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Januar 2007

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Arbeiteraristokratie: Ursprung einer Mystifikation

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In dem Artikel "Die Arbeiteraristokratie: eine soziologische Theorie, um die Arbeiterklasse zu spalten" (siehe INTERNATIONALE REVUE Nr. 7, erhältlich bei der Kontaktadresse) zeigten wir auf, daß die Theorie der Arbeiteraristokratie "auf einer soziologischen Untersuchung, die das historische Klassenwesen des Proletariats außer Acht läßt, beruht" (S. 26) und "daß die praktische Schlußfolgerung dieser Auffassung automatisch zu einer Spaltung der Arbeiter in ihren Kämpfen, zur Isolierung der "meist ausgebeuteten" Arbeiter vom Rest der Klasse führt" (S.26)

In diesem Artikel wollen wir die Fehler der ökonomischen Prämissen dieser Theorie verdeutlichen. Alle Versionen dieser Theorie stützen sich ausdrücklich oder unausgesprochen auf eine Variante des Lassallschen "eisernen Lohngesetzes", d.h. auf der falschen Auffassung, daß der Wert der Arbeitskraft einfach dem physiologischen Minimum für das Überleben eines Arbeiters gleichgesetzt werden kann. Für die Verteidiger der Theorie der Arbeiteraristokratie kann irgendein dauerhafter Anstieg der Löhne über dieses physiologische Minimum nur durch die Tatsache erklärt werden, daß die Arbeiter etwas von den Extraprofiten der Kapitalisten mit abbekommen, die aus den arbeitenden Massen in den Kolonien und Halbkolonien herausgepreßt werden. Diese Auffassung, derzufolge die Arbeiter, deren Löhne ein gewisses natürliches Minimum übersteigen, nicht aus den Töpfen des variablen Kapitals sondern aus dem Mehrwert bezahlt werden, derzufolge auch die Arbeitermassen in der fortgeschrittenen kapitalistischen Gesellschaft und die Arbeiter der modernen Industriezweige in den rückständigen Ländern die Bundesgenossen der Kapitalisten bei der Plünderung der kolonialen Massen sind, ist eine zutiefst reaktionäre und arbeiterfeindliche Theorie. Der Marxismus lieferte schon vor langer Zeit eine niederschmetternde Widerlegung des gesamten Netzes der kleinbürgerlichen Theorien und Vorurteile, die die Verteidiger der Theorie von der Arbeiteraristokratie als wissenschaftliche Theorie darzustellen versuchen. Bei all ihrem Enthusiasmus für das Aufstöbern von Zitaten - egal in welchem Zusammenhang sie geschrieben wurden -, wo Engels oder Lenin von einer Arbeiteraristokratie sprechen, lassen die gegenwärtigen Vertreter dieser Theorie absichtlich die ökonomischen Schriften von Marx (Grundrisse, Kapital, Theorien über den Mehrwert) außer Acht, wo nämlich die Funktionsweise des Wertgesetzes, das die einzige Grundlage für das Begreifen der Lohnbewegungen im Kapitalismus ist, erklärt wurde. Unsere eigenen Ausführungen werden die Form eines auf der Marxschen Analyse aufbauenden aber notwendigerweise kurzen Umrisses der Elemente annehmen, die wirklich den Wert der Ware Arbeitskraft bestimmen, sowie der verschiedenen Faktoren, die eine Wertminderung oder -steigerung derselben beeinflussen.. Weiterhin werden wir die eigentliche Lohnbewegung in den verschiedenen Phasen der kapitalistischen Gesellschaft untersuchen.

Im ersten Band des Kapitals zeigte Marx auf, daß "der Wert der Arbeitskraft der Wert für die Subsistenzmittel ist, die für die Aufrechterhaltung der Arbeitskraft des Lohnarbeiters erforderlich ist". Jedoch können diese notwendigen Subsistenzmittel, von denen Marx spricht, nicht auf irgendein physiologisches Mindestmaß reduziert werden, das notwendig wäre, um das Leben eines Arbeiters als ein biologischer Organismus sicherzustellen. Sie müssen ausreichen, um ihn in seinem normalen Zustand als Arbeiter am Leben zu halten, d.h. in einem Zustand, wo er fähig ist für das Kapital Mehrwert zu produzieren. Diese Tatsache weist auf den historisch variablen Charakter des Wertes der Arbeitskraft hin, da:"der Umfang sog. notwendiger Bedürfnisse, wie die Art ihrer Befriedigung, selbst ein historisches Produkt (ist und sie) hängt daher großenteils von der Kulturstufe eines Landes, unter andrem auch wesentlich davon ab, unter welchen Bedingungen, und daher mit welchen Gewohnheiten und Lebensansprüchen die Klasse der freien Arbeiter sich gebildet hat. Im Gegensatz zu den anderen Waren enthält also die Wertbestimmung der Arbeitskraft ein historisches und moralisches Element" (K. Marx, "Das Kapital", Erster Band, MEW 23, S. 185). Das einzigartige Wesen der Arbeitskraft als Ware liegt daher nicht nur in ihrer Fähigkeit, mehr Wert zu produzieren als sie besitzt, also einfach einen Mehrwert zu produzieren, sondern ebenso in der Tatsache, daß ihr eigener Wert "selber keine fixe, sondern eine variable Größe ist, selbst die Werte aller andern Waren als gleichbleibend unterstellt"(K. Marx, "Lohn, Preis und Profit", MEW Bd. 16, S. 148).

Bei der Bestimmung dessen, was eigentlich die für die Arbeiter zu einem gegebenen Zeitpunkt und an einem Ort erforderlichen Subsistenzmittel sind, ist dieses "historische und moralische Element", das Marx betont, von größerer Bedeutung als das physiologisch notwendige Element. Einer der Hauptfaktoren, der den Verlauf der Entwicklung der menschlichen Gesellschaft auszeichnet, ist das, was Marx als den Rückzug oder Senkung der natürlichen Grenzen im Arbeitsprozeß bezeichnete. Damit meinte Marx das abnehmende Gewicht der natürlichen Bedingungen im Produktionsprozeß und die immer größere Sozialisierung der Produktionsaktivitäten - diese Entwicklung wurde bislang vom Kapitalismus auf die höchste Stufe getrieben. Jedoch kann dieses Absinken der natürlichen Grenzen ebenso in der Produktion und der Reproduktion der Arbeitsfähigkeit der Arbeiterklasse gesehen werden. Die Befriedigung grundsätzlich physiologischer Bedürfnisse - die das Kennzeichen der arbeitenden Massen in der vorkapitalistischen Gesellschaft war, z.B. Sklaven, Leibeigene usw. - verliert proportional als Faktor bei der Aufrechterhaltung der Arbeiterklasse an Gewicht, und ein noch größerer Teil der Produktion und Reproduktion der Arbeitskraft des Proletariats in der kapitalistischen Gesellschaft befaßt sich mit der Befriedigung der Bedürfnisse, die aus der zunehmenden Vergesellschaftung der Produktion hervorgehen. Diese Bedürfnisse schließen ein: das allgemeine Bildungsniveau, das heute selbst ein einfacher Arbeiter erreichen muß, um Mehrwert unter den Bedingungen der hohen Produktivität des Arbeitsprozesses abzuwerfen; das Radio, Fernsehen, Kinos, Urlaub usw. Sie sind alle zu einem notwendigen Bestandteil der Aufrechterhaltung der Arbeitskraft unter den gegenwärtigen Bedingungen der intensiven Arbeit geworden. Weiter zählen dazu die Diäten und die medizinische Versorgung, die unabdingbar sind, wenn der Arbeiter 40 Jahre in der Fabrik schuften muß - und das ist das Normale in der modernen Industrie; sowie eine ganze Reihe anderer sozialer Bedürfnisse, auf die wir hier nicht näher eingehen können. Mit anderen Worten: der Wert der Arbeitskraft eines Arbeiters kann auf keinen Fall einfach mit der Größe gleichgesetzt werden, die für die Befriedigung seiner rein natürlichen Bedürfnisse erforderlich ist. "Der wirkliche Wert seiner Arbeitskraft weicht von diesem physischen Minimum ab; er ist verschieden je nach dem Klima und dem Stand der gesellschaftlichen Entwicklung; er hängt ab nicht nur von den physischen, sondern auch von den historisch entwickelten gesellschaftlichen Bedürfnissen, die zur zweiten Natur werden" (K. Marx, "Das Kapital", Dritter Band, MEW Bd. 25, S. 866).

Dieses physiologische Minimum stellt in Wirklichkeit nur die untere Grenze des Werts der Arbeitskraft eines Arbeiters dar, die obere Grenze dagegen wird durch den "traditionellen Lebensstandard" gebildet."Er betrifft nicht das rein physische Leben, sondern die Befriedigung bestimmter Bedürfnisse, entspringend aus den gesellschaftlichen Verhältnissen, in die die Menschen gestellt sind und unter denen sie aufwachsen" (K. Marx, "Lohn, Preis und Profit", MEW Bd. 16,S. 148). Die Größe dieser historisch variablen Obergrenze, der eigentliche Wert der Ware Arbeitskraft zu einem gegebenen Zeitpunkt und an einem gegebenen Ort, hängt selbst stark von 3 Faktoren ab: der Akkumulationsrate des Kapitals, der Größe der industriellen Reservearmee, der Stärke des Klassenkampfes. Das komplexe Zusammenwirken dieser 3 Faktoren bestimmt das eigentliche Lohnniveau,und wir sollten in Erinnerung behalten, daß dauerhafte Änderungen des Lohnniveaus, d.h. des Preises der Arbeitskraft, eine Änderung ihres Wertes darstellen.

Marx schrieb:"Die Größe der Akkumulation ist die unabhängige Variable, die Lohngröße die abhängige, nicht umgekehrt" ("Das Kapital", Erster Band, MEW 23, S. 648).

Wenn der Umfang der Kapitalakkumulation schnell anwächst, m.a.W. wenn die Mehrwertrate ansteigt, werden neue Märkte für die Realisierung des Mehrwertes geöffnet und somit neue Sphären für die Kapitalisierung des Mehrwertes zur Verfügung stehen, der objektiven ökonomischen Grundlage für einen Anstieg der Reallöhne.

Bevor wir die eigentliche Beziehung zwischen Akkumulation und Löhnen untersuchen, ist es wichtig darauf hinzuweisen, daß wir es bei der Berücksichtigung des Mehrwertes und der Reallöhne nicht mit einer festgesAtzten Größe zu tun haben, sondern eher mit elastischen Größen. Sowohl der Mehrwert als auch die Reallöhne können gleichzeitig ansteigen und auch im gleichen Verhältnis zueinander sich erhöhen. Somit bedeutet ein Anstieg der Reallöhne nicht unbedingt eine Senkung der Masse der Mehrwertrate - historisch gesehen war das auch fast nie der Fall. Deshalb schließt Marxens absolut richtige Schlußfolgerung, wo er sagte,"die Erhöhung des Arbeitspreises bleibt also eingebannt in Grenzen, die die Grundlagen des kapitalistischen Systems nicht nur unangetastet lassen, sondern auch seine Reproduktion auf wachsender Stufenleiter sichern" (K. Marx, "Das Kapital", Erster Band, MEW Bd 23, s. 649), einen dauerhaften Anstieg der Reallöhne nicht aus, vorausgesetzt die Akkumulation nimmt sowohl in ihrem Umfang als auch in ihrem Rythmus zu.

Im Kapital untersuchte Marx auch die Änderungen der Höhe der Preise der Arbeitskraft und des Mehrwerts. Er bewies, daß eine Änderung der Löhne aber auch des Mehrwertes durch die Veränderung der Länge des Arbeitstages, der Intensität und Produktivität der Arbeit hervorgebracht werden könnten. Bei all diesen Fällen zeigte Marx die Möglichkeit eines gleichzeitigen Anstiegs der Reallöhne und der Rate und Masse des Mehrwerts auf. Die Ausdehnung des Arbeitstages kann offensichtlich zu einer Erhöhung des aus den Arbeitern gepreßten Mehrwertes führen, aber auch zu einer Erhöhung der Reallöhne.

