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Weltrevolution - 1996

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Weltrevolution Nr. 74

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Weltrevolution Nr. 75

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Ken Loachs Film: ‘Land and Freedom’

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Ken Loachs Film: ‘Land and Freedom’

Der Mythos der ‘Spanischen Revolution’

Von 1931 bis 1936 kämpften alle spanischen Arbeiter wie Löwen, aber ihre Kämpfe waren gekennzeichnet von der Niederlage des Weltproletariats. Die 30er Jahre waren eine Zeit des tiefgreifenden Rückflusses des Klassenkampfes weltweit. Es waren die Jahre des weltweiten Sieges der Konterrevolution, besonders in Rußland mit dem Triumph des Stalinismus und seiner Ausrufung des ‘Sozialismus in einem Land’. Die Kämpfe des spanischen Proletariats, so dynamisch sie auch waren, waren geprägt von der tiefen Isolation und Niederlage dieser Zeit. Das spanische Proletariat wurde für die Verteidigung der spanischen Republik mobilisiert und für die Milizen der Volksfront angeworben, um den ‘Faschismus zu bekämpfen’ und ‘die Demokratie zu verteidigen’. Dadurch wurden sie von ihrem Klassenterrain auf das Terrain des Kapitalismus gezerrt.

„Land and Freedom" nimmt das physische Abschlachten der spanischen Arbeiter und den ideologischen Angriff des Antifaschismus gegen die ganze Weltarbeiterklasse und stellt dies dar als die ‘spanische Revolution’. Dieser schreckliche Zeitraum der Niederlage für unsere Klasse wird von K. Loach dargestellt als ein Sieg der Arbeiter und Bauern. Darüberhinaus kann dieser Film nicht die Wahrheit der Niederlage für das spanische Proletariat wiedergeben, denn er ist in die Schablone des Antifaschismus gepreßt. Loach berichtet zum Beispiel nicht von der Niederlage in Barcelona im Mai 1937, als die POUM und die Anarchisten der CNT/FAI die Arbeiter zwangen, die Barrikaden niederzureißen, die gegen die staatliche Repression errichtet worden waren. Im Film wird darauf bloß angespielt, als eine Szene im Kampf um die Telefonzentrale von Barcelona eingeblendet wird. Es wird verschwiegen, daß die POUM bis zu ihrer Unterdrückung vollständig in die arbeiterfeindlichen Manöver eingebunden war durch ihre Beteiligung an der Regierung. Dieser Film verschweigt die Tatsache, daß die Volksfront Streiks für ungesetzlich erklärte und verbot, damit die Rüstungsproduktion und der Krieg reibungslos durchgeführt werden konnten. Er verschweigt weiterhin die Teilnahme der POUM an der Generalmobilmachung durch die Volksfront, d.h. an der kompletten Militarisierung der Gesellschaft durch diese; er verheimlicht die Tatsache, daß der Führer der POUM, Andres Nin, in die Regierung als Justizminister eintrat, daß die Anarchisten sich ebenfalls an der Regierung beteiligten. Des weiteren vertuscht er die Tatsache, daß die POUM und die Anarchisten auf der von der republikanischen Regierung verlangten militärischen Disziplin (Streiks wurden verboten, alles wurde dem Kriegsrecht untergeordnet)) bestanden - all dies im Namen des Kampfes gegen den Faschismus.

1996 jährt sich der Beginn des spanischen Bürgerkriegs zum sechzigsten Mal. Wiedermal wird uns die alte Lüge aufgetischt vom ‘ruhmreichen’ Kampf gegen den Faschismus, von der Glorie der spanischen Kollektive und vor allem die Lüge von der Notwendigkeit, die bürgerliche Demokratie zu verteidigen.

Nachfolgend veröffentlichen wir einen Artikel der Genossen der Italienischen Linken, die in den 30er Jahren die Zeitschrift BILAN herausgaben. In dieser Zeit der Konterrevolution verstanden die Genossen, daß der Krieg ein Ausdruck der Niederlage des spanischen und internationalen Proletariats war. Der Krieg in Spanien stellte einen Auftakt zum 2. Weltkrieg dar. Er wurde erst möglich durch das Treiben der Antifaschisten und der Volksfront. In diesem Artikel hob BILAN hervor, daß es die Aufgabe der Stunde war, keinen Verrat zu begehen und keinen Flügel der Bourgeoisie in diesem Kampf zu unterstützen, d.h. weder die ‘demokratischen’ noch die ‘faschistischen’ Kräfte. Nur so konnte eine internationalistische Position aufrechterhalten werden. Wir unterstützen diese Position und verteidigen sie gegen die Verteidiger des Antifaschismus.

 

 

Ken Loach’s Film „Land and Freedom" war ein Erfolg in ganz Europa. Er spielt im spanischen Bürgerkrieg, welcher in erster Linie eine Periode der Niederlage in der Geschichte der Arbeiterklasse darstellt, und der so gezeigt wird, als wäre er ein Sieg des spanischen und internationalen Proletariats in seinem Kampf gegen den Faschismus. Dies ist die große Lüge des Films.

