die Macht zu übernehmen, zerstreute sich jedoch wieder friedlich nach einem Appell der Bolschewiki. Am 5. Juli eroberten konterrevolutionäre Truppen die Stadt zurück und begannen, die Bolschewiki sowie die militantesten unter den Arbeitern zu jagen. Doch indem es einen vorzeitigen Machtkampf vermied, da es als Klasse insgesamt noch nicht bereit dafür war, hielt das Proletariat seine revolutionären Kräfte intakt. Dies ermöglichte den Arbeitern, die wesentlichen Lehren aus den Ereignissen zu ziehen, insbesondere ihre Erkenntnisse über den konterrevolutionären Charakter der bürgerlichen Demokratie und der neuen Linken des Kapitals – den Menschewiki und Sozialrevolutionären, die die Sache der Arbeiter und der armen Bauern verraten hatten und ins feindliche Lager übergewechselt waren. Nie war die Gefahr einer entscheidenden Niederlage des Proletariats und der Liquidierung der bolschewistischen Partei größer als in diesen dramatischen 72 Stunden. Zu keiner anderen Zeit war das tiefe Vertrauen der fortgeschrittensten Bataillone des Proletariats in ihre Klassenpartei, der kommunistischen Avantgarde, von solcher Bedeutung.

Nach der Niederlage der Arbeiter im Juli dachte die Bourgeoisie, sie könne dem Albtraum der Revolution ein Ende bereiten. Dank der Arbeitsteilung zwischen Kerenskis „demokratischem“ Block und dem offen reaktionären Block des Armeechefs Kornilow organisierte die herrschende Klasse zwischen August und Anfang September den Staatsstreich des Letztgenannten, in dem versucht wurde, die Kosaken und die kaukasischen Regimenter, die noch zuverlässig schienen, gegen die Sowjets einzusetzen. Der Versuch endete in einem Fiasko. Die massive Reaktion der Arbeiter und Soldaten, ihre stabile Organisierung durch das Verteidigungskomitee, das für den Oktoberaufstand verantwortlich war, führte dazu, dass Kornilows Truppen sich entweder ergaben, ohne je mobilisiert worden zu sein, oder, was weitaus häufiger der Fall war, auf die Seite der Arbeiter und Soldaten desertierten.

[30]Anders als Luxemburg, Jogiches oder Marschlewski, die sich während der Revolution von 1905/06 in Polen aufhielten (damals Teil des russischen Reiches), mangelte es den meisten von jenen, die die KPD gründeten, an direkter Erfahrung mit dem Massenstreik; sie hatten Schwierigkeiten, seine Unerlässlichkeit für den Sieg der Revolution zu erkennen.

Leute: 

  • Rosa Luxemburg [1]
  • Leo Jogiches [2]
  • Liebknecht [3]
  • Richard Müller [4]
  • Noske [5]

Geschichte der Arbeiterbewegung: 

  • 1919 - Deutsche Revolution [6]

Historische Ereignisse: 

  • Bürgerkrieg in Deutschland [7]
  • Spartakuswoche [8]
  • revolutionäre Obleute [9]
  • USPD [10]

Entwicklung des proletarischen <br>Bewusstseins und der Organisation: 

  • Deutsche und Holländische Linke [11]

Darwin und die Arbeiterbewegung

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In diesem Jahr findet der 200. Geburtstag von Charles Darwin (und der 150. Jahrestag der ersten Veröffentlichung von „Über die Entstehung der Arten im Tier- und Pflanzenreich durch natürliche Züchtung oder Erhaltung der vervollkommneten Rassen im Kampf ums Dasein“) statt. Der marxistische Flügel der Arbeiterbewegung hat Darwins herausragende Beiträge zur Selbsterkenntnis der Menschheit und zu ihrem Verständnis der Natur stets gewürdigt.

In vielerlei Hinsicht war Darwin typisch für seine Zeit. Er interessierte sich für die Beobachtung der Natur und führte begeistert Experimente mit Tieren und Pflanzen durch. In seinen empirischen Arbeiten, die sich durch größte Genauigkeit und Sorgfalt auszeichneten, befasste er sich unter anderem mit Bienen, Käfern, Würmern, Tauben und Rankenfußkrebsen. Darwin befasste sich so beharrlich mit den Rankenfußkrebsen, dass seine jüngere Kinder „zu denken begannen, dass alle Erwachsenen mit ähnlichen Dingen beschäftigt sein müssen, so dass man sich über den Nachbarn fragte: ‚Wohin steckt er seine Rankenfußkrebse?‘“ (Darwin, Desmond & Moore).

 

In diesem Jahr findet der 200. Geburtstag von Charles Darwin (und der 150. Jahrestag der ersten Veröffentlichung von „Über die Entstehung der Arten im Tier- und Pflanzenreich durch natürliche Züchtung oder Erhaltung der vervollkommneten Rassen im Kampf ums Dasein“) statt. Der marxistische Flügel der Arbeiterbewegung hat Darwins herausragende Beiträge zur Selbsterkenntnis der Menschheit und zu ihrem Verständnis der Natur stets gewürdigt.

 

In vielerlei Hinsicht war Darwin typisch für seine Zeit. Er interessierte sich für die Beobachtung der Natur und führte begeistert Experimente mit Tieren und Pflanzen durch. In seinen empirischen Arbeiten, die sich durch größte Genauigkeit und Sorgfalt auszeichneten, befasste er sich unter anderem mit Bienen, Käfern, Würmern, Tauben und Rankenfußkrebsen. Darwin befasste sich so beharrlich mit den Rankenfußkrebsen, dass seine jüngere Kinder „zu denken begannen, dass alle Erwachsenen mit ähnlichen Dingen beschäftigt sein müssen, so dass man sich über den Nachbarn fragte: ‚Wohin steckt er seine Rankenfußkrebse?‘“ (Darwin, Desmond & Moore).

Darwin hob sich durch seine Fähigkeit ab, über Einzelheiten hinauszugehen, historische Prozesse zu erforschen und zu theoretisieren, wo andere sich damit begnügten, Phänomene einfach zu katalogisieren oder bestehende Erklärungen zu akzeptieren. Ein typisches Beispiel dafür war seine Reaktion auf die Entdeckung von Meeresfossilen in den Andenhöhen. Ausgestattet mit eigenen Erfahrungen mit einem Erdbeben sowie mit Lyells „Principles of Geology“, war er in der Lage, über das Ausmaß der Erdbewegungen spekulieren, welche dazu geführt hatten, dass der Inhalt des Meeresgrunds in die Berge gespült worden war, ohne dabei auf Erzählungen der Bibel über eine Sintflut zurückgreifen zu müssen. „Ich glaube fest daran, dass es ohne Spekulation keine guten & originalen Beobachtungen geben kann“ (wie er in einem Brief an A.R. Wallace schrieb, 22.12.1857).

Er fürchtete sich nicht davor, Beobachtungen auf einem Gebiet auch anderswo anzuwenden. Während Marx die meisten Schriften von Thomas Malthus mit Verachtung strafte, war Darwin in der Lage, dessen Ideen zum Bevölkerungswachstum bei der Erarbeitung seiner Evolutionstheorie zu verwerten. „Im Oktober 1838 las ich aus Spaß Malthus zur Bevölkerungsfrage. Da ich bereit war, den Existenzkampf zu akzeptieren, der überall durch langwierige Beobachtungen der Gewohnheiten der Tiere und Pflanzen festzustellen ist, fiel mir sofort auf, dass unter solchen Bedingungen günstige Varianten dazu neigten, fortzubestehen, und ungünstige dazu, zerstört zu werden. Das Resultat würde die Bildung neuer Arten sein. Hier hatte ich nun endlich eine Theorie, mit der ich arbeiten konnte.“ (Darwin: „Erinnerungen zur Entwicklung meines Denkens und meines Charakters“, eigene Übersetzung)

Erst 20 Jahre später fand diese Theorie in „Über die Entstehung der Arten“ ihren Weg in die Öffentlichkeit, aber die wesentlichen Ideen waren bereits vorhanden. In „Über die Entstehung der Arten“ erklärte Darwin, dass er „den Begriff 'Kampf ums Dasein'"(…) "in einem weiten breiten und metaphorischen Sinne gebrauche" und „der Bequemlichkeit halber“ (Darwin, Über die Entstehung der Arten, 4. Kapitel, Natürliche Zuchtwahl oder Überleben des Passendsten, Frankfurt 2009, S. 404) benutzt und er versteht unter natürlicher Auswahl "diese Erhaltung günstiger individueller Verschiedenheiten und Abänderungen und die Zerstörung jener, welche nachteilig sind, ist es, was ich natürliche Zuchtwahl nenne oder Überleben des Passendsten" (Darwin, Über die Entstehung der Arten, 4. Kapitel, Natürliche Zuchtwahl oder Überleben des Passendsten, Frankfurt 2009, S. 414).

Die Evolutionsidee war nicht neu, aber schon 1838 entwickelte Darwin eine Erklärung dafür, wie sich Arten entwickelten. Er verglich die Technik von Windhund- und Taubenzüchtern (künstliche Zucht) mit natürlicher Selektion und hielt das für „den schönsten Teil meiner Theorie“ (Darwin, zitiert von Desmond & Moore).

 

Die Methode des historischen Materialismus

Drei Wochen nach der Veröffentlichung von "Über die Entstehung der Arten" schrieb Engels an Marx: „Übrigens ist der Darwin, den ich jetzt gerade lese, ganz famos. Die Teleologie war nach einer Seite hin noch nicht kaputt gemacht, das ist jetzt geschehen. Dazu ist bisher noch nie ein so großartiger Versuch gemacht worden, historische Entwicklung in der Natur nachzuweisen, und am wenigsten mit solchem Glück.“ (Engels an Marx, 11/12. Dezember 1859, MEW Bd. 29, S. 524). Die Zerstörung der Teleologie bezieht sich auf den Schlag, den „Über die Entstehung der Arten“ allen religiösen, idealistischen oder metaphysischen Ideen versetzte, welche die Phänomene durch ihren Zweck anstatt durch ihre Ursache zu „erklären“ versuchen. Dies ist für eine materialistische Sicht der Welt wesentlich. Wie Engels im Anti-Dühring schrieb, versetzte Darwin der metaphysischen Auffassung der Natur den schwersten Schlag durch seinen Beweis, dass alles organische Leben, Pflanzen, Tiere und der Mensch selber Ergebnisse eines Entwicklungsprozesses sind, der seit Millionen Jahren andauert.

In seinen Planskizzen zu „Dialektik der Natur“ unterstrich Engels die Bedeutung des Buches „Über die Entstehung der Arten“. "Darwin, in seinem epochemachenden Werk, geht aus von der breitesten vorgefundnen Grundlage der Zufälligkeit. Es sind grade die unendlichen zufälligen Verschiedenheiten der Individuen innerhalb der einzelnen Arten, Verschiedenheiten, die sich bis zur Durchbrechung des Artcharakters steigern und deren selbst nächste Ursachen nur in den wenigsten Fällen nachweisbar sind, die ihn zwingen, die bisherige Grundlage aller Gesetzmäßigkeit in der Biologie, den Artbegriff in seiner bisherigen metaphysischen Starrheit und Unveränderlichkeit, in Frage zu stellen.“ [Engels: Dialektik der Natur, S. 339. Digitale Bibliothek Band 11: Marx/Engels, S. 8662 (vgl. MEW Bd. 20, S. 489)]

Aber ohne den Artbegriff war die ganze Wissenschaft nichts. Alle ihre Zweige hatten den Artbegriff als Grundlage nötig.

Marx las „Über die Entstehung der Arten“ ein Jahr nach der Veröffentlichung und schrieb sofort an Engels (19. Dezember 1860), dies sei „das Buch, das die naturhistorische Grundlage für unsere Ansicht enthält”. (MEW, Bd. 30, S. 131). Später schrieb er, dass das Buch „die naturwissenschaftliche Unterlage des geschichtlichen Klassenkampfes“ (Brief an Lassalle, 16.1.1861, ebenda S. 578) liefert.

Trotz ihrer Begeisterung für Darwin übten Marx und Engels auch Kritik an ihm. Sie waren sich des Einflusses von Malthus bewusst und auch, dass Darwins Erkenntnise vom „Sozialdarwinismus“ benutzt wurden, um den Status quo der viktorianischen Gesellschaft mit ihrem großen Wohlstand für einige und Gefängnis, Arbeitshaus, Krankheiten, Hunger und Auswanderung für die Armen zu rechtfertigen. In seiner Einleitung zur „Dialektik der Natur“ ging Engels dabei auf einige der sich daraus ergebenden Folgen ein. „Darwin wußte nicht, welch bittre Satire er auf die Menschen und besonders auf seine Landsleute schrieb, als er nachwies, daß die freie Konkurrenz, der Kampf ums Dasein, den die Ökonomen als höchste geschichtliche Errungenschaft feiern, der Normalzustand des Tierreichs ist.“ [Engels: Dialektik der Natur, S. 29. Digitale Bibliothek Band 11: Marx/Engels, S. 8352 (vgl. MEW Bd. 20, S. 324)] Erst „eine bewußte Organisation der gesellschaftlichen Produktion“ kann die Menschheit vom Überlebenskampf zur Erweiterung der Produktionsmittel als die Lebensgrundlage führen, und diese „bewußte Organisation“ erfordert eine Revolution durch die Produzenten, die Arbeiterklasse.

Engels erkannte auch, wo die Kämpfe der Menschheit (und das marxistische Verständnis für sie) über Darwins Rahmen hinausgingen. "Schon die Auffassung der Geschichte als einer Reihe von Klassenkämpfen ist viel inhaltsvoller und tiefer als die bloße Reduktion auf schwach verschiedne Phasen des Kampfs ums Dasein." [Engels: Dialektik der Natur, S. 483. Digitale Bibliothek Band 11: Marx/Engels, S. 8806 (vgl. MEW Bd. 20, S. 566)]

Aber diese Kritik entwertet keineswegs Darwins Verdienst um die Geschichte des wissenschaftlichen Denkens. In seiner Rede an Marx‘ Grab betonte Engels: „Wie Darwin das Gesetz der Entwicklung der organischen Natur, so entdeckte Marx das Entwicklungsgesetz der menschlichen Geschichte“. (Engels: Das Begräbnis von Karl Marx, MEW Bd. 19, S. 335)

 

Der Marxismus nach Darwin

Während Darwin im bürgerlichen Denken immer wieder in und aus der Mode gekommen ist (bei. seriösen Wissenschaftlern aber nicht), hat der marxistische Flügel der Arbeiterbewegung ihm nie den Rücken gekehrt.

In einer Fußnote seines Textes „Zur Frage der Entwicklung des monistischen Geschichtsauffassung“ (Kapitel 5, Der moderne Materialismus) geht Plechanow auf die Beziehung zwischen dem Denken Darwins und Marx‘ ein. „Darwin gelang es, die Frage zu lösen, wie die Pflanzen- und Tierarten im Existenzkampf entstehen. Marx gelang es, die Frage zu lösen, wie die verschiedenen Arten gesellschaftlicher Organisation im Kampf der Menschen um ihre Existenz entstehen. Logischerweise beginnt Marxens Untersuchung gerade dort, wo Darwins Untersuchung endet (...) Der Geist der Forschung ist bei beiden Denkern völlig gleich. Darum kann man auch sagen, dass der Marxismus der auf die Gesellschaftswissenschaften angewandte Darwinismus ist.“ (Frankfurt, 1975, S. 279).

Ein Beispiel der wechselseitigen Beziehung zwischen dem Marxismus und den Beiträgen von Darwin liefert uns Kautskys „Ethik und materialistische Geschichtsauffassung“. Obgleich Kautsky die Bedeutung Darwins überschätzt, bezog er sich auf „Die Abstammung des Menschen und geschlechtliche Zuchtwahl“ (1875), als er versuchte, die Bedeutung altruistischer Gefühle und sozialer Instinkte in der Entwicklung der Moral zu umreißen. Im 5. Kapitel von „Die Abstammung des Menschen und geschlechtliche Zuchtwahl“ beschreibt er, wie der Urmensch“ sozial wurde und "sie werden sich gegenseitig vor drohender Gefahr gewarnt und bei Angriff und Verteidigung unterstützt haben. Dies alles bedingt einen gewissen Grad von Sympathie, Treue und Mut." Er betonte: "Wenn zwei in selbem Gebiet lebende Stämme von Urmenschen in Wettbewerb traten, von denen der eine bei sonst gleichen Verhältnissen eine große Zahl mutiger, einander ergebener und treuer Mitglieder umfasste, die in Not und Gefahr stets bereit waren, einander zu warnen, zu helfen und zu verteidigen, so ging schließlich dieser Stamm als Sieger aus dem Wettstreit hervor. Vergessen wir nicht, welche überragende Bedeutung der Treue und dem Mut in den unaufhörlichen Kämpfen der Wilden zukommt. Die Überlegenheit disziplinierter Soldaten über undisziplinierte Horden entspringt hauptsächlich dem Vertrauen jedes einzelnen in seine Gefährten. (…) Selbstsüchtige, unverträgliche Menschen können nicht zusammenhalten, und ohne Eintracht kann nichts erreicht werden." (Charles Darwin, Die Abstammung des Menschen, 5. Kapitel: Über die Entwicklung der intellektuellen und moralischen Fähigkeiten während der vorgeschichtlichen und zivilisierten Zeiten; Frankfurt/M, 2009, S. 161).

Darwin übertrieb zweifelsohne, wenn er sagte, dass die primitiven Gesellschaften ständig Krieg gegeneinander führten; die Notwendigkeit der Zusammenarbeit als Überlebensgrundlage war bei Aktivitäten wie der Jagd und der Verteilung des gesellschaftlichen Produkts nicht weniger wichtig. Dies ist die andere Seite des „Kampfes ums Dasein“, wo wir den Triumph der gegenseitigen Solidarität und des Vertrauens über Widerspenstigkeit und Egoismus erleben.