"Da das Wertprodukt, worin sich der Arbeitstag darstellt, mit seiner eignen Verlängerung wächst, können Preis der Arbeitskraft und Mehrwert gleichzeitig wachsen, sei es um gleiches oder ungleiches Inkrement (Zunahme)" (K.Marx,"-Das Kapital", Erster Band, MEW

Bd. 23,S. 549).

Ein ähnliches Ergebnis kann erzielt werden, wenn aie Arbeitsintensität erhöht Wird."Wachsende Intensität der Arbeit unterstellt vermehrte Ausgabe von Arbeit in demselben Zeitraum. Der intensivere Arbeitstag verkörpert sich daher in mehr Produkten als der mnnder intensive von gleicher Stundenzahl...Bei gleichbleibender Stundenzahl verkörpert sich also der intensivere Arbeitstag in höherem Wertprodukt. . .Es ist klar: Variiert das Wertprodukt des Arbeitstages, ... so können beide Teile dieses Wertprodukts, Preis der Arbeitskraft und Mehrwert, gleichzeitig wachsen, sei es in gleichem oder ungleichem Grad"(K. Marx, "Das Kapital",

Erster Band, MEW Bd 23, s. 547). Während in beiden der oben erwähnten Fälle ein dauerhafter Anstieg der Reallöhne zu einer Erhöhung des Wertes der Arbeitskraft führen kann, ist es ebenso möglich, daß der Wert der Arbeitskraft fällt, selbst wenn ihr Preis steigt. Dies kann entweder im Falle einer Ausdehnung des Arbeitstages geschehen oder durch eine Intensivierung der Arbeit, Weil "die Preiserhöhung der Arbeitskraft ihren beschleunigten Verschleiß nicht kompensiert" (K. Marx, "Das Kapital", Erster Band, MEW Bd 23, S. 547).

Obgleich ein Anstieg der Arbeitsproduktivität immer ein Sinken des Wertes der Arbeitskraft mit sich bringt, ist es ebenso vereinbar mit einem Anstieg des Lebensstandard der Arbeiter. "Wechsel in der Produktivkraft der Arbeit, ihre Zunahme oder Abnahme,wirkt'in umgekehrter Richtung auf den Wert der Arbeitskraft und in direkter auf den Mehrwert" (K. Marx, "Das Kapital", Erster Band, MEW Bd. 23, S. 543). Wenn somit die Produktivität der Arbeit ansteigt, steigt ebenso der Mehrwert an, während der Wert der Arbeitskraft sinkt. Dies bedeutet jedoch nicht ein Sinken der Reallöhne, ein Verschlechtern des Lebensstandards, der gar ansteigen kann. "Der Wert der Arbeitskraft ist bestimmt durch den Wert eines bestimmten Quantums von Lebensmitteln. Was mit der Produktivkraft der Arbeit wechselt, ist der Wert dieser Lebensmittel, nicht ihre Masse. Die Masse selbst kann, bei steigender Produktivität der Arbeit, für Arbeiter und Kapitalist gleichzeitig und in demselben Verhältnis wachsen ohne irgendeinen Größenwechsel zwischen Preis der Arbeitskraft und Mehrwert" (K. Marx, "Das Kapital", Erster Band, MEW Bd. 23, S. 545).

Aber egal wie groß der Umfang der Akkumulation auch ist, das Kapital gesteht nie aus eigener Initiative reale Lohnerhöhungen zu. In Wirklichkeit bringt die Steigerung der Akkumulation des Kapitals, die die objektive Basis für eine Erhöhung der Reallöhne schafft, ebenso eine entgegengesetzte Tendenz zum Vorschein, die jede Erhöhung des Lebensstandards der Arbeiter beschränkt und eingrenzt. "Je größer der gesellschaftliche Reichtum, das funktionierende Kapital, Umfang und Energie seines Wachstums, also auch die absolute Größe des Proletariats und die Produktivkraft seiner Arbeit, desto größer die industrielle Reservearmee ... Je größer aber diese Reservearmee im Verhältnis zur aktiven Arbeiterarmee, desto massenhafter die konsolidierte Überbevölkerung, deren Elend im umgekehrten Verhältnis zu ihrer Arbeitsqual steht. Je größer endlich die Lazarusschichte der Arbeiterklasse und die industrielle Reservearmee, desto größer der offizielle Pauperismus. DIES IST DAS ABSOLUTE, ALLGEMEINE GESETZ DER KAPITALISTISCHEN AKKUMULATION. Es wird gleich allen anderen Gesetzen in seiner Verwirklichung durch mannigfache Umstände modifiziert ..."(K. Marx, "Das Kapital", Erster Band, MEW 23, s. 673). Insbesondere die Veränderungen bei der Funktionsweise dieses spezifischen Gesetzes, das Maße, in dem die Reservearmee unter bestimmten Bedingungen zunimmt oder sinkt, bestimmen das Ansteigen oder Sinken der Reallöhne (und des Wertes der Arbeitskraft). "Im grossen und ganzen sind die allgemeinen Bewegungen des Arbeitslohnes ausschließlich reguliert durch die Expansion und Kontraktion der industriellen Reservearmee, welche dem Periodenwechsel des industriellen Zyklus entsprechen" (K. Marx, "Das Kapital", Erster Band, MEW 23, S. 666).

Während die Ausdehnung der Reservearmee das Steigen der Reallöhne hemmt - obgleich ihr Schrumpfen solch eine Erhöhung begünstigt - (was immer von der Akkumulationsrate abhängt),ist der ausschlaggebende Faktor für das wirkliche Ansteigen oder Sinken der Löhne das Niveau des Klassenkampfes. Nur durch den Rückhalt eines kämpferischen Klassenkampfes kann das Proletariat dem Kapital eine größere Masse an Subsistenzmitteln abzwingen, die es durch seine eigene Arbeit geschaffen hat. Jedoch wird das Niveau des Klassenkampfes selber durch die globalen Bedingungen des Akkumulationsprozesses und die Größe der Reservearmee beeinflußt.

Wir können nun dazu übergehen, auf die tatsächliche Entwicklung der Löhne sowohl während der aufsteigenden als auch während der dekadenten Phase des Kapitalismus einen Blick zu werfen, um die.Gründe für die Reallohnsteigerungen aufzudecken, die zeitweilig stattgefunden haben. Es gibt vor allem 3 Zeiträume, mit denen wir uns gesondert befassen müssen, weil die Löhne damals wirklich lange anstiegen.

Zunächst in Europa von 1850 bis 1913, dem Höhepunkt der aufsteigenden Phase des Kapitalismus. Zweitens in den Siedlerkolonien wie die USA, Kanada, Australien, wo während der gesamten Phase des aufsteigenden Kapitalismus selbst während des I. Weltkrieges und gar bis zum Ausbruch der Wirtschaftskrise von 1929 die Löhne real anstiegen. Drittens der Zeitraum des Wiederaufbaus in den fortgeschrittenen kapitalistischen Gesellschaften, der sich dem 2. Weltkrieg anschloß und bis 1967 dauerte. In den ersten beiden Fällen kam es zu einem enormen Anstieg des Wertes der Arbeitskraft, und im 3. Fall ist der Anstieg des Wertes der Arbeitskraft etwas fragwürdiger - obgleich der Preis der Arbeitskraft zweifellos anstieg (ganz zu schweigen von der zeitlich engen Begrenzung dieses Phänomens).

Wir werden als Beispiel England nehmen, um die Lohnentwicklung während des Höhepunktes des aufsteigenden Kapitalismus zu verfolgen, weil England das klassische Beispiel. einer fortgeschrittenen kapitalistischen Gesellschaft während der damaligen Zeit war, und weil die Theoretiker der Arbeiteraristokratie es als einen Beweis für ihre Ideen betrachten. Die Löhne entwickelten sich zwischen 1789 und 1900 folgendermaßen:

Reallöhne (1900 = 100)

1789-98 58 1859-68 63

1809-18 43 1869-79 74

1820-26 47 1880-86 80

1849-58 57 1887-95 91

1895-1903 99

(Jürgen Kuczynski, "A Short History of Labour Conditions Under Industrial Capitalism in Great Britain and the Empire", 1944, S. 68)

Während der Phase der primitiven Akkumulation (ca. 1789 -1826) führten die Auswirkungen der Landflucht zu der Schaffung einer massiven Reservearmee, welche den Klassenkampf stark einengte und eine Senkung der Reallöhne mit sich brachte.

,Erst ab 1858 erreichten die Reallöhne erneut den Stand von 1789. Von 1858 bis 1900 stiegen die Reallöhne enorm an, was zu einer bedeutsamen Erhöhung des Wertes der Arbeitskraft führte. Eine Reihe von Faktoren spielten dabei eine entscheidende Rolle. Die Akkumulationsrate

stieg sehr schnell an, verbunden mit einem noch nie dagewesenen Anstieg der Arbeitsproduktivität und der Arbeitsintensität, wodurch so das bis dahin am häufigsten verwendete Mittel der Verlängerung des Arbeitstages durch den Anstieg der Arbeitsproduktivität ersetzt wurde. Dies schuf im Zusammenhang mit der schnellen Ausdehnung der Kolonialmärkte aufgrund der weltweiten Ausdehnung des britischen Imperialismus die Basis für die Beschäftigung eines immer größer werdenden Teiles der Reservearmee in der Metropole. Dies fiel mit dem Ende der Phase der primitiven Akkumulation und der Verarmung der Landbevölkerung zusammen, was bedeutete, daß die überflüssige Bevölkerung nicht mehr so schnell anwuchs wie vorher. Weiterhin schufen die endlosen Möglichkeiten der Auswanderung in die Siedlerkolonien zusätzliche "Abzugswege", dies beschränkte zugleich die Größe der Reservearmee. All dies schuf optimale Bedingungen für das Proletariat, um einen wirkungsvollen Kampf um höhere Löhne und Reformen zu führen. Dieses Zusammenspiel zwischen einer besonders schnellen Akkumulationsrate, dem zeitweiligen Rückgang der Reservearmee und der großen Kampfbereitschaft der Arbeiter erklärt den Anstieg des Wertes der Arbeitskräfte während jenes Zeitraums.

In den Siedlerkolonien (USA, Kanada, Australien usw.) beruhte der Anstieg des Wertes der Arbeitskraft, der natürlich letzten Endes durch den Klassenkampf,-des Proletariats selber herbeigeführt wurde, auf der unabdingbaren Vorbedingung der gewaltigen Akkumulation und zuvorderst auf dem fast vollständigen Fehlen einer Reservearmee (praktisch bis fast nach dem 1. Weltkrieg). Dieser letztgenannte Faktor wurde von Marx als der Schlüssel für das Begreifen der Gründe für die hohen Reallöhne in diesen Ländern hervorgehoben:

"Was die Grenzen des Werts der Arbeit angeht,so hängt seine faktische Festsetzung immer von Angebot und Nachfrage ab ...In Kolonialländern begünstigt das Gesetz von Angebot und Nachfrage den Arbeiter. Daher der relativ hohe Lohnstandard in den Vereinigten Staaten. Das Kapital kann dort sein Äußertes versuchen. Es kann nicht verhindern, daß der Arbeitsmarkt ständig entvölkert wird durch die ständige Verwandlung von Lohnarbeitern in unabhängige, selbstwirtschaftende Bauern. Die Tätigkeit eines Lohnarbeiters ist für einen sehr großen Teil des Amerikanischen Volks nur eine Probezeit, die sie sicher sind, über kurz oder lang durchlaufen zu haben" (K. Marx, "Lohn, Preis und Profit", MEW Bd. 16, S. 149).

Die Abwesenheit einer größen überflüssigen Bevölkerung bedeutete aufgrund der Verfügbarkeit von billigem Land, daß das Kapital in diesen Ländern insbesondere davon abhängig war, die Arbeitsproduktivität als ein Mittel der Auspressung des Mehrwerts zu erhöhen. Dies schuf gar noch günstigere Bedingungen für die Akkumulation, weil die objektive ökonomische Basis für den Anstieg des Wertes der Arbeitskraft erweitert wurde.