Artikel von BILAN

Gegen die imperialistische Front und das Massaker an den spanischen Arbeitern

Für die Klassenfront des internationalen Proletariats

Die allgemeine Auffassung, daß heute in Spanien ein blutiger Kampf zwischen Bourgeoisie und Proletariat im Gange sei, weit davon entfernt, eine politische Position zu beziehen zugunsten der Verteidigung und des Sieges des Proletariats, könnte derzeit zur schlimmsten Katastrophe und zu einem Massaker an den Arbeitern führen. Um zu einer positiven Einschätzung zu kommen, ist es in erster Linie notwendig zu sehen, ob die Massen auf ihrem eigenen Terrain kämpfen und sich dadurch vorwärts entwickeln, ob sie die Fähigkeit entwickeln, die Angriffe des Klassenfeindes zurückzuschlagen. Im Moment gibt es mehrere Erklärungen der politischen Situation. Folgen wir mal der, die die Volksfront vertritt und zu welcher die Zentristen eine ‘theoretische’ Beschönigung hinzufügten. Demzufolge kämpfen die ‘Dissidenten, die Rebellen, die Faschisten’ gegen die legale Regierung, welche Brot und Freiheit verteidigt’. Die Aufgabe des Proletariats sei deshalb die Verteidigung der fortschrittlichen Bourgeoisie gegen die Kräfte des Feudalismus. Wieder einmal hätten die Arbeiter geholfen, diese feudalen Elemente niederzuschlagen; sie könnten nur vorrücken zur nächsten Stufe ihres Kampfes: zum Kampf für den Sozialismus. In unserer letzten Ausgabe zeigten wir auf, daß - obwohl der spanische Kapitalismus unfähig war, die gleiche soziale Organisationsform zu erreichen, die in anderen europäischen Ländern existiert, die spanische Bourgeoisie an der Macht ist und einzig und allein das spanische Proletariat fähig ist, Spaniens ökonomische und politische Strukturen umzuwälzen.

Die Volksfront hingegen hat sich im Verlauf der Ereignisse nicht als ein Instrument der Arbeiter erwiesen, sondern als eine mächtige Waffe in den Händen der Bourgeoisie, um die Arbeiterklasse zu zerschlagen. Wir rufen nur in Erinnerung, daß unter der Volksfrontregierung die Rechte die Möglichkeit hatte, sich zu organisieren; daß es ihr möglich war, ihre Pläne und Verschwörungen vorzubereiten. (...) Bedeutender als dies ist die Tatsache, daß die Volksfrontregierung zur Demoralisierung der Bauernmassen und zu einer tiefen Feindschaft gegen die Bauern auf Seiten der Arbeiter beitrug, welche sich wieder in einer großen Streikwelle vorwärtsbewegten wie in der von 1931-32, die aber durch den Terror einer Linksregierung, die der heutigen Volksfrontregierung sehr ähnlich sah, erdrückt wurde.

Von Anfang an betrieb die Volksfront eine Politik der Kompromisse mit der Rechten, wie wir zum Beispiel beim Errichten der Barrios-Regierung sehen können. Seither ist nichts Überraschendes mehr an der Tatsache, daß Franco Azana nicht verhaftete, obwohl er am Anfang mit ihm fertig geworden wäre. Der springende Punkt ist, daß die ganze Situation sehr instabil war und obwohl die Kapitalisten für einen Frontalangriff in jeder Stadt waren, waren sie unsicher, ob ihr rechter Flügel fähig wäre, einen vollständigen Sieg zu erringen. Deshalb war die Verhaftung Azanas unmöglich, und es waren tatsächlich die weiteren Aktionen der Volksfront, welcher der kapitalistischen Offensive die größeren Erfolgschancen gaben.

Der Angriff der Rechten stieß zuerst in Barcelona und dann in anderen Arbeiterzentren auf einen Volksaufstand, der - weil er auf proletarischem Klassenterrain stand und mit der bürgerlichen Staatsmaschine in Konflikt geriet - sehr schnell zur Zersetzung der Armee führte. Als sich der Aufstand in den Straßen entfaltete, brach der Klassenkampf in den Regimentern aus und die Soldaten rebellierten gegen ihre Offiziere. An diesem Punkt bewegte sich das Proletariat auf eine intensive politische Bewaffnung zu, welche nur in einer direkten Offensive gegen die Kapitalistenklasse enden konnte; in Richtung der kommunistischen Revolution.

Infolge dieser vehementen und kraftvollen Antwort des Proletariats fühlte der Kapitalismus, daß er seinen ursprünglichen Plan des Frontalangriffs aufgeben mußte. Angesichts der aufständischen Arbeiter, welche ein mächtiges Klassenbewußtsein entwickelten, sah sich die Bourgeoisie gezwungen, sich zu schützen und der Volksfront die Aufgabe zu übertragen, die politischen Aktionen der Arbeiter zu steuern. Die Bewaffnung der Massen wurde nur toleriert innerhalb der Grenzen des ‘vereinigten Kommandos’ mit einer spezifischen kapitalistischen Orientierung. Derzeit ist Caballero dabei, dieses Instrument vom technischen Gesichtspunkt aus auszubauen und zu vervollkommnen. Anfangs waren die Arbeiter materiell schlecht und politisch gut bewaffnet; nachher wurden sie gut ausgerüstet, dafür aber gezwungen, nicht mehr auf ihrem Klassenterrain zu kämpfen. Sie wurden geradewegs auf das gegenteilige Terrain gedrängt, auf das der Bourgeoisie.

Die Volksfront erreichte ihre Ziele schnell in Madrid und weniger leicht in Asturien. Und heute befinden sich die Arbeitermassen im Glauben, daß die bürgerliche Staatsmaschinerie unzerstörbar sei und gut funktionieren müsse, um die Rechte zu schlagen, um die ‘Rebellen’ in ihre Schranken zu weisen. Dies sei die Aufgabe der Stunde.

