„Ein Gespenst geht um in Europa- das Gespenst des Kommunismus. Alle Mächte des alten Europa haben sich zu einer heiligen Hetzjagd gegen dies Gespenst verbündet, der Papst und der Zar, Metternich und Guizot, französische Radikale und deutsche Polizisten." (Manifest, Einleitung)
Diese Einleitungssätze aus dem Manifest, das vor genau 150 Jahren geschrieben wurde, sind heute mehr als je zuvor gültig. Anderthalb Jahrhunderte nachdem der Bund der Kommunisten seine berühmte Kriegserklärung des revolutionären Proletariats gegen das kapitalistische System verfaßte, fürchtet die herrschende Klasse immer noch das Gespenst des Kommunismus.
Das Kommunistische Manifest wurde zu einem entscheidenden Zeitpunkt in der Geschichte des Klassenkampfes geschrieben, nämlich als die Klasse, die Träger des kommunistischen Projektes ist, das Proletariat, anfing, sich als unabhängige Klasse in der Gesellschaft zu bilden. In dem Maße wie das Proletariat seine eigenen Kämpfe für seine Lebensbedingungen entfaltete, hörte der Kommunismus auf, ein abstraktes Ideal zu sein, das von utopischen Strömungen ausgedacht worden war, um zu der praktischen gesellschaftlichen Bewegung zur Abschaffung der Klassengesellschaft und zur Schaffung einer wirklich menschlichen kommunistischen Gesellschaft zu werden. Als solches bestand die Hauptaufgabe des Manifestes in der Ausarbeitung des wirklichen Wesens des kommunistischen Ziels des Klassenkampfes und der Hauptmittel zur Durchsetzung dieses Ziels. Dies wiederum erklärt die gigantische Bedeutung des Manifestes heute gegenüber all den Verleumdungen des Kommunismus und des Klassenkampfes durch die Bourgeoisie. Diese Bedeutung versucht die Bourgeoisie heute zu verheimlichen.
So versteht man im allgemeinen heute nicht, was mit dem berühmten Einleitungssatz des Manifestes, mit dem ‘Gespenst des Kommunismus’ gemeint ist. Das bedeutet, daß damals wie heute nicht der Kommunismus des Proletariats, sondern der falsche und reaktionäre ‘Kommunismus’ anderer gesellschaftlicher Schichten, den ‘Kommunismus’ eingeschlossen, der von der herrschenden Klasse erfunden wurde, die öffentliche Aufmerksamkeit beherrschte. Dies hieß, daß die Bourgeoisie, die es nicht wagt, die kommunistischen Tendenzen, die schon innerhalb des proletarischen Klassenkampfes bestehen, offen zu bekämpfen und sie damit öffentlich anerkennt, diese Verwirrung ausnutzt, um die Entwicklung des selbständigen Klassenkampfes der Arbeiterklasse zu bekämpfen.
‘Wo ist die Oppositionspartei, die nicht von ihren regierenden Gegnern als kommunistisch verschrien worden wäre, wo die Oppositionspartei, die den fortgeschritteneren Oppositionsleuten sowohl wie ihren reaktionären Gegnern den brandmarkenden Vorwurf des Kommunismus nicht zurückgeschleudert hätte
Schon 1848 stand in einem gewissen Maße dieses falsche ‘Gespenst des Kommunismus’ im Mittelpunkt der öffentlichen Auseinandersetzungen, so daß es für das junge Proletariat besonders schwierig war zu begreifen, daß der Kommunismus alles andere als getrennt von oder gar den täglichen Klassenkämpfen entgegengesetzt ist, sondern dem eigentlichen Wesen, der historischen Bedeutung und dem Endziel dieses Kampfes entspricht. Daß, wie das Manifest schrieb, „die theoretischen Sätze der Kommunisten... nur allgemeine Ausdrücke tatsächlicher Verhältnisse eines existierenden Klassenkampfes, einer unter unsern Augen vor sich gehenden geschichtlichen Bewegung sind." (ebenda, S. 475) Hierin liegt die dramatische Aktualität des Kommunistischen Manifestes. Genauso wie vor anderthalb Jahrhunderten zeigt uns das Manifest heute den Weg nach vorne, indem dieganzen Verfälschungen über den Kommunismus, die gegen die Arbeiterklasse gerichtet sind, aufgezeigt werden. In Anbetracht eines völlig neuen Geschichtsphänomens - Massenarbeitslosigkeit und Massenverarmung