Der Anstieg der Reallöhne während der Wiederaufbauphase nach dem 2. Weltkrieg fölgte einem starken Rückgang des Lebensstandards des Proletariats, der mit dem Ausbruch deroffenen Krise im Jahre 1929 begonnen hatte. Die durcf den Krieg verursachte massive Zerstörung von überschüssigem Kapital schuf die ökonomische Basis für einen Zeitraum des Wiederaufbaus während dessen die Akkumulation bedeutend zunahm.Dieser wachsenden Akkumulation müssen die Auswirkungen einer bis dahin unerreichten Zerstörung der "überschüssigen Bevölkerung" durch das imperialistische Abschlachten hinzugefü¢ werden, die zu einer Abnahme der Reservearmee während einer langen Zeit führte. Dieses Zusammenwirken von einer zeitweilig schnellen Akkumulationsrate und dem Rückgang der Reservearmee schuf die objektive Grundlage für die während dieser Zeit aufgetretenen Reallohnerhöhungen. Jedoch waren die Verlängerung des Arbeitstages durch obligatorische Überstunden und die mörderischen Beschleunigungen des Arbeitstempos, die die Arbeit bis zum Zerreißen intensivierten, so bedeutend, daß es als fragwürdig erscheint, ob diese Reallohnsteigerung dazu ausreichte, um den Verschleiß der Arbeitskraft unter diesen Bedingungen auszugleichen. Kurzum, es gibt beträchtliche Beweise dafür, daß trotz des zeitweiligen Ansteigens der Reallöhne die Arbeitskräfte unter ihrem Wert, dh. unter den Kosten ihrer Unterhaltung bezahlt wurden.

Nun müssen wir die nationalen Unterschiede bei den Löhnen untersuchen, denn diese Unterschiede dienen den Theoretikern der Arbeiteraristokratie zum großen Teil als Argument für die Behauptung, daß die höheren Löhne in den fortgeschrittenen Ländern die Krümel von den Extraprofiten sind, die aus der Arbeit der schlechtbezahlten Massen der Kolonien und Halbkolonien gepreßt werden. Während es vollkommen stimmt, daß die Profitrate in den rückständigen Ländern mit ihrer niedrigen organischen Zusammensetzung des Kapitals höher ist, wird dies durch die viel größere Profitmasse, die durch die produktiven Arbeiter in den fortgeschrittenen Ländern produziert wird, in den Schatten gedrängt, gerade aufgrund der höheren organischen Zusammensetzung (dabei müssen wir die Auswirkungen des Ausgleiches der Profitraten hinzufügen, welche sich zum Nachteil dieser ,Länder auswirken). Was für uns nun am wichtigsten zu berücksichtigen ist, ist die Tatsache, daß die Mehrwertrate, d.h. die Ausbeutungsrate in den fortgeschrittenen Ländern viel größer ist als in den rückständigen. Nur weil die Arbeiter in den am meisten fortgeschrittenenen Ländern am meisten ausgebeutet werden, mehr als sogar ihre Klassenbrüder in den rückständigen Ländern, könnnen ihre Reallöhne höher sein. "Je produktiver ein Land gegen das andere auf dem Weltmarkt, um so höher sind die Arbeitslöhne in ihm, verglichen mit den andren Ländern. Nicht nur der nominelle, sondern der reelle Arbeitslohn in England ist höher als auf dem Kontinent. Der Arbeiter ißt mehr Fleisch, befriedigt mehr Bedürfnisse .... Aber er ist nicht höher im Verhältnis zur Produktivität der englischen Arbeiter" (K. Marx, "Theorien über den Mehrwert", Zweiter Teil, MEW Bd. 26.2, S. 8).

Zu dem höheren Ausbeutungsgrad und der größeren Produktivität der Arbeiter in den Metropolen muß eine besonders wichtige Änderung des Wertgesetzes hinzugefügt werden, die von der folgenden Tatsache herrührt: "Noch mehr aber wird das Wertgesetz in seiner internationalen Anwendung dadurch modifiziert, daß auf dem Weltmarkt die produktivere nationale Arbeit ebenfalls als intensivere zählt" (K. Marx, "Das Kapital", Erster Band, MEW Bd 23, S. 584).

Daher ist die Arbeit der Arbeiter in den Metropolen nicht nur produktiver als die der Arbeiter in den früheren Kolonien, sondern sie schafft ebenso mehr Wert, da sie intensiver ist. Daher bestimmen diese Faktoren zusammen mit der ungeheuren Größe der "überflüssigen" Bevölkerung in den rückständigen Ländern (aufgrund des Einflusses derselben auf das Kräfteverhältnis zwischen dem Proletariat und dem Kapital) und die unterschiedlichen historischen Ergebnisse des Klassenkampfes die sehr niedrigeren Arbeitslöhne (Reallöhne) in den früheren Kolonien und dementsprechend die,-viel höheren Reallöhne in den fortgeschrittenen Ländern. Die Befürworter der Theorie von der Arbeiteraristokratie richten sich ausschließlich auf die Frage der Reallöhne (die sie zudem vollkommen falsch verstehen), und sie lassen die sehr wichtige Frage der relativen Löhne außer acht. Marx wies auf die Bedeutung der relativen Löhne zum Verständnis der Lage der Lohnarbeiter in der kapitalistischen Gesellschaft hin:

"Aber weder der nominelle Arbeitslohn, d.h. die Geldsumme, wofür der Arbeiter sich an den Kapitalisten verkauft, noch der relle Arbeitslohn, d.h. die Summe Waren, die er für dies Geld kaufen kann, erschöpfen die im Arbeitslohn enthaltnen Beziehungen. Der Arbeitslohn ist vor allem noch bestimmt durch sein Verhältnis zum Gewinn, zum Profit des Kapitalisten- verhältnismäßiger, relativer Arbeitslohn. Der relle Arbeitslohn drückt den Preis der Arbeit im Verhältnis zum Preis der übrigen Waren aus, der relative Arbeitslohn dagegen den Anteil der unmittelbaren Arbeit an dein von ihr neu erzeugten Wert im Verhältnis des Anteils davon, der der aufgehäuften Arbeit, dem Kapital, zufällt" (K. Marx, "Lohnarbeit und Kapital", Peking 1969).

Marx zeigte weiterhin auf, daß die relativen Löhne sinken können, während die Reallöhne ansteigen, und daß in diesem Falle folgendes wichtig ist: "Die Macht der Kapitalistenklasse über die Arbeiterklasse ist gewachsen, die-gesellschaftliche Stellung des Arbeiters hat sich verschlechtert, ist um eine Stufe tiefer unter die des Kapitalisten herabgedrückt" (K. Marx, "Lohnarbeit und Kapital", Peking, 1969, S. 38): Genau dies traf im Fall der englischen Arbeiterklasse während des Höhepunktes der aufsteigenden Phase des Kapitalismus zu:

Relative Löhne, 1859-1903 (1900 = 100)

Relativer Anteil der Produktion,

Löhne, Kapitalisten pro

Industriekapital

Produktion

 

Löhne

Kapitalisten

1869-79

66

1iT

$9

1880-86

83

96

104

1887-95

96

95

105

1895-1903

105

94

106

(Kuczynski, ebenda, S. 82)

So erhielt die Arbeiterklasse gar einen kleineren Anteil von dem großen Reichtum, den sie durch ihre eigene Arbeitskraft während dieses Zeitraums geschaffen hatte - wohingegen die Verteidiger der Theorie der Arbeiteraristokratie behaupten, es handele sich um ein korrurnpiertes Werkzeug der Reaktion. Die absolute Unfähigkeit dieser Theoretiker, die Bedeutung der relativen Löhne zu begreifen, hängt mir ihrem Unvermögen zusammen, das eigentliche Wesen des Mehrwerts selber zu begreifen.

Die simplistische Argumentationsweise der Verteidiger der Theorie der Arbeiteraristokratie und ihr Außerachtlassen des Wertgesetzes in der kapitalistischen Gesellschaft tritt somit offen hervor. Die Theorie von der Arbeiteraristokratie mit ihren politischen Schlußfolgerungen ist eine Mystifizierung, die die revolutionären Marxisten entschlossen bekämpfen müssen.

MacIntosh, Aug. 1981

Erstveröffentlichung in Weltrevolution Nr. 7, 1982

Theoretische Fragen: 

  • Arbeiterklasse [1]

China 1927: Letztes Aufbäumen der Weltrevolution

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Im März 1927 erhoben sich in Schanghai die Arbeiter in einem erfolgreichen Aufstand; binnen kürzester Zeit übernahmen sie die Kontrolle in der Stadt, gleichzeitig war ganz China in Bewegung geraten. Im April wurde dieser Aufstand von den Kräften Tsching Kai-scheks brutal niedergeschlagen, diesem Tschiang, den die Kommunistische Partei Chinas als den Held der chinesischen "nationalen" Revolution gefeiert hatte. Anläßlich des 60. Jahrestages dieses Aufstandes wollen wir als Revolutionäre die Ereignisse kurz in Erinnerung rufen und die Hauptlehren aus den Kämpfen für die Arbeiterklasse ziehen.

Die Haupttragödie dieses Aufstandes war die Tatsache, daß die Arbeiterklasse in China genauso wie das chinesische Kapital, das zu spät auf dem Weltmarkt auftauchte, in diese Kämpfe gegen das Kapital zu einer Zeit eintrat, als die internationale revolutionäre Welle von Kämpfen, welche aus dem I. Weltkrieg hervorgegangen war, sich schon im Rückzug befand.

Im März 1927 erhoben sich in Schanghai die Arbeiter in einem erfolgreichen Aufstand; binnen kürzester Zeit übernahmen sie die Kontrolle in der Stadt, gleichzeitig war ganz China in Bewegung geraten. Im April wurde dieser Aufstand von den Kräften Tsching Kai-scheks brutal niedergeschlagen, diesem Tschiang, den die Kommunistische Partei Chinas als den Held der chinesischen "nationalen" Revolution gefeiert hatte. Anläßlich des 60. Jahrestages dieses Aufstandes wollen wir als Revolutionäre die Ereignisse kurz in Erinnerung rufen und die Hauptlehren aus den Kämpfen für die Arbeiterklasse ziehen.

Die Haupttragödie dieses Aufstandes war die Tatsache, daß die Arbeiterklasse in China genauso wie das chinesische Kapital, das zu spät auf dem Weltmarkt auftauchte, in diese Kämpfe gegen das Kapital zu einer Zeit eintrat, als die internationale revolutionäre Welle von Kämpfen, welche aus dem I. Weltkrieg hervorgegangen war, sich schon im Rückzug befand.

Der I. Weltkrieg hatte der Entwicklung der chinesischen Industrie einen gewaltigen Auftrieb verliehen. Dadurch war eine zahlenmäßig kleine, aber hochkonzentrierte und furchtbar ausgebeutete Zahl von Proletariern in den Großstädten wie Schanghai, Hangchow und Kanton entstanden. Diese Arbeiter erhoben zum ersten Mal Anfang der 20er Jahre ihre Stirn gegen die Ausbeutung.

Die Erschütterungen des Kapitalismus nach dein I. Weltkrieg zogen aber auch das chinesische Kapital in ihren Sog. Die Zuspitzung der inter-imperialistischen Spannungen und die Spannungen innerhalb der örtlichen bürgerlichen Fraktionen, der Ausbruch von großen Bauernrevolten gegen ein überholtes Grundbesitzsystem und das Auftauchen einer großen kämpferischen Arbeiterklasse stellten den Hintergrund für die Schlüsselperiode der chinesischen Revolution von 1925-27 dar. Aber letztendlich hing der Ausgang der Ereignisse in China 1925-27 nicht von der Situation in China selbst ab, sondern wurde auf Weltebene entschieden.

