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Internationale Revue 13

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Der Zerfall: die letzte Phase der Dekadenz des Kapitalismus

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Der Zusammenbruch des imperialistischen Ostblocks hat bestätigt, daß der Kapitalismus in eine neue Phase seiner Dekadenzepoche eingetreten ist: in die allgemeine Zerfallsphase der Gesellschaft. Schon vor den Ereignissen in Osteuropa hat die IKS auf dieses historische Phänomen aufmerksam gemacht (siehe INTERNATIONALE REVUE, Nr. 11) Diese Ereignisse - der Eintritt der Welt in eine Periode der Instabilität von bisher unbekanntem Ausmaß - verpflichten die Revolutionäre, dieses Phänomen, seine Ursachen und Folgen mit größter Aufmerksamkeit zu analysieren und deutlich zu machen, was in dieser neuen historischen Lage auf dem Spiel steht.

1. In allen früheren Produktionsweisen gab es eine Epoche des Aufstiegs und des Niedergangs. Für den Marxismus entspricht die erste Epoche einem Zeitraum der völligen Kompatibilität der herrschenden Produktionsverhältnisse mit dem Entwicklungsstand der gesellschaftlichen Produktivkräfte, wohingegen die zweite Periode die Tatsache widerspiegelt, daß diese Produktionsverhältnisse zu eng geworden sind, um eine Weiterentwicklung zu ermöglichen. Im Gegensatz zu den irrigen Auffassungen der Bordigisten entgeht auch der Kapitalismus nicht diesem Gesetz. Seit Anfang des Jahrhunderts und insbesondere seit dem Ersten Weltkrieg haben die Revolutionäre aufgezeigt, daß diese Produktionsweise nun ihrerseits in das Stadium ihres Niedergangs eingetreten war. Jedoch wäre es falsch, sich mit der Behauptung  zufriedenzugeben, daß der Kapitalismus schlicht den Spuren der vorherigen Produktionsweisen folgt. Es ist gleichermaßen wichtig, die grundlegenden Unterschiede zwischen der kapitalistischen Dekadenz und der  Dekadenz früherer Gesellschaften herauszustellen. Dabei stellt sich der Niedergang des Kapitalismus, wie er sich seit Anfang dieses Jahrhunderts vor unseren Augen vollzieht, als die Dekadenzperiode par excellence (wenn man so sagen darf) dar. Verglichen mit der Dekadenz früherer Gesellschaften (der Sklavengesellschaft und dem Feudalismus), vollzieht sie sich auf einem anderen Niveau. Dies ist so, weil:

  • der Kapitalismus die erste Gesellschaft der Geschichte ist, die sich weltweit ausgedehnt und alle Erdteile ihren Gesetzen unterworfen hat. Deshalb drückt die Dekadenz dieser Produktionsweise der gesamten Menschheit ihren Stempel auf;
  • im Gegensatz zu den früheren Gesellschaften, als die neuen Produktionsverhältnisse, die den alten, überholten Produktionsverhältnissen folgen sollten, innerhalb der alten Gesellschaft heranreiften - was die Auswirkungen und das Ausmaß ihrer Dekadenz in gewisser Weise einschränkte -, die kommunistische Gesellschaft, die allein dem Kapitalismus folgen kann, sich nicht innerhalb desselben entwickeln kann; es gibt keine Möglichkeit irgendeiner Regeneration der Gesellschaft, wenn es zuvor nicht einen gewaltsamen Sturz der bürgerlichen Klasse und die Auslöschung der kapitalistischen Produktionsverhältnisse gegeben hat;
  • die historische Wirtschaftskrise, in der die Dekadenz des Kapitalismus wurzelt, sich keineswegs aus einem Problem der Unterproduktion ergibt, wie dies in den früheren Gesellschaften der Fall war, sondern im Gegenteil aus einem Problem der Überproduktion resultiert, was (insbesondere infolge des gewaltigen Gegensatzes zwischen den ungeheuren Möglichkeiten der Produktivkräfte und dem furchtbaren Elend, das sich auf der Welt ausbreitet) zur Folge hat, daß die Barbarei, die mit der Dekadenz der ganzen Gesellschaft einhergeht, ein weitaus höheres Niveau erreicht als in der Vergangenheit;
  • das Phänomen der Aufblähung des Staates, das typisch ist für die Zeiträume des Niedergangs, in der Dekadenz des Kapitalismus mit der historischen Tendenz zum Staatskapitalismus seine vollendeste und extremste Form findet, die Form einer praktisch vollständigen Absorbierung der Gesellschaft durch das staaliche Monster;
  • selbst wenn die Dekadenzperioden der Vergangenheit durch kriegerische Konflikte gekennzeichnet waren, diese nicht vergleichbar mit dem Ausmaß der Weltkriege waren, die die kapitalistische Gesellschaft schon zweimal verwüstet haben.

Letztendlich kann der Unterschied in Ausmaß und Tiefe zwischen der kapitalistischen Dekadenz und der Dekadenz in der Vergangenheit nicht auf eine simple Frage der Quantität reduziert werden. Diese Quantität bildet eine neue und unterschiedliche Qualität ab. In der Tat ist die Dekadenz des Kapitalismus:
die Dekadenz der letzten Klassengesellschaft, der letzten Gesellschaft, die auf der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen beruht und dem Mangel sowie den ökonomischen Einschränkungen unterworfen ist,
die erste Dekadenz, die das eigentliche Überleben der Menschheit bedroht und die menschliche Gattung vernichten könnte.

2. Alle in der Dekadenz befindlichen Gesellschaften wiesen Elemente des Zerfalls auf: Auflösung des Gesellschaftskörpers, Fäulnis ihrer wirtschaftlichen, politischen und ideologischen Strukturen usw. Dasselbe trifft auf den Kapitalismus seit Anbruch seiner Dekadenzepoche zu. Doch so wie es angebracht ist, eine klare Unterscheidung zwischen der Dekadenz des Kapitalismus und der Dekadenz früherer Gesellschaften zu machen, so ist es auch unverzichtbar, den grundlegenden Unterschied zwischen den Zerfallselementen, die den Kapitalismus seit Anfang des Jahrhunderts erfaßt haben, und dem allgemeinen Zerfall herauszustellen, in den dieses System gegenwärtig versinkt und der sich noch verschlimmern wird. Neben dem streng quantitativen Aspekt erreicht das Phänomen des gesellschaftlichen Zerfalls heute solch ein Ausmaß und solch eine Tiefe, daß eine neue und einzigartige Qualität erlangt wird, die den Eintritt des Kapitalismus in eine besondere Phase, in die ultimative Phase seiner Geschichte manifestiert, eine Phase, in welcher der Zerfall ein, wenn nicht gar der entscheidende Entwicklungsfaktor der Gesellschaft sein wird.
Daher wäre es falsch, Dekadenz und Zerfall gleichzusetzen. Während eine Zerfallsphase außerhalb der Periode des Niedergangs unvorstellbar ist, ist die Existenz einer Dekadenz ohne Zerfallsphase durchaus vorstellbar.

3. So wie der Kapitalismus verschiedene Perioden in seiner historischen Verlauf kennt - Entstehung, Aufstieg, Niedergang -, so beinhaltete im Grunde jede dieser Perioden auch unterschiedliche und voneinander abgegrenzte Phasen. Beispielsweise umfaßte die Aufstiegsphase die nacheinanderfolgenden Phasen des Freihandels, der Aktiengesellschaften, der Monopole, des Finanzkapitals, der kolonialen Eroberungen, der Etablierung des Weltmarkts. Ähnlich hat auch die Dekadenzperiode ihre Geschichte: Imperialismus, Weltkriege, Staatskapitalismus, permanente Krise und heute der Zerfall. Es handelt sich dabei um verschiedene, aufeinanderfolgende  Manifestationen im Leben des Kapitalismus, mit jeweils typischen Charakteristiken, selbst wenn diese Ausdrücke vorher schon bestanden oder nach Anbruch einer neuen Phase weiterbestehen. So kann man auf einer allgemeineren Ebene feststellen, daß die Lohnarbeit zwar schon in der Sklavengesellschaft und im Feudalismus existierte (wie auch die Sklavenarbeit oder die Knechtschaft innerhalb des Kapitalismus aufrechterhalten blieb), daß aber nur der Kapitalismus diesem Ausbeutungsverhältnis einen vorherrschenden Platz in der Gesellschaft einräumt. Ähnlich konnte der  Imperialismus bereits in der aufsteigenden Phase des Kapitalismus existieren. Jedoch nimmt er erst seit dem Eintritt des Kapitalismus in seine Dekadenzperiode eine maßgebliche Stellung in der Gesellschaft, in der Politik der Staaten und in den internationalen Beziehungenen ein, so daß er die erste Phase seiner Dekadenz besonders stark prägte. Daher setzten viele damalige Revolutionäre ihn mit der Dekadenz des Kapitalismus schlechthin gleich.
So stellt die Zerfallsphase der kapitalistischen Gesellschaft nicht einfach die chronologische Fortsetzung jener vom Staatskapitalismus und von der permanenten Krise gekennzeichneten Phasen dar. In dem Maße, wie die Widersprüche und Erscheinungsweisen der Dekadenz des Kapitalismus, die nacheinander die verschiedenen Momente dieser Dekadenz markieren, nicht mit der Zeit verschwinden, sondern sich aufrechterhalten und gar noch zuspitzen, erscheint die Zerfallsphase als das Ergebnis einer Anhäufung all dieser Charakteristiken eines im Sterben liegenden Systems, das ein dreiviertel Jahrhundert lang einer in Agonie befindlichen Produktionsweise vorstand, die von der Geschichte abgeurteilt worden war. Konkret: nicht nur, daß der imperialistische Charakter aller Staaten, die Drohung eines neuen Weltkriegs, die Absorption der Gesellschaft durch den staatlichen Moloch, die permanente kapitalistische Wirtschaftskrise in der Zerfallsphase fortbestehen, sie erreichen in Letzterer eine Synthese und einen ultimativen Abschluß. Die Zerfallsphase ist somit das Resultat:

  • der Verlängerung der Dekadenz (mit sieben Jahrzehnten Dauer länger als die "industrielle Revolution"), eines Systems, dessen eines Hauptmerkmal die außerordentliche Schnelligkeit  des Transformationsprozesses ist, zu der es die Gesellschaft zwingt (zehn Jahre Kapitalismus entsprechen einem Jahrhundert der Sklavengesellschaft);
  • der Häufung der Widersprüche, die diese Dekadenz entfesselt hat.

Sie bildet die letzte Etappe, auf die  sich die gewaltigen Erschütterungen zubewegen, die die Gesellschaft und die verschiedenen Klassen seit  Beginn des Jahrhunderts in Gestalt einer höllischen Spirale von Krise-Krieg-Wiederaufbau-neuer Krise erschüttern:

  • zwei imperialistische Gemetzel, die die meisten der größten Länder ausbluteten und die gesamte Menschheit mit einer beispiellosen Brutalität überzogen;
  • eine revolutionäre Welle, die die gesamte Weltbourgeoisie erzittern ließ und die zu einer Konterrevolution der schlimmsten (Faschismus und Stalinismus) und zynischsten (wie die "Demokratie" und Antifaschismus) Art führte;
  • periodische Rückkehr einer absoluten Verarmung, eines Elends der Arbeitermassen, das überwunden zu sein schien;
  • die Ausbreitung heftigster und mörderischster Hungersnöte in der Menschheitsgeschichte;
  • das Versinken der kapitalistischen Wirtschaft in eine neue offene Krise in den beiden vergangenen Jahrzehnten, ohne daß die Bourgeoisie aufgrund ihrer Unfähigkeit, die Arbeiterklasse für sich zu mobilisieren, ihre eigene Antwort (die natürlich keine Lösung darstellt)  durchsetzen konnte: den Weltkrieg.

4. Dieser letzte Punkt bildet gerade das neue, spezifische, bislang nicht dagewesene Element, das letztendlich den Eintritt des dekadenten Kapitalismus in eine neue Phase seiner Geschichte, die seines Zerfalls, bewirkt hat. Die offene Krise, die sich seit dem Ende der sechziger Jahre infolge des Endes des Nachkriegswiederaufbaus entwickelt hat, eröffnete abermals den Weg zur historischen Alternative: Weltkrieg oder flächendeckende Klassenkonfrontationen in Richtung proletarischer Revolution. Im Gegensatz zur offenen Krise der dreißiger Jahre breitet sich die gegenwärtige Krise zu einem Zeitpunkt aus, in dem die Arbeiterklasse keiner bleiernen Konterrevolution ausgesetzt ist. Die Arbeiterklasse hat mit ihrem historischen Wiederaufleben seit 1968 bewiesen, daß die Bourgeoisie keine freie Hand hat, um einen dritten Weltkrieg zu entfesseln. Gleichzeitig jedoch hat das Proletariat, das zwar zwar stark genug ist, um zu verhindern, daß solch ein Ereignis eintritt, noch nicht die Kraft gefunden, um den Kapitalismus zu stürzen, weil:

  • das Tempo der Krisenentwicklung viel langsamer ist als in der Vergangenheit,
  • es eine historische Verspätung in der Entwicklung seines Bewußtseins und seiner politischen Organisationen gibt, die aus dem organischen Bruch in der Kontinuität dieser Organisationen herrührt, einem Bruch, der selbst durch das Ausmaß und die Dauer der Konterrevolution ausgelöst worden war.

Doch die Geschichte bleibt in solch einer Situation, in der die beiden fundamentalen - und antagonistischen - Klassen der Gesellschaft aufeinanderprallen, ohne ihre eigene Antwort durchsetzen zu können, nicht stehen. Noch weniger als in den anderen vorhergehenden Produktionsweisen ist im Kapitalismus eine Stagnation, ein "Einfrieren" des gesellschaftlichen Lebens möglich. Während die Widersprüche des krisengeschüttelten Kapitalismus sich noch weiter zuspitzen, führen die Unfähigkeit der Bourgeoisie, der gesamten Gesellschaft  irgendeine Perspektive anzubieten, und die Unfähigkeit des Proletariats, die seinige offen zu behaupten, zum Phänomen des allgemeinen Zerfalls, zur Fäulnis der Gesellschaft bei lebendigem Leib.

5. Tatsächlich kann sich keine Produktionsweise entwickeln, sich lebensfähig halten und den gesellschaftlichen Zusammenhalt sicherstellen, wenn sie nicht in der Lage ist, der von ihr dominierten Gesellschaft in ihrer Gesamtheit eine Perspektive anzubieten. Und dies trifft besonders auf den Kapitalismus als dynamischste Produktionsweise der Geschichte zu. Als die kapitalistischen Produktionsverhältnisse den geeigneten Rahmen für die Entwicklung der Produktivkräfte bildeten, stimmte diese Perspektive mit dem historischen Fortschritt nicht nur der kapitalistischen Gesellschaft, sondern der gesamten Menschheit überein. Unter diesen Umständen konnte sich die gesamte Gesellschaft ungeachtet der Klassenantagonismen oder der Rivalitäten zwischen (insbesondere nationalen) Bereichen der herrschenden Klasse ohne die Gefahr einer größeren Erschütterung entwickeln. Als diese Produktionsverhältnisse zu Fesseln des Wachstums der Produktivkräfte wurden und sich in ein Hindernis der gesellschaftlichen Weiterentwicklung umwandelten, womit der Eintritt in die Dekadenzepoche eingeläutet wurde, mündete dies in die politischen und sozialen Wirren, wie wir sie seit einem dreiviertel Jahrhundert kennen. In solch einem Rahmen war die Art der Perspektive, die der Kapitalismus der Gesellschaft anbieten konnte, natürlich durch die spezifischen Grenzen, die die Dekadenz zog, eingeengt:

  • der "Burgfrieden", die Mobilisierung aller ökonomischen, politischen und militärischen Kräfte hinter dem Nationalstaat, zur "Verteidigung des Vaterlandes", der "Zivilisation" usw.;
  • die "Einheit aller Demokraten", aller "Verteidiger der Zivilisation" gegen die "bolschewistische Hydra und Barbarei";
  • die wirtschaftliche Mobilisierung für den Wiederaufbau nach den Kriegszerstörungen,
  • die ideologische, politische, wirtschaftliche und militärische Mobilisierung für die "Eroberung von Lebensraum" oder gegen die "faschistische Gefahr".

Keine dieser Perspektiven stellte freilich irgendeine "Lösung" für die Widersprüche des Kapitalismus dar. Sie alle hatten nur den Vorteil für die Bourgeoise, ein "realistisches" Ziel zu verfolgen: entweder das Überleben ihres Systems gegen die Bedrohung zu sichern, die vom Klassenfeind ausging, dem Proletariat, oder die direkte Vorbereitung bzw. die Entfesselung des Weltkrieges zu organisieren bzw. die Wiederbelebung der Wirtschaft nach einem solchen Weltkrieg zu einem guten Ende zu bringen. In einer historischen Lage dagegen, in der die Arbeiterklasse noch nicht in der Lage ist, sich unmittelbar im Kampf für ihre eigene Perspektive, für die einzige realistische, die kommunistische Revolution zu engagieren, in der aber auch die Bourgeoisie keine Perspektive anzubieten hat, noch nicht mal kurzfristig, kann die einstige Fähigkeit Letzterer, das Phänomen des Zerfalls  in der Dekadenzperiode einzuschränken und zu kontrollieren, nicht mehr helfen, sondern löst sich unter den wiederholten Schlägen der Krise in Luft auf. Deshalb stellt sich die jetzige Situation der offenen Krise völlig unterschiedlich gegenüber den früheren Krisen derselben Art, wie jene in den dreißiger Jahren, dar. Daß es in der Krise der dreißiger Jahre keine Zerfallsphase gegeben hat, ist nicht nur darauf zurückzuführen, daß die Krise damals nur zehn Jahre währte, während die jetzige Krise schon mehr als zwei Jahrzehnte andauert. Das Ausbleiben des Phänomens des Zerfalls in den dreißiger Jahre ist vor allem der Tatsache geschuldet, daß die Bourgeoisie angesichts der Krise freie Hand hatte, um eine Antwort vorzuschlagen. Zugegeben eine Antwort von unglaublicher Grausamkeit, eine selbstmörderische Antwort, die zur größten Katastrophe der Menschheit führte; eine Antwort, die die Bourgeoisie nicht freiwillig ausgesucht hat, war sie ihr doch durch die Zuspitzung der Krise aufgezwungen worden, aber eine Antwort, auf deren Basis sie vor, während und nach dem Krieg in Abwesenheit eines bedeutsamen Widerstands des Proletariats den politischen, ideologischen und Produktionsapparat der Gesellschaft organisieren konnte. Heute dagegen, wo die Arbeiterklasse  in den letzten beiden Jahrzehnten verhindert hat, daß eine Antwort dieser Art auf die Tagesordnung gesetzt wird, ist die Bourgeoisie nicht in der Lage, irgendetwas zu organisieren, um die verschiedenen Komponenten der Gesellschaft, die der herrschenden Klasse eingeschlossen, um ein gemeinsames Ziel zu scharen, außer des schrittweisen, aber hoffnungslosen Widerstandes gegen die fortschreitende Krise.

