Während die Herrschenden gerne so tun, als ob die Arbeiterbewegung längst Schiffbruch erlitten habe und sie der Vergangenheit angehöre, nur um die Geschichte der Arbeiterbewegung zu verzerren und auf den Kopf zu stellen, wenn sie nicht gar ganz zu verschweigen, wollen wir uns hier in unserer Zeitung um eine Darstellung der wirklichen Geschichte der Arbeiterbewegung bemühen. Nachfolgend veröffentlichen wir einen Beitrag aus dem Jahre 1920 von Anton Pannekoek, der den Werdegang der Arbeiterbewegung im vorigen Jahrhundert bis 1918/1919 aufrollt.
Der Weltkrieg hat nicht nur eine gewaltige Umwälzung aller wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse gebracht: er hat auch den Sozialismus völlig umgewandelt. Wer mit der deutschen Sozialdemokratie aufgewachsen ist und sich in ihren Reihen an dem Kampf der Arbeiterklasse beteiligte, steht oft verwirrt den neuen Erscheinungen gegenüber und fragt sich, ob denn alles, was er bisher gelernt und getätigt hat, falsch war und weshalb er umlernen und einer neuen Lehre folgten soll. Die Antwort ist: es war nicht falsch, aber es war eine unvollkommene, zeitweilige Wahrheit. Der Sozialismus ist nicht eine feste unveränderliche Lehre. Mit der Entwicklung der Welt wächst die Einsicht der Menschen und mit den neuen Verhältnissen kommen neue Methoden zur Erreichung unseres Ziels auf. Das zeigt sich schon bei einem kurzen Überblick über die Entwicklung des Sozialismus im letzten Jahrhundert.
Am Anfang des 19. Jahrhunderts herrschte der utopische Sozialismus. Weitblickende Denker mit klarem Empfinden für die Unerträglichkeiten des Kapitalismus arbeiteten Entwürfe für eine bessere Gesellschaft aus, in der die Arbeit genossenschaftlich organisiert sein sollte. Ein Wendepunkt trat ein, als Marx und Engels 1847 das kommunistische Manifest herausgaben. Hier treten zuerst die Hauptpunkte des späteren Sozialismus klar hervor: aus dem Kapitalismus selbst wird die Kraft zur Umwandlung in eine sozialistische Gesellschaft herauswachsen: diese Kraft ist der Klassenkampf des Proletariats. Die armen, verachteten, unwissenden Arbeiter werden die Träger dieser Umwälzung sein, indem sie den Kampf gegen die Bourgeoisie aufnehmen, dadurch Kraft und Fähigkeit erwerben und sich als Klasse organisieren: durch eine Revolution wird das Proletariat die politische Herrschaft erobern und die wirtschaftliche Umwälzung durchführen.
Hervorzuheben ist dabei, daß Marx und Engels ihr Ziel nicht Sozialismus und sich selbst nicht Sozialisten nennen. Engels hat das nachher erklärt: zu jener Zeit wurden mit dem Namen Sozialismus verschiedene Richtungen der Bourgeoisie bezeichnet, die aus Mitleid mit dem Proletariat oder aus anderen Gründen, die kapitalistische Ordnung umändern wollten: oft waren ihre Ziele reaktionär. Der Kommunismus dagegen war eine proletarische Bewegung. Kommunisten hießen die Arbeitergruppen, die das System des Kapitalismus bekämpften. Von dem Kommunistischen Arbeiterbund ging das Manifest aus, das dem Proletariat Ziel und Richtung seines Kampfes wies.
Das Jahr 1848 brachte die bürgerlichen Revolutionen, die dem Kapitalismus den Weg in Mitteleuropa bahnten und damit auch die Umwandlung der überlieferten Kleinstaaterei in kräftige Nationalstaaten vorbereitete. Die Industrie entwickelte sich in den 50er und 60er Jahren in einem gewaltigen Tempo und in dieser Prosperität versank alle revolutionäre Bewegung so gründlich, daß sogar der Name des Kommunismus vergessen wurde. Als dann in den 60er Jahren aus diesem breiteren Kapitalismus die Arbeiterbewegung wieder emporkam, in England, Frankreich und Deutschland, hatte sie zwar einen viel breiteren Boden als die früheren kommunistischen Sekten, aber ihre Ziele waren viel begrenzter und bescheidener: Verbesserung der unmittelbaren Lage, Gewerkschaften, demokratische Reformen. In Deutschland entfaltete Lassalle eine Agitation für Produktionsgenossenschaften mit Staatshilfe: der Staat sollte sich seiner sozialen Aufgaben zugunsten der Arbeiterklasse bewußt werden, und um ihn dazu zu zwingen, sollte die Demokratie, die Herrschaft der Massen über den Staat dienen. So wird es verständlich, daß die von Lassalle begründete Partei sich den bescheidenen Namen Sozialdemokratie zulegte: in diesem Namen wird zum Ausdruck gebracht, daß das Ziel der Partei die Demokratie mit sozialem Zweck war.
Aber allmählich wuchs die Partei über diese engen ersten Ziele hinaus. Die stürmische kapitalistische Entwicklung Deutschlands, die Kriege zur Gründung des deutschen Reiches, das Bündnis von Bourgeoisie und junkerlichem Militarismus, das Sozialistengesetz, die reaktionäre Zoll- und Steuerpolitik, trieben die Arbeiterschaft in einen scharfen Klassenkampf hinein und machten sie zur Führerin in der europäischen Arbeiterbewegung, die ihren Namen und ihre Losungen übernahm. Die Praxis schärfte ihren Geist zum Verständnis der Marx'schen Lehren, die vor allem von Kautsky in zahlreichen Popularisierungen und Anwendungen den Sozialisten zugänglich gemacht wurden. Und so wurden die Prinzipien und Ziele des alten Kommunismus: das kommunistische Manifest von ihr als ihre Programmschrift, der Marxismus als ihre Theorie, der Klassenkampf als ihre Taktik, die Eroberung der politischen Herrschaft durch das Proletariat, die soziale Revolution als ihr Ziel anerkannt.
Dennoch war ein Unterschied vorhanden: der Charakter des neuen Marxismus, der Geist der ganzen Bewegung war anders als der alte Kommunismus. Die Sozialdemokratie wuchs empor inmitten einer kräftigen kapitalistischen Entwicklung. An einen gewaltsamen Umsturz war vorerst nicht zu denken. Deshalb verlegte man die Revolution auf die ferne Zukunft und stellte sich mit Propaganda und Organisation zu deren Vorbereitung und mit dem Kampfe für unmittelbare Verbesserungen zufrieden. Die Theorie betonte, daß die Revolution als Folge der wirtschaftlichen Entwicklung notwendig kommen müsse, und vergaß dabei, daß die Aktion, die spontane Tätigkeit der Massen zu ihrem Kommen notwendig sei. So wurde sie zu einer Art ökonomischer Fatalismus. Die Sozialdemokratie und die nachher emporkommenden Gewerkschaften wurden zu einem Glied der kapitalistischen Gesellschaft: sie verkörperten darin den wachsenden Widerstand und die Opposition der Arbeitermassen, und sie waren das Organ, das die völlige Verelendung der Massen durch den Druck des Kapitals verhinderten. Durch das allgemeine Wahlrecht wuchsen sie zu einer starken Opposition innerhalb des bürgerlichen Parlaments empor. Ihr Grundcharakter war, trotz der Theorie reformistisch auf das Unmittelbare, Kleine gerichtet, statt revolutionär: und die Grundursache dafür lag in der kapitalistischen Prosperität, die den proletarischen Massen eine gewisse Lebenssicherheit gab und keine wirklich revolutionäre Stimmung aufkommen ließ.
In dem letzten Jahrzehnt verstärkten sich diese Tendenzen. Die Arbeiterbewegung hatte nahezu erreicht, was unter diesen Umständen erreichbar war: sie war zu einem mächtigen Parteigebilde ausgewachsen, das eine Million Mitglieder und ein Drittel aller Wählerstimmen umfaßte, und neben ihr stand eine Gewerkschaftsbewegung, die den Hauptteil der organisierungsfähigen Arbeiter in sich aufgenommen hatte. Sie stieß jetzt ihr Haupt gegen eine mächtigere Schranke, gegen die sie mit den altbewährten Mitteln nicht aufkommen konnte: die starken Organisationen des Großkapitals in Syndikaten, Unternehmerverbänden und Interessengemeinschaften, sowie die von Finanzkapital, schwerer Industrie und Militarismus geführte Politik des Imperialismus, die größtenteils außerhalb des Parlaments geleitet wurde. Zu einer völligen Umwandlung und Erneuerung der Taktik war aber diese Arbeiterbewegung nicht fähig, die mächtigen Organisationen waren einmal da, sie waren Selbstzweck geworden und wollten sich behaupten. Träger dieser Tendenz war die Bürokratie, dies zahlreiche Heer der Beamten, Führer, Parlamentarier, Sekretäre, Redakteure, die eine eigene Gruppe mit eigenen Interessen bildeten. Unter ihren Händen war allmählich das Ziel, unter Beibehaltung der alten Namen, ein anderes geworden. Eroberung der politischen Herrschaft durch das Proletariat war für sie Eroberung der Mehrheit durch ihre Partei, Ersetzung der regierenden Politiker und der Staatsbürokratie durch sie, die sozialdemokratischen Politiker und die Partei- und Gewerkschaftsbürokratie. Neue Gesetze zugunsten des Proletariats, die sie dann erlassen würden, sollten den Sozialismus verwirklichen. Und diese Auffassung herrschte nicht nur bei den Revisionisten, auch Kautsky, der theoretische Politiker der Radikalen, erklärte in einer Diskussion, daß die Sozialdemokratie den Staat mit all seinen Organen und Ministerien erhalten und bloß andere Leute, Sozialdemokraten, an die Stelle der damaligen Minister einsetzen wollte.
Der Weltkrieg brachte auch die Krise innerhalb der Arbeiterbewegung. Die Sozialdemokratie stellte sich unter die Losung der "Vaterlandsverteidigung" überall in den Dienst des Imperialismus: die Partei- und Gewerkschaftsbürokratie arbeiteten Hand in Hand mit der Staatsbürokratie und dem Unternehmertum, die Arbeiter zu zwingen, Kraft, Blut und Leben bis zum äußersten herzugeben. Es war der Zusammenbruch der Sozialdemokratie als Partei der proletarischen Revolution. Nun kam, trotz der scharfen Unterdrückung in allen Ländern die Opposition allmählich empor und erhob aufs Neue die alte Fahne des Klassenkampfes, des Marxismus und der Revolution. Unter welchem Namen sollte sie kämpfen? Sie könnte sich mit Recht auf die alten Losungen der Sozialdemokratie berufen, die die sozialdemokratischen Parteien im Stich gelassen hatten. Aber der Name "Sozialist" war jetzt bedeutungslos und kraftlos geworden, da praktisch der Unterschied zwischen Sozialisten und Bürgerlichen völlig verschwunden war. Um den Klassenkampf zu führen, mußte zuerst und in schärfster Weise der Kampf gegen die Sozialdemokratie geführt werden, die das Proletariat in den Abgrund des Elends, der Unterwürfigkeit, des Krieges, der Vernichtung, der Machtlosigkeit gestürzt hatte. Konnten die neuen Kämpfer diesen geschändeten, entehrten Namen annehmen? Ein neuer Name war notwendig und welcher Name war da mehr geeignet als der alte ursprüngliche der ersten Träger des Klassenkampfes? In allen Ländern springt derselbe Gedanke auf, wieder den Namen Kommunismus anzunehmen.
Wieder, wie zu Marx' Zeiten stehen sich der Kommunismus als proletarisch-revolutionäre und der Sozialismus als bürgerlich-reformistische Richtung gegenüber. Und der neue Kommunismus ist nicht einfach eine Neuauflage der Lehre der radikalen Sozialdemokratie. Aus der Weltkrise hat er neue Einsichten gewonnen, die ihn weit über jene alte Lehre hinausheben. Den Unterschied dieser Lehre wollen wir jetzt betrachten.
Was ist der Unterschied zwischen der proletarischen und bürgerlichen Revolution? Wie kann die Arbeiterklasse die Macht ergreifen? Darf sie ihre Macht an irgendeine Partei "delegieren"? Welche Rolle spielen die Massenaktionen der Arbeiter und welche massive Entwicklung des Bewußtseins ist für diese Revolution notwendig?
Im nachfolgenden veröffentlichen wir den 2. Teil eines Artikels aus dem Jahre 1920 von A. Pannekoek, wo er die Auffassungen der Sozialdemokratie von der Revolution verwirft und die Position der Kommunisten aufzeigt. Auch wenn Pannekoek nicht näher auf den eigentlichen Hintergrund der Entwicklung eingeht, nämlich den Wechsel vom aufsteigenden zum niedergehenden Kapitalismus, halten wir es dennoch für wichtig, diesen Text unverändert, aber leicht gekürzt zu veröffentlichen. Diese "Vernachlässigung" ist z.T. darauf zurückzuführen, daß der Text 1920 geschrieben wurde, als die Diskussion um die tiefergehenden theoretischen Ursachen wegen der aktuellen Ereignisse damals in den Hintergrund gedrängt wurde. Ungeachtet dieser Schwäche liefert der Artikel einen wichtigen Beitrag zur Geschichte der Arbeiterbewegung.
Der Gegensatz zwischen Kommunismus und Sozialdemokratie trat auch schon vor dem Kriege, wenn auch nicht unter diesem Namen auf. Er betraf damals die Taktik des Kampfes. Unter dem Namen "Linksradikale" trat damals in der Sozialdemokratie eine Opposition hervor (aus ihr stammen die älteren der heutigen Kommunisten), die gegenüber den Radikalen und den Revisionisten die Notwendigkeit der Massenaktion verfocht. In diesem Streite war es vor allem, in dem die radikalen Wortführer, namentlich Kautsky, den revolutionsfeindlichen Charakter ihrer Anschauungen und ihrer Taktik hervortreten lassen mußten.