Das Proletariat hat seine eigenen Waffen niedergelegt und einem Kompromiß mit der Volksfront zugestimmt. Anstelle des proletarischen Kampfes (des einzigen, der Franco’s Regimenter außer Gefecht setzen und das Vertrauen der durch die Rechten terrorisierten Bauern hätte wiederherstellen können) trat ein neuer Kampf, ein spezifisch bürgerlicher, und das Heilige Bündnis wurde erreicht, wodurch das imperialistische Abschlachten beginnen konnte: Stadt gegen Stadt, Region gegen Region in Spanien selber, später Staat gegen Staat im Krieg zwischen zwei Blöcken, dem demokratischen und faschistischen.

Die Tatsache, daß der Weltkrieg noch nicht ausgebrochen ist, heißt noch lange nicht, daß das spanische und internationale Proletariat nicht mobilisiert wurde, um unter den imperialistischen Slogans von Faschismus und Antifaschismus sich abzuschlachten.

Nach der Erfahrung in Italien und Deutschland ist es sehr bedrückend zu sehen, wie politisch entwickelte Arbeiter ihre Analyse auf der Tatsache aufbauen, daß die spanischen Arbeiter bewaffnet sind und dadurch zum Schluß kommen, daß weil die Volksfront diese Armeen anführt, die Bedingungen für den Sieg des Proletariats vorhanden seien. Nein, Azana und Caballero sind wertvolle Verbündete deritalienischen und deutschen Sozialchauvinisten, denn in einer äußerst schwierigen Situation verrieten sie erfolgreich die Arbeiter. Sie haben die Bewaffnung der Arbeiter zugelassen, nur weil dies zugunsten eines Klassenkampfes war - aber nicht dem des Proletariats gegen das spanische und internationale Kapital, sondern dem des Kapitals gegen die Arbeiterklasse in Spanien und weltweit - ein Kampf, der die Form eines imperialistischen Krieges annahm.

In Barcelona war die Wahrheit hinter einer Fassade versteckt. Weil die Bourgeoisie sich zeitweilig von der politischen Bühne zurückgezogen hatte, und weil einige Unternehmen ohne Bosse geführt wurden, kamen einige Leute zum Schluß, daß die politische Macht der Bourgeoisie nicht länger existiere. Aber wenn diese nicht länger existieren würde, würden wir eine andere Macht auftauchen sehen, die des Proletariats. Aber gerade hier ist die tragische Antwort der Ereignisse grausam. Alle existierenden politischen Gruppen und Parteien, gerade die extremste, die CNT, hat offen erklärt, daß nicht von der Zerstörung des kapitalistischen Staates die Rede sein könne, sondern von seiner ‘Benützung’ durch die Arbeiterklasse. Unsere Position zu dieser Frage ist klar: es gibt hier zwei direkt entgegengesetzte Prinzipien, zwei Klassen, zwei Realitäten. Es ist entweder eine Frage der Kollaboration und des Verrates oder des Kampfes. In solch einer extremen Situation greifen auch die Kräfte der Kollaboration zu extremen Methoden. Wenn in einem sozialen Zusammenstoß, wie er in Barcelona ablief, die Arbeiter sich nicht in Richtung Zerstörung des kapitalistischen Staates bewegen, sondern in Richtung Verteidigung desselben, dann hat nicht Klassenkampf, sondern Klassenkollaboration gesiegt. Klassenkampf entwickelt sich nicht durch eine Serie materieller Eroberungen, sondern durch den Ausbruch entschlossener proletarischer Aktionen. Unternehmen zu sozialisieren und dabei den Staat nicht anzutasten, ist ein Glied in der Kette, welche das Proletariat an seinen Klassenfeind fesselt, an die innere und imperialistische Front des Kampfes zwischen Faschismus und Antifaschismus. Während hingegen ein Streikausbruch, der auf einfachsten Klassenforderung basiert, gerade in einer ‘sozialisierten’ Industrie ein Moment im etwaigen Sieg des spanischen und internationalen Proletariats sein kann. Es ist unmöglich, das Proletariat mit der Bourgeoisie zu identifizieren; die gegenwärtige territoriale Front, die Armeen des Heiligen Bündnisses mit einer Klassenarmee auf eine Ebene zu stellen.

Der Unterschied zwischen diesen beiden Seiten ist grundlegend und keine Detailfrage. Von Anfang an gibt es einen Grundwiderspruch zwischen den Einzelheiten und dem Grundlegenden; dem Heldentum der in die Volksfront eingebundenen Arbeiter und der historischen politischen Funktion der Volksfront. Wie Lenin im April 1917 haben wir der Frage auf den Grund zu gehen, und es ist dies die einzige politische Unterscheidung, die wir machen können. Der Angriff des Kapitals kann nur auf proletarischer Ebene beantwortet werden. Diejenigen, die dieses zentrale Problem ignorieren, stellen sich freiwillig auf die andere Seite der Barrikade. Und in den heftigsten sozialen Eroberungen heißt dies die Arbeiter an die Bourgeoisie zu binden.

Die Arbeiterklasse hat nur eine Waffe: ihren eigenen Klassenkampf. Sie kann nicht siegreich sein, wenn sie in den Fallen des Feindes gefangen ist. Und die gegenwärtige militärische Front stellt für die Klasse nichts anderes dar. Die heldenhaften Verteidiger Iruns sind zur Niederlage verurteilt. Sie kämpfen auf dem kapitalistischen Terrain der Volksfront, welche sie erfolgreich zum Verlassen des proletarischen Klassenterrains zwang und den Armeen Francos auslieferte.

