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Weltrevolution Nr. 85

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Dezember 1987: Krupp-Rheinhausen - damals wie heute: Die Arbeiter dürfen den Kampf nicht in die Hände der Gewerkschaften legen

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Vor 10 Jahren brach am 27. November 1987 der Kampf der Krupp-Beschäftigten in Duisburg-Rheinhausen aus.

Damals schrieben wir in Weltreovlution Nr. 30: „Zu einer Zeit, als massive Angriffe gegen die gesamte Arbeiterklasse eingeleitet worden waren, wurde die Schließung von Krupp-Rheinhausen und die Entlassung von über 5.000 Arbeitern angekündigt.

Als die Entlassungen bekannt wurden, reagierten die Arbeiter sofort: sie legten die Arbeit nieder und riefen alle Arbeiter der Stadt zu einer Vollversammlung auf. Die Belegschaften von Thyssen und Mannesmann in Duisburg traten sofort in Solidaritätsstreiks.

Somit wurde klar, daß die Entlassungen bei Krupp alle Arbeiter angehen, und daß vor allem im Ruhrgebiet die aktive Solidarität nicht ausbleiben durfte. Am 30.November fand eine Vollversammlung mit 9 000 Arbeitern von Krupp und mit massiver Beteiligung von Delegationen der anderen großen Fabriken in Duisburg statt. Die Versammlung rief zum gemeinsamen Kampf im Ruhrgebiet auf.

Am 1. Dezember fanden in 14 Krupp-Fabriken im Bundesgebiet Demos und Vollversammlungen statt, an denen sich starke Delegationen aus Rheinhausen beteiligten. Am 3. Dezember demonstrierten 10 000 Schüler in Rheinhausen gegen die geplanten Entlassungen. Eine Delegation von Bergarbeitern forderte einen gemeinsamen Kampf von Berg- und Stahlarbeitern. Das gesamte Ruhrgebiet war mobilisiert und große Teile der Arbeiter standen kampfbereit. Am 8. Dezember demonstrierten über 10.000 Bedienstete der Stadt Duisburg in Rheinhausen, um ihre Solidarität zu bekunden.“


Der Versuch des Zusammenschlusses - von den Gewerkschaften torpediert

Die Arbeiter in Duisburg-Rheinhausen hatten bei ihrem Abwehrkampf in ihrem Aufruf an die anderen Beschäftigten betont: „Laßt uns nicht allein kämpfen. Wir wollen nicht das gleiche Schicksal erleiden wie die britischen Bergarbeiter. Schließt euch unserem Kampf an.“ Die britischen Bergarbeiter hatten 1985 über ein Jahr lang alleine verbittert und mutig, aber isoliert gegen die Schließungspläne der Regierung angekämpft. Deshalb die erste spontane Reaktion der Arbeiter in Rheinhausen: sich an die ganze Arbeiterklasse zu wenden, sich gemeinsam zur Wehr zu setzen.

Dieser Abwehrkampf der Arbeiter in Duisburg war ein Teil einer internationalen Welle von Kämpfen in den 80er Jahren, in deren Mittelpunkt 1985 die britischen Bergarbeiter, im Sommer 1986 die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes in Belgien, 1987 die französischen Eisenbahner und die Beschäftigten des Schulwesens in Italien standen. Im Dezember 1987 traten dann die Arbeiter in Deutschland massiv auf den Plan, um als Teil dieses internationalen Widerstandes der Arbeiter den Angriffen des Kapitals die Stirn zu bieten.

Überall stemmten sich die Gewerkschaften, vor allem ihre sich als besonders radikal ausgebenden Vertreter der Basis gegen die Eigeninitiative der Arbeiter und ihre Versuche, ihre Kämpfe über die Branchengrenzen hinweg zusammenzuschließen.

Die Fähigkeit der Arbeiter von Krupp-Rheinhausen, die Lehre aus dem britischen Bergarbeiterstreik aufzugreifen und zum gemeinsamen Kampf aufzurufen, die Fähigkeit, zu Anfang des Kampfes in Rheinhausen, gemeinsam Vollversammlungen mit Beschäftigten aus anderen Branchen und Betrieben abzuhalten, war sofort von den Gewerkschaften und den anderen Beschützern des Kapitals als eine große Gefahr angesehen worden.

Nachdem die Bewegung anfänglich ohne die Gewerkschaften in Gang gekommen war, versuchten die Gewerkschaften sofort, wieder ‘auf den fahrenden Zug zu springen.’ Am 5. Dezember 1987 kündigten sie einen Aktionstag für den 10. Dezember an. Die Parole der Gewerkschaften lautete: ‘Legen wir den gesamten Verkehr im Ruhrgebiet lahm.’ Verkehrsblockaden als Mittel des Arbeiterkampfes! Die Gewerkschaften errichteten am 10. 12. Straßensperren, die die Möglichkeit der Kontaktaufnahme der Arbeiter der verschiedenen Betriebe untereinander unterbinden sollte. Denn nachdem es anfangs zu ersten gemeinsamen branchenübergreifenden Treffen und Aktionen gekommen war, ging es den Gewerkschaften darum, diesen Kontakt zu unterbinden, die Zersplitterung der Bewegung durchzusetzen. Wie wir in unserer Presse schrieben: „In Wirklichkeit bedeuten diese Art Aktionen, daß die Arbeiter nicht gemeinsam und vereinigt demonstrieren, nicht in Massenversammlungen den weiteren Verlauf des Kampfs diskutieren, sondern, daß sie isoliert voneinander, über das ganze Ruhrgebiet zerstreut, in Gruppen zersplittert Straßen blockierten. Nach einigen Stunden dieser Aktion waren die meisten mit einem miesen Gefühl nach Hause gegangen. Und dennoch hätte es anders kommen können.