 

Von Darwin zu einer kommunistischen Zukunft

Anton Pannekoek war nicht nur ein großer Marxist, sondern auch ein herausragender Astronom (ein Krater auf dem Mond und ein Asteroid wurden nach ihm benannt). Man kann das Thema „Marxismus und Darwinismus“ nicht umfassend behandeln, ohne Bezug zu nehmen auf seinen 1909 erschienenen Artikel mit eben diesem Titel. Zunächst entwickelt Pannekoek unser Verständnis des Verhältnisses zwischen Marxismus und Darwinismus weiter.

„Hier sehen wir also, wie dasselbe Grundprinzip des Kampfes ums Dasein, das Darwin formulierte und Spencer betonte, bei Mensch und Tier verschieden wirkt. Das Prinzip, dass der Kampf zu einer Vervollkommnung der Waffen führt, womit gekämpft wird, erzeugt bei Mensch und Tier verschiedene Merkmale. Bei dem Tier führt er zu einer stetigen Entwicklung der natürlichen Leibesorgane; dies ist die Grundlage der Abstammungslehre, der Kern des Darwinismus. Bei dem Menschen führt er zu einer stetigen Entwicklung der Werkzeuge, der Technik, der Produktivkräfte. Dies ist aber die Grundlage des Marxismus.

Hier stellt sich nun heraus, dass Marxismus und Darwinismus nicht zwei unabhängige Lehren sind, deren jede auf ihrem eigenen Gebiet gilt, die aber miteinander nichts zu tun haben. Sie kommen in Wirklichkeit auf dasselbe Grundprinzip hinaus. Sie bilden eine Einheit. Die neue Richtung, die mit der Entstehung des Menschen eingeschlagen wird, die Ersetzung der natürlichen Organe durch künstliche Werkzeuge, bewirkt, dass dieses Grundprinzip sich in der Menschenwelt in ganz anderer Weise als in der Tierwelt äußert, dass dort der Darwinismus, hier der Marxismus das Entwicklungsgesetz bestimmt. (Anton Pannekoek, Marxismus oder Darwinismus, 1914, 2. Auflage, S. 40)

Pannekoek ging auch auf die Idee des sozialen Instinktes auf der Grundlage der Beiträge von Kautsky und Darwin ein.

„Diejenige Herde, die sich den Feinden gegenüber am besten zu behaupten weiß, bleibt in diesem Kampfe bestehen, während die schlechter Veranlagten zugrunde gehen. Nun werden sich aber diejenigen am besten behaupten in denen die sozialen Triebe am stärksten entwickelt sind. Wo sie schwach sind, fallen die Tiere am leichtesten den Feinden zum Opfer oder finden sie weniger günstige Futterplätze. Diese Triebe werden zu wichtigsten und entscheidenden Merkmalen, die über das Überleben im Kampfe ums Dasein entscheiden. Deshalb werden die sozialen Triebe durch den Daseinskampf zu allesbeherrschender Kraft herangezüchtet.

Die Tiergruppe, worin die gegenseitige Hilfe am stärksten ausgeprägt ist, behaupten sich am besten in dem Daseinskampf“ (ebenda, S. 29)

Der Unterschied zwischen geselligen Tieren und dem Homo sapiens liegt unter anderem im Bewusstsein. „Für den Menschen gilt nun alles, was für die sozialen Tiere gilt. Unsere affenähnlichen Vorfahren und die sich aus ihnen entwickelnden Urmenschen waren wehrlose schwache Tiere, die, wie fast alle Affenarten, ursprünglich in Trupps zusammenlebten. Hier mussten also dieselben sozialen Triebe und Gefühle entstehen, die sich nachher bei den Menschen zu sittlichen Gefühlen entwickelten. Daß unsere Sichtlichkeit und Moral nichts anderes als die sozialen Gefühle der Tierwelt sind, ist allbekannt; auch Darwin sprach schon von den mit ihren sozialen Institutionen in Verbindung stehenden Eigenschaften der Tiere, „die man bei den Menschen moralisch nennen würde“. Der Unterschied liegt nur in dem Maße des Bewusstseins; sobald die sozialen Gefühle den Menschen selbst klar bewusst werden, bekommen sie den Charakter sittlicher Gefühle.“ (ebenda, S. 30)

 

Auch Pannekoek griff den „Sozialdarwinismus“ scharf an. Er zeigte, wie die „bürgerlichen Darwinisten“ sich im Kreis drehen - die Welt, wie sie von Malthus und Hobbes beschrieben wurde, ähnelt wenig überraschend der Welt, welche... von Hobbes und Malthus beschrieben wurde.

„Daher kommt es, dass unter dem Kapitalismus die Menschenwelt am meisten der Welt der Raubtiere ähnelt. Daher kommt es, dass die Bourgeois-Darwinisten bei den einsam kämpfenden Tieren ihre Vorbilder für die Menschengesellschaft suchten; sie gingen dabei in der Tat von der Erfahrung aus, und ihr Fehler bestand nur darin, dass die kapitalistischen Verhältnisse für die ewig menschlichen ansahen. Die Verwandtschaft der besonderen kapitalistischen Kampfesverhältnisse mit denen der alleinlebenden Tiere hat Engels in der historischen Darstellung in seinem Anti-Dühring in dieser Weise ausgedrückt: „Die große Industrie endlich und die Herstellung des Weltmarkts haben den Kampf universell gemacht und gleichzeitig ihm eine unerhörte Heftigkeit gegeben. Zwischen einzelnen Kapitalisten wie zwischen ganzen Industrien und ganzen Ländern entscheidet die Gunst der natürlichen oder geschaffnen Produktionsbedingungen über die Existenz. Der Unterliegende wird schonungslos beseitigt. Es ist der Darwinsche Kampf ums Einzeldasein, aus der Natur mit potenzierter Wut übertragen in die Gesellschaft. Der Naturstandpunkt des Tiers erscheint als Gipfelpunkt der menschlichen Entwicklung.“ (ebenda, S. 43)

[Engels: Die Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft, S. 58. Digitale Bibliothek Band 11: Marx/Engels, S. 8296 (vgl. MEW Bd. 19, S. 216)]

 

Aber die kapitalistischen Verhältnisse bestehen nicht ewig, und die Arbeiterklasse hat die Fähigkeit, sie zu überwinden und die Spaltung der Gesellschaft in Klassen mit antagonistischen Klasseninteressen zu beenden.

„Mit der Beseitigung der Klassen wird die ganze zivilisierte Menschheit zu einer einzigen großen solidaren Produktionsgemeinschaft. Dafür gilt dasselbe, was für jede gesellschaftliche Gruppe gilt: in ihr hört der gegenseitige Kampf ums Dasein auf; dieser wird nur noch nach außen geführt. Aber an Stelle der früheren kleinen Gruppen ist jetzt die ganze Menschheit getreten. Das bedeutet also, dass der Kampf ums Dasein innerhalb der Menschenwelt aufhört. Er wird nur noch nach außen geführt, nicht mehr als Wettkampf gegen Artgenossen, sondern als Kampf um den Lebensunterhalt gegen die Natur. Aber die Entwicklung der Technik und der damit zusammengehenden Wissenschaft bewirkt, dass dieser Kampf kaum noch ein Kampf zu nennen ist. Die Natur ist den Menschen untertan geworden bietet ihnen mit leichter Mühe einen sicheren, überschüssigen Lebensunterhalt. Damit tritt die Entwicklung der Menschheit in neue Bahnen; die Periode, worin sie sich allmählich aus der Tierwelt emporhob und den Kampf ums Dasein in eigenen, durch den Werkzeuggebrauch bestimmten Formen führte, nimmt ein Ende; die menschliche Form des Kampfes ums Dasein hört auf; ein neuer Abschnitt der menschlichen Geschichte fängt an.“ (ebenda S. 44) Car 28/1/9

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Aktuelles und Laufendes: 

  • Darwin Arbeiterbewegung [12]
  • Marxismus Darwinismus [13]

Leute: 

  • Darwin [14]
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Historische Ereignisse: 

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Theoretische Fragen: 

  • Umwelt [18]

Der Balkankrieg 1999 - Artikelsammlung von Artikeln der IKS vor 10 Jahren zum Balkankrieg

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Wir veröffentlichen nachfolgend 7 Artikel zum Jugoslawienkrieg, welcher 1999 von den westlichen Mächten ausgelöst wurde. Diese Artikel erschienen in unserer Zeitung Weltrevolution Nr. 93 + 93 im Frühjahr 1999.

Der Krieg hatte auf dem Balkan nur wenige Monate nach dem Ende des ersten Golfkriegs im Frühjahr 1991 unter Bush Sen. seinen Einzug gehalten. Kroatien und Slowenien hatten, durch Deutschland ermuntert, ihre Unabhängigkeit von Jugoslawien erklärt und damit die Auflösung des künstlichen, von Serbien dominierten Gebildes Jugoslawien eingeleitet. Eine Reihe von militärischen Auseinandersetzungen (z.B. Belagerung Sarajevos) und Massakern (z.B. Srebrenica) sollte von Anfang der 1990 Jahre nahezu ein Jahrzehnt lang Hunderttausende Menschen in die Flucht treiben. Die Tendenz des „jeder für“ und „jeder gegen jeden“ begann zu wüten. Die früheren Großmächte Deutschland, Frankreich, Großbritannien, welche in der Zeit des kalten Krieges in einer Blockdisziplin unter den USA zusammengehalten wurden, prallten auf dem Balkan aufeinander, und nützten den Nationalismus rivalisierender bürgerlicher Fraktionen vor Ort zu ihren Gunsten aus. Russland, traditionell ‚Schutzmacht’ Serbiens, mischte mit und natürlich die USA unter der Führung des demokratischen Präsidenten Bill Clinton. Die Reihe von militärischen Auseinandersetzungen erreichte mit dem Balkankrieg im Frühjahr 1999 nur eine neue Stufe.

Der damaligen Rot-Grünen Regierung steht das große Verdienst zu, zum ersten Mal nach dem 2. Weltkrieg wieder die direkte Beteiligung des deutschen Militärs bei Kriegshandlungen ermöglicht zu haben. Dies sollte der Auftakt sein zu einer Reihe von mittlerweile weltweiten Einsätzen des deutschen Militärs. Angewidert von der kriegerischen Politik der Rot-Grünen Regierung hatte deren Verhalten einen wichtigen Prozess des Nachdenkens in den Reihen politisierter Leute über die Rolle nicht nur der linken Regierungen, sondern auch der nationalen Frage im Kontext des heutigen Kapitalismus gefördert.

Mehr dazu in unserer Presse…

Aus Weltrevolution Nr. 93 (April-Mai 1999)

Nato-Bombardierungen in Jugoslawien - Kapitalismus heißt Krieg, Krieg dem Kapitalismus!

Erneut wird das ehemalige Jugoslawien verwüstet. Aber heute handelt es sich nicht mehr um Massaker zwischen ethnischen Gruppen, wie es sie seit 1991 immer wieder gegeben hat, und die im übrigen nur möglich waren aufgrund der Waffenlieferungen und der Unterstützung der Großmächte für diese oder jene nationalistische Clique.

Heute entfesseln die „Demokratien“, die innerhalb der NATO zusammengeschlossen sind, ein Inferno gegen die Bevölkerungen Serbiens, Montenegros und des Kosovos. Denn wir brauchen uns nichts vorzumachen: den Bomben fallen nicht nur militärische Anlagen zum Opfer. Zu den Opfern gehören auch: Soldaten, die sich nicht freiwillig am Krieg beteiligen, und die Arbeiter und Bauern in Uniform sind; die zivile Bevölkerung, Frauen, Kinder, Alte, die das Pech haben, in der Nähe der Militärbasen, der Rüstungsbetriebe und der Raffinerien zu leben, d.h. hauptsächlich Arbeiterfamilien. Zehntausende Menschen, die hilflos und terrorisiert diesen Angriffen ausgesetzt sind, werden in die Flucht getrieben.

Die kapitalistische „Ordnung“ zeigt erneut ihr wahres Gesicht, das einer beispiellosen Barbarei, wo die „Wunder“ der Technik der Großmächte der „zivilisierten“ Welt in den Dienst des Mordens und der Zerstörung gestellt werden.

Vorbei die Illusionen über einen neuen „Friedenszeitraum“, der uns beim Zusammenbruch des Ostblocks versprochen wurde! Der Untergang dieses so genannten „sozialistischen“ Blocks und das Ende des „kalten Krieges“ haben kein Ende der kriegerischen Konflikte gebracht. Im Gegenteil! Seit 1989 haben die Massaker und die militärischen Spannungen nur noch zugenommen: im Irak, im ehemaligen Jugoslawien, in den Republiken der ehemaligen UdSSR, auf dem ganzen afrikanischen Kontinent, in Afghanistan, in Indien, in Pakistan usw.

Das ist die Wirklichkeit der von den großen Demokratien nach dem Zusammenbruch des russischen Blocks so viel gepriesenen neuen „Weltordnung“: ein immer blutigeres Chaos, das sich jetzt im Herzen Europas breit macht.

Es ist der Weltkapitalismus, der in all seinen Formen – ob „demokratisch“ oder „totalitär“ – den Krieg hervorbringt.

Milosevic, Clinton und Konsorten: Alle sind Gangster und Mörder!

Während der furchtbaren Operation „Wüstensturm“ im Golfkrieg im Januar 1991 wollten uns alle Regierungen der „schönen“ westlichen „Demokratien“ glauben machen, dass man einen „sauberen und chirurgischen“ Krieg zur Verteidigung des „internationalen Rechts“ und zur Beseitigung des „Schlächters von Bagdad“ geführt hätte. Heuchlerische Schufte!

Dieser „saubere“ Krieg hat mehrere Hunderttausend Tote hinterlassen und heute noch muss die Zivilbevölkerung die Kosten für dieses schreckliches Abschlachten bezahlen, während Saddam weiterhin im Irak seine Diktatur ausübt. Unter dem Vorwand, „Diktatoren“ zu bekämpfen, werden die von diesen Diktatoren unterdrückten Bevölkerungen mit Bombenteppichen belegt und ausgehungert.

Was das „internationale Recht“ angeht, haben die großen Demokratien Europas und Amerikas dieses immer wieder mit Füßen getreten.

Heute noch wird das noch klarer: die Nato-Bombardierungen in Serbien, die nicht einmal das Feigenblatt eines UNO-Mandats besitzen, zeigen überdeutlich auf, dass die „Großen“, die die Welt regieren, nichts mit diesem „internationalen Recht“ zu tun haben.

All diese imperialistischen Gangster behaupten, dem „Recht“ Geltung zu verschaffen. Das stimmt, aber welchem Recht? Ihr Recht ist das Recht des Dschungels, des Stärkeren, das Recht der Gangster, das Recht der kapitalistischen Barbarei!

Milosevic ist wie Saddam ein blutiger Diktator der schlimmsten Art. Aber die großen Demokratien stehen ihm in nichts nach. In Hiroshima, Korea, Algerien, Vietnam, im Irak... haben sie nie vor Folter und großen Massakern an der Bevölkerung zurückgeschreckt.

Und der Zynismus dieser angeblichen Verteidiger der unterdrückten Völker ist das nicht die Höhe, wenn man weiß, dass die meisten dieser von „Diktatoren“ geführten Regime wie Milosevic (Pinochet, Saddam Hussein, Mobutu, Kabila und Konsorten) gerade von denen an die Macht gebracht, bewaffnet und unterstützt wurden, die heute lauthals deren Taten anprangern.

Die linken Parteien – Speerspitze der kriegerischen Barbarei

Die linken Parteien – Sozialisten, Sozialdemokraten, Labour-Partei oder „Grüne“ – beanspruchen heute die Verteidiger der Unterdrückten und Ausgebeuteten, Verfechter der „Menschenrechte“ und Friedensapostel zu sein.

Diese linken Regierungen heute stehen in der Mehrzahl an der Spitze der Regierungen, die sich an den Massakern beteiligen Parteien. An der Regierung handelt die Linke als loyaler Verteidiger der Wirtschaftsinteressen des Kapitalismus, wobei sie immer mehr die Lebensbedingungen der Arbeiterklasse angreifen. Und wo immer an der Regierung beteiligen sich die linken Parteien voll und ganz, ohne zu zögern an der kriegerischen Barbarei des Kapitalismus hinter dem „Demokraten“ Clinton.

Schröder, Jospin, Blair und Konsorten sind die würdigen Erben der „sozialistischen“ Führer von 1914, die aktiv die Arbeiter für den Ersten Weltkrieg mobilisierten und die Massaker an den Arbeitern verübten, als die Arbeiter wie in Deutschland 1919 versucht hatten, den Kapitalismus zu stürzen.

Der Kapitalismus bedeutet immer mehr Chaos und immer mehr Massaker

Krieg führen, um den „Frieden“ zu bewahren und die „menschlichen Werte der Demokratie“ zu schützen – diese Lüge ist so alt wie abscheulich! Die Bourgeoisie hat die Massaker des 1. Weltkriegs ausgelöst und sie dargestellt als den allerletzten Krieg, der im Namen der „Zivilisation“ geführt wurde. 20 Jahre später kam es noch zu einem schlimmeren Abschlachten. Der Sieg der Alliierten im 2. Weltkrieg war angeblich der der „Demokratie“ gegen die „barbarischen Nazis“. Seitdem hat es immer wieder Kriege gegeben, mit genau so viel Toten insgesamt wie während des Weltkriegs selber.

All diese blutigen Schufte, die sich beim Waffengang zwischen der NATO und Milosevic beteiligen, sind sehr wohl „würdige“ Repräsentanten des Systems, das die Welt beherrscht. Ein System, das selbst in den „wohlhabendsten“ Staaten Dutzende von Millionen von Menschen in die Armut treibt, sie auf die Straße wirft, und ¾ der Menschheit dem Hunger, Epidemien und endlosen Massakern ausliefert. Ein System, das heute ein wahnsinniges Chaos hervorbringt.

