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September 2010

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Kommunistische Linke und internationalistischer Anarchismus (Teil 2) Über unsere Schwierigkeiten zu debattieren und die Mittel

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Im ersten Teil dieser neuen Artikelreihe haben wir versucht aufzuzeigen, dass es zwischen internationalistischen Anarchisten und der Kommunistischen Linken grundsätzliche Gemeinsamkeiten gibt.  Ohne bestehende wichtige Divergenzen zu leugnen, besteht aus der Sicht der IKS der wesentliche Punkt darin, dass wir alle gemeinsam die Eigenständigkeit der Arbeiter verteidigen und uns weigern, (auf „kritische“ oder „taktische“ Weise) einen Teil der Herrschenden zu unterstützen – weder die „demokratischen“  gegen die „faschistischen“ Machthaber, noch  die Linken gegen die Rechten, auch nicht palästinensische gegen israelische  Herrscher usw. Eine solche Politik hat zwei konkrete Folgen:

- Jede Unterstützung der Wahlen, einer Zusammenarbeit mit den Parteien, die das kapitalistische System verwalten oder verteidigen (Sozialdemokratie, Stalinismus, „Chavismus“, usw.), muss abgelehnt werden.

- Vor allem in Kriegen muss man einen kompromisslosen Internationalismus aufrechterhalten und sich weigern, die eine oder andere Kriegspartei zu unterstützen.

Alle jene, die theoretisch und praktisch diese wesentlichen Positionen verteidigen, müssen sich darüber im Klaren sein, dass sie dem gleichen Lager angehören : dem der Arbeiterklasse, der Revolution.

Unter den Individuen, den Gruppen und Tendenzen dieses Lagers gibt es notwendigerweise Meinungsunterschiede und unterschiedliche Positionen. Indem auf internationaler Ebene offen, brüderlich und ohne falsche Konzessionen debattiert wird, wird es den Revolutionären gelingen, besser zur allgemeinen Entwicklung des Arbeiterbewusstseins beizutragen. Aber damit dies gelingt, müssen sie die Wurzeln der Schwierigkeiten begreifen, die heute noch die Debatte behindern.

Diese Schwierigkeiten sind das Ergebnis der Geschichte. Die revolutionäre Welle von Kämpfen, die von 1917 an in Russland und 1918 in Deutschland den Weltkrieg zu Ende brachte, wurde von der herrschenden Klasse besiegt. Es folgte eine schreckliche Konterrevolution gegen die Arbeiterklasse aller Länder, deren furchtbarster Ausdruck der Stalinismus und Nationalsozialismus waren, die nicht zufällig in jenen beiden Ländern entstanden, deren Arbeiterklasse an der Spitze der Revolution gestanden hatte.

Die Anarchisten begriffen die Etablierung jener Furcht einflößenden Polizeidiktatur im Land der Oktoberrevolution von 1917 durch die Partei, die sich auf den „Marxismus“ berief, als eine Bestätigung ihrer Kritik, die sie seit langem an den Auffassungen des Marxismus geübt hatten. Sie warfen ihm sein „autoritäres Wesen“, seinen „Zentralismus“ vor, dass der Marxismus nicht zu einer Abschaffung des Staates sofort nach der Revolution aufruft und dass die marxistischen Auffassungen sich nicht um die Hauptachse, das Prinzip der Freiheit, drehen. Bereits Ende des 19. Jahrhunderts hatten die Anarchisten den Triumph des Reformismus und des „parlamentarischen Kretinismus“ innerhalb der sozialistischen Parteien als Bestätigung ihrer Ablehnung einer Beteiligung an jeglichen Parlamentswahlen gewürdigt.(1)  Nahezu dieselben Schlussfolgerungen wurden aus dem Sieg des Stalinismus gezogen. Aus ihrer Sicht war dieses Regime nur die logische Konsequenz des „angeborenen autoritären Wesens“ des Marxismus. Insbesondere gebe es eine „Kontinuität“ zwischen der Politik Lenins und der Stalins, da die politische Polizei und der Terror schon zu Lebzeiten Lenins, ja kurz nach der Revolution  ihren Einstand gefeiert hatten.

Zur Verdeutlichung dieser „Kontinuität“ wird angeführt, dass schon ab dem Frühjahr 1918 einige anarchistische Gruppen in Russland unterdrückt und ihre Presse geknebelt wurden. Doch als das entscheidende Argument gilt  die blutige Niederschlagung des Kronstädter Aufstands im März 1921 durch den bolschewistischen Machtapparat, mit Lenin und Trotzki an der Spitze. Die Kronstädter Episode ist fraglos sehr aufschlussreich, denn die Matrosen und Arbeiter dieses Marinestützpunktes hatten im Oktober 1917 an der Spitze des Aufstandes gestanden, in dem die bürgerliche Regierung gestürzt und die Macht auf die Arbeiter- und Soldatenräte übergegangen war. Und genau dieser fortgeschrittenste Teil der Revolution erhob sich 1921 mit der Parole „Die Macht in die Hände der Räte – ohne die Parteien“.

Die Kommunistische Linke und die Erfahrung in Russland

Unter den verschiedenen Tendenzen der Kommunistischen Linken herrscht völlige Übereinstimmung über wichtige Punkte :

 

- Anerkennung des konterrevolutionären und bürgerlichen Wesens des Stalinismus;

- Ablehnung  jeglicher „Verteidigung des Arbeiterbastions“, den die UdSSR angeblich darstellte, und insbesondere Ablehnung jeglicher Beteiligung am 2. Weltkrieg im Namen dieser Verteidigung (oder eines anderen Vorwands);

- Charakterisierung des ökonomischen und sozialen Systems der UdSSR als eine besondere Form des Kapitalismus, eine der extremsten Formen des Staatskapitalismus.