im industrialisierten Großbritannien, der Erschütterung eines immer noch halb-feudalen Europas durch zyklische Handelskrisen, der internationalen Ausdehnung der revolutionären Unzufriedenheit der Massen am Vorabend des Jahres 1848 - die am meisten bewußten Teile der Arbeiterklasse tasteten sich schon hin auf ein klareres Begreifen, daß durch die Bildung einer neuen Klasse von besitzlosen Produzenten, die durch die assoziierte Arbeit in der modernen Industrie international mit einander verbunden war, der Kapitalismus seinen eigenen potentiellen Totengräber geschaffen hatte. Die ersten großen kollektiven Arbeiterstreiks in Frankreich und anderswo, das Entstehen einer ersten proletarischen Massenbewegung in Großbritannien (Chartisten) und die Klärungen des sozialistischen Programms vor allem durch die Arbeiterorganisationen in Deutschland (von Weitling bis zum Bund der Kommunisten) brachten diese Fortschritte zum Vorschein. Um aber die proletarische Bewegung auf einer soliden Klassenbasis zu stellen, war es vor allem notwendig, das kommunistische Ziel dieser Bewegung ins richtige Licht zu rücken, wodurch auch der ‘Sozialismus’ der anderen Klassen bekämpft wurde. Die Klärung dieser Frage war dringend geboten, denn 1848 befand sich Europa vor dem Ausbruch von revolutionären Bewegungen, die in Frankreich ihren Höhepunkt mit der ersten massiven Konfrontation zwischen Bourgeoisie und Proletariat erreichen sollten.
Deshalb befaßt sich das Kommunistische Manifest in einem ganzen Abschnitt mit dem reaktionären Wesen des nicht-proletarischen Sozialismus, der auch die Elemente umfaßt, die in Wirklichkeit Ausdrücke der herrschenden Klasse und direkt gegen die Arbeiterklasse gerichtet sind:
- der feudale Sozialismus, der zum Teil auf die Mobilisierung der Arbeiter für den reaktionären Widerstand des Adels gegen die Bourgeoisie abzielt,
- der bürgerliche Sozialismus, der Ausdruck der Tatsache ist, daß „ein Teil der Bourgeoisie den sozialen Mißständen abzuhelfen (wünscht), um den Bestand der bürgerlichen Gesellschaft zu sichern." (ebenda, S. 488)
Das Manifest wurde also geschrieben, um vor allem dieses ‘Gespenst des Kommunismus’ zu bekämpfen. Wie das Vorwort dazu meint: „Es ist hohe Zeit, daß die Kommunisten ihre Anschauungsweise, ihre Zwecke, ihre Tendenzen vor der ganzen Welt offen darlegen und dem Märchen vom Gespenst des Kommunismus ein Manifest der Partei selbst entgegenstellen."(ebenda, S. 461)
Die Hauptteile dieser Darlegung waren die materialistische Geschichtsauffassung und die klassenlose kommunistische Gesellschaft, die an die Stelle des Kapitalismus treten sollte. Die brillante Lösung dieser historischen Aufgabe läßt heute das Manifest zum unabdingbaren Ausgangspunkt des Kampfes der Arbeiterklasse gegen den ideologischen Mist der Bourgeoisie werden, den die stalinistische Konterrevolution hinterlassen hat. Weit davon entfernt, eine überholte Schrift aus der Vergangenheit zu sein, ging 1848 seiner Zeit weit voraus. Zur Zeit seiner Veröffentlichung glaubte es fälschlicherweise, daß der Zerfall des Kapitalismus und der Sieg der Arbeiterrevolution kurz bevorstünde. Erst im 20. Jahrhundert konnte die Verwirklichung der revolutionären Auffassung des Marxismus auf die Tagesordnung der Geschichte gestellt werden. Wenn man es heute liest, meint man, daß es erst vor kurzem geschrieben wurde, dank seiner Formulierungen der Widersprüche der gegenwärtigen bürgerlichen Gesellschaft und der notwendigen Überwindung durch den Klassenkampf des Proletariats. Diese fast überwältige Aktualität stellt den Beweis dar, daß es ein echter Ausdruck einer wirklich revolutionären Klasse ist, die die Zukunft der Menschheit in ihren Händen trägt, und die gleichzeitig über eine umfassende und realistische langfristige Sicht der Menschheitsgeschichte verfügt.
