Attachment | Size |
---|---|
![]() | 241.66 KB |
Die kapitalistische Zivilisation – dieses Weltsystem, das auf Lohnarbeit und Produktion für den Profit basiert – stirbt. Wie zuvor die Sklavengesellschaft Roms oder die feudale Leibeigenschaft ist die kapitalistische Zivilisation dazu verdammt, zu verschwinden. Aber im Gegensatz zu früheren Systemen droht sie, die gesamte Menschheit mit in den Abgrund zu reißen.
Seit über hundert Jahren werden die Symptome ihres Niedergangs immer deutlicher. Zwei Weltkriege mit einem beispiellosen Grad an Zerstörungen, gefolgt von jahrzehntelangen Stellvertreterkonflikten zwischen zwei imperialistischen Blöcken (USA und UdSSR), die immer die Bedrohung durch einen dritten und letzten Weltkrieg enthielten. Seit dem Zusammenbruch des Ostblocks 1989 haben wir keinen Frieden mehr erlebt, sondern immer chaotischere lokale und regionale Kriege, wie sie derzeit im Nahen Osten wüten. Wir haben globale wirtschaftliche Erschütterungen erlebt, wie in den 1930er, 1970er Jahren oder 2008, die Millionen in Arbeitslosigkeit und Armut gestürzt haben und die Tendenz zu einem offenen Krieg beschleunigen. Und wenn immer es dem Kapitalismus gelang, die Akkumulation wiederherzustellen – sei es nach massiver Zerstörung, wie nach 1945, oder durch Doping mit Schulden –, wird heute immer offensichtlicher, dass gerade das Wachstum und die Expansion des Kapitals den Planeten durch die Zerstörung der Natur selbst vor eine neue Bedrohung stellt.
Im Jahr 1916 wies Rosa Luxemburg, als Antwort auf die Schrecken des Ersten Weltkriegs, auf die Wahl hin, vor der Menschheit stand: "entweder Triumph des Imperialismus und Untergang jeglicher Kultur, wie im alten Rom, Entvölkerung, Verödung, Degeneration, ein großer Friedhof. Oder Sieg des Sozialismus, das heißt der bewussten Kampfaktion des internationalen Proletariats gegen den Imperialismus und seine Methode: den Krieg. Dies ist ein Dilemma der Weltgeschichte, ein Entweder-Oder, dessen Waagschalen zitternd schwanken vor dem Entschluss des klassenbewussten Proletariats.“ (Junius-Broschüre: Krise der Sozialdemokratie, Teil [3] I)
Im Gegensatz zur Sklavengesellschaft, die schließlich dem Feudalismus Platz machte, oder zum Feudalismus, der es wiederum dem Kapitalismus ermöglichte, innerhalb des Feudalismus zu wachsen, wird der Kapitalismus in seinem Todeskampf nicht automatisch zu neuen gesellschaftlichen Beziehungen führen. Eine neue Gesellschaft kann nur durch die "bewusste Kampfaktion des internationalen Proletariats" aufgebaut werden – durch das Zusammenkommen aller Ausgebeuteten der Welt, die sich als eine einzige Klasse mit den gleichen Interessen in allen Teilen der Welt erkennen müssen.
Dies ist eine gewaltige Aufgabe, die durch den Verlust des Gefühls der Klassenidentität in den letzten Jahrzehnten noch erschwert wird, so dass es selbst für viele, die das Gefühl haben, dass mit dem gegenwärtigen System etwas völlig falsch läuft, schwierig zu akzeptieren ist, dass die Arbeiterklasse überhaupt existiert, geschweige denn, dass sie die einzigartige Fähigkeit hat, die Welt zu verändern.
Und doch bleibt die proletarische Revolution die einzige Hoffnung für den Planeten, denn sie bedeutet das Ende aller Systeme, in denen die Menschheit von blinden wirtschaftlichen Kräften beherrscht wird; der notwendige Ausgang zur ersten Gesellschaft, in der die gesamte Produktion bewusst geplant wird, um den Bedürfnissen der Menschheit in ihrer Interaktion mit der Natur gerecht zu werden. Sie basiert auf der Möglichkeit und der Notwendigkeit, dass der Mensch das gesellschaftliche Leben in die eigenen Hände nimmt.
Aus diesem Grund müssen wir uns den Parolen und Methoden der Organisatoren der gegenwärtigen Klimaproteste widersetzen, die uns dazu auffordern, unser demokratisches Demonstrations- oder Wahlrecht auszuüben, um Druck auf Regierungen und politische Parteien auszuüben, damit diese auf die ökologische Krise reagieren. Dies ist eine Täuschung, denn die Rolle all dieser Regierungen und Parteien – ob rechts oder links – besteht darin, genau das System zu verwalten und zu verteidigen, das die Ursache für die vielfältigen Gefahren ist, denen der Planet ausgesetzt ist.
Die Entscheidungen, die uns von den Politikern aller Couleur angeboten werden, stellen uns vor eine falsche Wahl. Weder ein Brexit Großbritanniens noch ein Großbritannien, das in der EU bleibt, werden die Arbeiterklasse vor den Stürmen schützen, die sich in der Weltwirtschaft zusammenbrauen. Die USA, ob sie auf der Grundlage von Trumps "America First"-Vandalismus oder der traditionelleren "multilateralen" Ideologien anderer Fraktionen regiert sind, werden immer eine imperialistische Macht sein, die gezwungen ist, ihren Status gegen alle anderen imperialistischen Mächte zu verteidigen. Regierungen, die den Klimawandel leugnen, oder Regierungen, die über Investitionen in einen "Green New Deal" labern, werden weiterhin verpflichtet sein, eine profitable Volkswirtschaft aufrechtzuerhalten und so unaufhörliche Angriffe auf die Lebensbedingungen der Arbeiterklasse zu führen. Sie werden immer noch dem gleichen Zwang zur Akkumulation unterworfen sein, der die Erde in eine Wüste verwandelt.
Aber es wird behauptet, wir könnten zumindest für eine andere Regierungsmannschaft stimmen, und in Ländern, in denen selbst dieses "Recht" verweigert werde, könnten wir verlangen, dass es uns gewährt werde.
Tatsächlich ist die Illusion, dass wir durch die Abgabe unserer Stimmen alle paar Jahre eine gewisse Kontrolle über den Moloch des Kapitalismus haben können, integraler Bestandteil des gesamten Betrugs der kapitalistischen Demokratie. Die Abstimmung per Wahlen treibt uns nicht nur in die Falle falscher Alternativen, sondern ist selbst Ausdruck unserer Machtlosigkeit, indem sie uns auf atomisierte einzelne "Bürger*innen" dieses oder jenes Staates reduziert.
Der Klassenkampf des Proletariats hat eine echte Alternative zu dieser institutionalisierten Ohnmacht gezeigt. 1917–1919 erhob sich die Arbeiterklasse gegen das Abschlachten im Krieg und bildete Arbeiterräte in Russland, Deutschland, Ungarn und anderen Ländern; Räte von gewählten und abwählbaren Delegierten aus den Betrieben und anderen Versammlungen, die zum ersten Mal das Potenzial für eine bewusste Kontrolle des politischen und sozialen Lebens enthielten. Dieser massive internationale Aufstand beendete den Krieg, da die Herrscher der beiden sich bekriegenden Lager ihre Kräfte vereinen mussten, um die Bedrohung durch die Revolution zu zerschlagen.
Die Menschheit hat für diese Niederlage der Arbeiterklasse einen hohen Preis gezahlt: Die ganze Barbarei der letzten hundert Jahre hat ihre Wurzeln im Scheitern des ersten Versuchs, das Weltkapital zu stürzen. Der Preis dafür wird um so höher werden, wenn die Arbeiterklasse ihre Kräfte nicht wiedererlangt, um einen zweiten Griff nach dem Himmel zu starten.
Das mag als etwas in weiter Ferne Liegendes erscheinen, aber solange es den Kapitalismus gibt, wird es einen Klassenkampf geben. Und weil der Kapitalismus in seiner Agonie keine andere Wahl hat, als die Ausbeutung und Unterdrückung seiner Lohnsklaven zu erhöhen, bleibt das Potenzial für den Widerstand der Lohnsklav*innen erhalten, von der Verteidigung zur Offensive überzugehen, von der wirtschaftlichen zur direkt politischen, von der instinktiven Revolte zum organisierten Sturz des Kapitalismus.
IKS, 16.11.2019
Attachment | Size |
---|---|
![]() | 241.66 KB |
Im Oktober 2019 veranstaltete Extinction Rebellion eine zweiwöchige Herbstrebellion - die "International Rebellion" - die in 60 Städten weltweit geplant war. In Großbritannien ging es um Demonstrationen, die Besetzung von Straßenkreuzungen, das Besteigen von Zügen, die Errichtung eines Gerüsts am Oxford Circus, Provokation, um verhaftet zu werden, die allgemeine Inszenierung von Stunts, alles um dem entsetzlichen Zustand der Umwelt Aufmerksamkeit zu verschaffen. Auf der "theoretischen Seite" bildet das Pamphlet Common Sense for the 21st Century / Only Nonviolent Rebellion Can Now Stop Climate Breakdown and Social Collapse von Roger Hallam, einem der Führer von Extinction Rebellion, die Grundlage für die Tätigkeit von Extinction Rebellion, und ihre Tätigkeit steht im Einklang mit dem Pamphlet. (Die Zitate haben wir daraus entnommen, sofern nicht anders angegeben.)