6. Auch wenn sich die Zerfallsphase als das Ergebnis, als die Synthese aller Widersprüche und Manifestationen der kapitalistischen Dekadenz darstellt:

  • ist sie ein voller Bestandteil des Zyklus von Krise-Krieg-Wiederaufbau-neue Krise;
  • frönt sie der kriegerischen und militaristischen Orgie, die für die Dekadenzperiode typisch ist und die seit zwei Jahrzehnten ein Faktor ersten Ranges in der Zuspitzung der offenen Krise ist;
  • resultiert sie aus der Fähigkeit der Bourgeoisie (die sie nach der Krise der dreißiger Jahre entwickelt hatte), insbesondere durch den Staatskapitalismus das Tempo der Krisenentwicklung auf der Ebene eines imperialistischen Blocks zu verlangsamen;
  • resultiert sie ebenfalls aus der Erfahrung derselben Klasse (die sie sich in den beiden Weltkriegen angeeignete), die es vermieden, sich ohne ausreichende politische Unterstützung durch das Proletariat in das Abenteuer der allgemeinen imperialistischen Konfrontation zu stürzen;
  • geht sie auf die Fähigkeit der Arbeiterklasse, heute die Fallen aus der Zeit der Konterrevolution zu umgehen, aber auch auf die politische Unreife zurück, die eine Hinterlassenschaft eben jener Konterrevolution ist.

Die Zerfallsphase wurde im Kern durch neue, beispiellose und unerwartete  historische Bedingungen bestimmt: die zeitweilige Sackgasse der Gesellschaft, ihre "Blockierung" aufgrund der gegenseitigen "Neutralisierung" der beiden Hauptklassen, die beide daran hindert, ihre entscheidende Antwort gegenüber der offenen Krise der kapitalistischen Wirtschaft durchzusetzen. Die Manifestationen dieses Zerfalls, ihre Entwicklungsbedingungen und Auswirkungen können nur verstanden werden, wenn dieser Faktor in den Vordergrund gestellt wird.

7. Wenn man sich die wesentlichen Merkmale des Zerfalls vor Augen führt, wie sie sich heute manifestieren, stellt man fest, daß ihr gemeinsamer Nenner das vollständige Fehlen einer Perspektive ist:

  • die Zunahme von Hungersnöten in den Ländern der "Dritten Welt" bei gleichzeitiger Zerstörung der Lebensmittellager und erzwungener Nicht-Bestellung des Landes;
  • die Umwandlung der "Dritten Welt" in ein gewaltiges Slum, in dem Hunderte von Millionen Menschen wie Ratten in der Kanalisation leben;
  • die Ausbreitung desselben Phänomens im Herzen der großen Städte der "fortgeschrittenen" Länder, in denen die Zahl der Obdachlosen und Mittellosen so stark ansteigt, daß die Lebenserwartung in einigen Stadtvierteln niedriger ist als in den rückständigen Ländern;
  • die "zufälligen" Katastrophen, deren Zahl sich in der letzten Zeit vervielfacht hat (Flugzeuge, die abstürzen, Züge und U-Bahnen, die zu Särgen werden, nicht nur in rückständigen Ländern wie Indien oder die UdSSR, sondern auch in den Zentren westlicher Städte wie Paris und London);
  • die immer zerstörerischeren Folgen von "Naturkatastrophen" auf menschlicher, gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Ebene (Überschwemmungen, Hitzeperioden, Erdbeben, Stürme), angesichts derer die Menschen immer hilfloser erscheinen, während die Technik immer weiter fortschreitet und alle Mittel vorhanden sind, um sich vor solchen Katastrophen zu schützen (Deiche, Bewässerungssysteme, erdbebensichere und sturmfeste Gebäude), aber Betriebe, die in diesem Bereich tätig sind, geschlossen und deren Arbeiter entlassen werden;
  • die Umweltverschmutzung, die unglaubliche Ausmaße annimmt (ungenießbares Leitungswasser, tote Flüsse, Meere als Kloaken, verseuchte Luft in den Städten, zehntausend Quadratkilometer große Gebiete in der Ukraine, in Weißrußland etc. durch Radioaktivität verseucht) und die mit dem Verschwinden des tropischen Regenwaldes am Amazonas (die "Lunge der Erde") das Gleichgewicht des ganzen Planeten bedroht, der Treibhauseffekt und die Zerstörung der Ozonschicht.

All diese wirtschaftlichen und sozialen Katastrophen, die im allgemeinen zwar auf die Dekadenz zurückgehen, bilden mit ihrer Häufung und ihrem Ausmaß die Tatsache ab, daß dieses System sich in einer völlig ausweglosen Lage befindet und dem größten Teil der Weltbevölkerung keine Zukunft anzubieten hat, außer der Zunahme von unvorstellbarer Barbarei. Es ist ein System, dessen Wirtschaftspolitik, Forschungen und Investitionen systematisch auf Kosten der Zukunft der Menschheit und damit auch auf Kosten der Zukunft des Systems an sich verwirklicht werden.

8. Doch die Anzeichen eines völligen Fehlens gesellschaftlicher Perspektiven heute werden auf politischer und ideologischer Ebene noch deutlicher:

  • die unglaubliche Korruption, die im politischen Apparat wächst und gedeiht, die Wellen von Skandalen in den meisten Ländern, wie Japan (wo es immer schwieriger wird, den Regierungsapparat vom Gangstermilieu zu unterscheiden), Spanien (wo die rechte Hand des sozialistischen Regierungschefs heute direkt unter Verdacht steht), Belgien, Italien, Frankreich (wo die Parlamentarier eine Amnestie für sich selbst und ihre Schandtaten beschließen);
  • die Entwicklung des Terrorismus, der Geiselnahmen als Mittel der kriegerischen Auseinandersetzung  zwischen Staaten unter Verletzung von "Gesetzen", die der Kapitalismus einst verabschiedet hatte, um die Konflikte zwischen Fraktionen der herrschenden Klasse zu "reglementieren";
  • der ununterbrochene Anstieg der Kriminalität, der Unsicherheit, der Gewalt in den Städten, von denen in wachsendem Maße die Kinder betroffen sind, die auch immer mehr zu Opfern der Prostitution werden;
  • die Ausbreitung des Nihilismus, der  Selbstmorde unter Jugendlichen, der Hoffnungslosigkeit (wie er durch das "No Future" der Riots in den westlichen Großstädten zum Ausdruck kommt), des Hasses und der Fremdenfeindlichkeit unter den "Skinheads" und "Hooligans", für die Sportveranstaltungen eine Gelegenheit sind, um sich auszutoben und Angst und Schrecken zu verbreiten;
  • die Flutwelle der Drogen, die heute zu einem Massenphänomen werden und stark zur Korruption im Staat und den Finanzorganismen beitragen, die kein Teil der Welt verschonen und besonders die Jugend erfassen, ein Phänomen, das immer weniger die Flucht in Trugbilder zum Ausdruck bringt und immer mehr den Wahnsinn und den Selbstmord widerspiegelt;
  • die Fülle an Sekten, das Wiederaufleben religiöser Geisteshaltungen auch in fortgeschrittenen Ländern, die Ablehnung eines vernunftgesteuerten, zusammenhängenden, konstruktiven  Denkens auch in Teilen einiger "wissenschaftlicher" Milieus, die in den Medien, besonders in Gestalt stumpfsinniger Werbung und verdummender Sendungen, einen immer größeren Platz einnehmen;
  • das Überhandnehmen von Gewalt- und Horrorszenen, von Blut und Massakern in eben dieser Medien, einschließlich der Kindersendungen und -magazine;
  • die Belanglosigkeit, die Käuflichkeit all der "künstlerischen" Produktionen, der Literatur, der Musik, der Malerei, der Architektur, die nur Angst, Verzweiflung, die Zersplitterung des Denkens, die Leere zum Ausdruck bringen;
  • das "Jeder für sich", die Atomisierung des Einzelnen, die Zerstörung der Familienbeziehungen, die Ausgrenzung der alten Menschen, die Zerstörung der Gefühle und ihre Ersetzung durch die Pornographie, der kommerzialisierte und in den Medien vermarktete Sport, die Massenversammlungen, in denen Jugendliche in kollektiver Hysterie Liedern lauschen und tanzen, ein trostloser Ersatz für eine Solidarität und soziale Bande, die heute völlig verloren gegangen sind.

All diese Merkmale der gesellschaftlichen Fäulnis haben heute ein in der Geschichte beispielloses Ausmaß angenommen und dringen in alle Poren der Gesellschaft ein, wobei sie nur eins zum Ausdruck bringen: nicht nur die Auflösung der bürgerlichen Gesellschaft, sondern auch die Austilgung jeglichen Prinzips kollektiven Lebens innerhalb einer Gesellschaft, in der es selbst kurzfristig nicht die geringsten Perspektiven,  auch nicht die illusorischsten gibt.

9. Unter den Hauptkennzeichen des Zerfalls der kapitalistischen Gesellschaft muß man die zunehmenden Schwierigkeiten der Bourgeoisie hervorheben, die Entwicklung der Lage auf politischer Ebene zu kontrollieren. An der Wurzel dieses Phänomens liegt natürlich der immer größere Kontrollverlust der herrschenden Klasse über ihren Wirtschaftsapparat, der die Infrastruktur der Gesellschaft bildet. Die historische Sackgasse, in der die kapitalistische Produktionsweise steckt, die aufeinanderfolgenden Mißerfolge der unterschiedlichen politischen Strategien der Bourgeoisie, die permanente Flucht in die allgemeine Verschuldung, mit Hilfe derer die Weltwirtschaft zu überleben versucht - all diese Elemente können sich nur auf den  politischen Apparat niederschlagen, der seinerseits nicht in der Lage ist, der Gesellschaft und insbesondere der Arbeiterklasse eine gewisse "Disziplin" und einen Zusammenhalt aufzuzwingen, die erforderlich sind, um alle Kräfte und Energien für den Weltkrieg zu mobilisieren, der einzigen historischen "Antwort", die die Bourgeoisie anzubieten hat. Die mangelnde Perspektive (außer der Flickschusterei, um die Wirtschaft zu stützen), in der sie sich als Klasse mobilisiert, und die Tatsache, daß die Arbeiterklasse noch keine Bedrohung für ihr Überleben darstellt, bewirkt in der herrschenden Klasse und insbesondere in ihrem politischen Apparat eine wachsende Tendenz zur Disziplinlosigkeit und zum Rette-wer-sich-kann. Dieses Phänomen erklärt den Zusammenbruch des Stalinismus und des gesamten imperialistischen Ostblocks. Dieser Zusammenbruch ist im wesentlichen eine der Konsequenzen aus der Weltkrise des Kapitalismus; wir sollten allerdings auch nicht versäumen, in unseren Analysen die Besonderheiten der stalinistischen Regimes zu berücksichtigen, die das Ergebnis der historischen Umstände ihres Entstehens waren (siehe: "Thesen zur ökonomischen und politischen Krise in der UdSSR und den osteuropäischen Ländern", INTERNATIONALE REVUE, Nr. 12). Jedoch kann  man diesen historisch beispiellosen Zustand des Zusammenbruchs eines ganzen imperialistischen Blocks von innen heraus, in Abwesenheit einer Revolution oder eines Weltkrieges, nur verstehen, wenn man dieses andere, noch nicht dagewesene Element in der Analyse berücksichtigt, das der Eintritt der Gesellschaft in eine Zerfallsphase bildet. Die extreme Zentralisierung und vollständige Verstaatlichung der Wirtschaft, die Verschmelzung zwischen wirtschaftlichem und politischem Apparat, die permanenten und großformatigen Tricksereien mit dem Wertgesetz, die Mobilisierung aller ökonomischen Ressourcen für den militärischen Bereich, all diese für die stalinistischen Regime typischen Merkmale waren zwar dem Kontext eines imperialistischen Krieges (dieses Regime ist gestärkt aus dem Zweiten Weltkrieg, als Sieger, hervorgegangen) angepaßt, aber sie stießen brutal und radikal auf ihre Grenzen, als die Bourgeoisie jahrelang mit der Zuspitzung der Wirtschaftskrise konfrontiert war, ohne diese wie in der Vergangenheit in eben diesen imperialistischen Krieg enden zu lassen. Insbesondere wäre diese Nach-mir-die-Sintflut-Haltung, die sich mangels Sanktionen durch den Markt weit verbreiten konnte (und die gerade die Re-Etablierung des Marktes abschaffen will), in Kriegszeiten nicht denkbar gewesen, weil die erste "Motivation" der Arbeiter wie auch der Verantwortlichen in der Wirtschaft die Gewehre hinter ihrem Rücken waren. Die allgemeinen Absetzbewegungen innerhalb des Staatsapparats, das Entgleiten der Kontrolle über die eigene politische Strategie wie in der UdSSR und ihren Satelliten heute sind in Wirklichkeit (aufgrund der Besonderheiten der stalinistischen Regimes) nur die Karikatur eines viel allgemeineren Phänomens, das die gesamte Weltbourgeoisie betrifft, ein Phänomen, das typisch für die Zerfallsphase ist.

10. Diese allgemeine Tendenz der Bourgeoisie, die Kontrolle über die Leitung ihrer Politik zu verlieren, ist ein wichtiger Faktor beim Zusammenbruch des Ostblocks, und er wird mit diesem Zusammenbruch noch stärker werden, aufgrund:

  • der Zuspitzung der Wirtschaftskrise, die aus Letzterem resultiert;
  • der Auflösung des westlichen Blocks infolge des Verschwindens des rivalisierenden Blocks;
  • der Schürung der einzelnen Rivalitäten, die das vorübergehende Zurückdrängen der Perspektive eines Weltkriegs zwischen verschiedenen Sektoren der Bourgeoisie (insbesondere zwischen nationalen Fraktionen, aber auch zwischen Cliquen innerhalb eines gleichen Nationalstaats) bewirkt.

Solch eine politische Destabilisierung der bürgerlichen Klasse, die beispielsweise durch die Sorge verdeutlicht wird, die sich ihre stabilsten Sektoren angesichts einer möglichen Ansteckung durch das Chaos machen, das sich in den Ländern des ehemaligen Ostblocks verbreitet, könnte unter Umständen dazu führen, daß sie ihre Fähigkeit einbüßt, die Welt in zwei imperialistische Blöcke aufzuteilen. Die Zuspitzung der Wirtschaftskrise führt zwangsläufig zur Verschärfung der imperialistischen, zwischenstaatlichen Rivalitäten. Deshalb hat sich die Ausbreitung und Zuspitzung der militärischen Spannungen zwischen diesen Staaten fest in die gegenwärtige Situation eingeprägt. Jedoch erfordert die Wiederherstellung einer wirtschaftlichen, politischen und militärischen Struktur, die diese unterschiedlichen Staaten zusammenfasst,  eine Disziplin seitens dieser Staaten, die durch das Phänomen des Zerfalls immer problematischer wird. Daher kann dieses Phänomen, das schon zum Teil für das Verschwinden des aus dem Zweiten Weltkrieg hervorgegangenen Blocksystems verantwortlich ist, mit der Verhinderung des Aufbaus eines neuen Blocksystems nicht nur zum Rückzug (wie dies bereits heute der Fall ist), sondern sogar zum endgültigen Verschwinden der Perspektive des Weltkrieges führen.

11. Die Möglichkeit solch einer Änderung der allgemeinen Perspektive des Kapitalismus, die aus den erheblichen  Umwälzungen infolge des Zerfalls des Gesellschaftslebens resultiert, ändert jedoch nichts an der grundlegenden Perspektive, die dieses System der Menschheit anzubieten hat, falls die Arbeiterklasse sich als unfähig erweisen sollte, dieses System zu überwinden. Die Entwicklung des Kapitalismus (und besonders der Dekadenz) hat es ermöglicht, die historische Perspektive, die bereits von Marx und Engels in den allgemeinen Begriffen "Sozialismus oder Barbarei" formuliert worden war, in den Formeln zu präzisieren:

  • "Krieg oder Revolution", eine Formel, die von den Revolutionären vor dem Ersten Weltkrieg angenommen worden war und die eines der Gründungsprinzipien der Kommunistischen Internationalen war;
  • "kommunistische Revolution oder Zerstörung der Menschheit", eine Formel, die sich nach Ende des Zweiten Weltkrieges mit dem Aufkommen der Atomwaffen durchsetzte.

Auch heute, nach dem Verschwinden des Ostblocks, bleibt diese Schreckensvision vollkommen gültig. Aber es ist wichtig zu präzisieren, daß solch eine Zerstörung der Menschheit durch einen imperialistischen Weltkrieg oder durch den Zerfall der Gesellschaft erfolgen kann.
Dieser Zerfall darf nicht als ein Rückschritt der Gesellschaft betrachtet werden. Selbst wenn der Zerfall einige typischen Charakteristiken der Vergangenheit des Kapitalismus und insbesondere der aufsteigenden Phase dieser Produktionsweise wieder aufleben läßt, wie zum Beispiel:

  • das Fehlen einer Aufteilung der Welt in zwei imperialistische Blöcke,
  • die Tatsache, daß daher die Kämpfe zwischen Nationen (deren aktuelle Zuspitzung insbesondere in den ehemaligen Ostblockländern ein typischer Ausdruck dieses Zerfalls sind) nicht mehr als Momente einer Konfrontation zwischen diesen beiden Blöcken aufgefaßt werden können,

... führt dieser Zerfall  nicht zu einem früheren Gesellschaftstyp, zu einer früheren Phase im Leben des Kapitalismus zurück. Mit der kapitalistischen Gesellschaft verhält es sich wie mit einem Greis, von dem man sagt, er "fällt in die Kindheit zurück". Er verliert bestimmte Fähigkeiten und Eigenschaften, die er mit seiner Reifung erworben hatte, und nimmt wieder gewisse Züge der Kindheit an (Zerbechlichkeit, Abhängigkeit, Schwierigkeiten in der Urteilskraft), ohne jedoch zur Vitalität und Lebenskraft zurückzufinden, die typisch für dieses Lebensalter sind.  Heute ist die Menschheit dabei, eine Reihe ihrer Errungenschaften (wie z.B. die Beherrschung der Natur) zu verlieren, ohne jedoch die Fähigkeit zum Fortschritt und zur Eroberung zu erlangen, die besonders die aufsteigende Phase des Kapitalismus charakterisiert hat. Der Verlauf der Geschichte ist unumkehrbar: der Zerfall führt, wie sein Name sagt, zur Auflösung und Fäulnis der Gesellschaft, ins Nichts. Seiner eigenen Logik und seinen letzten Konsequenzen überlassen, führt er die Gesellschaft zum gleichen Ergebnis wie der Weltkrieg. Ob man brutal von einem thermonuklearen Bombenhagel in einem Weltkrieg ausgelöscht wird oder durch die Umweltverschmutzung, die Radioaktivität der Atomkraftwerke, den Hunger, die Epidemien und die Massaker der verschiedenen kriegerischen Konflikte (in denen auch Atomwaffen eingesetzt werden können) vernichtet wird, läuft letztendlich aufs gleiche hinaus. Der einzige Unterschied zwischen diesen beiden Formen der Zerstörung besteht darin, daß die erste schneller ist, während die zweite langsamer ist, dafür aber umso mehr Leid verursacht.