Hinsichtlich dieser drei entscheidenden Punkte herrscht Übereinstimmung zwischen der Kommunistischen Linken und den internationalistischen Anarchisten. Sie stehen dagegen im völligen Gegensatz zu den Trotzkisten, die den stalinistischen Staat als einen „entarteten Arbeiterstaat“, die „kommunistischen“ Parteien als „Arbeiterparteien“ bezeichnen und die sich überwiegend am 2. Weltkrieg beteiligt hatten (insbesondere in den Reihen der Résistance). 

Innerhalb der Kommunistischen Linken gibt es wiederum beträchtliche Meinungsunterschiede hinsichtlich der Analyse des Prozesses, der von der Oktoberrevolution 1917 zum Stalinismus führte.

So vertritt die Strömung der Holländischen Linken (die „Rätekommunisten“ oder „Rätisten“) die Meinung, dass die Oktoberrevolution eine bürgerliche Revolution gewesen sei, die das Ziel verfolgt habe, das feudale zaristische System durch einen bürgerlichen Staat zu ersetzen, der der Entwicklung einer modernen kapitalistischen Wirtschaft förderlicher sei. Die bolschewistische Partei, die an der Spitze der Revolution stand, wird als eine bürgerliche Organisation der besonderen Art beurteilt, die zur Aufgabe gehabt habe, den Aufbau des Staatskapitalismus in die Hand zu nehmen, auch wenn ihre Mitglieder und Führer sich dessen nicht wirklich bewusst gewesen seien. Aus rätistischer Sicht gibt es somit eine Kontinuität zwischen Lenin und Stalin. Letzterer sei gewissermaßen der „Testamentsvollstrecker“ des Ersteren gewesen. In dieser Hinsicht gibt es eine gewisse Konvergenz zwischen den Anarchisten und den Rätisten, doch Letztgenannte berufen sich weiterhin auf den Marxismus.

Die andere wichtige Tendenz der Kommunistischen Linken, die mit der Kommunistischen Linken Italiens verbunden ist, geht davon aus, dass die Oktoberrevolution und die bolschewistische Partei proletarischer Natur gewesen seien.(2) Der Rahmen, innerhalb dessen diese Tendenz den Sieg des Stalinismus begreift, ist die Isolierung der Revolution in Russland aufgrund der Niederlage der revolutionären Kämpfe in den anderen Ländern, insbesondere in Deutschland. Vor der Oktoberrevolution meinte die gesamte Arbeiterbewegung - und die Anarchisten stellten in dieser Hinsicht keine Ausnahme dar -, dass die Revolution, wenn sie sich nicht weltweit ausdehnte, besiegt werden würde. Das tragische Schicksal der Russischen Revolution bestand darin, dass diese Niederlage nicht von „außen“ gekommen war (die von der Weltbourgeoisie unterstützten Weißen Armeen wurden sogar besiegt), sondern von „innen“, durch den Machtverlust der Arbeiterklasse, insbesondere den Verlust jeglicher Kontrolle über den Staat, der nach der Revolution entstand, sowie durch die Degeneration und den Verrat der Partei, welche die Revolution angeführt hatte, aufgrund ihrer Einverleibung in den Staat.

Jedoch vertreten die verschiedenen Gruppen, die sich auf die Italienische Linke berufen, nicht die gleichen Analysen hinsichtlich der Politik der Bolschewiki während der ersten Jahre nach der Revolution. Aus der Sicht der „Bordigisten“ gibt es nichts zu kritisieren an dem Machtmonopol einer politischen Partei, an der Errichtung einer Art Monolithismus in der Partei, am Einsatz von Terror und an der blutigen Niederschlagung des Kronstädter Aufstands.  Im Gegenteil: heute noch berufen sie sich uneingeschränkt darauf. Da die Strömung der Italienischen Linken international hauptsächlich unter dem Begriff des „Bordigismus“ bekannt war, hatte diese Strömung und mit ihr die Idee der Kommunistischen Linken insgesamt abschreckend auf die Anarchisten gewirkt.

Doch die Strömung der Italienischen Linken beschränkt sich nicht auf den Bordigismus. So hatte die Linksfraktion der Kommunistischen Partei Italiens (die später zur Italienischen Fraktion der Kommunistischen Linken wurde) in den 1930er Jahren eine umfassende Bilanz der russischen Erfahrung erstellt (so hieß ihre Zeitung auf Französisch Bilan). Zwischen 1945 und 1952 hatte die Kommunistische Linke Frankreichs (Gauche communiste de France, die Internationalisme veröffentlichte) dieses Werk fortgesetzt; diese Strömung trug die Fackel 1964 nach Venezuela und 1968 nach Frankreich zurück, ehe 1975 die IKS gegründet wurde.  