Die Reaktionen auf die Aktivität von Extinction Rebellion waren unterschiedlich. In der Presse ist man sich einig, dass sie die Aufmerksamkeit auf wichtige Themen lenken, aber man missbilligt, welche Mittel sie zur Erregung des öffentlichen Interesses einsetzen. Es gibt auch Prominente und Linke, die Extinction Rebellion unkritisch unterstützen. Typischerweise lobt die Socialist Workers Party SWP "Menschen, die Verhaftungen und Medienangriffen mit brillanten, kreativen Reaktionen und Widerstand trotzen". "Extinction Rebellion ist in dieser Woche mit einer Vielzahl von Angriffen konfrontiert worden – von den Medien, der Polizei und den rechten Politikern. Dennoch baut Extinction Rebellion eine Bewegung auf, die es geschafft hat, dem wiederholten Druck des Staates standzuhalten – und dabei Spaß zu haben. Sie erheben die Forderungen nach einer radikalen Transformation der Gesellschaft und schaffen einen Raum, um dafür zu kämpfen." Die radikaleren Trotzkisten von wsws.org spenden ihnen auch weitgehend Lob: "Extinction Rebellion versucht, das öffentliche Bewusstsein für die globale Erwärmung zu schärfen, während sie von den Regierungen der Welt politische Veränderungen fordern (....) Die Arbeiter müssen sich energisch gegen die Massenverhaftungen von Demonstranten wenden, deren einziges Verbrechen darin besteht, einen Ausweg aus der schrecklichen Umweltkatastrophe zu suchen, die die Menschheit bedroht."
Inzwischen gibt es die traditionellen konservativen Reaktionen auf die Proteste, welche Extinction Rebellion-Aktionen als Belästigung, als Aktionen von Hippies und Crusties charakterisieren. Daneben gibt es die "Konträren" von Spiked, die „gegen den Krieg von Extinction Rebellion gegen die Arbeiterklasse" sind. „Diese Öko-Schickeria zeigt jede Menge Abscheu gegenüber den Forderungen der Armen." Als ein Extinction Rebellion-Protestler vom Dach eines U-Bahn-Zuges gezogen und von Pendlern angegriffen wurde, erklärte Spiked, dass „die heutigen Auseinandersetzungen in der U-Bahn zwischen den Pendlern aus der Arbeiterklasse und den über viel Zeit verfügenden bürgerlichen Angstmachern des Extinction Rebellion-Kults ein wunderbares Beispiel für die elitäre Natur der Ökopolitik und die wachsende öffentliche Wut auf die Öko-Agenda sind“.
Für eine ernsthafte Kritik an Extinction Rebellion ist es notwendig, die Werkzeuge des Marxismus zu nutzen, soziale Phänomene im Kontext der kapitalistischen Gesellschaft zu verstehen, im Interessenkonflikt zwischen der herrschenden Kapitalistenklasse und der Arbeiterklasse – einer Klasse die ausgebeutet wird, aber die Fähigkeit hat, den Kapitalismus zu stürzen. Hallams Werk ist nicht nur eine theoretische Grundlage für ihre verschiedenen Protestmittel: Es zeigt auch, auf welcher Seite Extinction Rebellion im Kampf der Klassen steht.
Common Sense widersetzt sich auf den ersten Blick den "Reformisten": „Sie bieten graduelle Lösungen an, die ihrer Meinung nach funktionieren werden. Es ist an der Zeit zuzugeben, dass dies falsch ist, und es ist eine Lüge. Sie lenken damit die öffentliche Meinung und die Aufmerksamkeit und Energie der Öffentlichkeit von der anstehenden Aufgabe ab: radikale kollektive Aktionen gegen das politische Regime, das unseren kollektiven Selbstmord plant“. Und doch ist exakt die gesamte Politik von Extinction Rebellion reformistisch. Alle anderen sozialen Fragen sollen offenbar auf Eis gelegt werden, bis sich der Kapitalismus verpflichtet, die "Klimakrise" anzugehen! Dies wird auch in der Behauptung der Zeitung Guardian bestätigt, dass „die Klimakrise das bestimmende Thema unserer Zeit ist“.
Das zentrale Anliegen von Extinction Rebellion ist die Umwelt und die Möglichkeit, dass der kapitalistische Staat durch Maßnahmen wie Steuern und Zölle und die Stilllegung schädlicher Technologien einen ökologischen Massenmord verhindern kann. In Theorie und Praxis wollen sie die Aufmerksamkeit auf die Ökologie als eigenständiges Thema lenken und vom Kapitalismus als globalem System ablenken, das zu imperialistischen Kriegen und ökologischen Verwüstungen führt. Besonders aufschlussreich ist die Haltung von Extinction Rebellion gegenüber dem Repressionsapparat des Staates. Common Sense sagt: „Ein proaktiver Ansatz gegenüber der Polizei ist ein wirksames Mittel, um im gegenwärtigen Kontext einen massiven zivilen Ungehorsam zu ermöglichen. Das bedeutet, mit der Polizei Kontakt aufzunehmen, sobald sie vor Ort ankommt, und zwei Dinge klar zu sagen: ‚Dies ist eine gewaltfreie friedliche Aktion‘ und ‚wir respektieren es, dass Sie hier Ihre Arbeit tun müssen‘. Wir haben wiederholt Beweise dafür erbracht, dass sich die Polizisten dadurch beruhigen und den Weg für spätere zivile Interaktionen ebnen. Die Aktionen von Extinction Rebellion haben die Polizei bei der Verhaftung und auf den Polizeiwachen stets höflich behandelt". Extinction Rebellion ist stolz darauf, vernünftig und kooperativ zu sein. „Oft ist ein persönliches Treffen mit der Polizei effektiv, da sie verstehen können, dass die Menschen, mit denen sie es zu tun haben, vernünftig und kommunikativ sind“. Extinction Rebellion sieht kein Problem darin, dass die Polizei ihre Veranstaltungen managt: „Es ist besser für die Polizei, einen geordneten und kostengünstigen Auftritt zu bewältigen, der mit unserem Interesse vereinbar ist, so dass eine große Anzahl von Menschen an einem symbolischen und dramatischen Akt teilnimmt." Aus der Sicht der herrschenden Klasse wird Extinction Rebellion nicht als Bedrohung für die Machthaber angesehen, sondern lediglich als gelegentliches Ärgernis für den Verkehr.
Die Führung von Extinction Rebellion sieht die Polizei nicht als Bedrohung, im Gegenteil, sie wird als Instrument gesehen, mit welchem die Popularität von Extinction Rebellion durch zahlreiche Verhaftungen unterstützt wird. Wie andere Kritiker bereits sagten: "Extinction Rebellion-Führer sind mehr als respektvoll gegenüber der Polizei. Sie unterstützen sie aktiv bei der Verhaftung und auch die Gerichte bei der Verurteilung." (https://libcom.org/blog/extinction-rebellion-not-struggle-we-need-pt-1-1... [8]). Dieser Artikel des Kollektivs Out of the Woods berichtet auch, dass "Hallam behauptet, dass die Londoner Metropolitan Police ‚wahrscheinlich eine der zivilisiertesten Kräfte der Welt ist‘“.[1] Entgegen der Ansicht von Extinction Rebellion ist die historische Erfahrung der Ausgebeuteten und Unterdrückten, dass die Polizei zusammen mit den Gerichten, Gefängnissen, Sicherheitsdiensten und der Armee integraler Bestandteil des Repressionsapparates des kapitalistischen Staates sind. Sie existieren, um die Institutionen der herrschenden Klasse im Interesse der ausbeuterischen Bourgeoisie zu verteidigen. Allem, was die kapitalistische Ordnung bedroht, wird durch die Staatsgewalt und insbesondere durch die Polizei entgegengetreten.