12. Es ist von größter Bedeutung, daß sich die Arbeiterklasse und die Revolutionäre in ihren Reihen der tödlichen Bedrohung durch den Zerfall für die Gesellschaft bewußt sind. In einer Zeit, in der sich die pazifistischen Illusionen aufgrund der geringer Wahrscheinlichkeit eines Weltkriegs auszubreiten drohen, muß man mit aller Energie jegliche Tendenzen innerhalb der Arbeiterklasse bekämpfen, Trost zu suchen, die extreme Tragweite der Weltlage auszublenden. Insbesondere wäre es ebenso falsch wie gefährlich, davon auszugehen, daß der Zerfall, allein weil er Realität ist, notwendig sei, um in Richtung Revolution voranzuschreiten.
Man darf nicht Notwendigkeit und Realität miteinander verwechseln. Engels hat den Ausdruck Hegels "Alles, was vernünftig ist, ist  wirklich, und alles, was wirklich ist, ist vernünftig", heftig kritisiert und den zweiten Teil dieser Formel abgelehnt, indem er sich auf das Beispiel des Fortbestehens der Monarchie in Deutschland bezog, die reell war, aber keineswegs vernünftig (man könnte Engels' Argumentationsweise - und dies ist schon seit langem voll und ganz gültig - heute auf die Monarchien im Vereinigten Königreich, in den Niederlanden, in Belgien usw. anwenden). Wenn der Zerfall heute eine Tatsache, eine Wirklichkeit ist, so beweist dies keineswegs seine Notwendigkeit für die proletarische Revolution. Mit solch einer Vorgehensweise würde man die Oktoberrevolution von 1917 und die ganze revolutionäre Welle des Ersten Weltkrieges  infragestellen, die sich in Abwesenheit einer Zerfallsphase des Kapitalismus ereignet haben. Im Grunde findet die gebieterische Notwendigkeit, eine klare Unterscheidung zwischen der Dekadenz des Kapitalismus und dieser spezifischen und ultimativen Phase seiner Dekadenz, dem Zerfall, zu machen, unter anderem in der Frage von Realität und Notwendigkeit Anwendung: die Dekadenz des Kapitalismus war notwendig, damit das Proletariat in der Lage ist, den Kapitalismus zu stürzen. Dagegen ist das Auftreten des historischen Phänomens des Zerfalls, das Resultat der Verlängerung der Dekadenz infolge des Ausbleibens der proletarischen Revolution, keineswegs eine notwendige Etappe für das Proletariat auf dem Weg zu seiner Emanzipation.
Mit dieser Zerfallsphase verhält es sich wie mit dem imperialistischen Krieg. Der Krieg von 1914 war ein grundlegendes Ereignis, von dem die Arbeiterklasse und die Revolutionäre selbstverständlich (und wie!) Kenntnis nahmen, aber das heißt keineswegs, daß er eine notwendige Vorbedingung für die Revolution war. Nur die Bordigisten glauben und behaupten dies. Die IKS hat schon die Gelegenheit gehabt zu zeigen, daß der Krieg keinesfalls eine besonders günstige Bedingung für den Triumph der internationalen Revolution darstellt. Und wenn man an die Möglichkeit eines dritten Weltkriegs denkt, erledigt sich die Frage von selbst.

13. Man muß sich besonders klar über die Gefahr sein, die der Zerfall für die Fähigkeit des Proletariats darstellt, der Größe seiner historischen Aufgabe gerecht zu werden. So wie die Entfesselung des imperialistische Krieges im Herzen der "zivilisierten" Welt ein "Aderlaß (war), an dem die europäische Arbeiterbewegung zu verbluten droht (...) und die Aussichten des Sozialismus (...) unter den von der imperialistischen Barbarei aufgetürmten Trümmern" begrub, indem "die besten, intelligentesten, geschultesten Kräfte des internationalen Sozialismus (...), die Vordertruppen des gesamten Weltproletariats (...) dahingemäht" (aus: Rosa Luxemburg, Die Krise der Sozialdemokratie) wurden, kann auch der Zerfall, der sich in den nächsten Jahren nur noch verschärfen kann, die besten Kräfte des Proletariats dahinmähen und die Perspektive des Kommunismus endgültig kompromittieren. Dies deshalb, weil die Vergiftung der Gesellschaft durch den verfaulenden Kapitalismus keinen Teil der Gesellschaft ausspart, keine Klasse verschont, auch nicht die Arbeiterklasse. Wenn die Abschwächung des Einflusses der bürgerlichen Ideologie mit dem Eintritt des Kapitalismus in seine Niedergangsphase eine der Vorbedingungen der Revolution ist, dann stellt das Phänomen des Zerfalls dieser Ideologie ein Hindernis für die Bewußtwerdung der Arbeiterklasse dar.
Anfangs erfaßt der ideologische Zerfall hauptsächlich die Kapitalistenklasse selbst und damit auch die kleinbürgerlichen Schichten, die keine eigenständige Existenz haben. Man kann gar sagen, daß diese Schichten sich besonders stark mit diesem Zerfall identifizieren, weil ihre besondere Situation, ihre Zukunftslosigkeit,  zum Hauptgrund dieses ideologischen Zerfalls paßt: das Fehlen einer unmittelbaren Perspektive für die gesamte Gesellschaft. Nur das Proletariat trägt eine Perspektive für die Menschheit in sich, und deshalb gibt es in seinen Reihen den größten Widerstand gegen diesen Zerfall. Doch das Proletariat ist nicht immun gegen den Zerfall, insbesondere weil die Kleinbourgeoisie, mit der es sich auseinanderzusetzen hat, der Hauptträger dieses Zerfall ist. Die verschiedenen Elemente, die die Stärke des Proletariats ausmachen, stoßen direkt mit den verschiedenen Facetten dieses ideologischen Zerfalls zusammen:

  • Das kollektive Handeln und die Solidarität stoßen mit der Atomisierung, dem "Jeder für sich", dem "Frechheit zahlt sich aus" zusammen.
  • Das Bedürfnis nach Organisierung steht dem gesellschaftlichen Zerfall entgegen, der Zerstörung von Beziehungen, die erst ein gesellschaftliches Leben ermöglichen.
  • Die Zuversicht in die Zukunft und in die eigenen Kräfte wird ständig untergraben durch die allgemeine Hoffnungslosigkeit, die in der Gesellschaft durch den Nihilismus, durch die Ideologie des "No future" immer mehr überhand nimmt.
  • Das Bewußtsein, die Klarheit, die Kohärenz und Einheit im Denken, der Sinn für Theorie müssen sich mühsam ein Weg bahnen inmitten der Flucht in Trugbilder, der Drogen, Sekten, des Mystizismus, der Verweigerung des Nachdenkens und der Zerstörung des Denkens, die unsere Epoche charakterisieren.

14. Einer der erschwerenden Faktoren dieser Lage ist natürlich die Tatsache, daß ein bedeutender Teil der jungen Arbeitergenerationen voll von der Geißel der Arbeitslosigkeit getroffen wird, bevor er überhaupt die Gelegenheit hat, am Arbeitsplatz Erfahrungen mit einem kollektiven Leben der Klasse zu sammeln. Zwar ist die Arbeitslosigkeit, die direkt aus der Wirtschaftskrise resultiert, als solche kein Ausdruck des Zerfalls, aber sie kann in dieser besonderen Phase der Dekadenz zu Konsequenzen führen, die aus ihr ein singuläres Element im Zerfall machen. Auch wenn die Arbeitslosigkeit im allgemeinen dazu beitragen kann, die Unfähigkeit des Kapitalismus zu enthüllen, den Proletariern eine Zukunft anzubieten, so bildet sie heute auch einen mächtigen Faktor der "Verlumpung" einiger Teile der Klasse, insbesondere unter den jungen Arbeitern, wodurch die gegenwärtigen und zukünftigen politischen Fähigkeiten der Klasse geschwächt werden. Dies spiegelte sich in den ganzen achtziger Jahren wider, als es zu einem beträchtlichen Anstieg der Arbeitslosigkeit bei gleichzeitigem Ausbleiben bedeutender Bewegungen und handfester Organisationsversuche  seitens der Arbeitslosen kam. Die Tatsache, daß in den dreißiger Jahren, inmitten der Konterrevolution, das Proletariat besonders in den Vereinigten Staaten diese Kampfformen praktizieren konnte, veranschaulicht gut das Gewicht der Probleme, die die Arbeitslosigkeit heute aufgrund des Zerfalls für die Bewußtwerdung des Proletariats darstellt.

15. Freilich manifestiert sich das Gewicht des Zerfalls als erschwerender Faktor in der Bewußtwerdung des Proletariats in den letzten Jahren nicht nur in der Frage der Arbeitslosigkeit. Selbst wenn man den Zusammenbruch des Ostblocks und die Agonie des Stalinismus (die ein Ausdruck des Zerfalls sind und einen deutlichen Rückgang des Bewußtseins hervorgerufen haben - siehe dazu INTERNATIONALE REVUE, Nr. 12) außer acht läßt, muß man erkennen, daß die Schwierigkeiten, von denen die Arbeiterklasse heimgesucht wird, um die Perspektive der Vereinigung ihrer Kämpfe in den Mittelpunkt zu rücken - trotz der Tatsache, daß diese Frage in der Dynamik ihres Kampfes gegen die immer frontaleren Angriffe des Kapitalismus enthalten ist -, zu einem großen Teil aus dem Druck herrühren, der vom Zerfall ausgeübt wird. Insbesondere das Zögern des Proletariats angesichts der Notwendigkeit, seine Kämpfe auf ein höheres Niveau zu heben, hat sich, obwohl dies bereits ein allgemeines Kennzeichen des Klassenkampfes war, als ihn Marx im 18. Brumaire analysierte, durch diese mangelnde Selbstvertrauen und Vertrauen in die Zukunft, die der Zerfall in der Klasse bewirkt, noch vergrößert. Auch die Ideologie des "Jeder für sich", besonders ausgeprägt in der aktuellen Periode, konnte die Wirkung der Fallen des Korporatismus, die die Herrschenden erfolgreich gegen die Kämpfe in den letzten Jahren angewandt haben, nur begünstigen.
So hat während der gesamten achtziger Jahre der Zerfall der kapitalistischen Gesellschaft eine Bremserrolle im Bewußtwerdungsprozeß der Arbeiterklasse gespielt. Neben den anderen, in der Vergangenheit bereits identifizierten Elementen, die zur Verlangsamung dieses Prozesses beitrugen, als da wären:

  • der langsame Rhythmus der Krise selbst;
  • die Schwäche der politischen Klassenorganisationen, die aus dem organischen Bruch zwischen den Organisationen der Vergangenheit und jenen Organisationen resultierte, die mit dem historischen Wiederaufleben des Klassenkampfes Ende der 60er Jahre aufgetaucht sind,

... ist es also wichtig, den Druck des Zerfalls mit zu berücksichtigen. Aber diese verschiedenen Elemente wirken nicht auf die gleiche Weise. Während der Zeitfaktor zur Verringerung des Gewichts der beiden erstgenannten Elemente beiträgt, erhöht er im Falle des letztgenannten Elements den Druck. Es ist also fundamental zu verstehen, daß je länger die Arbeiterklasse zögert, den Kapitalismus zu stürzen, desto größer die Gefahren und schädlichen Auswirkungen des Zerfalls werden.

16. In der Tat muß man verdeutlichen, daß heute die Zeit im Gegensatz zu den siebziger Jahren nicht mehr zugunsten der Arbeiterklasse arbeitet. Solange die Gefahr der Zerstörung der Gesellschaft nur durch den imperialistischen Krieg ausging, reichte die bloße Tatsache, daß die Kämpfe des Proletariats in der Lage waren, sich als entscheidende Barriere gegen eine solche "Lösung" zu behaupten, aus, um den Weg zu dieser Zerstörung zu versperren. Doch im Gegensatz zum imperialistischen Krieg, der für seine Entfesselung das Bekenntnis der Arbeiterklasse zu den Idealen der Bourgeoisie erfordert, benötigt der Zerfall keineswegs die Mobilisierung der Arbeiterklasse, um die Menschheit zu zerstören. So wie sie nicht dem wirtschaftlichen Zusammenbruch trotzen können, so sind die Kämpfe des Proletariats in diesem System auch nicht in der Lage, den Zerfall zu bremsen. Daher ist, selbst wenn die Gefahr, die der Zerfall für das Leben der Gesellschaft darstellt, viel langfristiger erscheint als jene, die von einem Weltkrieg ausgeht (falls die Bedingungen dafür existieren, was heute nicht der Fall ist), diese Gefahr umso heimtückischer. Um der Bedrohung ein Ende zu machen, die der Zerfall darstellt, reicht der Widerstand der Arbeiter gegen die Folgen der Krise nicht mehr aus: allein die kommunistische Revolution kann solch einer Gefahr beikommen. Auch kann das Proletariat in der Zukunft nicht darauf hoffen, die Schwächung, die der Zerfall in der Bourgeoisie selbst bewirkt, zu seinen Gunsten auszunutzen. In dieser Periode muß es sein Ziel sein, den schädlichen Auswirkungen des Zerfalls in seinen eigenen Reihen zu trotzen, indem es nur auf seine eigenen Kräfte zählt, auf seine Fähigkeit baut, sich kollektiv und solidarisch für die Verteidigung seiner Interessen als ausgebeutete Klasse einzusetzen (selbst wenn die Propaganda der Revolutionäre ständig die Gefahren des Zerfalls unterstreichen muß). Nur in der vorrevolutionären Periode, d.h. wenn das Proletariat zur Offensive übergegangen ist, wenn  es sich direkt und offen im Kampf für seine eigenen historische Perspektive engagiert, kann es bestimmte Effekte des Zerfalls, insbesondere den Zerfall der bürgerlichen Ideologie und der Kräfte der kapitalistischen Macht, als Hebel benutzen und gegen das Kapital wenden.

17. Die Offenlegung der großen Gefahren, die für die Arbeiterklasse und die ganze Menschheit vom historischen Phänomen des Zerfalls ausgehen, darf die Klasse und besonders ihre revolutionären Minderheiten nicht dazu veranlasssen, eine fatalistische Haltung ihm gegenüber einzunehmen. Heute bleiben die historischen Möglichkeiten völlig offen. Trotz des Schlags, der der Bewußtwerdung des Proletariats durch den Zusammenbruch des Ostblocks verabreicht wurde, hat das Proletariat auf seinem Klassenterrain keine große Niederlage erlitten. in diesem Sinne bleibt sein Kampfgeist praktisch intakt. Aber darüber hinaus, und das ist das Element, das in letzter Instanz die Entwicklung der Weltlage bestimmt, bildet derselbe Faktor, der sich am Anfang der Entwicklung des Zerfalls befindet, den wesentlichen Ansporn für den Kampf und die Bewußtwerdung der Klasse, die eigentliche Bedingung für ihre Fähigkeit, dem ideologischen Gift der gesellschaftlichen Fäulnis zu widerstehen. Denn auch wenn das Proletariat kein Terrain findet, um die Teilkämpfe gegen die Auswirkungen des Zerfalls zu vereinen, bildet sein Kampf gegen die direkten Auswirkungen der Krise die Grundlage für die Weiterentwicklung seiner Klassenstärke und Einheit.  Die Entfaltung der Krise ist Voraussetzung dafür, daß die Klasse in der Lage ist, dem ideologischen Gift der Fäulnis der Gesellschaft entgegenzutreten. Obwohl die Arbeiterklasse sich in den sog. Teilkämpfen gegen die Auswirkungen des Zerfalls nicht als Klasse zusammenschließen kann, bildet der Kampf gegen die direkten Auswirkungen der Krise dennoch die Grundlage für die Entfaltung ihrer Stärke und ihrer Einheit als Klasse. Dies ist so, weil:

  • die ökonmischen Attacken (Lohnsenkungen, Entlassungen, Verschärfung der Arbeitshetze, etc.) im Gegensatz zu den Auswirkungen des Zerfalls (z.B. die Umweltverschmutzung, die Drogensucht, die Unsicherheit usw.), die relativ unterschiedslos alle Gesellschaftsschichten erfassen und einen günstigen Nährboden für klassenübergreifende Kampagnen und Mystifikationen bilden (wie Ökologie, Anti-AKW-Bewegungen, antirassistische Mobilisierungen usw.), direkt aus der Krise herrühren, die ganz spezifisch das Proletariat (das heißt, die Mehrwert produzierende und auf diesem Terrain das Kapital konfrontierende Klasse) betrifft;
  • die Wirtschaftskrise im Gegensatz zum gesellschaftlichen Zerfall, der hauptsächlich den Überbau betrifft, ein Phänomen ist, das direkt die Infrastruktur der Gesellschaft selbst ergreift, auf denen dieser Überbau ruht; daher stellt die Krise die ultimativen Ursachen der gesamten Barbarei bloß, unter der  die Gesellschaft leidet, und ermöglicht somit der Arbeiterklasse, sich der Notwendigkeit einer radikalen Umwälzung dieses Systems bewußt zu werden, ohne zu versuchen, einige Teilaspekte zu verbessern.

Die Krise kann jedoch selbst nicht die Probleme und Schwierigkeiten lösen, auf die das Proletariat stößt und noch öfter stoßen wird. Nur...

  • das Bewußtsein darüber, was in der gegenwärtigen historischen Situation auf dem Spiel steht, und insbesondere ein Bewußtsein über die tödlichen Gefahren, die der Zerfall für die Menschheit mit sich bringt;
  • seine Entschlossenheit, seinen Kampf als Klasse fortzusetzen, ihn weiterzuentwickeln und zu vereinigen;
  • seine Fähigkeit, die vielfältigen Fallen zu umgehen, den die vom Zerfall selbst befallene Bourgeoisie nicht versäumen wird aufzustellen,

... wird es dem Proletariat ermöglichen, den Angriffen des Kapitalismus jeweils entgegenzutreten, um letztendlich in die Offensive überzugehen und dieses barbarische System niederzureißen.
Die Verantwortung der Revolutionäre besteht darin, aktiv zur Weiterentwicklung dieses Kampfes des Proletariats beizutragen.