An diesem Tag fand eine Vollversammlung um 7.30 h bei Krupp statt, an der 3.000 Arbeiter teilnahmen. Um 10.00 h fand eine weitere Vollversammlung bei Thyssen statt. Postler und Arbeiter aus Süddeutschland kamen nach Rheinhausen. 90.000 Stahlarbeiter standen im Kampf, gleichzeitig legten 100.000 Bergarbeiter aus Solidarität für einige Stunden die Arbeit nieder. An verschiedenen Orten verließen Arbeiter die Fabriken und demonstrierten wie z.B. bei Opel-Bochum. Das Ausmaß der Mobilisierung und der Kampfbereitschaft hätte zu einer riesigen Machtdemonstration der Kraft der Arbeiterklasse werden können.

Der 10. Dezember war der Höhepunkt des Kampfes um Rheinhausen.

Am 11. 12. kündigte Bonn die Entlassung von 30.000 Bergarbeitern an. Es kam aber nicht zu einem gemeinsamen Kampf von Berg- und Stahlarbeitern. Dafür hatte die IG-Bergbau gesorgt, die vor Solidaritätsaktionen gewarnt hatte mit dem Vorwand, daß die Forderungen der Bergarbeiter dann untergehen würden, wenn sich die Bergleute mit den Stahlarbeitern solidarisierten.“ (Weltrevolution, Nr. 30).

Auch wenn der Abwehrbewegung mit dem Aktionstag der Gewerkschaften am 10. Dezember die Spitze gebrochen wurde, nachdem die Gewerkschaften die Bewegung erwürgen konnten, vermochten sie nicht zu verhindern, daß diese wichtigste Kampfreaktion der Arbeiter nach dem 2. Weltkrieg in Deutschland eine gewaltige Ausstrahlung hatte. Sie war ein Impuls für den Widerstand vieler anderer Beschäftigter geworden.

Angeregt durch das Beispiel der Kruppianer hatten sich in Köln Beschäftigte zusammengefunden, die sich durch den Kampfruf der Rheinhausener - ‘Nicht isoliert kämpfen’ ermutigt fühlten und selbst die Initiative ergriffen. Wir wollen ausführlich aus dem Flugblatt zitieren, das diese Gruppe vor dem Krupp-Werk und vor anderen Betrieben verteilt hat.


Solidarität heißt selber den Kampf aufnehmen

‘Gemeinsam können wir mehr erreichen’

Wir sind eine kleine Gruppe, die sich aus dem Personal der Kölner Krankenhäuser zusammengesetzt hat. Wir sind keiner Gewerkschaft und keiner Partei untergeordnet, sondern wir vertreten hier unsere Meinung. Weshalb wir uns zu Wort melden, ist, daß die Bedingungen in den Krankenhäusern für das Personal sowie für die Patienten immer unerträglicher werden. Den Anstoß für diese Stellungnahme haben uns die Beispiele aus dem Ruhrgebiet gegeben, wo Hunderttausende sich gemeinsam und solidarisch gegenüber den Massenentlassungen im Bereich der Stahlindustrie und dem Bergbau gezeigt haben. Auch der öffentliche Dienst einschließlich der Krankenhäuser hat sich durch Arbeitsniederlegungen und Teilnahme an Demos daran beteiligt, wobei aber noch keine eigenen Forderungen gestellt wurden. Denn es geht nicht darum, aus Mitleid mit den Kruppianern auf die Straße zu gehen, sondern es gilt zu verstehen, daß wir alle den gleichen Angriffen ausgesetzt werden und uns auch nur gemeinsam dagegen wehren können.

Das Gegenstück der Massenentlassungen in der Industrie ist im öffentlichen Dienst der Stellenabbau bzw. Einstellungsstop.

Die Auswirkungen sind jeweils die gleichen: auf der einen Seite die Arbeitslosigkeit, auf der anderen die Mehrbelastung der noch übriggebliebenen. ...

Es hat sich gezeigt, daß ‘Vater Staat’ genauso rücksichtslos und brutal mit seinen Beschäftigten umspringt wie jeder private Unternehmer. Angesichts dieser Tatsache befürworten wir, daß möglichst massive Protestaktionen und Demos zustande kommen, bei denen die Rücknahme der Massenentlassungen, der ‘Gesundheitsreform’ usw. verlangt wird.

Wir sollten dem Beispiel des Ruhrgebiets folgen und uns ebenfalls in Köln solidarisch erklären mit der KHD (2000 Entlassungen).

Dieses Schriftstück soll ein Beispiel dafür sein, daß man auch als kleine Gruppe, ohne die Parteien, Gewerkschaften usw. selbst aktiv werden kann.

Wir sind keine passive Manövriermasse. Jeder kann und muß sich zu Wort melden.“

Diese Beschäftigten hatten angefangen, die Lehre aufzugreifen, die aus der Bewegung gezogen werden mußte. Wie die IKS seinerzeit in unserer Presse schrieb:

„Und die Lehre, die man ziehen muß, ist, daß Sympathiestreiks und Solidaritätsbekundugen zwar ein wichtiger Schritt sind, daß sie aber nicht ausreichen, um die Entlassungen und die Angriffe der Bourgeoisie zurückzudrängen. Die Solidarität muß zur Vereinigung der Kämpfe selber führen. Aber was heißt Vereinigung?: Wenn die Arbeiter in Rheinhausen den Kampf gegen Entlassungen aufnehmen, dann sind ihr Kampf und ihre Forderungen grundsätzlich die gleichen wie in anderen Bereichen und Branchen. Die Bergleute werden wie die Stahlarbeiter von Massenentlassungen betroffen. Aber auch im öffentlichen Dienst werden die Angriffe stärker... Die Solidarität mit Rheinhausen bedeutet den Kampf für die eigenen Forderungen aufnehmen. Der Kampf eines Teils der Arbeiter muß zum Kampf der anderen Arbeiter werden’. Solidarität heißt selber den Kampf aufnehmen“.