?" (Manifest, MEW Bd.4, S. 461)Natürlich wäre es falsch, den naiven feudalen und bürgerlichen ‘Sozialismus’ von 1848 mit der stalinistischen Konterrevolution der 30er Jahre zu vergleichen, die die erste siegreiche proletarische Revolution in der Geschichte im Namen des Sozialismus zerstörte und die kommunistische Vorhut der Arbeiterklasse physisch liquidierte und die Arbeiterklasse der barbarischsten kapitalistischen Ausbeutung unterwarf. Aber das Kommunistische Manifest deckte schon den gemeinsamen Nenner des ‘Sozialismus’ der ausbeutenden Klassen auf. Was Marx und Engels über den ‘konservativen oder bürgerlichen Sozialismus’ von damals schrieben, trifft voll auf den Stalinismus des 20. Jahrhunderts zu.
„Unter Veränderung der materiellen Lebensverhältnisse versteht dieser Sozialismus aber keineswegs die Abschaffung der bürgerlichen Produktionsverhältnisse, die nur auf revolutionärem Wege möglich ist, sondern administrative Verbesserungen, die auf dem Boden dieser Produktionsverhältnisse vor sich gehen, also an dem Verhältnis von Kapital und Lohnarbeit nichts ändern, sondern im besten Fall der Bourgeoisie die Kosten ihrer Herrschaft vermindern und ihren Staatshaushalt vereinfachen." (ebenda, S. 489) Der Stalinismus verkündete, daß trotz des Vorhandenseins der von ihr so bezeichneten ‘sozialistischen’ Lohnarbeit das Erzeugnis dieser Arbeit der produzierenden Klasse gehöre, da die persönliche Ausbeutung durch Einzelkapitalisten durch den Übergang des Eigentums in Staatsbesitz ersetzt worden war. Als ob es schon darauf eine Antwort liefern wollte, steht dazu im Manifest:
„Schafft aber die Lohnarbeit, die Arbeit des Proletariers ihm Eigentum?" Das Manifest antwortet: „Sie schafft das Kapital, d.h. das Eigentum, welches die Lohnarbeit ausbeutet, welches sich nur unter der Bedingung vermehren kann, daß es neue Lohnarbeit erzeugt, um sie von neuem auszubeuten. Das Eigentum in seiner heutigen Gestalt bewegt sich in dem Gegensatz von Kapital und Lohnarbeit [....]. Kapitalist sein, heißt nicht nur eine rein persönliche, sondern eine gesellschaftliche Stellung in der Produktion einnehmen. Das Kapital ist ein gemeinschaftliches Produkt und kann nur durch eine gemeinsame Tätigkeit vieler Mitglieder, ja in letzter Instanz nur durch die gemeinsame Tätigkeit aller Mitglieder der Gesellschaft in Bewegung gesetzt werden. Das Kapital ist also keine persönliche, es ist eine gesellschaftliche Macht." (ebenda, S. 475)
Dieses grundlegende Begreifen des Manifests daß die juristische Ersetzung der Einzelkapitalisten durch Staatsbesitz im Gegensatz zu den Lügen der Stalinisten keineswegs das kapitalistische Wesen der Ausbeutung der Lohnarbeit aufhebt wurde von Engels sogar noch ausdrücklicher im Anti-Dühring formuliert:
‘Aber weder die Verwandlung in Aktiengesellschaft noch die in Staatseigentum, hebt die Kapitaleigenschaft der Produktivkräfte auf (...) Der moderne Staat, was auch seine Form, ist eine wesentlich kapitalistische Maschine, Staat der Kapitalisten, der ideelle Gesamtkapitalist. Je mehr Produktivkräfte er in sein Eigentum übernimmt, desto mehr wird er wirklicher Gesmtkapitalist, desto mehr Staatsbürger beutet er aus. Die Arbeiter bleiben Lohnarbeiter, Proletarier. Das Kapitalverhältnis wird nicht aufgehoben, es wird vielmehr auf die Spitze getrieben.’
Aber vor allem indem der grundlegende Unterschied zwischen Kapitalismus und Kommunismus aufgezeigt wird, zeigt das Manifest den eindeutig bürgerlichen Charakter der früheren stalinistischen Länder.
„In der bürgerlichen Gesellschaft ist die lebendige Arbeit nur ein Mittel, die aufgehäufte Arbeit zu vermehren. In der kommunistischen Gesellschaft ist die aufgehäufte Arbeit nur ein Mittel, um den Lebensprozeß der Arbeiter zu erweitern, zu bereichern, zu befördern."