Indem sie ihren schrecklichen Militärapparat entfesselt haben, behaupten die USA als Boss und ihre europäischen Komplizen, dass sie dieses Chaos bekämpfen und die Massaker an der Bevölkerung aufhalten wollen. Aber nichts ist falscher als das! Die Folgen der Operation „Entschlossene Kraft“ können nur neue Massaker an der albanischen Bevölkerung sein, die man angeblich schützen will; ein Großbrand auf dem Balkan, die Entfesselung eines blutigen Chaos in Europa.

Die Koalitionskräfte der NATO mögen wohl -um ein „Beispiel zu setzen“ -so viele Menschenleben in Serbien massakrieren wie sie wollen. Aber aus diesem neuen „humanitären“ Kreuzzug wird genauso wenig wie im Irak eine „Weltordnung“ hervorgehen.

Kriege sind nicht auf „Fehler der Diplomatie“ zurückzuführen oder auf den „mangelnden Willen“ der Führer dieser Welt. Sie sind die einzige Antwort des Kapitalismus auf die unüberwindbare Wirtschaftskrise. Diese Krise verschärft die Konkurrenz und die Rivalitäten zwischen allen Nationen. Je mehr sich diese Krise zuspitzt, wie das heute der Fall ist, und je mehr der Kapitalismus Massaker verüben wird, desto mehr wird sich der Krieg auf die höchst entwickelten Staaten zubewegen.

Und genau das kann man heute beobachten: zum ersten Mal seit einem halben Jahrhundert entfesseln die Großmächte offen und massiv den Krieg auf dem Boden Europas. Und das ist noch nicht das Ende. Die Zukunft wird noch mehr Blut und Barbarei bringen als die Vergangenheit.

Nur der Klassenkampf des Proletariats kann die kapitalistische Barbarei beenden

Heute wie damals sind die Zivilbevölkerungen und insbesondere die Arbeiterklasse die ersten Opfer des imperialistischen Krieges. In Serbien wie im Irak sind es zum Großteil Arbeiter in Uniform und nicht die Regierungsmitglieder, die als Kanonenfutter abgeschlachtet werden. In den Ländern der NATO, die sich an diesem Angriff beteiligen, werden die Arbeiterfamilien ihre toten Kinder zu beweinen haben, wenn es zum Einsatz von Bodentruppen kommt.

Aber im Krieg ist die Arbeiterklasse nicht nur das Hauptopfer. Sie ist auch die einzige Kraft, die wirklich die kapitalistische Barbarei bekämpfen kann. Durch ihren revolutionären Kampf in Russland 1917 und in Deutschland 1918 hat die Arbeiterklasse die Bourgeoisie dazu gezwungen, den 1. Weltkrieg zu beenden.

Und sie konnte den 2. Weltkrieg nicht verhindern oder beenden, weil sie von der stalinistischen Konterrevolution geschlagen, vom Faschismus terrorisiert oder von den Linksparteien für die „Volksfronten“ und die „Resistance“ mobilisiert worden waren.

Weil die Weltarbeiterklasse seit den massiven Streiks vom Mai 1968 in Frankreich ihre Kämpfe entfaltet und sich damit geweigert hat, sich der Logik des krisengeschüttelten Kapitalismus zu unterwerfen, hat sie die Auslösung eines 3. Weltkriegs verhindern können.

Alle Fraktionen der Bourgeoisie wollen diese Kraft der Arbeiterklasse, die sie in sich birgt, ihr gegenüber vertuschen:

- indem ihr glauben gemacht werden soll, dass Krieg und „Frieden“ nur von dem diplomatischen Schacher zwischen den Führern der Welt abhingen,

- indem ihre Ängste und ihre Wut auf das verfaulte Terrain der Illusionen über einen „friedlichen“ Kapitalismus abgelenkt werden sollen.

Der „Pazifismus“ war immer der beste Komplize der kriegerischen Propaganda. Die Massaker werden nicht verhindert durch Demonstrationen für Verhandlungen und Aufrufe an die Regierungen zu mehr „Umsicht“. Dies zeigt die Erfahrung aus der Zeit vor den beiden Weltkriegen, dem Vietnamkrieg oder im Golfkrieg. All diese Maskeraden haben immer nur dazu gedient, um die Arbeiterklasse von ihrem einzigen Kampf abzulenken, der wirklich einen Widerstand gegen den Krieg darstellen und die Barbarei endgültig aus der Welt schaffen kann: der massive und vereinigte Kampf der ausgebeuteten Klasse gegen ihre Feindesklasse, die Ausbeuter und Massakrierer.

Indem die Arbeiter die Opfer verweigern, die ihnen die Bourgeoisie zur Finanzierung ihrer Kriege und zur Hinnahme der Auswirkungen der Wirtschaftskrise ihres Systems auferlegen will, entwickeln die Arbeiter die gemeinsame Stärke, um sich dem höchsten Opfer entgegenzustellen, nämlich ihr Leben im imperialistischen Krieg zu lassen.

Indem sie sich weigern, sich durch die grauenhafte Demonstration der Stärke seitens der Großmächte einschüchtern zu lassen, können sie ihr Gefühl der Hilflosigkeit überwinden und wieder das Selbstvertrauen in ihre Fähigkeit finden, eine entscheidende Rolle für die Zukunft der Menschheit zu spielen.

Indem sie massiv ihre Kämpfe für die Verteidigung ihrer Interessen als ausgebeutete Klasse gegen die Verschlechterung ihrer Lebensbedingungen entwickeln, indem sie in diesen Kämpfen ihre Solidarität, ihre Einheit und ihre Klassenstärke entfalten, indem sie ihr Bewusstsein über das vorantreiben, was in der gegenwärtigen Lage auf dem Spiel steht, werden die Arbeiter aller Länder dazu in der Lage sein, den Kapitalismus und all seine Barbarei zu überwinden.

Die Arbeiter haben kein Vaterland!

Arbeiter aller Länder, vereinigt Euch!

Dem Krieg der imperialistischen Gangster müssen wir unseren Klassenkrieg entgegenstellen!

Wir müssen den Kapitalismus zerstören, bevor er die Menschheit zerstört!

Internationale Kommunistische Strömung (25.3.1999)

Dieses Flugblatt wird in Belgien, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Indien, Italien Mexiko, Niederlande, Schweden, Schweiz Spanien, USA, Venezuela, Österreich, Australien, Russland verteilt.

Ein blutiger Konflikt um die imperialistische Hackordnung 26.03.1999

Es sind Szenen, wie man sie in Europa seit dem 2.Weltkrieg nicht mehr zu sehen bekommen hat. Hunderttausende Zivilisten versuchen sich in Luftschutzräumen vor Bomben und Raketen in Sicherheit zu bringen. In den großen Städten Jugoslawiens brennen Fabriken, Munitions- und Treibstofflager, Kasernen und Wohnhäuser. In den Vororten der jugoslawischen Hauptstadt Belgrad: Einschlagkrater, Tote und Verletzte. In allen Teilrepubliken Jugoslawiens – in Serbien, Montenegro, im Kosovo - Bilder der Verwüstung, Opfer unter der schutzlosen Zivilbevölkerung. Einige hundert Kilometer vor den Toren Wiens und Budapests werden auch im Norden Serbiens Ziele von der NATO unter Beschuss genommen. In den Hauptstädten Westeuropas und Nordamerikas treten Verteidigungsminister und hohe Militärs vor die Presse und verkünden siegesgewiss militärische Erfolge. Im Kosovo, dessen Bevölkerung durch diese Militäraktion angeblich geschützt werden soll, herrscht indessen Pogromstimmung. Sondereinheiten der serbischen Polizei und die Soldateska der albanischen UCK machen Jagd auf die Bevölkerung der "Gegenseite". Nachbarn werden gelyncht. Während dort Hunderttausende auf der Flucht sind, treten die Innenminister der Abschiebestaaten Europas in Konsultationen darüber ein, wie das Flüchtlingsproblem bewältigt werden könne. Erste Maßnahmen werden bereits getroffen: die Grenzen der Nachbarländer werden geschlossen, damit die gejagten Menschen nicht entkommen können.

Das Jahrhundert schließt, wie es begonnen hat, mit einem imperialistischen Krieg in Europa. Das letzte Jahrzehnt des Jahrtausends endet, wie es begann: mit einem mörderischen militärischen Feldzug der "Staatengemeinschaft" gegen ein zum "Schurkenstaat" abgestempeltes Land - damals Irak, diesmal Jugoslawien. So sehen der "Triumph des Kapitalismus" und die "neue Weltordnung" aus, welche der amerikanische Präsident George Bush vor zehn Jahren mit seinen Bomben auf Bagdad feierlich verkündete. Damals wie heute treten die "großen Demokratien des Westens" mit Marschflugkörpern und lasergesteuerten Bomben für internationales Recht, für Frieden und Freiheit ein. Damals gab man vor, das kleine Kuwait, heute das kleine Kosovo vor einer "humanitären Katastrophe" zu bewahren. Indessen wird deutlicher: die "humanitäre Katastrophe" ist der Kapitalismus, der militaristische Imperialismus selbst.

Acht Jahren nach dem Golfkrieg von 1991 zeigt der Krieg in Jugoslawien, wie blutig und gefährlich die militärischen Widersprüche des niedergehenden Kapitalismus sich zugespitzt haben. Die neue Weltordnung ist außer Kontrolle geraten. Denn inzwischen ist der Krieg vom Persischen Golf bis ins Zentrum des Weltkapitalismus nach Europa vorgerückt. Inzwischen ist der führende imperialistische Staat Europas, ist die deutsche Wehrmacht zum ersten Mal seit 1945 an Kriegshandlungen beteiligt. Wie 1941 bombardiert die deutsche Luftwaffe heute wieder Jugoslawien: Befehligt von einem sozialdemokratischen Kanzler und einem friedensbewegten Außenminister in den militärischen Fußstapfen Hitlers und Görings.

Ein blutiger Konflikt um die imperialistische Hackordnung

Wie im Golfkrieg 1991 ist die militärische Strafexpedition heute eine Machtdemonstration des Weltpolizisten USA. Serbien wird angegriffen, nicht wegen der "ethnischen Säuberungen" im Kosovo, sondern weil Milosevic sich nicht dem Diktat Washingtons auf der "Friedenskonferenz" von Rambouillet beugte, und damit die Autorität Amerikas in Frage stellte. Wie damals die Bomben auf Bagdad, so gelten die amerikanischen Raketen auf Belgrad heute politisch nicht nur Serbien, sondern allen imperialistischen Herausforderern der USA. Sie sind eine deutliche Warnung sowohl an die imperialistischen Gönner Serbiens wie Russland und (wenn auch diskreter) Frankreich und Großbritannien ebenso wie an die historischen Erzfeinde Serbiens wie Deutschland oder die Türkei. Schon der erste Golfkrieg war eine solche Warnung. Damals schon zwangen die USA ihre imperialistischen Rivalen, sich in einer Kriegskoalition der amerikanischen Führung unterzuordnen. Bereits damals ging es nicht um Kuwait und nicht um Öl, sondern um die Autorität der Weltführungsmacht gegenüber ihren ehemaligen westlichen Verbündeten nach dem Verschwinden des gemeinsamen Gegners aus dem Kalten Krieg. Gerade heute geht es wieder um die Hackordnung unter den imperialistischen Gangstern, und nicht um das Schicksal der Flüchtlinge im Kosovo. Nicht um Milosevics Militärpotential auszuschalten muss Washington heute seine Milliarden-teuren Tarnkappenbomber Stealth über den Atlantik zum Einsatz fliegen, sondern um die lieben Verbündeten einzuschüchtern und bei der Stange zu halten.

Deshalb kommt in London, Paris oder Berlin - allen Erfolgsmeldungen des NATO-Militärs zum Trotz - keine Siegesstimmung auf. Die europäische Bourgeoisie hat Clintons Warnung sehr gut verstanden. Seit Monaten beschwert man sich ja in den Hauptstädten Europas darüber, dass ein NATO-Einsatz gegen den "souveränen Staat" Jugoslawien völkerrechtlich nicht zulässig sei, weil es dafür kein Mandat des UN-Weltsicherheitsrates gibt. Für den Golfkrieg 1991 gab es ein solches Mandat, weil damals die USA noch mächtig genug waren, um ein solches durchzusetzen. In der Zwischenzeit allerdings wurden die Vereinten Nationen zunehmend von den anderen ständigen Mitgliedern des Weltsicherheitsrates - Großbritannien, Frankreich, Russland und China - instrumentalisiert, um die Politik Amerikas vor allem gegenüber dem Irak und auf dem Balkan zu sabotieren. Infolgedessen griffen die USA, nur unterstützt von Großbritannien, im Dezember 1998 den Irak erstmals ohne ein solches Mandat militärisch an. Noch bemühte sich damals die amerikanische Bourgeoisie um den Anschein der "Legalität", indem sie sich auf bisherige Resolutionen des Weltsicherheitsrates berief. Jetzt aber, gegenüber Jugoslawien, musste Washington auch diese Fassade fallenlassen. Da ein Mandat hierfür nicht zu haben war, - die diskret pro-serbischen Regierungen in London und Paris konnten sich hinter dem klaren Veto Russlands und Chinas verstecken - erhob Washington ein neues Prinzip zur Richtschnur der imperialistischen Weltpolitik: die der "humanitären Notlage".

Das "Völkerrecht" stellt nichts anderes dar als die Spielregeln beim rücksichtslosen Kampf der imperialistischen Gangster untereinander. Es ist bezeichnend für die neue Weltunordnung des zerfallenden Kapitalismus, dass ausgerechnet der Weltpolizist USA, der eigentlich dazu berufen ist - und als Einziger dazu in der Lage wäre - die Einhaltung dieser Spielregeln durchzusetzen, selbst gezwungen ist, sie über Bord zu werfen. Das Prinzip der humanitären Hilfe bedeutet, dass künftig allein die USA als mit Abstand stärkster Macht bestimmen wollen, wann und gegen wen Krieg geführt werden soll, ohne Rücksicht zu nehmen auf die "berechtigten Interessen" der "Freunde und Verbündeten". Der Krieg in Jugoslawien bedeutet, dass die USA bereit und imstande sind, jeden Herausforderer mit Tod und Verderben zu überziehen - nicht nur im Nahen Osten oder in Afrika, sondern in Europa selbst. Mit dem Jugoslawienkrieg hält der Krieg als Mittel der imperialistischen Konfliktregelung in Europa wieder Einzug. Die Bomben, die heute auf Belgrad niederprasseln, können und werden in Zukunft auch andere europäische Hauptstädte heimsuchen.

Dieser Krieg bedeutet eine weitere Zuspitzung des imperialistischen Jeder gegen Jeden, eine neue Stufe des weltweiten Chaos, eine Entwicklung, die selbst von den Großmächten immer weniger beherrscht wird.

Das Jeder gegen Jeden in Europa und die Untergrabung der Autorität der USA

Die Warnung der Weltmacht an ihre wichtigsten Herausforderer in Europa geht weit über das hinaus, was in den letzten Jahren am Persischen Golf geschah. Aber nicht hierin liegt der Hauptunterschied zum damaligen Golfkrieg, sondern in der Tatsache, dass es den USA selbst trotz immer brutalerer Militärschläge immer näher zum Zentrum des Systems hin immer weniger gelingt, ihren Führungsanspruch durchzusetzen.

Bereits die Notwendigkeit dieser erneuten Machtdemonstration heute beweist am besten das politische Scheitern des Golfkrieges von 1991. Zwar besitzen die USA mehr militärische Machtmittel als alle ihre Herausforderer zusammengenommen, trotzdem reichen diese Mittel nicht aus, um die einstigen Verbündeten Amerikas zum Gehorsamkeit zu zwingen, weil seit dem Zusammenbruch des Ostblocks 1989 der gemeinsame Gegner fehlt. Militärbündnisse werden nicht durch die Freundschaft der Verbündeten, sondern durch die Angst vor gegnerischen Bündnissen zusammengehalten. Wurde der Golfkrieg damals absichtlich von den Vereinigten Staaten angezettelt, um die übrige Welt zu disziplinieren, so folgte dem sehr bald ein Krieg in Europa, der gegen den Willen Amerikas von seinem Hauptherausforderer Deutschland angefacht wurde. Dies war der erste Jugoslawienkrieg, der durch die Anerkennung der Unabhängigkeit Sloweniens und Kroatiens von Seiten Deutschlands und Österreichs begünstigt wurde und zur Auflösung des Bundesstaates Jugoslawiens führte.

Es war kein Zufall, dass die Sprengung Jugoslawiens die erste unabhängige außenpolitische Handlung des gerade wiedervereinigten Deutschlands war. Es ist ebenso wenig ein Zufall, dass der erste Kriegseinsatz Deutschlands seit 1945 in Jugoslawien stattfindet. Bereits vor dem 1. Weltkrieg wurde der Balkan zum wichtigsten Aufmarschgebiet des deutschen Imperialismus, seinem Einfallstor zur Weltgeltung via Mittelmeer, Mittlerer Osten und Asien. Nach dem 1. Weltkrieg schmiedeten die Siegermächte von Versailles - Großbritannien und Frankreich - in Mittel- und Südosteuropa folgerichtig eine "Kleine Entente" gegen Deutschland, aus den neuen Staaten Polen, Tschechoslowakei und Jugoslawien bestehend. Jugoslawien, unter der Führung Serbiens wurde damals „gestiftet“, um Deutschland vom Mittelmeer und dem Donauraum abzuschneiden. Hitler-Deutschland wiederum jagte Jugoslawien schon am Anfang des 2.Weltkrieges auseinander, und setzte die kroatische Bourgeoisie als Statthalter ihrer Interessen in der Region ein. Die Niederlage Deutschlands im 2. Weltkrieg und die Teilung Europas entlang des "Eisernen Vorhangs" schnitt daraufhin die deutsche Bourgeoisie bis 1989 von ihrer traditionellen Südost-Expansionsroute ab - auch wenn sie nie darauf verzichtete, "besondere Verhältnisse" zu Jugoslawien und der Türkei zu pflegen, ganz bewusst ihre "Gastarbeiter" vornehmlich von dort bezog usw. Als der Bundesstaat Jugoslawien 1991 auseinanderbrach, und damit die Südostroute für Deutschland sich wieder öffnete, erklärte ein französischer Diplomat, sein Land habe damit nachträglich nicht nur den Zweiten, sondern auch noch den Ersten Weltkrieg verloren.