Mai 1990

Erschienen in INTERNATIONALE REVUE, Nr. 13.
 

 

 

 
Quell-URL: https://de.internationalism.org/Zerfall/13 [1]

 

Theoretische Fragen: 

  • Zerfall [2]

Erbe der kommunistischen Linke: 

  • Dekadenz des Kapitalismus [3]

Orientierungstext: Militarismus und Zerfall

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Mehrmals sah sich die IKS veranlaßt, auf die Bedeutung der Frage des Militarismus und des Krieges in der Dekadenzperiode (1) sowohl für das  Leben des Kapitalismus selbst wie auch aus der Sicht des Proletariats zu beharren. Aufgrund der vielen Ereignisse während des letzten Jahres, die alle von einer großen historischen Bedeutung sind (Zusammenbruch des Ostblocks, Golfkrieg), die die ganze Weltlage umgeworfen haben, und mit dem Eintritt des Kapitalismus in die letzte Phase seiner Dekadenz, die des Zerfalls (2), müssen sich die Revolutionäre in dieser wesentlichen Frage der Rolle des Militarismus in dieser neuen Weltlage völlige Klarheit verschaffen.


Der Marxismus - eine lebendige Theorie

1. Im Gegensatz zur bordigistischen Strömung hat die IKS nie den Marxismus als eine "invariante (unabänderliche) Doktrin" aufgefaßt, sondern als eine lebendige Gedankenwelt, für die jedes bedeutsame historische Ereignis eine Gelegenheit zur Bereicherung darstellt. Solche Ereignisse erlauben entweder eine Bestätigung des Rahmens und der zuvor entwickelten Analysen und stützen sie, oder sie zeigen auf, daß einige von ihnen überholt sind, was einen Denkprozeß erfordert, um das Anwendungsgebiet der bisher gültigen, nun aber veralteten Schemata zu erweitern oder gar ohne Umschweife neue zu erarbeiten, die der neuen Wirklichkeit Rechnung tragen. Die revolutionären Organisationen und Militanten tragen die besondere und fundamentale Verantwortung, dieses Bemühen um einen Denkprozeß mit Herzblut auszuführen und, wie unsere Ahnen Lenin, Luxemburg, die Italienische Fraktion der Internationalen Kommunistischen Linken (BILAN), die Kommunistische Linke Frankreichs usw., gleichzeitig vorsichtig und kühn vorwärtszuschreiten:

  • indem sie sich fest auf die Errungenschaften der marxistischen Grundlagen stützen,
  • indem sie die Wirklichkeit ohne Scheuklappen untersuchen und indem sie die Gedankenwelt "ohne Verbote und ohne Ächtung" (BILAN) zur Entfaltung verhelfen.

Angesichts solcher historischen Ereignisse ist es besonders wichtig, daß die Revolutionäre in der Lage sind, die veralteten von den nach wie vor gültigen Analysen unterscheiden, um eine doppelte Klippe zu umschiffen: entweder sich in seiner Verknöcherung einzuschließen oder "das Kind mit dem Bade auszuschütten". Konkret: es ist notwendig, das herauszuschälen, was in diesen Analysen essentiell, fundamental bleibt und seine Gültigkeit behält bei all den unterschiedlichen historischen Bedingungen, die zweitrangig und situationsbedingt sind, kurzum: unterscheiden können zwischen dem Wesentlichen einer Wirklichkeit und ihren unterschiedlichen, besonderen Erscheinungsweisen.

2. Seit einem Jahr hat es beträchtliche Umwälzungen auf der Welt gegeben, die das Aussehen der Welt, so wie sie sich seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs entwickelt hatte, sichtlich verändert haben. Die IKS hat sich emsig darum bemüht, diese Umwälzungen aufmerksam zu verfolgen:

  • um ihrer historischen Bedeutung Rechnung zu tragen,
  • um zu untersuchen, in welchem Maße sie den Rahmen der bis dahin gültigen Analyse bestätigen oder verwerfen.

So können diese historischen Ereignisse (die Agonie des Stalinismus, das Verschwinden des Ostblocks, die Auflösung des westlichen Blocks) - auch wenn sie in ihren Besonderheiten nicht von uns vorausgesehen wurden - voll in den Rahmen der Analyse und des Verständnisses der gegenwärtigen historischen Periode eingegliedert werden, der zuvor von der IKS erarbeitet worden war: die Phase des Zerfalls.
Das gleiche trifft auf den Krieg am Persischen Golf zu. Aber die Bedeutung dieser Ereignisse sowie die Konfusion, die sie in den Reihen der Revolutionäre stifteten, hat unserer Organisation die Verantwortung aufgezwungen, die Auswirkungen und den Widerhall der Merkmale der Zerfallsphase auf die Frage des Militarismus und des Kriegs zu verstehen und zu begreifen, wie sich diese Frage in der neuen historischen Periode stellt.


Der Militarismus im Zentrum der Dekadenz des Kapitalismus

3. Der Militarismus und der Krieg konstituieren ein fundamentales Element im Leben des Kapitalismus seit dem Eintritt dieses Systems in die Epoche seiner Dekadenz. Sobald der Weltmarkt am Anfang dieses Jahrhunderts vollständig gebildet und die Welt in koloniale Jagdgebiete und Handelszonen für die verschiedenen fortgeschrittenen kapitalistischen Nationen aufgeteilt war, konnte die Verschärfung der wirtschaftlichen Konkurrenz zwischen den Nationen nur zu einer Zuspitzung der militärischen Spannungen, zur Bildung immer imposanterer Waffenarsenale und zur wachsenden Unterordnung des gesamten wirtschaftlichen und sozialen Lebens unter die Imperative der militärischen Sphäre führen. In der Tat bilden der Militarismus und der imperialistische Krieg die zentralen Manifestationen des Eintritts des Kapitalismus in den Zeitraum seiner Dekadenz (und die Auslösung des Ersten Weltkriegs steht für den Beginn dieser Epoche), was so weit ging, daß für die damaligen Revolutionäre der Imperialismus und der dekadente Kapitalismus zu Synonymen wurden. Der Imperialismus war keine besondere Erscheinungsform des Kapitalismus, sondern seine Überlebensform in der neuen historischen Periode. Nicht der eine oder andere Staat war imperialistisch geworden, sondern alle Staaten, wie Rosa Luxemburg enthüllte. Wenn der Imperialismus, der Militarismus und der Krieg an diesem Punkt mit der Epoche der Dekadenz identifiziert werden konnten, dann deshalb, weil die kapitalistischen Produktionsverhältnisse zu einer Fessel für die Entwicklung der Produktivkräfte geworden sind: Der - auf der Ebene der globalen Ökonomie -völlig irrationale Charakter der Rüstungsausgaben und des Krieges spiegeln nur die Abartigkeit wider, den die Aufrechterhaltung dieser Produktionsverhältnisse bedeuten. Insbesondere die ständige und wachsende Selbstzerstörung des Kapitals, die zwangsläufig aus dieser Existenzweise hervorgeht, ist ein Symbol für die Agonie dieses Systems, das enthüllt, daß Letzteres von der Geschichte abgeurteilt ist.


Staatskapitalismus und imperialistische Blöcke

4. Konfrontiert mit einer Situation, in der der Krieg im gesellschaftlichen Leben allgegenwärtig ist, hat der Kapitalismus in seiner Dekadenz zwei Phänomene entwickelt, die die Hauptcharakteristiken dieser Epoche bilden: den Staatskapitalismus und die imperialistischen Blöcke. Der Staatskapitalismus, dessen erste bedeutsame Manifestation aus der Zeit des Ersten Weltkriegs datiert, antwortet auf das Bedürfnis eines jeden Landes, angesichts der Konfrontation mit den anderen Nationen ein Höchstmaß an Disziplin seitens der verschiedenen Teile der Gesellschaft anzustreben, die Zusammenstöße zwischen den Klassen, aber auch zwischen rivalisierenden Fraktionen der herrschenden Klasse so stark wie möglich zu reduzieren, um insbesondere das gesamte ökonomische Potential zu mobilisieren und zu kontrollieren. Gleichermaßen enstspricht die Formierung von imperialistischen Blöcken der Notwendigkeit, eine solche Disziplin auch den verschiedenen nationalen Bourgeoisien aufzuzwingen, um ihre wechselseitigen Antagonismen einzuhegen und sie für die Hauptkonfrontation, nämlich die zwischen den beiden militärischen Lagern, zusammenzuschließen. Und in dem Maße, wie der Kapitalismus in seine Dekadenz und in seiner historischen Krise versinkt, haben sich auch diese beiden Charakteristiken verschärft. Insbesondere der Staatskapitalismus spiegelt auf der Ebene eines ganzen imperialistischen Blocks, wie er sich nach dem Zweiten Weltkrieg entfaltet hat, die Zuspitzung dieser beiden Phänomene wider. Daher sind weder der Staatskapitalismus noch die imperialistischen Blöcke und auch nicht die Kombination beider Ausdruck irgendeiner "Befriedung" der Verhältnisse zwischen den unterschiedlichen Sektoren des Kapitals und noch weniger eine "Stärkung" beider Phänomene. Im Gegenteil, sie sind nur Mittel, die von der kapitalistischen Gesellschaft abgesondert wurden, um zu versuchen, der wachsenden Tendenz  ihrer Auflösung zu trotzen. (3)


Der Imperialismus in der Zerfallsphase des Kapitalismus

5. Der allgemeine Zerfall der Gesellschaft stellt die letzte Phase in der Epoche der Dekadenz des Kapitalismus dar. In diesem Sinne werden in dieser Phase die typischen Charakteristiken der Dekadenzperiode nicht hinfällig: die historische Krise der kapitalistischen Ökonomie, der Staatskapitalismus und auch die grundlegenden Phänomene wie der Militarismus und der Imperialismus. Mehr noch: in dem Maße, wie der Zerfall sich als der Höhepunkt der Widersprüche präsentiert, derer sich der Kapitalismus seit dem Beginn seiner Dekadenz in wachsendem Maße erwehren muß, spitzen sich auch die typischen Charakteristiken dieser Periode in der ultimativen Phase der Dekadenz zu:

  • infolge des unaufhaltsamen Versinkens des Kapitalismus in die Krise wird der Zerfall immer verheerender;
  • die Tendenz zum Staatskapitalismus wird damit keineswegs infrage gestellt, ganz im Gegenteil, es verschwinden nur einige seiner parasitärsten und absurdesten Formen wie der Stalinismus heute(4).

Das gleiche trifft auf den Militarismus und Imperialismus zu, wie man schon in den 80er Jahren feststellen konnte, als das Phänomen des Zerfalls in Erscheinung trat und sich verbreitete. Und auch die Tatsache, daß die Welt jetzt, nach dem Zusammenbruch des Ostblocks, nicht mehr in zwei Blöcke gespalten ist, ändert nichts an dieser Wirklichkeit. In der Tat befand sich nicht die Bildung zweier imperialistischer Blöcke am Ausgangspunkt des Militarismus und des Imperialismus. Das Gegenteil ist der Fall: die Bildung der Blöcke ist nur die äußerste Konsequenz (die in einem gegebenen Zeitpunkt die Ursachen selbst verschärfen kann), eine Manifestation (und sicher nicht die einzige) des Versinkens des dekadenten Kapitalismus im Militarismus und im Krieg. Auf gewisse Weise verhält es sich mit der Bildung von Blöcken gegenüber dem Imperialismus so wie mit dem Stalinismus gegenüber dem Staatskapitalismus. Genausowenig wie das Ende des Stalinismus die historische Tendenz des Staatskapitalismus infrage stellt, von dem er nur ein Ausdruck war, impliziert das gegenwärtige Verschwinden der Blöcke eine Verringerung oder gar Infragestellung des beherrschenden Einflusses des Imperialismus auf die Gesellschaft. Der fundamentale Unterschied liegt in der Tatsache, daß, wenn das Ende des Stalinismus der Eliminierung einer besonders absurden Form des Staatskapitalismus gleich kam, das Ende der Blöcke die Tür zu einer noch barbarischeren, absurderen, chaotischeren Form des Imperialismus öffnet.

6. Diese Analyse hatte die IKS bereits zur Zeit des Zusammenbruchs des Ostblocks erarbeitet:
„Im Zeitalter der Dekadenz des Kapitalismus sind alle Staaten imperialistisch und treffen Anordnungen, um sich dieser Realität anzupassen: Kriegswirtschaft, Rüstung usw. Daher wird die Zuspitzung der Erschütterungen der Weltwirtschaft die Spannungenzwischen den verschiedenen Staaten auf militärischer Ebene immer weiter  verschärfen. Im Unterschied zu der jetzt zu Ende gegangenen Epoche werden diese Spannungen und Antagonismen, die bisher von den beiden großen imperialistischen Blöcken im Griff gehalten und ausgenutzt wurden, jetzt in den Vordergrund rücken. Das Verschwinden des russischen imperialistischen Gendarmen und damit auch die Auflösung der Gendarmenrolle des amerikanischen Imperialismus gegenüber seinen 'Hauptpartnern' von gestern öffnet die Tür zur Entfesselung einer ganzen Reihe von lokalen Rivalitäten. Diese Rivalitäten und Zusammenstöße können gegenwärtig nicht in einem globalen Konflikt ausarten (selbst wenn das Proletariat nicht mehr in der Lage wäre, sich dagegen zur Wehr zu setzen). Jedoch werden infolge des Verschwindens der durch die Präsenz der Blöcke aufgezwungenen Disziplin diese Konflikte viel häufiger und gewalttätiger werden, insbesondere in den Regionen, wo die Arbeiterklasse am schwächsten ist." ("Nach dem Zusammenbruch des Ostblocks: Destabilisierung und Chaos", INTERNATIONALE REVUE, Nr. 61, engl., franz., span. Ausgabe)
"Die Zuspitzung der  Krise der kapitalistischen Weltwirtschaft wird zwangsläufig eine neue Verschärfung der inneren Widersprüche der bürgerlichen Klasse hervorrufen. Wie in der Vergangenheit werden sich diese Widersprüche auf der Ebene der kriegerischen Antagonismen manifestieren: im dekadenten Kapitalismus kann der Handelskrieg nur zu einer Flucht nach vorn in den Krieg der Waffen führen. In diesem Sinne muß man den pazifistischen Illusionen, die sich infolge der 'Verbesserung' der Beziehungen zwischen den USA und der UdSSR verbreiteten, entschlossen entgegentreten: auch wenn die militärischen Konfrontationen zwischen Staaten jetzt nicht mehr von den Großmächten manipuliert und ausgenutzt werden, sind sie nicht im Begriff zu verschwinden. Ganz im Gegenteil, wie die Vergangenheit zeigt, bilden der Militarismus und der Krieg die eigentliche Lebensform des dekadenten Kapitalismus, und die Vertiefung der Krise kann dies nur bestätigen. Was sich jedoch im Vergleich zur Vergangenheit ändert, ist die Tatsache, daß diese militärischen Gegensätze gegenwärtig nicht die Form einer Konfrontation zwischen zwei großen imperialistischen Blöcken annehmen..." (Resolution zur internationalen Lage, Juni 1990, INTERNATIONALE REVUE, Nr. 63, engl., franz., span. Ausgabe).
Diese Analyse wird durch den Krieg am Persischen Golf heute vollauf bestätigt.


Der Golfkrieg: die erste Manifestation der neuen Weltlage

7. Dieser Krieg stellt die erste Manifestation einer Situation dar, in der sich die Welt nach dem Zusammenbruch des Ostblocks befindet (daher ist sie heute von ungeheurer Bedeutung):

  • Sie dokumentiert mit dem "unkontrollierten" Abenteuer des Irak, der sich ein anderes Land einverleibte, das dem einstigen dominanten Block angehörte, das Verschwinden auch des westlichen Blocks.
  • Sie enthüllt die Zunahme der Tendenz (die typisch ist für die kapitalistische Dekadenz) unter allen Ländern, die bewaffneten Kräfte zu benutzen, um zu versuchen, sich aus dem immer unerträglicheren Würgegriff der Krise zu lösen.
  • Sie zeigt mit dem Aufmarsch der atemberaubenden militärischen Macht der USA und ihrer "Verbündeten" die Tatsache auf, daß  immer mehr allein diese Militärmacht in der Lage ist, ein Mindestmaß an Stabilität in einer Welt aufrechtzuerhalten, die von wachsendem Chaos bedroht ist.

So ist dieser Krieg nicht, wie der größte Teil des politischen Milieus des Proletariats behauptet, ein "Krieg um den Preis des Erdöls". Er kann nicht auf einen "Krieg um die Kontrolle des Mittleren Osten" reduziert werden, wie wichtig diese Region auch sein mag. Auch versucht die militärische Operation am Persischen Golf nicht nur das Chaos, das sich in der Dritten Welt entwickelt, einzuschränken. All diese Elemente spielen natürlich eine Rolle. Es stimmt, daß die Mehrheit der westlichen Länder an einem niedrigen Ölpreis interessiert ist (im Gegensatz zur UdSSR, die trotz ihrer geringen Mittel mit voller Kraft an den Aktionen gegen den Irak mitwirkt), doch mit den Mitteln, die dabei eingesetzt wurden (und die den Ölpreis weit über die Forderungen des Iraks haben anschnellen lassen) wird  solch eine Ölpreissenkung nicht bewirkt. Es stimmt auch, daß die Kontrolle der Erdölfelder für die USA von großem Interesse ist und ihre Position gegenüber den Handelsrivalen (Westeuropa und Japan) stärkt: warum aber unterstützen dann diese Rivalen die USA bei ihrem Vorgehen? Klar ist auch, daß die UdSSR an einer Stabilisierung der Region des Mittleren Ostens interessiert ist, da sie in unmittelbarer Nachbarschaft zu ihren ohnehin unruhigen zentralasiatischen und kaukasischen Republiken liegt. Doch das Chaos, das sich in der UdSSR ausbreitet, betrifft nicht nur dieses Land; die mitteleuropäischen Ländern und damit auch die westeuropäischen Länder sind besonders davon betroffen, was in der Zone des früheren Ostblocks passiert. Allgemeiner, wenn die fortgeschrittenen Länder sich mit dem Chaos befassen, das sich in bestimmten Regionen der "Dritten Welt" ausbreitet, dann deshalb, weil sie selbst wegen der neuen Weltlage heute durch dieses Chaos geschwächt werden.