Deshalb sind die Erfolge des Stalinismus bei der Industrialisierung in Rußland in den 30er Jahren auf Kosten einer wilden und brutalen Absenkung des Lebensstandards der Arbeiter der beste Beweis des bürgerlichen Wesens dieses Regimes. Die Entwicklung der Produktivkräfte auf Kosten der Kaufkraft der Produzenten ist die historische Aufgabe des Kapitalismus. Die Menschheit mußte durch diese Hölle der Kapitalakkumulation gehen, damit die materiellen Voraussetzungen für eine klassenlose Gesellschaft geschaffen werden. Der Sozialismus dagegen zeichnet sich bei jedem einzelnen Schritt in Richtung auf dieses Ziel dadurch aus, daß es zu einem quantitativen und qualitativen Wachstum des Verbrauchs kommt, insbesondere beim gestiegenen Verbrauch von Lebensmitteln, Kleidung und dem Bau von Wohnungen. Deshalb bezeichnete das Manifest die relative und absolute Verarmung der Arbeiterklasse als das Hauptmerkmal des Kapitalismus, wo klar wird, daß die ‘Bourgeoisie unfähig ist zu ‘herrschen, weil sie unfähig ist, ihrem Sklaven die Existenz selbst innerhalb seiner Sklaverei zu sichern, weil sie gezwungen ist, ihn in eine Lage herabsinken zu lassen, wo sie ihn ernähren muß, statt von ihm ernährt zu werden. Die Gesellschaft kann nicht mehr unter ihr leben, das heißt, ihr Leben ist nicht mehr verträglich mit der Gesellschaft.’ (ebenda, S. 473). Und dies trifft in einem doppelten Sinn zu: weil Verarmung die Arbeiterklasse zur Revolution treibt, und weil diese Massenverarmung bedeutet, daß die Ausdehnung kapitalistischer Märkte mit der Ausdehnung der kapitalistischen Produktion nicht Schritt halten kann. Das Ergebnis ist: die Produktionsform erhebt sich gegen die Austauschform, die Produktivkräfte erheben sich gegen eine Produktionsform, über die sie hinausgewachsen sind; das Proletariat erhebt sich gegen die Bourgeoisie, lebendige Arbeit gegen die Herrschaft toter Arbeit. Die Zukunft der Menschheit [.....] gegen die Beherrschung der Gegenwart durch die Vergangenheit.
(ebenda, S. 476) (Anti-Dühring, MEW 20, S. 260).Der Kapitalismus hat in der Tat die Vorbedingungen für eine klassenlose Gesellschaft geschaffen; zum ersten Mal steht der Menschheit die Möglichkeit offen, den Überlebenskampf des Menschen gegen den Menschen zu überwinden und eine Fülle von Subsistenzmitteln und menschlicher Kultur zu schaffen. Allein aus diesem Grunde lobt das Manifest die revolutionäre Rolle der bürgerlichen Gesellschaft. Aber diese Vorbedingungen - insbesondere der Weltmarkt und das Weltproletariat selber - bestehen nur auf Weltebene. Die höchste Form kapitalistischer Konkurrenz (die selbst nur die moderne Version des althergebrachten Kampfes des Menschen gegen den Menschen ist, um unter den Bedingungen des Mangels zu überleben), ist der wirtschaftliche und militärische Überlebenskampf zwischen bürgerlichen Nationalstaaten. Deshalb ist die Überwindung der kapitalistischen Konkurrenz und die Errichtung einer wirklich kollektiven menschlichen Gesellschaft nur möglich durch die Überwindung des Nationalstaates, durch eine proletarische Weltrevolution. Nur die Arbeiterklasse kann diese Aufgabe erfüllen, da - wie das Manifest erklärt - die Arbeiter kein Vaterland haben. Die Herrschaft der Arbeiterklasse, so wird im Manifest aufgezeigt, wird nationale Grenzen und Gegensätze zwischen den Völkern mehr und mehr verschwinden lassen.