Was folgte, war eine entschlossene Reaktion der anderen europäischen Mächte, um Deutschlands Vormarsch Richtung Mittelmeer und Mittelasien aufzuhalten. In Bosnien, Slawonien und der Krajina griffen Großbritannien, Frankreich und Russland, zunehmend auch Italien für die Serben Partei gegen die Kroaten. Das Schlimmste - aus der Sicht Amerikas - war aber, dass diese blutigen Konflikte der europäischen Mächte in Kroatien und Bosnien ausbrachen, ohne dass irgend jemand von ihnen sich um die Meinung - geschweige denn die Erlaubnis - der Weltmacht geschert hätte. Um sich als Führungsmacht zu verteidigen, griffen die USA in die Kriegswirren auf dem Balkan ein und erzwangen mit dem Daytoner Abkommen zu Bosnien eine Art Pax Americana für das ehemalige Jugoslawien.

Mit dieser Pax Americana konnten die europäischen Herausforderer der USA nichts anfangen. Vor allem Deutschland konnte nicht akzeptieren, dass ein restjugoslawischer Staat unter serbischer Führung überleben sollte, der weiterhin dem wachsenden deutschen Einfluss entlang der Donau einen Riegel vorschieben würde. Das Anliegen Deutschlands wurde durch die Tatsache begünstigt, dass auch Restjugoslawien ein "Vielvölkerstaat" ist. Diskret aber wirkungsvoll begann Deutschland, von Österreich und der Schweiz unterstützt, die Kosovo-Albaner mittels der so genannten Befreiungsarmee UCK zur Loslösung von Belgrad zu verhelfen. London, Paris, Moskau und Rom hingegen ermunterten Serbien dazu, den albanischen Separatismus erbarmungslos niederzuwerfen. Man begreift somit die abgrundtiefe Heuchelei der "großen Demokratien", welche heute vorgeben, militärisch einzugreifen, um eine menschliche Katastrophe herbeizuführen, die sie selbst herbeigeführt haben. Man begreift ebenfalls, wie fadenscheinig die Einheit der jetzigen "Wertegemeinschaft" der NATO in Wirklichkeit ist.

Und nicht zuletzt war die Autorität der USA erneut, aber diesmal viel gravierender herausgefordert. Washington begriff, dass es hier nicht mehr allein um seine globale Führung ging, sondern um seine Stellung in der europäischen Politik, um seinen Platz im Herzen des Weltkapitalismus, im Zentrum der imperialistischen Spannungen in diesem Jahrhundert.

In Rambouillet bei Paris wollte Washington also der serbischen und kosovo-albanischen Bourgeoisie eine neue Pax Americana aufzwingen, und somit das Daytoner Abkommen absichern und seine Führungsrolle auf dem Balkan unterstreichen. Dieser Versuch misslang kläglich. Tatsächlich waren die Amerikaner als Einzige am Gelingen eines solchen Abkommens interessiert. Für Serbien war die Stationierung von NATO-Truppen auf seinem Territorium ebenso wenig hinnehmbar wie für die UCK das Verbleiben Kosovos im jugoslawischen Verbund. Die kosovo-albanische Seite leistete schließlich doch ihre Unterschrift aus ihrer Position der Schwäche heraus, vor allem aber weil sie (von Deutschland gut beraten) sicher sein konnte, dass Serbien ohnehin nicht unterschreiben, das Abkommen somit auch nicht rechtsgültig werden könnte. Damit wurden die USA unter Zugzwang gesetzt, die in der Weltöffentlichkeit sich weigernde serbische Seite "zur Raison" bringen zu bringen.

An diesem Punkt wird das ganze Ausmaß der Untergrabung der Position der USA seit dem Golfkrieg sichtbar. Der Golfkrieg war eine von vorn herein von den Vereinigten Staaten geplante und beherrschte Operation, wobei Saddam Hussein in eine amerikanische Falle hineingelockt wurde, indem man ihm vorher zu verstehen gab, nichts gegen eine irakische Annexion Kuwaits zu haben. Auch noch im vergangenen Dezember beim letzten größeren Angriff gegen den Irak brannten die Amerikaner förmlich darauf loszuschlagen. Jetzt hingegen, nach dem Scheitern von Rambouillet, wollten die USA ganz offensichtlich eine Militäraktion gegen Jugoslawien umgehen. Immer wieder ließ Washington Ultimaten verstreichen, immer wieder wurden der serbischen Regierung - die gar nicht darum bat - neue "Bedenkzeiten" eingeräumt.

Die gesamte Weltlage ließ der einzig verbleibenden Supermacht keine andere Wahl, als den Machtapparat des serbischen Staates in Grund und Boden zu bombardieren. Nichts Geringeres wird reichen, um die Autorität Amerikas angesichts des Ausmaßes der Anfechtungen zu untermauern. Aber es ist offensichtlich, dass eine solche Schwächung der serbischen Seite keineswegs im strategischen Interesse der Vereinigten Staaten liegt. Es droht damit das Auseinanderfallen Restjugoslawiens, wobei zunehmend nicht nur das Kosovo, sondern auch Montenegro abtrünnig wird. Es droht die Destabilisierung der gesamten Balkanhalbinsel. Bereits in den ersten Tagen des NATO-Angriffs gegen Jugoslawien brachen z.B. schwere Unruhen in Mazedonien aus, wo gewichtige serbische und albanische Minderheiten einander gegenüberstehen. Ein eventueller Zerfall Mazedonien wiederum würde den Kampf zwischen Serbien, Bulgarien und Griechenland um die Überreste dieses kaum überlebensfähigen Ministaates mächtig anheizen - mit kaum überschaubaren Folgen für die gesamte Region. Es droht die weitere Entfremdung Russlands gegenüber den USA, und damit die verstärkte Annäherung des zerfallenden Riesenreichs an Europa. Der Angriff gegen Jugoslawien löst eine Kettenreaktion aus, die die Führungsmacht selbst nicht mal überblicken, geschweige denn beherrschen kann. Dies ist auch der Sinn des Ausspruchs des kränkelnden russischen Präsidenten Jelzins, dass nach diesem Krieg Europa nicht mehr dasselbe sein wird.

Nicht zuletzt wird dieser Krieg die Konflikte innerhalb der NATO sichtbar werden und zuspitzen lassen. Nach der UNO wird die NATO selbst, das Hauptinstrument des amerikanischen Führungsanspruchs in Europa, zum zentralen Schlachtfeld des Gerangels unter den führenden "Demokratien". Allen Einigkeitsbeschwörungen zum Trotz zeigen sich diese Zwistigkeiten seit Beginn der Operation "Entschlossene Kraft". Der NATO-"Partner" Griechenland - ein traditioneller Verbündeter Serbiens und Großbritanniens - hat von Anfang an die Beteiligung seiner Streitkräfte an dieser Mission ausgeschlossen. Der ebenfalls Serbien-freundliche NATO-"Partner" Italien machte rasch deutlich, seine auch nur halbwegs aktive Teilnahme an Militäroperationen würde zum Sturz der Regierung in Rom führen. Auch die Streitkräfte des beispielsweise gegenüber dem Irak sonst so forschen Großbritannien, wie auch der in Afrika nicht weniger forschen französischen Militärs nehmen demonstrativ nur halbherzig an den Kampfhandlungen des Bündnisses teil.

Der Aufstieg Deutschlands schürt die Flammen des Krieges

Aber die aus Sicht des amerikanischen Imperialismus vielleicht gravierendste negative Folge des jetzigen Krieges ist die damit verbundene Verstärkung Deutschlands. Es ist auffallend, wie aktiv die deutsche Kriegsmaschinerie sich neben den Amerikanern am Krieg gegen Serbien beteiligt. Bereits bei der ersten Angriffswelle der NATO flogen deutsche Tornados in der ersten Reihe. Deutschland hat für die jetzige Operation mehr Flugzeuge zur Verfügung gestellt als beispielsweise England. Die ursprünglich für das Amselfeld vorgesehene, aus 12.000 Soldaten bestehende europäische "Friedenstruppe" der NATO, die heute z.T. in Mazedonien stationiert ist, besteht überwiegend aus je ca. 4.000 deutschen und britischen Bewaffneten.

Tatsächlich ergreift die deutsche Bourgeoisie heute besonders gern die Gelegenheit, um ausgerechnet ihren historischen Erbfeind Serbien zu bombardieren. Die USA können sich dieser Hilfe auch nicht erwehren. Washington ist jetzt sogar auf die Hilfe Deutschlands angewiesen, um politisch nicht allein dazustehen.

Indem es Jugoslawien militärisch schwächt, steigert Deutschland nicht nur sein imperialistisches Ansehen in der Welt. Im Gegensatz zu den USA fördert es damit zugleich seine strategischen Interessen in der Region. Durch diesen Krieg wird Deutschland erstmals seinem seit 1989 diskret ausgesprochenen Anspruch gerecht, die führende imperialistische Macht Europas zu sein.

Clinton und seine Berater wissen genau: ein Auseinanderfallen der Republik Jugoslawiens würde für Deutschland das Tor nach Südosten weit aufreißen. Dennoch haben die USA bislang kein Mittel gefunden, um diese Entwicklung wirkungsvoll einzudämmen. So haben die USA alles getan, um Deutschland und die Türkei - das Schüsselland der gesamten deutschen Südostpolitik - auseinanderzudividieren. So hat Washington Ankara immer wieder dazu aufgestachelt, eine nicht realisierbare EU-Mitgliedschaft einzufordern. Es hat zuerst mittels der Unterstützung der PKK, zuletzt durch seine Hilfe bei der Festnahme des PKK-Führers Öcalan versucht, die Kurdenfrage und damit die Bedrohung der staatlichen Einheit in den Mittelpunkt der türkischen Politik zu stellen, um Ankara von der Verfolgung gemeinsamer außenpolitischer Ziele mit Deutschland abzuhalten. Heute aber stehen Deutschland und die Türkei erstmals seit Jahrzehnten auf derselben Seite in einem Krieg, und zwar auf dem Balkan, wo beide Staaten wirklich gemeinsame Interessen haben. Es ist bedeutsam, dass mit Ausbruch des jetzigen Jugoslawienkrieges die deutsche Justiz in Köln einen gewissen Kaplan, (ein besonders berüchtigter "fundamentalistischer" türkischer Regimegegner) verhaften ließ.

Wir Marxisten verteidigen gerade heute das Prinzip der internationalen Arbeitersolidarität zwischen den Proletariern der kriegführenden Länder. Die Arbeiter Westeuropas und Nordamerikas und die Arbeiter des Balkans haben nur einen gemeinsamen Feind: den barbarischen niedergehenden Kapitalismus mit seinen blutrünstigen Vertretern von Clinton bis Milosevic, von Schröder bis Rugova.

In diesen finsteren Tagen der über die westeuropäische „Zivilisation“ hereinbrechenden anti-serbischen Kriegshetze rufen wir gerne die großartige internationalistische Haltung der proletarischen Revolutionäre Serbiens bzw. Jugoslawiens am Anfang dieses Jahrhunderts in Erinnerung. Als im August 1914 mit der Kriegserklärung Österreich-Ungarns an das „kleine“ Serbien der 1. Weltkrieg begann, lehnte die Mehrheit der sozialistischen Abgeordneten im Belgrader Parlament die Kriegskredite ab – eine Haltung, die Lenin zu Recht vorbildlich nannte. Am Ende dieses grausamen Krieges gründeten diese Internationalisten die Kommunistische Partei Jugoslawiens und traten der Kommunistischen Internationalen bei. Im Angesicht der nationalistischen Hysterie auf dem gesamten Balkan vertrat diese Partei kompromisslos die Zukunft der Menschheit – die kommunistische Weltrevolution. Dafür wurden sie der erbarmungslosesten Verfolgung durch den neugegründeten jugoslawischen Staat ausgesetzt, wobei die Belgrader Regierung die tatkräftigste Unterstützung durch die westlichen Demokratien dafür erhielt. Später wurden die besten Vertreter dieser Partei gerade deshalb von der stalinistischen Konterrevolution gejagt, weil sie eben diese internationalistischen Prinzipien hochhielten (siehe „Das russische Rätsel“ von Anton Ciliga).

Heute bietet allein dieses Prinzip der weltweiten Solidarität des internationalen Proletariats einen Ausweg aus der Barbarei des imperialistischen Krieges. In dieser Tradition steht heute unsere Organisation, wenn wir heute - in 13 Ländern auf drei Kontinenten gleichzeitig – ein internationalistisches Flugblatt gegen den Krieg in Jugoslawien verteilen. 26.3.99

Zweimal in diesem Jahrhundert war Europa das Hauptschlachtfeld imperialistischer Welt­kriege. Zweimal wurden die Arbeiter der Industriestaaten millionenfach dahingemordet. Zweimal gelang es der Bourgeoisie, die Pro­letarier aller Länder dazu zu bringen, einander blutig zu bekämpfen. Der imperialistische Krieg ist eine strenge Prüfung der Treue der revolutionären Kommu­nisten gegenüber der Arbeiterklasse. Hier wird von den Marxisten das Äußerste ver­langt: die unbeugsame Verteidigung des pro­letarischen Internationalismus angesichts des repressiven Armes des Militarismus und der hy­sterischen kapitalistischen Kriegspropaganda. Zahlreich sind die Arbeiterorganisation, klangvoll oft die Namen der Revolutionäre, welche im Kriegsfall ihre Klasse verraten ha­ben. Mit dem ersten Weltkrieg ging die Sozial­demokratie, mit dem zweiten Weltkrieg der Trotzkismus ins Lager des Kapitals über. Re­volutionäre Führer wie Plechanow und Kautsky schlossen ihren Frieden mit dem blutrün­stigen Imperialismus. Und dennoch gab es an­gesichts des Krieges mitunter auch die ruhm­reichsten Sternstunden des Marxismus. Die furchtlose Verteidigung der internationalen Ar­beitersolidarität durch Bebel und Wilhelm Liebknecht im Deutsch-Französischen Krieg 1870, durch Lenin und die Bolschewiki, durch Luxemburg, Karl Liebknecht und die Sparta­kisten im 1. Weltkrieg, durch kleine inter­nationalistische Gruppen in Italien, Holland und Frankreich im 2. Weltkrieg werden un­vergessen bleiben, solange es klassenbewusste Arbeiter gibt. Der jetzige Konflikt im ehemaligen Jugosla­wien ist die größte Herausforderung des pro­letarischen Internationalismus seit dem Zu­sammenbruch des Ostblocks vor 9 Jahren. Be­reits gegenüber dem Golfkrieg verteidigten die heute kleinen, aber entschlossenen marxistischen Gruppen den wirklichen Internationalismus. Nicht nur die IKS, auch die anderen Gruppen des revolutionären Milieus entlarvten die ka­pitalistische Linke, die Sozialdemokraten, Sta­linisten und Trotzkisten, welche scheinmarxi­stische Phrasen droschen, um die Arbeiter auf Seiten einer der beiden Kriegsparteien zu zie­hen (zumeist durch die "kritische" Unterstüt­zung des Irak). Gruppen wie Battaglia Comunista und die CWO, Programma Comunista oder Il Co­munista (Le Proletaire) haben, wie die IKS, auch gegenüber den Kriegen auf dem Balkan die internationalistische Haltung Lenins und Karl Liebknechts verteidigt.

Klar ist, dass die Frage des Krieges heute eine noch viel wichtigere Rolle spielen wird in der Entwicklung des Klassenbewusstseins als dies vor 1989 der Fall war. Da in der Zeit vor 1989 die Welt in zwei imperialistische Blöcken auf­geteilt war, die einander in Europa waffenstar­rend gegenüberstanden, konnte ein größerer Krieg in Europa nur eine Ost-West-Konfronta­tion, d.h. ein Weltkrieg sein. Da das Proleta­riat aber für einen solchen Weltkrieg nicht zur Verfügung stand, entwickelte sich der Arbeiter­kampf gegen die Krise stetig, aber in einem Kon­text, wo es keinen Krieg in Europa gab. Heute ist das anders. Zwischen den Nationalstaaten herrscht das Treiben des "jeder gegen jeden". Zwar steht damit zunächst kein Weltkrieg auf der Tagesordnung. Dafür werden aber größere lokale Konflikte wie jetzt auf dem Balkan wieder möglich.

Aus Weltrevolution Nr. 94, Juni/Juli 1999

Jugoslawien Klassenkampf gegen den Krieg 22.05.1999

Was ist der wirkliche Grund für die NATO-Bombardierungen, für den täglichen Bombenhagel auf Serbien, Montenegro und Kosovo? Was ist der wirkliche Grund für diesen Krieg, an dem zum ersten Mal seit dem Ende des 2. Weltkriegs die europäischen Großmächte militärisch auf dem Boden Europas beteiligt sind, und das nur eine Flugstunde von Frankfurt entfernt?

Man erzählt uns, dass diese schreckliche Barbarei eine „humanitäre“ Aktion sei, um die Bevölkerung im Kosovo zu verteidigen und gar zu retten.

Beim Golfkrieg war es das Gleiche: es wurde behauptet, dass die Großmächte massiv militärisch eingriffen, um der Bevölkerung zu helfen, die unter einer grausamen Diktatur zu leiden hat. Die Medien und die Politiker geben vor, empört zu sein über die Schrecken der von Milosevic angeordneten „ethnischen Säuberungen“. Sie behaupten, tief betroffen zu sein über die Entdeckung von neuen Massengräbern im Kosovo. Sie lassen Krokodilstränen fließen über die Hunderttausenden von Flüchtlingen, die vor den Massakern fliehen und wie Vieh in verdreckten Lagern eingepfercht werden, wo Frauen, Kinder und Alte auf Hilfe oder ein provisorisches Visum warten, und wobei sie jeden Tag mit Hunger, Kälte und Krankheiten kämpfen müssen.