Auch wenn die internationale Kampfwelle, die sich in den 80er Jahren entfaltet hatte, durch den Zusammenbruch des stalinistischen Ostblocks beendet wurde, seitdem die Arbeiterklasse einen tiefgreifenden Rückschritt ihres Bewußtseins und ihrer Kampfbereitschaft erlitten hat, die Idee des ‘jeder für sich’ lauthals propagiert wird und die Vorstellung eines gemeinsamen Kampfes heute in den Augen vieler als ‘Utopie’ erscheint, für Zigtausende ‘Beschäftigte war das vor 10 Jahren keine Utopie. Der Ruf nach einem gemeinsamen Kampf, nach Solidarität war das dringendste Gebot der Stunde, um den Angriffen des Kapitals entgegenzutreten. Und die Arbeiter hatten angefangen, dazu selber die Initiative zu ergreifen. Nur dank der Sabotagetaktik der Gewerkschaften gelang es diesen, den Arbeitern wieder die Zügel aus der Hand zu reißen.

Der Rückschlag, den die Klasse seit 1989 erlitten hat, und der einen verstärkten erdrückenden Einfluß der Gewerkschaften ermöglicht hat, wird nicht unüberwindbar sein. Es ist die Aufgabe aller Revolutionäre, die Lehren dieser Kämpfe für die Vorbereitung der Kämpfe von heute und morgen wieder einzubringen.

Erbe der kommunistischen Linke: 

  • Proletarischer Kampf [1]

Revolutionäre Welle 1917-1923: Die Isolierung des Proletariats in Rußland versetzte der Oktoberrevolution den Todesstoß

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 Der unglaubliche Erfahrungsschatz, den die Arbeiterklasse sich in Rußland zwischen Februar und Oktober 1917 aneignete, zeigte der Arbeiterklasse der ganzen Welt, daß es möglich war, die Macht der Bourgeoisie zu stürzen. Der Oktoberaufstand hatte den Sieg der Arbeitermassen ermöglicht, welche sich bewußt in Arbeiterräten organisiert hatten, mit ihrer politischen Vorhut in ihren Reihen, der Bolschewistischen Partei. Den weiteren Verlauf der Ereignisse nach dem Oktoberaufstand, d.h. der Prozeß der Entartung der russischen Revolution, der den Stalinismus hervorbrachte, kann man nur durch die Dynamik begreifen, die nach der Niederlage der weltweiten revolutionären Welle einsetzte, nach welcher der Stalinismus entstehen konnte. Dieser Niedergang hat nichts zu tun mit der bürgerlichen Lüge der angeblichen Kontinuität zwischen der Diktatur des Proletariats, die nach dem Oktober 1917 entstanden war und dem Stalinismus, der sich dagegen erst dank der Niederschlagung der Revolution entfalten konnte.

Die russische Revolution war kein isoliertes Phänomen, das nur durch die besonderen Bedingungen in Rußland erklärt werden könnte, sondern der Höhepunkt der ersten weltweiten revolutionären Welle, die die bürgerliche Ordnung von Deutschland bis in die USA, von Europa bis Asien und bis hin in den südamerikanischen Kontinent erschütterte. Diese revolutionäre Welle war die Reaktion auf den imperialistischen Krieg, der den Zeitraum der kapitalistischen Dekadenz eingeläutet hatte. Von da an konnte nur eine Alternative der kapitalistischen Barbarei entgegentreten: die proletarische Weltrevolution.

Ein einziger Ausweg: die Ausdehnung der Weltrevolution

Wenn Lenin und die Bolschewiki zur Vorhut der Revolutionäre werden konnten, dann weil sie davon überzeugt waren, daß die Alternative gegenüber dem Weltkrieg nur die Weltrevolution der Arbeiterklasse sein konnte. Als Internationalisten seit der ersten Stunde betrachteten sie die russische Revolution nur als eine erste Stufe der proletarischen Revolutionen, die unausweichlich als eine Folge des Krieges entstehen werden. Sobald die Übernahme der Macht in Rußland aufgrund der Reifung der Bedingungen auf internationaler Ebene und in Rußland möglich geworden war, wurde von den Revolutionären als eine elementare Aufgabe des russischen Proletariats gegenüber dem Weltproletariat aufgefaßt. Auf die Argumente der Menschewiki eingehend, denen zufolge die Revolution in einem weiter fortgeschrittenen Land beginnen sollte, rechtfertigte Lenin die Notwendigkeit der Machtübernahme folgendermaßen:

„Die Deutschen haben unter verteufelt schwierigen Verhältnissen, mit nur einem Liebknecht (der dazu noch im Zuchthaus sitzt), ohne Zeitungen, ohne Versammlungsfreiheit, ohne Sowjets, angesichts einer ungeheueren Feindseligkeit aller Bevölkerungsklassen bis zum letzten begüterten Bauern gegen die Idee des Internationalismus, angesichts der ausgezeichneten Organisation der imperialistischen Groß-, Mittel- und Kleinbourgeoisie, die Deutschen, d.h. die deutschen revolutionären Internationalisten, die Arbeiter im Matrosenkittel, haben einen Aufstand in der Flotte begonnen - bei einer Chance von vielleicht eins zu hundert. Wir aber, die wir Dutzende von Zeitungen, die wir Versammlungsfreiheit haben, über die Mehrheit in den Sowjets verfügen, wir, die wir im Vergleich zu den proletarischen Internationalisten in der ganzen Welt die besten Bedingungen haben, wir werden darauf verzichten, die deutschen Revolutionäre zu unterstützen. Wir werden argumentieren wie die Scheidemänner und die Renaudel: Das Vernünftigste ist, keinen Aufstand zu machen, denn wenn man uns niederknallt, so verliert die Welt in uns so prächtige, so vernünftige, so ideale Internationalisten!! Beweisen wir, daß wir vernünftig sind. Nehmen wir eine Sympathieresolution für die deutschen Aufständischen an und lehnen wir den Aufstand in Rußland ab. Das wird dann ein echter, vernünftiger Internationalismus sein. Und wie schnell wird der Internationalismus in der ganzen Welt aufblühen, wenn überall eine so weise Politik obsiegen wird! .....“(LW Bd.26, S.191f)