„Vereinigte Aktion, wenigstens der zivilisierten Länder, ist eine der ersten Bedingungen seiner Befreiung
Schon vor dem Manifest antworteten Marx und Engels in ‘Grundsätze des Kommunismus’ auf die Frage, ob die sozialistische Revolution in einem einzigen Lande allein vor sich gehen könne, folgendermaßen: „Nein. Die große Industrie hat schon dadurch, daß sie den Weltmarkt geschaffen hat, alle Völker der Erde, und namentlich die zivilisierten, in eine solche Verbindung zueinander gebracht, daß jedes einzelne Volk davon abhängig ist, was bei einem andern geschieht [....]. Die kommunistische Revolution wird daher keine bloß nationale, sie wird eine in allen zivilisierten Ländern, d.h. wenigstens in England, Amerika, Frankreich und Deutschland gleichzeitig vor sich gehende Revolution sein." (Grundsätze des Kommunismus, MEW 4, S. 374)
Dies ist ein letzter tödlicher Schlag des Manifestes gegen die bürgerliche Ideologie der stalinistischen Konterrevolution - gegen die sogenannte Theorie des Sozialismus in einem Land. Das Kommunistische Manifest war der Kompaß, der der weltweiten revolutionären Welle von Kämpfen von 1917-23 den Weg wies. Mit dem glorreichen Schlachtruf „Proletarier aller Länder, vereinigt Euch!", kämpften die Arbeiter 1917 in Rußland in ihrem heldenhaften Kampf gegen den imperialistischen Krieg ums Vaterland und als sie die Macht ergriffen, um die Weltrevolution zu beginnen. Das Kommunistische Manifest war ebenso der Dreh- und Angelpunkt der berühmten Programmrede Rosa Luxemburgs auf dem Gründungskongreß der KPD inmitten der deutschen Revolution und auf dem Gründungskongreß der Kommunistischen Internationale im März 1919. Und genauso war es der kompromißlose proletarische Internationalismus des Manifestes und der ganzen marxistischen Tradition, der Trotzki bei dessen Kampf gegen ‘den Sozialismus in einem Land’ inspirierte, und der der Kommunistischen Linken in ihrem mehr als 50 Jahre langen Kampf gegen die stalinistische Konterrevolution als Richtschnur diente.
Die Kommunistische Linke ehrt heute das Manifest der Kommunistischen Partei von 1848 nicht als einen Überrest aus einer fernen Vergangenheit, sondern als eine mächtige Waffe gegen die Lüge, daß der Stalinismus Sozialismus gewesen wäre. Das Manifest ist und bleibt ein unverzichtbarer Kompaß für die notwendige revolutionäre Zukunft der Menschheit. (leicht gekürzte Fassung eines Artikels aus Internationale Revue Nr. 93).
[des Proletariats]." (ebenda, S. 479)(1) Schwarzbuch des Kommunismus, Verbrechen, Terror und Unterdrückung
(2) Der sogenannte große Lauschangriff der deutschen Bourgeoisie angeblich als Schlag gegen das organisierte Verbrechen geplant, der aber 50 verschiedene Vergehen - bestimmte Untergrundarbeit eingeschlossen - aufführt, ist dagegen gerichtet.
„Ein Gespenst geht um in Europa- das Gespenst des Kommunismus. Alle Mächte des alten Europa haben sich zu einer heiligen Hetzjagd gegen dies Gespenst
Als es aber darum ging, 1998 das „Brecht-Jahr“ zu feiern, und somit Leben und Werk des angeblich „größten Dichters des Kommunismus“ zu würdigen, schlugen die Machthaber ganz andere Töne an. Von Rechtskonservativ bis Linksaußen wurde nicht nur das literarische, sondern auch das politische Erbe Bert Brechts in den höchsten Tönen gewürdigt. Anläßlich Brechts 100. Geburtstag wurde die Laudatio auf den berühmten Dichter in seiner Heimatstadt Augsburg von dem bayrischen Ministerpräsidenten Stoiber, in Berlin von Bundespräsident Herzog gehalten.
Wie erklärt sich diese Unterschiedlichkeit der Behandlung von Seiten der Bourgeoisie? Während Lenin, Trotzki und die Oktoberrevolution haßerfüllt verleumdet werden, wird Brecht, obwohl angeblich ebenfalls ein Klassenfeind des Kapitals, umjubelt? Ist die herrschende Ausbeuterklasse also doch zur Großzügigkeit gegenüber ihren Feinden fähig? Oder bringt ihre Begeisterung gegenüber Brecht etwa einen sich über alle Klassengräben hinwegsetzenden Respekt der Bürgerlichen vor der menschlichen Kultur schlechthin zum Ausdruck?
Auch die bürgerliche und kleinbürgerliche Linke beteiligt sich nach Kräften an der Verleumdung der russischen Revolution sowie an der Glorifizierung Brechts, der als wahrer „Vordenker des Marxismus“, als „beispielhaft politisch engagierter Künstler“ - ja sogar als versteckter Stalinismusgegner hingestellt wird.
Diese linken Intellektuellen, deren Vorläufer sich schon in den 30er Jahre schamlos an den Stalinismus verkauften, wollen sich heute reinwaschen, indem sie „Dichter und Denker“ der damaligen Zeit wie Brecht, Lukacs oder Gramsci, welche sich mehr oder weniger dem Stalinismus unterwarfen, als die Antwort der Gegenwart auf den Stalinismus präsentieren.