Der parlamentarische und der gewerkschaftliche Kampf hatten unter dem kräftig emporstrebenden Kapitalismus den Arbeitern einige Verbesserungen ihrer Lebensverhältnisse gebracht und zugleich einen kräftigen Damm gegen die nie ruhenden Verelendungstendenzen des Kapitalismus gebaut. Aber in dem letzten Jahrzehnt gab dieser Damm trotz der stark wachsenden Organisation allmählich nach: der Imperialismus stärkte die Macht des Unternehmertums und des Militarismus, schwächte das Parlament, trieb die Gewerkschaften in die Defensive und bereitete den Weltkrieg vor. Es wurde klar, daß die alten Kampfmethoden nicht mehr ausreichten. Instinktiv empfanden das die Massen: in allen Ländern sieht man sie in Aktionen losbrechen, oft gegen den Willen ihrer Führer, bald in riesigen gewerkschaftlichen Kämpfen, bald in Verkehrsstreiks, die die Wirtschaft lähmen, bald in Demonstrationen politischen Charakters. Oft erschüttert der Ausbruch proletarischer Empörung und proletarischer Kraft die Selbstsicherheit der Bourgeoisie in solchem Maße, daß sie Zugeständnisse macht; oft auch werden die Bewegungen durch Metzeleien erstickt. Die sozialdemokratischen Führer suchen diese Aktionen auch für ihre politischen Ziele zu benutzen; sie erkennen die Nützlichkeit politischer Streiks für bestimmte Ziele an, bloß unter der Bedingung, daß sie sich innerhalb der vorgeschriebenen Schranken halten, auf Geheiß der Führer begonnen und abgebrochen werden, und jedenfalls der offiziellen Taktik dieser Führer untergeordnet bleiben. So werden sie bisweilen auch angewandt; aber meist ohne viel Resultat. Die stürmische Gewalt des Elementarausbruchs der Massen wird durch die Politik der Kompromisse, der er dienen soll, gelähmt. Was die herrschende Bourgeoisie sonst mit Furcht schlägt: die Unsicherheit, wie weit sich die Aktion zu einer revolutionären Bewegung entwickeln könnte, fehlte bei den "disziplinierten" Massenaktionen, deren Harmlosigkeit im Voraus angekündigt wurde.
Die revolutionären Marxisten, die späteren Kommunisten haben damals schon die Beschränktheit der herrschenden sozialdemokratischen Auffassung durchschaut. Sie sahen, daß während der ganzen Geschichte die Massen, die Klassen selbst die treibende und die aktive Kraft aller Umwälzungen waren. Die Revolutionen entstanden nie aus dem klugen Beschluß anerkannter Führer; wenn die Verhältnisse, wenn die Lage unerträglich geworden war, brachen die Massen aus irgendeinem Anlaß los, fegten die alten Gewalten weg und die neue, zur Herrschaft berufene Klasse oder Schicht gestaltete Staat oder Gesellschaft nach ihren Bedürfnissen um. Nur während des letzten halben Jahrhunderts ruhiger kapitalistischer Entwicklung konnte die Illusion aufkommen, die Führer, die einzelnen Personen, lenkten nach ihrer höheren Einsicht die Geschichte. Die Parlamentarier im Parlament, die Beamten der Zentralvorstände glauben, ihre Taten, Reden, Verhandlungen, Entscheidungen, bestimmen den Gang der Ereignisse; die Massen hinter ihnen sollen nur gelegentlich auftreten, wenn sie gerufen werden, den Worten der Wortführer Nachdruck zu verleihen, um dann wieder schleunigst von der politischen Bildfläche zu verschwinden. Die Masse habe bloß eine passive Rolle zu spielen, sie habe die Führer zu wählen, die dann als die aktive wirksame Kraft der Entwicklung handeln.
War diese Auffassung schon beschränkt im Hinblick auf die früheren Revolutionen in der Geschichte, so ist sie es noch mehr, wenn man den tiefen Unterschied zwischen einer bürgerlichen und einer proletarischen Revolution ins Auge faßt. In bürgerlichen Revolutionen trat die Volksmasse von Arbeitern und Kleinbürgern nur einmal auf (wie in Paris im Februar 1848) oder nur dann und wann, wie in der großen französischen Revolution, um das alte Königtum oder eine neue unhaltbare Gewalt, wie die der Girondisten zu stürzen. Hatten sie ihre Arbeit getan, dann traten als neue Männer, als neue Regierung, die Vertreter der Bourgeoisie auf, um die Staatsinstitute, die Verfassung, die Gesetze, umzugestalten und zu erneuern. Proletarische Massenkraft war nötig, um das alte zu stürzen, aber nicht um das neue aufzubauen, denn der Neuaufbau war die Organisation einer neuen Klassenherrschaft.
Nach diesem Muster dachten sich die radikalen Sozialdemokraten auch die proletarische Revolution - die sie - im Gegensatz zu den Reformisten - als notwendig voraussahen. Eine große Volkserhebung sollte die alte militärisch-absolutistische Herrschaft wegfegen, die Sozialdemokraten an die Spitze bringen, und dies würde dann das weitere besorgen und durch neue Gesetze den Sozialismus aufbauen. So dachten sie sich die proletarische Revolution. Aber diese Revolution ist etwas ganz anderes. Die proletarische Revolution ist die Befreiung der Massen aus aller Klassenherrschaft und Ausbeutung. Das bedeutet, daß sie selbst ihre Geschicke in die Hand nehmen, daß sie selbst Meister über ihre Arbeit sein müssen. Aus dem alten Geschlecht beschränkter Arbeitssklaven, die nur an sich denken und nichts weiter sehen als ihre Werkstatt, müssen neue Menschen werden, trotzig, kampfbereit, unabhängigen Geistes, von kräftiger Solidarität erfüllt, nicht mehr durch den schlauen Betrug der bürgerlichen Lehren zu verwirren, und fähig, selbständig die Arbeit zu regeln. Diese Umwandlung kann nicht nur durch einen einzigen Revolutionsakt zustande kommen; ein langer Prozeß des Kampfes ist nötig, in dem die Arbeiter durch Not und bittere Enttäuschungen, durch gelegentliche Siege und wiederholte Niederlagen allmählich die Kraft, die feste Einheit und die Reife zur Freiheit und Herrschaft gewinnen. Dieser Kampfprozeß ist die proletarische Revolution.
Wie lange dieser Prozeß dauern wird, ist nach Ländern und Umständen verschieden und hängt vor allem von der Widerstandskraft der herrschenden Klasse ab. Daß er in Rußland relativ rasch vollendet war, lag daran, daß die Bourgeoisie schwach war und durch ihr Bündnis mit dem Landadel die Bauern auf die Seite der Arbeiter trieb. Das große Machtinstitut der Bourgeoisie ist die Staatsgewalt, die gewaltige, feinverzweigte Organisation der Herrschaft mit allen ihren Machtmitteln: Gesetzgebung, Schule, Polizei, Justiz, Militär und der Bürokratie, die die Leitung aller Zweige des öffentlichen Lebens in die Hand nahm. Die Revolution ist der Kampf des Proletariats gegen diesen Machtapparat der herrschenden Klasse, und es kann seine Freiheit nur gewinnen, indem es der feindlichen Organisation eine stärkere, festere Organisation gegenüberstellt. Staatsgewalt und Bourgeoisie suchen die Arbeiter machtlos, zersplittert und zaghaft zu halten, jede erwachende Einheit durch Gewalt und Betrug zu brechen, in allen Aktionen ihre Kraft zu zermürben. Demgegenüber tritt die Arbeitermasse in Massenaktionen auf, deren Wirkung die Lähmung und Abbröckelung der staatlichen Organisation ist. Solange letztere intakt bleibt, kann das Proletariat nicht siegen, denn immer wieder wird es sie gegen sich auftreten sehen. Der Kampf muß also - wenn nicht die Welt im Kapitalismus zugrunde gehen soll - damit enden, daß schließlich unter den unaufhörlichen mächtigen Aktionen des Proletariats die bürokratische Staatsmaschinerie zermürbt wird und machtlos zusammenbricht...
(Der vollständige Text kann bei der IKS angefordert werden)
Das Einleitungsreferat der IKS zeigte auf, daß der Kommunismus keine Erfindung von Marx ist, sondern als Idee so alt ist wie die Klassengesellschaft selbst. Aber die Träume der ausgebeuteten Klassen von einer Welt ohne Ausbeutung waren nicht realisierbar, weil jahrtausendelang die wirtschaftliche Vorbedingung dafür, d.h. die Produktivität der menschlichen Arbeit, nicht ausreichte. Wie der Marxismus aufzeigt, kann die Klassengesellschaft nur dadurch überwunden werden, indem der Kampf ums Dasein durch die Überwindung des Mangels und die Herstellung eines Überflusses an den lebensnotwendigen Dingen überflüssig wird. Damit hat paradoxerweise erst der Kapitalismus die Voraussetzungen für den Kommunismus geschaffen. Dies sind vornehmlich zwei:
- die revolutionäre Steigerung der Produktivität
- sowie das Entstehen einer revolutionären, zugleich ausgebeuteten Klasse, das Proletariat - und dies auf Weltebene.
Erst der Kapitalismus schuf die Voraussetzung einer kommunistischen Weltgesellschaft, indem sie eine gegenseitige Abhängigkeit aller Weltteile voneinander herbeiführte. Und deshalb gehört es zu den ersten Prinzipien des Marxismus, daß die kommunistische Revolution nur auf Weltebene siegen kann. Deshalb führte trotz der Machtergreifung der Arbeiterklasse 1917 in Rußland vor allem die Niederlage der Weltrevolution (insbesondere das Scheitern der Ausdehnung nach Deutschland) notwendigerweise zur bürgerlichen Konterrevolution innerhalb Rußlands und später auch international. Die Tatsache, daß diese Konterrevolution nicht von "Außen" kam (die gegen das Proletariat in Rußland einfallenden weißen Armeen wurden zurückgeworfen), sondern durch eine Entartung von Innen, unter Beibehaltung des Namens und der Sprache der Revolution, gibt der herrschenden Klasse heute die Möglichkeit, den Zusammenbruch des Stalinismus als das Scheitern des Kommunismus und des Marxismus schlechthin zu verkaufen. In Wirklichkeit war der Stalinismus der Henker der kommunistischen Revolution. Und sein aufgrund der Isolation Rußlands unvermeidbarer Sieg bestätigte in Wirklichkeit die These des Marxismus, daß die Revolution nur weltweit siegen kann. Heute, so wurde am Ende des Referates betont, gehört von daher die Verteidigung der Perspektive des Kommunismus gegen die Verleumdungen der Herrschenden zu den vorrangigsten Aufgaben der Marxisten.
In der anschließenden Diskussion bemerkte einer der Teilnehmer geradeheraus, er sei erstaunt darüber, daß man es heute überhaupt noch wagt, in der Öffentlichkeit über dieses Thema zu reden. Und er zweifelte an dem Nutzen einer solchen Diskussion. Denn selbst wenn es stimmt, daß das Fiasko des Stalinismus den Kommunismus nicht trifft, so ist diese Gleichsetzung von Stalinismus und Kommunismus in den Köpfen fast aller Arbeiter der Welt heute so vollständig, daß diese Perspektive auf ewig abgeschrieben erscheint.
Die Erwiderungen darauf bestritten keineswegs die gegenwärtigen Auswirkungen dieser antikommunistischen Kampagne in den Köpfen der Arbeiter. Es wurde aber entschieden bestritten, daß dadurch der Kommunismus und der Marxismus auf alle Ewigkeit hin erledigt seien. Zum einen wurde darauf hingewiesen, daß durch den Zusammenbruch des Ostens und dem damit verbundenen ideologischen Sieg des Kapitals der Klassenkampf keineswegs beseitigt worden ist. Im Gegenteil: der Klassenkampf besteht weiterhin als unauslöschbarer Ausdruck des Gespaltenseins dieser Gesellschaft in einander feindlich gegenüberstehende Klassen. Mit der gegenwärtigen Verschärfung der Krise des Kapitalismus können diese Klassengegensätze nur zunehmen. Damit wäre es aber mehr als verfrüht, den Marxismus endgültig abschreiben zu wollen. Denn der Marxismus ist die Theorie des Klassenkampfes vom Standpunkt des Proletariats aus gesehen. Und der Kommunismus seinerseits als gesellschaftliches Ziel ist das Resultat der Existenz der Arbeiterklasse als eigenständige Klasse mit Interessen, welche innerhalb des Kapitalismus nicht erfüllt werden können. Zudem: egal wie die Arbeiter heute darüber denken, und egal ob sie den Stalinismus für ein Kind des Marxismus halten oder nicht, wird der Kapitalismus in seiner westlichen Spielart sich als ebenso bankrottes Gesellschaftssystem erweisen. Millionen von Arbeiter werden in den kommenden Jahren wahrnehmen und begreifen müssen, daß der Kapitalismus gerade in seiner "klassischen" marktwirtschaftlichen Form nicht nur unfähig ist, die Probleme der Menschheit zu lösen, sondern nicht mal imstande ist, das Überleben der Menschheit zu sichern, sondern es immer mehr bedroht. Sobald diese Tatsache für die Masse der Arbeiter offensichtlich wird, wird auch die Notwendigkeit, Lösungen außerhalb des Systems zu suchen, zur Massenfrage. In Wahrheit ist es die Situation des Kapitalismus selbst, welche die Frage des Kommunismus stellt, und nicht etwa eine Handvoll "ewig gestriger Marxisten". Die Frage nach einer Gesellschaft, die diese Barbarei überwindet, also eine neue Gesellschaft, d.h. der Kommunismus, ist das aktuellste und brennendste Thema der Menschheit überhaupt. Dies bleibt auch dann der Fall, wenn die meisten Arbeiter dies noch nicht erkannt haben. Wie ein Teilnehmer anmerkte, geht es heute für die Menschheit um die Alternative "Sozialismus oder Barbarei", "Weltrevolution oder Niedergang". Es gibt keine dritte Alternative.