Extinction Rebellion behauptet, Fürsprecherin einer Art "Revolution" zu sein, aber sie meinen, dass „ein dogmatisches Streben nach diskreditierten revolutionären Modellen sozial ruinös sein kann". Hallam ist so zuversichtlich, dass die Extinction Rebellion-Vision der Schlüssel sei, und dass wir ohne sie „mit orientierungslosen, ziellosen und spontanen Aufständen zurückgelassen werden (…) von denen Untersuchungen zeigen, dass sie normalerweise zu autoritären Ergebnissen und Bürgerkrieg führen". Common Sense fragt, warum „revolutionäre Episoden in den letzten 30 Jahren kläglich gescheitert sind" und sagt, dass die Antwort in „der grundlegendsten Frage der Politik - Wer entscheidet?- liegt". Es ist nicht ersichtlich was mit diesen letzten "revolutionären Episoden" gemeint ist. Wir könnten uns fragen, welche "revolutionären Episoden" in den letzten 30 Jahren stattgefunden haben. Hallam bezieht sich auf Ägypten und die Ukraine, sowie auf die "Gilets jaunes" in Frankreich. In Wirklichkeit war keine dieser Bewegungen revolutionär: Die Ereignisse auf dem ukrainischen Maidan-Platz im Jahr 2014 waren vollständig von Nationalismus durchdrungen, die "Gilets jaunes" sind eine vom Populismus dominierte interklassistische Bewegung. Die Ereignisse in Ägypten im Jahr 2011 waren anders, weil es einen deutlichen Einfluss des Klassenkampfes gab, aber sie waren noch weit davon entfernt, die Frage nach dem Sturz des kapitalistischen Systems überhaupt zu stellen. Hallam verwendet hier einen bekannten Trick: Das Konzept der Revolution entwerten – womit sie jede Art sozialer Unruhe oder politischem Coup meinen – und verdecken, was Revolution bedeutet und wie sie zustande kommen kann. Für Marxisten ist die einzige revolutionäre Kraft in der kapitalistischen Gesellschaft die Arbeiterklasse, und eine proletarische Revolution ist der einzige Prozess, der den kapitalistischen Staat stürzen kann. Common Sense hat eine komplett andere Sicht auf die Welt.
Zum einen gibt es eine Reihe von verschiedenen Elementen, die das Extinction Rebellion-Konzept der "Rebellion" ausmachen. Hallam stellt den Fall dar, als wäre er Ergebnis einer seriösen wissenschaftlichen Studie: "Historische Untersuchungen zeigen, dass erfolgreiche zivile Widerstandsepisoden drei bis sechs Monate dauern". Oder: "Der effektivste Akt des zivilen Massenungehorsams besteht darin, dass eine beträchtliche Anzahl von Menschen (zunächst mindestens 5000-10`000) den öffentlichen Raum in einer Hauptstadt von mehreren Tagen bis mehreren Wochen besetzen". All dies geht einher mit der Ansicht, dass „1% der Bevölkerung die Störung verursachen wird". Eines der 10 Grundprinzipien von Extinction Rebellion ist die "Mobilisierung von 3,5% der Bevölkerung für einen Systemwandel". Dies ist ein klassisches Beispiel von Elitismus. Auf die Frage "Wer entscheidet“, lautet die Antwort: eine kleine Minderheit, mobilisiert von Extinction Rebellion, die den Staat irgendwie zu Verhandlungen zwingen wird: "Wenn die Behörden die Fähigkeit verlieren, die Massenmobilisierung zu stoppen, ist das Regime gezwungen zu verhandeln".
Die kapitalistische Gesellschaft hat die Menschheit in eine tödliche Sackgasse geführt, und es gibt keinen Ausweg daraus, außer durch eine massive und radikale Mobilisierung der Arbeiterklasse und den gigantischsten Bewusstseinswandel der Menschheitsgeschichte. Mit nur einer kleinen Minderheit bei der Umsetzung zu rechnen, heißt sich lustig zu machen über die enorme Herausforderung für die Arbeiterklasse und die Menschheit.
Extinction Rebellion fühlt sich wohl mit den Institutionen der bürgerlichen Herrschaft. Hallam und einige andere Extinction Rebellion-Aktivisten kandidierten bei den Europa-Wahlen 2019. Natürlich behaupteten sie, keine politische Partei zu sein, aber sie standen gerne an der Seite aller anderen bürgerlichen Politiker, die ihre ideologischen Botschaften feilboten, Propaganda zur Klimafrage betrieben und ihre Waren in die bekannten Regale stellten neben Nationalismus, Populismus, Rassismus, Stalinismus und all die anderen Kampagnen für Veränderungen im Kapitalismus. Zu verschiedenen Zeitpunkten schlägt Common Sense verschiedene Gremien vor, die am "sozialen Wandel" beteiligt sein sollen. So propagieren sie beispielsweise die Idee einer "Nationalen Bürgerversammlung, die nach Zufallsauswahl ausgewählt wird, um das Maßnahmenprogramm zur Bewältigung der Krise auszuarbeiten. Bei der Zufallsauswahl werden die Mitglieder der Versammlung nach dem Zufallsprinzip aus der gesamten Bevölkerung ausgewählt, und durch Stichprobenentnahmen wird sichergestellt, dass sie für die demografische Zusammensetzung des Landes repräsentativ ist". Ähnliches befürwortet auch die konservative Regierung. Briefe wurden an 30`000 Haushalte in ganz Großbritannien verschickt, in denen die Menschen zur Teilnahme an einer Bürgerversammlung zum Thema Klimawandel eingeladen wurden. "Die Eingeladenen zur Climate Assembly UK wurden nach dem Zufallsprinzip aus ganz Großbritannien ausgewählt. Von den Befragten werden 110 Personen als repräsentative Stichprobe der Bevölkerung ausgewählt" (Guardian 02.11.2019). Dies ist keine Grundlage für den "sozialen Wandel", da all dies mit den anderen Institutionen der bürgerlichen Demokratie in komplettem Einklang steht. Solche harmlosen Versammlungen stehen im krassen Gegensatz zu den Versammlungen oder Räten, die von der Arbeiterklasse bei ihren Versuchen, ihre Interessen zu verteidigen, geschaffen wurden und die letztendlich die Fähigkeit haben, den Kapitalismus zu stürzen.
Um verantwortungsbewusste Entscheidungen treffen zu können, braucht die Arbeiterklasse keine Delegierten, die nach dem Zufallsprinzip aus der breiten Bevölkerung ausgewählt werden, sondern Delegierte, die klare Positionen, eine politische Überzeugung und eine Orientierung haben, wie man die Wurzeln der Mechanismen der kapitalistischen Zerstörung angeht. Wir können unser Schicksal nicht in die Hände einer „Lotterieauswahl“ von Delegierten legen: Wir müssen darauf vertrauen können, dass Delegierte für die Arbeiterräte unsere Interessen wirklich vertreten und verteidigen. Da solche Delegierte nur als Ausdruck einer Klasse in politischer Bewegung handeln können, sind Arbeiterräte ein Instrument der Arbeiterklasse, um ein "Kräfteverhältnis" zu schaffen, bei dem die herrschende Klasse zurückgedrängt und der Boden für ihren Sturz bereitet werden kann.
Zu den weiteren Vorschlägen von Hallam gehören Volksversammlungen, die ökologische Fragen diskutieren. Im Gegensatz zur Selbstorganisation der Arbeiterklasse und zur Diskussion innerhalb einer assoziierten Klasse, werden in Hallams Versammlungen "Experten aus der ganzen Welt helfen können, Moderatoren auszubilden und Tagesordnungen zu erstellen". Hier haben wir Gremien, die von "Experten" geleitet werden, um "Moderatoren" auszubilden und Tagesordnungen festzulegen ohne jede Absicht, die bestehende Ordnung zu gefährden.
Obwohl sich Extinction Rebellion als eine Bewegung des "Volkes" im Allgemeinen versteht, anerkennen sie die Notwendigkeit, mehr Teile der Arbeiterklasse für ihre Kampagnen zu gewinnen. Sie möchten "eine Massenbewegung aufbauen und so die Umweltbewegung aus der bürgerlichen Blase herauszuführen, die sie seit Jahrzehnten bestimmt“. In diesem Zusammenhang stellt Extinction Rebellion fest, dass „die Arbeiterklasse in den Umweltbewegungen des Vereinigten Königreichs fast völlig abwesend ist". Aber das Problem mit Extinction Rebellion ist nicht der Mangel an Vielfalt. Das Problem besteht darin, dass berechtigte Ängste über dem Klimawandel mit einigen spektakulären Aktionen in eine Spielart des Reformismus gelenkt werden.
Während Extinction Rebellion behauptet, die Gesellschaft verändern zu wollen, bleibt in Wirklichkeit ihr gesamtes Projekt innerhalb der Grenzen des Kapitalismus. Sie will den Apparat der kapitalistischen Demokratie nicht umstoßen. "Das Parlament würde bestehen bleiben, aber in beratender Funktion für diese Versammlung von gewöhnlichen Menschen, die zufällig aus dem ganzen Land ausgewählt wurden und über die zentrale Frage unseres heutigen nationalen Lebens beraten werden – wie vermeiden wir das Aussterben?" Sie setzen auch auf Kommunalverwaltungen und NGOs wie Greenpeace und Friends of the Earth. Grundsätzlich wird das Ziel von Extinction Rebellion bezüglich der ökologischen Probleme innerhalb eines Landes und innerhalb des heutigen kapitalistischen Systems als möglich angesehen. Trotz der "Korruption" des politischen Systems könne die "politische Klasse" dazu gebracht werden, zu verhandeln und alles, was der Umwelt schade, rückgängig zu machen.