Diese Strömung (zum Teil auch jene, welche sich an den Partito comunista internazionalista in Italien anlehnte) hält die Kritik an bestimmten Aspekten der Politik der Bolschewiki nach der Revolution für notwendig. Insbesondere viele Aspekte, die die Anarchisten anprangern - die Machtergreifung durch eine Partei, der Terror, vor allem die Niederschlagung des Kronstädter Aufstands -, werden von unserer Organisation (nach Bilan und der GCF) als Fehler seitens der Bolschewiki eingeschätzt, die sehr wohl innerhalb des Rahmens der Marxismus kritisiert werden können und selbst mit den Auffassungen Lenins, insbesondere jener, die von ihm in „Staat und Revolution“ (1917) artikuliert wurde, kollidieren. Diese Fehler sind auf verschiedene Ursachen zurückzuführen, auf die wir hier nicht näher ausführlich eingehen können, die aber ein Teil der allgemeinen Debatte zwischen der Kommunistischen Linken und den internationalistischen Anarchisten sind. Wir wollen hier nur darauf verweisen, dass der Hauptgrund darin besteht, dass die Russische Revolution die erste historische Erfahrung (und bislang die einzige) einer zunächst erfolgreichen proletarischen Revolution war. Es ist die Aufgabe der Revolutionäre, die Lehren aus dieser Erfahrung zu ziehen, wie es von Beginn der 1930er Jahre an Bilan vorgemacht hatte. Für Bilan war die „tiefgreifende Kenntnis der Ursachen dieser Niederlage eine fundamentale Notwendigkeit. Und diese Kenntnis darf nicht vor Verboten zurückschrecken. Die Erfahrung aus den Ereignissen nach dem Krieg zu ziehen heißt die Grundlagen zu legen für den Sieg der Revolution in allen Ländern.“ (Bilan, Nr. 1, November 1933).

Die Anarchisten

Konterrevolutionäre Zeiträume sind kaum günstig für die Zusammenarbeit oder gar Vereinigung revolutionärer Kräfte. Verwirrung und Zerstreuung, die überall in der Arbeiterklasse zu spüren sind, greifen schließlich auch über auf die bewusstesten Kräfte in ihren Reihen über. Genauso schwierig, wie schon in den 1920er und 1930er Jahren die Debatte unter den Gruppen war, die mit dem Stalinismus brachen und sich dabei weiterhin auf die Oktoberrevolution beriefen, erwies sich auch die Debatte zwischen Anarchisten und der Kommunistischen Linken in der ganzen Zeit der Konterrevolution.

Wie oben erwähnt, trug die Tatsache, dass der Ausgang der Russischen Revolution Wasser auf die Mühlen der Kritiker des Marxismus zu leiten schien, zur vorherrschenden Haltung innerhalb der anarchistischen Bewegung bei, jegliche Diskussion mit den „notwendigerweise autoritären“ Marxisten der Kommunistischen Linken abzulehnen. Zumal die anarchistische Bewegung in den 1930er Jahren aufgrund ihrer herausragenden Stellung innerhalb der Arbeiterklasse Spaniens, wo es damals zu entscheidenden historischen Auseinandersetzungen gekommen war, viel bekannter war als die kleinen Gruppen der Kommunistischen Linken. 

Umgekehrt hat die Tatsache, dass die anarchistische Bewegung die Ereignisse in Spanien nahezu einhellig als eine Art Bestätigung ihrer Auffassungen betrachtete, während die Kommunistische Linke dagegen in ihnen den Beweis des Scheiterns der Anarchisten sah, lange Zeit eine Hürde für die Zusammenarbeit mit den Anarchisten dargestellt. Es sollte aber betont werden, dass Bilan sich weigerte, alle Anarchisten in dieselbe Schublade zu stecken. Als im Mai 1937 der italienische Anarchist Camillo Berneri von den Stalinisten ermordet wurde, hat Bilan, ungeachtet ihrer kompromisslosen Kritik an der Politik der Führung der spanischen CNT, einen Nachruf veröffentlicht.

Noch wichtiger ist die Tatsache, dass 1947 eine Konferenz stattgefunden hatte, an der sich die Italienische Kommunistische Linke (vertreten von der Gruppe aus Turin), die Kommunistische Linke Frankreichs, die Holländische Linke … und einige internationalistische Anarchisten beteiligten ! Einer von ihnen arbeitete im Präsidium der Konferenz mit.

Dies beweist, dass selbst während der Konterrevolution bestimmte Mitglieder der Kommunistischen Linken und des internationalistischen Anarchismus von einer wirklich offenen Geisteshaltung, einem Willen zur Debatte und einer Fähigkeit geprägt waren, die grundlegenden Kriterien anzuerkennen, die die Revolutionäre über die bestehenden Divergenzen hinweg vereinigten!

Die Haltung dieser Genossen des Jahres 1947 sollte uns eine Lehre sein; sie stellt eine Hoffnung für die Zukunft dar.

Natürlich stellen die vom Stalinismus im Namen des Marxismus und des Kommunismus begangenen Grausamkeiten  noch heute eine große Bürde dar. Sie wirken wie eine emotionale Mauer, die immer noch die aufrichtige Debatte und die loyale Zusammenarbeit behindert. „Die Tradition aller toten Geschlechter lastet wie ein Alp auf dem Gehirne der Lebenden.“ [Marx: Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte. Marx/Engels: Ausgewählte Werke, S. 11625).

(vgl. MEW Bd. 8, S. 115)]

Diese uns behindernde Mauer kann nicht von heute auf morgen niedergerissen werden. Aber es sind erste Risse aufgetreten. Wir müssen die Debatte, die sich vor unseren Augen entwickelt, fördern, uns bemühen, in einem brüderlichen Geist zu handeln und immer vor Augen zu haben, dass wir alle aufrichtig darum bestrebt sind, auf den Kommunismus, eine klassenlose Gesellschaft,  hinzuarbeiten.  IKS, August 2010

1) Für Lenin „In Westeuropa ist der revolutionäre Syndikalismus in vielen Ländern eine direkte und unvermeidbare Folge des Opportunismus, Reformismus und parlamentarischen Kretinismus“ (Lenins Vorwort zu einer Broschüre von Woinow, (Lunacharski) zur Haltung der Partei gegenüber den Gewerkschaften – 1907). Der Anarchismus, der lange vor dem revolutionären Syndikalismus entstanden war, aber diesem nahe stand, profitierte auch von der Entwicklung der sozialistischen Parteien in diese Richtung.