Bewaffneter Kampf als Teil einer imperialistischen Front ist eine Katastrophe für das Proletariat. Die einzige Antwort des Proletariats ist ein bewaffneter Kampf auf seinem eigenen Terrain (...)

In allen Ländern, wo die Bourgeoisie dafür oder dagegen ist, Franco oder die Volksfront mit Waffen zu beliefern, müssen die Arbeiter mit ihren eigenen Klassendemonstrationen antworten, mit Streiks gegen legale Waffenlieferungen, mit Kämpfen gegen jeden Imperialismus. Nur auf diese Weise können sie ihre Solidarität mit dem spanischen Proletariat zum Ausdruck bringen.

BILAN, Nr. 34, August/Sept. 1936

 

 

Politische Strömungen und Verweise: 

  • "Offizieller" Anarchismus [1]

Historische Ereignisse: 

  • Spanien 1936 [2]

Weltrevolution Nr. 76

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1973-93: Die Gewerkschaften: Spezialisten für die Sabotage der Arbeiterkämpfe

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 Die Arbeiterkämpfe im Mai 1968 in Paris und die Kämpfe im ‘heißen Herbst’ 1969 in Italien, aber auch in Deutschland -Zeichen des historischen Wiedererstarken der Arbeiterklasse- stellten nach 50 Jahren Konterrevolution eine erste Erfahrung in der Konfrontation mit der gewerkschaftlichen Sabotage dar. Von Anfang an wurden die Gewerkschaften wegen ihrer Manöver und ihrer Zusammenarbeit mit der Regierung stark in Frage gestellt. In Frankreich wie in Italien zerrissen Zehntausende Arbeiter ihre Gewerkschaftsmitgliedsausweise. Aber diese vereinzelten Wutausbrüche der Arbeiter 1968/69 waren noch nichts im Vergleich zu der Erfahrung, die die Arbeiter in den Kämpfen der 70er und 80er Jahre im Zusammenstoß mit den Gewerkschaften machen sollten.


1973-75: Wie die Gewerkschaften den Arbeiterkämpfen entgegentraten

Nach der Erfahrung aus dem Mai 68 in Frankreich hatte die Bourgeoisie nur eine Sorge: verhindern, daß sich die Arbeiter in großen Massen auf der Straße zusammenfinden. Die Gewerkschaften sollten dabei das Hauptmittel sein - indem sie die Arbeiter in den Fabriken einzusperren versuchten. Die Fabrikbesetzung der Uhrenwerke in Lip 1973 war beispielhaft für diese Strategie. Die Gewerkschaften schlugen vor, die vom Bankrott bedrohte Fabrik sollte von den Arbeitern übernommen und selbstverwaltet werden. Indem das Beispiel Lip als Sieg verkauft wurde, sollte die Verteidigung des ‘eigenen Betriebes’ als nachzuahmendes Vorbild propagiert werden. Beim Streik der Ford-Arbeiter in Köln im Herbst 1973 taten die Gewerkschaften alles für die Isolierung der Streikenden. Beim Streik der Postbeschäftigten 1974 in Frankreich haben die Gewerkschaften die Arbeiter auf die ‘Verteidigung des öffentlichen Dienstes’ und gegen die ‘Privatisierungen’ einzuschwören versucht. Im Frühjahr 1975 sollten die Beschäftigten bei Renault in einem Streik wiederum für die Verteidigung ‘ihrer Fabrik’ und für die Verstaatlichung mobilisiert werden. Die Beschäftigten wurden jedes Mal von den Gewerkschaften gegeneinander ausgespielt, indem heute hier, morgen dort zum Streik, manchmal auch nur zum Bummelstreik aufgerufen wurde. Oberstes Ziel: verhindern, daß die Beschäftigten gemeinsam zum gleichen Zeitpunkt kämpfen.

Die gleiche Vorgehensweise der Gewerkschaften im August 1975 in Italien bei den Eisenbahnen, wo in den ‘langen Verhandlungen’ eine Produktivitätssteigerung zugunsten des Kapitals durchgesetzt wurde. Der Vorsitzende der Gewerkschaft SFI-CGIL kritisierte gar die Polizei, nichts gegen die Streikenden unternommen zu haben. In Spanien lenkten die Commissiones Obreras und die KP die Streiks in die Sackgasse der Verteidigung der Demokratie gegen das Regime Francos. In Portugal wurden 1974-75 die streikenden Arbeiter immer wieder von der damals an der Regierung befindlichen KP aufgefordert, ihre Kämpfe einzustellen und Opfer zu bringen. Die Transportbeschäftigten bekamen es dann mit der Polizei zu tun. Beim Druckerstreik 1976 in Deutschland auch hier ein Meisterwerk der Isolierung dieses Teils der Arbeiterklasse durch die Gewerkschaften vom Rest der Klasse.

Die Gewerkschaften wollten überall den Arbeitern glauben machen, wenn sie für die linken Parteien bei den Wahlen stimmten, würde die Krise überwunden. Vor allem indem die linken Parteien in einigen Ländern die Regierung übernahmen, wurde der Fortsetzung dieser ersten Welle von Kämpfen ein Ende gesetzt.

Von 1974-1978 flachte der Klassenkampf wieder ab, um dann in einer Reihe von Ländern explosiv auszubrechen.