In Common Sense gibt es viele Ratschläge, wie man sich den Medien nähert, wie man spricht, was man sagt, wie man einen Jargon vermeidet. Implizit erkennt man im ganzen Pamphlet eine Basis von Werten. So wird gesagt, dass "Worte wie Ehre, Pflicht, Tradition, Nation und Vermächtnis bei jeder Gelegenheit verwendet werden sollten." So liest man über die Verwendung von "Martin Luther Kings Reden als Paradebeispiel dafür, wie man den Rahmen des Nationalstolzes zurückgewinnt." Seit ihrer Gründung im April 2018 hat sich Extinction Rebellion von Grossbritannien auf andere Länder wie die USA, Australien, Deutschland und auch andere Teile Europas ausgedehnt. Obwohl international präsent, ist ihre Perspektive an den Nationalstaat, den Rahmen des Kapitalismus, gebunden und hat keine Probleme mit dem "Nationalstolz". Im Gegenteil scheint Extinction Rebellion die Wiederbelebung von Werten wie denjenigen des Nationalstolzes, der integraler Bestandteil aller Formen der bürgerlichen Ideologie ist, uneingeschränkt zu befürworten.
Obwohl sie sich in einen "radikalen" Protestansatz kleiden, ist Extinction Rebellion bei wirtschaftlichen Maßnahmen vorsichtig: "Direkte Aktionen, als Mittel zur Schaffung eines politischen Wandels, wurden einer vereinfachten Analyse unterzogen, bei der Gewinn und Verlust in engen materiellen Dimensionen betrachtet werden. Es gibt ein starkes Argument für diesen Ansatz, denn Konfrontation, Streiks, Blockaden, Streikposten, Stillstände, wirtschaftliche Bedrohungen und Störungen können durchaus Gegner an den Tisch bringen – wie der langfristige Erfolg vieler Arbeiterstreiks auf der ganzen Welt zeigt." Ohne auf den "langfristigen Erfolg vieler Arbeiterstreiks" einzugehen (es werden keine Beweise vorgelegt), ist Hallam besorgt, dass "die Erhöhung der wirtschaftlichen Kosten für einen Gegner stark polarisierend ist". Er glaubt, dass der Kampf um "Herzen und Verstand" wichtiger ist als ein wirtschaftlicher Kampf. Für die Arbeiterklasse ist der "wirtschaftliche Kampf" jedoch Teil der Verteidigung ihrer Klasseninteressen. Im Kampf der politischen Positionen gibt es einen ablouten Gegensatz zwischen den Protesten von Extinction Rebellion gegen die Klimakrise, die den bürgerlichen Staat zur Vernunft bringen wollen, und der zentralen Auffassung des Marxismus: mit der revolutionären Fähigkeit der Arbeiterklasse den Kapitalismus zu stürzen, was nur aus dem Kampf zur Verteidigung ihrer materiellen Interessen heranwachsen kann.
Anscheinend ist Arbeit von Hallam und Extinction Rebellion von Why Civil Resistance Works: Die strategische Logik gewaltfreier Konflikte von Erica Chenoweth und Maria Stephan inspiriert worden. Stephan ist eine Strategin des US-Außenministeriums und hat im European/NATO Policy Office des US-Verteidigungsministeriums und im NATO-Hauptquartier in Brüssel gearbeitet. Ideen aus diesen Kreisen werden wohl kaum dazu beitragen, den kapitalistischen Staat oder andere Institutionen der bürgerlichen Herrschaft herauszufordern!
Es gibt eine sehr weit verbreitete Besorgnis über den Zustand des Planeten und den Wunsch, auf das zu reagieren, was im Kapitalismus alles auf uns zukommt. Aber Extinction Rebellion verbreite eine Ideologie und eine Karrikatur von Protesten, um solche Sorgen und militante Energien zu vereinnahmen und sie in die Unterstützung des kapitalistischen Systems einzuspannen, welches die wirkliche Wurzel der Umweltzerstörung ist. Wie bei der Propaganda aller grünen Parteien in den letzten 40 Jahren oder der jüngsten Kampagne um Greta Thunberg ist es eine gefährliche Illusion zu glauben, dass der Kapitalismus der Umweltzerstörung Einhalt gebieten kann.
Der Kapitalismus gibt bei weitem nicht nach, er zieht die gesamte Menschheit immer dramatischer mit in den Strudel der Zerstörung hinein. Die Interessen der Arbeiterklasse stehen im absoluten Gegensatz zum Kapital und können in dieser Gesellschaft nicht befriedigt werden. Der Zustand des Planeten Erde kann nur durch den Sturz des Kapitalismus durch die Arbeiterklasse verbessert werden. Dies kann nicht von einer Minderheit erreicht werden, egal wie entschlossen diese ist. Es erfordert ein Bewusstsein, welches über die bloße Erkenntnis über den Zustand der Umwelt hinausgeht. Die Zeit ist nicht auf der Seite der Arbeiterklasse, und Aktionen und Kampagnen wie die von Extinction Rebellion verlängern lediglich aktiv das Leben des kapitalistischen Systems.
Eine gemeinsame Antwort dieser radikalen Ökolog*innen auf diejenigen, die darauf bestehen, dass einzig die Weltrevolution die Probleme des Kapitalismus überwinden kann, lautet: „Wir haben keine Zeit dafür.“ Aber da die Ideologie von Extinction Rebellion und ähnlicher "Radikaler" dazu dient, Umweltbelange in bürgerliche Sackgassen zu lenken, ist sie nichts anderes als eine Bremse für die Entwicklung des Klassenbewusstseins und das Potential einer Revolution.
Barrow, November 2019
[1] Ein libertäres Kollektiv, das einen Blog auf libcom über Umweltfragen hat. Sie haben kürzlich den zweiten Teil ihrer Kritik an Extinction Rebellion verfasst und sich dabei der Wirklichkeit einer Hierarchie hinter dem Anspruch, eine "Holokratie" ohne Führer zu sein, gewidmet. https://libcom.org/article/extinction-rebellion-not-struggle-we-need-pt-2 [9]
Medienkampagnen zum Klimawandel stellen oft die dringende Notwendigkeit, die Freisetzung von Treibhausgasen zu stoppen, den besonderen Bedürfnissen der Arbeiter*innen oder sogar denen der „Ungebildeten“ gegenüber. So wird zum Beispiel von den Gelbwesten in Frankreich berichtet, die ursprünglich gegen eine CO2-Abgabe protestierten, weil die Benzinpreise sich ungeheuer verteuerten, während es keine ausreichenden öffentlichen Verkehrsmittel gibt; oder man verbreitete die Parole „Trump gräbt Kohle ab“, als er ankündigte, die Kohleindustrie und die dort beschäftigen Bergarbeiter zu verteidigen. Die Kampagne für einen Green New Deal (oder manchmal auch eine Grüne Industrielle Revolution) behauptet, die Probleme Klimawandel, Arbeitslosigkeit und Ungleichheit gleichzeitig lösen zu können. Zum Beispiel: „Der Green New Deal des Sunrise Movement würde die Treibhausgasemissionen aus den Bereichen Strom, Transport, Produktion, Landwirtschaft und anderen Sektoren innerhalb von 10 Jahren eliminieren. Er würde auch auf 100% erneuerbare Energien abzielen und beinhaltet ein Programm zur Arbeitsplatzgarantie, um jedem, der es wünscht, einen lebenslangen Lohn zu sichern“. Dieser Green Deal würde versuchen, „tief verwurzelte rassische, regionale und geschlechtsspezifische Ungleichheiten bei Einkommen und Vermögen abzuschwächen“.[1]
Die Notwendigkeit, den zerstörerischen Auswirkungen des Kapitalismus auf die Natur und insbesondere der Gefahr von Treibhausgasen, die den Klimawandel antreiben, zu begegnen, ist unbestreitbar. Dasselbe betrifft die Zunahme der dem Kapitalismus innewohnenden Ungleichheit oder die Tatsache, dass Ökonomen bereits auf die Zunahme der Verschuldung und den Handelskrieg zwischen den USA und China als Zeichen einer neuen Rezession hinweisen. Es lässt den Green New Deal einleuchtend und fast als ein Kinderspiel erscheinen.
Diejenigen, die vor Betrügern warnen, sagen, wenn ein Geschäft zu gut klinge, um wahr zu sein, dann treffe der Verdacht wohl auch zu. Werfen wir einen genaueren Blick auf den Green New Deal – unter Berücksichtigung der staatskapitalistischen Maßnahmen von Roosevelts New Deal in den 1930er Jahren; der Unfähigkeit des kapitalistischen Nationalstaates, ein globales Problem anzugehen; unter Berücksichtigung der Auswirkungen der Politik für die Umwelt; und vor allem der Art und Weise, wie die Politik das wahre Wesen des Kapitalismus verschleiert und darauf abzielt, die Entwicklung des Bewusstseins und des Kampfes der Arbeiterklasse zu untergraben.