Aber das „humanitäre“ Argument, das von den Regierungen und den Medien vorgebracht wird, ist nichts als eine ekelhafte Lüge.

In Wirklichkeit verfolgen die Großmächte mit ihrem militärischen Eingreifen im ehemaligen Jugoslawien nur ihre nackten imperialistischen Interessen. Hinter der Fassade der Einheit zwischen den Großmächten spielt jede nationale Bourgeoisie ihre eigene Karte, versucht jeder imperialistische Hai seine eigene Einflußsphäre zu verteidigen und die seiner Rivalen auf dem Balkan zu untergraben, eine Zone, die schon seit mehr als einem Jahrhundert ein strategisch wichtiger Zankapfel ist.

Für die Großmächte lautet die wirkliche Frage, welche imperialistische Macht das Rennen gewinnen und welche Macht es schaffen wird, das Protektorat Kosovo zu kontrollieren, welches aus der schlussendlichen Aufteilung dieses Gebietes hervorgeht; genau wie es 1996 darum ging, wer von ihnen den größten Nutzen aus der Aufteilung Bosniens ziehen würde.

Die Heuchelei und der Zynismus der Großmächte

Der wirkliche Grund für diesen Krieg liegt weder in dem Streben nach Frieden in Europa noch in der Verteidigung der Menschenrechte. Es geht auch nicht um den Versuch der Großmächte, dem Chaos Einhalt zu gebieten, wie es die bürgerliche Propaganda behauptet.

In Wirklichkeiten geben die „Demokratien“ einen Scheißdreck um das Schicksal der Bevölkerung im Kosovo. Die Massaker und das Schicksal der Flüchtlinge lässt sie kalt. Die abgrundtiefe Verachtung seitens der Demokratien gegenüber der Bevölkerung, die als Geisel genommen wird und Opfer des Krieges ist, zeigt sich allein schon anhand der Sprache der Medien, der Politiker und Militärs, welche von „Kollateralschäden“ und „Unfällen“ sprechen, wenn sie über Tausende von Opfern in der Zivilbevölkerung – sowohl unter der serbischen Bevölkerung wie unter den albanischen Flüchtlingen – sprechen, die jetzt schon auf das Konto der Nato-Bombardierungen gehen. Die Heuchelei über die „ethnischen Säuberungen“ ist nicht weniger abstoßend. Die amerikanische, englische und deutsche Regierung wie viele andere haben vorbehaltlos Regime unterstützt, die ähnliche Massaker in Indonesien gegen die Chinesen, in der Türkei gegen die Kurden durchgeführt haben. Jüngst erst stellte in Frankreich eine Untersuchungskommission in einem Bericht „Kein einziger Zeuge darf überleben“ fest, dass der Völkermord in Ruanda - von der Hutu-Regierung ausgeführt – lange vorher geplant und abgesprochen worden war mit der französischen Regierung.

Diese schändliche Doppelmoral trifft auch auf das Milosevic-Regime zu. Heute wird er als der „Teufel“ in Person und als „Diktator von Belgrad“ dargestellt, genauso wie seinerzeit Saddam Hussein als „der Schlächter von Bagdad“ galt. Aber 1991 haben die USA, Frankreich und Großbritannien alle Milosevic unterstützt, als es darum ging, dem deutschen Vorstoß in Kroatien entgegenzutreten. Und England und Frankreich haben ihn weiter gegen den wachsenden Einfluss der USA (die in der Zwischenzeit auf die Seite Bosniens übergewechselt waren) verdeckt unterstützt. Unterdessen wurden ethnische Säuberungen von allen dortigen nationalistischen Cliquen – (den serbischen, bosnischen, kroatischen und der Clique im Kosovo) betrieben, mit jeweiliger Unterstützung durch die eine oder andere Großmacht.

Eine ideologische Vergiftungskampagne gegen die Arbeiterklasse

Aber was soll man von der steigenden Zahl von Kritiken an der Art und Weise der Intervention halten, die von den Medien und den bürgerlichen Politikern formuliert werden? So wird behauptet, Milosevics Durchhaltevermögen sei unterschätzt worden, oder umgekehrt dass die NATO überschätzt habe, dass die Bomben Milosevic abschrecken könnten. Oder dass die Intervention zu spät begonnen habe, weil Serbien die ethnische Säuberung im Kosovo seit drei Monaten geplant hatte. Diese Argumente belegen nur, dass der Zynismus und die Heuchelei der Bourgeoisie grenzenlos sind. Denn die „humanitäre Notlage“ der Kosovo-Albaner war nicht nur vorhergesehen, sondern sie ist von den Großmächten selber herbeigeführt worden. Mehr als 2 Jahre wussten die Großmächte von der Unterdrückung der Kosovo-Albaner, und sie waren sich sehr wohl im Klaren, dass eine Bombardierung die Unterdrückung nur noch verschärfen würde. Es waren gerade die Schreckensbilder der Vertreibungen und der Gewaltanwendungen, worauf die Großmächte warteten, um eine Rechtfertigung für ihren Krieg präsentieren zu können (den Umfragen zufolge), wogegen die Bevölkerung anfänglich gegenüber den Bombardierungen zögerte. Mehr noch: diese „unvorhergesehenen Schwierigkeiten“ werden als Vorwand genutzt, um noch mehr Material und Kräfte für die Angriffe einzusetzen.

Und wenn die NATO solange mit einer militärischen Intervention gewartet hat, obwohl die Repression schon mehr als 2 Jahre dauerte, dann nicht deshalb, weil sie irgendwelche Skrupel hätte, einen Krieg auszulösen und Zerstörung zu bringen. Dies geschah nur, weil die meisten der „Alliierten“, insbesondere die USA, froh waren, dass sie Milosevic die Drecksarbeit überlassen konnten, den Aufstand im Kosovo niederzuschlagen, und damit den Bestrebungen ihres Rivalen Deutschland entgegentraten, da Deutschland am meisten an der Unabhängigkeit des Kosovos und dem Projekt eines Großalbanien interessiert ist. Diese gleiche Methode wurde schon im Golfkrieg angewandt, als die amerikanische Bourgeoisie zunächst die Schiiten und Kurden zur Rebellion im Irak antrieb, und sie nachher schutzlos der Repression durch Saddam Hussein überließ, da die USA alles andere als einen kurdischen Staat und keinen weiteren pro-iranischen Staat wollten.

Die ganze gegenwärtige Kampagne über die „Fehler“ und „Schwierigkeiten“ der NATO, über die „Unwirksamkeit ihrer Luftangriffe“ und ihre „Unfähigkeit“, Milosevic zum Nachgeben zu zwingen, verfolgt vor allem das Ziel, die öffentliche Meinung weich zu klopfen, die Bevölkerung der Industriezentren, und vor allem die Arbeiterklasse für eine neue Eskalation in diesem imperialistischen Konflikt vorzubereiten: kurzum für den Einsatz von Bodentruppen. Es stimmt zwar, dass diese vielen Fragen zur Nato die Bemühungen der europäischen Rivalen der USA zum Ausdruck bringen, die absolute Autorität des Weißen Hauses infragezustellen. Aber gleichzeitig müssen alle nationalen Bourgeoisien die Arbeiterklasse dazu bringen, die militärische Eskalation zu schlucken. Deshalb kündigen sie schon an, dass „dieser Krieg lang und blutig“ sein wird, und sie blähen künstlich die erforderliche Zahl von Soldaten für die Bodentruppen auf, so dass ein Gefühl der Erleichterung aufkommt, wenn die tatsächlich notwendigen Zahlen verkündet werden. Die Bourgeoisie muss sich so stark bemühen, den Boden zu bereiten, weil sie weiß, dass die einzige Hürde für die Beschleunigung ihres Strebens hin zum Krieg die Arbeiterklasse der Industriezentren ist.

Die Arbeiterklasse wird bald mit der Tatsache konfrontiert werden, dass mit dem Einsatz von Bodentruppen Tausende von Arbeiterkindern in den Kämpfen getötet werden. Genauso wird vor allem die Arbeiterklasse die astronomische Rechnung für den Krieg zu bezahlen haben. Wenn man berücksichtigt, dass die Kosten des Krieges pro Tag alleine auf 200 Mio. $ geschätzt werden (von denen allein die Hälfte die USA tragen), wissen wir wie viele neue „Opfer“ die Bourgeoisie verlangen wird, und in welchem Maße die Erhöhung der Militärausgaben eine Kürzung der Sozialausgaben mit sich bringen wird.

Auch wenn bislang Informationen zurückgehalten oder entstellt werden über stattgefundene Proteste gegen die Kriegsmaschinerie Milosevics in Serbien, so zeigen die Mitte Mai bekannt gewordenen Proteste in verschiedenen Städten Serbiens, dass auch die serbische Arbeiterklasse keineswegs in „nationaler Eintracht“ hinter dem Klassenfeind Milosevic steht, sondern anfängt, ihre Unzufriedenheit auszudrücken. Fest steht jetzt schon: diese Bewegung kann nur eine wirkliche Perspektive erhalten, wenn die Arbeiterklasse in den Industriezentren Westeuropas und in den USA den Druck auf die Kapitalistenklasse mächtig erhöht.

Die Arbeiterklasse ist nicht einfach Opfer des Krieges. Sie ist die einzige internationalistische Klasse in der Gesellschaft. Sie ist die einzige Kraft, die durch einen rücksichtslosen Abwehrkampf gegen die verschärften Angriffe des Kapitals auf seine Lebensbedingungen das weitere Abgleiten in die militärische Barbarei verhindern kann. Sie ist als einzige Klasse dazu in der Lage, dieses todbringende System zu zerstören und die Tür aufzustoßen für eine menschliche Gesellschaft. 22.5.99

Rot/Grün: Speerspitze des deutschen Militarismus 20. 05.1999

Als der deutsche Imperialismus das letzte Mal vor mehr als einem halben Jahrhundert seine Streitkräfte in den offenen Krieg schickte, hieß die verantwortliche Regierungspartei NSDAP, der Regierungschef Adolf Hitler. 54 Jahre danach führt der deutsche Imperialismus unter einer Koalitionsregierung von SPD und Bündnis 90/Die Grünen mit einem Kanzler Schröder wieder Krieg in Europa.

1933 kam die NSDAP inmitten der Weltwirtschaftskrise an die Regierung, weil diese Partei damals am besten geeignet war, um im Interesse des deutschen Kapitals Krieg zu führen.

1998 gewannen Rot-Grün inmitten der Weltwirtschaftskrise die Bundestagswahlen nicht zuletzt, weil diese Parteien am besten geeignet sind, um im Interesse des deutschen Kapitals Krieg zu führen.

1933 - 15 Jahre nachdem die internationale proletarische Erhebung 1917-18 den 1. Weltkrieg beendet hatte - war die Widerstandskraft der Arbeiterklasse gebrochen. Der Weg zum erneuten Weltkrieg lag somit offen. Weil seine Lage von allen Großmächten am verzweifelsten war, musste Deutschland den 2. Weltkrieg beginnen und diesen Krieg mit unerbittlicher Härte gegenüber der Übermacht seiner Rivalen führen. Dafür war die NSDAP Hitlers die geeignete Partei. 1999 ist - 10 Jahre nach dem Ende des Kalten Krieges - der imperialistische Krieg in Europa wieder unvermeidbar geworden. Das wiedervereinigte Deutschland will wieder die imperialistische Führungsmacht Europas werden und fordert somit seine europäischen Rivalen genauso wie die Weltmacht USA heraus. Der Balkan ist ein entscheidender Schauplatz dieses Kampfes.

Aber 1999 ist die internationale Arbeiterklasse noch nicht geschlagen. Der Weg zum Weltkrieg steht nicht offen. Außerdem, Deutschland

besitzt noch lange nicht die notwendigen Machtmittel, um seine Hauptrivalen, um vor allem die USA offen und militärisch herauszufordern: weder die entsprechenden Waffensysteme noch das erforderliche Bündnissystem eines imperialistischen Blockes. Andererseits aber befindet sich Deutschland gegenüber seinen Rivalen auch nicht in der verzweifelten Lage von 1933.

Weil die Arbeiterklasse nicht geschlagen ist, weil "lokale" Kriege und nicht der Weltkrieg anstehen, können und müssen die imperialistischen Kriege von heute als "humanitäre Missionen" verkauft werden. Alle westlichen Großmächte führen heute nur noch Krieg im Namen der "Demokratie" und der "Menschenrechte". Das ist einer der Gründe, weshalb fast alle am Jugoslawien-Krieg beteiligten NATO-Staaten von linken Regierungen in den Krieg geführt werden. Die"Linken", die "humanistischen" und "pazifistischen" Heuchler, welche die "Freunde des kleinen Mannes" sein wollen, sind am besten geeignet, um die imperialistische Barbarei auf diese Weise zu verkaufen.

Aber in keinem Land der Welt ist eine linke Regierung für die kapitalistische Kriegsführung so wichtig wie heute in Deutschland. Nach Jahrzehnten der unfreiwilligen Abwesenheit von den blutigen Schlachtfeldern dieser Welt muss Deutschland heute dort anknüpfen, wo es in zwei Weltkriegen aufgehört hatte. Z.B. auf dem Balkan, wo heute die deutsche Luftwaffe - nicht mehr unter Göring, sondern unter Scharping - Belgrad bombardieren lässt. Für die deutsche Bourgeoisie, die Bourgeoisie von Auschwitz ist das ein Problem - nicht nur im Hinblick auf die Arbeiterklasse, die heute nicht für den generalisierten Krieg mobilisiert ist. Die imperialistischen Rivalen Deutschlands benutzen die Erinnerung an die Rolle Deutschlands in den Weltkriegen, um die Rolle Deutschlands in den Kriegen von heute einzuengen.

In dieser Hinsicht besitzt die Rot-Grüne Kriegsregierung heute eine politische Bedeutung für das deutsche Kapital, die weit über den jetzigen Balkankonflikt hinausragt. Rot-Grün ist derzeit die unverzichtbare politische Waffe des deutschen Kapitals, um die Behinderungen seiner Kriegsziele, welche von der Vergangenheit herrühren, möglichst abzuschütteln. Indem rechtzeitig zum ersten heißen Kriegseinsatz eine Regierung aus Sozialdemokraten und Pazifisten eingesetzt wurde, soll ein radikaler Bruch mit der militaristischen Vergangenheit des deutschen Imperialismus suggeriert und eine andere, demokratische und antifaschistische, - dazu noch zutiefst nationale Kriegsideologie - geschmiedet werden. Dazu eignet sich prächtig die blutrünstige Sozialdemokratie, welche bereits im 1. Weltkrieg entscheidend dazu beitrug, die Arbeiterklasse für die Schlachtbank zu mobilisieren. Dazu eignen sich nicht weniger die Friedensbewegten von den Grünen mit ihrer "Basisdemokratie" und ihrem "Pazifismus“, um den Krieg als einen „gerechten“ zu rechtfertigen.

Gegenwärtig wird von den verschiedenen Medien und Propagandaministerien so getan, als ob die neue Bundesregierung von den krie­gerischen Zuspitzungen überrascht wäre, als ob die Regierungsparteien nur ungern, zähneknir­schend ihren Kriegspflichten aus „Bündnistreue“ nachkämen. In Wahrheit ist Rot-Gün derzeit nicht weniger unentbehrlich für den Kriegskurs des Vaterlandes als damals Hitler und die NSDAP. Die Bedeutung der neuen Regierung fand dennoch ihre Würdigung in einem Editorial der Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 07.05.99. Die Linken an der Regierung sollen dafür bürgen, dass heute die deutsche Bourgeoisie, die Bourgeoisie von Auschwitz auf der "richtigen Seite" steht. "Der Kosovo-Krieg markiert nicht nur das Ende einer linken Protest- und Widerstandskultur, sondern er ist auch deren Fortsetzung mit anderen Mitteln.(...) 1968 holte man den Widerstand gegen den "Faschismus", den die Väter versäumt hatten, mit Demonstrationen, Sit-ins und Happenings nach. Heute blickt man, so sagt es der Verteidigungsminister, im Kosovo in die böse Fratze der deutschen Vergangenheit und bekämpft einen blutigen ethnischen Nationalismus kriegerisch im Verein mit dem mächtigsten Militärbündnis der Welt. Die jugoslawische Armee erscheint als Wiedergängerin der Wehrmacht (..) Der erste Kriegseinsatz der Bundeswehr zertrümmert deren Traditionszusammenhang mit der Wehrmacht wirkungsvoller als der radikalste Traditionserlass tun könnte, den ein sozialdemokratischer Verteidigungsminister sich ausdenkt. So erlebt der "Antifaschismus", der als Ideologie totalitärer Diktaturen und antidemokratischer Parteien eine erbärmliche Lüge war, in neuer Form einen unverhofften Frühling."

Die wahren Kriegsgründe 23.04.1999

“Dieser neue Krieg, der jetzt im ehemaligen Jugoslawien mit den NATO-Bombardierungen Serbiens, Kosovos und Montenegros ausgelöst wurde, stellt auf der imperialistischen Bühne das wichtigste Ereignis seit dem Zusammenbruch des Ostblocks Ende der 80er Jahre dar. Die Gründe dafür sind:

- Dieser Krieg findet im Gegensatz zum Golfkrieg 1991 nicht in einem Land der Peripherie sondern in Europa statt.

- Zum ersten Mal seit dem 2. Weltkrieg wird ein Land in Europa - und insbesondere die Hauptstadt - massiv bombardiert.

- Zum ersten Mal greift das Land, das der Hauptverlierer des 2. Weltkriegs war, Deutschland, militärisch direkt in die Kampfhandlungen ein.

Dieser Krieg stellt einen weiteren, schwerwiegenden Schritt im Destabilisierungprozess Europas dar, mit gewaltigen Auswirkungen auf die Zuspitzung des weltweiten Chaos.”