Es ist aber vor allem der gewendete Stalinismus selbst, der sich dieser Tricks bedient, um sein eigenes geschichtliches Wesen zu verschleiern. So z.B. ‘Arbeiterkampf’ (12.2.98), der den Auftakt zum Brecht-Jahr feiert mit dem Artikel „Brecht und Gramsci: Kampf gegen Ökonomismus und Wiedergewinnung der Dialektik“ (1). Hier lebt die alte stalinistische Geschichtsfälschung wieder auf: die Legende von Brecht als Alternative zum Stalinismus
In Wahrheit ehrt die deutsche Bourgeoisie in Bert Brecht keinen Klassenfeind, sondern einen der ihren. Die (west)deutsche Bourgeoisie hat Brecht vergeben, daß er sich im Kalten Krieg auf die Seite der DDR geschlagen hat. Denn heute ist der Kalte Krieg zu Ende. Nicht zu Ende aber ist der Klassenkrieg zwischen Lohnarbeit und Kapital. Und in diesem Krieg stand Brecht auf der Seite der Ausbeuter, der Konterrevolution, der bürgerlichen Nation.
In Wahrheit ist Brecht niemals ein wirklicher Kommunist gewesen. Solange in Deutschland am Ende des 1. Weltkriegs der Bürgerkrieg zwischen Proletariat und Bourgeoisie tobte, blieb Brecht der Arbeiterbewegung fern. Der Held seines ersten Dramas Trommeln in der Nacht, ein totgeglaubter, spät heimgekehrter Frontsoldat, zieht das weiche Bett seiner Vorkriegsverlobten dem Straßenkampf an der Seite der Spartakisten vor. In den zwanziger Jahren fühlt sich Brecht nicht durch die proletarische Revolution angezogen, sondern durch den rasanten sozialen Zerfall der zukunftslosen Zwischenschichten. Der bekannte Spruch aus seiner Dreigroschenoper „erst kommt das Fressen, und dann kommt die Moral“, welchen die bürgerlichen Linken von heute für das letzte Wort des Marxismus halten, formuliert in Wirklichkeit den Nihilismus der Deklassierten, vor allem des kriminellen Lumpenproletariats.
Brecht wurde erst 1930 Mitglied der KPD - zu einer Zeit also, als die stalinistische Zerstörung dieser einst wichtigsten kommunistischen Arbeiterpartei außerhalb Rußlands in vollem Gang war. Als versuchte Ehrenrettung für Brecht wird heutzutage oft betont, daß das Leiden des Proletariats durch die Weltwirtschaftskrise ab 1929 Brecht zur KPD brachte, und daß seine „Lehrer“ in Sachen Marxismus (er lernte „politische Ökonomie“ bei Fritz Sternberg und „Philosophie“ bei Karl Korsch) keine Stalinisten waren. Tatsächlich aber wurde der nihilistische, durch den Weltkrieg haltlos gewordene, ruhmsüchtige Individualist Brecht, der sich in der wirklich kollektiven, solidarischen Gemeinschaft der Arbeiterbewegung einzufügen außerstande sah, gerade durch den Stalinismus angezogen. Gerade der blinde Gehorsam, den der Stalinismus als Ausdruck des bürgerlichen Totalitarismus verlangte, gab ihm den fehlenden Halt. „Aus dieser totalen Verneinung, dieser zynischen Abkehr von allen Werten, dieser nihilistischen Leere fiel Brecht ins Entgegengesetzte, in die Bewunderung der Disziplin und der hierarchischen Ordnung der deutschen Kommunistischen Partei“, schrieb später Ruth Fischer. „Fasziniert von ihren totalitären und terroristischen Zügen wurde er der originellste Dichter, den die Partei gehabt hat.“ (2)
Die Maßnahme - Ein Lehrstück, 1929-30 entstanden, zeigt am deutlichsten Brecht als Dichter des Stalinismus. Es handelt sich dabei um ein junges Parteimitglied während der niedergeschlagenen chinesischen Arbeiterrevolution von 1925-27, das aufgrund von Feinfühligkeit - so Brecht - die Disziplin verletzt und zur Gefahr für die Partei und deswegen von seinen eigenen Parteigenossen hingerichtet wird. Indem das Opfer seiner eigenen Vernichtung vorher noch zustimmt, nimmt Brecht die Methoden des stalinistischen Terrors der 30er Jahre vorweg. Die Musik dazu komponierte Hans Eisler, dessen Bruder Gerhard 1929 nach China entsandt wurde, um nach der dort von Stalin organisierten Niederlage die proletarische Opposition innerhalb der chinesischen KP zu liquidieren.