Der Green New Deal orientiert sich an einer staatskapitalistischen Politik in den 1930er Jahren, um das Wirtschaftswachstum als Reaktion auf die Depression wieder anzukurbeln[2]. Der New Deal selbst stützte sich auf die Erfahrung mit der staatlichen Lenkung der Wirtschaft 1917-18 während des Ersten Weltkriegs, und neben der Finanzierung der dringend benötigten Infrastruktur baute die Public Works Administration PWA (Anstalt für öffentliche Arbeit) „zahlreiche Kriegsschiffe, darunter zwei Flugzeugträger; das Geld kam von der PWA. Die PWA baute auch Kriegsflugzeuge, während die Works Progress Administration WPA Militärbasen und Flugplätze baute“[3]. Dabei ähnelte das Programm in vielem der Politik Deutschland damals, als viele der Autobahnen im Zuge der Vorbereitung auf den nächsten Krieg gebaut wurden.
Der Klimawandel ist ein globales Problem, das nicht von einer Nation getrennt von den anderen angegangen werden kann, aber der Green New Deal will genau das tun: „Ein Grüner Neuer Deal für Großbritannien ...“, „Schottland ist aufgrund seines Reichtums an erneuerbaren Ressourcen einzigartig positioniert ...“[4], „... mit dem Ziel, die Verschmutzung der US-Treibhausgase praktisch zu beseitigen ...“[5]. Das ist Unsinn: Selbst die Verbuchung der Treibhausgasproduktion auf nationaler Ebene ist ein Betrug, wenn zum Beispiel 40% des britischen Verbrauchs von Gütern, deren Produktion Treibhausgase verursacht, importiert werden und somit nicht in den nationalen Statistiken erscheinen. Der Kapitalismus verschmutzt weltweit, und das erstreckt sich bis in die entferntesten Regionen der Ozeane und in die abgelegensten Teile der Arktis.
Scheinbar einfache Ideen für ein neues Wachstum auf der Grundlage grüner Energie mögen versprechen, das Wirtschaftswachstum auf der Grundlage staatlicher Ausgaben aufrechtzuerhalten, aber sie basieren nicht auf einer echten globalen Berücksichtigung der Auswirkungen der Umweltzerstörung und der Treibhausgase, die sie verursachen würden. Der Umstieg auf erneuerbare Energien erfordert große Mengen an Seltenerdmetallen, von denen allein 70% in China abgebaut werden, was eine enorme Verschmutzung verursacht. Die Lithiumproduktion in der chilenischen Atacama-Wüste hat bereits Salzwasserseen zerstört, an denen Flamingos leben; hat den Grundwasserpegel der Süßwasserbestände gesenkt, wodurch die Landwirtschaft in der Region zerstört wurde. Inzwischen geben sich zwei Firmen, Albemarle und SQM, gegenseitig die Schuld, weil sie die Vorschriften missachtet haben. Kobalt soll nun vom Meeresboden abgebaut werden ohne ein Verständnis dafür, was dies für die Ökologie eines Teils der Welt bedeutet, von dem wir nur wenig wissen – und da es für erneuerbare Energien notwendig ist, soll dies angeblich „den Planeten retten“. Wenn wir neue Elektroautos kaufen müssen, wird dies zweifellos die Automobilindustrie unterstützen, aber wer berechnet die Treibhausgasemissionen aus dieser zusätzlichen Produktion?
Um zu verstehen, wie die kapitalistische Zivilisation so verschwenderisch mit der Welt sein kann, von der wir alle abhängen, ist es notwendig, das Wesen des Kapitalismus selbst zu verstehen.
Der Green New Deal verspricht, die Zerstörung der Umwelt, insbesondere den Klimawandel, mit Hilfe des bürgerlichen Staats innerhalb des Kapitalismus zu verhindern, aber das ist nicht möglich. Der Kapitalismus ist keine Politik, deren Gesetze von einem Parlament nach Belieben gewählt oder geändert werden könnten, sondern das Ergebnis der langen historischen Entwicklung der Mechanismen der kapitalistischen Produktionsweise. Ein wichtiger Schritt dazu war die Trennung der Produzierenden von ihren Produktionsmitteln, z.B. als die Bauern und Bäuerinnen vom Land vertrieben wurden, zugunsten von Schafen für die lukrativere Wollindustrie.
Dadurch entstand ein System der allgemeinen Warenproduktion, der Produktion für den Markt. Anstelle von Bauern und Bäuerinnen, die fast alles selbst produzieren konnten, was sie brauchten, traten die Lohnarbeiter*innen, die alles kaufen mussten. Die Kapitalisten, für die sie arbeiten – ob Einzelunternehmer, Unternehmen, multinationale oder staatliche Industrie – stehen in Konkurrenz zueinander, um mit Gewinn zu verkaufen. Der Green New Deal kann nichts daran ändern, wie der Kapitalismus funktioniert.
Das Kapital muss alles in Gold verwandeln: Alles, was es produziert, muss mit Gewinn verkauft werden, wenn das Unternehmen überleben will. Aber für das Kapital sind die Ressourcen der Natur ein kostenloses Geschenk, wie Marx gezeigt hat: „Naturelemente, die in die Produktion als Agentien eingehen ohne zu kosten, welche Rolle sie immer in der Produktion spielen mögen, gehen nicht als Bestandteil des Kapitals in sie ein, sondern als Gratisnaturproduktivkräfte des Kapitals, d.h. als eine Gratisnaturproduktivkraft der Arbeit, die sich aber auf Basis der kapitalistischen Produktionsweise, wie alle Produktivkräfte, als Produktivkraft des Kapitals darstellt“[6]. Im Kapitalismus hat das, was nichts kostet, keinen (Tausch-)Wert; es kann nach Belieben genutzt und verwertet werden. In diesem Rahmen ist ein nicht in Geld verwertbarer Regenwald wertlos. Ein Landwirt, der Bäume des Regenwaldes fällt, weil er Palmöl, Soja oder eine andere Kulturpflanze pflanzen will, ist dazu gezwungen, weil er damit das meiste Geld verdienen kann, oder weil es der einzige Weg ist, um genug zu verdienen und zu überleben. Im Kapitalismus kann die Frage, ob eine wirtschaftliche Tätigkeit den Bedürfnissen der Natur und der Menschheit dient, nicht gestellt werden. Für den Kapitalismus lautet die Frage einzig, ob die Tätigkeit profitabel ist.
Als sich der Kapitalismus im 19. Jahrhundert auf der Welt ausdehnte, verschmutzte und zerstörte er bereits die Natur. Die Verschmutzung durch Bergbau und Industrie ist ebenso bekannt wie die Geschichte der Abwässer, die in den Großstädten entstanden. Die Wirkung auf den Boden ist weniger bekannt. „Wie in der städtischen Industrie wird in der modernen Agrikultur die gesteigerte Produktivkraft und größre Flüssigmachung der Arbeit erkauft durch Verwüstung und Versiechung der Arbeitskraft selbst. Und jeder Fortschritt der kapitalistischen Agrikultur ist nicht nur ein Fortschritt in der Kunst, den Arbeiter, sondern zugleich in der Kunst, den Boden zu berauben, jeder Fortschritt in Steigerung seiner Fruchtbarkeit für eine gegebne Zeitfrist zugleich ein Fortschritt in Ruin der dauernden Quellen dieser Fruchtbarkeit. Je mehr ein Land, wie die Vereinigten Staaten von Nordamerika z.B., von der großen Industrie als dem Hintergrund seiner Entwicklung ausgeht, desto rascher dieser Zerstörungsprozeß. Die kapitalistische Produktion entwickelt daher nur die Technik und Kombination des gesellschaftlichen Produktionsprozesses, indem sie zugleich die Springquellen alles Reichtums untergräbt: die Erde und den Arbeiter.“[7]
Was Marx für das 19. Jahrhundert zeigte, hat sich nur verschlimmert. Am Ende des 19. Jahrhunderts schrieb Kautsky: „Hilfsdünger (...) ermöglichen es, der Verringerung der Bodenfruchtbarkeit vorzubeugen, aber die Nothwendigkeit, sie in steigendem Maße anzuwenden, bedeutet nur eine weitere unter den vielen Belastungen der Landwirthschaft, die keine Naturnothwendigkeit sind, sondern aus den bestehenden sozialen Verhältnissen entspringen. Bei Aufhebung des Gegensatzes von Stadt und Land, oder wenigstens von dicht bevölkerter Großstadt und verödetem flachen Lande würden die dem Boden entzogenen Stoffe ihm immer wieder völlig zurückfließen können (...).“[8] Seitdem ist die Landwirtschaft wie die Industrie enorm gewachsen, ihre Erträge und Produktivität sind massiv gestiegen, und die zu ihrer Erhaltung notwendigen Düngemittel sind zu einer echten Bedrohung für Boden und Wasser geworden.
So umweltschädlich, mörderisch und ausbeuterisch der Kapitalismus auch war, als er sich auf der ganzen Welt ausbreitete, die Zeit seit dem Ersten Weltkrieg hat eine wahre Spirale der Zerstörung der Natur und des menschlichen Lebens erlebt. Dem Ersten Weltkrieg folgte der Zweite, und die lokalen Kriege, die von größeren imperialistischen Mächten unterstützt wurden, haben sich seitdem vervielfacht. Und Kapitalisten und Staaten wurden zu einer schärferen wirtschaftlichen und militärischen Konkurrenz gezwungen. Die Zerstörung der Umwelt hat nur neue Dimensionen erreicht. Kapitalistische Unternehmen, ob privat oder staatlich geführt, haben ihre Umweltverschmutzung und den Raub der Ressourcen der Erde auf ein beispielloses Maß erhöht. Hinzu kommen die Verschmutzung und Zerstörung durch das Militär und in Kriegen (siehe „Ökologische Katastrophe: das Gift des Militarismus“ auf unserer Website[9]).