Bei einem anderen Teil der Diskussion ging es darum aufzuzeigen, daß der Kommunismus nicht nur eine Notwendigkeit darstellt, sondern auch möglich ist. Das alte Argument, der Kommunismus sei nicht möglich, weil die Menschen "schlecht" und die Gesellschaft "zu kompliziert geworden" ist, feiert heute neue Triumphe. Auch hier stellt man gerne Strohpuppen auf, d.h. Argumente, die mit dem Marxismus nichts zu tun haben, um sie dann triumphierend umzuwerfen. Der Marxismus ist nämlich niemals davon ausgegangen, daß die Menschen "von Grund auf gut" sind. Der Marxismus weiß sehr wohl, den Menschen in seiner Widersprüchlichkeit zu sehen. Und er weiß aus der Geschichte nur allzu gut, zu welchen Grausamkeiten die Gattung Mensch imstande ist. Es war gerade das Verdienst von Marx, darauf hinzuweisen, daß es unmöglich ist, eine klassenlose Gesellschaft durch Appelle an menschliche Güte herbeizuführen. Der Kommunismus kann nur dann zur Möglichkeit werden, wenn der Existenzkampf durch die Befreiung der Produktivkräfte von den Fesseln des Kapitalismus überflüssig und hinfällig wird. Ebenso wenig läßt der Marxismus die Komplexität der heutigen Gesellschaft außer Acht. Und er will nicht diese Komplexität abschaffen, sondern die Anarchie der kapitalistischen Marktgesetze. Als Beispiel für die Möglichkeit des Kommunismus heute wurde unter anderem das Beispiel Widerspruch zwischen Stadt und Land aufgeführt. Die Arbeitsteilung zwischen Stadt und Land ist eine der am frühesten in der Menschheitsgeschichte entstandenen Teilung. In der vorkapitalistischen Gesellschaft war die Stadt der Herrschaft des Landes und der Agrarwirtschaft unterworfen. Erst der Kapitalismus hat dieses Verhältnis völlig umgekehrt. Durch die Zentralisierung der Produktion und durch die Konzentration der Produktionsmittel in Riesenfabriken und der Reichtümer der Gesellschaft in akkumulierendes Privatkapital entstand die hochzentralisierte Welt von heute. Die Rohstoffe, Transportmittel, die Arbeitskräfte usw., alles wurde dort zusammengeballt, wo die kapitalistische Produktion stattfand. Aber dieser Fortschritt hat neue, im Rahmen des Kapitalismus schier unlösbare Probleme und Widersprüche herbeigeführt. Dies sind unter anderem die Entstehung der Megastädte, der Massenverarmung auf dem Lande und die damit verbundene Landflucht, sowie die Entwicklung eines weltweit gespannten, aber immer anarchischer, auf die Umwelt sich verheerend auswirkendes Transportsystem.
Auf der Umweltmesse zur Umweltkonferenz von Rio werden gegenwärtig biologische und ökologische Technik und Wissenschaft vorgestellt, die es auf modernste Weise ermöglichen, auf höchster Produktivitätsstufe alle Bedürfnisse der Menschheit im Agrarbereich wieder direkt von Bauern, wie im Mittelalter, herstellen zu lassen. Dadurch kann nicht nur die Menschheit ohne Zerstörung der Umwelt ausreichend ernährt werden, sondern der Gegensatz zwischen Stadt und Land mit all seinen verheerenden Folgen aufgehoben werden. Aber wie diese Unternehmer selber beklagen: sie kommen nicht zum Zuge, weil diese Umwandlung der Gesellschaft von den mächtigen Kapitalinteressen abgewürgt wird. Während früher gerne die These von Marx, daß im Kommunismus der Gegensatz zwischen Stadt und Land aufgehoben werden muß, als schlagendster Beweis benutzt wurde, um zu behaupten, der "Mann sei ein wirklichkeitsfremder Träumer", stellt sich jetzt unleugbar heraus, wer die wirklichen Utopisten sind. Es sind nämlich diejenigen, die diese und alle anderen brennenden Probleme der Menschheit INNERHALB des Kapitalismus glauben zu lösen können.
Gegen Ende des Treffens wurde folgende Frage "provokativ" an uns gerichtet: "Wenn ihr die Lösung habt, warum habt ihr dann keine größere Anhängerschaft?" Nun, die Kommunisten sind keine bürgerlichen Marktschreier, die nur zu verkünden brauchen: "Wählt uns, damit wir eure Probleme für euch lösen können". Im Gegenteil. Die Kommunisten verkünden sehr unbequeme Wahrheiten, welche die meisten nicht gerne hören möchten und vielleicht gar erst mal abschrecken. Wir sagen: es gibt unmittelbar hier und heute keine Lösungen für die Probleme der Menschheit. Diese Probleme können innerhalb des bestehenden Systems überhaupt nicht gelöst werden. Kein einziges dieser Probleme kann im nationalen Rahmen gelöst werden. Mehr noch: die Kommunisten haben zwar eine Perspektive zu verteidigen, aber sie haben keine Lösungen. Denn nur die Arbeiterklasse kann diese gigantische Aufgabe der Umwandlung der Gesellschaft in Angriff nehmen. Und weil die Arbeiterklasse keine wirtschaftliche Macht innerhalb dieser Gesellschaft besitzt, kann die Lösung der Probleme auch nur beginnen durch die weltweite Machtergreifung durch die Arbeiterräte. Der wissenschaftliche Sozialismus, im Gegensatz zum vormarxistischen utopischen Sozialismus hält überhaupt nichts von ausgetüftelten Projekten, wie die Zukunftsgesellschaft auszusehen habe. Der Kommunismus, wie Engels sagte, ist die "Lehre von der Befreiung des Proletariats". Deshalb waren wir auch nicht einverstanden mit einem in der Diskussion aufgekommenen Vorschlag, daß wir uns zuerst darauf zu einigen haben, wie diese Zukunftsgesellschaft auszusehen hat. Richtig an dieser Sorge war natürlich die Vorrangigkeit, inhaltliche Fragen zu klären. Aber das Ziel des Kommunismus können wir nur in den groben Zügen, sozusagen negativ definieren. D.h. als Abgrenzung gegenüber dem, was es nicht ist, oder keinesfalls sein darf - z.B. der Stalinismus, d.h. Staatskapitalismus wie in der ehemaligen UdSSR. Aber der Kommunismus kann nur das Werk der Arbeitermassen sein. Er kann nur entstehen durch die Kreativität und kollektive Mitarbeit von Millionen und Abermillionen. Von daher - wie auch bei dieser Veranstaltung - ist die Frage des Kommunismus untrennbar mit einem anderen Grundsatz des Marxismus verbunden, daß die Arbeiterklasse heute noch die revolutionäre Kraft in dieser Gesellschaft darstellt.
Am Ende wurde auch die Frage nach dem Zweck dieser Diskussion gestellt. Und wofür müssen es denn überhaupt Kommunisten geben? Wie oben aufgezeigt, wird notwendigerweise durch den Zusammenbruch des Kapitalismus die Frage nach einem Ausweg sich stellen müssen, welche über den Kapitalismus hinausführt. Aber diese Frage bedeutet keineswegs, daß automatisch auch eine Antwort darauf gefunden werden könne. Es besteht die Gefahr, daß die Arbeiterklasse im entscheidenden Augenblick nicht in der Lage sein mag, eine Alternative zum Kapitalismus finden zu können. Und ein solches Versagen müßte aufs engste damit zusammenhängen, daß die Perspektive des Kommunismus und des Marxismus durch die bürgerliche Gleichsetzung mit dem Stalinismus zu stark in Mißkredit geraten ist. Von daher wird es für die Menschheit lebensnotwendig sein, daß es in einer solchen Situation Marxisten gibt, die gegenüber dem Suchen der Millionen von Arbeitern in der Lage sein werden, die Perspektive des Kommunismus deutlich und überzeugend verteidigen zu können. Um uns auf diese Aufgabe vorzubereiten, dazu dienen Auseinandersetzungen wie bei dieser Diskussionsveranstaltung.
Wie kann man das, was in der Welt vor sich geht, analysieren und begreifen? Ist die Methode, die uns die bürgerliche "Wissenschaft" lehrt, dazu hilfreich? Gehört der Marxismus auf den Misthaufen der Geschichte, wie uns eingeflößt werden soll? In unserer Zeitung wollen wir unsere Leser mit den Grundbegriffen des Marxismus und der Arbeiterbewegung vertraut machen, um aufzuzeigen, daß sie ein unabdingbares Instrument für die Analyse der Welt bleiben. Nachfolgend bringen wir einen Text in unveränderter Form, der 1909 zum ersten Mal veröffentlicht wurde, und der unserer Meinung nach einen wertvollen Beitrag zum Begreifen der Geschichte liefert.
Für jeden, der das gesellschaftliche Leben um sich herum beobachtet, ist es klar, daß die Mitglieder der Gesellschaft in bestimmten Verhältnissen zueinander leben. Gesellschaftlich sind sie zu einander nicht gleich, sondern sie stehen auf höherer und niederer Stufe und in Gruppen und Klassen einander gegenüber. Der oberflächliche Zuschauer könnte meinen, daß diese Verhältnisse nur Eigentumsverhältnisse seien: die einen besitzen Grund und Boden, die anderen Fabriken oder Produktionsmittel oder zum Verkauf bestimmte Waren, andere besitzen nichts. Der oberflächliche Zuschauer könnte auch meinen, daß der Unterschied hauptsächlich ein politischer sei; einige Gruppen verfügen über die Staatsgewalt, andere haben darauf keinen oder fast keinen Einfluß. Wer aber tiefer blickt, bemerkt, daß hinter den Eigentums- und politischen Verhältnissen Produktionsverhältnisse stecken, das heißt, Verhältnisse, worin die Menschen zueinander stehen beim Produzieren dessen, was die Gesellschaft braucht.
Arbeiter, Unternehmer, Reeder, Rentiers, Großgrundbesitzer, Pächter, Großhändler und Krämer, sie sind es, was sie sind, durch den Platz, den sie im Produktionsprozeß, in der Bearbeitung und der Zirkulation der Produkte einnehmen. Dieser Unterschied ist noch tiefer als der, daß der eine Geld hat oder der andere keins. Die Verarbeitung der Naturschätze ist ja die Grundlage der Gesellschaft. Wir stehen zueinander in Arbeits-, in Produktionsverhältnissen.
Worauf stützen sich nun diese Arbeitsverhältnisse? Schweben die Menschen als Kapitalisten und Arbeiter, Großgrundbesitzer, Pächter und Tagelöhner, und wie all die anderen Arten von Mitgliedern der Gesellschaft sonst noch heißen mögen, nur so in der Luft? Nein, sie stützen sich auf die Technik, auf die Werkzeuge, womit sie in der Erde, in der Natur arbeiten. Die Industriellen und die Proletarier stützen sich auf die Maschine, sind von der Maschine abhängig. Wenn es keine Maschinen gäbe, so gäbe es auch keine Industriellen und keine Proletarier, jedenfalls nicht solche, wie jetzt. Der einfache Webstuhl erzeugte die Arbeit im Hause durch die eigene Familie, der zugesetzte hölzerne Webstuhl erzeugte eine Gesellschaft mit kleinen Meistern und Gesellen, die große durch Dampf oder Elektrizität getriebene eiserne Webmaschine eine Gesellschaft mit Großindustriellen, Aktionären, Direktoren, Bankiers und Lohnarbeitern. Die Produktionsverhältnisse schweben nicht wie Rauch - oder Dunststreifen in der Luft, sie bilden feste Rahmen, worin die Menschen gefaßt sind. Der Produktionsprozeß ist ein materieller Prozeß, die Werkzeuge sind wie die Eck- und Stützpunkte der Rahmen, worin wir stehen.
Die Technik, die Werkzeuge, die Produktivkräfte sind der Unterbau der Gesellschaft, die eigentliche Grundlage, worauf sich der ganze riesenhafte und so verwickelte Organismus der Gesellschaft erhebt. Die nämlichen Menschen jedoch, die ihre gesellschaftlichen Verhältnisse nach ihrer materiellen Produktionsweise bilden, bilden auch nach diesen Verhältnissen ihre Ideen, ihre Vorstellungen, ihre Anschauungen, ihre Grundsätze. Die Kapitalisten, die Arbeiter und die anderen Klassen, die durch die Technik der Gesellschaft, worin sie leben, gezwungen werden, in bestimmten Verhältnissen- als Meister oder Knecht, Eigentümer und Besitzloser, Grundbesitzer, Pächter, Tagelöhner - zueinander stehen die nämlichen Kapitalisten und Arbeiter usw. denken auch als Kapitalisten, Arbeiter usw. Sie bilden ihre Ideen, ihre Vorstellungen nicht als abstrakte Wesen, sondern als die sehr konkreten, wirklichen lebendigen Menschen, die sie sind, als gesellschaftliche, in einer bestimmten Gesellschaft lebende Menschen. Also nicht nur unsere materiellen Verhältnisse hängen von der Technik ab, stützen sich auf die Arbeiter, auf die Produktivkräfte, sondern da wir innerhalb unserer materiellen Verhältnisse und unter diesen Verhältnissen denken, hängen auch unsere Gedanken unmittelbar von diesen Verhältnissen und also mittelbar von den Produktivkräften ab.