Zugegeben: auf dem Höhepunkt der Moskauer Prozesse, als andere westliche Literaten und Intellektuelle (wie Lion Feuchtwanger) Stalin zu Füßen lagen, zog Brecht es vor zu schweigen. Er schwieg auch, als befreundete Künstler vernichtet wurden. Obwohl ihm damals sogar heimliche Sympathien gegenüber Trotzki und der proletarischen Opposition nachgesagt wurden, schwieg er. Damit kam neben seiner Faszination für den Staatskapitalismus à la Stalin ein zweiter Wesenszug Brechts wie auch anderer bürgerlicher Intellektuellen der damaligen (wie heutigen) Zeit zum Vorschein: seine abgrundtiefe Feigheit. In seinem Leben des Galilei ist er bemüht, diese Feigheit zu rechtfertigen. Während Giordano Bruno, der Trotzki und die ganze proletarische Opposition gegen den Stalinismus symbolisieren soll, sinnlos verbrannt wird, überlebt Galilei, indem er seine wirkliche Gesinnung verinnerlicht, also gegenüber Rom (sprich Moskau) verheimlicht.
Brecht war nicht nur Konterrevolutionär, sondern auch Patriot. Wie viele andere deutsche intellektuelle Stalinisten ging Brecht während der Hitlerzeit nicht in die Sowjetunion ins Exil sondern in den Westen. Er verbrachte den 2. Weltkrieg in den USA. Stalin erblickte darin zu Recht eine gewisse Opposition gegen die Vorherrschaft des „sowjetischen“ Imperialismus. Im kalifornischen Exil träumten Brecht und seine Freunde von einem gegenüber dem russischen Stalinismus unabhängigen, kulturell höherstehenden, echten deutschen Stalinismus. Als nach 1945 die Staatsmacht in der DDR in die Hände der stalintreuen Gruppe-Ulbricht überging, schlug die Enttäuschung dieser aus den USA oder Mexiko zurückkehrenden deutsch-patriotischen Intellektuellen in einen tiefen Zynismus um. Auch dieser Zynismus, welcher das Nachkriegsschaffen Brechts kennzeichnet, wird heute oft als Beweis für die Oppositionshaltung Brechts gegenüber dem Stalinismus angeführt. In Wahrheit wußte die rote Bourgeoisie der DDR sehr gut, sich dieses Zynismus zu bedienen. Wenn nicht Brecht selbst, so dienten der Zynismus und die intellektuellen Fähigkeiten dieser Patrioten dazu, den Staatssicherheitsdienst aufzubauen und zu leiten. Dieser Personentyp und deren Geisteshaltung wird heute noch von Markus Wolff sehr gut verkörpert.
Die letzten Jahre und Werke Brechts sind durch Enttäuschung, Verbitterung und zunehmende Vereinsamung des Dichters gekennzeichnet. Auslöser dieser letzten, düsteren Stimmungen war nicht das schreckliche Leiden des Proletariats nach dem Krieg, sondern im Gegenteil das Aufbegehren der Arbeiterklasse gegen ihre Ausbeutung. Angesichts des Arbeiteraufstands vom 17. Juni 1953 in der DDR zog sich Brecht immer mehr auf seine Luxusdatscha außerhalb Berlins zurück, unfähig, die ‘Undankbarkeit’ des Volkes gegenüber seinen Ausbeutern zu begreifen.
Es ist also nur folgerrichtig, wenn die Bourgeoisie heute dieses Lebenswerk als das ihre ehrt. Seine Parteinahme für die Konterrevolution, sein früher Nihilismus und später Zynismus, seine Glorifizierung der militärischen Hierarchie, seine Feigheit, seine Empörung wegen der ‘Undankbarkeit’ der Arbeiter, welche er zu verteidigen vorgab, sind eine Wiederspiegelung der Seele des Bürgertums. Vor allem ist es aber sein Patriotismus - das glatte Gegenteil des proletarischen Internationalismus -, den die Herrschenden heute loben. So hoben alle Festredner positiv hervor, daß sich Brecht im Gegensatz etwa zu Thomas Mann 1945 gegenüber den Siegermächten „für Deutschland“ einsetzte.
Hier wird deutlich, wie das Brecht-Jahr dazu dient, die häßliche, konterrevolutionäre Fratze des Stalinismus zu liften.
Nicht nur als Politiker, auch und gerade als Künstler diente Brecht dem Stalinismus; dienen die Brecht-Feierlichkeiten dazu, die größte Lüge des 20. Jahrhunderts weiter zu legitimieren: daß der Stalinismus irgendwo doch der legitime Nachfolger des Marxismus sei. Der Künstler Brecht dient in besonderer Weise dazu, weil er den Anspruch des Stalinismus vor allem mit den Mitteln der Kunst zu untermauern versuchte.