(Resolution zur internationalen Situation, 13. Kongress der IKS, April 1999, Punkt 1)

Die imperialistischen Rivalitäten unter den Großmächten sind für den jetzigen Krieg verantwortlich

“Einer der Aspekte, der am meisten die große Tragweite des jetzigen Krieges verdeutlicht, ist gerade die Tatsache, dass er im Zentrum des Balkans stattfindet, der seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts als das Pulverfass Europas bezeichnet wird (...)

Deshalb zeigte die sehr offensive Haltung Deutschlands gegenüber dem Balkan unmittelbar nach dem Zusammenbruch des Ostblocks (...), dass diese Region erneut zu einem Hauptkonfliktfeld der Zusammenstöße zwischen den imperialistischen Mächten in Europa geworden war.

Heute belegt ein weiterer Faktor den Ernst der Lage. Im Gegensatz zum Ersten oder gar zum Zweiten Weltkrieg behaupten die USA ihre militärische Präsenz in diesem Teil der Welt. Die größte Macht der Welt konnte sich von einer der Hauptbühnen der imperialistischen Zusammenstöße in Europa und im Mittelmeer nicht fernhalten, womit sie ihre Entschlossenheit zum Ausdruck brachte, in allen entscheidenden Gebieten präsent zu sein, wo die unterschiedlichen imperialistischen Interessen aufeinanderprallen.”(ebenda, Punkt 2)

Zu einem Zeitpunkt, wo der 50. Jahrestag der NATO-Gründung gefeiert wurde, die NATO-Luftangriffe gegen den als Nr. 1 deklarierten Hauptfeind Milosevic nun schon mehrere Wochen dauern, und die Alliierten eine weitere Intensivierung der Angriffe angekündigt haben, mit dem eventuellen Einsatz von Bodentruppen, - der – falls er stattfindet – sehr lange dauern und viele Toten auf beiden Seiten hinterlassen wird, treten alle Widersprüche und imperialistischen Spannungen unter den “Verbündeten” wieder ans Tageslicht. Die Fassadeneinheit um die Operation “Entschlossene Kraft” ist dabei zu bröckeln und wird langfristig auseinander brechen. Denn eines der neuen Merkmale dieses Krieges besteht darin, dass “die gegenwärtige Form des Krieges (alle NATO-Länder gegen Serbien) nicht die wirklichen Interessensgegensätze, die zwischen den verschiedenen Kriegsteilnehmern bestehen, widerspiegelt.” (ebenda, Punkt 3)

Dieser Krieg verdeutlicht die Rivalitäten und die Spannungen zwischen den imperialistischen Gangstern, die sich um die Überreste des im Zerfall begriffenen ehemaligen Jugoslawien streiten.

Das wiedervereinigte Deutschland, das seinen neuen Platz in der imperialistischen Hackordnung in Europa gemäß seiner Wirtschaftskraft einnehmen wollte, hat 1991 das Feuer an die Lunte auf dem Balkan gelegt, als es damals seine Bauern im Schachspiel – Slowenien und Kroatien – dazu drängte, ihre Unabhängigkeit zu erklären, womit Deutschland einen strategisch wichtigen Zugang zum Mittelmeer und eine Öffnung hin zum Nahen Osten erhielt. Alle seine Hauptrivalen (USA, Großbritannien, Frankreich, Russland) sind gegen diese Bestrebungen Deutschlands angetreten, indem sie den “schrecklichen Diktator” Milosevic materiell und militärisch im mörderischen Krieg gegen Kroatien unterstützt haben. Am Ende dieser Konfrontation 1992 musste Kroatien hinnehmen, dass fast ein Drittel seines Territoriums von der serbischen Armee und Milizen kontrolliert wurde.

1993 leitete der Ausbruch des Bosnien-Konfliktes eine neue, noch blutigere Etappe in der Auseinandersetzung unter den Rivalen ein. Die imperialistischen Ambitionen wurden durch die Anwesenheit von drei ethnischen Gruppen verschärft, welche gegeneinander aufgestachelt wurden: die Kroaten, die immer von Deutschland unterstützt wurden, die Serben, die von Russland, Frankreich und Großbritannien unterstützt wurden, die Bosnier, die offen von den USA verteidigt wurden (welche sich von 1992 an für die Unabhängigkeit Bosniens ausgesprochen haben). Diese Lage hat die Tendenz des “jeder für sich” gefördert, die den unterschiedlichen imperialistischen Interessen der anwesenden Rivalen entsprach. Insbesondere haben die Initiativen der “zweitrangigen” Staaten wie Frankreich und Großbritannien (Großbritannien bestätigte damals den Bruch seiner historischen Allianz mit den USA), die ihre Präsenz in der Region verteidigen wollen, am stärksten mit zur Eskalation des Konfliktes beigetragen. Die direkte Besatzung des Terrains durch britische und französische Truppen zunächst in UN-Uniformen, dann unter jeweils eigener Nationalfahne durch die ‚Schnellen Eingreiftruppen‘ war sehr stark mit ausschlagend, um die US-Bestrebungen zu vereiteln, mit Hilfe ihrer bosnischen Verbündeten vor Ort fest Fuß zu fassen. Ihre Vorgehensweise, die Aktionen der Bosnier zu behindern oder zu lähmen und der Offensive der serbischen Armee Rückendeckung zu geben, hat die amerikanische Bourgeoisie dazu gezwungen, einerseits direkt in den Konflikt einzugreifen, unter dem Deckmantel der “Hilflosigkeit der Europäer, den Frieden herzustellen”, andererseits haben die USA sich vorübergehend mit Deutschland in einer “kroatisch-moslemischen Föderation” zusammengeschlossen. Die USA haben schließlich ihre Gegenoffensive durch Gewaltanwendung durchgesetzt, indem sie 1995 in Bosnien für den Abzug der UNO-Truppen durch die ersten Bombardierungen Bosniens durch die NATO sorgten.

Den USA gelang es auf Kosten der Zerstückelung des Territoriums, die Lage in Bosnien zu stabilisieren, indem sie direkt mit Milosevic verhandelten und das zerbrechliche Daytoner Abkommen von 1996 durchsetzten. Aber der seinerzeit von den USA mit dem Zustandekommen dieses Abkommens erzielte Sieg war kein endgültiger Sieg in diesem Teil der Welt. Genauso wenig konnte damit die allgemeine Tendenz der Abschwächung ihrer Vorherrschaft in der Welt aufgehalten werden.

Die gleichen Widersprüche, die vorher schon den Zusammenprall unter den Großmächten bewirkten, insbesondere unter den Ländern der “Kontaktgruppe” (Deutschland, USA, Frankreich, Großbritannien, Italien, Russland), die angeblich im ehemaligen Jugoslawien den “Frieden sicherstellen” sollen, und die schon in verschiedenen Eigenschaften mit vielen Truppen militärisch präsent sind, sind direkt für die Eskalation des Kosovo-Konfliktes verantwortlich. Das Scheitern der Konferenzen von Rambouillet und Paris ist nicht nur zurückzuführen auf die “Unnachgiebigkeit Milosevics” und dessen Weigerung, dem Kosovo einen Autonomiestatus zu verleihen. Der “Diktator von Belgrad” hat übrigens genauso wie seinerzeit Saddam Hussein die unterschiedlichen Interessen zwischen seinen Gegnern geschickt ausgenutzt.

Die Flucht nach vorne in den Krieg und wachsende Schwierigkeiten für alle Beteiligten

Deutschland hat erneut die UCK zur Rebellion getrieben. Die USA haben mit den Bombardierungen losgeschlagen, um ihre Autorität als Weltpolizist zu verteidigen, obgleich sie das militärische Eingreifen monatelang hinausgezögert hatten, in der Hoffnung, mit Milosevic handeln zu können, nachdem man diesen zuvor die Kosovo-Rebellen hatte niederschlagen lassen. Gegenüber Deutschland war die amerikanische Bourgeoisie nämlich überhaupt nicht daran interessiert, dass ein unabhängiges Kosovo geschaffen würde. Die militärische Karte der USA, so wie sie heute von diesen gespielt wird, ist auf das Scheitern der diplomatischen Option (mit der militärischen Erpressung) zurückzuführen, wie es die Mission des amerikanischen Sondergesandten Holbrooke bei Milosevic verdeutlichte, die als diplomatischer Versuch “im letzten Augenblick” wenige Tage vor der Auslösung der militärischen Angriffe durch die NATO gestartet worden war.

Ein Monat nach Beginn der Bombardierungen durch die NATO hat diese Flucht nach vorne in den Militarismus eine ganze Reihe von wachsenden Schwierigkeiten für die am Konflikt beteiligten Großmächte mit sich gebracht.

Für Russland bedeutet die Intervention der NATO gegen Serbien, seinen traditionellen Verbündeten, eine wahre Provokation, die es nur noch mehr destabilisieren kann. Die von Russland immer wieder geäußerten “Drohungen” können kaum seine Hilflosigkeit übertünchen. Sein Wunsch, Serbien zu Hilfe zu eilen, wird durch die völlige wirtschaftliche und finanzielle Abhängigkeit des ehemaligen Blockführers von den westlichen “Zahlungen” vereitelt. Insbesondere reichte es aus, dass der IWF damit drohte, den Geldhahn zuzudrehen, um es zur “Vernunft” zu bringen. Russland ist heute dazu verdammt, eine rein diplomatische Rolle zu spielen; es musste sich gar entwürdigen lassen und als Emissär für die Forderungen der NATO (das Bündnis, das 40 Jahre lang zur Aufgabe hatte, den russischen Imperialismus zu bekämpfen) gegenüber seinem serbischen Verbündeten auftreten. Die Lähmung der Autorität Moskaus kann die vielen Republiken der russischen Föderation nur dazu verleiten, die Zentralregierung in Moskau herauszufordern.

Sicher hat Deutschland am Anfang des Konfliktes einen bedeutenden Punktgewinn erzielen können, nachdem ihm die NATO einen Deckmantel bot und es ihm ermöglichte, das implizite Verbot zu umgehen, das seit seiner Niederlage im 2. Weltkrieg bestanden hatte, außerhalb seiner Grenzen militärisch einzugreifen.

Weil die gegenwärtige Operation gegen Serbien, Erzfeind Deutschlands und Sperrriegel für dessen Vorrücken auf dem Balkan Richtung Naher Osten, gerichtet ist, dient diese den Interessen des deutschen Imperialismus, vor allem, wenn sie durch die Abtrennung des Kosovos zur Zerstückelung der jugoslawischen Föderation und Serbiens selber führen sollte.

Jedoch sind die USA nun gegenüber Deutschland in ein direktes Konkurrenzverhältnis bei der Unterstützung der UCK getreten. Die USA haben es nämlich geschafft, große Teile der Rebellen auf “ihre Seite zu ziehen”, indem sie ihnen hochmoderne Waffen und eine militärische Schnellausbildung gewährt haben.

Die in Vorbereitung befindliche Bodenoperation dient darüber hinaus nicht den imperialistischen Interessen der deutschen Bourgeoisie, denn sie läuft Gefahr, dass die anderen Mächten ihr zuvorkommen, da Deutschland für die Entsendung von Bodentruppen nicht gut vorbereitet ist (auch nicht, was das ideologische Weich klopfen der Bevölkerung angeht). Daraus entsteht für Deutschland ein Nachteil.

Aus der Sicht Großbritanniens und Frankreich hätte eine Nichtbeteiligung an der Operation “Entschlossene Kraft” geheißen, dass sie von Anfang an aus einer so strategisch wichtigen Region herausgeschmissen worden wären. Die Rolle, die sie bei einer diplomatischen Lösung der Jugoslawienkrise spielen könnten, hing vom Umfang ihrer Beteiligung an den militärischen Operationen ab. Aber der Widerspruch zwischen ihrem traditionellen Bündnis mit Serbien und dem gegenwärtigen kriegerischen Eingreifen, zu dem sie gezwungen wurden, untergräbt ihre Glaubwürdigkeit als Großmächte und ihre Fähigkeit, als zuverlässige Verbündete zu handeln, sehr stark. Diese beiden Gangster, die noch durch gemeinsame Interessen miteinander verbunden sind, haben keine andere Wahl als die Karte des Einsatzes von Bodentruppen voll auszuspielen, da sie nur so die Gelegenheit ergreifen können, vor Ort in irgendeiner Form präsent zu sein, und da sie nur so ihre Hauptrivalen, die USA und Deutschland, schädigen können.

Was die USA angeht, so wird deren Vorherrschaft und ihr Anspruch, weiterhin weltweit die Gendarmenrolle zu spielen, gar auf der Ebene untergraben, wo sie bislang ihre erdrückende Überlegenheit einsetzen konnten: auf militärischer Ebene. So bedeuten die zahlreichen Kritiken der letzten Zeit, vor allem von Seiten Großbritanniens und Frankreichs an der Durchführung der militärischen Operationen durch die NATO und der Vorschlag einer Machtverlagerung hin zur UNO oder gar zur OSZE (das noch in den Kinderschuhen steckende Projekt einer gemeinsamen europäischen Verteidigung, die bislang unter strenger NATO-Kontrolle stand) implizit eine Infragestellung der Führung und der ausschließlichen Kontrolle dieser Operationen durch die USA. Um ihr Image als Weltpolizist und ihre Rolle als erste Großmacht der Welt zu verteidigen, sind die USA gezwungen, ihre militärische Karte bis zum Ende auszuspielen, ungeachtet der großen Risiken, in dem Krieg zu versinken. Nachdem sie mehr als einen Monat lang wiederholt hatten, dass sie keine Bodentruppen schicken würden oder dass sie dagegen wären, müssen sie heute ihre früheren Aussagen widerrufen und unter dem Druck von Frankreich und Großbritannien das Szenario ins Auge fassen, gegenüber dem sie am meisten gezögert haben: die Vorbereitung des Einsatzes von Bodentruppen. Dieses Schwanken und die mangelnde Kontrolle hebt sich besonders stark von der Lage im Golfkrieg 1991 ab; damals lag das Szenario, das die USA erstellt hatten, von der ersten bis zur letzten Zeile von vorne herein fest.

Der Krieg, der jetzt ausgelöst wurde, birgt darüber hinaus die Gefahr in sich, ernsthafte Spannungen in den Reihen der Bourgeoisie verschiedener europäischer Staaten hervorzurufen.

Innerhalb der französischen Bourgeoisie hat der Krieg Risse innerhalb der meisten Parteien hervorgerufen, insbesondere innerhalb des RPR, deren Präsident mit einem großen Paukenschlag zurücktrat. Dies ist direkt auf den Widerspruch zwischen der traditionellen Bindung an Serbien und der Beteiligung an den NATO-Schlägen zurückzuführen. Dieser gleiche Spalt ist ebenso innerhalb der britischen Bourgeoisie zu erkennen; dort verwerfen einige konservative Fraktionen die Infragestellung des historischen Bündnisses mit Serbien. Die “pazifistische” Bewegung und die gegen die NATO gerichteten Stellungnahmen sind auf das größte Echo innerhalb der italienischen Bourgeoisie gestoßen, in deren Reihen ein Teil dazu neigt, die Stellung Italiens innerhalb der NATO-Struktur infragezustellen, da Italien wegen seiner geographischen Nähe zum Kriegsschauplatz besonders unter den Nebenwirkungen des Krieges leidet. Dies kann die Risse innerhalb dieser Bourgeoisie nur noch vergrößern und die Anhänger einer pro- oder anti-amerikanischen Orientierung nur noch mehr polarisieren.

Europa versinkt im kriegerischen Chaos

Diese unausweichliche Flucht in den Krieg kann nur zu einer noch größeren Zuspitzung des Chaos auf der Welt führen. Und ein Einsatz von Bodentruppen mit jeweils unterschiedlichen Interessen der beteiligten Konkurrenten wird ebenso die Dynamik des “jeder für sich” beschleunigen.

Hinsichtlich zukünftiger Verhandlungen mit Milosevic gibt es schon verschiedene Pläne zur Aufteilung des Kosovos; ein Plan wurde von den USA erstellt, ein anderer von Frankreich ausgebrütet, ein dritter schließlich stammt aus Deutschland. Ein Einsatz von Bodentruppen wird schließlich den gesamten Balkan weiter destabilisieren. Alle Bedingungen sind vorhanden, damit der imperialistische Beutezug im Kosovo zu einer Beschleunigung des Chaos führt. Der wichtigste Teil des Balkans, Serbien, steht vor der Gefahr, auseinander gerissen zu werden, während die Möglichkeit der Auflösung der Überreste des ehemaligen Jugoslawien (Serbien und Montenegro) in greifbare Nähe rückt.

Die Zunahme von NATO-feindlichen Demonstrationen in Mazedonien, wo viele westliche Truppen stationiert sind (und wo die Bevölkerung schon französische Truppen angegriffen hat) weist auf die Gefahr hin, dass diese Region ihrerseits wiederum von diesem Feuer erfasst wird und im Chaos versinkt. Darüber hinaus aber würden neben diesem Land, dessen Bevölkerung hauptsächlich aus Griechen und einer großen Minderheit bulgarischen Ursprungs zusammengesetzt ist, Bulgarien und Griechenland direkt in die Kriegsspirale mit hineingezogen. Mit der möglichen Beteiligung der Türkei, die dazu versucht sein könnte, ihre alten Streitigkeiten mit ihrem Erzfeind Griechenland zu regeln, beinhaltet die gegenwärtige Krise die Gefahr, einen wahren Flächenbrand in der ganzen Balkanregion und einem beträchtlichen Teil des Mittelmeers auszulösen. Jetzt schon hat der Krieg den Schiffsverkehr auf der Donau lahm gelegt, womit die Wirtschaft Bulgariens und Rumäniens in Mitleidenschaft gezogen wird und Gefahr läuft zu ersticken. Aber die Spirale des Chaos und das Ausufern des Krieges - immer weniger kontrolliert und immer mehr Nahrung erhaltend durch die Auseinandersetzungen zwischen den großen westlichen “Demokratien” - werden nicht nur die Balkanstaaten erfassen, sondern eine tief greifende Destabilisierung des europäischen Kontinentes mit sich bringen.