Das moderne gesellschaftliche Sein des modernen Proletariers ist von der Maschine geschaffen worden. Seine gesellschaftlichen Gedanken, die dem Verhältnis entspringen, worin er als Proletarier steht, stützen sich also mittelbar auf das moderne Maschinenwesen, hängen direkt davon ab. Und so ist es mit allen Klassen der Gesellschaft. Denn die Verhältnisse, worin einzelne Menschen zueinander stehen, gelten nicht für sie allein. Gesellschaftlich steht der Mensch nicht in einer besonderen, nur ihm eigenen Beziehung zu anderen; er hat viele seinesgleichen, die in genau demselben Verhältnis zu anderen stehen. Ein Arbeiter- um bei diesem Beispiele zu bleiben - steht nicht allein als Lohnarbeiter anderen Menschen gegenüber, er ist einer von vielen, er ist Mitglieder einer Klasse von Millionen, die sich als Lohnarbeiter in der nämlichen Lage befinden wie er. Und so ist es mit jedem Menschen in der zivilisierten Welt. Jeder gehört zu einer Gruppe, einer Klasse, deren Mitglieder sich zum Produktionsprozeß in der nämlichen Weise verhalten. Es ist also nicht nur wahr, daß ein Arbeiter, ein Kapitalist, ein Bauer usw. gesellschaftlich so denken wird, wie die Arbeitsverhältnisse ihn denken machen, sondern seine Anschauungen, seine Ideen, seine Vorstellungen werden in allgemeinen Zügen übereinstimmen mit denen von Hunderttausenden anderer, die sich in derselben Lage wie er befinden. Es gibt ein Klassendenken, wie es auch eine Klassenstellung im Arbeitsprozeß gibt.
Die Form, worin die Arbeitsverhältnisse der verschiedenen Klassen, der Kapitalisten, der Unternehmer, der Arbeiter usw. ans Licht treten, ist in der kapitalistischen und im allgemeinen in der in Klassen gespaltenen Gesellschaft zugleich ein Eigentumsverhältnis. Kapitalisten, Kaufleute, Lohnarbeiter, Bauern habe nicht nur in der Produktion eine ihnen eigentümliche Stellung inne, sondern auch in dem Besitz, in dem Eigentum. Der dividendeneinstreichende Aktionär spielt im Produktionsprozeß nicht nur die Rolle des Geldleihers und des Schmarotzers, sondern er ist auch Miteigentümer der Unternehmung, der Produktionsmittel, des Grundstücks, der Werkzeuge, der Rohstoffe, der Produkte. Der Kaufmann ist nicht nur Austauscher, Zwischenperson, sondern auch Besitzer der Kaufwaren und des Handelsgewinns. Der Arbeiter ist nicht nur der Verfertiger von Gütern, sondern auch Besitzer seiner jedesmal von ihm verkauften Arbeitskraft und des dafür erhaltenen Preises. Mit anderen Worten, Arbeitsverhältnisse sind in einer Gesellschaft, die in Klassen geteilt ist, zugleich Eigentumsverhältnisse.
Nicht immer war das so. In der primitiven kommunistischen Gesellschaft waren Grund und Boden, das gemeinschaftlich gebaute Hause, die Viehherden, kurz, die hauptsächlichsten Produktionsmittel, gemeinschaftliches Eigentum. Man verrichtete die hauptsächlichsten gesellschaftlichen Arbeiten zusammen; man war, abgesehen von dem Unterschied in Geschlecht und Alter, im Produktionsprozeß einander gleich, und im Eigentum gab es keinen oder nur einen geringen Unterschied. Nachdem aber die Arbeitsteilung so groß geworden war, daß besondere Berufsarten entstanden, und nachdem durch bessere Technik und Arbeitsteilung ein Überschuß über das für das Leben direkt Notwendige produziert wurde, wußten einige durch Wissen oder Streitbarkeit hervorragende Berufe, wie Priester oder Krieger, sich diesen Überschuß und schließlich auch die Produktionsmittel anzueignen. So sind die Klassen entstanden und ist das Privateigentum die Form geworden, worin die Arbeitsverhältnisse ans Licht treten.
Durch die Entwicklung der Technik und durch die Teilung der Arbeit sind also die Klassen entstanden, Klassenverhältnisse und Eigentumsverhältnisse beruhen auf der Arbeit. Durch die Entwicklung der Technik, die einige Berufe in den Stand setzte, sich der Produktionsmittel zu bemächtigen, entstanden Besitzende und Besitzlose und wurde die große Menge des Volkes zu Sklaven, Leibeigenen, Lohnarbeitern. Und der Überschuß, den die Technik, die Arbeit über das unmittelbar Notwendige hinaus erzeugt, ist immer größer geworden und immer schroffer wurde also der Klassengegensatz zu den Besitzlosen. In gleichem Maße wuchs also auch der Klassenkampf, der Kampf, den die Klassen um den Besitz der Produkte und der Produktionsmittel führen, und so wurde es zur allgemeinen Form des Kampfes ums Dasein der Menschen in der Gesellschaft. Die Arbeitsverhältnisse sind Eigentumsverhältnisse, und Eigentumsverhältnisse sind Verhältnisse der miteinander kämpfenden Klassen: und alle zusammen beruhen sie auf der Entwicklung der Arbeit, gehen sie hervor aus dem Arbeitsprozeß aus der Technik.
Aber die Technik steht nicht still. Sie ist in einer rascheren oder langsameren Entwicklung und Bewegung begriffen, die Produktivkräfte wachsen, die Produktionsweise ändert sich. Und wenn die Produktionsweise sich ändert, müssen sich notwendig auch die Verhältnisse ändern, worin die Menschen im Arbeitsprozeß zueinander stehen. Das Verhältnis der früheren kleinen Meister zueinander und zu ihren Gesellen ist ein ganz anderes, als jetzt das Verhältnis der großen Unternehmer zueinander und zu dem Lohnproletariat. Die maschinenmäßige Produktion hat eine Änderung der alten Verhältnisse bewirkt. Und da in einer Klassengesellschaft Produktionsverhältnisse zugleich Eigentumsverhältnisse sind, werden mit den ersten auch die zweiten umgewälzt. Und da die Anschauungen, Vorstellungen, Ideen, usw. sich bilden innerhalb der Verhältnisse und nach den Verhältnissen, worin die Menschen leben, ändert sich ihr Bewußtsein auch, wenn die Arbeit, die Produktion und das Eigentum sich ändern: Arbeit und Denken sind in fortwährender Änderung und Entwicklung begriffen: "Der Menschen verändert, indem er durch seine Arbeit die Natur verändert, zugleich seine eigene Natur". Die Produktionsweise des materiellen Lebens bedingt das ganze gesellschaftliche Leben. "Es ist nicht das Bewußtsein der Menschen, das ihr Sein, sondern umgekehrt ihr gesellschaftliches Sein, das ihr Bewußtsein bestimmt".
Aber auf einer gewissen Stufe ihrer Entwicklung geraten die materiellen Produktivkräfte der Gesellschaft in Widerspruch mit den vorhandenen Produktions- und Eigentumsverhältnissen. Innerhalb der alten Verhältnisse können sich die neuen Produktivkräfte nicht entwickeln, sich nicht ausleben. Dann erhebt sich ein Kampf zwischen denen, die an den alten Produktions- und Eigentumsverhältnissen interessiert sind, und denen, die ein Interesse an der Entwicklung der neuen Produktivkräfte haben. Es tritt eine Epoche sozialer Revolution ein, bis die neuen Produktivkräfte den Sieg erringen und die neuen Produktions- und Eigentumsverhältnisse entstanden sind, innerhalb deren sie blühen können. Und durch diese Revolution ändert sich auch das Denken der Menschen, es ändert sich mit ihr und in ihr.
Dies ist kurzgefaßt der Inhalt unserer Lehre. In anschaulicher Darstellung kann man sie in folgender Weise noch einmal übersehen:
1) Die Technik, die Produktivkräfte bilden die Basis der Gesellschaft. Die Produktivkräfte bestimmten die Produktionsverhältnisse, die Verhältnisse, worin die Menschen im Produktionsprozeß einander gegenüberstehen. Die Produktionsverhältnisse sind zugleich Eigentumsverhältnisse. Die Produktions- und Eigentumsverhältnisse sind nicht nur Verhältnisse von Personen, sondern von Klassen. Diese Klassen-, Eigentums- und Produktionsverhältnisse (mit anderen Worten das gesellschaftliche Sein) bestimmen das Bewußtsein der Menschen, d.h. ihre Anschauungen über das Recht, Politik, Moral, Religion, Philosophie, Kunst. usw.
2) Die Technik entwickelt sich fortwährend. Die Produktivkräfte, die Produktionsweise, die Produktionsverhältnisse, die Eigentums-, die Klassenverhältnisse ändern sich demnach ununterbrochen. Das Bewußtsein der Menschen, ihre Anschauungen und Vorstellungen über Recht, Politik, Moral, Religion usw. ändern sich also auch mit den Produktionsverhältnissen mit den Produktivkräften.
3) Die neue Technik gerät auf einer gewissen Stufe ihrer Entwicklung in Widerspruch mit den alten Produktions- und Eigentumsverhältnissen.
Schließlich siegt die neue Technik. Der ökonomische Kampf zwischen den konservativen Schichten, die an den alten Formen, und den fortschrittlichen Schichten, die an den neuen Kräften interessiert sind, kommt ihnen in juristischen, politischen, religiösen, philosophischen und künstlerischen Formen zum Bewußtsein.
(aus Gorter, Der historische Materialismus, Berlin 1909).
Wir aber sagen: Man durfte und konnte von Rio nichts anderes erwarten. Die dort versammelten Politiker konnten nichts anderes machen als das, nämlich weiter unter dem Deckmantel von Beschlüssen des Schutzes der Umwelt zur Zerstörung unserer Lebensgrundlagen beizutragen. Warum aber konnte man nichts anderes erwarten? Was sind die Ursachen für die Zerstörung der Natur und was muß wirklich getan werden? Dies wollen wir im nachfolgenden aufzuzeigen versuchen.
Während in den früheren Gesellschaften (Urgeschichte, Sklavengesellschaft) zwar meist ein Sinn für die Aufrechterhaltung der Naturbedingungen vorhanden war und es zu den einfachsten Überlebensinstinkten gehörte, diese weitgehend zu schützen, wurde seit dem Feudalismus auch oft räuberisch und rücksichtslos gegenüber der Natur vorgegangen. Aber erst mit dem Kapitalismus trat eine neue Stufe bei der Zerstörung der Grundlagen der Natur ein. Denn während früher die Menschen zunächst Gebrauchsgegenstände nur für ihren persönlichen Bedarf und erst später Waren für einen kleinen Markt produzierten (die Technik und der Markt dementsprechend wenig entwickelt waren), und die Zerstörung der Natur sich dabei in Grenzen hielt, änderte sich das mit dem Kapitalismus grundsätzlich.
Denn der Kapitalismus muß nämlich aufgrund seiner ihm innewohnenden Gesetze seine Produktion ständig ausdehnen. Für ihn gilt nur eins: akkumulieren, expandieren, verkaufen.
Der triumphale Einzug der industriellen Revolution und die damit verbundene Massenproduktion, dahinter liegend die Akkumulationsbedürfnisse des Kapitals, ließen einen riesigen Durst nach neuen Absatzmärkten aufkommen. Das Kapital mußte eine Jagd nach Märkten in alle Gebiete der Erde antreten. So nahm während der aufsteigenden Phase des Kapitalismus, d.h. vom Ende des Mittelalters bis hin zum Anfang dieses Jahrhunderts, während der er für eine gigantische Entwicklung der Produktivkräfte sorgte, die rücksichtslose Ausbeutung und Zerstörung der Natur zwar schon neue, massive Ausmaße an, aber sie bedrohte noch nicht das Überleben der Menschheit selbst.
Erst als das System in sein Niedergangsstadium mit dem 1. Weltkrieg eintrat, erreichten auch die Zerstörung und Verwüstung eine neue qualitative und quantitative Stufe. Seitdem bekämpfen sich nämlich alle kapitalistischen Nationen auf einem gesättigten Weltmarkt, bei dem die Rüstungsindustrie mit der damit verbundenen Schwerindustrie im Vordergrund stand. Und in dieser Entwicklung gibt es im Kapitalismus kein Zurück - entweder im Konkurrenzkampf alle Kosten drücken, - d.h. Verwüstung und Zerstörung zum Überlebensmotto zu machen -, oder als Verlierer aus diesem Kampf hervorgehen.
Auf diesem Hintergrund treten nun die Grünen auf den Plan, die eine Lösung innerhalb des Kapitalismus anbieten, wo mittels einiger Reformen eine Eindämmung der Umweltzerstörung und Artenschutz usw. möglich sei. Dabei muß aber für jeden deutlich werden, daß der größte Killer der Umwelt- und Überlebensbedingungen die kapitalistische Produktionsweise selber ist. Warum?
Der Kapitalismus ist ausschließlich auf Profit ausgerichtet. Ein Kapitalist läßt nur dann und dort produzieren, wenn für ihn als einzelnen Unternehmer Profit rausspringt. Welches Produkt er herstellen läßt, wie es aussieht, wo es produziert wird, all das richtet sich nur nach einem Gesichtspunkt - ob es für den Unternehmer lukrativ ist, die Produktion gewinnbringend zu betreiben. Ob das Produkt (seine Erstellung und seine Verwendung, ggf. Wiederverwertung) mit den Gegebenheiten der Natur in Einklang gebracht werden kann, ob es den Interessen der Menschheit entspricht, ob es deren Gesundheit schädigt oder nicht, all das ist für den Kapitalisten belanglos. Er läßt halt nur eine Ware produzieren - und da ist für ihn nur von Interesse, ob er seine Waren absetzen kann... ob das jetzt Lebensmittel, Möbel oder Panzer sind.