Die Gefahr für die Umwelt, das Klima, kurz gesagt für die Natur kann nicht überwunden werden, ohne den Kapitalismus zu stürzen. Der Green New Deal wird nicht erfolgreicher sein als das Emissionshandelssystem, das versucht hat, die Treibhausgasemissionen durch Marktmechanismen zu begrenzen. Schlimmer noch, indem man falsche „Lösungen“ anbietet, verbreitet dies nur Illusionen in der Arbeiterklasse, was die Existenz dieses Systems verlängert und die Gefahr erhöht, dass es unwiderruflich in der Barbarei versinkt.
Alex, 17.11.2019
[1]https://www.theguardian.com/environment/2018/dec/29/green-new-deal-plans-proposal-ocasio-cortez-sunrise-movement [10]
[2]Siehe unseren Artikel auf der englischsprachigen Webseite: 90 years after the 1929 crash: decadent capitalism can never escape the crisis of overproduction, https://en.internationalism.org/content/16760/90-years-after-1929-crash-decadent-capitalism-can-never-escape-crisis-overproduction#_ftnref2 [11]
[5]https://www.theguardian.com/environment/2018/dec/29/green-new-deal-plans-proposal-ocasio-cortez-sunrise-movement [10]
[6]Karl Marx - Friedrich Engels - Werke, Bd. 25, Das Kapital, Bd. III, Sechster Abschnitt, S. 747–755, Dietz Verlag, Berlin/DDR, 1983, www.mlwerke.de/me/me25/me25_747.htm [14]
[7]Karl Marx - Friedrich Engels - Werke, Band 23, Das Kapital, Bd. I, Vierter Abschnitt, S. 483 – 530, Dietz Verlag, Berlin/DDR, 1968, www.mlwerke.de/me/me23/me23_483.htm [15]
[8]Karl Kautsky, Die Agrarfrage, Kapitel IX: Die wachsenden Schwierigkeiten der warenproduzirenden Landwirthschaft, d) Die Ausbeutung des Landes durch die Stadt
Die Frage des Klimawandels steht heute im Mittelpunkt des politischen und medialen Interesses. Die Herausforderung besteht nicht darin, uns heute von der Realität dieser gegenwärtigen und zukünftigen Katastrophe zu überzeugen. Es besteht kein Zweifel daran, dass das derzeitige System die Menschheit in eine Öko-Katastrophe führt. Jeden Tag werden uns neue Beweise vor Augen geführt: beispiellose Hitzewellen, Waldbrände im Amazonasgebiet, schmelzende Gletscher, Überschwemmungen, Aussterben ganzer Arten - mit der möglichen Folge, dass die menschliche Spezies selbst ausstirbt. Und selbst wenn es keine globale Erwärmung gäbe, wären Boden, Luft, Flüsse und Meere immer noch vergiftet und am Rand des Kollapses. Die Herausforderung besteht darin, zu wissen, was wir mit dieser Feststellung anfangen – welche Möglichkeit gibt es, dieser destruktiven Spirale ein Ende zu setzen?
Das ist im Grunde genommen der Kern der Sache. Wie können wir gegen diese destruktive Logik kämpfen? Wer kann das tun? Diese Fragestellung ist legitim und zeigt sich bei der neuen Generation, die in Riesendemos mit Hunderttausenden von Menschen mobilisiert wird. Es ist kein Wunder, dass so viele Menschen, vor allem aber so viele junge Menschen, die vor einer bedrohlichen Zukunft stehen, sich große Sorgen um diese Lage machen und etwas dagegen unternehmen wollen.
Aber die meisten Antworten, die auf diese Frage gegeben werden, sind bestenfalls fruchtlos, schlimmstenfalls Fallen, die das Bewusstsein darüber vernebeln, wie dieser Kampf zu führen wäre ...
Dies ist eine der beliebtesten Parolen bei Demonstrationen gegen den Klimawandel. Hinter der scheinbaren Radikalität der Schlagworte, der angeblichen Internationalisierung von Demonstrationen, steckt die Idee, ein Kräfteverhältnis zu schaffen, um die Welt "zu verändern".
Und die Welle der Proteste, die von "Youth for Climate", "Extinction Rebellion", den Grünen und den linken Parteien organisiert werden, wird als Ausweg präsentiert, der am ehesten ein echtes Kräfteverhältnis für diese Transformation schaffe und auf dem man in die Lage versetzt werde, auf den Notfall zu reagieren und die Staaten zu zwingen, die Verantwortung für den ökologischen Kampf zu übernehmen. Aber diejenigen, die derzeit ihrem Beispiel folgen, sollten sich fragen: Warum werden diese Proteste von denen, die das derzeitige System verwalten und verteidigen, so unterstützt? Warum haben einige Regierungen in letzter Zeit sogar die Streikenden in Schutz genommen und die Schüler*innen ermuntert, ihre Schulen zu verlassen, damit sie zu Tausenden an Demonstrationen teilnehmen? Warum wird Greta Thunberg, die als exemplarische und lobenswerte Aktivistin für den Impuls des Kampfes dargestellt wird, eingeladen, vor Parlamenten, Regierungen, den Vereinten Nationen zu sprechen, oft mit harten Worten? Sind all diese bürgerlichen Institutionen selbstmörderisch geworden? Schlagen sie einen neuen Kurs ein und werden zu den neuen weißen Rittern für den Umweltschutz?
Natürlich verunglimpfen bestimmte Politiker wie Trump, Bolsonaro oder Farage Greta und die „Kämpfer*innen für die Umwelt“ ständig und beschuldigen sogar Umweltschützer*innen, sie hätten den Amazonas in Brand gesetzt! Sie argumentieren, dass der Klimawandel ein Schwindel sei und dass Maßnahmen zur Verringerung der Umweltverschmutzung das Wirtschaftswachstum gefährdeten, insbesondere in Bereichen wie der Automobilindustrie und der fossilen Brennstoffe. Sie sind die schamlosen Verteidiger des kapitalistischen Profits und bieten sich als Sündenböcke an für diejenigen, die gewisse "böse Kapitalisten" ins Visier nehmen wollen.
Aber was ist mit Merkel, Macron, Corbyn, Alexandria Ocasio-Cortez und anderen, die die Klimaproteste loben? Sind sie weniger Teil des derzeitigen Systems? Was ist mit der Finanzierung des Kampfes von Greta Thunberg, die heute, wie es scheint, nur noch mit dem Schiff unterwegs ist, um den Planeten zu retten?
Viele der Teilnehmenden an den aktuellen Protesten, darunter sogar Kapitalist*innen, die sich ebenfalls Sorgen wegen der für ihre eigenen Familien, für die Menschheit selbst drohende Katastrophe machen, werden zustimmen, dass die Wurzeln der ökologischen Zerstörung im System liegen und dass dieses System kapitalistisch ist. (Der "Climate Emergency Fund“ (CEF) zum Beispiel, ein Fonds zur Finanzierung des zivilen Ungehorsams für das Klima, wurde im vergangenen Juli von drei Multimillionären gegründet, die von den gigantischen Bränden in Kalifornien betroffen waren ...) Letztendlich spielt es keine Rolle: Die Organisationen hinter den Protesten, alle Politiker*innen, die scheinheilig behaupten, sie zu unterstützen, verteidigen in Wirklichkeit eine Politik, die die wahre Natur des Kapitalismus verschleiert. Die Verbesserung der Leistungszahlen (bei der Energieeffizienz) von Kälteanlagen oder Wärmepumpen seit 1992 zum Beispiel und die Verpflichtung der Regierungen, etwas gegen die globale Erwärmung zu tun, haben an dieser ganzen Logik nichts geändert ...
Eines der scheinbar radikalsten großen Programme dieser Politiker ist heute der so genannte "New Green Deal", der uns ein Bündel von Maßnahmen anbietet, die von den bestehenden Staaten zu ergreifen seien und die massive Kapitalinvestitionen zur Entwicklung von "umweltfreundlichen" Industrien erfordern, aber dennoch in der Lage sein sollen, einen angemessenen unmittelbaren Profit zu erzielen – oder andernfalls das Risiko einzugehen, den Platz der Konkurrenz zu überlassen, die halt womöglich "umweltschädlicher" produziert. Ökologisch sinnvoll und nachhaltig zu produzieren, kann für ein kapitalistisches Unternehmen oder einen Staat im internationalen Wettbewerb nur eine Fessel sein. Und die einzigen konkreten Maßnahmen, die ergriffen oder umgesetzt werden, sind nur ein Tropfen auf den heißen Stein, ein Bluff, um die Illusion zu vermitteln, dass der Kampf stattfinde. Selbst Versuche der ökologischen Produktion, die Bemühungen um eine gesunde Herstellung von Gütern, werden zu einem neuen Feld fürs Marketing – um teurer zu verkaufen. Mit anderen Worten: Solche Programme sind voll und ganz bestimmt von den Gesetzen des kapitalistischen Systems. Wie der New Deal der 1930er Jahre ist es ihr Ziel, den Kapitalismus in diesen schwierigen Zeiten zu retten, nicht ihn zu ersetzen. Es ist daher ein Betrug, von Regierungen auf der ganzen Welt zu verlangen, dass sie sich "zusammenreißen" und etwas tun sollen, um den Planeten zu retten - eine Forderung aller Gruppen, die die aktuellen Märsche und Demonstrationen organisieren.