Auch der Künstler Brecht, das von ihm hinterlassene „Modell“ des „realistischen“ und „politisch engagierten“ Künstlers - der am besten dabei auch noch der Linie „der Partei“ folgt - steht für den Kampf des Stalinismus gegen das Proletariat und gegen die Kunst. Wie wenig der Marxismus die Aufgabe der Kunst darin sieht, eine bestimmte parteipolitische Linie propagandistisch zu unterstützen, zeigt bereits Friedrich Engels in einem 1888 geschriebenen Brief an Margaret Harkness: „Ich bin weit davon entfernt, darin einen Fehler zu sehen, daß Sie nicht einen waschechten sozialistischen Roman geschrieben haben (...) Je mehr die Ansichten des Autors verborgen bleiben, desto besser für das Kunstwerk.“ (3)
Das heißt keineswegs, daß der Künstler sich nicht politisch engagiert. Aber die soziale Anteilnahme des Künstlers liegt vor allem in der tiefen, objektiven Wahrheit seines Kunstwerks selbst, nicht in den subjektiven politischen Ansichten des Autors. So schrieb Rosa Luxemburg über die klassische russische Literatur: „Dostojewski ist, zumal in seinen späteren Schriften, ausgesprochener Reaktionär, frömmelnder Mystiker und Sozialistenhasser (...) Tolstois mystische Lehren schillern zum mindesten in reaktionären Tendenzen. Und doch wirken auf uns beide in ihren Werken aufrüttelnd, erhebend, befreiend. Das macht: nicht ihr Ausgangspunkt ist reaktionär, nicht sozialer Haß, Engherzigkeit, Kastenegoismus, Festhalten an dem Bestehenden beherrschen ihr Denken und Fühlen, sondern umgekehrt: weitherzige Menschenliebe und tiefstes Verantwortlichkeitsgefühl für soziales Unrecht.“ (4).
Das Beispiel Brechts mit seinen Agit-Prop „Lehrstücken und Schulopern“ im Dienste der (stalinistischen) Partei dient heute vor allem dazu, den Marxismus zu pervertieren und zu diskreditieren. Die marxistische Tradition der Verteidigung der Unabhängigkeit der Künste vor politischer Gängelung wurde vor allem von Trotzki im proletarischen Kampf gegen die stalinistische Konterrevolution verteidigt. Während Brecht 1938 auf dem Höhepunkt des stalinistischen Terrors schwieg, verfaßte Trotzki zusammen mit dem Surrealisten André Breton ein Manifest „Für eine unabhängige revolutionäre Kunst“, worin stand: „Jede fortschrittliche Tendenz in der Kunst wird vom Faschismus als Entartung gebrandmarkt. Jede freie Schöpfung wird von den Stalinisten für faschistisch erklärt.“(5)
Wenn das Proletariat gegenüber der Kunst eine Zwangsjacke anlegen würde, würde es sich damit selbst Hindernisse auf seinen Weg in die kommunistische Gesellschaft legen und damit seinen eigenen Klasseninteressen widersprechen. Kr.
(1) Dieser Artikel ist ein Auszug aus Sabine Kebir´s Buch „Gramscis Zivilgesellschaft“.
(2) Ruth Fischer: Stalin und der deutsche Kommunismus Band 2, S. 283. Fischer nannte Brecht „Den Sänger der GPU“ (d.h.der stalinistischen Geheimpolizei).
(3) Marx-Engels-Werke Band 37, S. 43.
(4) Einleitung zu Korolenko: Geschichte meines Zeitgenossen in Luxemburg Werke Band 4, S. 306).
(5) Julijana Ranc: Trotzki und die Literaten, S. 192. Wie wichtig Trotzki diese Frage nahm, zeigt die Entstehungsgeschichte dieses Manifests. In der ersten Fassung schrieb Breton, daß der Kunst volle Freiheit auch unter der proletarischen Diktatur gewährt werden muß, außer wenn sie sich gegen die Revolution richtet. Trotzki bestand darauf, diese Einschränkung aus dem Text zu streichen.
Links
[1] https://de.internationalism.org/tag/geschichte-der-arbeiterbewegung/1848
[2] https://de.internationalism.org/tag/entwicklung-des-proletarischen-bewusstseins-und-der-organisation/bund-der-kommunisten
[3] https://de.internationalism.org/tag/theoretische-fragen/arbeiterklasse
[4] https://de.internationalism.org/tag/2/24/marxismus-die-theorie-der-revolution