Russland: Hochburg der Konterrevolution

Die große revolutionäre Welle, die mit der Oktoberrevolution ausgelöst worden war, trat nach 1920 in eine Rückflußphase ein; danach erreichte sie nie mehr ihren ursprünglichen Schwung, trotz der verzweifelten Kämpfe in Deutschland 1921 und 1923, Bulgarien 1923 und China 1925-27. Dieser Rückfluß hatte die tiefstgreifenden und tragischsten Konsequenzen für die ursprüngliche Hochburg der Revolution, Sowjetrußland. Bei dem Versuch, in einer kapitalistischen Welt zu überleben, wurden der russische Staat und die Bolschewistische Partei, die sich mit diesem verschmolzen hatte, schnell zu einem

der Hauptzentren der Konterrevolution. In Rußland selbst führten die Bedürfnisse des Kapitals zur Niederschlagung der Arbeiteraufstände in Petrograd und Kronstadt 1921, der Verfolgung von oppositionellen kommunistischen Fraktionen und zur rücksichtslosen Kapitalakkumulierung auf Kosten der Arbeiterklasse. Auf Weltebene erforderten die gleichen Notwendigkeiten eine zunehmende Unterwerfung der internationalen Revolution unter die Bedürfnisse des russischen Staates, insbesondere seiner Suche nach Bündnissen und wirtschaftlicher Hilfe von dem Rest der kapitalistischen Welt. Gleichzeitig wurden die Parteien der Kommunistischen Internationale zunehmend zu einer Fessel bei der Entwicklung des Klassenkampfes.

Nach 1924 verstärkte die Fraktion um Stalin in Bußland ihre Machtposition und räumte die letzten Widerstände bei der unbegrenzten Verfolgung der Interessen des russischen nationalen Kapitals aus dem Weg. Aber schon vor 1924 trug die Politik der Bolschewisten den Keim der Niederlage in sich. 1922 hatte der Vertreter der Kommunistischen Internationale in China, H. Maring, alias Sneevliet, die Grundlage für ein Bündnis zwischen der Chinesischen Kommunistischen Partei und der Kuomintang eingefädelt. Dahinter steckte die Absicht der Bildung einer "vereinigten antiimperialistischen Front" für den Kampf um die nationale Befreiung Chinas, was in erster Linie einen militärischen Kampf gegen die war-lords insbesondere im Norden Chinas bedeutete, da diese große Teile des Landes beherrschten. Dieses Bündnis führte dazu, daß Mitglieder der chinesischen KP sich der Kuomintang als Individuen anschlossen, und gleichzeitig die Partei förmlich eine politische Autonomie aufrechterhielt. In der Praxis bedeutete dies jedoch eine fast vollständige Unterwerfung der KP unter die Ziele der Kuomintang. Auf dem IV. Kongreß der Komintern im Jahre 1922- der gleiche Kongreß, welcher die Politik der "Arbeiterfronten" im Westen beschlossen hatte - verwarf Radek die Zögerungen einiger Delegierter der KP hinsichtlich des Bündnisses mit der Kuomintang: "Genossen, ihr müßt begreifen, daß heute in China weder der Sozialismus noch eine Sowjetrepublik auf der Tagesordnung stehen". M.a.W: China müßte eine "bürgerlich, demokratische Phase" durchlaufen, bevor die Diktatur des Proletariats auf der Tagesordnung stünde. In Rußland hatten die Menschewisten 1917 die gleiche Argumentation gehabt.

Es handelte sich um einen großen Rückschritt der Komintern gegenüber den Erklärungen ihres I. Kongresses, als sie behauptete, nur die proletarische Weltrevolution könnte die unterdrückten Massen der kolonialen Gebiete befreien. Die spätere Politik der von Stalin und Bucharin beherrschten Komintern führte diese Logik nur zu ihrer letzten Konsequenz. Das Bündnis zwischen der chinesischen KP und der Kuomintang von 1922 spiegelte den Versuch Rußlands wider, sich mit der chinesischen Bourgeoisie zu verbünden und so einen Schutzring gegen jene imperialistischen Mächte aufzubauen (GB insbesondere), die immer noch eine unnachgiebige Feindschaft gegenüber der SU aufrechterhielten. Das chinesische Proletariat wurde mehr und mehr als Handelsware bei den Geschäften Rußlands mit der chinesischen Bourgeoisie betrachtet. Gleichzeitig bedeutete dies, daß jeder Versuch des chinesischen Proletariats für seine eigenen Interessen einzutreten, nur als eine Bedrohung des Bündnisses mit der Kuomintang aufgefaßt werden könnte.

Unter Stalins Schirmherrschaft verfolgte die Kernintern diese Linie ohne Zögern oder Zweifel. Aber von 1923 an strömten russische Waffen und militärische Berater nach China, um dieses sowjetische Bündnis mit der Kuomintang und der chinesischen KP zu unterstützen. In der chinesischen KP war Mao Tse-tung einer der entschlossensten Verteidiger des Bündnisses mit der Kuomintang.

Die revolutionären Kämpfe von 1925- 1927

Am 30. Mai 1925 demonstrierten in Schanghai Arbeiter und Studenten aus Solidarität mit einem Streik in einer Fabrik, die sich im Besitz von Japanern befand. Von Briten angeführte Polizei schoß auf die Demonstranten und tötete 12. Die Antwort der Arbeiter ließ nicht auf

sich warten. Innerhalb weniger Wochen wurden Schanghai, Kanton und Hong Kong von einem Generalstreik gelähmt. In Schanghai wurde der Streik von der KP-geführten Allgemeinen Arbeiterunion geleitet. In Kanton und Hong Kong aber lag die Organisierung des Streiks in den Händen eines embryonären Sowjets, der Delegiertenkonferenz der Streikenden. Unterstützt von 250.000 Streikenden, die einen Delegierten pro 50 Arbeiter wählten, stellte die Konferenz 2000 Streikposten auf, kontrollierte Krankenhäuser und Schulen, übernahm die Verwaltung der Justiz und führte einen totalen Boykott aller britischen Güter ein.

Die westlichen imperialistischen Mächte reagierten mit Schrecken. Aber auch die Kuomintang, welche ein Bündnis verschiedenster Teile der nationalen Bourgeoisie war (Industrielle, Militärs, Studenten, verträumte Kleinbürger), änderte ihre Haltung. War sie vor den Streiks der Arbeiter davon ausgegangen, daß ein Bündnis der Kuomintang mit der KP Chinas für sie von Vorteil sein könnte, weil so das chinesische Proletariat vor den Karren der nationalen Revolution gespannt werden könnte, und dessen Kämpfe solange toleriert wurden, wie sie sich gegen die ausländischen Firmeninhaber richteten, entdeckten die Kuomintang nach diesen Streiks, daß sie mehr gemeinsame Interessen mit den "ausländischen Imperialisten" als mit den "eigenen Arbeitern" hätten.

Aus diesem Grunde vollzog sich eine Spaltung innerhalb der Kuomintang. Ein rechter Flügel entsprach den Interessen der Großbourgeoisie, die die Arbeiterkämpfe zu Ende bringen, die Kommunisten loswerden und zu irgendeinem Kompromiß mit den ausländischen Imperialisten kommen wollte. Der linke Flügel, hauptsächlich von Intellektuellen und den unteren Rängen der Armee angeführt, sprach sich für ein Bündnis mit der Sowjetunion und der russischen KP aus. Tschiang Kai-schek, ursprünglich Anhänger des linken Flügels, galt als ein entschlossener Vertreter einer Bündnispolitik mit der UdSSR und allen möglichen anderen Ordnungskräften. Im März 1926 machte er seinen ersten großen Zug gegen das Proletariat. In Kanton vollzog er einen militärischen Staatsstreich, der ihm fast unbegrenzte Kontrolle über den Parteiapparat der Kuomintang verschaffte. Kommunisten und andere Militanten der Arbeiterklasse wurden verhaftet, das Hauptquartier des Streikkomitees von Kanton-HongKong wurde überfallen. Der Streik, der schon monatelang gedauert hatte, zerbrach nun schnell unter den Schlägen der Repression der Kuomintang. Die Komintern reagierte auf diesen plötzlichen Richtungswechsel der Kuomintang mit Schweigen, oder eher mit einem Leugnen, daß es eine Unterdrückung gegen die Arbeiterklasse gegeben habe. Andererseits denunzierte die Stalin-Bucharin Fraktion jeden in der Komintern oder in der chinesischen KP, der diese Entwicklung des Bündnisses zwischen Kuomintang und KP kritisierte. Tschiang hatte diesen Staatsstreich als ein Vorspiel zu einer großen militärischen Expedition gegen die war-lords im Norden inszeniert. Diese nördliche Expedition war der verhängnisvolle Auftakt für die blutigen Ereignisse 1927 in Schanghai.

Tschiangs Truppen konnten spektakuläre Vorstöße gegen die nördlichen Militaristen unternehmen; hauptsächlich ist dies auf die Welle von Arbeiterstreiks und Bauernrevolten zurückzuführen, die zum Zusammenbruch der militärischen Kräfte des Nordens hinter der Front beitrugen. Das Proletariat und die armen Bauern kämpften gegen ihre schrecklichen Lebensbedingungen mit der Illusion, daß ein Sieg der Kuomintang ihre materielle Lage verbessern würde. Die Kommunistische Partei, die diese Illusionen nicht bekämpfte, sondern sie voll unterstützte, rief die Arbeiter nicht nur zum Kampf für den Sieg der Kuomintang auf, sondern begrenzte auch Arbeiterstreiks und Landbesetzungen durch die Bauern, als diese "zu weit gingen". Borodin, der Vertreter der Komintern, meinte, die Aufgabe der chinesischen Kommunisten und der chinesischen Arbeiterklasse bestünde darin, der "Kuomintang einen 'Kulidienst' zu erweisen".

Während die chinesische KP und die Komintern die "Auswüchse" des Klassenkampfes eifrig bekämpften, machte sich Tschiang an die Aufgabe der Niederschlagung des Proletariats und der Bauernkräfte, die ihm bei seinem Sieg geholfen hatten. Nachdem alle Arbeitskonflikte während des Nordfeldzuges verboten worden waren, schlug Tschiang die Arbeiterbewegung in Kanton, Kwangsi und anderen Städten seines Vorstoßes nieder. In der Provinz Kwangtung wurde die Bauernbewegung gegen die Grundbesitzer gewaltsam niedergemetzelt. Die Tragödie von Schanghai war nur der Höhepunkt dieses Prozesses.

Der Aufstand von Schanghai

Mit seinem Hafen und seiner Industrie war Schanghai das Zentrum des chinesischen Proletariats. Die erbitterten Kämpfe der Arbeiter gegen ihre Herrscher wurden von der Kuomintang und der chinesischen KP als eine Phase auf dem Weg des Sieges der "nationalen Revolution" gegen die war-lords gesehen. Als die Armee Kuomintangs sich auf die Stadt zu bewegte, rief der Allgemeine Arbeiterrat (von der KP angeführt) zu einem Generalstreik mit dem Ziel des Sturzes der herrschenden Klasse der Stadt und zur "Unterstützung der nördlichen Expeditionsarmee" auf. Tschiang Kai-schek sollte als Befreier begrüßt werden. Die Polizeibehörden übten einen furchtbaren Terror gegen die Arbeiterbevölkerung aus, deren Widerstandsgeist aber ungebrochen blieb. Am 21. März erhob sich die Arbeiterklasse erneut, dieses Mal war sie besser organisiert, 5.000 Milizen und zwischen 500.000 und 800.000 nahmen aktiv am Generalstreik und dem Aufstand teil. Polizeiwachen und Armeekasernen wurden angegriffen und erobert, Waffen an die Arbeiter ausgeteilt. Am nächster. Morgen befand sich die ganze Stadt in den Händen des Proletariats.