1978-1979: Die Arbeiter fingen an, die gewerkschaftlichen Zwangsjacken zu sprengen

Die Ankündigung von 20.000 Entlassungen im Stahlbereich wirkte in Frankreich wie eine Bombe. Die Reaktion der Arbeiter im Norden Frankreichs - in Denain und Longwy - kam im Jan. 1979 sofort. Zunächst akzeptierten die Gewerkschaften wie überall die Entlassungspläne. Aber die Arbeiter waren nicht bereit, diese Pläne hinzunehmen. Sie verstanden, daß sie auf die Straße ziehen mußten, um es mit dem Staat aufzunehmen, denn in den Fabriken zu verharren, wäre gewesen, als ob man sich in einem Gefängnis eingeschlossen hätte. Von Anfang an denunzierten die Gewerkschaften die Gewalt der „Provokateure“ und der „unkontrollierten Elemente“. Tatsächlich griffen die kämpferischen Arbeiter Polizeikommissariate an, besetzten Verwaltungssitze, schlossen leitende Angestellte ein. Die Gewerkschaften organisierten Aktionstage nach dem Motto ‘tote Stadt’, schafften es jedoch damit nicht, die Wut der Arbeiter einzudämmen. Am 20.Februar 1979 erklärte ein Verantwortlicher der CGT: ‘Wir fürchten jetzt vor allem, daß die Arbeiter sich selber organisieren und, ohne uns zu fragen, losschlagen, weil sie wissen, daß sie nicht mehr mit unserer Unterstützung rechnen können.’ Gleichzeitig meinte ein Delegierter der CFDT: ‘Die Arbeiter müssen sich austoben können, dafür haben wir eine Reihe von Aktionen vorgesehen.’

Als in Frankreich eine Reihe von Streiks in anderen Bereichen ausbrachen, unternahmen die Gewerkschaften auch hier wieder wie im Mai 68 alles, um die Bewegung zu sabotieren. Bei der Post, den Krankenhäusern und Banken traten sie für die Wiederaufnahme der Arbeit ein; nachdem dies geschafft war, organisierten sie am 23. März 1979 den ‘Marsch auf Paris’. Arbeitsteilig sorgten die CFDT und CGT dafür, daß die Arbeiter davon abgehalten wurden, ihre Solidarität in Paris zum Ausdruck zu bringen. Niemand wußte bis zum Schluß, wann und wo die Stahlkocher in Paris ankommen würden. Bei ihrer Ankunft in Paris sorgte ein Ordnungsdienst der Gewerkschaften und der KP dafür, daß die Demonstration im Sande verlief. Die Route der Demo wurde geändert, um ein Zusammenkommen von Stahlarbeitern und anderen Beschäftigten zu verhindern; schließlich wurde die Demonstration in der größten Zersplitterung aufgelöst. Gewerkschaftliche Ordner und Bereitschaftspolizei wirkten Hand in Hand, um die Arbeiter daran zu hindern, nach der Demonstration zusammenzukommen und Diskussionen abzuhalten.

Die KP und die CGT riefen spalterische und nationalistische Slogans: ‘Retten wir die nationale Unabhängigkeit! Schützen wir uns vor der deutschen Konkurrenz!’ Die Gewerkschaften hatten ihr ganzes Gewicht in die Waagschale geworfen, um die Arbeiter zu erschöpfen und weichzukneten, damit sie die Sparpläne des Staates akzeptieren.

In diesem zweiten Schub von Kämpfen, die zwischen 1978/79 und 1983 entflammten, gab es überall eine Infragestellung der Gewerkschaften. Überall traten Arbeiter aus den Gewerkschaften aus (insbesondere in Italien, Frankreich und Belgien). In den Betrieben, den Vollversammlungen, den Demos deckten immer mehr Arbeiter den Verrat der Gewerkschaften auf. Deren Führer wurden unzählige Male ausgepfiffen und beschimpft. In den Medien sprach man gar von einer ‘Krise der Gewerkschaften’.

Anfang der 80er Jahre ebbte schließlich diese Kampfwelle ab, nachdem die Arbeiter in Polen eine Niederlage hatten einstecken müssen.

Dabei hatten die Arbeiter in Polen im Sommer 1980 der ganzen Welt die Stärke der Arbeiterklasse gezeigt, daß sie fähig ist, ihre Kämpfe in die Hände zu nehmen, sich selbst in Vollversammlungen (MKS) zu organisieren, den Kampf über alle Fabrikgrenzen hinweg auszudehnen. Dadurch waren die Arbeiter in allen Ländern ermutigt worden. Aber die Errichtung der Gewerkschaft Solidarnosc (wobei die Gewerkschaften aus dem Westen große Schützenhilfe geleistet haben) führte vor allem, nachdem die Arbeiter durch diese neugegründete Gewerkschaft im Dezember 1981 in die Arme der Repression getrieben wurden, zu einer Verwirrung in den Reihen der Arbeiter. Eine relative Ruhepause trat ein, bevor dann 1983 erneut der Klassenkampf sich in Anbetracht der zahlreichen Sparpakete wieder aufheizte. Ab Sommer 1983 gab es spontane Kämpfe, wobei die Reaktion der Arbeiter in Belgien den Auftakt darstellte. Vielerorts gab es spontane Reaktionen der Arbeiter, die sich nicht an die gewerkschaftliche Stillhaltetaktik hielten. Nicht nur war das Mißtrauen gegenüber den Gewerkschaften gewachsen, sondern die Arbeiter verspürten auch ein größeres Selbstvertrauen. Das Beispiel der polnischen Arbeiter vom Sommer 1980 (wo die Arbeiter vor der Schaffung der Gewerkschaft Solidarnosc die Regierung zum Nachgeben gezwungen hatten) hatte angefangen, Schule zu machen.