2) Es gab mehrere Gruppen, die aus der Bolschewistischen Partei hervorgingen, und diese gleiche Analyse teilten. Siehe unser Buch „The Russian Communist Left“.

3) Tatsächlichen waren Debatte, Zusammenarbeit und gegenseitiger Respekt zwischen internationalistischen Anarchisten und Kommunisten damals nichts Neues. Als ein Beispiel von vielen mag die Aussage der amerikanischen Anarchistin Emma Goldman dienen, die in ihrer Autobiographie (welche 1931, 10 Jahre nach Kronstadt, veröffentlicht wurde) schrieb: „Der Bolschewismus war eine Gesellschaftsauffassung, welche von den hellsten Geistern aufgegriffen wurde, die von dem Eifer und dem Mut von Märtyrern beseelt waren. (…) Es war sehr dringend, dass die Anarchisten und andere echte Revolutionäre diese diffamierten Leute und ihre Sache entschlossen bei den damaligen Ereignissen in Russland verteidigten.“ (Living my life). Ein anderer berühmter Anarchist, Victor Serge, benutzte 1920 in einem Artikel: „Die Anarchisten und die Erfahrung der russischen Revolution“ einen ähnlichen Ton, und obwohl er sich immer noch als Anarchist betrachtete und bestimmte Aspekte der Politik der Bolschewiki kritisierte, unterstützte er diese Partei. Die Bolschewiki wiederum luden eine Delegation der anarcho-syndikalistischen CNT aus Spanien zum 2. Kongress der Kommunistischen Internationale ein. Es fanden sehr brüderliche Diskussionen statt; die CNT wurde zum Beitritt zur Komintern aufgefordert.

Aktuelles und Laufendes: 

  • Proletarische Strömungen [1]

Politische Strömungen und Verweise: 

  • Internationalistischer Anarchismus [2]

Historische Ereignisse: 

  • Internationalisten und ihre Zusammenarbeit im Kampf gegen den Kapitalismus [3]

Theoretische Fragen: 

  • Internationalismus [4]

Wer ist Lotta Comunista wirklich?

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In Italien existiert eine Gruppe, welche von sich nicht nur behauptet, die Avantgarde der Arbeiterklasse, sondern auch ein Teil der Kommunistischen Linken zu sein. Damit meinen sie, mindestens politisch, oder gar organisatorisch, zu dieser politischen Bewegung zu gehören, welche während der 1920er Jahre begonnen hatte sich der Degeneration der Dritten Internationale entgegenzustellen. Wir werden hier aufzeigen, dass dies überhaupt nicht der Realität entspricht und welche Ziele Lotta Comunista tatsächlich verfolgt.

Lotta Comunista und die Kommunistische Linke

Lotta Comunista ist der Name der Zeitung der sog. Leninistischen Gruppen der Kommunistischen Linken. Doch Lotta Comunista hat nie erklärt, auf was genau an der Kommunistischen Linken sie sich politisch und theoretisch bezieht, auf welche Erfahrungen dieser Minderheiten, welche sich in verschiedenen Ländern wie Italien, Deutschland, Holland, Belgien, Russland, Mexiko und Frankreich gegen die Kräfte der kapitalistischen Repression gestemmt und versucht haben, den roten Faden der marxistischen Kontinuität aufrecht zu erhalten. Wenn Lotta Comunista sorgfältig versucht, jeden klaren Bezug auf die Positionen der Kommunistischen Linken zu umgehen, und sich dabei auf ihrem Namen ausruht, dann nur deshalb, weil die Wurzeln dieser Organisation in einem direkten politischen Gegensatz zur Kommunistischen Linken stehen. Ihre Wurzeln liegen in der Partisanenbewegung gegen die deutsche Besetzung Italiens während des Zweiten Weltkrieges. Einige dieser Partisanen, wie Cervetto, Masini und Parodi schlossen sich danach der anarchistischen Bewegung an und gründeten 1951 die GAAP (Anarchistische Gruppen der Proletarischen Aktion). Der Gründungskongress der GAAP vom 28. Februar 1951 in Genua wird von Lotta Comunista als der Ausganspunkt ihrer Organisation, so wie man sie heute kennt, bezeichnet. Es fand im Februar 1976 in Genua ein Gedenkanlass zum 25-jährigen Bestehen unter dem Motto „Lotta Comunista - 25 Jahre" statt. Dass Lotta Comunista sich zur Kommunistischen Linken zählt, ist schlicht und einfach eine Geschichtsfälschung.

Lotta Comunista und der Marxismus

Für Lotta Comunista ist der Marxismus etwas Metaphysisches, geschneidert außerhalb der Gesellschaft und der Klassen, die sich gegenüberstehen.  Er ist für sie nicht Ausdruck der realen Bewegung zur Emanzipation der Arbeiterklasse, sondern mehr eine Eingebung, eine Religion - welche als zu erlernende Wissenschaft ausgegeben wird -, losgelöst von der Realität und vom Wesen des Proletariates in seinem widersprüchlichen Verhältnis mit dem Kapital. Der „Marxismus" von Lotta Comunista ist nichts anderes als das Produkt ideologischer Gedanken, die auf philosophischen Spekulationen gründen. Um sich eine Legitimation zu verschaffen, klebt Lotta Comunista das Wort „wissenschaftlich" an all ihre magischen Hirngespinste, laut denen die Partei Geburtsort und Leben der „Wissenschaft der Revolution" ist, mit einem revolutionären „wissenschaftlichen" Programm und einer „revolutionären Wissenschaft". Die Entwicklung der angeblichen marxistischen Wissenschaft spielt sich in den Gehirnen der Denker ab, welche mit der „revolutionären Wissenschaft" bewaffnet sind, und es gibt offenbar keine durch das Proletariat in seinen Kämpfen gegen den Kapitalismus entwickelte Theorie. Heute scheint dieser unveränderbare Schatz der „marxistischen Wissenschaft" bei Lotta Comunista gelagert zu sein, welche sich dessen bedient, ganz unabhängig von allen Schicksalsschlägen der Arbeiterbewegung und vom Auf und Ab des Klassenkampfes.