Eine unheilverkündende Übergangsphase setzte ein. Tschiang stand vor den Toren Schanghais, und konfrontiert mit diesem bewaffneten Arbeiteraufstand, begann er sofort Kontakt herzustellen mit den örtlichen Kapitalisten, Imperialisten und kriminellen Banden, um seine Niederschlagung vorzubereiten, genauso wie er es in allen anderen Landesteilen vorher gemacht hatte. Und während sich Tschiangs Absichten immer deutlicher abzeichneten, traten die Komintern und die chinesische KP weiterhin dafür ein, daß die Arbeiter der nationalen Armee vertrauen und Tschiang als Befreier begrüßen sollten. In der Zwischenzeit hatten zwar Tschiangs Unterdrückungsmaßnahmen eine Minderheit mißtrauisch gemacht, und sie zu der Einsicht in der Notwendigkeit eines Kampfes gegen Tschiang kamen lassen. In Rußland forderte z.B. Trotzki die Bildung von Arbeiter-, Bauern- und Soldatenräten als eine Grundlage für den bewaffneten Kampf gegen Tschiang und für die Errichtung der Diktatur. In China verteidigte eine Dissidentengruppe von Komintern-Repräsentanten -Albrecht, Nassonow u. Fokkine - eine ähnliche Position; sie warfen der chinesischen KP ihre Rückgratlosigkeit vor. Innerhalb der KP selbst rührten sich immer mehr Stimmen, die sich für einen Bruch mit der Kuomintang aussprachen. Aber die Parteiführung blieb der Linie der Komintern treu, demzufolge jeder Schritt gegen Tschiang nur der "Konterrevolution" nützen werde. Anstatt zur Gründung von Arbeiterräten aufzurufen, organisierte die chinesische KP einen" provisorischen örtlichen Stadtrat", in der sie als eine Minderheit neben der örtlichen Bourgeoisie teilnahm. Anstatt die Arbeiter vor den Absichten Tschiangs zu warnen, begrüßte die KP die Ankunft seiner Truppen in der Stadt. Anstatt den Klassenkampf zu verstärken, trat der KP-geführte General Labor Union gegen spontane Streiks auf und schnitt die Machtbefugnisse der bewaffneten Streikposten ein, die die Kontrolle in den Straßen ausübten. So vermochte Tschiang seinen Gegenangriff sorgfältig vorbereiten. Am 12. April, als er seine Söldner und kriminellen Banden loslegen ließ, waren viele Arbeiter nicht auf der Hut gewesen. Völlig \erwirrt reagierten sie auf diesen Gegenschlag. Trotz entschlossenen Widerstands der Arbeiter schaffte es Tschiang relativ schnell, die "Ordnung" nach einem Blutbad wiederherzustellen. Tausende von Arbeiter wurden auf der Straße erschossen, in Massengräbern verbrannt. Das Rückgrat der chinesischen Arbeiterklasse war gebrochen worden.

Einige Zeit nach dieser Katastrophe gaben Stalin und seine Gefolgsleute zu, daß die "Revolution einen Rückschlag erlitten" hatte. Trotzdem sei die Linie der chinesischen KP und der Komintern korrekt gewesen. Die Schanghaier Niederlage, behaupteten sie, sei "unvermeidbar" gewesen. Aber nachdem nun Tschiang und die ganze chinesische Bourgeoisie zur "Konterrevolution übergegangen waren", meinten sie es sei notwendig, daß die Arbeiter Arbeiterräte organisieren und selbst die Macht ergreifen. Diese neue Linie nahm in der "Kommune von Kanton" im Dez. 1927 Gestalt an; es handelte sich dabei um einen von der chinesischen KP organisierten Putsch in der Form eines selbsternannten "Arbeiterrates". Obgleich mehrere Tausend Arbeiter dem Aufruf der KP folgten und einen Arbeiterrat errichteten, war die Mehrheit der Klasse schon so demoralisiert durch die Verrate der KP und der Repression der Kuomintang, daß sie am Aufstand nicht teilnahmen.

Er endete in einem neuen Blutbad.

Der Tod der Kommunistischen Internationale

Stalin hatte sich sicherlich getäuscht, als er Tschiang zuviel Vertrauen geschenkte hatte und von ihm geglaubt hatte, er sei der beste Verteidiger russischer Interessen in China. Nachdem er die Arbeiterklasse in China niedergemetzelt hatte, rückte Tschiang wieder in den Einflußbereich der westlichen Imperialismen. Aber die Politik der Stalinisten war kein Fehler im Sinne von "taktischen Fehlern" in einer proletarischen Tendenz. Trotzki und die Linksopposition konnten dies nie verstehen. Der Stalinismus stellte den endgültigen Sieg der bürgerlichen Konterrevolution in Rußland und innerhalb der Komintern dar. 1928 beherrschten die Stalinisten die russische Partei vollständig, selbst die Linksopposition war ausgeschlossen worden, die Bürokratie hatte ihr Programm der beschleunigten Militarisierung und Industrialisierung als Vorbereitung des nächsten imperialistischen Weltkriegs in die Wege geleitet. Auf dem VI.Kongreß der Komintern 1928 zeichnete die formale Zustimmung zu der "Theorie des Sozialismus in einem Lande" das Todesurteil der Komintern.

Die Ereignisse des Jahres 1927 brachten auch den Tod der chinesischen KP als proletarische Organisation mit sich. Seit ihrer Gründung war sie unfähig gewesen, sich der Degenerierung der Komintern entgegenzustellen und sie hatte es zugelassen, als passives Instrument in den Dienst der Komintern gestellt zu werden. Ihre besten Elemente wurden in den Niederlagen von 1927 abgeschlachtet. Diejenigen, die das Massaker überlebten, entwickelten sich in zwei Richtungen: einige wenige wie Ch'en Tu-hsiu, einer führenden Figur vor 1927, fingen an die ganze Politik der Komintern in Frage zu stellen, verließen die Partei und schlossen sich der Linksopposition an. Aber der Rest, wie Mao Tsetung und Chou En-lai, blieben der stalinistischen Konterrevolution treu. Nachdem sie zur Niedermetzelung der Arbeiterklasse beigetragen hatten, hatten sie nun freie Bahn, um ihre neue Theorie und Praxis über die "führende Rolle" der Bauern in der "chinesischen Revolution" zu entwickeln. Die Niederlage in China im Jahre 1927 eröffnete eine neue Runde imperialistischen Abschlachtens. In all diesen Konflikten erwies sich die chinesische KP als ein treuer Diener des nationalen Kapitals, als Mobilisierungsagent der Massen für den Krieg gegen Japan in den 30er Jahren und den 2. Weltkrieg. So hatte sie gute Vorleistungen erbracht, um zum Führer des kapitalistischen Staates nach 1949 und zum Hauptkontrollorgan der Arbeiterklasse zu werden.

Die Arbeiterklasse in China, die mit diesen Kämpfen 1927 ein letztes internationales Aufbäumen der Arbeiterklasse insgesamt gezeigt hatte, wodurch die revolutionäre Welle von 1917 schließlich verebbt war, mußte den Preis für ihre eigene Unreife bezahlen. Die Arbeiterklasse in China hatte es nicht geschafft, aus der ideologischen Zwangsjacke der Kuomintang und des Nationalismus insgesamt auszubrechen und sich als eigenständige Klasse zu behaupten. Die internationale Niederschlagung der Weltrevolution ließ die Arbeiter in China in ihrer Isolierung und Verwirrung zurück, den Kräften der Konterrevolution ausgeliefert. Ihre großen spontanen Kämpfe hatten deswegen auf ein bürgerliches Terrain geführt und sie konnten schließlich niedergeschlagen werden.

Trotzki und die Lehren von 1927

Die Kritik der Linksopposition an der stalinistischen Sabotage der chinesischen Revolution, ihr Aufruf für einen unmittelbaren Kampf für die Arbeitermacht gegen die ganze chinesische Bourgeoisie (die Kuomintang eingeschlossen), war einer der letzten Augenblicke, als Trotzki und seine Anhänger eine revolutionäre Position verteidigten. Aber wie bei den meisten Positionen der Linksopposition kam alles zu spät und zu wenig; die wirklichen Lehren aus 1927 wurden von ihnen ohnehin nicht verstanden. Trotzki hatte erst 1926 angefangen, einen Bruch mit der Kuomintang zu verlangen. Er hatte sich nicht der fatalen Politik der anti-imperialistischen Einheitsfront von 1922 entgegengestellt, genauso wenig wie er dem Gegenstück im Westen, der sog. Arbeitereinheitsfront entgegengetreten war. Ebenso wenig sprach er sich gegen die Möglichkeit aus, daß die Arbeiter auch nur eine vorübergehende gemeinsame "militärische Front" mit der Kuomintang eingehen; selbst nach 1927 schloß er dies nicht aus. Diese Verwirrungen führte Trotzki und seine Anhänger später zur Verteidigung von offen konterrevolutionären Positionen im chinesisch-japanischen Krieg, als sie vertraten, der von Arbeiterblut triefende Tschiang Kai-schek sollte "kritisch" gegen die japanischen Eindringlinge unterstützt werden. So begannen die Trotzkisten ihre übliche Praxis der Unterstützung der einen oder anderen Seite in den inter-imperialistischen Kämpfen, die als sogenannte "Befreiungskriege" aufgebaut wurden.

Insbesondere stellte die Linksopposition die unantastbare Position der Unterstützung der nationalen Befreiungskämpfe, die Lenin auf dem II. Kongreß der Komintern 1920 vertreten hatte, nie in Frage. Trotz der Tatsache, daß Lenin auf der Notwendigkeit der Aufrechterhaltung der politischen Autonomie der Kommunisten in solchen Kämpfen bestanden hatte, was von der Komintern in ihrem Bündnis mit der Kuomintang total über Bord geworfen wurde, sollten die in diesen Thesen enthaltenen Verwirrungen den Weg bereiten für all die Mystifizierungen der "nationalen Revolution" und den "Stufen", die die Komintern eine kurze Zeit später vertrat. Schon 1921-23 hatte die Politik der Unterstützung der sog. "kolonialen Revolution" dazu geführt, daß lokale nationalistische Kräfte Arbeiter und Kommunisten in der Türkei und Persien niedermetzelten. Die kapitalistische Konterrevolution war ein weltweiter Prozeß gewesen, der das reaktionäre Wesen aller Fraktionen der kolonialen Bourgeoisie ans Tageslicht gebracht hatte.

In der dekadenten Phase des Kapitalismus kann es zu keinem Zeitpunkt eine Übereinstimmung der Interessen zwischen Bourgeoisie und Proletariat geben. Jeder Aufruf zur Bildung einer "vereinigten antiimperialistischen Front", "militärischer Blöcke" oder "antifaschistischer Fronten" mit einem sog. progressiven Teil der Bourgeoisie führt nur zur Entwaffnung und zum Abschlachten der Arbeiter. Nach dem Massaker von 1927 kann es daran keinen Zweifel geben. Die Arbeiterklasse kann sich nur durch ihre autonomen Organe und durch den entschlossenen Klassenkampf gegen alle kapitalistischen Fraktionen zur Wehr setzen. In einer Zeit, in der alle Nationalstaaten und alle nationalen Bourgeoisien nur eine Fessel für die Entwicklung der Produktivkräfte sind, hat die Arbeiterklasse keine nationalen Aufgaben zu verwirklichen. Ihre Zukunft liegt einzig und allein in der Errichtung des Kommunismus auf Weltebene.

(aus World Revolution, Zeitung der IKS in GB) CDW.

(Erstveröffentlichung in Weltrevolution Nr. 26, 1987)

Geographisch: 

  • China [2]

DAS REVOLUTIONÄRE WESEN DER ARBEITERKLASSE

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Wenn die Arbeiterklasse ihre Kraft offen zeigt, die Produktionsmaschinerie zu lähmen droht, den Staat zurückdrängt, ein Aufwallen des Lebens in der gesamten Gesellschaft entfesselt, wie es z.B. während des Massenstreiks in Polen im Sommer 1980 der Fall war, dann scheint die Frage, ob die Arbeiterklasse die revolutionäre Kraft unserer Zeit ist, als lächerlich. In Polen, wie in allen sozialen Bewegungen, die den Kapitalismus erschüttert haben, war das Herz der sozialen Bewegung nichts anderes als das Herz der Arbeiterklasse selber: die Schiffswerften der Ostsee, die Stahlbetriebe in Nowa Huta, die Bergwerke Schlesiens. Als die polnischen Bauern in den Kampf traten, die Studenten oder die Künstler den Staat bekämpfen wollten, war ihre erste Handlung,"sich an die Arbeiter zu wenden".