Die Art der Produktion, ob und wieviele Rohstoffe dabei eingesetzt werden, wie schädigend und gefährdend die Produktion oder der Konsum, bzw. Verwendung für den Menschen ist (ob für Lunge, Haut, Herz, Kreislauf, Ohren usw.), ob dies tagsüber oder nachts produziert oder verwendet wird, ob dafür Fließbänder laufen oder wieviel Transportaufwand darinsteckt, ob bei der Produktion und bei der Nutzung und Weiterverwendung Luft, Boden, Wasser usw. verschmutzt wird, alles spielt für den Kapitalisten keine wirkliche Rolle, wird gar billigend und rücksichtslos in kauf genommen. Denn egal, was schließlich aus dem Produkt wird, wo es schließlich landet, wie es "verwertet" wird, darüber braucht er sich nicht den Kopf zu zerbrechen. Er hat die Freiheit! Denn sobald der Unternehmer für seine Ware das Geld einkassiert hat, ist für ihn die Sache erledigt. Dreck und Müll, Schrott und Zerstörung - landen bei und treffen die Gesellschaft. Es wurde für den einzelnen Unternehmer Reibach gemacht. Das ist es, was zählt und nichts anderes! Was kümmert es die Autoindustrie, daß die PKWs und LKWs giftige Gase ausstoßen, was schert es die Rüstungsindustrie, daß ihre Waffen systematisch Menschen morden und nur zur Zerstörung dienen, was sorgt sich die chemische Industrie um die Auswirkungen der Düngemittel in der Landwirtschaft und den damit verbundenen Kreisläufen. Das Interesse eines einzelnen Unternehmers ist erst einmal befriedigt.
Das Ergebnis für die Gesellschaft: Chaos, Anarchie, Zerstörung der Natur, Verschmutzung, Verwüstung, Gesundheit der Menschen beschädigt, gar ruiniert - ohne Bedeutung für den Unternehmer.
Und hier sind wir beim Grundübel, bei der Wurzel der rücksichtslosen Zerstörung der Natur, der Lebensgrundlagen der Menschen angelangt: der Widerspruch zwischen den Interessen eines Unternehmens und den Bedürfnissen der Gesellschaft.
Weil der Kapitalist sich einen Dreck schert um die Bedürfnisse der Gesellschaft, weil im Kapitalismus nur Waren hergestellt werden, aber nicht überprüft wird, ob es auch nützliche Sachen sind (Gebrauchswert!), weil im Konkurrenzkampf alles auf dem Altar des Profits geopfert wird, "erntet" die Gesellschaft die Resultate dieser Interessenskollision zwischen Kapital und Gesellschaft: Chaos, rücksichtslose Zerstörung, Raubbau an allen Ressourcen der Erde - von den Rohstoffen über Luft und Wasser bis hin zum Menschen selbst.
Der einzelne Bauer, der im Konkurrenzkampf entsprechend billig produzieren muß, fragt nicht nach den Auswirkungen der Düngemittel für den Menschen; für ihn steigt der Ernteertrag. Welche langfristigen Wirkungen die Gülle in der Landwirtschaft und den Wasserhaushalt hat - interessiert ihn auch nicht; es gibt nur ein kurzfristiges Interesse... Profit einheimsen.
Daß in diesem Konkurrenzkampf dann auch noch der Staat die einzelnen Unternehmer gegenüber anderen internationalen Konkurrenten unterstützt, ist nicht der Gipfel der Absurdität, sondern nur ein normaler Bestandteil des gesellschaftlichen Wahnsinns - des mörderischen Kurses der Zerstörung der Menschheit. So "protegiert" der Staat die Diesel-fahrenden LKW, wohlwissend, daß Diesel krebserregend wirkt; aber der Staat im Dienst des Kapitals muß den Unternehmern den Transport möglichst billig anbieten - und da müssen halt Diesel-Subventionen an den LKW-Transportbereich bezahlt werden. Die Gesundheit ist das Geringste, was auf dem Opfertisch des Profits geopfert werden kann...
Solange jedenfalls dieses Grundübel, diese Quelle, die all die Zerstörung und Verpestung ausspuckt, die kapitalistische Produktionsform nicht beseitigt ist, wird die Natur und damit die Menschheit weiter ins Verderben gestürzt. Solange diese Wurzel - die kapitalistische Produktionsform - nicht beseitigt, wird dieses Unkraut immer weiter wachsen.
Dieser grundsätzliche menschen- und naturverachtende Charakter der kapitalistischen Produktion muß jedem deutlich vor Augen treten.
Wenn man sich dieser Prinzipien des Kapitalismus vergegenwärtigt, muß man sehen, auf welchem Hintergrund der Gipfel in Rio stattfand. Nach 150 Jahren kapitalistischer "Entwicklung" ist die sog. 3. Welt völlig bankrott und zum ständigen Krüppel geschlagen. Weltweit tobt ein mörderischer Handelskrieg, bei dem sich gerade die großen Industriestaaten an der Kehle liegen. Deshalb müssen Länder mit irgendwelchen Rohstoffvorkommen oder anderen Naturschätzen - wie Regenwäldern - diese als Waffen im Wirtschaftskrieg gegen andere Nationen ansehen und einsetzen. Für Länder wie Brasilien, die Philippinen usw. ist es nur allzu logisch, daß sie - von Zinsen erdrückt und ohne Chance auf dem Weltmarkt - bei diesem Überlebenskampf im kapitalistischen Dschungel versuchen müssen, ihre Regenwälder abzuholzen, um zu Geld mit Holz oder anderen Stoffen dieser Art zu kommen (tatsächlich stecken oft große Multis dahinter, und hinter diesen wiederum die großen Industriestaaten). Während die Politiker von "Zusammenarbeit" sprechen, stechen sie sich in Wirklichkeit alle bei diesem Konkurrenzkampf Messer in den Rücken. In der gegenwärtigen Zerfallsphase des Kapitalismus muß jede Nation mehr als je zuvor sich um ihr "eigenes Schicksal" kümmern. Auf diesem Hintergrund werden diese lebenswichtigen Fragen wie Umweltzerstörung, Abfallwirtschaft usw. nicht durch "globale Zusammenarbeit" gelöst werden, sondern der Zusammenstoß zwischen den Staaten, der Konkurrenzkampf bis hin zum Krieg, - wie der Golfkrieg mit seinen Zerstörungen bewies - wird all diese Probleme nicht nur nicht lösen, sondern vielmehr nur noch zuspitzen.
Die Eskalation der Zerstörung, der Vernichtung unserer Lebensgrundlagen ist also nur weiter vorprogrammiert. Anstatt auf mehr Kooperation, auf Einsicht und dergleichen mehr seitens der Regierungen zu hoffen, müssen wir vielmehr mit noch mehr Zerstörung, rücksichtslosem Vorgehen gegenüber der Menschheit rechnen!
Auf diesem Hintergrund ist es illusorisch, irgendeine Lösung von den Staatsmännern zu erwarten. Das hieße den Mafiabossen sich anzuvertrauen, um einen Kampf gegen die Mafia zu erwarten.
Viele Leute sagen aber jetzt, man müsse - weil die Politiker unfähig sind, irgendetwas globales auszurichten - bei sich selbst, d.h. im kleinen anfangen, etwas zu tun. Wir haben uns in einem anderen Artikel mit diesem "Ansatzpunkt" auseinandergesetzt. Wollen deshalb an dieser Stelle nur sagen, daß der Kern des Problems getroffen werden muß, und der liegt in der Funktionsweise der kapitalistischen Gesellschaft mit ihrer anarchischen, von der Konkurrenz geprägten Produktionsform und der damit verbundenen militärisch-industriellen-politischen Infrastruktur.
Nein, die einzige wirklich an der Wurzel des Problems angreifende Lösung ist die Erkenntnis, daß die Erde nicht gerettet werden kann mit Hilfe der Politiker oder "im kleinen Rahmen". Das Überleben der Menschheit kann nur gesichert werden, indem diese kapitalistische Gesellschaft aus der Welt geschafft wird und eine neue, nicht nach Profit orientierte Gesellschaft aufgebaut wird. Dieses Systems muß als solches über Bord geworfen werden. Nichts geringeres als das.
Und es steht fest - solange dies nicht geschieht, läuft uns die Zeit davon.
Immer mehr wird zerstört werden. Der Kapitalismus wird uns neben der Zerstörung der Lebensgrundlagen der Natur (Stichwort Ozonloch, Treibhauseffekt, Wasserverschmutzung-, -mangel usw.), eine ganze Horrorshow präsentieren, von der wir schon einige Ausschnitt erleben: Kriege, Flüchtlingswellen, nationalistische Explosionen, nukleare fall-outs, usw...
Deshalb kann die Lösung eben nur global, weltumfassend, weltweit sein, indem halt die Strukturen, die Wurzeln dieser Gesellschaft selbst ausgerissen- und durch eine neue Gesellschaft ersetzt werden. D.h. eine weltweite, eine die Gesellschaft umwälzende Lösung - kurzum eine Weltrevolution. Dav Juli 1992
Immer wenn wir mit Leuten ins Gespräch kommen, sei es beim Verkauf unserer Zeitung, oder bei Gesprächen unter Kollegen oder sonstwo, wenn heiß diskutiert wird, wie z.B. bei unseren öffentlichen Diskussionsveranstaltungen, jedes Mal wenn wir sagen, daß wir Kommunisten sind, folgt meist die Frage: "wie stellt ihr euch den Kommunismus denn eigentlich konkret vor?" Und zunächst geraten wir natürlich in etwas Verlegenheit, denn es gibt keine Vorzeigemodelle, keine Region, auf die wir hinweisen können, um zu verdeutlichen, was uns vom Kommunismus überzeugt hat. Also erscheint unser Programm, der Kommunismus, schon mal als eine vage, nicht überzeugende Aussage. Zudem haben alle bürgerlichen Parteien (ob rechts, links, grün oder sonst was) alle ihr Programm, auch wenn sie es nachher meist nicht einhalten, um alle nur ein Programm durchzusetzen: Spar- und Kriegspolitik. Im Gegensatz zu den Bürgerlichen haben die Kommunisten also keinen demagogischen Maßnahmenkatalog, nein wir haben gleich ein ganzes Maximalprogramm, eine neue Gesellschaft vorzuschlagen. Nichts weniger als das. Nur, wie verdeutlichen, was wir eigentlich damit meinen?
DER KOMMUNISMUS KANN NICHT INNERHALB, SONDERN NUR NACH DEM KAPITALISMUS ENTSTEHEN
Als erstes ist es uns dann wichtig aufzuzeigen, daß die Umwälzung hin zum Kommunismus unter ganz anderen Bedingungen verläuft, als das Durchbrechen neuer Produktionsformen in früheren Gesellschaften. Früher war es nämlich so, daß die neuen, aufsteigenden Gesellschaften sich schon im Schoß der alten Gesellschaft heran entwickelten. Die feudalen Gesellschaftsstrukturen tauchten langsam innerhalb der niedergehenden Sklavengesellschaft des Römischen Reiches auf. Und dieser Einzug dauerte zum Teil jahrhundertelang.
Auch die bürgerliche Gesellschaft kroch langsam und mit ungleicher Geschwindigkeit innerhalb der Feudalgesellschaft hervor. Die Bourgeoisie war schon auf ökonomischem Gebiet längst zur herrschenden Klasse geworden, als sie die letzten politischen Fesseln des Feudalismus abstreifte - wie dies in der französischen Revolution von 1789 geschah. Während der Kapitalismus also im Feudalismus heranwachsen konnte, ist das beim Kommunismus nicht möglich. Der Kommunismus kann nur weltweit entstehen, und zwar nur auf den Trümmern der kapitalistischen Gesellschaft. Der Kommunismus ist auch in einem Land nicht möglich (Rußland zeigt das unverkennbar), sondern nur weltweit und gleichzeitig. Denn die Gesetze der Marktwirtschaft, des Weltmarktes, das Wertgesetz auf der einen, die Entschlossenheit des Kapitals auf der anderen Seite würden ein Entstehen des Kommunismus in einer Region nicht zulassen. Deshalb können die Kommunisten heute kein Modell präsentieren, um überzeugend zu wirken.
Auch wenn es unabdingbar ist, dies zu tun, hilft es gleichzeitig wenig weiter, wenn wir aufzeigen, was der Kommunismus nicht ist. Denn an Lügen, "hier ist der Kommunismus", hat es ja mit der Sowjetunion und den anderen Ländern wie Osteuropa und Kuba, Vietnam usw. nie gefehlt. Dadurch ist das ganze Bild vom Kommunismus total verzerrt. In aller kürze: für uns ist der Kommunismus kein "Staatskapitalismus", so wie es ihn in der UdSSR, in China, Kuba oder sonstwo gab. Er ist also nicht die einfache Verstaatlichung der Produktionsmittel. Auch ist er kein "Kriegskommunismus", wie er einst dargestellt wurde, als nämlich 1920-21 im Bürgerkrieg in Rußland das Geld abgeschafft worden war, nicht etwa weil Überfluß geherrscht hätte, sondern weil es nichts mehr wert war infolge von Inflation und Krieg. Der Kommunismus hat also nichts mit Kriegswirtschaft und Mangelwirtschaft zu tun, in der eine Staatspartei ihre Diktatur ausübt.
Dennoch - auch wenn es unmöglich ist und man Gefahr läuft, einer Spekulation zu verfallen, so lassen sich doch einige Hauptkennzeichen des Kommunismus aufzeigen:
1) Die Produktion findet nicht mehr für Profit, sondern für die Bedürfnisse der Menschen statt.
2) Das Privateigentum wird abgeschafft sein. Alle Güter befinden sich im "Besitz" der Gesellschaft und werden geteilt.
3) Dadurch entfällt die Konkurrenz; die gesamten Mechanismen des Wettbewerbs, die Überlebensprinzipien der kapitalistischen Gesellschaft (sprich, der Konkurrenzkampf, jeder gegen jeden bis hin zum Krieg) werden verschwinden.
4) Die Lohnarbeit wird abgeschafft sein. Die Menschen werden produzieren, schaffen, kreativ sein, nicht aus Zwang, ihre Arbeitskraft verkaufen zu müssen, um zu überleben, sondern um die Bedürfnisse der Menschen zu befriedigen.
Aus den oben genannten Prinzipien geht hervor, daß
- Es keine Zerstörung der Produktion (wie in Krisen oder Kriegen) geben wird.