8. In Wirklichkeit wird versucht, mit Hilfe der Operation "Wüstenschild" und der mit ihr verbundenen Aktionen das Chaos einzudämmen, das schon einen Großteil der Welt erfaßt und nunmehr direkt die großen, entwickelten Länder und ihre Beziehungen untereinander bedoht. In der Tat ist mit dem Ende der Aufteilung der Welt in zwei große imperialistische Blöcke ein wesentlicher Faktor verschwunden, der einen gewissen Zusammenhalt zwischen diesen Staaten aufrechterhalten hatte. Die für die neue Periode typische Tendenz ist das "Jeder für sich" und, unter Umständen, für die mächtigsten Staaten ihr Anspruch auf die Übernahme der "Führung" eines neuen Blocks. Aber gleichzeitig versucht die Bourgeoisie dieser Länder unter Berücksichtigung der Gefahren, die eine solche Situation mit sich bringt, gegenüber solch einer Tendenz zu reagieren. Mit der neuen Stufe im allgemeinen Chaos, den das irakische Abenteuer zum Ausdruck bringt (das hinter der Hand durch die "konziliante" Haltung der USA gegenüber dem Irak vor dem 2. August begünstigt wurde, mit dem Ziel, anschließend "ein Exempel zu statuieren"), hatte die "internationale Gemeinschaft" (die so von den Medien genannt wird und weit mehr als den alten Westblock umfaßt, seitdem auch die UdSSR mit von der Partie ist) keine andere Wahl, als sich hinter die Autorität der ersten Weltmacht und insbesondere ihre Militärmacht zu stellen, der einzigen, die in der Lage ist, an jedem Ort der Welt für Ordnung zu sorgen.
Der Krieg am Golf zeigt somit, daß es gegenüber der für die Zerfallsphase typischen Tendenz zum allgemeinen Chaos, die durch den Zusammenbruch des Ostblocks erheblich beschleunigt wurde,  für den Kapitalismus bei seinem Versuch, die verschiedenen Teile eines sich auflösenden Körpers zusammenzuhalten,  keinen anderen Ausweg gibt als die Auferlegung eines eisernen Korsetts, das die bewaffneten Kräfte bilden.(5) Deshalb sind die Mittel, die er einsetzt, um dieses immer blutigere Chaos einzudämmen, selbst ein beträchtlicher Faktor bei der Verschärfung der kriegerischen Barbarei, in die der Kapitalismus versinkt.


Keine Aussichten auf eine Bildung neuer Blöcke

9. Währung sich die Konstituierung von Blöcken historisch als die Konsequenz aus der Entwicklung des Militarismus und Imperialismus darstellt, bildet die Zuspitzung der beiden in der gegenwärtigen Phase im Leben des Kapitalismus paradoxeweise ein Haupthindernis bei der Bildung eines neuen Blocksystems, das an die Stelle der alten Blockkonstellation treten könnte. Die Geschichte (insbesondere nach dem Zweiten Weltkrieg) hat verdeutlicht, daß die Auflösung eines imperialistischen Blocks (z.B. den der "Achse") nicht nur die Auflösung des anderen Blocks nach sich zog (die "Alliierten"), sondern auch zur Ausbildung eines neuen "Paares" antagonistischer Blöcke (Ost und West) führte. Aus diesem Grund birgt auch die gegenwärtige Lage unter dem Druck der Krise und der Zuspitzung der imperialistischen Spannungen die Tendenz zur Bildung von zwei neuen imperialistischen Blöcken in sich. Doch daß die militärische Schlagkraft - wie der Golfkrieg bestätigte - solch ein maßgeblicher Faktor in den Bemühungen der fortgeschrittenen Länder geworden ist, das weltweite Chaos einzudämmen, bildet eine erhebliche Behinderung dieser Tendenz. Tatsächlich hat dieser Krieg die erdrückende Überlegenheit der US-Militärmacht (um es vorsichtig auszudrücken) gegenüber den anderen entwickelten Ländern vor Augen geführt (diese Machtdemonstration war im Grunde eines der Hauptziele dieses Landes): diese Militärmacht allein ist mindestens so groß wie die aller anderen Länder der Erde zusammengenommen. Und solch ein Ungleichgewicht kann nicht so schnell ausgeglichen werden; es gibt auf absehbare Zeit kein Land, das in der Lage wäre, den USA ein Rüstungspotential entgegenzusetzen, das ihm erlauben würde, die Stellung des Führers eines mit den USA rivalisierendes Blocks anzustreben. Und selbst auf längere Zeit ist die Liste der Kandidaten für eine solche Stellung äußerst begrenzt.

10. In Wirklichkeit ist es ausgeschlossen, daß beispielsweise der Führer des Blocks, der gerade zusammenbricht, die UdSSR, diese Stellung eines Tages zurückerobert. Tatsächlich stellt die Tatsache, daß dieses Land in der Vergangenheit solch eine Rolle spielen konnte, an sich schon eine Absurdität, einen Unfall der Geschichte dar. Aufgrund ihrer in jeder Hinsicht beträchtlichen Rückständigkeit (ökonomisch, aber auch politisch und kulturell) verfügte die UdSSR nicht über die Attribute, die es ihr erlaubten, ganz "natürlich" einen Block um sich herum zu bilden(6). Wenn sie dennoch einen solchen Rang erklommen hatte, dann dank der "Gnade" Hitlers, der sie 1941 in den Krieg zog, und der "Verbündeten", die sie auf Jalta dafür "belohnten", daß sie eine zweite Front gegen Deutschland bildete, und die ihren Tribut von 20 Millionen Toten, der von ihrer Bevölkerung bezahlt wurde, dadurch entschädigte, daß sie der UdSSR die mitteleuropäischen Länder überließen, die nach dem Zusammenbruch Deutschlands von russischen Truppen okkupiert worden waren(7). Gerade weil die UdSSR ihre Rolle als Blockführer nicht erfüllen konnte, war sie, um ihr Imperium zu erhalten, gezwungen gewesen, ihrem Produktivapparat eine Kriegswirtschaft aufzuzwingen, die diesen vollständig ruinierte. Abgesehen davon, daß er eine besonders aberwitzige Form des Staatskapitalismus bestrafte (der nicht einer "organischen" Entwicklung des Kapitals entsprang, sondern aus der Eliminierung der klassischen Bourgeoisie durch die Revolution von 1917 resultierte), war der spektakuläre Zusammenbruch des Ostblocks nichts anderes als der Ausdruck der Revanche der Geschichte an dieser ursprünglichen Absurdität. Aus diesen Gründen kann die UdSSR  trotz ihres gewaltigen Waffenarsenals nie mehr diese Hauptrolle auf der internationalen Bühne spielen. Dies umso weniger, als die Dynamik der Auflösung ihres äußeren Reiches sich ebenso in ihrem Innern fortsetzen wird und letztlich Rußland der Territorien berauben wird, die es im Laufe der letzten Jahrhunderte kolonisiert hatte. Weil Rußland versucht hatte, eine Rolle als Weltmacht zu spielen, was seine Kräfte überstieg, fällt es jetzt auf eine drittrangige Position zurück, die es zuletzt vor der Zeit Peters des Großen eingenommen hatte.
Die beiden einzigen potentiellen Aspiranten für die Blockführerschaft, Japan und Deutschland, können jedoch auf absehbarer Zeit solch eine Rolle nicht übernehmen. Japan kann trotz seiner Industriemacht und seiner ökonomischen Dynamik nie Ansprüche auf einen solchen Rang erheben, und zwar aufgrund seiner geographischen Lage weit abgelegen von der größten Industriekonzentration der Welt: Westeuropa. Was Deutschland angeht, dem einzigen Land, das möglicherweise wieder in die Rolle schlüpfen kann, die es schon in der Vergangenheit innehatte, so gestattet es seine gegenwärtige Militärmacht (es verfügt nicht einmal über Atomwaffen!) ihm nicht, auf absehbare Zeit den USA auf diesem Terrain entgegenzutreten. Und in dem gleichen Maße, wie der Kapitalismus in seiner Dekadenz versinken wird, ist es für einen Blockführer immer unerläßlicher, über erdrückende militärische Überlegenheit zu verfügen, um seinen Rang zu verteidigen.


Die Vereinigten Staaten: der einzige Weltpolizist

11. So konnte es zu Anfang der Dekadenzperiode und bis in die ersten Jahre des Zweiten Weltkriegs hinein eine gewisse "Parität" zwischen verschiedenen Partnern einer imperialistischen Koalition geben, obgleich es stets die Notwendigkeit eines Platzhirsches gab. Zum Beispiel existierte im Ersten Weltkrieg in Bezug auf die einsatzfähige militärische Schlagkraft keine grundlegende Disparität zwischen den drei "Siegern": Großbritannien, Frankreich und den USA. Im Verlauf des Zweiten Weltkrieges jedoch hatte sich die Lage beträchtlich verändert, denn die "Sieger" gerieten nunmehr in eine enge Abhängigkeit von den USA, die eine erhebliche Überlegenheit gegenüber ihren "Verbündeten" ausübten. Diese verstärkte sich noch im Verlauf des gesamten "Kalten Krieges" (der jetzt zu Ende geht), als beide Blockführer, die USA und die UdSSR, durch die Kontrolle über die zerstörerischsten Atomwaffen über eine absolut erdrückende Überlegenheit gegenüber den anderen Ländern ihres Blocks verfügten. Eine solche Tendenz erklärt sich aus der Tatsache, daß mit dem Versinken des Kapitalismus in seiner Dekadenz:

  • die Herausforderungen und die Dimension der Konflikte zwischen den Blöcken immer globalere, allgemeinere  Ausmaße annehmen (je mehr Gangster kontrolliert werden müssen, desto stärker muß der "Gangsterboß" sein);
  • die Waffensysteme immer wahnwitzigere Investitionen erfordern (insbesondere können nur die ganz großen Länder die für den Aufbau von kompletten Atomwaffenarsenalen erforderlichen Ressourcen bereitstellen und ausreichende Mittel in die Entwicklung der komplizierter Waffensysteme stecken);
  • vor allem die zentrifugalen Tendenzen zwischen den Staaten, die aus der Zuspitzung der nationalen Gegensätze resultieren, sich nur weiter verstärken können.

Mit diesem letztgenannten Faktor verhält sich so wie mit dem Staatskapitalismus: je mehr sich die verschiedenen Fraktionen einer nationalen Bourgeoisie unter dem Druck der Krise und der damit angefachten Konkurrenz  zerfleischen, umso mehr muß sich der Staat verstärken, um seine Autorität über sie auszuüben. Und je mehr Schäden die historische Krise und ihre offene Form anrichtet, desto stärker muß ein Blockführer sein, um die Auflösungstendenzen der verschiedenen nationalen Fraktionen einzugrenzen und zu kontrollieren. Es liegt auf der Hand, daß sich in der letzten Phase der Dekadenz, im Zerfall, ein solches Phänomen nur noch ins Unermeßliche steigern kann.
Wegen all dieser Gründe und insbesondere aufgrund des letztgenannten ist die Bildung einer neuen imperialistischen Blockkonstellation nicht nur in den nächsten Jahren unmöglich, sondern wird möglicherweise nie mehr eintreten: entweder die proletarische Revolution oder die Zerstörung der Menschheit wird dem zuvorkommen. In der neuen historischen Epoche, in die wir eingetreten sind und die von den Ereignissen am Persischen Golf bestätigt wird, zeigt sich die Welt als ein riesiger Hexenkessel, in dem die Tendenz zum "Jeder für sich" voll zum Tragen kommt und in dem die zwischenstaatlichen Allianzen weit entfernt von jener Stabilität sind, die die Blöcke auszeichnen,  sondern von den Bedürfnissen des Moments diktiert sind. Eine Welt in tödlicher Unordnung, in blutigem Chaos, in dem der amerikanische Gendarm für ein Minimum an Ordnung durch den immer massiveren und brutaleren Einsatz seiner Militärmacht zu sorgen versucht.


Stehen wir vor einem "Super-Imperialismus"?

12. Die Tatsache, daß in der kommenden Zeit die Welt nicht mehr in imperialistische Blöcke gespalten ist, daß eine einzige Macht - die Vereinigten Staaten - die "Führung" der Welt innehat, bedeutet keinesfalls, daß die These vom "Super-Imperialismus" (oder "Ultra-Imperialismus"), wie sie von Kautsky während des Ersten Weltkriegs entwickelt wurde, heute richtig ist. Diese These war bereits vor dem Krieg von der opportunistischen Strömung, die sich in der Sozialdemokratie ausgebreitet hatte, erarbeitet worden. Sie hatte ihre Wurzel in der gradualistischen und reformistischen Auffassung, die davon ausging, daß die Widersprüche (zwischen Klassen und Nationen) innerhalb der kapitalistischen Gesellschaft abgeschwächt und gar verschwinden würden. Die These Kautskys setzte voraus, daß die verschiedenen Sektoren des internationalen Finanzkapitals in der Lage seien, sich zu vereinigen, um eine stabile und friedliche Herrschaft über die ganze Welt zu etablieren. Diese These, die sich als "marxistisch" präsentierte, wurde freilich von allen Revolutionären bekämpft, insbesondere von Lenin (namentlich in "Der Imperialismus - das höchste Stadium des Kapitalismus"), der aufzeigte, daß ein Kapitalismus ohne Ausbeutung und Konkurrenz zwischen den verschiedenen Kapitalien kein Kapitalismus mehr ist. Es liegt auf der Hand, daß diese revolutionäre Position auch heute noch gültig ist.
Ebenfalls darf unsere Analyse nicht mit jener, die von Chaulieu (Castoriadis) entwickelt wurde, verwechselt werden, die zumindest den Vorteil hatte, ausdrücklich den "Marxismus" abzulehnen. In dieser Analyse bewegte sich die Welt auf ein "drittes System" zu, nicht auf ein System in Harmonie, die den Reformisten so teuer ist, sondern auf eines brutaler Erschütterungen. Jeder Weltkrieg führe zur Auslöschung einer Großmacht (der Zweite Weltkrieg habe Deutschland eliminiert). Der Dritte Weltkrieg werde nur einen einzigen Block übriglassen, der der Welt sein Regime aufzwinge, unter dem die Wirtschaftskrisen verschwänden und die kapitalistische Ausbeutung der Arbeitskraft durch eine Art Sklaventum ersetzt werde, in dem die "Herrschenden" über die "Beherrschten" regierten.
Die heutige Welt, so wie sie aus dem Zusammenbruch des Ostblocks hervorgegangen ist und wie sie sich angesichts des allgemeinen Zerfalls präsentiert, bleibt weiterhin durch und durch kapitalistisch. Eine unlösbare und sich immer mehr vertiefende  Wirtschaftskrise, eine immer unbarmherzigere Ausbeutung der Arbeitskraft, die Diktatur des Wertgesetzes, die Zuspitzung der Konkurrenz und der imperialistischen Antagonismen zwischen den Nationen, die ungezügelte Herrschaft des Militarismus, massive Zerstörungen und ein Massaker nach dem anderen: dies ist die einzig möglich Wirklichkeit. Und ihre einzige, ultimative Perspektive ist die Zerstörung der Menschheit.


Das Proletariat und der imperialistische Krieg

13. Mehr denn je zuvor wird die Frage des Kriegs eine zentrale Frage im Kapitalismus sein. Mehr als je zuvor ist sie eine grundlegende Frage für die Arbeiterklasse. Die Bedeutung dieser Frage ist freilich nichts Neues. Sie stand schon vor dem Ersten Weltkrieg im Mittelpunkt (wie die internationalen Kongresse von Stuttgart 1907 und von Basel 1912 beweisen). Sie wurde selbstverständlich im Verlauf des ersten imperialistischen Gemetzels noch maßgeblicher (wie der Kampf von Lenin, Rosa Luxemburg, Liebknecht genauso wie die Revolution in Rußland und Deutschland zeigte). Sie behielt ihre ganze Schärfe zwischen den beiden Weltkriegen, insbesondere während des Spanienkriegs, ganz zu schweigen von der Bedeutung, die sie im Verlauf des größten Holocausts dieses Jahrhunderts, zwischen 1939-45, offenbarte. Sie hat schließlich ihre ganze Bedeutung im Laufe der verschiedenen nationalen "Befreiungs"kriege nach 1945 bewahrt, in Momenten der Konfrontation zwischen den beiden imperialistischen Blöcke. Im Grunde war der Krieg seit dem Beginn des Jahrhunderts die entscheidendste Frage, mit der das Proletariat und seine revolutionären Minderheiten konfrontiert waren, weit vor den Fragen der Gewerkschaften und des Parlamentarismus z.B. Und dies konnte auch nicht anders sein, stellt doch der Krieg die konzentrierteste Form der Barbarei des dekadenten Kapitalismus dar, die seine Agonie und die Bedrohung, die er für das Überleben der Menschheit bildet, zum Ausdruck bringt.
In der gegenwärtigen Periode, in der noch mehr als in den vergangenen Jahrzehnten die kriegerische Barbarei (zum Leidwesen der Herren Bush und Mitterand mit ihren Prophezeiungen einer "neuen Friedensordnung") ein ständiger und allgegenwärtiger Faktor der Weltlage ist und die entwickelten Länder in wachsender Weise mit impliziert sind (in den Grenzen, die allein vom Proletariat dieser Länder festgelegt werden), ist die Frage des Krieges noch wichtiger für die Arbeiterklasse. Die IKS hat seit langem aufzeigt, daß im Gegensatz zur Vergangenheit die Entfaltung einer nächsten  revolutionären Welle nicht aus dem Krieg, sondern aus der Verschärfung der Wirtschaftskrise hervorgehen wird. Diese Analyse bleibt weiterhin vollkommen gültig: die Mobilisierungen der Arbeiter, Ausgangspunkt der großen Klassenkämpfe, werden sich aus der  Reaktion auf die ökonomischen Angriffe entwickeln. Ebenso wird auf der Ebene der Bewußtwerdung die Verschärfung der Krise ein grundlegender Faktor in der Offenlegung der historischen Sackgasse der kapitalistischen Produktionsweise sein. Doch auf eben dieser Ebene der Bewußtwerdung wird die Frage des Krieges wiederum eine vorrangige Rolle spielen:

  • indem die fundamentalen Konsequenzen dieser historischen Sackgasse aufgezeigt werden: die Zerstörung der Menschheit;
  • indem der Krieg die einzige objektive Konsequenz aus der Krise, der Dekadenz und dem Zerfall darstellt, den die Arbeiterklasse jetzt schon (im Gegensatz zu den anderen Manifestationen des Zerfalls) eingrenzen kann, weil sie sich in den zentralen Ländern gegenwärtig nicht hinter den nationalistischen Fahnen mobilisieren läßt.