Weniger als ein Jahr nach der Machtübernahme in Rußland konnte es keinen Zweifel daran geben, daß der Rest der Arbeiterklasse der anderen Länder auf den Plan treten mußten, um die Weltrevolution weiterzutragen: „Die russische Revolution ist lediglich einer der Trupps der internationalen sozialistischen Armee, von deren Aktion der Erfolg und der Triumph der von uns vollzogenen Umwälzung abhängt (...). Das russische Proletariat ist sich bewußt, in der Revolution allein dazustehen, und erkennt klar, daß die vereinte Aktion der Arbeiter der ganzen Welt oder einiger in kapitalistischer Hinsicht fortgeschrittener Länder die notwendige Bedingung und grundlegende Voraussetzung seines Sieges ist.“ (Referat auf der Moskauer Gouvernementskonferenz der Betriebskomitees, 23. Juli 1918, LW 27, S. 547). Die russische Revolution begnügte sich nicht damit, passiv ihr Schicksal der Auslösung von proletarischen Revolutionen in anderen Ländern anzuvertrauen, sondern sie ergriff ständig Initiativen, um sie auszudehnen. Der Schlüssel für deren Weiterentwicklung lag in Deutschland. Auf der Arbeiterklasse in Deutschland lastete eine große Verantwortung.

„Die deutsche Arbeiterklasse ist der treueste und sicherste Verbündete der russischen Revolution und der proletarischen Revolution“. (Lenin).

Die Revolutionäre in Deutschland wiederum verstanden sehr wohl, was auf dem Spiel stand: ‘Darin liegt das Schicksal der russischen Revolution, darin ihr Glück und Ende eingeschlossen. Sie kann lediglich als Prolog der europäischen Revolution des Proletariats ihr Ziel erreichen. Werden hingegen die europäischen, die deutschen Arbeiter dem spannenden Schauspiel weiter wohlwollend zuschauen und nur die Zaungäste spielen, dann darf die russische Sowjetherrschaft nichts anderes gewärtigen als das Geschick der Pariser Kommune’ (Spartakus-Briefe, Januar 1918, S. 415).

Das revolutionäre Gären, das sich insbesondere in Deutschland und in Mitteleuropa während des Jahres 1918 entfaltete, ließ Hoffnung auf die unmittelbar bevorstehende Auslösung der Weltrevolution aufkommen.


Die Gegenoffensive der Bourgeoisie gegen die Ausdehnung der Revolution in Deutschland

Die Bourgeoisie ihrerseits hatte schon die Lehren aus der ersten Schlacht gezogen, die ihr Klassenfeind in Rußland gewonnen hatte. Diese Kapitalisten, die einige Monate zuvor noch ihre imperialistischen Rivalitäten auf den Schlachtfeldern des 1. Weltkriegs austrugen, begriffen die Notwendigkeit ihres Zusammenschlusses und daß sie sich vereinigen mußten, um die in Fahrt gekommene Weltrevolution zu bremsen und niederzuschlagen.

So versuchten die Kräfte der Entente keineswegs, ihren imperialistischen Feind auf den Boden zu schmeißen, als Kaiser Wilhelm im November 1918 einen Waffenstillstand erbitten mußte, denn sie wollten, daß er der aufsteigenden revolutionären Welle in Deutschland entgegentreten konnte (1).

Der Waffenstillstand und die Ausrufung der Republik in Deutschland riefen ein (naives) Gefühl des ‘Sieges’ hervor, was der Arbeiterklasse sehr teuer zu stehen kam. Während es die Arbeiter in Deutschland nicht schafften, die verschiedenen Kampfzentren untereinander zu verbinden, und sich durch die Reden und Manöver der Arbeiterparteien und Gewerkschaften täuschen ließen, die in das Lager der Bourgeoisie übergewechselt waren, organisierte sich die Konterrevolution und koordinierte das Vorgehen der Gewerkschaften, der ‘sozialistischen Parteien’ und des militärischen Oberkommandos.

Von Dezember 1918 an ging die Bourgeoisie zur Offensive über, indem sie ständig das Proletariat in Berlin zu provozieren suchte mit dem Ziel, daß es alleine in den Kampf trat und vom Rest der Arbeiterklasse in Deutschland isoliert blieb. Am 6. Januar 1919 zogen mehr als eine halbe Million Berliner Arbeiter auf die Straße. Am darauffolgenden Tag schlug der ‘Sozialist’ Noske an der Spitze der Freikorps (nach dem Waffenstillstand aus der Armee entlassene Offiziere und Unteroffiziere) die Arbeiter Berlins in einem Blutbad nieder. Um es dem Proletariat so schwer wie möglich zu machen, sich von dieser verlorenen Schlacht zu erholen, schlug die deutsche Bourgeoisie noch stärker zu: sie raubte dem deutschen Proletariat seine Vorhut, als sie die berühmtesten Führen Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg ermorden ließ.