- Während bislang beispielsweise in den USA während des kalten Krieges 2 von 3 Ingenieuren für das Pentagon arbeiteten, ungeheure Ressourcen in die Kriegswirtschaft fließen, werden die Ressourcen der Menschheit dann nicht für Zerstörung verwendet, sondern eine für den Menschen dienliche, nützliche Produktion.
- Damit entfallen all die Mittel für Rüstung, Militär, Armee, Verteidigung des Privateigentums, der Gewaltverhältnisse, alles Ausgaben von unvorstellbaren Größen; wenn man bedenkt, daß die Wirtschaft der meisten Länder, allen voran, die der ehemaligen UdSSR und der USA und natürlich der 3. Welt meist auf die Rüstungsproduktion fixiert ist, wird allein das schon eine ungeheure Freisetzung von Ressourcen bewirken.
- Durch die Abschaffung der Konkurrenz und die Produktion nicht von Tauschwerten, um Geld zu machen, sondern von Gebrauchsgütern (nützliche Güter), produziert nicht mehr jeder Konkurrent gegen jeden, jeder für sich in seiner Ecke, um sich von seinen Konkurrenten abzuschotten. Stattdessen wird das ganze Wissen der Menschheit, das ganze Know-how, die Technik für alle nutzbringend eingesetzt werden können.
Anstatt dem Prinzip des jeder gegen jeden, jeder für sich unterworfen zu sein, werden alle Reichtümer der Gesellschaft sinnvoll und planerisch abgestimmt in die Produktion einfließen. Das dem Kapitalismus innewohnende Chaos, hervorgerufen durch die Marktwirtschaft und die Konkurrenz, diese Anarchie der kapitalistischen Produktion wird es nicht mehr geben.
Allein die Koordination und Kombination der menschlichen Reichtümer, die Fortentwicklung des Know-how zugunsten der Menschen und nicht zugunsten militärischer, zerstörerischer Zwecke, die Freisetzung von Arbeitskräften aus zerstörerischen, unproduktiven, parasitären Sektoren, die Integration der Milliarden Menschen, die im Kapitalismus entweder unproduktiv sind oder gar auf de Straße liegen, all das wird zu einem Ansteigen der Produktivität der Arbeit und zu Möglichkeiten der Produktionserweiterung führen. Gleichzeitig wird dadurch die Gesamtarbeitszeit sinken. Weil sie nicht mehr der Lohnarbeit, einem Ausbeutungsverhältnis und auch natürlich nicht mehr einer Entfremdung unterworfen sein werden, wird unter den Menschen soviel Schöpferkraft, soviel Energie, soviel Einsatz freigesetzt werden, daß dies weit über unser Vorstellungsvermögen hinausgeht. Während sich die Menschen heute in der Lohnarbeit so teuer wie möglich verkaufen, und so gut wie möglich aus der Affäre ziehen, um nicht zu schnell zu verschlissen zu werden, das ganze Verhältnis zur Arbeit eben durch die Entfremdung und Ausbeutung bestimmt ist, wird es im Kommunismus ganz anders aussehen.
Zu wissen, daß die produzierten Güter den Menschen zunutze kommen, die Einsicht in die Planbarkeit, die Steuerbarkeit der Produktion, das Wissen, daß wir für die Menschen, für die Gesellschaft arbeiten und nicht für einen Unternehmer, der uns ausbeutet, den letzen Tropfen Schweiß aus einem rauspreßt, all das wird ein bislang nicht gekanntes Interesse und einen Tatendrang der Menschen freisetzen.
Das heißt im Kommunismus wird es zu einer wahren Explosion der Schaffenskraft der Menschen kommen. Die wichtigste Produktivkraft, der Mensch wird sich eben erst dann ungehindert entfalten können.
Indem nicht mehr alles dem Profit geopfert, sondern bewußt geplant und sinnvoll entschieden werden kann, die Produktion nicht mehr der Anarchie und dem Chaos unterliegt, sondern von der Gesellschaft selbst organisiert wird und damit darüber bewußt entschieden wird, wie, wo, was, wann produziert wird, wird die ganze Verschwendung und Zerstörung der Ressourcen (Mensch und Natur) nicht mehr vorhanden sein. Der Ansporn in den Menschen, etwas für die Menschen, für die Gesellschaft tun zu wollen, wird alle bislang von den Menschen aufgebrachten Energien in den Schatten stellen. Während der Kapitalismus die Menschen, die er in Lohnarbeit gesteckt hat, aufs brutalste und stumpfsinnig ausbeutet, deren Arbeitskraft verschleißt und sie jahrelang tag-tagein ins Tretwerk der Lohnmaschinerie einspannt, sind gleichzeitig Milliarden von Menschen einem nackten Überlebenskampf ausgeliefert - arbeits-, wohnungslos, hungern oder vegetieren oft - wie in der 3. Welt stumpfsinnig vor sich hin. All das wird im Kommunismus ganz anders sein.
Auch wenn all das hier Erwähnte nur ein kurzer Umriß sein kann, so kann man doch schon erkennen, daß das Aufzeichnen einer kommunistischen Gesellschaft über unser bisheriges Vorstellungsvermögen hinausgeht. Deshalb wollen wir die Gefahr der Spekulation vermeiden - sondern ganz realistisch unterstreichen, daß wir noch nicht einmal wissen, sondern nur ahnen können, welche zerstörte Gesellschaft uns der Kapitalismus hinterlassen wird.
Zudem wird der Kommunismus nicht von heute auf morgen möglich sein, sondern nach der Machtergreifung durch die Arbeiterklasse, der ein zerstörerischer Bürgerkrieg vorausgehen wird, wird es zunächst eine Übergangsperiode vom Kapitalismus zum Kommunismus geben.
Klar ist jedenfalls, daß all dies eine gigantische Aufgabe sein wird, daß es gar eine Dauer von ganzen Generationen in Anspruch nehmen wird. Nun wird uns dann natürlich die Frage entgegengeschleudert, ja wer soll denn eigentlich den Kommunismus errichten? Wollt ihr
das als Partei, als kleine Gruppe machen, oder wer soll das tun? Unsere Antwort, daß die Arbeiterklasse die einzige revolutionäre Kraft ist, die dies verwirklichen kann, stößt dann im Gegenzug auf noch mehr Zweifel... womit wir schon an einer zweiten Argumentationslinie angelangt sind... Dies ist natürlich genauso eine der am heißesten diskutierten Fragen, und wir wollen hier aus Platzgründen unsere Leser auf unsere bisherigen Antworten dazu (siehe WR 53) verweisen.
Ja, aber der Mensch, so wie er heute ist, wird er überhaupt dazu in der Lage sein, in einer Gesellschaft ohne Profit, ohne Privateigentum zu leben? Wie werden die Menschen im Kommunismus aussehen?
Vor dieser Frage standen die Kommunisten schon im letzten Jahrhundert. Damals schon betonten Marx und Engels, die Gründer der wissenschaftlichen Erklärung des Kommunismus: "...ebenso wird der gemeinsame Betrieb der Produktion durch die ganze Gesellschaft und die daraus folgende neue Entwicklung der Produktion ganz andere Menschen bedürfen und auch erzeugen"(Grundsätze des Kommunismus, 1847).
Um nicht irgendwelchen Spekulationen zu verfallen, heben wir deshalb hervor, daß der Kommunismus nur das Ergebnis einer lebendigen, revolutionären Klasse sein wird, die nicht an der Errichtung neuer Ausbeutungsverhältnisse interessiert ist, sondern an deren Abschaffung. Zur Erreichung dieses Ziels verfügt die Arbeiterklasse nur über zwei Mittel:
- ihre Fähigkeit, sich vereinigend, über alle sie spaltenden Gräben hinweg zusammenzuschließen, kurzum ihre Einheit als Klasse, ihre Klassensolidarität;
- und ihr Bewußtsein.
Ja, aber wenn wir uns den jetzigen Zustand der Arbeiterklasse anschauen, wie aber können die Arbeiter dann zu diesem revolutionären Bewußtsein gelangen? Auch darauf antworteten damals schon Marx und Engels: "..sowohl zur massenhaften Erzeugung dieses kommunistischen Bewußtseins wie zur Durchsetzung der Sache selbst (ist) eine massenhafte Veränderung der Menschen nötig, die nur in einer praktischen Bewegung, in einer REVOLUTION vor sich gehen kann; daß also die Revolution nicht nur nötig ist, weil die herrschende Klasse auf keine andere Weise gestürzt werden kann, sondern auch, weil die stürzende Klasse nur in einer Revolution dahin kommen kann, sich den ganzen alten Dreck vom Halse zu schaffen und zu einer neuen Begründung der Gesellschaft befähigt zu werden" (Deutsche Ideologie, 1845, MEW Bd. 3, S. 70).
Wie aber wird es zu dieser Entfaltung des Bewußtseins kommen? Dieses Bewußtsein wird durch den Stachel der Krise vorangetrieben werden. Denn wenn der Kapitalismus gezwungen ist, der Arbeiterklasse die materiellen Grundlagen für ihr Überleben zu entziehen, werden immer mehr Arbeiter die Illusionen über den Charakter dieses Systems verlieren, lernen, durch ihren Widerstand als Klasse ihre Kraft zu erkennen, somit an Selbstvertrauen zu gewinnen. Aus diesen Kämpfen muß dann massenhaft das Bewußtsein heranwachsen, daß eine neue Gesellschaft nötig ist, und daß der Träger dieser neuen Gesellschaft die Arbeiterklasse ist. Zu dieser Erkenntnis, zu deren Verbreitung müssen wir als Revolutionäre beitragen. Dd 7/92
Wir wollen nachfolgend die Ursachen für dieses Verkehrschaos im Kapitalismus aufzeigen, und warum eine Lösung innerhalb dieses Systems nicht denkbar ist.
Zunächst ein Rückblick auf das Verkehrsaufkommen in der Geschichte. Denn die Transportbedürfnisse in der Gesellschaft haben sich in der Geschichte gewaltig verändert. Während der Antike und im Römischen Reich gab es größere Transportbewegungen meist nur in Eroberungsfeldzügen, ansonsten war der Waren- und Personenverkehr nur sehr beschränkt; die Produktion erfolgte lange Zeit nur für lokale Käufer, Sklaven stellten Sachen für ihre jeweiligen Herren und für keinen Markt her.
Die Transportmittel und die Technik blieben jahrhundertelang im Wesentlichen unverändert. Selbst im Mittelalter kam es bis zum 15./16. Jahrhundert zu keinen größeren Warenbewegungen über örtliche Märkte hinaus. Die Bauernwirtschaft und damit Subsistenzwirtschaft, Abgaben an Lehnsherren und Adlige - all das verlangte noch keine umfassenden qualitativ neuen Verkehrsmittel. Die Märkte befanden sich jeweils in unmittelbarer Nähe der Produktionsstätten - eine Umwälzung der alten, mehr als Tausend Jahre lang bewährten Transportmittel war noch nicht erforderlich.
Erst mit dem aufkommenden Handel im Kapitalismus und der sich dahinter versteckenden Notwendigkeit für das Kapital, ständig seine Produktion auszudehnen und neue Absatzmärkte zu suchen, war eine neue Triebfeder für die Entwicklung des Transportes entstanden. Die Kapitalakkumulation, der wirtschaftliche Expansionsdrang sorgten für eine Revolutionierung im Transportwesen. Die aufkommende Dampfschifffahrt, die Entwicklung und weltweite Ausdehnung der Eisenbahnen, neue Schiffahrtskanäle und Straßensysteme, all das waren technische Wunderwerke, die der Kapitalismus neben vielen anderen technischen Erneuerungen innerhalb kürzester Zeit in der industriellen Revolution aus dem Boden sprießen ließ. In diesem Prozeß errichtete er im letzten Jahrhundert einen Weltmarkt; neue Kontinente wurden der Kapitalsherrschaft unterworfen. All diese neuen kapitalistischen Eroberungen, die in Westeuropa damit einhergehende Industrialisierung erforderte eine Umwälzung der Verkehrsverhältnisse. Insofern hat der Kapitalismus durch seinen ihm innewohnenden Drang zur ständigen Eroberung neuer Märkte eine wahre technische Revolution, einen gewaltigen Fortschritt für die Menschheit gebracht. Das Kapital erforderte und ermöglichte eine neue Mobilität der Waren (ob Arbeitskraft oder als Güter).
Aber da der Kapitalismus auch eine auf Ausbeutung basierte Gesellschaft ist, in der wirtschaftliche Anarchie, Krise, Zerstörung und Chaos verankert sind, brachte der Kapitalismus damit auch ein neues Maß, eine neue Dimension an Anarchie und Chaos im Transportwesen mit sich.
Wenn nun die Grünen und andere Parteien "alternative Verkehrssysteme" anpreisen, dann mag sich zwar hier und da eine nützliche Verbesserung daraus ergeben, aber an den wahren Ursachen dieses Chaos wird nicht gerüttelt. Denn diese Anarchie im Verkehr hat ihre Wurzeln in den Grundwidersprüchen der kapitalistischen Produktionsweise selber. Aus Platzgründen können wir hier nicht näher auf die ökonomischen Grundwidersprüche dieses Systems insgesamt eingehen. Wir wollen uns nur auf die für das "Verkehrswesen" direkt relevanten beschränken.
Wenn ein Unternehmer eine Firma aufmacht, fragt er nicht nach dem Nutzen und den Konsequenzen für die Gesellschaft. Bei der "Standortwahl" sind für ihn einzig und allein billige Produktionsbedingungen und günstige Wege zum Markt ausschlaggebend. Die Bedürfnisse der Menschen, der Natur, all das wird nicht berücksichtigt - nur finanzielle Aspekte spielen bei der Standortwahl und den damit verbundenen Warenbewegungen eine Rolle.
Das Beispiel der Milch, die morgens aus den bayerischen Alpen mit dem LKW nach Italien transportiert wird, um dort nach der Verarbeitung zu Joghurt wieder zurück über die Alpen auf den deutschen Markt befördert wird, ist mit am bekanntesten.