Die Auswirkungen des Krieges auf das Klassenbewußtsein

14. Es stimmt, daß der Krieg viel einfacher als die Krise selbst und die ökonomischen Angriffe gegen die Arbeiterklasse genutzt werden kann:

  • er kann die Ausbreitung des Pazifismus begünstigen;
  • er kann ein Gefühl der Hilflosigkeit in den Reihen der Arbeiter bewirken und es der Bourgeoisie gestatten, ihre ökonomischen Angriffe auszuführen.

Dies ist übrigens bis jetzt mit dem Golfkrieg eingetroffen. Doch diese Art von Auswirkungen kann zeitlich nur begrenzt anhalten. Langfristig:

  • wird sich mit dem Andauern der kriegerischen Barbarei die ganze Nichtigkeit des pazifistischen Geredes offenbar werden,
  • wird es deutlich werden, daß die Arbeiterklasse das Hauptopfer dieser Barbarei ist, daß  sie es ist, die den Preis dafür als Kanonenfutter und mit einer erhöhten Ausbeutung bezahlt;
  • wird es angesichts immer massiverer und brutalerer ökonomischer Attacken zu einer Wiedererholung des Kampfgeistes kommen;
  • wird sich diese Tendenz dann in ihr Gegenteil verkehren.

Und es ist natürlich eine Aufgabe der Revolutionäre, bei dieser Bewußtwerdung an erster Stelle mitzuwirken: ihre Verantwortung wird immer entscheidender werden.

15. In der gegenwärtigen historischen Situation wird die Intervention der Kommunisten in der Klasse, abgesehen natürlich von der beträchtlichen Zuspitzung der Wirtschaftskrise und den damit verbundenen Angriffen gegen das gesamte Proletariat, bestimmt werden durch:

  • die fundamentale Bedeutung der Frage des Kriegs,
  • die entscheidende Rolle der Revolutionäre in der Bewußtwerdung der Klasse darüber, was heute auf dem Spiel  steht.

Es ist daher wichtig, daß diese Frage im Vordergrund der Propaganda der Revolutionäre steht. Und in Zeiten wie heute, in denen diese Frage unmittelbar im Mittelpunkt der internationalen Lage steht, ist es wichtig, daß sie die besondere Sensibilität der Arbeiter gegenüber diesem Thema nutzen, indem sie ihr Priorität verleihen und sich ihr mit ausgesuchter Hartnäckigkeit widmen.
Insbesondere haben die revolutionären Organisationen zur Aufgabe:

  • die Manöver der Gewerkschaften zu entblößen, die so tun, als ob sie zu ökonomischen Kämpfen aufriefen, um so besser die Kriegspolitik zu unterstützen (beispielsweise im Namen einer "gerechten Aufteilung" der Opfer zwischen Arbeitern und Bosse);
  • mit größter Heftigkeit die widerwärtige Heuchelei der Linken anzuprangern, die im Namen des "Internationalismus" und des "Kampfes gegen den Imperialismus" faktisch zur Unterstützung eines der imperialistischen Lager aufrufen;
  • die pazifistischen Kampagnen abzulehnen, die ein besonders gutes Mittel sind, um die Arbeiterklasse in ihrem Kampf gegen den Kapitalismus zu demobilisieren, indem sie auf die Ebene des Interklassismus gelockt wird;
  • die Tragweite dessen, was zur Zeit auf dem Spiel steht, aufzuzeigen, indem sie alle Auswirkungen der erheblichen Umwälzungen, die die Welt derzeit erlebt, und namentlich die Periode des Chaos begreifen, in die Welt eingetreten ist.

IKS, 4.10.1990   (überarbeitete Version)

 

Fußnoten:

(1) Siehe "Krieg, Militarismus und imperialistische Blöcke", in: INTERNATIONALE REVUE, Nr. 52 und 53, eng., franz., span. Ausgabe. Der erste Teil dieses Artikels wurde auch in WELTREVOLUTION, Zeitung der IKS in der BRD, veröffentlicht.
(2) Zur Analyse der IKS siehe: INTERNATIONALE REVUE, Nr. 11 und 13, deutsche Ausgabe)
(3) Man muß allerdings auf einen wesentlichen Unterschied zwischen Staatskapitalismus und imperialistische Blöcke hinweisen. Ersterer wird durch die Konflikte zwischen verschiedenen Fraktionen der kapitalistischen Klasse nicht in Frage gestellt (ausgenommen im Falle eines Bürgerkrieges, der für gewisse rückständige Zonen des Kapitalismus charakteristisch ist, aber nicht für seine fortgeschrittensten Sektoren): im allgemeinen gelingt es dem Staat als Repräsentant des gesamten nationalen Kapitals, den verschiedenen Komponenten des nationalen Kapitals seine Autorität aufzuzwingen. Die imperialistischen Blöcke dagegen haben nicht die gleichen Charakteristiken der Unverfallbarkeit. Erstens werden sie nur mit Blick auf den Weltkrieg gebildet: in einer Periode, in der der Weltkrieg nicht unmittelbar auf der Tagesordnung steht (wie in den zwanziger Jahren), können sie gar verschwinden. Zweitens gibt es für die Staaten keine endgültige "Vorherbestimmung" zu Gunsten des einen oder des anderen Blocks: die Blöcke entstehen entsprechend der Umstände, als eine Funktion ökonomischer, politischer, geographischer und militärischer Faktoren. So weist die Geschichte eine Vielzahl von Staaten auf, die ihre Blockzugehörigkeit nach der Änderung des einen oder anderen Faktors wechselten. Diese unterschiedliche Stabilität von Staatskapitalismus und Blöcke ist überhaupt nicht geheimnisvoll. Es entspricht der Tatsache, daß das höchste Niveau an Einheit, das die Bourgeoisie erreichen kann, die Nation ist, weil der Nationalstaat das klassische Instrument der Bourgeoisie zur Verteidigung ihrer Interessen ist (Aufrechterhaltung der "Ordnung", Großaufträge, Währungspolitik, Schutzzoll, etc.). Daher ist ein Bündnis in einem imperialistischen Block nie mehr als ein Konglomerat von fundamental gegensätzlichen, nationalen Interessen, ein Konglomerat, das dazu bestimmt ist, diese Interessen im internationalen Dschungel zu schützen. Wenn sie sich eher dem einen als dem anderen Block anschließt, dann verfolgt eine Bourgeoisie keine andere Sorge als die Garantie ihrer eigenen Interessen. Letzten Endes dürfen wir, wenn wir den Kapitalismus als ein globales Gebilde betrachten, nie außer acht lassen, daß er konkret in Gestalt rivalisierender und konkurrierender Kapitalien existiert.
(4) In Wirklichkeit ist es ja die kapitalistische Produktionsweise in ihrer Gesamtheit, die in ihrer Dekadenz und noch mehr in ihrer Zerfallsphase vom Standpunkt der Interessen der Menschheit aus eine Widersinnigkeit dar. Doch in dieser barbarischen Agonie des Kapitalismus rühren bestimmte Formen desselben, wie der Stalinismus, aus besonderen historischen Umständen her (wie wir später sehen werden), die Merkmale tragen, welche sie noch anfälliger machen und zum Verschwinden verurteilen, bevor das ganze System durch die proletarische Revolution oder durch die Vernichtung der Menschheit zerstört wird.
(5) So tendiert die Art und Weise, wie die "Ordnung" auf der Welt in dieser neuen Periode garantiert wird, immer mehr dazu, der Art und Weise zu ähneln, wie die UdSSR die Ordnung in ihrem alten Block aufrechterhielt: durch Terror und die Gewalt der Waffen. In der Zerfallsperiode und mit der Zuspitzung der wirtschaftlichen Erschütterungen des im Todeskampf liegenden Kapitals werden die barbarischsten und brutalsten Formen der internationalen Beziehungen zur Regel für jedes Land auf dieser Welt.
(6) In der Tat waren die Gründe hinter Rußlands Unfähigkeit, als Lokomotive für die Weltrevolution zu handeln (weshalb Revolutionäre wie Lenin und Trotzki die Revolution in Deutschland erwarteten, damit sie die russische Revolution anschieben könnte), die gleichen, die Rußland als Blockführer gänzlich ungeeignet machten.
(7) Ein anderer Grund, warum die westlichen Alliierten Rußland die freie Verfügungsgewalt über die osteuropäischen Länder überlassen hatten, besteht in der Tatsache, daß sie auf diese Macht setzten, um gegen das Proletariat in dieser Region für "Ordnung zu sorgen". Die Geschichte (Warschau insbesondere) hat bewiesen, daß dieses Vertrauen vollauf berechtigt war .

 

 

 

 

 

 

Ökologie: Der Kapitalismus vergiftet die Erde

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Es ist unübersehbar geworden, daß je länger sie fortdauert, die kapitalistische Zivilisation uns umso näher an eine ökologische Katastrophe planetarischen Ausmaßes bringen wird.

Die grundsätzlichen Tatsachen sind wohlbekannt und können einer wachsenden Zahl von sowohl populärwissenschaftlichen als auch Fachpublikationen entnommen werden, so daß wir sie hier nicht im Detail beschreiben werden. Eine simple Auflistung reicht aus, um das Ausmaß und die Größe der Gefahr zu demonstrieren: das zunehmende Panschen von Nahrungsmitteln mit Zusatzstoffen und die Nutztierkrankheiten; die Verseuchung der Trinkwasservorräte durch den schrankenlosen Gebrauch von Kunstdünger und durch die Entsorgung von Giftmüll; die Luftverschmutzung besonders in den Großstädten durch die kombinierten Auswirkungen von Industrieemissionen und Autoabgasen; die Gefahr radioaktiver Verseuchung durch Kernkraftwerke und Atommülldeponien, die überall in den Industrieländern und unter den ex-stalinistischen Regimes verbreitet sind - eine Bedrohung, die mit den Katastrophen in Windscale, Three Mile Island und vor allem in Tschernobyl bereits zur alptraumhaften Wirklichkeit geworden ist; die Vergiftung der Flüsse, Seen und Meere, die jahrzehntelang als Müllkippen der Welt genutzt wurden, was jetzt in einen Zusammenbruch der gesamten komplexen Nahrungskette und in eine Zerstörung von Organismen mündet, die eine wichtige Rolle bei der Regulierung des Weltklimas spielen; die sich beschleunigende Abholzung der Wälder dieser Welt, insbesondere der tropischen Regenwälder, was ebenfalls das Klima der Erde verändert, Bodenerosion verursacht und so seinseits zu weiterem Unheil wie die fortschreitende Wüstenbildung in Afrika und die Überschwemmungen in Bangladesh beiträgt.

Mehr noch, es ist mittlerweile offenkundig, daß die Quantität in eine neue Qualität umschlägt, da die Auswirkungen der Umweltverschmutzung sowohl globaler als auch unkalkulierbarer geworden sind. Sie sind insofern global, als jedes Land auf der Welt davon betroffen ist: nicht nur der hochindustrialisierte Westen, sondern auch die "unterentwickelte" Dritte Welt und die stalinistischen und ex-stalinistischen Regimes, die zu bankrott sind, um selbst die minimalsten Kontrollen aufzuwenden, die im Westen eingeführt worden sind. Ehemalige "sozialistische" Länder wie Polen, Ostdeutschland und Rumänien sind womöglich die vergiftesten auf der Welt; faktisch jede Stadt hat ihre eigenen Horrorgeschichten über örtliche Fabriken, die tödliche Gifte ausspucken und Krebs-, Lungen- und andere Krankheiten verursachen, über Flüsse, die sich in ein Flammenmeer verwandeln, wenn man ein brennendes Streichholz hineinwirft, und so weiter. Doch auch Drittwelt-Städte wie Mexiko-City oder Cubutao in Brasilien liegen nicht weit dahinter.

Es gibt eine weitere, noch fürchterlichere Bedeutung des Wortes "global" in diesem Zusammenhang; nämlich daß das ökologische Desaster jetzt fühlbar das eigentliche Lebenserhaltungssytem des Planeten bedroht. Das Ausdünnen der Ozonschicht, das hauptsächlich das Resultat der Emissionen von FCKW-Gasen zu sein scheint, ist ein klarer Ausdruck dafür, da die Ozonschicht das gesamte Leben auf der Erde vor der tödlichen ultra-violetten Strahlung schützt; es ist unmöglich, zum gegenwärtigen Stadium zu sagen, was die langfristigen Konsequenzen dieses Prozesses sein werden. Dasselbe trifft auf das Problem des Treibhauseffektes zu, der jetzt von einer wachsenden Zahl von wissenschaftlichen Kommissionen, zuletzt von der zwischenstaatlichen UN-Kommission über die Klimaveränderungen (IPCC) als eine wirkliche Bedrohung akzeptiert worden ist. Die IPCC und andere haben nicht nur vor massiven Überschwemmungen, Dürren und Hungersnöten gewarnt, die das Resultat sein könnten, falls es nicht zu einer bedeutsamen Drosselung des gegenwärtigen Niveaus an Treibhausgas-Emissionen, insbesondere des CO2-Ausstoßes, kommt; sie haben auch die Gefahr eines Rückkoppelungsprozesses hervorgehoben, in welchem jeder Aspekt der Umweltverschmutzung und -zerstörung auf die anderen einwirkt, um eine unumkehrbare Spirale von Katastrophen zu erzeugen.

Es ist ebenfalls offensichtlich, daß die Klasse, deren System dieses Schlamassel verursacht hat, nicht imstande ist, etwas dagegen zu unternehmen. Sicherlich, in den letzten paar Jahren sind nahezu alle führenden Leuchten der Bourgeoisie auf wundersame Weise zur guten Sache des Umweltschutzes konvertiert. Die Regale der Supermärkte sind voll von Waren, die preisen, wie frei sie von künstlichen Zusätzen sind; Kosmetika, Waschmittel und Windelmarken wetteifern miteinander, wie sehr sie die Ozonschicht , die Luft oder die Flüsse schätzen. Und die politischen Führer, von Thatcher bis Gorbatschow, sprechen immer mehr darüber, daß wir alle zusammenarbeiten müssen, um den bedrohten Planeten zu schützen.

Wie gewöhnlich kennt die Scheinheiligkeit dieser Klasse von Gangstern keine Grenzen. Die wirkliche Verpflichtung der Bourgeoisie zur Rettung des Planeten kann daran ermessen werden, was sie tatsächlich zu tun bereit ist. Zum Beispiel machte sie viel Aufhebens um die jüngste Ozon-Konferenz in London, wo die größten Länder der Welt, einschließlich der bis dahin widerspenstigen Drittwelt-Giganten wie Indien und China, darin übereinkamen, die Fluorkohlenwasserstoffe bis zum Jahr 2000 abzuschaffen. Aber dies bedeutet, daß weitere 20 Prozent der Ozonschicht im nächsten Jahrzehnt zerstört werden könnten; in dieser Periode würde ein Volumen von Ozon-dezimierenden Gasen freigesetzt werden, das die Hälfte des gesamten, seit der Erfindung des FCKW bisher freigesetzten Volumens darstellt.

Es ist noch schlimmer, wenn es um den Treibhaus-Effekt geht. Die US-Administration hat den Begriff "globale Erwärmung" aus all ihren offiziellen Verlautbarungen verbannt. Und die Länder, die auf dem Papier die Vorhersagen der UN-Kommission akzeptieren, haben sich gerade einmal dazu verpflichtet, nicht mehr zu tun, als den Ausstoß von Kohlendioxid auf seinem gegenwärtigen Stand zu stabilisieren. Und vor allem besitzen sie keine ernsthafte Strategie zur Verringerung der Abhängigkeit ihrer Ökonomie von fossilen Brennstoffen oder vom privaten Automobil, den Hauptverursachern des Treibhaus-Effektes. Nichts ist getan worden, um die Zerstörung der Regenwälder aufzuhalten, was sowohl zur Anhäufung von Treibhausgasen beiträgt als auch die Fähigkeit des Planeten vermindert, sie wieder zu absorbieren: der UN-eigene Tropenwald-Aktionsplan wird völlig von den Holzproduzenten dominiert. Abgesehen davon kann der Raubbau an den Regenwäldern durch Abholzung, Viehzucht und industrielle Interessen sowie durch hungernde, verzweifelt nach Land und Brennstoffen suchende Bauern nur aufgehalten werden, wenn die Dritte Welt umgehend von ihrer massiven Schuldenlast und Armut befreit werden würde. Doch so wie die Pläne zur Abwehr von Überschwemmungen und zur Vermeidung des Hungers aussehen, können die Bevölkerungen der am meisten bedrohten Länder wie Bangladesh dieselbe Art von "Hilfe" erwarten, wie sie auch den Einwohnern der Erdbebengebiete der Welt oder den Opfern der Dürre in Afrika zugutekam.

Die Antwort der Bourgeoisie auf all diese Probleme wirft ein Licht auf die Tatsache, daß gerade die Struktur ihres Systems sie der Fähigkeit beraubt, mit den ökologischen Problemen, die sie geschaffen hat, fertig zu werden. Globale ökologische Probleme bedürfen einer globalen Lösung. Aber trotz aller internationaler Konferenzen, trotz all des frommen Geredes über internationale Zusammenarbeit fußt der Kapitalismus uneingeschränkt auf der Konkurrenz zwischen nationalen Ökonomien. Seine Unfähigkeit, ein echtes Maß an globaler Kooperation zu erreichen, hat sich heute in der Tat noch verschlimmert, wo die alten Blockstrukturen zerfallen und das System in einen Krieg jeder gegen jeden abgleitet. Die Vertiefung der Weltwirtschaftskrise, die den russischen Block in die Knie zwang, wird die Konkurrenz und die nationalen Rivalitäten verschärfen; das wird heißen, jedes Unternehmen, jedes Land wird mit einer immer größeren Verantwortungslosigkeit im wahnwitzigen Kampf um das ökonomische Überleben handeln.

Welche kleinen Konzessionen den Umweltbelangen auch immer gemacht werden, der vorherrschende Trend geht dahin, Gesundheit, Sicherheit und Umweltkontrolle über den Jordan zu schicken. Das war bereits während des vergangenen Jahrzehnts der Fall gewesen, das einen markanten Anstieg in der Zahl der Industrie-, Verkehrs- und anderer Katastrophen verzeichnete, das Ergebnis einer rabiaten Kostensenkung aufgrund der Wirtschaftskrise. Da sich der Handelskrieg zwischen den Nationen aufheizt, wird alles nur noch viel schlimmer werden.