Mit der blutigen Niederlage, die die Arbeiterklasse in Deutschland erlitt, rückte die unmittelbare Perspektive der Ausdehnung der Weltrevolution in Sowjetrußland in immer weitere Entfernung.

Aber die proletarische Bastion in Rußland setzte sich zur Aufgabe, ‘durchzuhalten’ mit der Erwartung, daß neue revolutionäre Erhebungen in Deutschland und den anderen Ländern eintraten. Somit stand das Proletariat in Rußland vor äußerst schwierigen Bedingungen: die ganze Weltbourgeoisie hatte sich zu einem gewaltigen Kreuzzug gegen die Bolschewiki zusammengeschlossen, die Sowjetrepublik war zu einer wirklich belagerten Festung geworden. Vollständig isoliert, kämpfte die Revolution um Leben und Tod. In dieser Lage durchzuhalten, erforderte von der Arbeiterklasse endlose Opfer.

Durch die bürgerliche Koalition isoliert und erwürgt, brach die Revolution in Rußland in sich zusammen

In der Ukraine, Finnland, im Baltikum, in Besarabien, halfen Großbritannien und Frankreich Regierungen an die Macht zu kommen, die die weißen konterrevolutionären Armeen unterstützten, welche sich um die Überreste der russischen Bourgeoisie gesammelt hatten. Die Großmächte beschlossen darüber hinaus, direkt in Rußland zu intervenieren. Japanische Truppen gingen in Wladiwostok an Land, wenig später trafen französische, englische und amerikanische Truppenverbände ein. Drei Jahre lang lösten diese Truppen eine blutige Schreckensherrschaft gegen die Sowjetherrschaft aus, verübten Massaker und Grausamkeiten aller Art, die von den ‘Demokraten’ aller Länder begrüßt wurden und zu denen die ‘Sozialisten’ Europas ihre Zustimmung gaben.

Darüber hinaus kam zum Eingreifen der westlichen Truppen und der Weißen Armeen noch die Sabotage und die konterrevolutionäre Verschwörung der Bourgeoisie und der Kleinbourgeoisie in Rußland dazu. Der schreckliche Bürgerkrieg, der das Land in jenen Jahren verwüstete, zusätzlich zu all den Krankheiten und Epidemien, die durch die Wirtschaftsblockade entstanden waren, welche der Bevölkerung in Rußland aufgezwungen wurde, riß ca. 7 Millionen Menschen in den Tod. Während all dieser Zeit schlugen die Demokraten und Sozialisten die Arbeiteraufstände in Deutschland, Österreich und Ungarn scheibchenweise nieder.

All die Niederlagen, die die Arbeiterklasse in den anderen Ländern erleiden mußten, versetzten somit auch einen Schlag gegen die Arbeiterklasse in Rußland, deren Isolierung noch weiter zunahm. Während die Macht der Sowjets in Rußland nur in dem Maße konsolidiert werden konnte, wie sich die Dynamik der Ausdehnung der Weltrevolution zur Überwindung der weltweiten Herrschaft der Bourgeoisie auf internationaler Ebene verstärkte, führte diese politische Isolierung zusammen mit den Auswirkungen des Bürgerkriegs zu einer beträchtlichen Schwächung der Arbeiterklasse.

Die Arbeiterklasse in Rußland und ihre Avantgarde in Rußland standen sprichwörtlich mit dem Rücken zur Wand. Die Bolschewiki waren unfähig, eine andere Politik zu betreiben als die, welche ihnen durch die ungünstige Entwicklung des Kräfteverhältnis zwischen proletarischer Revolution und herrschendem Kapitalismus aufgezwungen wurde. Die Lösung für dieses Dilemma lag nicht in Rußland selber; sie lag auch nicht in den Händen des russischen Staates und auch nicht im Verhältnis zwischen Arbeiterklasse und Bauernschaft. Die Lösung konnte nur durch die internationale Arbeiterklasse kommen.

Deshalb stellten all die wirtschaftlichen Maßnahmen, insbesondere diejenigen, welche später als ‘Kriegskommunismus’ dargestellt wurden, keineswegs die Einführung einer ‘wirklich’ sozialistischen Politik dar. Sie bedeuteten keineswegs die Abschaffung der kapitalistischen Verhältnisse, sondern waren einfach Notmaßnahmen, die durch die kapitalistische Wirtschaftsblockade gegen die Sowjetrepublik und die aus dem Krieg hervorgegangenen Notwendigkeiten entstanden waren.

Als die revolutionäre Phase von 1921 in ihre Endphase eintrat, war die Einführung der NEP (Neuen Ökonomischen Politik) ungeachtet der heldenhaften Kämpfe, die danach noch stattfanden, keineswegs eine ‘Wiederherstellung’ des Kapitalismus, da dieser in Rußland nie aus der Welt geschafft worden war. Diese ganze Politik und diese Maßnahmen waren aufgezwungen worden durch die Erstickung, welche die Isolierung der Revolution hervorrief.