Wenn die Arbeiter die Kräfte, die sie atomisieren, zerschlagen, wenn sie sich gegen die herrschende Kraft vereinigen und ihr gesamtes Herrschaftsgebäude erschüttern, so daß diese zurückweichen muß, ist es einfach, gar unleugbar, zu verstehen, wie und weshalb die Arbeiterklasse die einzige Kraft ist, die in der Lage ist, eine revolutionäre Umwälzung in der Gesellschaft zu begreifen und durchzuführen.

Aber sobald der offene Kampf ruht, sobald das Kapital die Oberhand wiedergewinnt und seine Kontrolle über die Gesellschaft wieder verstärkt, dann scheint das zu verblassen, was eine Zeitlang so klar war, und das dekadente Kapital zwingt seinen Knechten seine eigene Auffassung der Welt auf: die einer unterworfenen, atomisierten Arbeiterklasse, die jeden Morgen schweigend zur Arbeit trottet und unfähig ist, die Fesseln des Kapitalismus selber zu zerbrechen.

Wenn die Arbeiterklasse ihre Kraft offen zeigt, die Produktionsmaschinerie zu lähmen droht, den Staat zurückdrängt, ein Aufwallen des Lebens in der gesamten Gesellschaft entfesselt, wie es z.B. während des Massenstreiks in Polen im Sommer 1980 der Fall war, dann scheint die Frage, ob die Arbeiterklasse die revolutionäre Kraft unserer Zeit ist, als lächerlich. In Polen, wie in allen sozialen Bewegungen, die den Kapitalismus erschüttert haben, war das Herz der sozialen Bewegung nichts anderes als das Herz der Arbeiterklasse selber: die Schiffswerften der Ostsee, die Stahlbetriebe in Nowa Huta, die Bergwerke Schlesiens. Als die polnischen Bauern in den Kampf traten, die Studenten oder die Künstler den Staat bekämpfen wollten, war ihre erste Handlung,"sich an die Arbeiter zu wenden".

Wenn die Arbeiter die Kräfte, die sie atomisieren, zerschlagen, wenn sie sich gegen die herrschende Kraft vereinigen und ihr gesamtes Herrschaftsgebäude erschüttern, so daß diese zurückweichen muß, ist es einfach, gar unleugbar, zu verstehen, wie und weshalb die Arbeiterklasse die einzige Kraft ist, die in der Lage ist, eine revolutionäre Umwälzung in der Gesellschaft zu begreifen und durchzuführen.

Aber sobald der offene Kampf ruht, sobald das Kapital die Oberhand wiedergewinnt und seine Kontrolle über die Gesellschaft wieder verstärkt, dann scheint das zu verblassen, was eine Zeitlang so klar war, und das dekadente Kapital zwingt seinen Knechten seine eigene Auffassung der Welt auf: die einer unterworfenen, atomisierten Arbeiterklasse, die jeden Morgen schweigend zur Arbeit trottet und unfähig ist, die Fesseln des Kapitalismus selber zu zerbrechen.

Es fehlt dann nicht an "Theoretikern", die es jedem, der es hören will, gerne lang und breit erklären, daß die Arbeiterklasse als solche integriertes Bestandteil des Systems ist, daß sie innerhalb des Systems einen Platz zu verteidigen hat,und daß nur blinde Fanatiker diese Masse von geldgierigen und geldbewußten Individuen als den Träger einer neuen Gesellschaft ansehen können.

Die ständigen Verteidiger der Wohltaten des kapitalistischen Systems - ob in seiner "westlichen" oder "stalinistischen" Form - legen immer das gleiche Glaubensbekenntnis ab. Aber in den Rückflußphasen des Klassenkampfes tauchen auch regelmäßig Gruppen oder Publikationen wieder auf, die die "Zweifel" an der historischen Natur der Arbeiterklasse theoretisieren; das geschieht selbst bei denjenigen, die sich auf die kommunistische Revolution berufen, und die außerdem keine Illusionen über die Natur der sogenannten "sozialistischen" Länder oder der westlichen sog. "Arbeiterparteien" haben.

Die alten Ideen anarchistischen oder populistischen Ursprungs, denen zufolge die Revolution hauptsächlich das Werk nicht einer spezifischen ökonomischen Klasse, sondern der gesamten Menschen sein wird, die auf irgendeine Weise die Unmenschlichkeit des Systems ertragen, gewinnen wieder an Einfluß.

So wie zur Zeit des Rückflusses der Arbeiterkämpfe nach der Kampfwelle von 1968-74 scheint die "modernistische" Ideologie, die Ideologie der "modernen Theorie der Revolution", die die "alte Arbeiterbewegung"und "ihren verstaubten Marxismus" verwirft,zur Zeit mit dem Rückfluß der Arbeiterkämpfe nach Polen einen Aufschwung zu erfahren. Das Erscheinen der Revue "I,a Banquise"(1) und der Übergang zum vierteljährlichen Erscheinen der Revue "La Guerre Sociale" (2) in Frankreich, sowie das Wiedererscheinen von "Solidarity" (3) in GB sind Beispiele dieser Entwicklung (4).

Diese Publikationen sind relativ unterschiedlich voneinander. "La Guerre Sociale" und "La Banquise" verfolgen eine direktere theoretische Linie, die durch "Invariance"und"Le Mouvement Communiste" geht.(5) Aber alle teilen die gleiche Ablehnung dieser Grundidee des "alten Marxismus": die Arbeiterklasse ist die einzig wirklich revolutionäre Klasse der Gesellschaft; die Zerstörung des Kapitalismus und der Aufbau einer kommunistischen Gesellschaft erfordern eine Übergangsperiode, die durch die politische Diktatur des Proletariats gekennzeichnet ist.

Wir wollen hier keine vollständige Kritik der gesamten, von dieser Art Strömung vertretenen Ideen entwickeln. Im übrigen ist die Polemik mit diesen Tendenzen oft steril und langweilig, da es sich erstens um informelle Gruppen handelt (die darauf stolz sind), die verschiedene "unabhängige" Individuen gruppieren, so daß man von einem Artikel zum anderen in der gleichen Publikation unterschiedliche, sich widersprechende Konzepte und Ideen findet, und zweitens vertreten die Anhänger des Modernismus ständig Zweideutigkeiten und "Ja, aber", "Nein, aber" vor allem gegenüber dem Marxismus, auf dessen Wortschatz sie sich oft und mit Leichtfertigkeit stützen (Marx wird bei jeder Gelegenheit zitiert), dabei aber das Wesentliche des Marxismus verwerfen. Deshalb können sie immer auf die Kritiken mit dem klassischen Satz antworten "so haben wir das nicht gesagt, Ihr entstellt unsere Ideen".

Unser Ziel ist es, in einem Zeitraum des vorübergehenden Zurückweichens der Klassenkämpfe und des sich beschleunigenden Heranreifens der sozialen Voraussetzungen für die kommunistische Revolution, die zentrale Rolle der Arbeiterklasse erneut zu bestätigen, zu erklären, warum sie die revolutionäre Klasse ist, und warum die Verwerfung dieser Tatsache heutzutage einerseits zu einem Unverständnis des Laufs der Geschichte, wie sie sich vor unseren Augen abspielt, führt (siehe z.B. den Pessimismus von "La Banquise"), und andererseits dazu verleitet, in die gröbsten Fallen der bürgerlichen Ideologie zu rennen (siehe die Zweideutigkeiten von "La Guerre Sociale" und von "Solidarity" über die Gewerkschaft "Solidarnosc" in Polen). Dies ist umso notwendiger, als manche modernistische Gruppen - so wie die "radikalen" Studenten von 1968 - oft eine klare und vertiefte Analyse bestimmter Aspekte des dekadenten Kapitalismus liefern, wodurch die Glaubwürdigkeit ihrer politisch unsinnigen Aussagen nur noch zunimmt.

WAS IST DAS PROLETARIAT ?

Bei Marx, wie bei allen Marxisten, waren die Begriffe Arbeiterklasse und Proletariat seit jeher gleichbedeutend. Dennoch kommt es oft vor, daß von denjenigen, die die revolutionäre Natur der Arbeiterklasse als solcher in Frage stellen, ohne sich dabei direkt auf den Anarchismus oder den radikalen Populismus des Ende des letzten Jahrhunderts berufen zu wollen, ein Unterschied zwischen beiden Begriffen erfunden wird. Die Arbeiterklasse, das wären demnach die Arbeiter und Angestellten, die alltäglich unter dem Joch des Kapitals für bessere Löhne und Arbeitsplätze kämpfen. Das Proletariat wäre eine mehr oder weniger definierte Kraft, die alles, was sich irgendwann gegen die Autorität des Staates auflehnt, zusammenschließt. Das geht vom Stahlarbeiter über die geschlagenen, reichen oder armen Frauen, die Homosexuellen oder Studenten bis hin zum professionellen Dieb, je nach dem "modernistischen Denker"(siehe wie fasziniert die "Situationi'siische Internationale" oder "Mouvement Communiste" von den "Gesetzlosen" waren, siehe die Zeitung "Die Rowdys" in den 70er Jahren, siehe die Begeisterung von "Solidarity" für den Feminismus).

In der Zeitschrift "Invariance"(Camatte) wurde 1974 die Definition des Proletariats letztendlich bis zu ihrem Extrem geführt: es umfaßt die gesamte Menschheit. Aus dem Verständnis heraus, daß die Herrschaft des Kapitalismus über die Gesellschaft immer totalitärer und unpersönlicher geworden ist, schloß man, daß sich die "menschliche Gemeinschaft" gegen das Kapital erheben müßte. Dies bedeutete die Verwerfung des Klassenkampfes als Dynamik der Revolution. Heute bietet uns "La Guerre Sociale" eine andere, etwas einschränkende, aber kaum präzisere Definition an: "Der Arbeiter ist nicht der Arbeiter oder gar der Arbeiter oder Angestellte, der auf der untersten Stufe arbeitet. Der Proletarier ist nicht der Produzent, auch wenn der Produzent Proletarier sein kann. Der Proletarier, das ist der "Abgeschnittene", "Ausgeschlossene", der "ohne Rückhalt" ist". ("La Guerre Sociale", Nr. 6, "Offener Brief an die Genossen der weiterbestehenden Internationalen Kommunistischen Partei", Dez. 82). Tatsächlich ist der Proletarier ausgeschlossen, von jeglichem wirklichen Einfluß auf die Führung des sozialen Lebens und somit seines eigenen abgeschnitten. Tatsächlich - und im Gegensatz zu bestimmten vorkapitalistischen ausgebeuteten Klassen - besitzt er nicht seine Produktionsmittel und lebt ohne Reserven. Aber der Proletarier ist nicht j nur das. Er ist nicht nur ein Armer wie andere. Er ist auch Produzent, der Produzent des Mehrwerts, der in Kapital verwandelt wird. Er wird kollektiv ausgebeutet beutet und sein Widerstand gegen das Kapital ist unmittelbar kcllektiv. Das sind wesentliche Unterschiede.

Die Definition des Proletariats auszuweiten, führt nicht zu einer Vergrößerung der revolutionären Klasse, sondern zu ihrer Auflösung im Nebel des Humanismus.

Nach "Invariance" glaubt "La Banquise" sich auf • Marx beziehen zu können, um den Begriff "Proletariat" ausdehnen zu können.

"Das Produkt verwandelt sich überhaupt aus dem unmittelbaren Prozeß des individuellen Produzenten in ein gesellschaftliches, in das gemeinsame Produkt eines Gesamtarbeiters,d.h. eines kombinierten Arbeitspersonals, dessen Glieder der Handhabung des Arbeitsgegenstandes näher oder ferner stehn. Mit dem kooperativen Charakter des Arbeitsprozesses selbst erweitert sich daher notwendig der Begriff der produktiven Arbeit und ihres Trägers, des produktiven Arbeiters. Um produktiv zu arbeiten, ist es nun nicht mehr nötig, selbst Hand anzulegen; es genügt, Organ des Gesamtarbeiters zu sein, irgendeine seiner Unterfunktionen zu vollziehn"(Marx, Das Kapital, Band 1, MEW 23, S.531, S.Abschnitt,l4.Kap.).