Mehr noch, dieses Gerangel wird die Gefahr lokaler, militärischer Konflikte in Regionen erhöhen, wo die Arbeiterklasse zu schwach ist, um sie zu verhindern. Jetzt, wo diese Konflikte nicht mehr in die Disziplin der alten imperialistischen Blöcke eingebunden sind, laufen sie viel eher Gefahr, die Schrecken einer chemischen oder gar nuklearen Kriegsführung auf "lokaler" Ebene zu entfesseln, wo Millionen massakriert werden und die Atmosphäre des Planeten noch mehr verseucht wird. Wer kann daran glauben, daß die Bourgeoisien der Welt, gefangen in einer wachsenden Spirale des Chaos und der Wirren, sich anschicken, harmonisch zusammenzuarbeiten, um sich mit den Gefahren für die Umwelt zu befassen? Im Gegenteil, die Resultate der ökologischen Widrigkeiten - schwindende Trinkwasservorräte, Überschwemmungen, Streit über Flüchtlinge usw. - werden die lokalen imperialistischen Spannungen weiter verschärfen. Die Bourgeoisie ist sich dessen bereits bewußt. Wie der ägyptische Außenminister Butros Ghali es kürzlich formulierte: "Der nächste Krieg in unserer Region wird um das Wasser gehen, nicht um die Politik".

In der gegenwärtigen Phase des fortschreitenden Zerfalls verliert die herrschende Klasse zunehmend die Kontrolle über ihr Gesellschaftssystem. Die Menschheit kann es sich nicht länger leisten, den Planeten ihren Händen zu überlassen. Die "ökologische Krise" ist ein weiterer Beweis dafür, daß der Kapitalismus zerstört werden muß, eher er die gesamte Welt in den Abgrund zerrt.

 

Ideologische Vergiftung

Aber während die Bourgeoisie unfähig ist, den Schaden, den sie am Planeten angerichtet hat, zu reparieren, zögert sie freilich nicht, die ökologischen Fragen zur Anfachung ihrer Mystifikationskampagnen zu benutzen, die die einzige Kraft in der Gesellschaft zur Zielscheibe haben, die etwas gegen das Problem unternehmen kann - das Weltproletariat.

Die ökologische Frage ist ideal in dieser Hinsicht, was auch der Grund dafür ist, daß die Bourgeoisie nur geringe Anstrengungen unternimmt, das Ausmaß des Problems zu verbergen (und selbst einer kleinen Übertreibung freien Lauf läßt, wenn es ihr paßt). Immer wieder wird uns erzählt, daß Probleme wie das Ozonloch oder die globale Erwärmung "uns alle betreffen", daß sie "keine Unterschiede machen" zwischen Rassen, Klassen und Ländern. Und es ist wahr, daß Umweltverschmutzung, wie andere Aspekte des Zerfalls der kapitalistischen Gesellschaft (Drogensucht, Kriminalität usw.) alle Klassen der Gesellschaft betrifft (auch wenn üblichweise die am schlimmsten Ausgebeuteten und Unterdrückten am meisten darunter leiden). Gibt es also eine bessere Grundlage, um den Charakter des Proletariats zu verwässern, so daß es seine eigenen Klassenziele vergißt, und es in einer amorphen Masse zu ertränken, wo nicht mehr zwischen den Interessen der Arbeiter, Ladenbesitzer... oder gar der herrschenden Klasse selbst unterschieden wird? Das ständige ideologische Trommelfeuer in Sachen Umwelt vervollständigt auf diese Weise all die Kampagnen über Demokratie und "Volksmacht", die nach dem Fall des Ostblocks entfesselt worden waren.

Man beachte, wie sie die ökologischen Fragen verdrehen, um sie ihren Bedürfnissen anzupassen. Diese Probleme seien so schrecklich, so akut, sagen sie, jedenfalls wichtiger als eure egoistischen Kämpfe um höhere Löhne oder gegen Arbeitsplatzverlust. In der Tat: rühren die meisten dieser Probleme nicht daher, daß "wir" in den Industriestaaten "zuviel konsumieren"? Sollten wir nicht bereit sein, weniger Fleisch zu essen, weniger Energie zu verbrauchen, selbst die eine oder andere Fabrikschließung "zum Wohle des Planeten" zu akzeptieren? Ein besseres Alibi für die Opfer, die von der Krise der kapitalistischen Ökonomie gefordert werden, gibt es nicht.

Und dann gibt es da noch all die Argumente, die den Mythos der "Reformen" und des "realistischen Wandels" unterstützen. Natürlich müsse jetzt etwas unternommen werden, sagen sie. Sollten wir also nicht darauf achten, welcher Wahlkandidat die beste ökologische Politik anbietet, welche Partei das Beste für die Umwelt verspricht? Beweist die von Gorbatschow, Mitterand oder Bush ausgedrückte Sorge nicht, daß die Politiker tatsächlich auf öffentlichen Druck reagieren? Beweisen die Experimente in der Energieeinsparung, der Solarenergienutzung oder in der Windenergie, die von etlichen "aufgeklärten" Regierungen z.B. in Schweden oder den Niederlanden heute durchgeführt werden, nicht, daß der Wandel nur eine Frage des Willens und der Initiative auf seiten der Politiker ist, kombiniert mit dem Druck der Bürger von unten? Beweist die Umstellung auf umweltfreundliche Produkte nicht, daß die großen Konzerne wirklich vom "Verbraucherverhalten" beeinflußt werden können?

Und falls diese "hoffnungsvollen" und "positiven" ersten Ansätze nicht überzeugen, dann profitiert die Bourgeoisie immer noch von den Gefühlen der Hilflosigkeit und Verzweiflung, die sich nur verstärken können, wenn der isolierte Bürger aus dem Fenster schaut und sieht, wie eine ganze Welt vergiftet wird. Wenn man schon die Ausgebeuteten nicht dazu bringen kann, den Lügen zu glauben, dann stellt eine atomisierte und demoralisierte Arbeiterklasse wenigstens keine Gefahr für das System dar.

 

Die falschen Alternativen der "Grünen"

Im vergangenen Jahrzehnt ist jedoch eine neue politische Kraft auf der Bühne erschienen - eine, die behauptet, für einen radikalen Ansatz zu stehen, der den Umweltschutz über alle anderen Befindlichkeiten stellt: die Grünen. In Deutschland wurden sie zu einer Kraft, die zum nationalen politischen Leben zählt. In Osteuropa spielten ökologische Gruppen eine erhebliche Rolle in der  demokratischen Opposition, die für den zusammengebrochenen Stalinismus in die Bresche gesprungen ist. In den meisten Industriestaaten und selbst in der Dritten Welt sind grüne Parteien und Interessensgruppen entstanden.

Doch die Grünen sind ebenfalls Teil der verrottenden kapitalistischen Ordnung. Dies wird offensichtlich, wenn man die Grünen in Deutschland betrachtet: sie sind zu einer respektablen parlamentarischen Partei geworden, mit zahlreichen Sitzen im letzten Bundestag und etlichen verantwortungsvollen Posten in lokalen und Länderregierungen. Die offenkundige Integration der Grünen in die kapitalistische Normalität wurde einige Jahre zuvor durch den "außerparlamentarischen", anarchistischen Rebellen von 1968, Daniel Cohn-Bendit (erinnert sei an die Parole "Wahlen - eine Falle"), symbolisiert, der Abgeordneter des deutschen Parlaments wurde und gar seinen Wunsch nach einem Ministerposten ausdrückte. Im Bundestag engagieren sich die Grünen in all den schäbigen Manövern, die typisch sind für eine bürgerliche Partei - mal handeln sie als "Spielverderber", um die SPD in der Opposition zu halten, mal bilden sie ein Bündnis mit den Sozialdemokraten gegen die herrschende CDU.

Es trifft zu, daß die Grünen gespalten sind in einen "Realo-Flügel", der sich mit der Fokussierung auf die parlamentarische Arena zu zufriedengibt, und einen "Fundi-Flügel", der den Akzent auf radikalere, außerparlamentarische Aktionen legt. Und vieles von der Attraktivität der grünen Parteien und Interessensgruppierungen rührt daher, daß sie mit dem Mißtrauen der Bevölkerung gegenüber bürokratischen Zentralregierungen und parlamentarischer Korruption spielen. Als Alternativen bieten sie Kampagnen gegen lokale Beispiele der Umweltverschmutzung, spektakuläre Proteststunts jeder Art, auf die sich Greenpeace spezialisiert hat, Märsche und Demonstrationen an, während sie zur Dezentralisierung der politischen Macht und zu "Bürgerinitiativen" aufrufen. Aber keine dieser Aktivitäten begibt sich auch nur einen Zentimeter außerhalb der allgemeinen Kampagnen der Bourgeoisie. Im Gegenteil, sie helfen sicherzustellen, daß diese Kampagnen die eigentliche Basis der Gesellschaft durchdringen.

Die "radikalen" Grünen sind Verfechter der klassenübergreifenden Zusammenarbeit. Sie richten sich an das "verantwortungsbewußte Individuum", an die "örtliche Gemeinschaft", an das allgemeinhin Gute im Menschen. Die von ihnen initiierten Aktionen versuchen, alle Bürger, ungeachtet der Klassenherkunft, für den Kampf gegen die Umweltverschmutzung zu mobilisieren. Und wenn sie die Bürokratie und die Abgehobenheit der Zentralregierungen kritisieren, dann geschieht dies nur, um die Vision einer "lokalen Demokratie" in den Vordergrund zu schieben, die in ihrem Kern gleichermaßen bürgerlich ist.

Sie sind nicht weniger eifrig in ihrer Unterstützung der reformistischen Illusionen. Die von ihnen organisierten Aktionen haben ausnahmslos zum Ziel, Konzerne und Regierungen verantwortungsbewußter, sauberer, grüner zu machen. Nur ein Beispiel: ein Flugblatt der "Friends of the Earth", das erklärt, wie die Schulden der Dritten Welt zur Zerstörung der Regenwälder führen. Was ist nun die Antwort? Die großen westlichen Banken  "sollten die Schulden der ärmsten Länder der Welt annullieren und die Schulden der anderen Hauptschuldnerländer um mindestens die Hälfte reduzieren. Sie können sich dies heute leisten" ("Merzt die Schulden aus, nicht die Regenwälder"). Und wie werden die Banken davon überzeugt? "Die Banken werden sich solange nicht rühren, bis ihre Kunden ihnen zeigen, wie sehr sie diese Frage etwas angeht. Eure Schecks mit dem Zusatz 'Merzt die Schulden aus, nicht die Regenwälde' zu versehen und einen 'Schuldschein' aufzunehmen sind zwei wirkungsvolle Wege, um ihnen zu zeigen, was man empfindet" (ebenda).

Die Grünen laden uns also ein, an die Wirksamkeit der "Konsumentenmacht" und an die Möglichkeit eines Appells an die gute Seite der Geldsäcke zu glauben, die sich nichts dabei denken, wenn sie Millionen von Menschen durch die Umschichtung ihres Kapitals von einem Land in das andere zum Hungertod verurteilen. Genauso verhält es sich, wenn die Grünen ihr Bild einer möglichen Zukunft entwerfen: eine Welt, in der kleine, ökologisch tadellose Firmen sich nie in habgierige, kapitalistische Giganten verwandeln, eine pazifistische Version der Beziehungen unter den Nationen, kurzum: ein sanfter, fürsorglicher, unmöglicher Kapitalismus.

Aber halt. Es gibt Strömungen in der grünen Bewegung und in ihrem Umfeld, die behaupten, radikaler als diese zu sein, die tatsächlich den Kapitalismus kritisieren und gar von der Revolution sprechen. Einige von ihnen sind so radikal, daß sie behaupten, der Marxismus sei nichts anderes als die Kehrseite der kapitalistischen "Monstermaschine". Seht euch die Regimes im Osten an, sagen sie: sie sind das logische Resultat der marxistischen Anbetung "fortschrittlicher" Technologien oder Industrien. Angeregt von "Denkern" wie Baudrillard, können sie sogar in einer sehr komplizierten Sprache erklären, daß der Marxismus lediglich eine weitere produktivistische Ideologie sei (darin stimmen sie mit exkommunizierten Stalinisten wie Martin Jacques überein, der jüngst auf einer Konferenz der britischen KP äußerte, daß "man nicht der Tatsache aus dem Wege gehen kann, daß die marxistische Tradition in ihrem Kern produktivistisch ist (...) die Eroberung der Natur, die Produktivkräfte, die Verpflichtung zu ökonomischem Wachstum". Anarcho-Primitivlinge wie die Zeitung FIFTH ESTATE in Detroit verlangen nichts geringeres als die Ausmerzung der industriell-technologischen Gesellschaft und die Rückkehr zum primitiven Kommunismus. Die "Ökofundamentalisten" von Earth First!  gehen sogar noch weiter: für ihre Ideologen ist das Problem nicht allein die Industriegesellschaft oder die Zivilisation, sondern der Mensch selbst...

 

Marxismus gegen grüne Mystifikationen

Der Gedanke, daß ein abstraktes Wesen, "Mensch" genannt, für das gegenwärtige ökologische Unheil verantwortlich ist, beschränkt sich nicht auf ein paar esoterische grüne Ideologen; es ist tatsächlich ein weitverbreitetes Klischee herkömmlicher Weisheit. Aber in jedem Fall ist es eine Idee, die nur zur Verzweiflung führen kann: wenn Menschen das Problem sind, wie können dieselben dann eine Lösung finden? Es ist kein Zufall, daß einige der "Ökofundamentalisten" AIDS als notwendiges Mittel willkommen heißen, um die Welt von den menschlichen Exzessen zu befreien...

Die Position der Anarcho-Primitivlinge führt zu denselben trüben Schlußfolgerungen. "Gegen die Technologie" zu sein bedeutet auch, gegen die Menschheit zu sein; der Mensch schuf sich selbst durch die Arbeit, und "Arbeit beginnt mit der Herstellung von Werkzeugen" (Engels, "Der Anteil der Arbeiter an der Menschwerdung des Affen", Marx-Engels, Gesammelte Werke, Bd. 20, S. 452). Die Logik der anti-technologischen Position läuft auf den Versuch hinaus, zurück zu einer vormenschlichen Vergangenheit zu gelangen, als die Natur noch ungestört vom Getöse menschlicher Aktivitäten war: "Das Tier benutzt die äußere Natur bloß und bringt Änderung in ihr einfach durch seine Anwesenheit zustande; der Mensch macht sie durch seine Änderungen seinen Zwecken dienstbar, beherrscht sie. Und das ist der letzte, wesentliche Unterschied des Menschen von den übrigen Tieren, und es ist wieder die Arbeit, die diesen Unterschied bewirkt" (ebenda).

Aber selbst wenn die "Anti-Technologen" sich mit der Rückkehr zur Kulturstufe der Jäger und Sammler zufriedengäben, wäre das Resultat dasselbe, da die materiellen Bedingungen hierfür eine Weltbevölkerung von nicht mehr als einigen Millionen vorausetzen. Diese Bedingungen könnten nur durch eine massive "Aussonderung" menschlicher Wesen wiederhergestellt werden, etwas, was der Kapitalismus in seiner Todeskrämpfen bereits für uns vorbereitet. So werden die "radikalen" Ökologen - Produkte eines sich auflösenden Mittelstandes, der keine historische Zukunft besitzt und lediglich in eine idealisierte Vergangenheit zurückschauen kann - als Theoretiker und Apologeten des Abstiegs in die Barbarei herangezogen, auf dem wir uns schon längst befinden.

Indem er den Standpunkt der einzigen Klasse ausdrückt, die eine Zukunft heute besitzt, besteht der Marxismus entgegen dieser nihilistischen Ideologien darauf, daß der gegenwärtige ökologische Alptraum nicht auf eine vage und ahistorische Weise, mit beschwörenden Kategorien wie Mensch, Technologie oder Industrie erklärt werden kann. Der Mensch existiert nicht außerhalb der Geschichte, und die Technologie kann nicht von den gesellschaftlichen Verhältnissen, in denen sie entwickelt wurde, getrennt werden. Die Wechselwirkung zwischen Mensch und Natur kann nur in ihren wirklichen historischen und gesellschaftlichen Zusammenhängen begriffen werden.

Die Menschheit existiert auf diesem Planeten seit mindestens einigen hunderttausend Jahren - zumeist auf der Ebene des primitiven Kommunismus, einer Gesellschaft von Jägern und Sammlern, in der ein relativ stabiles Gleichgewicht zwischen Mensch und Natur herrschte, eine Tatsache, die sich in vielen Mythen und Ritualen der primitiven Völker widerspiegelt. Die Auflösung dieses archaischen Kommunismus und der Aufstieg der Klassengesellschaft, ein qualitativer Schritt zur Entfremdung des Menschen vom Menschen, bewirkte ebenso eine Entfremdung zwischen Mensch und Natur. Die ersten Fälle einer ausgedehnten ökologischen Zerstörung fielen zusammen mit den frühen Stadtstaaten; es gibt tatsächlich Beweise dafür, daß der eigentliche Vorgang der Abholzung, der es Zivilisationen wie den Sumerern, Babyloniern, Singhalesen und anderen erlaubte, sich auf einer umfangreichen landwirtschaftlichen Basis zu entwickeln, auch eine beträchtliche Rolle in ihrem Zerfall und Verschwinden spielte.

Aber dies waren lokale, begrenzte Phänomene: vor dem Kapitalismus basierten alle Zivilisationen auf der "Naturalwirtschaft". Der Großteil der Produktion richtete sich noch nach dem unmittelbaren Verbrauch der Gebrauchswerte, selbst wenn im Gegensatz zur primitiven Gemeinschaft ein großer Teil von ihnen durch die ausbeutende Klasse angeeignet wurde. Der Kapitalismus ist dagegen ein System, in dem die ganze Produktion mit dem Markt, mit der erweiterten Reproduktion der Tauschwerte verzahnt ist; es ist eine gesellschaftliche Formation, die weitaus dynamischer als jedes vorherige System ist, und diese Dynamik zwang ihn unerbittlich zur Bildung einer Weltwirtschaft. Doch genau diese Dynamik und Globalität des Kapitals bedeutete, daß das Problem der ökologischen Zerstörung nun planetarische  Ausmaße angenommen hat. Denn es ist nicht der Marxismus, sondern der Kapitalismus, der "produktivistisch in seinem Kern" ist. Angetrieben von der Konkurrenz, von der anarchischen Rivalität kapitalistischer Einheiten, die um die Kontrolle des Marktes kämpfen, gehorcht er dem inneren Drang, sich bis an die äußersten, ihm auferlegten Grenzen auszuweiten, und in dieser gnadenlosen Jagd nach seiner eigenen Ausweitung kann er nicht innehalten, sei es aus Rücksicht auf die Gesundheit und das Wohlergeben seiner Produzenten oder auf die zukünftigen ökologischen Konsequenzen dessen, was und wie er produziert. Das Geheimnis der heutigen Umweltzerstörung kann nur in dem eigentlichen Geheimnis der kapitalistischen Produktion gefunden werden: "Akkumuliert, akkumuliert. Das ist Moses und die Propheten..." (Das Kapital, Bd. 1, "Verwandlung von Mehrwert in Kapital").