Lenin war sich dessen voll bewußt, daß trotz der Machtergreifung durch die Arbeiterklasse die Überwindung der kapitalistischen Wirtschaft in Rußland von der Ausdehnung der Revolution in Europa abhing:

„Wir müssen davon ausgehen, daß, wenn die europäische Arbeiterklasse die Macht vorher ergriffen hätte, wir unser rückständiges Land hätten umwandeln können - ökonomisch sowie kulturell. Wir hätten dies mit technischer und organisatorischer Unterstützung tun können, was uns erlaubt hätte, unseren Kriegskommunismus teilweise oder gänzlich zu korrigieren oder umzugestalten, und uns in Richtung einer wirklich sozialistischen Gesellschaft geführt hätte.“ (2) Gegenüber der Entfaltung des imperialistischen Krieges, dann gegenüber dem Bürgerkrieg mußten viele Soldaten auf dem Schlachtfeld mobilisiert werden, wo sie zu den tapfersten und wertvollsten Kämpfern der Roten Armee gehörten, aber Hunderttausende von ihnen wurden eben auch abgeschlachtet. So wurden die großen Arbeiterballungen, die den fortgeschrittensten Teil der Sowjets in der Revolution stellten, ungeheuerlich durch den Krieg und die Hungersnot geschwächt. Die Isolierung der proletarischen Bastion in Rußland führte zum schrittweisen Verlust der politischen Hauptwaffe der Revolution: des massiven und bewußten Handelns der Arbeiterklasse durch ihre Arbeiterräte. Sie wurden zum Schatten ihrer selbst und wurden durch einen Staatsapparat aufgesaugt, der immer mehr zu einem bürokratischen Geschwulst wurde.

Die Notwendigkeit, ‘die Stellung zu halten’, um auf die Revolution in Europa zu warten, führte dazu, daß die Bolschewistische Partei immer mehr ihre Rolle als politische Vorhut des Proletariats zugunsten der Verteidigung des sowjetischen Staats aufgab. Diese Politik der Verteidigung des sowjetischen Staates geriet sehr schnell in Widerspruch zu den ökonomischen Interessen der Arbeiterklasse (3). Es führte zum vollständigen Aufsaugen der Bolschewistischen Partei durch den Staatsapparat. Die Identifizierung der Partei mit dem Staat bewirkte schließlich, daß die Bolschewiki 1921 den Arbeiteraufstand von Kronstadt gegen die Misere und den Hunger blutig niederschlugen. Diese tragische Episode der russischen Revolution war das spektakulärste Zeichen des Todeskampfes der russischen Revolution.


Der Stalinismus - Speerspitze der Konterrevolution

Tatsächlich kroch die Konterrevolution dort hervor, wo es die Revolutionäre am wenigsten erwarteten - nämlich innerhalb der Sowjetrepublik. Dort wurde die Macht der Bourgeoisie wiederhergestellt aufgrund eines Prozesses des Aufsaugens der Bolschewistischen Partei durch den Staat.

Durch das Aufblühen des totalitären und bürokratischen Apparates vergiftet, neigte die Bolschewistische Partei immer mehr dazu, die Verteidigung der Interessen des Sowjetstaates höher zu stellen als die Verteidigung der Prinzipien des proletarischen Internationalismus. Nach dem Tode Lenins im Januar 1924 half Stalin, der Hauptvertreter dieser Tendenz zur Aufgabe des Internationalismus, der Konterrevolution in den Sattel: dank des Einflusses, den er im geheimen innerhalb des Apparates erworben hatte, behinderte und lähmte er schließlich den Widerstand der Kräfte, die sich den konterrevolutionären Entartungen der Bolschewistischen Partei entgegenstellten.

Das Auslaufen der revolutionären Welle nach 1923, deren letztes Aufbäumen in China 1927 stattfand, verdeutlichte die Niederlage der größten revolutionären Erfahrung der Arbeiterklasse. Die proletarische Bastion in Rußland brach von innen her zusammen und die Jagd auf die internationalistischen Revolutionäre wurde innerhalb der Partei eröffnet. Die stalinistisch gewordene Bolschewistische Partei sollte somit von all denjenigen gesäubert werden, die dem Internationalismus treu geblieben waren, und die sich weiterhin auf die Prinzipien beriefen, die Lenin mit Händen und Füßen verteidigt hatte. Von 1925 an praktizierte Stalin die Theorie des ‘Aufbaus des Sozialismus in einem Lande’, mit der es möglich wurde, daß die furchtbarste Konterrevolution der Menschheitsgeschichte ihren Einzug hielt.

Diese stalinistische Konterrevolution, die jedes revolutionäre Gedankengut zu vernichten suchte, indem jede Regung des Klassenkampfes niedergeschlagen wurde durch die Errichtung einer Terrorherrschaft und der Militarisierung des gesamten gesellschaftlichen Lebens, indem die alte Bolschewistische Garde dezimiert wurde, wurde zu einer Verkörperung der Feindschaft gegenüber dem Kommunismus. Die UdSSR wurde zu einem eigenständigen kapitalistischen Land, wo die Arbeiterklasse unterworfen war, sie mit dem Gewehr im Rücken handeln mußte, den Interessen des nationalen Kapitals im Namen der Verteidigung des ‘sozialistischen Vaterlandes’ zu dienen hatte.

Die Niederlage der weltweiten revolutionären Welle, das Scheitern der Revolution in Rußland und die damit verbundene stalinistische Entartung waren das tragischste Ereignis der Geschichte des Proletariats und der Menschheit, denn sie riefen einen bis dahin nie gekannten Rückschlag der Arbeiterklasse hervor (ein halbes Jahrhundert weltweite Konterrevolution), und sie öffneten den Weg zum 2. Weltkrieg.

Es ist deshalb für die Arbeiterklasse lebenswichtig, all die Lehren aus der Erfahrung der russischen Revolution und ihrem Scheitern zu ziehen.

Nur wenn die Arbeiterklasse dazu in der Lage ist, sich die Lehren ihrer eigenen Erfahrung anzueignen, kann sie sich den Lügenkampagnen der Bourgeoisie entgegenstellen, die diese immer wieder auflegt, um zu verbreiten, daß der Terror des stalinistischen Regimes das ureigene Geschöpf der Oktoberrevolution sei.