1983-1988:

Die Bourgeoisie schärft die Waffe der Gewerkschaften gegen die Arbeiterklasse

Von Anfang an stand für viele Arbeiter fest, daß sie nicht mehr isoliert voneinander in den Betrieben kämpfen, sondern diesen Kampf auf die anderen Arbeiter ausdehnen wollten. So stellten im Frühjahr 1986 die Bergarbeiter im belgischen Limburg große Delegationen auf, die sich zu anderen Arbeiterzentren begaben. Insgesamt gab es zwischen 1984-88 in Großbritannien, Schweden, Dänemark, Spanien, Italien, Deutschland usw. Versuche, den Kampf nicht in den Händen der Gewerkschaften zu lassen.

In Anbetracht des Willens der Arbeiter, die Isolierung zu durchbrechen, um geeint dem kapitalistischen Staat entgegenzutreten, mußten anfänglich die Gewerkschaften auf den Zug aufspringen, um ihn wieder kontrollieren zu können und jede Solidarität zu verhindern. Während sie zuvor offen gegen die Kämpfe auftraten und immer von der ‘Notwendigkeit zu verhandeln’ sprachen, nahmen sie nun eine andere Sprache an. Um den Arbeitern Sand in die Augen zu streuen, taten sie so, als ob sie ‘offene Opposition’ betrieben und traten mit einer radikalen Sprache gegenüber der Regierung auf. Sie verstanden es geschickt, die Bestrebungen der Arbeiter zur Vereinigung zu untergraben.

1983 verhinderten sie in Belgien den Zusammenschluß zwischen dem öffentlichen und privaten Bereich, indem verschiedene Gewerkschaften ‘aufeinanderprallten’, voneinander getrennte Demonstrationen organisiert wurden.

1984: in Großbritannien beharrte die Bergarbeitergewerkschaft (NUM) auf der Ausdehnung der Streiks nur auf die Bergwerke - während es in anderen Branchen brodelte und in der Automobilindustrie und im Stahlbereich schon Streiks gab. Die NUM unternahm alles, um die Arbeiter daran zu hindern, den Kampf selber in die Hand zu nehmen. Insbesondere wurden die Arbeiter von der NUM in sinnlose Konfrontationen mit der Polizei getrieben und in Streikende und Nichtstreikende gespalten. Schließlich versandete der Streik im deprimierendsten Berufsegoismus; anstatt Ausdehnung und Verbindung mit anderen Branchen stand das Geldsammeln im Vordergrund. In einem solchen langen und isolierten Streik kann die Arbeiterklasse nur verlieren. Eine ähnliche Vorgehensweise der IG-Metall 1984, als sie in der Autoindustrie durch ihre ‘Nadelstichtaktik’ verhinderte, daß die Arbeiter wirklichen Druck gegenüber den Kapitalisten entfalteten.

In Anbetracht der steigenden Kampfbereitschaft mußten die Gewerkschaften Mitte der 80er Jahre ihre Sprache weiter radikalisieren. Überall spucken sie große Töne, reden von der Notwendigkeit ‘massiver und vereinter’ Reaktionen der Arbeiter. An vielen Orten werden Aktionen durchgeführt, die dazu dienen, Luft abzulassen, aber vor allem das Image der Gewerkschaften aufpolieren sollen. Aber seitdem die Arbeiterklasse sich mit ihren Kämpfen seit Mai 68 wieder aus der langen Konterrevolution erhoben hatte, war der Verlust der Glaubwürdigkeit der Gewerkschaften während dieser 20 Jahre sehr groß und tiefgreifend gewesen und die Arbeiter drängten immer häufiger auf eigenständige Aktionen.

Die Reaktion der Arbeiter in Duisburg-Rheinhausen im Dez. 1987 war keine Ausnahme, sondern Teil einer internationalen Bewegung der Klasse. Die Lehre aus dem britischen Bergarbeiterstreik aufgreifend, forderten die Beschäftigten bei Krupp nach der Ankündigung der Werksstillegung die Beschäftigten der ganzen Stadt auf, sich ihrem Abwehrkampf anzuschließen. Mehrere Tausend Beschäftigte aus Duisburg schlossen sich anfänglich gegen den Willen der Gewerkschaften den Stahlarbeitern an.

Die herrschende Klasse Europas mußte demgegenüber reagieren. Die Gewerkschaften alleine waren nicht mehr in der Lage, die Arbeiter zu kontrollieren. Die Kräfte der Extremen Linken mußten auf den Plan treten (Trotzkisten und Anarchisten). Das Kapital mußte die Waffe der Basisgewerkschafter einsetzen, es schuf neue ‘Kampfstrukturen’, Koordinationen, deren einzige Funktion darin bestand, scheinbar unabhängig und außerhalb der Gewerkschaften den Kampf in die Hand zu nehmen. Tatsächlich jedoch entfernten sie sich keinen Zentimeter von den Kampfmethoden der Gewerkschaften, sabotierten die Vollversammlungen und verhinderten Versuche der Ausdehnung und des Zusammenschlusses. Der Streik der Eisenbahner Ende 1986 und der der Krankenhausbeschäftigten 1988 in Frankreich sind ein gutes Beispiel dafür.