Oft wird der Kapitalismus als "Konsumgesellschaft" dargestellt, als eine Marktwirtschaft, in der globalisierte kapitalistische Unternehmen Bedürfnisse schaffen, um dann um jeden Preis ihre Produkte zu verkaufen, die wir gar nicht wirklich bräuchten, - Unternehmen, die natürliche Ressourcen verschwenden und plündern, alles verschmutzen auf ihrem Weg der Gewinnmaximierung. Und für viele Umweltschützer*innen und Verbände würde es ausreichen, diesen Unternehmen, der kapitalistischen Finanzwelt ein Pflichtenheft in die Hand zu drücken, damit sie ihre Produktion nach neuen, gerechten Prinzipien ausrichten, ihre Produktion in ein wirklich kontrolliertes Wachstumswasser führen; man könnte so, meinen sie, die Messlatte neu ein- und alle Gleichgewichte wieder herstellen, Mensch und Natur versöhnen ...
Um dies zu erreichen, müsste man die Staatenführer an einen Tisch bringen, angeblich im Dienste der allgemeinen Interessen der Bevölkerung auf der Welt, insbesondere der Industrieländer, um diese Neuorientierung zum Wohle der Menschheit durchzusetzen ...
Wir sprechen hier eine zentrale Frage an: Kann der Kapitalismus verwandelt, reformiert werden? Das ist der Diskurs, den wir jeden Tag hören, auch und gerade in der Klimafrage. Es gebe keinen anderen Weg, als das System von innen heraus zu verändern.
Leider verschwindet der Kapitalismus nicht so einfach, und er lässt sich auch nicht grundlegend verändern, selbst wenn er von Technokraten statt von privaten Chefs verwaltet wäre oder wenn er grün gestrichen würde. Das Kapital ist ein globales Verhältnis zwischen gesellschaftlichen Klassen, das auf der Ausbeutung von Lohnarbeit und auf der Produktion zum Verkauf basiert, um Profite zu erzielen. Die ständige Suche nach Absatzmöglichkeiten für die Waren führt zu einem gnadenlosen Wettbewerb zwischen den Nationalstaaten um die Vorherrschaft auf dem Weltmarkt. Und dieser Wettbewerb führt dazu, dass jedes nationale Kapital entweder wächst – oder stirbt. Ein Kapitalismus, der nicht mehr danach strebt, bis in die letzte Ecke des Planeten vorzudringen und ohne Grenzen zu wachsen, kann nicht existieren. "Das Bedürfnis nach einem stets ausgedehnteren Absatz für ihre Produkte jagt die Bourgeoisie über die ganze Erdkugel. Überall muß sie sich einnisten, überall anbauen, überall Verbindungen herstellen.
Die Bourgeoisie hat durch ihre Exploitation des Weltmarkts die Produktion und Konsumption aller Länder kosmopolitisch gestaltet." (Kommunistisches Manifest, Marx/Engels).
Ebenso ist es im Kapitalismus völlig ausgeschlossen, auf globaler Ebene zusammenzuarbeiten, um auf die ökologische Krise zu reagieren, wie bereits das vielfache traurige Scheitern der verschiedenen Klimagipfel und -protokolle gezeigt hat. Die Verteidigung des Nationalstaates gegen andere Länder bleibt der ersatzlose Kompass für den Kampf in der Konkurrenz bürgerlicher Interessen.
Die Jagd nach Profit, die nichts mit den menschlichen Bedürfnissen zu tun hat, ist seit Beginn des Kapitalismus die Ursache für die Plünderung der Natur. Die Fragen der Umweltzerstörung, der Regellosigkeit und der Veränderungen im Zusammenhang mit der konkurrenzgetriebenen und anarchischen kapitalistischen Ausbeutung sind nämlich nicht erst ein paar Jahre oder Jahrzehnte alt. So schrieben Marx und Engels 1848 schon ins Kommunistische Manifest: "Die Bourgeoisie hat das Land der Herrschaft der Stadt unterworfen. Sie hat enorme Städte geschaffen, sie hat die Zahl der städtischen Bevölkerung gegenüber der ländlichen in hohem Grade vermehrt." – Doch: "Die bürgerlichen Produktions- und Verkehrsverhältnisse, die bürgerlichen Eigentumsverhältnisse, die moderne bürgerliche Gesellschaft, die so gewaltige Produktions- und Verkehrsmittel hervorgezaubert hat, gleicht dem Hexenmeister, der die unterirdischen Gewalten nicht mehr zu beherrschen vermag, die er heraufbeschwor." (Kommunistisches Manifest)
Tatsächlich hat der Kapitalismus eine Geschichte, und seit einem Jahrhundert ist er kein Faktor des Fortschritts mehr, sondern in eine tiefe historische Krise gestürzt. Er ist ein dekadentes Produktionssystem, denn seine wirtschaftliche Grundlage, die dem Zwang unterworfen ist, ohne Grenzen zu wachsen, erzeugt Krisen der Überproduktion, die tendenziell dauerhaft werden. Und wie die Weltkriege und der "Kalte Krieg" des 20. Jahrhunderts gezeigt haben, kann dieser Prozess des Verfalls und sogar der Zersetzung den Kurs des Kapitals zur Zerstörung nur beschleunigen. Noch bevor das globale Massaker an der Natur sichtbar wurde, drohte der Kapitalismus bereits damit, die Menschheit mit ihren unaufhörlichen imperialistischen Auseinandersetzungen und Kriegen zu vernichten, die heute in weiten Teilen der Welt andauern, von Nordafrika und dem Nahen Osten bis hin zu Pakistan und Indien. Solche Konflikte können durch die ökologische Krise nur noch verschärft werden, denn die Nationalstaaten konkurrieren um Ressourcen, Einflusszonen, während der Wettlauf um die Produktion - und vor allem um den Einsatz - zunehmend alptraumhafter Waffen den Planeten nur weiter verwüsten kann. Der Einsatz von Atomwaffen oder chemischer Waffen wie in Hiroshima oder der Einsatz von "Agent Orange" während des Vietnamkriegs, unter dessen Spätfolgen die lokale Bevölkerung immer noch leidet, sind nur spektakuläre Beispiele dafür, die nicht hinter uns liegen, sondern von brennender Aktualität sind. Diese unerhörte Kombination kapitalistischer Verwüstung macht bereits Teile des Planeten unbewohnbar und zwingt Millionen von Menschen dazu, Flüchtlinge zu werden.
Dieses kranke kapitalistische System kann die Wirtschaftskrise, den ökologischen Notstand und die Tendenz zum Krieg nicht überwinden.
Engels sagte bereits 1876: "Die entfesselte Konkurrenz, der Kampf ums Leben, der von Ökonomen als die höchste Errungenschaft der Geschichte gefeiert wird, ist der Normalzustand im Tierreich. Nur eine bewusste Organisation der gesellschaftlichen Produktion, in der Produktion und Verteilung geplant sind, kann die Menschen über den Rest der Tierwelt erheben ... Die geschichtliche Entwicklung macht eine solche Organisation von Tag zu Tag wichtiger, aber auch von Tag zu Tag realistischer. Sie wird ein neues Zeitalter einläuten, in der die Menschen selbst und mit ihnen alle Zweige ihrer Tätigkeit, insbesondere die Naturwissenschaften, Fortschritte erleben werden, die alles, was ihr vorausging, in den tiefsten Schatten stellen werden."
Die einzige Hoffnung der Menschheit liegt in der Zerstörung des gegenwärtigen Systems, seiner Logik des Profits, des Wettbewerbs – und umgekehrt in der Schaffung einer neuen Gesellschaftsform. Es ist der Kommunismus – eine globale menschliche Gemeinschaft ohne Nationalstaaten, ohne Ausbeutung der Arbeiterinnen und Arbeiter, ohne Markt und ohne Geld, in der die gesamte Produktion auf globaler Ebene geplant wird, mit dem einzigen Ziel, die menschlichen Bedürfnisse zu befriedigen. Es versteht sich von selbst, dass diese Gesellschaft nichts mit der Form des Staatskapitalismus zu tun hat, die wir in Ländern wie China, Nordkorea oder Kuba oder früher der Sowjetunion sehen bzw. sahen.