Das Problem hinter der ökologischen Katastrophe ist folglich nicht das einer abstrakten "Industriegesellschaft", wie so viele Ökologen verkünden: die bislang einzige Industriegesellschaft, die jemals existiert hat, ist der Kapitalismus. Dieser schließt natürlich die stalinistischen Regimes mit ein, die leibhaftige Karikaturen der kapitalistischen Unterordnung des Konsums unter die Akkumulation sind; jene, die den Marxismus der ökologischen Verwüstung im Osten bezichtigen, leihen bloß ihre Stimmen dem gegenwärtigen Gezeter der Herrschenden über das "Scheitern des Kommunismus", das auf den Zusammenbruch des östlichen imperialistischen Blocks folgte. Das Problem liegt nicht in dieser oder jener Form des Kapitalismus, sondern in den Kernmechanismen einer Gesellschaft, die nicht in bewußter Harmonie mit den Bedürfnissen des Menschen und mit dem, was Marx den "anorganischen Körper" des Menschen nannte, der Natur, sondern allein um des Profits willen wächst.

Das ökologische Problem hat jedoch auch ihre  besondere Geschichte innerhalb des Kapitalismus.

Schon in der aufsteigenden Periode hatten Marx und Engels viele Gelegenheiten, die Art und Weise anzuprangern, wie der Heißhunger des Kapitalismus nach Profit die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Arbeiterklasse vergiftete. Sie berücksichtigten selbst, daß "die Abschaffung der Trennung zwischen Stadt und Land" zu einem Bestandteil des kommunistischen Programms wurde (man stelle sich vor, was sie über die Megastädte des späten 20. Jahrhunderts gesagt hätten...).

Jedoch war es im wesentlichen der gegenwärtigen Epoche des Kapitalismus, der Epoche, die seit 1914 von den Marxisten als Dekadenz dieser Produktionsweise definiert wurde, überlassen, daß die rücksichtslose Zerstörung der Umwelt durch das Kapital eine andere Stufe und Qualität erreichte, während sie gleichzeitig jede historische Legitimation verlor. Dies ist die Epoche, die alle kapitalistischen Nationen dazu zwingt, miteinander auf einem gesättigten Weltmarkt zu konkurrieren; eine Epoche der ständigen Kriegswirtschaft also, mit einem unverhältnismäßigen Wachstum der Schwerindustrie; eine Epoche, die charakterisiert ist durch eine irrationale, verschwenderische Vervielfältigung von Industriekomplexen in jeder nationalen Einheit, durch das verzweifelte Ausplündern der natürlichen Rohstoffe durch eine jede Nation in ihrem Versuch, in der gnadenlosen Hetzjagd auf dem Weltmarkt zu überleben. Die sich aus alldem ergebenden Konsequenzen für die Umwelt sind jetzt kristallklar. Die Intensivierung der ökologischen Probleme kann anhand der verschiedenen Phasen der kapitalistischen Dekadenz abgelesen werden. Das Hauptwachstum der Kohlendioxid-Emissionen fand in diesem Jahrhundert statt, mit einem beträchtlichen Anstieg seit den 60er Jahren. FCKWs wurden erst in den 30er Jahren entdeckt und erst in den letzten Jahrzehnten intensiv genutzt. Der Aufstieg der "Megastädte" ist sehr stark ein Phänomen der dem Zweiten Weltkrieg folgenden Zeit, so wie auch die Entwicklung von Landwirtschaftsformen, die ökologisch nicht weniger schädlich sind als die meisten Formen der Industrie. Die fieberhafte Zerstörung der Regenwälder fand in derselben Zeit und besonders das letzte Jahrzehnt hindurch statt: die Rate hat sich seit 1979 wahrscheinlich verdoppelt.

Was wir heute sehen, ist der Gipfel eines Jahrzehnts planloser, verschwenderischer und irrationaler ökonomischer und militärischer Aktivitäten des dekadenten Kapitalismus; die qualitative Beschleunigung der ökologischen Krise im letzten Jahrzehnt fällt "wie zufällig" zusammen mit der Eröffnung der letzten Phase kapitalistischer Dekadenz - der Zerfallsphase. Damit meinen wir, daß nach 20 Jahren einer tiefen und sich ständig verschlimmernden Wirtschaftskrise, in der keine der politischen Hauptklassen fähig war, ihre historische Alternative - den Weltkrieg bzw. die Weltrevolution - durchzusetzen, die gesamte Gesellschaftsordnung im Begriff ist zu bersten und in eine unkontrollierte, abwärts gerichtete Spirale des Chaos und der Zerstörung zu versinken (siehe Artikel "Der Zerfall - die letzte Phase der kapitalistischen Dekadenz", in: INTERNATIONALE REVUE, Nr. 13).

Das kapitalistische System hat lange aufgehört, irgendeinen Fortschritt für die Menschheit zu repräsentieren. Die katastrophalen ökologischen Konsequenzen seines "Wachstums" seit 1945 sind eine weitere Demonstration, daß dieses Wachstum auf einer krankhaften, zerstörerischen Grundlage stattfindet, und stellen einen Schlag in das Gesicht all jener "Experten" dar - wobei sich bedauerlicherweise einige von ihnen in der politischen Bewegung des Proletariats befinden -, die auf dieses Wachstum hinweisen, um den marxistischen Begriff der Dekadenz des Kapitalismus in Frage zu stellen.

Dies bedeutet jedoch nicht, daß Marxisten - anders als der größere Teil der Bourgeoisie heute und all ihre kleinbürgerlichen Mitläufer - den Begriff des Fortschritts aufgeben oder den anti-technologischen Vorurteilen der radikalen Grünen Konzessionen machen.

Das marxistische Konzept vom Fortschritt war niemals dasselbe wie der einseitige, lineare Begriff der Bourgeoisie von einem stetigen Aufstieg aus der primitiven Dunkelheit und dem Aberglauben in das Licht der modernen Vernunft und Demokratie. Es ist eine dialektische Auffassung, die anerkennt, daß historische Fortschritte durch den Zusammenprall von Gegensätzen stattfinden, daß sie Katastrophen und selbst Rückschritte beinhalten, daß der Fortschritt der "Zivilisation" auch die Verfeinerung der Ausbeutung und die Verschlimmerung der Entfremdung unter den Menschen und zwischen Mensch und Natur bedeutete. Aber es erkennt ebenfalls an, daß die wachsende Fähigkeit des Menschen, die Natur durch die Entwicklung seiner Produktivkräfte umzuwandeln, die unbewußten Naturprozesse seiner eigenen, bewußten Kontrolle untertan zu machen, die einzige Basis für die Überwindung dieser Entfremdung und für das Erreichen einer höheren Form der Gemeinschaft als der beschränkte Kommunismus in der Vorzeit ist - eine weltweite, vereinigte Gemeinschaft, die nicht auf dem Mangel und dem Aufgehen des Individuums im Kollektiv basiert, sondern auf einem beispiellosen Grad an Überfluß, der "die materiellen Bedingungen für die vollständige, universelle Entwicklung des produktiven Vermögens des Individuums" (Marx, "Grundrisse der Kritik der Politischen Ökonomie") schaffen wird. Indem er die materielle Grundlage für diese globale, menschliche Gemeinschaft schuf, stellte der Kapitalismus einen immensen Fortschritt gegenüber der Naturalwirtschaft dar, die ihm vorausging.

Heute ist die Vorstellung von der "Beherrschung" der Natur auf abscheuliche Weise von der Erfahrung des Kapitalismus verfälscht worden, der die Gesamtheit der Natur wie eine x-beliebige Ware, wie einen toten Gegenstand, als etwas außerhalb des Menschen Stehendes behandelt. Gegen diese Sichtweise - aber auch gegen die passive Naturanbetung, die bei vielen der heutigen Grünen vorherrscht - definierte Engels die kommunistische Position, als er schrieb:

"Und so werden wir bei jedem Schritt daran erinnert, daß wir keineswegs die Natur beherrschen, wie ein Eroberer ein fremdes Volk beherrscht, wie jemand, der außer der Natur steht - sondern daß wir mit Fleisch und Blut und Hirn ihr angehören und mitten in ihr stehen und daß unsere ganze Herrschaft über sie darin besteht, im Vorzug zu allen anderen Geschöpfen ihre Gesetze erkennen und richtig anwenden zu können." (Engels, "Der Anteil der Arbeit...")  

In der Tat offenbart der Kapitalismus trotz all seiner sogenannten "Eroberungen" heute, daß seine Kontrolle über die Natur die "Kontrolle" des Zauberlehrlings ist, nicht die des Zauberers. Er hat das Fundament für eine bewußte Bändigung der Natur gelegt, aber ebendiese Wirkungsweise verwandelt all seine Errungenschaften in Katastrophen. Wie Marx es formulierte:

"In dem Maße, wie die Menschheit die Natur bezwingt, scheint der Mensch durch andre Menschen oder durch seine eigene Niedertracht unterjocht zu werden. Selbst das reine Licht der Wissenschaft scheint nur auf dem dunklen Hintergrund der Unwissenheit leuchten zu können. All unser Erfinden und unser ganzer Fortschritt scheinen darauf hinauszulaufen, daß sie materielle Kräfte mit geistigem Leben ausstatten und das menschliche Leben zu einer materiellen Kraft verdummen." (Rede auf der Jahresfeier des PEOPLE'S PAPER am 14.4. 1856 in London)

Heute hat dieser Widerspruch den Punkt erreicht, wo die Menschheit an einer historischen Wegscheide steht und die Wahl hat zwischen der bewußten Kontrolle über ihre eigenen gesellschaftlichen und Produktivkräfte, also einer "richtigen Anwendung" der Naturgesetze einerseits, und der Zerstörung durch die von ihr selbst in Bewegung gesetzten Kräfte andererseits. Mit anderen Worten, die Wahl zwischen Kommunismus oder Barbarei.

 

Nur die proletarische Revolution kann den Planeten retten

Wenn der Kommunismus die einzige Antwort auf die ökologische Krise ist, dann ist die einzige Kraft, die eine kommunistische Gesellschaft einführen kann, die Arbeiterklasse.

Wie andere Aspekte des Zerfalls der kapitalistischen Gesellschaft wirft auch die Bedrohung der Umwelt ein Schlaglicht auf die Tatsache, daß je länger das Proletariat seine Revolution hinauszögert, desto größer die Gefahr der Erschöpfung und Untergrabung der revolutionären Klasse ist, die Gefahr, daß auf dem Weg zu Zerstörung und Chaos ein Punkt erreicht wird, an dem eine Umkehr nicht mehr möglich ist, an dem sowohl der Kampf für die Revolution als auch der Aufbau einer neuen Gesellschaft unmöglich wird. Somit wird ein Bewußtwerden über die Größe der gegenwärtigen ökologischen Probleme, sofern es die wachsende Dringlichkeit der kommunistischen Revolution unterstreicht, seinen Teil zum Übergang des proletarischen Kampfes von der defensiven, ökonomischen Ebene auf die Ebene einer bewußten und politischen Auseinandersetzung mit dem Kapital in seiner Gesamtheit beitragen. 

Doch wäre es ein Irrtum anzunehmen, daß die ökologische Frage per se ein Brennpunkt für die Mobilisierung des Proletariats auf seinem eigenen Klassenterrain sein kann. Obwohl gewisse begrenzte Aspekte des Problems (z.B. Gesundheit und Arbeitssicherheit) in authentische Klassenforderungen integriert werden können, erlaubt die Frage als solche dem Proletariat nicht, sich als gesonderte Gesellschaftskraft zu behaupten. In der Tat schafft sie, wie wir gesehen haben, einen idealen Vorwand für die klassenübergreifenden Kampagnen der Bourgeoisie. Die Arbeiter werden aktiv den vielfältigen Versuchen der Herrschenden und insbesondere ihrer grünen und linken Elemente trotzen müssen, die diese Frage als ein Mittel benutzen, um sie von ihrem eigenen Klassenboden zu zerren. Es bleibt nach wie vor gültig, daß vor allem durch den Kampf gegen die Auswirkungen der Wirtschaftskrise - gegen Lohnkürzungen, Arbeitslosigkeit, wachsende Verarmung auf allen Ebenen - die Arbeiter in die Lage versetzt werden, sich selbst als eine Kraft zu konstituieren, die imstande ist, der gesamten bürgerlichen Ordnung entgegenzutreten.

Die Arbeiterklasse wird nur dann fähig sein, mit der ökologischen Frage als Ganzes fertigzuwerden, wenn sie die politische Macht auf Weltebene erobert hat. Tatsächlich ist jetzt deutlich geworden, daß dies eine der dringendsten Aufgaben in der Übergangsperiode sein wird und in jedem Fall eng verknüpft ist mit anderen dringenden Problemen wie den Welthunger und dem Wiederaufbau der Landwirtschaft.

Dies ist nicht die Gelegenheit für eine detaillierte Diskussion über die Maßnahmen, die das Proletariat zu ergreifen hat, um sowohl das vom Kapitalismus hinterlassenen Schlamassel zu bereinigen als auch ein neues Verhältnis zwischen Mensch und Natur anzustreben. Wir wollen hier nur einen Punkt hervorheben: daß die Probleme, denen sich ein siegreiches Proletariat gegenübersieht, prinzipiell nicht technischer, sondern politischer und gesellschaftlicher Art sein werden.

Die existierende technische und industrielle Infrastruktur ist durch die Irrationalität der kapitalistischen Entwicklung in dieser Epoche zutiefst ruiniert, und zweifellos wird ein sehr beträchtlicher Teil von ihr abgeschafft werden müssen als Vorbedingung für den Bau einer Produktionsbasis, die nicht zu einer Bedrohung der natürlichen Umwelt wird. Auf der rein technischen Ebene sind jedoch schon eine Reihe von Alternativen entwickelt worden oder könnten weiterentwickelt werden, wenn ihnen genügend Ressourcen zugeteilt werden würden. Es ist beispielsweise schon jetzt möglich, durch ein System der Wärme-Kraft-Kopplung den Ausstoß von Kohlendioxid und anderen Schadstoffen in mit fossilen Brennstoffen betriebenen Kraftwerken beträchtlich zu drosseln, wobei ein Ausnutzungsgrad der produzierten Rückstände von fast 100 Prozent erreicht werden kann. Ebenso ist es bereits möglich, viele andere Energiequellen zu entwickeln: Sonnenenergie, Wind- und Wellenkraft, etc., die sowohl erneuerbar als auch faktisch frei von Rückständen sind; es gibt ebenfalls enorme Möglichkeiten, die im Prozeß der Kernfusion stecken, die viele der mit der Kernspaltung verbundenen Probleme vermeiden könnten.

Der Kapitalismus hat seine technischen Kapazitäten bereits so weit entwickelt, daß das Problem der Umweltverschmutzung gelöst werden könnte. Aber die Tatsache, daß das wahre Problem gesellschaftlicher Natur ist, wird von den vielen Beispielen untermauert, in denen die kurzfristigen wirtschaftlichen und militärischen Interessen des Kapitalismus ihm nicht erlaubt haben, umweltschonende Technologien zu entwickeln. Es ist zum Beispiel bekannt, daß die Erdöl- und Erdgaskonzerne sowie die Elektrizitätsgesellschaften der USA nach dem Zweiten Weltkrieg eine Kampagne initiierten, um die Entwicklung der Solarenergie abzuwürgen. Wir haben kürzlich gesehen, daß die britische Regierung an der Erstellung eines Gutachtens mitgearbeitet hat, an dessen Zahlen solange herumgedoktert wurde, bis der Beweis erbracht wurde, daß Atomenergie billiger sei als die Wellenkraftenergie; die Automobilindustrie hat sich lange einer Entwicklung zu weniger umweltbelastenden Transportformen in den Weg gestellt und so weiter.  

Aber die Frage reicht tiefer als die bewußte Politik dieser oder jener Regierung oder Industrie. Das Problem liegt, wie wir gesehen haben, in der grundlegenden Vorgehensweise der kapitalistischen Produktionsweise, und es kann nur gelöst werden, indem diese Produktionsweise an ihren Wurzeln angegriffen wird.

Das Kapital zerstört mutwillig die natürliche Umwelt, weil es akkumulieren muß, wenn es nicht sterben will; die einzige Antwort darauf lautet, ebendieses Prinzip der kapitalistischen Akkumulation zu unterdrücken und nicht für den Profit, sondern für die menschlichen Bedürfnisse zu produzieren. Das Kapital verwüstet die Ressourcen der Welt, weil es in konkurrierende nationale Einheiten gespalten ist, weil es grundlegend anarchisch ist und nicht mit Blick auf künftige Interessen produzieren kann; die einzige Antwort darauf ist die Abschaffung des Nationalstaats, die Vergemeinschaftung aller menschlichen und natürlichen Ressourcen der Erde und die Entwerfung eines, wie Bordiga es nannte, "Lebensplanes für die menschliche Art". Kurz, das Problem kann nur durch eine Arbeiterklasse gelöst werden, die sich der Notwendigkeit bewußt ist, die eigentliche Basis des gesellschaftlichen Lebens zu revolutionieren, und die die politischen Instrumente in der Hand hält, um den Übergang zur kommunistischen Gesellschaft durchzuführen. Organisiert in seinen Arbeiterräten auf Weltebene und all die unterdrückten Massen der Welt mit sich ziehend, kann und muß das internationale Proletariat die Schaffung einer Welt in Angriff nehmen, in der ein beispielloser materieller Überfluß nicht mit dem Wohlergehen der natürlichen Umwelt kollidiert; in der tatsächlich beide sich wechselseitig bedingen; eine Welt, in der die Menschheit, endlich befreit von der Vorherrschaft der Schufterei und Armut, angefangen kann, das Leben auf dem Planeten zu genießen.

Durch die Nebelbänke der Ausbeutung und Umweltvergiftung spähend, mit denen die kapitalistische Zivilisation die Erde in ein Leichentuch gehüllt hat, war dies zweifellos die Welt, die Marx erahnte, als er in seinen Manuskripten von 1844 vorhersah:

„Also die Gesellschaft ist die vollendete Wesenseinheit des Menschen mit der Natur, die wahre Resurrektion der Natur, der durchgeführte Naturalismus des Menschen und der durchgeführte Humanismus der Natur.“ (Karl Marx, Ökonomisch-philosophische Manuskripte, 1844).

CDW

(aus: INTERNATIONALE REVUE, Nr. 13, deutsche Ausgabe, überarbeitete Fassung).

Theoretische Fragen: 

  • Umwelt [4]

Quell-URL:https://de.internationalism.org/content/731/internationale-revue-13

Links
[1] https://de.internationalism.org/Zerfall/13 [2] https://de.internationalism.org/tag/3/54/zerfall [3] https://de.internationalism.org/tag/2/25/dekadenz-des-kapitalismus [4] https://de.internationalism.org/tag/3/52/umwelt