Marx entwickelte hier nicht die Idee, daß irgendjemand und jeder auf der Welt Produzent oder Proletarier geworden sei. Er betonte vielmehr, daß im entwikkelten Kapitalismus die spezifische Qualität einer von diesem oder jenem Arbeiter geleisteten Arbeit kein Maßstab dafür sei, um zu bestimmen, ob er produktiv ist oder nicht. Mit der Veränderung des Produktionsprozesses nach seinen Bedürfnissen beutet das Kapital die ge;amte von ihm gekaufte Arbeitskraft wie die eines

ein-zigen produzierenden Arbeiters aus. Die konkrete Verwendung jedes einzelnen Arbeiters - ob Bäckergehilfe pder Büroangestellter, Rüstungsarbeiter oder Straßenreger - ist zweitrangig für die Bedeutung der Frage, wer vom Kapital ausgebeutet wird. Die kollektive Gekamtheit wird ausgebeutet. Das Proletariat schließt heute als Arbeiterklasse die meisten Angestellten des sogenannten "tertiären" Sektors ein.

Trotz ihrer gewaltigen Entwicklung hat die Herrschaft des Kapitals nicht die gesamte Gesellschaft proletarisiert. Das Kapital hat riesige Massen von beschäftigungslosen Randgruppen vor allem in der 3. Welt hervorgebracht. Es hat die vorkapitalistischen Bereiche wie die individuellen Kleinbauern, die Kleinhändler, die Handwerker , die Freiberuflichen überleben lassen.

Das Kapital beherrscht alle Bereiche der Gesellschaft.Und alle diejenigen, die unter seiner Herrschaft der Misere leben, haben Grund genug, sich gegen diese Herrschaft zu erheben. Aber nur der Teil, der durch die Lohnarbeit und die Produktion des Mehrwerts mit dem Kapital direkt verbunden ist, steht wirklich im Gegensatz zum Kapital, nur dieser Teil bildet das Proletariat, die Arbeiterklasse.

WARUM IST DAS PROLETARIAT DIE REVOLUTIONÄRE KLASSE ?

Vor Marx blieb die Dynamik der Geschichte der Gesellschaft ein Geheimnis. Man bezog sich auf religiöse Begriffe wie die "Vorsehung", auf das Genie militärischer Führer oder erklärte die Geschichte durch große Persönlichkeiten, und versuchte so ein kohärentes Bild darzustellen. Durch die Verdeutlichung der zentralen Rolle des Klassenkampfes in dieser Dynamik ermöglichte der Marxismus zum ersten Mal ein Verständnis dieser Dynamik. Dadurch wurde aber nicht ein Mittel zur Interpretierung der Welt geschaffen, sondern eine Auffassung zur Veränderung der Welt. Marx betrachtete als seine größte Entdeckung nicht die Existenz des Klassenkampfes an sich - was im übrigen von den bürgerlichen Theoretikern schon aufgezeigt worden warsondern die Tatsache, daß dieser Klassenkampf zur Diktatur des Proletariats führt.

Der unversöhnliche Widerspruch zwischen Arbeiterklasse und Kapital muß Marx zufolge zu einem revolutionären Kampf für die Zerstörung der kapitalistischen sozialer Verhältnisse und die Einführung einer kommunistischer Gesellschaft führen. Der Hauptträger dieser Revolutior wird die Arbeiterklasse sein; sie wird sich als autonome Klasse gegenüber dem Rest der Gesellschaft organisieren und eine politische Diktatur ausüben müssen, damit die Grundlagen der alten Gesellschaft vollständig zerstört werden. Diese Analyse wird von den Modernisten verworfen:

"Um ihre Existenzbedingungen wirklich zu verändern, dürfen sich die Proletarier nicht als "Arbeiterklasse erheben; das gerade ist aber schwierig, da sie ausge-+ rechnet von ihren Lebensbedingungen ausgehend kämpfen Der Widerspruch wird erst in der Theorie völlig geklärt werden, wenn er in der Praxis überwunden sein wird" ("La Banquise" Nr. 1) "Das Proletariat hat nich als gesellschaftliche Kraft aufzutreten, bevor es die Welt verändert" (ebenda, Nr. 2).

"Aber schon jetzt verschließt man sich in dieser Un terdrückung, wenn man sich nicht als Proletarier ode als Mensch dagegen wehrt, und nicht auf der Grundlage einer zu verteidigenden oder zu erhaltenden Spezifizi tät, die ohnehin mehr und mehr illusorisch wird. Das Schlimmste ist, wenn man aus dieser Spezifizität ableitet, daß das Proletariat die Fähigkeit zur Revo te habe" ("La Guerre Sociale", Nr. 5, S.32).

Die Modernisten wissen nicht, was das Proletariat ist weil sie nicht verstehen, warum es revolutionär ist. Warum sollte sich das Proletariat getrennt als Klasse organisieren, wenn es für die Abschaffung der Klasse kämpfen muß? Für die Modernisten ist die Arbeiterkla se als Klasse nicht revolutionärer als irgendjemand anders: als Klasse bleibt ihr Kampf im Rahmen der Lohnerhöhungsstreitigkeiten und der Verteidigung der Sklavenarbeit begrenzt. Statt sich als politische Klasse zu bilden, sollte sich also das Proletariat als Klasse verneinen und sich als "...Menschen" behaupten. Das Schlimmste, sagt "La Guerre Sociale" sei, aus einer Besonderheit - z.B. Arbeiter zu seineinen "Ansatzpunkt oder ein Terrain für die Fähigkeit zur Revolte" zu machen.

Für die Modernisten scheint die Geschichte immer mit ihnen selbst zu beginnen. Die Pariser Kommune, der Massenstreik in Rußland 1905, die Oktoberrevolution von 1917, die revolutionäre Bewegung in Deutschland von 1919, all das habe nichts aufgezeigt, nichts gelehrt. "Der Widerspruch kann erst in der Theorie völlig geklärt werden, wenn er in der Praxis überwunden sein wird", sagt "La Banquise". Wer hat aber die revolutionären Kämpfe seit mehr als einem Jahrhundert gegen das Kapital geführt, wenn nicht die Arbeiterklasse, die für die Verteidigung ihrer spezifischen Bedürfnisse kämpfte.

Warum war das immer so?

"Weil die Abstraktion von alter Menschlichkeit, selbst von dem Schein der Menschlichkeit im ausgebildeten Proletariat praktisch vollendet ist, weil in den Lebensbedingungen des Proletariats alte Lebensbedingungen der heutigen Gesellschaft in ihrer unmenschlichsten Spitze zusammengefaßt sind, weit der Mensch in ihm sich selbst verloren, aber zugleich nicht nur das theoretische Bewußtsein dieses Verlustes gewonnen hat, sondern unmittelbar durch die nicht mehr abzuweisende, nicht mehr zu beschönigende, absolut gebieterische Not - dem praktischen Ausdruck der Notwendigkeit - zur Empörung gegen diese Unmenschlichkeit gezwungen ist, darum kann und muß das Proletariat sich selbst befreien. Es kann sich aber nicht selbst befreien, ohne seine eigenen Lebensbedingungen aufzuheben. Es kann seine eigenen Lebensbedingungen nicht aufheben, ohne alte unmenschlichen Lebensbedingungen der heutigen Gesellschaft, die sich in seiner Situation zusammenfassen, aufzuheben" (Marx, "Die heilige Familie", -Der dialektische Gegensatz von Proletariat und Reichtum-).

Dies ist die Besonderheit der Arbeiterklasse: ihre unmittelbaren und historischen Interessen treffen mit denen der ganzen Menschheit zusammen, was bei keiner anderen Schicht der Gesellschaft zutrifft. Sie kann sich von der kapitalistischen Lohnarbeit als der vollendetsten Form der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen nur befreien, indem sie jegliche Form der Ausbeutung abschafft. Daraus folgt keineswegs, daß alle Teile der Menschheit die materielle Kraft und das notwendige Bewußtsein besitzen, um eine kommunistische Revolution in Angriff zu nehmen.

Die Arbeiterklasse stützt ihre Kraft vor allem auf ihrer zentralen Stellung im Produktionsprozeß. Das Kapital besteht nicht aus Maschinen und Rohstoffen, es ist ein gesellschaftliches Verhältnis. Wenn die Arbeiterklasse durch ihren Kampf gegen dieses Verhältnis antritt, ist das Kapital sofort gelähmt. Es gibt kein Kapital ohne Mehrwert, kein Mehrwert ohne die Arbeit der Proletarier. Darin besteht die Kraft der Massenstreikbewegungen. Dies erklärt auch zum Teil, warum die Arbeiterklasse materiell die Zerstörung des Kapitalismus in Angriff nehmen kann. Aber das reicht nicht aus zu erklären, warum sie die Grundlage einer kommunistischen Gesellschaft schaffen kann.

Die Sklaven von Spartakus in der Antike, oder die Leibeigenen im Feudalismus besaßen auch eine zentrale, bestimmende Stellung im Produktionsprozeß. Dennoch konnten ihre Revolten zu keiner kommunistischen Perspektive führen.

"Die Spaltung der Gesellschaft in eine ausbeutende und eine ausgebeutete, eine herrschende und eine unter" (F. Engels, in "Antti-Dühring", Dritter Abschnitt, Sozialismus, II. Theoretisches).

drückte Klasse war die notwendige Folge der frühern geringen Entwicklung der Produktion. Solange die gesellschaftliche Gesamtarbeit nur einen Ertrag liefert, der das zur notdürftigen Existenz aller Erforderliche nur um wenig übersteigt, solange also die Arbeit alle oder fast alle Zeit der großen Mehrzahl der Gesellschaftsmitglieder in Anspruch nimmt, solange teilt sich die Gesellschaft notwendig in Klassen

Das Proletariat ist Träger des Kommunismus, weil die kapitalistische Gesellschaft die materiellen Mittel zu seiner Verwirklichung geschaffen hat. Indem er die materiellen Reichtümer der Gesellschaft soweit entwickelt hat, so daß ein ausreichender Überfluß möglich geworden ist, um die ökonomischen Gesetze abzuschaffen - d.h. die Verwaltungsgesetze des Mangels - hat der Kapitalismus eine revolutionäre Perspektive für die Klasse eröffnet, die er ausbeutet.

Letztendlich ist das Proletariat Träger der kommunistischen Revolution, weil es der Träger des kommunistischen Bewußtseins ist. Wenn man die halbreligiösen, vorkapitalistischen Auffassungen einer ausbeutungslosen Gesellschaft beiseite läßt, stellt man fest, daß sich das Projekt einer kommunistischen Gesellschaft ohne Privateigentum, ohne Klassen, in der die Produktion ausschließlich auf die menschlichen Bedürfnisse orientiert ist, mit der Existenz der Arbeiterklasse und ihren Kämpfen entstand und sich entwickelte. Die sozialistischen Ideen von Babeuf, SaintSimon, Owen, Fourier drückten die Entwicklung der Arbeiterklasse am Ende des 18. und am Anfang des 19. Jahrhunderts aus. Die Entstehung des Marxismus, der ersten kohärenten und wissenschaftlich begründeten Theorie des Kommunismus, entspricht dem Erscheinen der Arbeiterklasse als politisch spezifische Kraft (Chartismus in England, Revolutionen von 1848). Seitdem haben alle wichtigen Käm' Dfe der Arbeiterklasse auf die eine oder andere Weise mit mehr oder weniger Klarheit die kommunistischen Ideen aufgegriffen.

Die kommunistischen Ideen, die revolutionäre Theorie, haben sich nur durch und im Hinblick auf das Verständnis der Arbeiterkämpfe entwickelt. Alle großen Schritte der Theorie der kommunistischen Revolution nach vorn waren das Produkt logischer Schlußfolgerungen nicht von einigen isolierten Denkern, sondern von militanten und engagierten Analysen der großen Schritte der wirklichen Bewegung der Arbeiterklasse.

Aus diesem Grund konnte auch nur die Arbeiterklasse die Zerstörung der kapitalistischen Macht in einem kommunistischen Sinn in der Praxis (Pariser Kommune, Oktober 1917) in Angriff nehmen.