CY 23.04.99

Die Extreme Linke – nationalistische Kriegstreiber 20.05.1999

Im Krieg muss jede politische Gruppierung Farbe bekennen. In dieser Ausgabe von Weltrevolution haben wir über die entschlossene und unzweideutige internationalistische Position der Gruppen der Kommunistischen Linken berichtet. Im Gegensatz dazu stehen die Positionen der Gruppen der extremen kapitalistischen Linken, die sich mit dem Namen ‚revolutionär‘ schmücken, in Wirklichkeit aber verdeckte Kriegstreiber sind.

Diese linkskapitalistischen Gruppen decken ein ganzes Spektrum ab. Eine Gruppierung beispielsweise kritisiert eher die Nato und die Großmachtpolitik der USA ein. So brandmarkt die trotzkistische Gruppe Linksruck die Rolle der USA, die keinen „Widerspruch gegen die US-Weltherrschaft dulden werden, egal ob von großen oder kleinen Staaten... Die USA versuchen aber, die Nato-Staaten wieder auf Linie zu bringen, indem sie klarmachen, daß sie die einzigen sind, die als Weltpolizist agieren können.“ (Linksruck, Mai 99) Diese Gruppe, die vor den Wahlen noch frenetisch auf Stimmenfang für die kapitalistische SPD ging, hält sich bezeichnenderweise sehr zurück, wenn es darum geht, die kriegstreibende und destabilisierende Rolle Deutschlands bloßzustellen. Eine andere trotzkistische Gruppe, „Voran“, tritt wiederum vehement für ein „unabhängiges, sozialistisches Kosovo ein“. Im Kosovo unterstützen wir die Separation, die Bildung eines unabhängigen Staates.“ (Voran, Mai 99) Dass die Bildung eines angeblich „unabhängigen“ Kosovo den Interessen des deutschen Imperialismus dient, der gerade auf eine Zerstückelung Restjugoslawiens abzielt, stört diese Leute nicht im Geringsten, sondern weist sie als treue Vasallen des deutschen Kapitals aus.

Im Gegensatz zu diesen Gruppierungen, die die Stoßrichtung der deutschen Regierungspolitik „kritisch“ unterstützen, stellt ein anderer Flügel dieser linkskapitalistischen Gruppen dagegen vor allem die deutschen imperialistischen Ambitionen an den Pranger. Mit dem Spruch Liebknechts aus dem 1. Weltkrieg auftretend, „der Hauptfeind steht im eigenen Land“, wollen sie sich als konsequente Internationalisten präsentieren. Aber sind sie wirklich entschlossene Kriegsgegner?

Auf einer Diskussionsveranstaltung in Köln zeigten z.B. eine Vertreterin der Ökologischen Linken, Jutta Dittfurth und der stalinistische Publizist Stefan Eggerdinger, wie viel Blut an den Fingern des deutschen Imperialismus klebt. Insbesondere betonten sie, wie die Zersetzung Jugoslawiens durch Deutschland systematisch vorangetrieben wurde und welche kriegstreibenden Wirkungen dies hatte. Aber während diese Leute sich alle Mühe geben, die „Schandtaten“ des deutschen Imperialismus anzuprangern, verlieren sie kaum ein Wort über die andere Kriegsseite – über Serbien, sowie über die anderen Rivalen Deutschlands in der Nato. Diese Argumentation läuft darauf hinaus, nicht das kapitalistische System insgesamt, sondern allein Deutschland als Ursache des Krieges hinzustellen.

Während die USA durch die Auslösung des jetzigen Krieges um ihre globale Vorherrschaft auf der Welt kämpfen, und sie bereit sind, dafür grenzenlose Zerstörung anzurichten, raufen sich die europäischen Rivalen um ihre Einflußgebiete auf dem Balkan. Wie an anderer Stelle in dieser Zeitung aufgezeigt, will Deutschland Serbien auseinanderreißen; dabei hat es sich immer wieder auf Kroatien stützen können; gleichzeitig ist es auf die deutschen Rivalen – Frankreich, Großbritannien und Russland gestoßen, die jeweils Serbien unterstützt haben. Dieser Krieg ist also ein Krieg aller europäischen Rivalen und der USA. Nach dem Ende der Blöcke nach 1989 heißt die Devise nun: jeder gegen jeden! Es stimmt zwar, dass dadurch die Lage viel komplexer und unübersichtlicher wird, der Frontenverlauf damit nicht mehr so deutlich erkennbar wird. Die Kriegstreiberrolle aber nur einer Seite zuzuschieben, die imperialistischen Ambitionen der jeweiligen Kriegsgegner zu vertuschen, bedeutet das eigentliche Ausmaß des kriegerischen Überlebenskampfes dieses dekadenten Systems zu verharmlosen. Man muss also die imperialistischen Ambitionen aller Rivalen aufdecken! Indem sie das nicht tun, verschweigen diese Gruppen, dass das kapitalistische System selbst den Imperialismus hervorbringt.

„Der Hauptfeind steht im eigenen Land“ – die Gefahr der Irreführung der Arbeiterklasse

Der Schlachtruf „Der Hauptfeind steht im eigenen Land“ wurde von Karl Liebknecht im 1. Weltkrieg dem Verrat der SPD entgegengeschleudert. Damals hatte eine Reihe von ehemaligen Arbeiterparteien die Interessen der Arbeiterklasse verraten und jeweils ihre eigene nationale Bourgeoisie unterstützt. Damals trat noch keine der ehemaligen Arbeiterparteien auf, um die andere Kriegsseite zu unterstützen, sondern sie schlugen sich jeweils auf die Seite der eigenen nationalen Bourgeoisie.

Somit war die Parole „Der Hauptfeind steht im eigenen Land“ damals ein Mittel, um das internationalistische Lager des Proletariats entschieden gegenüber den sozialdemokratischen Vaterlandsverteidigern abzugrenzen. Allerdings war bereits damals diese Parole Liebknechts nicht die klarstmögliche Formulierung der internationalistischen Haltung der Marxisten, da die Idee eines Hauptfeindes zumindest implizit die Tür offenließ für den Gedanken, dass es neben dem Hauptfeind einen Nebenfeind geben kann, womit nicht alle imperialistischen Seiten im gleichen Maße zu bekämpfen wären. So lehnte der holländische Linkskommunist Herman Gorter bereits 1915 in seiner Schrift „Die Ursachen des Nationalismus im Proletariat“ die Idee eines ersten und zweiten Feindes ab und betonte die Notwendigkeit, alle Kriegsfronten abzulehnen. Und während im 2. Weltkrieg auch im Lager der Internationalisten beispielsweise Amadeo Bordiga den US-amerikanischen Imperialismus zum Hauptfeind erklärte, die Revolutionären Kommunisten Deutschlands (RKD) hingegen den sowjetischen Imperialismus, übernahmen andere proletarische Internationalisten, die in ihrer Haltung gegenüber dem Krieg klarer waren, den oben erwähnten Standpunkt Gorters.

Denn im Gegensatz zum 1. Weltkrieg gab es im 2. Weltkrieg bereits viele politische Strömungen der Bourgeoisie, welche die Unterstützung der „eigenen Regierung“ verwarfen, um stattdessen das gegnerische Lager zu unterstützen. Dies traf insbesondere auf die Stalinisten und Trotzkisten am Anfang des Weltkrieges zu, als noch nicht deutlich abzusehen war, auf welcher Seite die UdSSR in den Krieg treten würde.

Genau dies war z.B. im 2. Weltkrieg in Deutschland ab 1941 mit dem Ende des Hitler-Stalin-Paktes der Fall, als „antifaschistische“ und überwiegend stalinistische Kräfte gegenüber dem Hitler-Regime dessen Sturz forderten. Sie wünschten die Niederlage der „eigenen Bourgeoisie“, damit das vom Hitler-Faschismus „befreite“ Deutschland ein Bündnis mit der Sowjetunion gegen die USA einginge. Die Gruppe „Komitee Freies Deutschland“, die von Ulbricht & Co angeführt wurde, bezeichnete Hitler als den Hauptfeind. Ihre Haltung war keineswegs die des proletarischen Internationalismus, also Kampf gegen beide imperialistischen Seiten, sondern eine offen patriotische, da sie aus Sorge um das nationale Interesse Deutschlands ein Bündnis mit Rußland gegen das andere imperialistische Lager vorschlugen.

Diese bürgerliche Version der Haltung, „Der Hauptfeind steht im eigenen Land“, gepaart mit den Beschuldigungen gegen die „eigene Bourgeoisie“ verstärkt die kapitalistische Ideologie, da sie unter dem Deckmantel der Anklage gegen eine kriegstreibende Seite nicht nur die anderen Kriegstreiber ungeschoren davonkommen lässt, sondern auch für den Krieg und für den Imperialismus Partei ergreift. Nicht das System mit seinem Krebsgeschwür – Militarismus und Krieg – werden angeklagt, sondern nur eine Seite.

Kein Wunder, dass viele von diesen Leuten ihre Sympathie für die serbische Seite nicht gerade verbergen. Wie überhaupt auffällt, dass dieser Flügel sich aus enttäuschten Anhängern der untergegangenen DDR und des gesamten Ostblocks rekrutiert, wobei sie Osteuropa als irgendwie etwas „Fortschrittliches und Verteidigenswertes“ darstellen. Aber das Ganze bleibt nicht bei einer Nostalgie für die untergegangenen stalinistischen Regime stehen. Wenn ein Vertreter der deutschen Bourgeoisie wie Gregor Gysi schon kurz nach Ausbruch des Krieges als erster Politiker aus einem Nato-Staat sich vertraulich mit Milosevic treffen kann und vorher seine Reise mit dem Auswärtigen Amt in Bonn abspricht, so wird an diesem Beispiel deutlich, wie die Stalinisten auch heute noch in die Kriegsstrategien auch der eigenen Bourgeoisie eingebunden sind und ihren Handlungsspielraum erweitern. Die besonders engen Beziehungen der deutschen Stalinisten mit ihren politischen Freunden im ehemaligen Ostblock, zumal in Russland, ist eine weitere Trumpfkarte der deutschen Bourgeoisie heute, die den Balkankonflikt unter anderem dazu auszunutzen trachtet, um Russland näher an Deutschland zu ziehen.

Im 2. Weltkrieg und in zahlreichen „nationalen Befreiungskriegen“ in der Zeit des kalten Kriegs haben gerade die Stalinisten und Trotzkisten immer wieder ein verteidigenswertes imperialistisches Lager gefunden, jeweils unter dem Vorwand, es sei „weniger reaktionär“ und ein „Fortschritt gegenüber dem Imperialismus“. Diese Leute vertreten keineswegs eine internationalistische Tradition, sondern sind heimliche Kriegstreiber für eines der beiden imperialistischen Lager.

Heute aber, wo die herrschende Klasse gerade vor dem Dilemma steht, dass sie die Arbeiterklasse in den Industriestaaten nicht für den Krieg mobilisieren kann, können diese Vertreter der extremen Linken noch nicht offen zum Krieg aufrufen. Ihr Hauptbeitrag besteht darin, Verwirrung zu stiften, den wirklichen imperialistischen Charakter des Krieges, den Bankrott des Systems zu vertuschen. Die Arbeiterklasse aber braucht keine „radikal“ erscheinenden Elemente an ihrer Seite, die lauthals eine Kriegstreiberseite anprangern, um heimlich oder offen (wie die trotzkistische „Spartakist–Tendenz“, die offen zur Verteidigung Serbiens aufruft) für die andere Partei zu ergreifen, sondern sie braucht Kräfte, die zum Zusammenschluss aller Arbeiter gegen alle kriegführenden, kapitalistischen Seiten beitragen. 20.05.99 

Die Schweiz und der Kosovokrieg - Auch kleine Imperialisten machen mit

Mitte April hat die Schweiz die Initiative ergriffen, direkt ins Kampfgebiet Kosovo Hilfe zu bringen. Die Regierung schickte die Chefs der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) und des Schweizerischen Katastrophenhilfekorps (SKH) nach Belgrad und Moskau. In Zusammenarbeit mit Russland und Griechenland werden nun Dutzende von Hilfskonvois ins Kriegsgebiet geschickt. Diese "Hilfe" auch für die serbische Seite steht in scheinbarem Widerspruch zum offenen Engagement der Schweiz für die andere Kriegspartei. (vgl. dazu unsere Analyse in Weltrevolution Nr. 91) Was ist der Hintergedanke der Schweizer Bourgeoisie bei dieser Initiative?

Die Schweiz macht sich unentbehrlich

Der Krieg im Kosovo reiht sich ein in die Kette der Kriege in Slowenien, Kroatien und Bosnien-Herzegowina. Auch hier geht es den beteiligten Staaten nicht um die ”humanitäre Katastrophe”, sondern um die imperialistischen Rivalitäten. Die Menschen dieser Region zahlen dafür, dass keine Gross- oder Mittelmacht einem ihrer Konkurrenten einen entscheidenden Vorteil überlassen will. Sogar die Schweiz muss mitmachen. Sie hat nicht einmal die schlechtesten Karten und nimmt sogar in den vorderen Rängen der kapitalistischen Hackordnung ihren Platz ein.

Die Schweiz unterstützt seit einigen Jahren die UCK. Damit hat sie jetzt ein gutes Pfand in der Hand. Ihre sogenannte ”Neutralität” kann die Schweiz am besten ausspielen, wenn sie Kontakte und Einflussmöglichkeiten bei den verschiedenen Kriegsparteien hat, wie dies die jüngsten Kontakte zu Serbien zeigen. Grundsätzlich ist die Schweiz ebenso durchtrieben und machiavellistisch wie alle anderen Staaten auch. Sie ist reich, liegt im Herzen von Europa und wird von einer erfahrenen und alten Bourgeoisie regiert. Die Rangstellung der Schweiz ist für ihre Grösse und Bevölkerungszahl sehr ansehnlich im Vergleich zu anderen. Zudem ist die Schweiz oft vom Krieg verschont geblieben, was sie benutzte, um sich zu bereichern. Sie ist ein kleiner, aber potenter imperialistischer Gangster. Sie kann ihre ”Guten Dienste” aus einer starken Stellung heraus anbieten. Diplomatie, Hilfsgüter, Waffen und auch Truppen sind verkaufbare Güter, die in Zeiten des Krieges hoch bezahlt werden. Nein, die Heuchelei kennt keine Grenzen, denn es ist die Moral der Bourgeoisie, die den Kapitalismus als human bezeichnet.

Es ist immer das selbe Muster, nach dem sich die schweizerische Aussenpolitik verhält: Es geht darum, überall ein Eisen im Feuer zu haben.

Die sogenannten Guten Dienste

Wie wir schon in Weltrevolution Nr. 91 schrieben, will der Schweizer Imperialismus mit Militär vor Ort präsent sein. Seit dem 6. April bringen drei Super-Puma-Helikopter Hilfsgüter nach Tirana; sie sind auch dort stationiert. Armeelastwagen bringen die eingeflogenen Güter in den Norden Albaniens (Aufmarschgebiet der UCK). Und für die albanische Armee bildet Schweizer Militär Offiziere aus. Bis Mitte April bestanden die Einsatzkräfte des Bundespersonals in Albanien, Montenegro, Mazedonien und Serbien aus 81 Personen (Schweizerisches Rotes Kreuz SRK, SKH, DEZA).

Die Schweiz betreibt schon seit 1996 ein Camp von OSZE-Beobachtern in Sarajevo. Auch jetzt bietet sie wieder "Hilfe" an, einerseits die ”Guten Dienste” der Diplomatie, andererseits aber auch bewaffnete Truppen mit Gerät und Maschinen. Der Kriegsminister ergriff die Gelegenheit, um den schon lange geplanten Vorstoss zur Bildung von bewaffneten Kontingenten für den Einsatz im Ausland zu lancieren.

Es ist bemerkenswert, dass die Organisationen, die nun auf dem Balkan zum Einsatz kommen, alle staatlich eingebunden und zentral koordiniert sind. Sie sind übrigens auch in allen anderen Krisengebieten präsent (z.B. Georgien, Aserbaidschan, Tadschikistan, Ruanda, Eritrea und Somalia).

In Zusammenarbeit mit Russland und Griechenland werden ”Hilfskonvois” nach Belgrad gefahren. Somit erhalten jetzt beide Seiten Schlafsäcke der Schweizer Armee. In Pristina wird von diesen drei Ländern gemeinsam eine Vertretung aufgebaut.

Geld und zumindest Handfeuerwaffen gelangen aus der Schweiz zur UCK. Lebensmittel werden grosszügig - aus den ohnehin bis zur Decke gefüllten Lagerhallen - auf den Balkan transportiert. Damit will sich die Schweiz unentbehrlich machen. Die Schweiz kann sich eine solche Politik leisten. Die Unentbehrlichkeit soll aber für die Schweiz eine Investition, ein Faustpfand sein, welches als Erpressungsmittel eingesetzt werden kann.

Die USA fragten (wie schon zuvor England und Deutschland) die Schweiz an, ob sie in Belgrad ihre diplomatische Interessensvertretung übernehme. Allen Seiten wurde eine reservierte Zurückgezogenheit vorgespielt. Obschon Milosevic seinerseits die Schweiz nicht kontaktiert haben will, ist wichtig zu wissen, dass er Millionen von Franken auf Schweizer Bankkonten hat. Pikanterweise wurde gerade von proserbischer Seite, d.h. in französischen Tageszeitungen, auch schon die Ansicht geäussert, dass doch am besten die Grossbanken in der Schweiz bombardiert werden sollten.