Lotta Comunista und ihre Analyse der Gesellschaft

Für Lotta Comunista existiert die Krise nicht. Diese scheint für sie lediglich eine erfundene Geschichte der Unternehmer zu sein, um die Arbeiter anzugreifen. Lotta Comunista hat dazu eine Broschüre mit dem bemerkenswerten Titel Welche Krise denn? veröffentlicht. Der Kapitalismus scheint danach in einem permanenten Wachstum zu sein, mit fremden Gebieten und Märkten, die der Kapitalismus noch erobern könne. Um dies zu belegen, führt Lotta Comunista die Statistiken der OECD oder der Zeitschriften Fortune und Financial Times an. Ihre eigene Zeitung, die neben einer Studienzeitschrift auch eine Zeitschrift für die Propaganda und den Kampf sein will, entblößt sich schon auf der ersten Seite als philologisch und führt Chroniken der Konzentration von Unternehmen an, ohne irgend eine Sorge für eine revolutionäre Perspektive. Die Rubriken über Klassenkämpfe in aller Welt, genau wie die Schnappschüsse von Streiks, erscheinen ohne jegliche Analyse über das Bewusstsein, die Kampfbereitschaft oder die Selbstorganisierung. All dies ist kein Zufall: Lotta Comunista sieht in der Arbeiterklasse nichts mehr als das variable Kapital, einen Produzenten von Mehrwert, genau so wie das Kapital es tut. Man findet keine Analyse, keine dynamische Vision des Klassenkampfes und seiner Perspektiven, sondern nur eine statische Vision, bei der das Proletariat als eine atomisierte Summe von Individuen verstanden wird, die es dann morgen zur Revolution zu führen gälte - oder was auch immer.

Lotta Comunista, der Klassenkampf und die Gewerkschaften

Um die Position von Lotta Comunista über die Arbeiterklasse und den Klassenkampf zu verstehen, muss man drei Grundelemente der Konzeption von Lotta Comunista betrachten: ihre „leninistische" Parteiauffassung, die Rolle der Gewerkschaften und die aktuelle ökonomische Phase, welche einen „geordneten Rückzug" verlange. Lotta Comunista vertritt eine Auffassung des Bewusstseins und der Partei, nach der das Proletariat nicht selber fähig sei, ein kommunistisches Bewusstsein hervorzubringen, und dieses dem Proletariat einzig und allein durch die Partei eingeflößt werden kann. Eine Partei, die von bürgerlichen Intellektuellen, die sich der revolutionären Sache verschrieben haben, gebildet wird. Diese Auffassung wurde von Lenin selber explizit verworfen. Mit dieser Auffassung bezieht sich Lotta Comunista überhaupt nicht auf die wirklichen Kämpfe der Arbeiterklasse, sondern strebt nur eine Vergewerkschaftung der Arbeiterklasse und eine Vergrößerung ihres Einflusses innerhalb der Gewerkschaft ihrer Wahl an, der „roten" CGIL (Confederazione Generale Italiana del Lavoro). Die Parole von Lotta Comunista ist simpel: als revolutionäre Partei muss man die Arbeiterklasse organisieren und dirigieren und, um zu diesem Ziel zu gelangen, mit allen Mitteln die Führung in den Gewerkschaften übernehmen. Die Interventionen von Lotta Comunista gegenüber der Arbeiterklasse haben nie die Absicht das Bewusstsein der Arbeiterklasse zu heben, sondern zielen darauf ab, gewisse Kaderposten zu erobern, um mehr politisches Gebiet kontrollieren zu können. Da sich der Kapitalismus für Lotta Comunista in einer permanenten ökonomischen Wachstumsperiode befindet und die Aufgabe der Arbeiterklasse vor allem darin besteht, zu warten, bis die Bedingungen reif sind und sich der Kapitalismus auf dem gesamten Planeten mit seinem Luxus ausgebreitet hat, hat diese Gruppe 1980 den Slogan des „geordneten Rückzugs" lanciert: „...wir haben seit langem den mutigen leninistischen Slogan der Gruppierung der bewussten und klaren Kräfte der Arbeiterklasse rund um die Partei aufgenommen, um eine Anstrengung für einen geordneten Rückzug zu machen, ohne Unordnung, Enttäuschungen, Konfusionen, Demagogie".[1] Im Klartext: alles unternehmen, um dem Kampf der Arbeiter die Spitze zu brechen, um damit alles zu verhindern, was nach einem „Weg in die Unordnung" aussieht. Lotta Comunista geht sogar soweit, die alte stalinistische Partei Italiens, die PCI, zu „tadeln", sie sei zu weit gegangen: „Es ist kein Zufall, dass die PCI sich mit den staatsstreichlerischen Kräften in den Gewerkschaften zusammentut, die Unordnung stiften in den Arbeiterkämpfen, nur um ihr eigenes parlamentarisches Gewicht zu verteidigen im exklusiven Interesse der bürgerlichen Fraktionen."[2] Dieselbe Kritik wurde gegenüber der „großen Gewerkschaft" CGIL erhoben, in der Lotta Comunista davon träumt, die Führung zu übernehmen: „Die große Gewerkschaft hat im Gegenteil die Aufgabe zurückgewiesen, die wir ihr zu Beginn der Restrukturierungskrise angeraten haben, einen geordneten Rückzug zu organisieren, um dann wieder fähig zu sein, die Wiederaufnahme an die Hand zu nehmen. Sie brachte die Unternehmer und die Regierung zum weinen, nicht weil sie stark war, sondern weil sie an einer Autoritäts- und Vertrauenskrise litt."[3] Das also raten diese Wichtigtuer den Gewerkschaften - zwar ohne erhört zu werde. Diese hören nicht zu, geraten in eine Krise und bringen - und das ist das Schönste an der Sache - die Patrons und Regierung zum weinen. Weshalb wohl weinen die Patrons und die Regierung über die Krise der Gewerkschaften? Dazu gibt es nur eine Antwort: Weil ihnen so das Instrument fehlt, das aufgrund seiner moralischen Autorität die Arbeiter an das Kapital fesselt. Was wirklich entsteht sind die Basiskomitees[4]. Wenn die Gewerkschaften aber den Ratschlägen von Lotta Comunista gefolgt wären, würde sie dies dennoch nicht davon befreien, sich mit den Basiskomitees auseinanderzusetzen, das heißt, mit der Tendenz der Arbeiter, sich von den gewerkschaftlichen Fesseln zu befreien und sich selber zu organisieren. Die Gewerkschaften müssten sich radikalisieren, um die Arbeiter besser kontrollieren zu können. All das ist eine politische Arbeit, welche nicht das Bewusstsein der Arbeiterklasse fördern, sondern lediglich die Position der « Partei » zu Ungunsten der Arbeiterklasse stärken will. Hier ein Beispiel dieser durch und durch negativen Politik: Als sich 1987 die Beschäftigten der Schulen in Italien in Basiskomitees organisierten, erschien Lotta Comunista in einigen Vollversammlungen, um zu erklären, dass es nun nicht um die Gründung neuer Gewerkschaften gehe, sondern darum, die Geschicke der schon Bestehenden in die Hände zu nehmen. Im Klartext also: nicht die CGIL hinter sich lassen, sondern die Führung der Bewegung Lotta Comunista überlassen, und alles wende sich zum Guten. Aber die Bewegung der Beschäftigten in den Schulen 1987 war eine Bewegung, die sich auf einer Klassenbasis zu organisieren begann, trotz all ihrer Schwächen. Daraufhin bevorzugte es Lotta Comunista die Bewegung öffentlich als eine „süditalienische" Bewegung zu verleumden (weil sie sich vor allem in Süditalien entfaltete, konstruierte Lotta Comunista daraus eine regionalistische Erscheinung), die eine „Brutstätte zukünftiger Führungskräfte parlamentarischer Parteien" sei, und rief zu einem außerordentlichen Kongress der CGIL auf. Also ganz simpel, dass die CGIL aufwachen solle, um die Beschäftigten an den Schulen am kämpfen zu hindern. So also gehen die großen Revolutionäre von Lotta Comunista ans Werk!