Die Geschichte der kommunistischen Bewegung ist nichts anderes als die Geschichte der Arbeiterbewegung.

Bedeutet das, daß das Proletariat die Revolution allein machen und dabei den Rest der Gesellschaft ignorieren kann ? Seit dem 19. Jahrhundert weiß das Proletariat, daß der Kommunismus die "Vereinigung der menschlichen Gattung" sein muß. Die Erfahrung der Russischen Revolution hat ihm die Wichtigkeit der Unterstützung aller ausgebeuteten Schichten für seinen Kampf klar aufgezeigt. Aber die Erfahrung hat auch verdeutlicht, daß nur das Proletariat in der Lage ist, ein kohärentes revolutionäres Programm anzubieten. Die Vereinigung der Menschheit, und im ersten Moment aller Ausgebeuteten, kann nur auf der Grundlage der Aktivität und des Programms der Arbeiter-klasse geschehen. Das Proletariat spaltet nicht die Gesellschaft, indem es sich getrennt organisiert, sondern es gibt sich die Mittel, die kommunistische Vereinigung durchzuführen.

Deshalb beginnt im Gegensatz zu den Behauptungen der Modernisten der Weg zur kommunistischen Revolution mit der einheitlichen Organisierung der Arbeiterklasse als Kraft mit der Diktatur des Proletariats.

Der Modernismus und seine Irrwege

DIE HISTORISCHE PERIODE

Wenn man außer Acht läßt, daß die Arbeiterklasse die revolutionäre Kraft ist, ist es sehr schwer,die jetzige historische Periode zu verstehen, genauso schwer ist es, das Ende des Feudalismus zu verstehen, wenn man die Entwicklung der revolutionären Bourgeoisie nicht berücksichtigt.

Es ist schwer zu erkennen, ob die Bedingungen für einen revolutionären Umsturz heranreifen, wenn man den Träger dieser Revolution nicht identifizieren kann.

Wer die Geschichte der Arbeiterbewegung kennt und ihre revolutionäre Natur begreift, weiß, daß der Prozeß, der das Proletariat zur kommunistischen Revoluiton führt, weder geradlining noch automatisch ist. Er ist eine dialektische Dynamik mit Rückschritten und Vorstößen, in denen eine lange Praxis und Erfahrung des Kampfes es Millionen von Arbeitern ermöglicht sich zu vereinigen, die Lehren aus vorangegangenen Kämpfen zu ziehen, die Fesseln der herrschenden Ideologie zu zerschlagen, um einen neuen Angriff gegen die herrschende Ordnung unter dem Druck der Misere zu starten. Wenn man aber in den Arbeiterkämpfen der Klasse als solcher nur aussichtslose Kämpfe sieht, und diese nicht in ihrer Dynamik und ihrem revolutionären Potential beqreift, kann man nur "enttäuscht" sein.

Wenn man die Kämpfe wie die in Polen 1980 als Kämpfe "innerhalb" des Kapitals betrachtet, kann man 15 Jahre nach dem Mai 1968 nur deprimiert sein; es ist auch normal, daß man trotz des momentanen Rückflusses der Arbeiterkämpfe seit 1980 die Bedeutung der Streiks, welche hier und da in den Industriezentren (Belgien 82, Italien 83) stattfanden, unterschätzt, ebensowenig kann man dann auch nicht die Bedeutung der Tatsache erkennen, daß die Arbeiter sich nicht für die Interessen des nationalen Kapitals und für ihre Gewerkschaftsführer mobilisieren lassen, sondern eher zu gewalttätigen Zusammenstößen mit den Gewerkschaften neigen.

So beginnt z.B. die erste Nummer von "La Banquise" mit diesem Satz, der von der Nostalgie und den Barrikaden des Mai '68 in Paris geprägt ist und einen depressiven Ton aufweist:

"Unter dem Pflasterstein Ziegt der Strand', sagten wir von der großen Eiszeit. Heute hat das Packeis all das bedeckt. Zehn, zwanzig, hundert Meter Eis über dem Pflasterstein, dann der Strand..."

Diese Niedergeschlagenheit ist so senil wie die Begeisterung der radikalen Studenten von 1968 kindisch war, die "Alles sofort" wollten.

OHNMACHT UND KONFUSION DES MODERNISMUS GEGENÜBER DEM KLASSENKAMPF

Es ist kein Zufall, daß modernistische Publikationen wie "Solidarity" oder "La Guerre Sociale" zur Zeit der Arbeiterkämpfe in Polen ihr Erscheinen einstellten. Ebenso wie die Kleinbourgeoisie, die in der modernistischen Strömung einen "radikalen" Ausdruck findet, lebt diese Strömung in der Zweideutigkeit und der Unschlüssigkeit, zwischen der Ablehnung der bürgerlichen Ideologie und der Verachtung für die allzu "materiellen" Kämpfe der Arbeiter. Wenn sich die Kraft der Revolution wie in Polen behauptet, neigt die Geschichte dazu, sich der Zweideutigkeiten und somit der darin versinkenden Ideologien zu entledigen. Das gleiche geschah mit dem Modernismus während des Jahres 1980.

Aber leider hört die politische Verwirrung dieser Strömung nicht mit ihrer Ohnmacht auf. Sie kann sogar zu überaus platten linkskapitalistischen Positionen führen, wenn es darum geht, zu einem Kampf der Ärbeiterk1asse Stellung zu beziehen.

So z.B. "La Guerre Sociale", die neben den Trotzkisten und anderen Demokraten heute behauptet, die Gewerkschaft "Solidarnosc" - welche die Niederlage der Arbeiter in Polen organisierte - sei ein proletarisches Organ: "Ohne Zweifel ist "Solidarnosc" ein Organ des Proletariats. Die Tatsache, daß Elemente aus anderen geseZZschaftZichen Schichten als der ArbeiterkZasse (Intellektuelle und andere) an ihrer Führungsspitze Platz genommen haben, ändert nichts an der Tatsache, daß sich das Proletariat von vornerein damit identifiziert hat. Wie sollte man sonst erklären, daß beinahe das gesamte polnische Proletariat ihr beigetreten ist? Wie sollte man den Einfluß der Gewerkschaft auf das Proletariat erklären? ("La Guerre Sociale", Nr. 6).

Diese Art bornierter Beweisführung ist typisch für die extremen Linken und die Ausrichtung der degenerierenden 3. Internationalen. Dieser Logik zufolge sollte die polnische Kirche, die mehr Anhänger unter den Arbeitern als Solidarnosc hat, "ohne Zweifel ein Organ des Proletariats" sein und der Papst... Lenin!

"La Guerre Sociale" spricht auch in allgemeinen Begriffen von dem Wesen der Gewerkschaften, serviert uns aber dabei den alten Kaffee der Gruppe "Pouvoir Ouvrier" (Gruppe in Frankreich Ende der 60er Jahre, stammte auch von "Socialisme ou Barbarie") hinsichtlich der "Doppelnatur der Gewerkschaften":

"Der Hauptunterschied zwischen "Solidarnosc" und dem polnischen Pr,)Zetariat ist, daß die erste die nationaZen und internationalen ökonomischen Interessen berücksichtigte, während das zweite die Verteidigung seiner unmittelbaren Interessen verfolgte, ohne sich im geringsten um die Probleme der Kapitalverwertung zu kümmern" (ebenda).

Im dekadenten Kapitalismus gibt es keine Zusammenarbeit zwischen Kapitalisten und Arbeitern zugunsten der Arbeiter. Die Auffassung einer Identität zwischen Gewerkschaften und Arbeiterklasse ist heute nichts anderes als Propaganda der herrschenden Klassen (die im übrigen auf Weltebene zusammenarbeiten, um eine glaubwürdige Gewerkschaft "Solidarnosc" aufzubauen). Die Auffassung beinhaltet, daß es eine Gemeinsamkeit zwischen den Interessen des Kapitals und denen des Proletariats geben könnte; diese Auffassung ignoriert die revolutionäre Natur der Arbeiterklasse. So kann "La Guerre' Sociale" folgende naive Feststellung machen: "Die Gewerkschaft ist kein Organ des Kapitals, keine Kriegsmaschine gegen das Proletariat, sondern der organisationelle Ausdruck dessen Verhältnis zum Kapital: Gegensatz und Kooperation. Dies bringt zum Ausdruck, daß das Kapital ohne das Proletariat nichts ist und gleichfalls umgekehrt" (ebenda).

Nur wenn man die revolutionäre Natur des Proletariats ignoriert und die Arbeiterklasse hauptsächlich als einen Teil des Kapitals betrachtet und nicht als seinen Zerstörer, kann man irgendeine Gleichheit zwischen den nationalen und internationalen ökonomischen Interessen des "Kapitals" und den "unmittelbaren Interessen" des Proletariats sehen.

Die Verwirrung, die aus der fehlenden Erkenntnis des Wesens der Arbeiterklasse entsteht, führt somit zu gleichen Auffassung wie die der Linken, die der radikale Modernismus so sehr kritisiert.

Das Proletariat ist die erste revolutionäre Klasse der Geschichte, die gleichzeitig eine ausgebeutete Klasse ist. Der Kampfprozeß, durch den das Proletariat zur kommunistischen Revolution übergeht, weist unvermeidlich Perioden der Rückflüsse und Rückzüge auf. Diese Rückflüsse werden nicht nur durch die Abnahme der Anzahl von Arbeiterkämpfen gekennzeichnet. Auch auf der Ebene des Bewußtseins erlebt das Proletariat eine Verwirrung, die sich in der Abschwächung ihrer politischen revolutionären Ausdrücke aufzeigt, und die ebenfalls das Wiederentstehen von politischen Strömungen ermöglicht, die "Zweifel an der Arbeiterklasse" hegen.

Der Bruch, den die Kämpfe von 1968 mit einem halben Jahrhundert siegreicher Konterrevolution vollzogen, hat einen Kurs zur Entwicklung immer entscheidenderer Klassenzusammenstössen eröffnet. Dieser Kurs wurde durch den Rückfluß nach Polen ebensowenig umgekehrt wie durch den Rückfluß von 1975-78. Die historischen Bedingungen dieses Riickflusses werden mit der Vertiefung der ökonomischen Krise zunehmend schwächer wirksam, da die Realität langsam aber sicher die Fundamente der dekadenten, bürgerlichen Ideologie zerstört (Wesen der Ostblockländer, Wohlfahrtsstaat, parlamentarische Demokratie, Gewerkschaften, Kämpfe für nationale Befreiung usw.).

Alle Bedingungen-reifen heran, damit das Proletariat mit all seiner Kraft durch seinen Kampf die Zukunft der Menschheit erneut aufzeigt und alle Zweifel hinsichtlich seiner revolutionären Natur hinwegfegt. R.V.

(1) "La Banquise", B.P. 214, 75623 Paris, Cede 13, F.

(2)'"La Guerre Sociale", B.P.88,75623 Paris,Cedex 13 ' Erschien von 1977 bis 1979 jährlich, verschwand dann 1980, dem Jahr der großen Kämpfe in Polen... tauchte dann im Mai '81 wieder auf und erscheint seit Juni '82 vierteljährlich. Die Gruppe Solidarity stammt aus den 60er Jahren., Während der 70er Jahre veröffentlichten sie relativ regelmäßig eine Revue mit dem cJleichen Namen. Aber im Herbst 1980 verschwand die Revue, weil die Gruppe unfähig aar, eine kohärente Position zu den Kämpfen in Polen und eine Einstellung zu Solidarnosc zu beziehen.

Diese 3 Gruppen sind mehr oder weniger direkt oder indirekt mit "Sozialismus oder Barbarei" verbunden, einer Zeitschrift während der 50er und 60er Jahre, deren Hauptträger Castoriadis (alias Chaulieu, Cardan, Coudray) war und die die meiste Zeit damit verbrachten, das Veraltetsein des Marxismus zu theoretisieren.

(3) (4)

(aus der INTERNATIONALEN REVUE, Nr. 35, drittes Quartal 1983) Erstveröffentlichung in Weltrevolution Nr. 12, 1983

Theoretische Fragen: 

  • Arbeiterklasse [1]

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Links
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