Die Schweiz weiss sich im Geschäft zu halten Das humanitäre Geschrei der Schweizer Bourgeoisie dient nur dazu, ihre imperialistischen Interessen zu wahren. Es schert sie keinen Dreck, mit wem sie verhandelt. Hauptsache, das Spiel kann weiter gehen. Wer draussen ist, hat verloren. Das hat die Schweiz gut verstanden. Deshalb versucht sie mit immer neuen diplomatischen Initiativen am Ball zu bleiben. Nur so kann man die eigenen strategischen Interessen verteidigen. Gegenwärtig gibt es keine dauerhaften Bündnisse mehr. Es gilt das Gesetz: jeder für sich. Jeder Staat ist sich der Nächste. Auch die Schweiz.

Diese Haltung des schweizerischen Imperialismus soll vertuscht werden mit der humanitären Hilfe. Wie bei allen anderen Imperialisten auch. Die humanitären Interventionen der westlichen Demokratien sind das Feigenblatt dazu.

In diesem Zusammenhang kann die Stellung der Schweiz nur noch im internationalen Ringen um Einfluss auf dem Balkan gesehen werden.

Was tun?

Auf ihrer letzten öffentlichen Veranstaltung in Zürich (wie auch an verschiedenen anderen Orten auf der Welt) hat die IKS die Frage des Krieges aufgegriffen. Die Aktualität des Themas hat eine grosse Anzahl von Leuten angesprochen. Es kamen sehr unterschiedliche Leute. Allen gemeinsam war der Drang, gegen den Krieg unmittelbar etwas zu tun.

Die IKS hob hervor, dass gegen den Krieg in erster Linie eine internationalistische Position eingenommen werden muss. Bevor man über ein gemeinsames Vorgehen sprechen kann, muss man sich über die Einschätzung und die Grundhaltung einig sein. In der Arbeiterklasse besteht eine Tradition zur Frage des Krieges. Im 20. Jahrhundert mit den 2 Weltkriegen wurde die Position zum imperialistischen Krieg zum entscheidenden Kriterium, welches das proletarische Lager von der Bourgeoisie trennt. Die IKS rief in Erinnerung, dass auch in diesem Krieg wieder die Interventionen der Gruppierungen des revolutionären Millieus diese Tradition darstellen. Es gibt einige Flugblätter dieser revolutionären Organisationen zum Krieg, die wir an dieser Veranstaltung ausgelegt haben.

Auch fordert die IKS immer wieder dazu auf, die Diskussion zu suchen. Unsere Betroffenheit muss sich darin manifestieren, dass darüber gesprochen wird. Gesprochen wird über den Krieg und seine Gründe, seine Auswirkungen. In der Arbeiterklasse ist die öffentliche Diskussion das Mittel, die Politisierung voranzutreiben.

”Der Krieg spaltet die SP”

Die Sozialdemokraten haben seit 2-3 Jahren in zahlreichen Ländern die Regierungsgeschäfte übernommen. Ist das Zufall? In den USA sind es die Demokraten, welche den Krieg als Zuspitzung der Krise im Kapitalismus managen sollen.

Die linke Fraktion der Bourgeoisie gibt sich kämpferisch. Die Sozialdemokratie befürwortet nicht nur den Krieg, sie führt ihn auch. Gegen die Interessen der Arbeiterklasse! Wenn der Kapitalismus ausweglos in der Krise steckt, verwaltet die Sozialdemokratie das alte System oft am besten, nämlich die Klasseninteressen eines kleinen Teiles der Gesellschaft, der Bourgeoisie. Die Sozialdemokratie kann diese Interessen am besten vertreten: "die Sozialdemokratie, die Hauptströmung, die für die Niederschlagung der Weltrevolution nach 1917-1918 verantwortlich ist; die Strömung, die seinerzeit den Kapitalismus gerettet hat und die heute wieder die Regierungsgeschäfte übernimmt, um die bedrohten Interessen der Kapitalistenklasse zu verteidigen" (Resolution zur internationalen Lage, 13.Kongress der IKS).

Ganz bewusst versucht die Linke der Bourgeoisie möglichst die ganze Arbeiterklasse gegenüber dem Krieg auf den ideologischen Boden des Kapitals zu locken, indem einige SP-Politiker (z.B. die Parteipräsidentin Koch) "die Entsendung von Bodentruppen nach Kosovo" befürworten und andere Exponenten der gleichen Partei (z.B. Ex-Bundesratskandidat Cavalli) gegen die NATO-Bombadierungen Stellung beziehen. So titelte der Tages Anzeiger: ”Der Krieg spaltet die SP”. Die Arbeiterklasse soll damit in Diskussionen verwickelt werden, welche Politik für die Schweiz die beste sei. Die Proletarier sollen sich nach dieser Logik mit dem Interesse der nationalen Bourgeoisie identifizieren. Und damit sollen sie auch für jede Konsequenz des Kriegsverlaufs verantwortlich gemacht werden: Wenn Bodentruppen geschickt werden, sind die Arbeiter angeblich mitschuldig für den Tod der Soldaten; wenn keine geschickt werden, sind sie mitverantwortlich für die Leiden der Zivilbevölkerung.

Nur die Arbeiterklasse kann der Barbarei entgegentreten

In der Diskussionsveranstaltung der IKS war bei vielen Teilnehmern eine Ungeduld zu spüren. Sie wollten sofort und unmittelbar etwas gegen den Krieg unternehmen. Andere Teilnehmer wiesen darauf hin, dass nur die Arbeiterklasse eine Antwort auf den Krieg hat. Der 1. Weltkrieg wurde durch die revolutionären Kämpfe des Proletariats in Russland, Deutschland, Österreich, Ungarn und zahlreichen anderen Ländern beendet. Auch nach 1968 war es die Arbeiterklasse, die mit ihren Kämpfen den Weg zum 3. Weltkrieg bis heute versperrt hat.

Wir müssen uns aber bewusst sein, dass der gegenwärtige Krieg auf dem Balkan aufgrund des gegenwärtigen Kräfteverhältnisses zwischen den Klassen nicht durch das Proletariat beendet werden kann. Es wird nach diesem Krieg eine neue Stufe der imperialistischen Unordnung geben, die wieder zu neuen Kriegen führt. Dies ist die einzige Perspektive, die der Kapitalismus anzubieten hat.

Gleichzeitig spitzt sich aber auch die Wirtschaftskrise zu, was die Arbeiterklasse zunehmend zwingen wird, ihre Kämpfe auf dem eigenen Terrain zu entwickeln. In diesen Kämpfen wird die Einheit der Klasse geschmiedet und das Bewusstsein vertieft. Gerade in diesen Kämpfen wird sich die Arbeiterklasse auch bewusst, dass die zunehmende Verschärfung der Angriffe auf die Lebensbedingungen und die Kriegstreiberei zusammenhängen und eine existenzielle Bedrohung darstellen. Schon heute stellt man fest, dass der Krieg bei einer Minderheit innerhalb der Klasse dazu führt, das System zu hinterfragen. Dies zeigen zahlreiche Diskussionen auf öffentlichen Veranstaltungen oder beim Flugblattverteilen.

Auch heute ist sich die Bourgeoisie bewusst, dass das Zusammentreffen von Krise und Krieg ihre Ideologie untergräbt. Deshalb ist das Wichtigste, was wir tun können, die Diskussion über die Folgen von Krise und Krieg zu suchen. Insbesondere in der Arbeiterklasse den Prozess des Nachdenkens zu fördern und die Zweifel und Kritik zu verstärken.

Einzig die Arbeiterklasse hat das historisch-politische Programm für diese Aufgabe. Die Arbeiter haben kein Vaterland. Daraus ist die Haltung des revolutionären Defätismus abzuleiten, wie ihn bereits die Zimmerwalder Linke 1915 vertreten hat. Dies ist die Haltung der Revolutionäre gegen den Krieg. Der Heuchelei der Pazifisten müssen wir den Klassenkampf entgegenstellen. Nur der ”Burgfrieden” erlaubt es der Bourgeoisie, das Proletariat in den Krieg zu mobilisieren. Deshalb ist der Klassenkampf das einzige Mittel gegen den Krieg. ST 

Aktuelles und Laufendes: 

  • Balkankrieg [19]

Historische Ereignisse: 

  • Balkankriege 1990er Jahre [20]
  • Balkankrieg 1999 [21]
  • Rot-Grün und Kriegsfrage [22]

Theoretische Fragen: 

  • Imperialismus [23]

Gaza und die nationale Frage

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Überall auf der Welt haben Menschen ihre Abscheu und ihren Horror vor den israelischen Massakern im Gaza-Streifen zum Ausdruck gebracht. Das Ziel dieses Artikels ist nicht, hier auf die Details der Kämpfe im Einzelnen einzugehen. Aber die Zahl der Todesopfer, man schätzt ca. 1200 oder mehr Palästinenser und 13 Israelis starben, spricht für sich selbst. Sie zeigt, dass es sich nicht um einen Kampf zwischen zwei gleichstarken Mächten handelte, sondern ganz einfach um ein Massaker. Dies ist ein wichtiger Punkt, den man berücksichtigen muss, wenn man die Frage stellt, wie Kommunisten Konflikte dieser Art einschätzen.

Überall auf der Welt haben Menschen ihre Abscheu und ihren Horror vor den israelischen Massakern im Gaza-Streifen zum Ausdruck gebracht. Das Ziel dieses Artikels ist nicht, hier auf die Details der Kämpfe im Einzelnen einzugehen. Aber die Zahl der Todesopfer, man schätzt ca. 1200 oder mehr Palästinenser und 13 Israelis starben, spricht für sich selbst. Sie zeigt, dass es sich nicht um einen Kampf zwischen zwei gleichstarken Mächten handelte, sondern ganz einfach um ein Massaker. Dies ist ein wichtiger Punkt, den man berücksichtigen muss, wenn man die Frage stellt, wie Kommunisten Konflikte dieser Art einschätzen.

Obgleich es in einigen Ländern Unterstützung für Israels militärisches Vorgehen und gar einige Kundgebungen zur Verteidigung der Massaker gab, gab es wesentlich mehr Proteste und Kundgebungen gegen die Massaker. Massendemonstrationen mit Hunderttausenden Teilnehmern wurden aus Damaskus, Madrid, Kairo, Istanbul und gar aus Israel selbst gemeldet. Auch wenn viele Staaten sich weigerten, den israelischen Angriff zu verurteilen oder ihn zu befürworten, gab es nirgendwo auf der Welt eine große öffentliche Unterstützung für dieses Vorgehen. In der ‚islamischen Welt’ insbesondere wurde es fast einhellig verurteilt. In Syrien organisierte der Staat selbst die Demonstrationen, und hier in der Türkei gelang es Präsident Gül irgendwie zu beschließen, dass „Israels Bombardierung des Gaza-Streifens einen mangelnden Respekt für die Republik Türkei“ darstellt, und Tayip sorgte zeitweilig für großes Aufsehen in den Medien. Tatsächlich waren in der Türkei wie auch in den meisten arabischen Ländern alle politischen Kräfte in der Gesellschaft gegenüber diesem Thema einer Meinung.

Wenn diese Art ‚nationaler Eintracht’ entsteht, müssen die Revolutionäre als erstes fragen, wessen Klasseninteressen hier vertreten werden? Natürlich muss die Antwort lauten: Es werden nicht die Interessen der Arbeiterklasse vertreten.

In Wirklichkeit unterscheiden sich die politischen Klassen in der Türkei und Israel nicht. Jeder, der den israelischen Politikern bei deren Rechtfertigung der von ihren Truppen verübten Morde zuhörte, hätte genau die gleichen Töne aus dem Munde türkischer Politiker hören können, die seit Jahren nichts anderes sagen. Die Armee „verteidigte unschuldige Zivilisten gegen mörderische Terroristen“. Wir wissen alle, von wem wir solche Sprüche immer wieder hören. Die Lügen des israelischen Staates zur Rechtfertigung seiner Kriege sind genau die gleichen, wenn nicht gar wortgenau die gleichen wie die des türkischen Staates bei der Rechtfertigung seiner Barbarei im Südosten und in den kurdischen Gebieten des Nordirak.

Natürlich sticht die Heuchelei der herrschenden Klassen sofort ins Auge. Die Argumente einiger linker Organisationen sind jedoch viel subtiler. Letzten Endes laufen diese darauf hinaus, die palästinensische nationale „Befreiungsbewegung“ zu unterstützen, insbesondere HAMAS. Die große Mehrzahl dieser Organisationen weiß sehr wohl, dass HAMAS eine reaktionäre, arbeiterfeindliche Organisation ist. Einige werden sich sogar daran erinnern, dass HAMAS im September 2006 Lehrer und andere Beschäftigte des öffentlichen Dienstes angriff. Aber sie behaupten dessen ungeachtet, es sei für Sozialisten notwendig, HAMAS zu unterstützen, da sie die einzige Kraft seien, die gegen die Israelis kämpften, und die einzigen, die das palästinensische Volk verteidigen könnten.

Aber die Tatsachen vor Ort widerlegen dies. Die Zahl der Opfer belegt, dass sie völlig unfähig sind, die palästinensische Bevölkerung zu schützen. Der Mythos des Kampfes der Palästinenser, welcher von den Linken verbreitet wird, ist der, dass diese ‚tapferen nationalen Kräfte’ eines Tages über das ‚israelische zionistische Regime’ siegen werden. Und seine Propagandawerkzeuge sind Bilder von Nationalfahnen, toten Kindern, hübschen jungen Frauen mit Sturmgewehren. Aber es scheint nur ein Hauptproblem bei der ganzen Sache zu geben, und das ist, dass all dies gar nicht der Wirklichkeit entspricht.

Die palästinensische Nationalbewegung wird nie dazu in der Lage sein, Israel alleine zu zerstören. Die eingangs erwähnten Opferzahlen sind selbstredend. Für jeden getöteten Israeli starben nahezu 100 Palästinenser. Kommunisten, die eine internationalistische Position vertreten, nämlich keine Unterstützung für irgendeine der beiden Seiten im Krieg der Kapitalisten, wurde von den linksextremen Organisationen entgegnet, dass der Kampf völlig ungleich sei, und wenn man nicht HAMAS Kampf unterstütze, würde man für die Imperialisten eintreten. Natürlich stimmt es, dass die beiden Seiten ungleich sind. Aber während es verständlich sein mag, den Schwächeren in einem Fußballspiel zu unterstützen, zum Beispiel wenn Haccetepe bei Fener spielt, kann man darauf keine politische Analyse stützen.

Der Imperialismus beschränkt sich heute nicht auf die USA und ihre Verbündeten. Der Imperialismus ist zu einem Weltsystem geworden. Alle großen Länder verfechten imperialistische Interessen. Nicht nur die die USA, Großbritannien und Frankreich. Russland und China vertreten auch imperialistische Interessen, genauso wie viel kleinere Staaten wie die Türkei, Syrien, Iran. Und im Kampf zwischen diesen Mächten zählen die Belange verschiedener nationaler Minderheiten wenig mehr als die Belange von Bauern auf einem Schachbrett. Das Beispiel der Kurden ist aufschlussreich. Jahrelang haben sich kurdische nationalistische Organisationen mit all den regionalen und Großmächten verbündet. Das Beispiel der Unterstützung Syriens für die PKK ist nur eines von vielen. In der heutigen Zeit können nationale Befreiungsbewegungen kaum etwas anderes sein als Werkzeuge im Kampf zwischen den verschiedenen Mächten; so auch in diesem Fall im Kampf zwischen Syrien und dem Iran gegen Israel.

Sprechen wir die Verhältnisse klar aus: es gibt gegenwärtig absolut keine Möglichkeit eines palästinensischen Sieges. Das ‚beste’, worauf sie hoffen können, ist eine Art ‚Homeland’ wie die Bantustans im Apartheidregime Südafrikas, bei dem palästinensische Polizei die von Israel diktierte Ordnung aufrechterhält. Gegenwärtig kann man keine militärische Niederlage Israels und seiner Unterstützer, der USA, erwarten. Das wird einfach nicht passieren.

Die einzige Möglichkeit, dass solch eine militärische Niederlage eintreten würde, wäre, wenn es zu einer tiefgreifenden Umwälzung der Machtverhältnisse käme, wenn die USA von ihrem Thron als Herrscher im Mittleren Osten gestoßen würden. Eine neue Koalition von verbündeten Mächten müsste sich zusammenschließen, um die US-Hegemonie herauszufordern. Für den Mittleren Osten würde dies sicherlich eine Verschärfung des mörderischen Zyklus der nationalistischen-ethnischen-religiösen Konflikte bedeuten, welche die Region immer tiefer in die Barbarei treiben. Ein Sieg der Palästinenser im Gaza-Streifen würde nur neue Massaker bedeuten, nur dass diesesmal Araber Juden massakrieren würden.

… Und die palästinensische Arbeiterklasse? Die Geschichte der nationalen Befreiungsbewegungen zeigt, was sie erwarten würde. Siegreiche nationalistische Bewegungen neigen dazu, Kehrtwendungen zu vollziehen und Unterstützer aus den Reihen der Arbeiterklasse oder der Sozialisten zu massakrieren, wenn diese etwas mehr wollen. Die Ermordung von Tausenden von Arbeitern und Kommunisten in Shanghai 1927 ist eines der am besten bekannten Beispiele. Aber dies ist nur ein Teil einer langen Kette von Erfahrungen, die von Musta Suphi und den Führern der Türkischen Kommunistischen Partei zu den kurdischen Nationalisten im Irak reicht, die heute streikende Beschäftigte in Zementwerken niederschießen.

Die Rolle der Kommunisten und Revolutionäre besteht nicht darin, die schwächere Seite in einem Kampf zu unterstützen. Ebenso wenig besteht ihre Aufgabe darin, Arbeiter zu mobilisieren, um für Bosse zu sterben. Wir stammen aus einer anderen Tradition.

Es ist eine Tradition, die die Klasseninteressen an erste Stelle setzt und nicht die nationalen Interessen. Es handelt sich um die Tradition Lenins und der revolutionären Aufstände, die den Ersten Weltkrieg beendeten. Es ist eine Tradition, die damals wie heute sagt, dass Arbeiter kein Vaterland haben.

Sabri -

Der Artikel wurde aus unserer türkischen Presse entnommen

Aktuelles und Laufendes: 

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