Anhand dieses Beispiels läßt sich aufzeigen, daß es im Kapitalismus viele völlig überflüssige Transportbewegungen gibt, die gesellschaftlich und technisch absolut sinnlos und verschwenderisch sind, weil das Wesen des Produktes dieses Hin- und Herverschieben nicht erfordert - sondern nur billiger Arbeitskräfteeinsatz diese chaotischen Güterbewegungen erklären kann. Unterschiedliche Löhne, die bestmögliche Ausnützung von Preisen (Gütern oder Arbeitskraft) erklärt so einen Teil des Transportaufkommens.
Diese Anarchie und Willkür der Standortwahl bzw. seine Festlegung nach rein kapitalistischen Kriterien, der Anteil der technisch überflüssigen und daher rein profitbedingten Transporte kann nicht innerhalb des Kapitalismus überwunden werden!
Neben diesem Aspekt des völlig überflüssigen Verkehrsanteils ergab sich so aber auch im Laufe der Zeit die Entwicklung, daß sich Produktionsstandort, Wohnort der Beschäftigten und Absatzmarkt immer weiter voneinander entfernten. Während z.B. früher der Bauer in der Subsistenzwirtschaft auf seiner Scholle arbeitete und lebte, und selbst im Frühkapitalismus noch die ersten Industriearbeiter in unmittelbarer Fabriknähe lebten (Stichwort Black Country in England und Ruhrgebiet in Deutschland), reisen heute die Beschäftigten oft stundenlang zur Arbeit. Viele Innenstädte sind nachts ganz entvölkert, Pendler kommen tagsüber und verdoppeln oft die Zahl der Menschen in der Stadt. Dahinter steckt die ganze Entwicklung des Widerspruchs zwischen Stadt und Land, auf den wir hier auch aus Platzgründen nicht näher eingehen können, der aber auch ein typisches Kind des Kapitalismus ist. Auch diese Entwicklung kann nicht innerhalb des Kapitalismus gebremst oder umgelenkt werden. Erst in einer anderen Gesellschaft ist eine andere Organisierung möglich.
Die unüberwindbaren Interessensgegensätze zwischen den Interessen eines einzelnen Unternehmers und der Gesellschaft schlagen sich im Transportbereich auch weiter folgendermaßen nieder:
Während die Gesellschaft im Interesse eines rationellen Einsatzes der Produktionsmittel, des Schutzes der Natur, des möglichst geringen Materialaufwandes usw. danach strebt, den Transportaufwand bei Produktion und Verkauf möglichst gering zu halten, kämpft jeder Transportunternehmer für einen möglichst hohen Transportanteil. So reibt sich jede Fluggesellschaft die Hände über die Kiwis und Äpfel, die sie von Neuseeland und Chile nach Europa fliegen können. Oder jeder Spediteur jubelt, wenn er Autoteile quer durch Europa herumtransportieren kann.
So ist natürlich der Transportsektor ein riesiger Markt. Während die öffentlichen Verkehrsmittel zwar auch gewaltige Investitionsmittel anziehen, ist es jedoch typisch, daß für das Kapital das Auto das Mittel ist, das für viele Wirtschaftsbranchen am meisten "einfährt". Ein Anschaffungswert für jeden Kunden von ca. 30.000 DM, mit daran hängender Mineralölindustrie, Straßenbau, Versicherungsparasiten, Reparaturwerkstätten usw. - so ist der Autokunde eine riesige Quelle, die jeder einzelne Unternehmer anzapfen möchte. Anstatt daß jeder Einzelne entsprechend öffentliche Verkehrsmittel benutzt, ist es eine typische Ausgeburt kapitalistischer Verhältnisse, daß jeder einzelne Verkehrsteilnehmer im Interesse der Industrie eher ein "Autokunde" ist. Pervers mögen die einen sagen, die Kapitalsvertreter antworten: "so ist das mal im Kapitalismus". Wie gesagt - wie viel gesellschaftliche Ressourcenverschwendung, wie viel Umweltzerstörung, Lärm, Abgase, Verkehrstote usw. damit produziert werden - all das spielt keine Rolle - Hauptsache Umsatz wird gemacht...
Da alles durch den Markt und die Konkurrenz bestimmt wird, stehen damit auch die verschiedenen Verkehrsträger in einem absurden Wettkampf gegeneinander. Anstatt die artspezifischen Vorteile der jeweiligen Vekehrsträger sinnvoll abgestimmt aufeinander einzusetzen, bekämpfen sie sich ruinös. PKW, LKW und Busse gegen Bahn, Bahnen untereinander, Bahn gegen Schiff usw...
Daß dabei jeweils Lobbies gebildet werden, um die Interessen besser durchzusetzen, liegt ebenso in der Natur der kapitalistischen Gesetze wie der Krieg selbst. Und wenn die Autoindustrie als Gewinner die Eisenbahnen als Verlierer ins Abseits drängt, so zählt dies zum normalen gesellschaftlichen Irrsinn in dieser Gesellschaft.
Diese Ausgangsbedingungen der kapitalistischen Produktion, die Anarchie bei der Wahl des Produktionsstandortes, die Konkurrenz der Verkehrsträger untereinander, die Profitinteressen der Transportunternehmen und deren Bestreben nach hohen Transportanteilen, die Auseinanderentwicklung zwischen Stadt und Land - all das hat im Transportwesen einen Wahnsinn, ein grenzenloses Chaos entstehen lassen. Auch hier obsiegt das typische kapitalistische Motto. Jeder muß für sich sehen, wie er irgendwie irgendwo hinkommt. Anstatt sich mit rationell und gesellschaftlich nützlich geplanten, aufeinander abgestimmten Transportmitteln fortzubewegen, die allen Menschen leicht zugänglich zur Verfügung stehen, ist jeder im Kapitalismus auf "sich allein gestellt".
Fehlende Planung des gesamten Transportwesens, fehlende Zentralisierung, Wirtschaftskrieg zwischen den Verkehrssystemen - all das hat aber in diesem Jahrhundert neue Dimensionen erreicht.
Denn nachdem der Kapitalismus zunächst mit dem ausklingenden letzten Jahrhundert einen Weltmarkt hergestellt hatte, ist er seitdem auf die Grenzen seines Systems gestoßen - und überlebt seitdem nur noch durch Zerstörung.
Die damals wirtschaftlich zurückgebliebenen Länder, die sog. Kolonien, waren seinerzeit schon zu wirtschaftlichen Krüppeln geschlagen waren, denn sie sollten daran gehindert werden, eine umfassende Industrialisierung im Umfang der sog. Industrieländer zu durchlaufen, um so neue Konkurrenten fernzuhalten. Dies schlug sich so nieder, daß es die absurdesten Kontraste zwischen den seitdem wirtschaftlich unterentwickelt gebliebenen Ländern und den sog. Industrieländern gibt.
Weil nur Geld, d.h. ein kaufkräftiger Markt auch neue Transportmittel anzieht, die meisten Länder der sog. 3. Welt aber wirtschaftlich zurückgeblieben sind, und eine umfassende Industrialisierung dort ausgeblieben ist, sind große Teil dieser Länder von modernen Transportmitteln überhaupt abgeschnitten, bzw. es überleben die anachronistischsten Transportmittel. Wenn es überhaupt Straßen, Wege und Schienen gibt, dann beherrschen oft noch Fuhrwerke, Esel, Kamel usw. die Straße. Alte, klapprige, gifte Abgase ausspuckende LKWs und Busse, das ist das typische Straßenbild. In den Megastädten wie Mexiko, Kairo, Calcutta usw. wird die Luft bis zum Umfallen verpestet. Aber nicht nur Lärm- und Abgasterror gehören dort zum Alltag. Die Widersprüche sind noch absurder: so sehen die somalischen Flüchtlinge, die von Krieg und Dürre in den Tod gejagt werden, und wo es wegen der Kriegswirtschaft an zivilen Transportmitteln und -wegen fehlt, jeden Tag am Himmel über sich Flugzeuge. Sie fliegen von und nach Europa - mit Touristen nach Kenia in die Safaris und die Billigbordells, und Maschinen mit südafrikanischen Trauben für den europäischen Markt. Kontraste und Absurditäten für das Geschichtsbuch.
All das nur, weil Löhne und Preise weltweit so auseinanderklaffen. Riesige Massen von Industriegütern, Nahrungsmitteln usw. werden beispielsweise aus Fernost nach Europa oder Amerika verschifft. Dabei fahren die Schiffe an Afrika oder Südamerika vorbei - obgleich die Menschen dort diese Güter wirklich bräuchten. Aber weil ihre Kaufkraft nicht ausreicht, läuft der "Verkehr" an ihnen vorbei - stattdessen fließt er in die überfüllten und umkämpften kaufkräftigeren Märkte.
Auf der einen Seite also technische Rückständigkeit in vielen Gegenden; in den Hochburgen der Landflucht, den bekannten Megastädten Abgaskonzentrationen und Verkehrschaos so häufig und weit gediehen, so wild und dicht wie Fliegen auf der Scheiße. Andererseits eine absurde Situation in den Industrieländern, wo es die höchst entwickelte Technik, high-tech überall gibt, wo aber ein Verkehrsinfarkt die Gesellschaft jeden Tag terrorisiert. Gerade in den Industriezentren selber, wo der Kontrast zwischen den technisch vorhandenen Möglichkeiten und der tatsächlichen Organisationsform der Gesellschaft (hier die Organisationsform des Verkehrswesens) am deutlichsten auffällt, ist das Verkehrschaos mittlerweile zum Alltag geworden.
Hier wird auch am deutlichsten, daß zwar die technischen Mittel zu einer wirklich "vernünftigen" Verkehrsgestaltung vorhanden sind, daß aber der Raubtier- und Anarchiecharakter der kapitalistischen Verhältnisse dies unmöglich macht.
So ist eine wirkliche Umorganisierung, eine den Interessen der Menschen dienende Transportgestaltung der Gesellschaft nur möglich, indem diese Gesellschaft umgekrempelt wird.
Deshalb sagen wir: jede auch noch so kleine Reform im Verkehrswesen kriegt das wirkliche Problem - die Anarchie der kapitalistischen Produktionsweise selber - nicht zu packen. Sie kann deshalb nur Flickwerk sein und verbreitet meist die Illusion, es sei "möglich etwas zu verbessern".
Genauso wie die Gesellschaft insgesamt nur noch mehr Wirtschaftskrieg, Explosion von nationalistischen Konflikten usw. anzubieten hat, so kann auch die Anarchie im Verkehrswesen nur noch zunehmen. Erst in einer neuen Gesellschaft, in der nicht für Profit, sondern für die Bedürfnisse der Menschen produziert wird, ist eine vernünftige, den Menschen dienende Organisation des Transportes möglich. Dv, 9/92
Im Jan. 1933 übernahmen die Nazis die Macht in Deutschland - demokratisch und frei gewählt im Reichstag. Programm und Ziel der Nazis: Deutschland aus der Krise von 1929 herauszuführen, und dies ging nur - dessen waren sich die Nazis von Anfang an bewußt - durch Krieg. Den bereiteten sie dann auch systematisch und planvoll vor. Was daraus geworden ist, wissen wir: KZs, der 2. Weltkrieg usw.
Heute rufen uns alle "guten Demokraten" dazu auf, daß wir uns gegen die "neue Nazi-Gefahr", gegen "Rechts" und hinter die Demokratie stellen. Die Demokraten wollen uns verkaufen, daß der Faschismus der eigentliche Feind sei, und wir uns alle gegen ihn mobilisieren sollten. Tatsächlich sind Demokratie und Faschismus aber zwei Gesichter der gleichen kapitalistischen Barbarei (siehe dazu WR 56). Es gibt keinen grundsätzlichen Gegensatz zwischen den beiden. Die Geschichte hat bewiesen, daß die Demokratie zu genauso viel Bluttaten und Barbarei zur Verteidigung des Kapitalismus fähig ist wie ihre Zwillingsbrüder Faschismus oder Stalinismus. Unsere Position ist: wir dürfen uns nicht von dieser falschen Polarisierung Antifaschismus gegen Faschismus aufsaugen lassen. Stattdessen müssen wir resolut den Standpunkt der Arbeiterklasse vertreten , die gegen alle Formen der bürgerlichen Herrschaft, ob faschistisch oder demokratisch ankämpfen muß. Nachfolgend wollen wir uns damit auseinandersetzen, warum der Faschismus in Deutschland seinen Einzug halten konnte.