Das Ziel solcher Kampagnen und dieser Lügen besteht darin, die Erfahrung des Oktober 1917 zu verzerren und glauben zu machen, daß jede proletarische Revolution nur zum Stalinismus führen kann. Die herrschende Klasse und ihre Priester versuchen somit die Arbeiterklasse daran zu hindern, daß sie die Flamme dieses gewaltigen Kampfes wieder aufnimmt, der von dieser Generation von Arbeitern vor 80 Jahren ausgefochten wurde, als die Arbeiterklasse es damals wagte, den Ansturm auf die kapitalistische Ordnung zu wagen. BS

(1) Man kann sich die ganze Entwicklung der Bourgeoisie veranschaulichen, wen man sieht, daß zwei Jahre zuvor die französische und englische Bourgeoisie die Kerenski-Regierung, die aus der Februar-Revolution hervorgegangen war, diese dazu gedrängt hatten, den Krieg um jeden Preis fortzusetzen, wodurch die provisorische Regierung gezwungen wurde, ihr bürgerliches Wesen vor den Augen der Arbeiter bloßzulegen. Damit hatte sie Öl auf das Feuer der revolutionären Flammen in Rußland gegossen.

(2) Lenin, Die NEP und die Revolution, Kommunistische Theorie und Wirtschaftspolitik beim Aufbau des Sozialismus (französische Ausgabe).

(3) Dieses Problem war der Aufmerksamkeit Lenins nicht entgangen. Dieser vertrat bei der Debatte in der Bolschewistischen Partei zur Rolle der Gewerkschaften Anfang der 20er Jahre den Standpunkt, daß die Arbeiterklasse ihre unmittelbaren Interessen noch gegenüber dem Staat in der Übergangsperiode vom Kapitalismus zum Sozialismus zu verteidigen habe. Aber unter den damaligen Bedingungen konnten die Revolutionäre ihre politischen Überlegungen zu dieser Schlüsselfrage nicht weiter vorwärtstreiben.

Geschichte der Arbeiterbewegung: 

  • 1917 - Russische Revolution [2]

Erbe der kommunistischen Linke: 

  • Proletarischer Kampf [1]

Wiedererwecken des Mythos "Che" Guevara: Ein neuer ideologischer Kreuzzug

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"Von den Armen der ganzen Welt in ein  Symbol verwandelt, führt und gewinnt Che heute Schlachten wie nie zuvor." Diese Worte von Castro aus seiner Grabrede für den alten Kameraden fassen gut zusammen, wie die Medien in zahlreichen Ländern durch eine Riesenkampagne den verstorbenen Guerillero benützen und ihn als Symbol des Revolutionärs schlechthin darstellen. Was soll diese Flut von Filmen zu seinem Gedenken, von Reportagen, Büchern, Spezialmagazinen, "Guevara-Abenden", organisierten Pilgerfahrten zu seinem Geburtsort oder zum Ort seines Märtyrertums? Wie schon bei den Kampagnen über den Tod des Kommunismus, die nach dem Zusammenbruch des Ostblocks geführt wurden, geht es der herrschenden Klasse auch jetzt wieder darum, die Bedeutung des Kommunismus und der Revolution zu entstellen; der "Guevarismus" hat weder mit dieser noch mit jenem auch nur das geringste zu tun.

 

Che Guevara ist vor allem bekannt als Guerillaführer in den sogenannten "nationalen Befreiungskriegen" in Kuba, in Afrika, in Südamerika. Wie es die Erfahrung seit Anfang dieses Jahrhunderts zeigt, sind diese "Befreiungskriege" aber nichts anderes als ein notwendiger Bestandteil des Kampfes auf Leben und Tod, den sich die verschiedenen imperialistischen Mächte zur Neuaufteilung der Welt liefern. Auch wenn diese "Befreiungskriege" weniger zerstörerisch sind als der 2. Weltkrieg, so haben sie doch den gleichen Charakter wie dieser mit  Millionen von massakrierten Menschen. Die jeweiligen Generalstäbe arbeiten immer im Dienst der einen oder der anderen Fraktion der Bourgeoisie. In diesem Sinne war der bärtige Guerillero nichts als ein tapferer Leutnant des Kapitalismus.

 

Der viel gefeierte Sieg von Castros Guerilla über den Diktator Battista im Jahre 1958, wo Che mit seiner energischen Kriegführung eine entscheidende Rolle spielte, ist keinesfalls eine Ausnahme, sondern eine glänzende Veranschaulichung dieser grausamen Wirklichkeit. Dieser Erfolg Castros war eigentlich schon sein zweiter Versuch, Battista zu stürzen. Den ersten führte er unter der Fahne des Rechtsextremismus und erlitt dabei eine Niederlage, was ihn ins Exil nach Mexiko zwang. Hier scharte er eine neue Gruppe von Guerilleros um sich, in der sich auch Guevara befand. Diese Schar, die darauhin wieder in Kuba strandete, vereinte die verschiedensten politischen Positionen.

 

Das Unterfangen, das sich auf die Kleinbauern stützte, konnte auch auf die Unterstützung der US-Regierung und das Wohlwollen der rechten Parteien zählen, die die Korruption von Battista anprangerten. Das Waffenembargo der USA verhinderte, sich Battista die notwendigen Mittel beschaffen konnte, um gegen die Guerilla zu kämpfen. Erst einige Monate nach Castros Machtergreifung  verschlechterten sich die Beziehungen zu den USA. Als diese mit einer Intervention drohten, wandte sich Castro dem russischen Imperialismus zu. Er erklärte sich zum "Marxisten-Leninisten" und rief die “Völker Lateinamerikas und der sozialistischen Länder“ zur Unterstützung für seine Regierung auf.