Als der Ostblock 1989 zusammenbrach, fiel auch diese dritte Welle von Kämpfen, die seit 1983 in Gang war, in sich zusammen. Die Bourgeoisie nutzte sofort den Zusammenbruch des Ostblocks aus, um die Arbeiter ideologisch zu behämmern und leierte eine Kampagne an vom ‘Tod des Kommunismus’. Es gebe keine Gesellschaft außerhalb der kapitalistischen und jeder Kampf gegen den Kapitalismus führe nur zu Terror und Chaos. Durch diese Kampagne wurde die Arbeiterklasse stark verwirrt, ihr Bewußtsein und ihre Kampfbereitschaft angeschlagen.

Ungeachtet all der ideologischen Manipulationen der Bourgeoisie haben die brutale Beschleuni­gung der Krise und die damit einhergehenden kapitalistischen Angriffe der Arbeiterklasse wieder vor Augen geführt, daß sie keine andere Wahl hat als zu kämpfen, daß sie gezwungen ist, den Kampf wieder aufzunehmen. Die mas­sive Reaktion der Arbeiter in Italien gegen den Amato-Plan im Herbst 1992 zeigte, daß die Arbeiterklasse nicht zu Boden geworfen ist. Dabei wurde wieder deutlich, daß in Italien wie anderswo die Arbeiter ständig mit den geschick­testen Verteidigern des Kapitals zusammenpral­len. Wenn sie ihre Interessen konsequent vertei­digen wollen, stoßen sie immer wieder auf die Gewerkschaften und ihren ‘basisgewerkschaftlichen’ Flügel. Dieser ‘radikale’ Flügel sorgt dafür, daß die Arbeiter nicht aus den Gewerkschaften ausbrechen, in ‘alternativen’ und ‘demokratischeren’ Gewerk­schaftsstrukturen festgehalten werden. Um sich gegen die Angriffe des Kapitals zur Wehr zu setzen, um die eigene Perspektive zu entwickeln, muß die Arbeiterklasse die Lehren aus den Kämpfen der letzten 20 Jahren wieder aufgreifen und erneut erkennen, daß sie nur auf ihre eigenen Kräfte bauen kann. Camille


Erbe der kommunistischen Linke: 

  • Die Gewerkschaftsfrage [3]

Der Kampf des Marxismus gegen das Freimaurertum

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Nach dem Ausschluß eines seiner Mitglieder (siehe die Warnung an unsere Leser) hat unsere Organisation die Verantwortung, unseren Lesern die Position der Revolutionäre gegenüber der Infiltrierung der Arbeiterbewegung durch das Freimaurertum in Erinnerung zu rufen.

 

Um die Gründung seines ‘Netzes der Eingeweihten’ innerhalb der IKS zu rechtfertigen, hatte das ehemalige Mitglied JJ insbesondere die Idee verbreitet, derzufolge die Leidenschaft für die Ideologie der Freimaurer und ihrer ‘geheimen Erkenntnisse’ ein besseres Begreifen der Geschichte ermöglichte, indem man über die Grenzen des Marxismus ‘hinausging’. So hatte er behauptet, ‘entdeckt’ zu haben, daß große Revolutionäre wie Marx und Rosa Luxemburg von der freimaurerischen Ideologie geprägt worden seien; er gab gar zu verstehen, daß sie vielleicht auch Freimaurer gewesen waren.

 

Gegenüber diesen schändlichen Verfälschungen, die darauf abzielen, den Marxismus zu entstellen, müssen wir den gnadenlosen Kampf in Erinnerung rufen, der seit mehr als einem Jahrhundert von den Revolutionären gegen das Freimaurertum und seine Geheimgesellschaften geführt wird, und daß die Revolutionäre diese als Instrument im Dienst der bürgerlichen Klasse betrachten.

 

Die I. Internationale und ihr Kampf gegen die Geheimgesellschaften

 

Schon die I. Internationale war die Zielscheibe wütender Angriffe seitens des Okkultismus. Die Anhänger des katholischen Mystizismus der Carbonari und der Mazzinisten waren erklärte Gegner der Internationale. In New York versuchten Anhänger des Okkultismus um Virginia Woodhull den Feminismus in die Internationale einzuführen: ‘freie Liebe’ und ‘parapsychologische Experimente’ in die amerikanische Sektion. In Großbritannien und in Frankreich organisierten freimaurerische Logen des linken Flügels der Bourgeoisie, die von bonapartistischen Agenten unterstützt wurden, eine Reihe von Provokationen, die die Glaubwürdigkeit der Internationale untergraben und zur Verhaftung von Mitgliedern führen sollte. Das zwang den Generalrat, Pyat und seine Anhänger auszuschließen und sie öffentlich zu entblößen. Aber die größte Gefahr ging von der Allianz Bakunins aus, die eine geheime Organisation innerhalb der Organisation war, und mit verschiedenen Graden der ‘Initiierung’ ihrer Mitglieder in die ‘Geheimnisse’ und ihren Manipulationsmethoden (der ‘revolutionäre Katechismus’ Bakunins) genau dem Beispiel der Freimaurer folgten.