Lotta Comunista und die bürgerlichen Institutionen

Lotta Comunista behauptet, „gegen alle parlamentarischen Parteien" zu sein und auch „gegen den demokratischen Staat", unterzeichnete aber zusammen mit PCI, DC, PR, DP und der PSI (alles Parteien des italienischen Staatsapparates) eine Presseerklärung zur „bestimmten Verurteilung des Terrorismus und all der Kräfte, die ihn unterstützen" mit dem Aufruf, „dass alle Arbeiter, die schweren Angriffe dieser ökonomischen und politischen Kräfte zurückweisen, welche die Demokratie unseres Landes destabilisieren" (von uns unterstrichen). Bezüglich der Wahlen behauptet Lotta Comunista, abstentionistisch zu sein, sich also strikte weder am Parlamentarismus, an Wahlen oder Abstimmungen zu beteiligen. Doch als der Abstentionismus allzu unpopulär wurde wie 1974 beim Referendum über die Abschaffung der ehelichen Trennung, empfahl Lotta Comunista, ein „Nein" in die Urne zu legen, und versuchte seine Position mit Slogans wie „Abstimmen genügt nicht, der Kampf muss weitergehen" schmackhaft zu machen. In Wirklichkeit bezog Lotta Comunista keine andere Position wie all die sog. Außerparlamentarischen Linken der damaligen Zeit und unterstützte eine Fraktion der Bourgeoisie gegen die andere.