Der eigentliche Kommunismus ist die einzige Grundlage für die Herstellung einer neuen Beziehung zwischen den Menschen und der übrigen Natur. Und das ist keine Utopie. Das hat nichts mit der Idee der "Wachstumskritik" zu tun, die viele Umweltschützer*innen propagieren, um angeblich die Grundlagen des Kapitalismus zu untergraben, und die vorschlagen, das Rad der Geschichte zurückzudrehen. Im Gegenteil, der Kommunismus ist möglich, weil der Kapitalismus die materiellen Grundlagen dazu geschaffen hat: die Entwicklung von Wissenschaft und Technologie, die von ihren Verzerrungen in diesem System befreit werden können, auch deshalb, weil die globale wechselseitige Abhängigkeit aller produktiven Tätigkeiten, die vom kapitalistischen Wettbewerb und nationalen Gegensätzen befreit werden können, zu einer echten Rationalisierung von Produktion und Umgang mit Ressourcen führen wird.
Aber der Kommunismus ist insbesondere deshalb möglich, weil der Kapitalismus auf der Existenz einer Klasse beruht, die nichts weiter zu verlieren hat als ihre Ketten, einer Klasse, die ein Interesse daran hat, der Ausbeutung zu widerstehen und sie zu beseitigen: der internationalen Arbeiterklasse, dem Proletariat aller Länder. Es ist eine Klasse, die nicht nur alle diejenigen umfasst, die bei der Arbeit ausgebeutet werden, sondern auch diejenigen, die studieren, um einen Platz auf dem Arbeitsmarkt zu finden, und diejenigen, die arbeitslos und vom Kapital ausgestoßen werden. Der massenhafte Kampf des Proletariats und seine Bewusstseinsentwicklung über die Verantwortung, die gesamte Menschheit von den Ketten des Kapitalismus zu befreien, sind schwierige Herausforderungen voller Hindernisse, aber dieser Weg ist der einzige, der uns dazu führt, auf die historischen Herausforderungen der Gesellschaft zu reagieren, einschließlich der ökologischen und klimatischen.
Und gerade hier dient die Ideologie der Klimamärsche, die das ökologische Thema im Namen des "Klimanotstands" oder der Gefahr des Artensterbens in den Vordergrund stellt, dazu, zu verhindern, dass wir die verfügbaren Mittel ergreifen, um wirklich gegen das kapitalistische System zu kämpfen.
Sie sagt uns zum Beispiel, dass die Welt in Schwierigkeiten steckt, weil sich die "alte Generation" daran gewöhnt habe, zu viel zu konsumieren.
Erstens verdeckt die Rede von „den Generationen“ im Allgemeinen die Tatsache, dass das Problem gestern und heute in der Spaltung der Gesellschaft in zwei Hauptklassen besteht – einer Klasse einerseits, der Kapitalistenklasse, der Bourgeoisie, die über die gesamte Macht verfügt, und einer viel größeren Klasse andererseits, die ausgebeutet und jeder Entscheidungsmacht beraubt wird, selbst in den "demokratischsten" Ländern. Es sind die unpersönlichen Mechanismen des Kapitals, die diesem System innewohnenden Gesetze, auch über das Bewusstsein hinaus, das die Kapitalisten selbst von ihm haben können, die uns in das gegenwärtige Chaos gebracht haben, und nicht das persönliche Verhalten von Individuen oder die Gier einer früheren Generation.
Zweitens, was bedeutet es, zu viel zu konsumieren? Hunderte von Millionen Menschen auf der Welt leben immer noch in extremer Armut. Und auch wenn der Lebensstandard in den zentralen Ländern noch relativ hoch ist, wird die Arbeiterklasse zunehmend mit der Frage konfrontiert, ob es reicht bis zum Ende des Monats, konfrontiert mit der Wahl zwischen Wohnen oder Gesundheit usw. Hinter dem Gedanken des Überkonsums steht vor allem die Frage des Abfalls. Und die Frage der Verschwendung natürlicher Ressourcen, um immer mehr zu produzieren; die programmierte Veraltung der meisten Gebrauchsgegenstände unseres täglichen Lebens, um noch mehr verkaufen zu können; das Wegwerfen von Tausenden von Tonnen produzierter, aber nicht verkaufter Lebensmittel – all dies ist aber die Logik des Kapitalismus, des Profits, des Wettbewerbs, nicht die Verantwortung jedes/r Einzelnen für seinen/ihren eigenen Konsum oder seine/ihre persönliche Einstellung.
So werden wir schon vor der Einladung zur nächsten Demo dazu aufgerufen, individuell "politisch korrekt und ökologisch" zu konsumieren, den richtigen Behälter für unsere Abfälle zu wählen, unsere alten umweltschädlichen Dieselautos loszuwerden usw. .... Es ist eine breite ideologische Produktion von Schuldgefühlen über unser eigenes tägliches Funktionieren, zu essen, sich zu kleiden und zu bewegen. Es wird unterstellt, dass unsere individuelle Verantwortung auf die gleiche Ebene gestellt werden müsse wie die Verantwortung des kapitalistischen Systems.
Das Gleiche gilt für das Gerede über die "Menschen" oder "Bürger*innen", die die Kraft wären, die die Welt retten könne. Es handelt sich dabei um vernebelnde Begriffe, die antagonistische Klasseninteressen verstecken. Der Ausstieg aus einem System, das ohne die Ausbeutung einer Klasse durch eine andere nicht existieren kann, kann nur durch eine Neubelebung des Klassenkampfes erreicht werden, angefangen bei der Verteidigung der grundlegendsten Interessen der Proletarier*innen gegen die Angriffe auf ihre Lebens- und Arbeitsbedingungen, die von allen Regierungen und Unternehmen als Reaktion auf die Wirtschaftskrise durchgeführt werden - Angriffe, die auch zunehmend im Namen des Umweltschutzes durchgeführt werden. Nur mit ihrem autonomen Kampf kann die Arbeiterklasse den Sinn ihrer eigenen Existenz gegen all die Lügen entwickeln, die uns sagen, dass sie selber bereits eine "ausgestorbene Spezies" sei. Und nur so kann der Klassenkampf die wirtschaftliche und politische Dimension zusammenführen – indem er die Wirtschaftskrise, die Kriegsfrage und die ökologische Katastrophe miteinander verbindet und anerkennt, dass nur eine globale Revolution sie überwinden kann.
In der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg nahmen Hunderttausende von Menschen an friedlichen Demonstrationen teil. Sie wurden von der "demokratischen" herrschenden Klasse in verschiedenen Ländern dazu ermutigt, weil diese Märsche die Illusion verbreiteten, dass es einen friedlichen Kapitalismus geben könne. Heute verbreitet sich die Illusion des grünen Kapitalismus immer mehr. Und außerdem verbarg der Pazifismus mit seinem Appell an alle Menschen guten Willens die Tatsache, dass nur der Klassenkampf wirklich gegen den Krieg ankämpfen kann, wie sich 1917-18 zeigte, als der Ausbruch der russischen und deutschen Revolution die führenden Politiker der Welt zwang, diesen Krieg schnell zu beenden. Der Pazifismus hat Kriege nie gestoppt. Und die aktuellen ökologischen Kampagnen, indem sie falsche Lösungen für die Klimakatastrophe verkaufen, müssen als Hindernis auf dem Weg zu einer wirklichen Lösung verstanden werden.
IKS, Oktober 2019
Links
[1] https://de.internationalism.org/files/de/sonderausgabe_oekologie_2_1.pdf
[2] https://de.internationalism.org/files/de/die-zukunft-des-planeten-darf-nicht-in-den-haenden-der-kapitalistenklasse-bleiben_1.pdf
[3] https://www.marxists.org/deutsch/archiv/luxemburg/1916/junius/teil1.htm
[4] https://de.internationalism.org/en/tag/aktuelles-und-laufendes/klima
[5] https://de.internationalism.org/en/tag/aktuelles-und-laufendes/okologie
[6] https://de.internationalism.org/en/tag/aktuelles-und-laufendes/zukunft
[7] https://de.internationalism.org/files/de/die-zukunft-des-planeten-darf-nicht-in-den-haenden-der-kapitalistenklasse-bleiben_2.pdf
[8] https://libcom.org/blog/extinction-rebellion-not-struggle-we-need-pt-1-19072019#footnoteref3_oyk5dbl
[9] https://libcom.org/article/extinction-rebellion-not-struggle-we-need-pt-2
[10] https://www.theguardian.com/environment/2018/dec/29/green-new-deal-plans-proposal-ocasio-cortez-sunrise-movement
[11] https://en.internationalism.org/content/16760/90-years-after-1929-crash-decadent-capitalism-can-never-escape-crisis-overproduction#_ftnref2
[12] https://en.wikipedia.org/wiki/New_Deal
[13] https://neweconomics.org
[14] http://www.mlwerke.de/me/me25/me25_747.htm
[15] http://www.mlwerke.de/me/me23/me23_483.htm
[16] https://en.internationalism.org/content/16734/ecological-disaster-poison-militarism
[17] https://de.internationalism.org/en/tag/3/52/umwelt