1914 war die Welt in einen Krieg gest
So steckte in den 20er Jahren der Arbeiterklasse ihre Niederlage tief in den Knochen. Alle ihre fr
ürzt worden - mit Unterstützung aller hurrapatriotischen bürgerlichen Parteien versteht sich - aber auch der meisten sozialdemokratischen Parteien. Der 1. Weltkrieg wurde nur durch die revolutionäre Erhebung der Arbeiter in Rußland und Deutschland zu Ende gebracht, denn im Verlaufe des Krieges entfesselte sich ein Widerstand in den Reihen der Arbeiter mit Streiks, Protestdemos, Meutereien bis hin zur revolutionären Erhebung. Um den Frieden durchzusetzen, um nicht zu verhungern, mußten die Arbeiter in Rußland die Macht ergreifen. Auch in Deutschland kam es zu mächtigen revolutionären Erschütterungen. Aber vor allem dank der Drecksarbeit der SPD und der Gewerkschaften, die sich schützend vor den bürgerlichen Staat stellten, kam die Ausdehnung der Revolution in Deutschland nicht voran. Mehr als 20.000 Arbeiter wurden 1919 umgebracht, regierungsverantwortlicher Bluthund war die SPD gewesen. Ergebnis der Niederschlagung und Versandung der Bewegung in Deutschland: die Arbeiter in Rußland blieben weitgehend isoliert. So mußten sie im Folgenden der Offensive einer imperialistischen Armee von 22 Staaten - an deren Spitze die großen Demokratien - entgegentreten, die sie zwar militärisch gewannen, aber in der sie politisch die Macht verloren. Anfang der 20er Jahre, spätestens 1923 war der revolutionären Bewegung, die ein Echo in vielen Ländern gefunden hatte, die Spitze gebrochen. Das Kapital entfaltete eine blutige Konterrevolution. Die Arbeiterklasse war physisch zu Boden gestreckt, ihre Kampfmoral untergraben, vor allem war sie politisch desorientiert. In Rußland, wo die Arbeiter infolge der Isolierung der Revolution in einem schmerzvollen Prozeß mittlerweile die Macht verloren hatten, hatte sich eine neue Herrscherclique eingenistet, die ihr Terrorregime gegen die Arbeiterklasse auszuüben begann. Der Stalinismus gab vor, die Fortsetzung der Oktoberrevolution zu sein, obwohl er tatsächlich der Totengräber derselben war. Der Kommunistische Internationale, vormals Weltpartei des Proletariats, unterwarf sich den Interessen des russischen nationalen Kapitals, kapitulierte vor dem Stalinismus, wurde zu ihrem Instrument. In Deutschland war die SPD am Ruder, deren Apparat seit 1914 in den Staat integriert war. Es war gerade die SPD gewesen, mit deren Hilfe das Kapital den Krieg hatte führen können. Und es war vor allem die Heldentat der SPD und der Gewerkschaften, die Gefahr der Ausdehnung der Revolution gebannt zu haben. Diese feinen Demokraten hatten die Arbeiter niedergestreckt, und nicht die Nazis, die erst viel später ihre Drecksarbeit ausrichten konnten. Hätten SPD und Gewerkschaften sich nicht schützend vor das Kapital gestellt, nicht dessen Terrorherrschaft ausgeübt, wäre alles ganz anders gekommen. üheren Massenorganisationen waren in das Lager des Kapitals übergewechselt: SPD, Gewerkschaften. Und diese Niederlage der Arbeiter sollte dem Kapital freie Hand geben, denn das Kapital stand nunmehr keinem mächtigen Gegner mehr gegenüber. Es konnte seine barbarischen, kriegerischen Tendenzen in einem "neuen Ausmaß" ausleben.Denn der 1. Weltkrieg hatte eine neue Periode eingeläutet. Der Kapitalismus konnte nunmehr nur noch
Auch war Deutschland der große Verlierer des 1. Weltkriegs gewesen. Stark angeschlagen und mit Reparationszahlungen belastet, blieb f
Auf diesem Hintergrund waren die Nazis die konsequenteste Kriegspartei. Auch wenn sie unter den verzweifelten Kleinb
- Verstärkung des Staatskapitalismus, forcierte Militarisierung, kurzum Mobilisierung aller Ressourcen f
- und das erforderte die vollständige Unterwerfung der Arbeiterklasse, nachdem die SPD und die Gewerkschaften in den Kämpfen von 1918-23 schon die unabdingbare Vorarbeit geleistet hatten.
Erst als die Arbeiterklasse schon besiegt war und damit der Weg frei war f
Nun sagen viele, vor allem Linke, daß man den Faschismus hätte verhindern können, "wenn sich alle linken Kräfte zusammengeschlossen hätten. Wenn eine Einheitsfront aller Demokraten zustandegekommen wäre, dann hätte man den Aufstieg der Nazis vermeiden können".
überleben durch einen Zyklus von Krieg - Wiederaufbau - Krise - Krieg - Wiederaufbau... Nach einer kurzen Wiederaufbauphase versank die Weltwirtschaft 1929 erneut in einer Krise. Zuvor schon hatte in Deutschland die Inflation von 1923 für eine Enteignung des Mittelstandes und ein Wegschmelzen der letzten Sparguthaben der Arbeiter gesorgt. ür Deutschland kein anderer Weg, als am aggressivsten aufzutreten und den anderen Ländern deren Märkte und Rohstoffgebiete abzujagen. Aber die Krise von 1929 trieb alle Länder in diese Konfrontation - der fatalen kapitalistischen Logik folgend, blieb keine andere Lösung als die Kriegsvorbereitung auf allen Seiten. Der Krieg war zur Überlebensform schlechthin geworden. ürgern den größten Anhang fanden, wurden sie tatsächlich zur Partei des Großkapitals. Der Faschismus war nie das Kind eines deutschen Kleinbürgertums, sondern er wurde zur Trumpfkarte des deutschen Großkapitals. Die Aufgabe, die die Nazi-Partei im Namen des Kapitals zu erfüllen hatte, hieß:ür den Krieg,ür die Logik des Kapitals, konnten die Nazis aufmarschieren. D.h. erst als die Arbeiterklasse in der großen Krise von 1929, die zu einer ungeheueren Verarmung der Arbeiter führte, keinen wesentlichen Widerstand mehr leistete, brach die Nazipest herein. Der Aufstieg der Nazis zur Macht war also erst möglich geworden, nachdem die Arbeiter geschlagen waren - dann war aber auch der Faschismus nicht mehr aufzuhalten. Zu gründlich und zu brutal hatte die Demokratie der Arbeiterklasse das Blut ausgesaugt.
Ihr Grundgedanke ist, der Faschismus sei etwas Schlimmeres als die Demokratie, wobei der Faschismus gerade die notwendige Etappe zum Krieg und Militarisierung der Arbeiterklasse ist, die erst möglich wurde, nachdem die Demokratie die Arbeiter entwaffnet hatte. Die Linken l
Widerstand von wem?
Der SPD?: Seit 1914 war ihre ganze Ausrichtung gewesen, die Arbeiterklasse an den Staat zu binden: ob im 1. Weltkrieg, ob 1918/1919, ob in den 20er Jahren, wenn immer sie an der Regierung stand. Und jedesmal wenn die SPD f
Die GEWERKSCHAFTEN?: Sie waren seit 1914 zur Polizei im Betrieb geworden, hatten einen Burgfrieden (Streikverbot) beschlossen, wirkten als Staudamm gegen die revolutionäre Erhebung 1918/19, wurden in den 20er Jahren vollends in den Staatsapparat integriert, sorgten daf
Von diesen beiden Organisationen also Widerstand zu erwarten, hieße als ob man von der Polizei Widerstand gegen eine Regierung erwartet. F
Die KPD?: Während sie in den Kämpfen von 1918/19 noch an der Spitze der Bewegung gestanden und resolut die Interessen der Arbeiter verteidigt hatte, war sie in den 20er Jahren fr
ügen uns etwas vor von einem nicht vorhandenen Gegensatz zwischen Demokratie und Faschismus. Und sie verlangen Widerstand von Organisationen, die längst in den Staat integriert worden waren, denen viel Blut an den Fingern klebte, und die sich alle durch ihre Feindschaft gegenüber der Arbeiterklasse in den revolutionären Kämpfen ausgezeichnet hatten, ür ein Massaker an den Arbeitern verantwortlich war, rechtfertigte sie dies, indem sie sagte, alles müsse der Verteidigung der Demokratie (d.h. der Herrschaft des Kapitals) untergeordnet werden. ür, daß kein wesentlicher Widerstand in der Krise von 1929 aufkam. Zwar wurden im Jan. 1933 Gewerkschaftsführer für eine Zeit in Haft genommen, aber kurz danach wieder freigelassen. Der Apparat stellte sich den Nazis zur Verfügung. Auch wenn die Nazis zwar schauträchtig einige Gewerkschaftshäuser anzündeten, ändert das nichts daran, daß der Gewerkschaftsapparat für sie ein unverzichtbares Instrument war. Dieser Apparat ging nämlich nahtlos über in die Deutsche Arbeitsfront, die "Nazi-Gewerkschaft". Kein Zufall, daß die Gewerkschaften am 1. Mai 1933 unter Nazi-Fahnen mitmarschierten. ür sie spielt es nämlich keine Rolle, welche Partei an der Regierung ist, ihre Aufgabe besteht darin, das System zu verteidigen!üh zum Vasallen Moskaus geworden. Sie schlug als erste den Kurs der rückhaltlosen Unterwerfung unter die Interessen des russischen Kapitals ein, ihre Stalinisierung war am schnellsten vorangeschritten. Auch stützte sie sich bei ihrer Arbeit auf die Gewerkschaften (z.B. revolutionäre Gewerkschaftsopposition) und den Parlamentarismus, ("Haltet Hitler auf, wählt Thälmann") d.h. gerade die Waffen, mit Hilfe derer die Arbeiter geschwächt, gefesselt und niedergestreckt worden waren. Schlimmer noch mit ihrem Schlachtruf der nationalen Befreiung des "unterdrückten Deutschlands" trat sie auf nationalistischem Parkett in einen Wettlauf mit den Nazis, der die Arbeiter genau von ihren Interessen ablenkte.Man darf also nicht "
So ist der Faschismus kein besonders reaktionäres Phänomen, sondern eine Stufe in der Logik des Kapitals, der Kriegsvorbereitung, bei niedergeschlagener Arbeiterklasse.
Wenn der Faschismus 1933 aber nicht aufgehalten werden konnte, weil die Arbeiterklasse längst geschlagen war, wie sieht es denn heute aus? Wir sagen: die in der Krise verfaulende Gesellschaft wird immer mehr verzweifelte Elemente hervorbringen, die sich durch faschistische Ideen angezogen f
überrascht" sein, daß es keinen umfassenden Widerstand gegen die Nazis gegeben hat. Erstens sind sie selbst in bürgerlichen Begriffen legal an die Macht gekommen, mit demokratischen Abstimmungen, und vor allem steckt dahinter die Erwartung eines Widerstandes von diesen "demokratischen Kräften". Man glaubt damit, daß es einen Widerspruch zwischen Demokratie und Faschismus gebe. Tatsächlich war es so: indem die Demokratie der Arbeiterklasse die entscheidende Niederlage in den revolutionären Kämpfen von 1919-23 beigefügt hatte, war sie selbst zum Steigbügelhalter des Faschismus geworden. Die Demokratie ist nicht der Feind, der Staudamm gegen den Faschismus, sondern nur ihr Wegbereiter, sobald die Arbeiterklasse geschlagen ist. 1933 war ein Aufbäumen der Arbeiterklasse unmöglich geworden, weil das Kräfteverhältnis längst zugunsten des Kapitals gekippt war. ühlen. Und sie werden umso stärker, wenn die Arbeiterklasse es nicht schafft, sich auf ihrem Boden zur Wehr zu setzen. Wenn die Arbeiterklasse sich hinter die Demokratie, den Staat ziehen läßt, dann wäre langfristig das Tor zu einer Niederlage der Arbeiterklasse aufgestoßen. Aber heute ist dies noch nicht der Fall. Deshalb ist es so entscheidend, daß die Arbeiterklasse sich heute auf ihrem eigenen Boden gegen die Krise zur Wehr setzt. Wie das geht, und welche Bedingungen dafür existieren, haben wir in anderen Artikeln dieser Zeitung aufgezeigt. Dav. 12/92Damals hat sich Trotzki insbesondere mit der Forderung identifiziert, SPD und KPD sollten sich zusammenschließen, um Hitler zu stoppen. Aber die Sozialdemokraten, die Henker der deutschen Revolution, dachten nicht im Traum daran, sich mit einer KPD zusammenzutun, die trotz ihrer späteren Entartung als ein Produkt eben dieser Revolution angesehen wurde, um eine NSDAP zu stoppen, welche sich bei Militär und Arbeitgebern einer wachsenden Beliebtheit erfreute.
Die Hauptzielscheibe von Trotzkis Kritik war jedoch die KPD bzw. die politische Linie der durch die stalinistische Konterrevolution zum Leichnam gewordenen Kommunistischen Internationale. Unter der Parole des Sozialfaschismus erklärte die Komintern bzw. die KPD die Sozialdemokraten zum Hauptfeind der Arbeiterklasse, mit der jegliche B
ündnispolitik ausgeschlossen sei. Trotzki polemisierte gegen diese Position. Dabei berief er sich auf Lenins Kritik an der Weigerung der deutsch-holländischen Linken (KAPD, KAPN) sowie der Führung der KP-Italiens Anfang der 20er Jahre (unter Bordiga), sich mit bürgerlichen "Demokraten" gegen Rechts zu verbünden. Sich auf Lenins Schrift "Der Linksradikalismus -eine Kinderkrankheit des Kommunismus" berufend, behauptete nun Trotzki, die stalinistische Politik der "Bekämpfung des Sozialfaschismus" sei identisch mit der Ablehnung der bürgerlichen Demokratie durch die kommunistische Linke. Diese Behauptung, welche von allen Trotzkisten bis auf den heutigen Tag wiederholt wird, war nichts als eine bösartige Verleumdung. Die Kommunistische Linke kämpfte für einen Zusammenschluß der Arbeiterklasse außerhalb und gegen alle bürgerlichen Institutionen, welche die Klasse stets zu spalten versuchen. Der Stalinismus dagegen wollte mit seiner "Bekämpfung des Sozialfaschismus" die SPD von der Führung eben dieser bürgerlichen Institutionen (vor allem die Gewerkschaften) verdrängen und ablösen. Diese stalinistische Anfeindung der SPD schloß eine Zusammenarbeit mit anderen bürgerlichen Parteien ausdrücklich nicht aus. So arbeitete die KPD zusammen mit den Betriebsorganisationen der NSDAP 1932 während des Berliner Verkehrsbetriebsstreiks. Dies war eine Vorwegnahme des Hitler-Stalin-Paktes von 1939. Danach - und bis zum deutschen Überfall auf die Sowjetunion 1941 erklärten die Stalinisten, der Hauptfeind des internationalen Proletariats sei der englische und französische Imperialismus. Und während die KPD 1932 behauptete, die bevorstehende Reichskanzlerschaft Hitlers sei der unmittelbare Auftakt zur proletarischen Machtübernahme in Deutschland, verkündeten die Marxisten als einzige die bittere Wahrheit, daß Hitler den Weg zum 2. imperialistischen Weltkrieg ebnete.