Lotta Comunista und die Partisanenbewegung

Die Frage der Beteiligung am imperialistischen Krieg ist besonders bedeutsam, denn sie unterscheidet das Lager der Arbeiterklasse von dem der Bourgeoisie. Lotta Comunista behauptet zwar, internationalistisch zu sein, ist aber auf diesem Gebiet ganz besonders unklar. In einer Broschüre von 1975 erklärt Lotta Comunista, dass 1943 „sich angesichts der Zerstrittenheit der Bourgeoisie die ersten Arbeiterkerne spontan organisiert haben: vom Streik ist man zum bewaffneten Kampf übergegangen. DAS IST DER BEGINN DER RESISTANCE! Die Arbeiter haben die Berge erobert, sie organisierten sich heimlich in den Städten und den Fabriken. Dem Aufbau einer neuen Gesellschaft stellte sich als größtes Hindernis, als größter Feind, die Präsenz der Faschisten und Nazis in den Weg. Gegen diese Knechte des Kapitals mussten die Arbeiter als erstes den Kampf aufnehmen. Doch die Arbeiter wussten genau, dass dies nicht das Ziel war, sondern lediglich eine notwendige Zwischenstufe, um zum Sozialismus zu gelangen ».[5] Diese Argumentation befindet sich vollkommen auf dem bürgerlichen Terrain. In Tat und Wahrheit waren die Partisanenbanden gegen Ende des Zweiten Weltkrieges in Italien klassenübergreifende Formationen im Dienste des „demokratischen" Imperialismus. Und selbst die Organisationen, welche sich in den Städten und Fabriken bildeten, die GAP und die SAP[6] die von Arbeitern gegründet wurden, waren total in den Händen des stalinistischen PCI und anderer bürgerlicher Parteien. Die Revolutionäre sind aber verpflichtet, es bloßzustellen, wenn sich die Arbeiter in einen „Volkskrieg" im Dienste des Imperialismus verwickeln lassen, in welchem sie nicht mehr ihre eigenen Interessen, sondern die der herrschenden Klasse verteidigen. Es ist wahr, dass die Arbeiter 1943 mit Klassenforderungen in den Streik traten, und nicht im Namen des Antifaschismus, doch es ist auch eine Tatsache, dass diese Streiks und die darauf folgenden ihre Natur änderten und auf das Terrain des Antifaschismus abglitten. Die Arbeiter in Uniform der deutschen Armee hatten - sei es aus Klasseninstinkt oder aus den vermittelten Erinnerungen ihrer Eltern an die Klassenkämpfe heraus - einige Male versucht, mit den streikenden Arbeitern Kontakt aufzunehmen und ihnen ihre Sympathie kundgetan, indem sie ihnen Zigaretten schenkten[7]. Doch sie stießen nur auf die stalinistischen Schergen des PCI, die sie niederschossen, um eine Verbrüderung der Arbeiter über Nationalität und Sprache hinweg zu verhindern. Die italienischen Arbeiter und die deutschen Arbeiter in Uniform - wir sprechen hier von der deutschen Armee, die wie alle anderen Armeen zu großen Teilen aus Arbeitern bestand, und nicht von der Gestapo oder der SS - hatten begonnen, spontan einen proletarischen Internationalismus zu entfalten. Lotta Comunista hingegen sieht in diesen Arbeitern - die kurzweg als Nazis dargestellt werden - den Hauptfeind. In derselben Broschüre liest man auch, die Arbeiter seien sich bewusst gewesen, dass man die Macht von der Bourgeoisie übernehmen müsse: „Und dies versuchen wir zu tun dort, wo wir die Macht ergreifen können, auch wenn nur für eine gewisse Zeit: Bildung neuer politischer Strukturen, in denen sich die Macht versammeln kann, um Gesetze zu erlassen und diese durchzusetzen, indem man direkt Gemeindeverwaltungen und Funktionäre ernennt, Fabrikverwaltungen, direkte Ausführungen der juristischen Macht und die Liquidation der Faschisten ».[8] Die Unverschämtheit von Lotta Comunista kennt keine Grenzen. Man will uns glauben machen, dass die Komitees zur Nationalen Befreiung (Comitato di Liberazione Nazionale, CLN), auf die sie sich in diesen Passagen explizit beziehen, proletarische Organe gewesen seien, obwohl die CLN ausschließlich von bürgerlichen Parteien gebildet wurden, welche die Arbeiter in den Dienst des imperialistischen Krieges stellten. Es ist eine Katastrophe, wenn Gruppen wie Lotta Comunista, die sich als Erben der Kommunistischen Linken und Lenins ausgeben, die Partisanenbewegung als eine Beinahe-Revolution darstellen. Die Partisanenbewegung war im Gegenteil der Höhepunkt der Konterrevolution.  

Lotta Comunista und der Internationalismus

Nach all dem kann man sich fragen, woraus denn der Internationalismus einer Gruppe wie Lotta Comunista - die selber aus der Partisanenbewegung kommt - besteht,  wenn sie diese Erfahrungen nicht einmal mit einem Minimum an Kritik hinterfragt? Auf nichts anderes fokussiert als auf die Vollendung der bürgerlichen Revolution vor der Arbeit für die proletarische Revolution hat sich Lotta Comunista auf all die nationalen Befreiungskämpfe gegen den sogenannten Imperialismus fixiert. Lotta Comunista hat es nicht geschafft, sich die Lehren von Rosa Luxemburg anzueignen, nach denen in der heutigen Epoche der Dekadenz des Kapitalismus alle Staaten, ob klein oder groß, ob stark oder schwach, gezwungen sind, eine imperialistische Politik zu betreiben. Aus diesem Grunde behauptet Lotta Comunista: «Die aktive Intervention gegen alle Ausdrücke der imperialistischen Hauptmacht im eigenen Lande bedeutet, sich in die erste Reihe des internationale Klassenkampfes zu stellen. Teilnehmen an jedem Kampf, der direkt oder indirekt einen oder alle Sektoren des Imperialismus bekämpft, teilnehmen, indem man sich ideologisch und politisch mit seinen eigenen Thesen, Losungen, Resolutionen abgrenzt und die einheitliche Dialektik des Imperialismus denunziert. » Lotta Comunista sieht als Aufgabe « in den Kolonien und Halbkolonien den Kampf mit allen Mitteln gegen den Imperialismus, der sich auf die Aktionen und Initiativen der nationalen Bourgeoisie stützt, welche sich wirklich und konkret gegen die fremden und die lokalen imperialistischen Kräfte richten.»[9] Lotta Comunista druckte sogar all die Artikel von Cervetto wieder ab, die zugunsten von Korea argumentierten: « ...wir sehen als Aufgabe der arbeitenden Massen den Kampf dafür, dass die amerikanischen und chinesischen Truppen das Land verlassen, damit das koreanische Volk sich seiner eigenen nationalen und sozialen Emanzipation zuwenden kann und damit den einzigen revolutionären Weg einschlägt, ohne sowjetische, chinesische oder von der UNO bestimmte Einmischung. »[10] Desgleichen «für die Unabhängigkeit Afrikas »: « Die antiimperialistische Revolte der afrikanischen Bevölkerung ist kein Vorspiel für die Bildung der sozialistischen Gesellschaft auf diesem Kontinent. Es ist eine notwendige Etappe, um eine Bresche in die imperialistische Dominanz zu schlagen, für die Zersetzung der feudalen Schichten, für die Befreiung der notwendigen ökonomischen Kräfte und Energien zur Bildung eines nationalen Marktes und einer industriellen kapitalistischen Struktur. (...) Aus diesem Grunde unterstützen wir die Unabhängigkeitskämpfe in Afrika ».[11] Dies führte Lotta Comunista zur Beweihräucherung bürgerlicher Persönlichkeiten in ihrem Kampf gegen andere Teile der herrschenden Klasse: « Lumumba[12] ist ein Kämpfer der kolonialen Revolution, auf dessen Grabstätte das Proletariat eines Tages eine rote Blume legen wird. Wir, die auf eine marxistische Art die Konfusionen in seinem Werk kritisiert haben und kritisieren, verteidigen ihn gegen Beschimpfungen. (...) Lumumba ist gestorben für die Unabhängigkeit seines Landes. Wir, die Internationalisten, wir verteidigen seinen Nationalismus gegen diejenigen, die aus ihrem (weißen) Nationalismus eine Berufung gemacht haben."[13] Lotta Comunista findet auch zu schmeichelhaften Parolen gegenüber dem Castrismus, welcher „revolutionär wird, trotz seiner Wurzeln, das heißt, er ist gezwungen, endgültig mit seiner Vergangenheit zu brechen".[14] Und zu guter letzt folgendes zu Vietnam: „Für diejenigen, welche wie wir immer den Kampf für die staatliche Einheit als einen Prozess der demokratischen bürgerlichen Revolution in Vietnam befürwortet haben, ist der politische und militärische Sieg Hanois ein historisches Ereignis.".[15]