 

Aber das mythische Bild des Che ist nicht allein auf seinen Kämpferqualitäten aufgebaut. Seine "antibürokratischen" Stellungnahmen sind von den Trotzkisten und Maoisten aufgenommen worden, und waren ein Modell für die ganze Jugend, die sich gegen die bestehende Ordnung, auch gegen deren stalinistische Version in den Ostblockländern, stellte. Die damalige trotzkistische Buchhandlung François Maspero in Frankreich charakterisierte Ches politische Vision mit folgenden Worten: „Eine neue Haltung gegenüber der Arbeit, Beseitigung der Warenverhältnisse, Unterdrückung des Wertgesetzes, Ersetzung der materiellen Anreize durch moralische." (Le Monde vom 9. Oktober 1997) Was Che real umsetzte (die Agrarreform) oder was er umzusetzen versuchte, als er an der Spitze der zentralen Industrie- und Wirschaftsministerien der neuen kubanischen Macht stand, waren nichts anderes als Maßnahmen der Verwaltung und Führung einer nationalen Wirtschaft, die voll und ganz kapitalistisch war ebenso wie diejenige in China oder Rußland, einer Wirtschaft, die nichts zu tun hatte mit einem Übergang zum Kommunismus. Die Idee der Abschaffung der Warenverhältnisse unter kapitalistischer Herrschaft ist eine reaktionäre Utopie. Die verschiedenen Arten von Trotzkisten und Stalinisten haben diese Idee immer wieder zur Verschleierung der wahren Natur der stalinistischen Regime benützt.

 

Die Wirtschaftspolitik Che Guevaras änderte die kapitalistische Ausbeutung also nicht im geringsten. Die Einführung der freiwilligen und lohnlosen ”sozialistischen” Sonntage bedeutete vielmehr noch eine Verstärkung derselben. Es war ein Versuch, die Arbeiter an ihrem wöchentlichen Ruhetag zu Gratisarbeit für die ”Errichtung der neuen Gesellschaft” zu bewegen. Obwohl ihn 1964 eine Bürokratie, die er kritisiert hatte, verdrängte, wurde der Charakter seines Wirkens im Dienste des nationalen Kapitals keineswegs in Frage gestellt.

 

In der Folge verstärkte Che seine Kritik an der Bürokratie und richtete sich auch gegen Moskau. So äußerte er sich 1965 in Algier mit folgenden Worten: ”Die sozialistischen Länder sind in einem gewissen Grade die Komplizen der kapitalistischen Ausbeutung.” Könnte man nun daraus schließen, daß beim „Bärtigen mit dem roten Stern” eine Entwicklung hin zu proletarischen Positionen stattgefunden hatte, für die alle Länder, auch die sogenannten sozialistischen, kapitalistisch sind? Keinesfalls, wie seine folgenden Worte beweisen: „Für die internationalen Beziehungen braucht es ein neues Konzept nach folgenden drei Prinzipien: Austausch des Wissens, Weitergabe des Fortschritts statt Lizenzgebühren; Respektierung der Kulturen [....] und schließlich unentgeltliche Waffen.” Seine Praxis zeigt deutlich, wie sich sein Kampf in die kapitalistische Logik einreihte. Er kehrte damals zurück zur Guerilla; in den Kongo und später nach Bolivien. Dies bald im Dienste Pekings, bald im Dienste Moskaus, doch in jedem Fall für eines der imperialistischen Lager.

 

Seine Ermordung durch die Truppen des bolivianischen Staates, die durch den CIA ausgebildet wurden, machte ihn zu einem Märtyrer und Helden des bewaffneten Kampfes. Seine Haltung gegen den amerikanischen, aber für den russischen oder chinesischen Imperialismus benutzten verschiedene Guerilla-Bewegungen zur Rekrutierung ihres Kanonenfutters, das sie für ihre Kriege im Dienste anderer großer oder kleiner Imperialisten brauchten. Auch die Linke schlachtete seinen Ruf zur Genüge in ihrer Propaganda aus, um das Bewußtsein der Arbeiterklasse in den großen Industriezentren zu schwächen. Die Arbeiterklasse dazu zu bringen, entweder für das eine oder andere imperialistische Lager Partei zu ergreifen, wie vor allem während des Vietnamkrieges, hat nur ein Ziel: sie von dem Terrain wegzubringen, auf dem sich der selbständige Kampf der Arbeiterklasse ausdrückt; dasjenige des proletarischen Internationalismus. Die aktuelle Kampagne hat aber auch noch eine andere Seite: Sie will dem Proletariat mit ihrer Propaganda solche Kampfformen wie den ”bewaffneten Guerillakampf” schmackhaft machen, welche in absolutem Widerspruch zu den Mitteln und Zielen seines historischen Kampfes stehen. Solche Kampfformen können, wenn sich das Proletariat dazu verleiten läßt, nur zu einem politischen Selbstmord führen. Für die Arbeiterklasse gibt es kein anderes Kampfmittel als den Kampf der Massen und die Vollversammlungen, in denen gemeinsam Ziele und Mittel der Bewegung entschieden werden. Im Gegensatz zu den Armeen und den Guerillas des Kapitals wird das Proletariat nicht durch einen Generalstab geführt, sondern es zentralisiert seine Bewegung mit gewählten und abwählbaren Delegierten und bringt eine politische Vorhut, die revolutionären Minderheiten, und schließlich, wenn die Zeit reif ist, seine Klassenpartei hervor. Dies geschieht kollektiv und bewußt und schließt alle Aspekte des Kampfes ein, auch die dazu notwendige Gewalt.

 

Daran ist nicht zu zweifeln: Es gibt nichts am Kampfe Che Guevaras, dieses Helden der Bourgeoisie, auf das sich die Arbeiterklasse berufen könnte.  BN (19.10.97)

 

      

 


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Links
[1] https://de.internationalism.org/tag/2/29/proletarischer-kampf [2] https://de.internationalism.org/tag/geschichte-der-arbeiterbewegung/1917-russische-revolution