Schlussfolgerung

Es gäbe noch viele Punkte der Vergangenheit und auch der jetzigen Aktivitäten von Lotta Comunista zu kritisieren. Was konkret hervorsticht ist, dass Lotta Comunista gegenüber dem Klassenkampf und der Frage des Internationalismus nie eine wirklich proletarische Position bezieht. Und deshalb: Trotz all dem guten Willen, den einzelne Genossen von Lotta Comunista als Triebfeder für ihre Arbeit haben mögen, die Aktivitäten von Lotta Comunista gehen in die genau gegenteilige Richtung, als es der Kampf der Arbeiterklasse erfordert.    

Ezechiele, 6.4.2010

[1] Lotta Comunista Nr. 123, November 1980

[2] ebenso

[3] Parodi, Critica del sindicato subalterno,, Verlag Lotta Comunista

[4] Parodi, siehe oben

[5] Viva la Resistenza operaia, Broschüre von Lotta Comunista, April 1975, Seite 5

[6] „Gruppen der Patriotischen Aktion" und „Equipen der Patriotischen Aktion"

[7] siehe: Roberto Battaglia, Storia della resistenza italiana, Einaudi

[8] Viva la Resistenza operaia, Broschüre von Lotta Comunista, April 1975, Seite 5

[9] Aus: L'Impulso, 15. Dezember 1954, heute publiziert in: L'imperialismo unitario, Seite 113, Verlag Lotta Comunista (Unterstreichungen durch uns)

[10] Aus: Il Libertario, 13 Dezember 1950, heute publiziert in: L'imperialismo unitario, Seite 258, Verlag Lotta Comunista

[11] Aus: Azione Comunista Nr. 44, 10 April 1959, heute publiziert in: L'imperialismo unitario, Seite 258, Verlag Lotta Comunista

[12] Patrice E. Lumumba, von Juni bis September 1960 erster Ministerpräsident des unabhängigen Kongo

[13] Aus: Azione Comunista Nr. 59, März 1961, heute publiziert in: L'imperialismo unitario, Seite 326, Verlag Lotta Comunista

[14] Aus: Azione Comunista Nr. 54, Oktober 1960, heute publiziert in: L'imperialismo unitario, Seite 329, Verlag Lotta Comunista

[15] Lotta Comunista Nr.57, Mai 1975, heute publiziert in: L'imperialismo unitario, Seite 1175, Verlag Lotta Comunista

Aktuelles und Laufendes: 

  • Kommunistische Linke und Internationalismus [5]

Politische Strömungen und Verweise: 

  • Außerhalb der Kommunistischen Linken [6]

Historische Ereignisse: 

  • Kriterien zur Kommunistischen Linken [7]

Erbe der kommunistischen Linke: 

  • Angebliche "Arbeiterparteien" [8]

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Links
[1] https://de.internationalism.org/en/tag/aktuelles-und-laufendes/proletarische-stromungen [2] https://de.internationalism.org/en/tag/politische-stromungen-und-verweise/internationalistischer-anarchismus [3] https://de.internationalism.org/en/tag/historische-ereignisse/internationalisten-und-ihre-zusammenarbeit-im-kampf-gegen-den [4] https://de.internationalism.org/en/tag/3/44/internationalismus [5] https://de.internationalism.org/en/tag/aktuelles-und-laufendes/kommunistische-linke-und-internationalismus [6] https://de.internationalism.org/en/tag/politische-stromungen-und-verweise/ausserhalb-der-kommunistischen-linken [7] https://de.internationalism.org/en/tag/historische-ereignisse/kriterien-zur-kommunistischen-linken [8] https://de.internationalism.org/en/tag/2/36/angebliche-arbeiterparteien