 

Das Engagement von Marx und Engels im Kampf gegen diese Angriffe ist gut bekannt. Insbesondere wurden die Aktivitäten von Pyat und seiner bonapartistischen Anhänger, Mazzinis, Woodhulls offengelegt sowie das Komplott der Allianz um Bakunin gegen die Internationale (siehe dazu Internationale Revue Nr. 17). Daß sich Marx und Engels der Bedrohung, die vom Okkultismus ausgeht, voll bewußt waren, zeigt die Resolution über die Notwendigkeit des Kampfes gegen die Geheimgesellschaften, die Marx selbst vorschlug und vom Generalrat angenommen wurde. In der Londoner-  Konferenz vom September 1871 bestand Marx auf der Tatsache, daß. „dieser Organisationstyp im Widerspruch zu der Entwicklung der proletarischen Bewegung [steht], weil diese Gesellschaften, statt die Arbeiter zu erziehen, sie autoritären und mystischen Gesetzen unterwerfen, die ihre Selbständigkeit behindern und ihr Bewußtsein in eine falsche Richtung lenken.“ (MEW Bd.17, S. 655, 22.Sept. 1871)

 

Die Bourgeoisie versuchte auch die Arbeiterklasse unglaubwürdig zu machen, indem die Medien behaupteten, die Internationale und die Pariser Kommune seien von einer Geheimgesellschaft der Freimaurer gesteuert worden. In einem Interview mit ‘The New York World’, die zu verstehen gab, daß die Arbeiter das Werkzeug einer innerhalb der Pariser Kommune tätigen dreisten Verschwörergruppe seien,  erklärte Marx: „Mein lieber Herr, es gibt gar kein Geheimnis zu lüften, (....) es sei denn das Geheimnis der menschlichen Dummheit bei jenen, die beharrlich die Tatsache ignorieren, daß unsere Assoziation in der Öffentlichkeit wirkt und daß ausführliche Berichte über ihre Tätigkeit veröffentlicht werden für alle, die sie lesen wollen. (....) Dann könnte es genauso eine Verschwörung der Freimaurer gewesen sein, denn ihr individueller Anteil war keineswegs gering. Ich wäre wirklich nicht erstaunt, wenn der Papst ihnen den ganzen Aufstand in die Schuhe schieben würde. Doch versuchen wir, eine andere Erklärung zu finden. Der Aufstand in Paris ist von den Pariser Arbeitern gemacht worden.“ (MEW Bd.17, S.639ff., Interview in ‘The New York World’, 12.08.1871).

 

Der Kampf gegen den Mystizismus in der II. Internationale

 

Nach der Niederlage der Pariser Kommune und der Auflösung der Internationale haben Marx und Engels den Abwehrkampf gegen den freimaurerischen Einfluß in Arbeiterorganisationen in Italien, Spanien oder den USA unterstützt (die Knights of Labour). Die 1889 gegründete II. Internationale war anfangs weniger anfällig für die okkulte Infiltrierung als die I. Internationale. Bei der I. Internationale würde ‘die Weite ihres Programms (es) selbst den Deklassierten erlauben(...), sich einzuschleichen und im Schoße der Assoziation geheime Organisationen zu bilden, deren Tätigkeit sich nicht gegen die Bourgeoisie und die bestehenden Regierungen, sondern gegen die Internationale selbst richten.“ (‘Ein Komplott gegen die Internationale Arbeiterassoziation’, Bericht über das Treiben Bakunins und der Allianz, Hamburg 1873, MEW Bd.18,  S.331).

 

Während die II. Internationale auf dieser Ebene weniger anfällig war, fingen die esoterischen Angriffe nicht mittels organisierter Infiltrierung an, sondern durch eine ideologische Offensive gegen den Marxismus. Ende des 19. Jahrhunderts brüsteten sich die deutschen und österreichischen Freimaurer, aus den Universitäten und den Wissenschaftskreisen die ‘Geißel des Materialismus’ vertrieben zu haben. Mit dem Aufkommen reformistischer Illusionen und des Opportunismus in der Arbeiterbewegung zu Anfang des Jahrhunderts lieferten diese ‘Wissenschaftler’ Mitteleuropas die Grundlage dafür, daß die Bewegung um Bernstein ‘entdeckte, der Marxismus sei überholt’ worden durch den Idealismus und den neo-kantischen Agnostizismus. Auf dem Hintergrund der Niederlage der Revolution in Rußland 1905 drang die Krankheit der ‘Gotteserbauer’ bis in die Reihen der Bolschewiki vor, von denen sie aber bald ausgemerzt wurde. Die II. Internationale verteidigte den wissenschaftlichen Sozialismus heldenhaft und brillant, ohne jedoch dazu in der Lage zu sein, das Vordringen des Idealismus aufzuhalten, so daß die Freimaurer innerhalb der Arbeiterparteien Anhänger gewinnen konnten. Der berühmte französische Arbeiterführer J. Jaurès verteidigte offen die Ideologie der Freimaurer gegen das, was er die ‘arme und eng materialistische ökonomistische Interpretation des menschlichen Denkens’ des revolutionären Marxisten Franz Mehring nannte. 

 

Gleichzeitig öffnete das Aufblühen des Anarcho-Syndikalismus als Reaktion auf den Reformismus ein neues Betätigungsfeld für die Entfaltung reaktionärer Ideen, die manchmal mystischer Art waren und sich auf die Schriften von Philosophen wie Bergson, Nietzsche (er selbst bezeichnete sich als ‘Philosoph der Esoterik’) oder Sorel beriefen.

 

Das wiederum wirkte auf anarchistische Elemente innerhalb der Internationale wie Hervé in Frankreich oder Mussolini in Italien, die beim Ausbruch des 1. Weltkrieges dem rechten Flügel der Organisationen der Bourgeoisie beitraten.

 

Vergeblich versuchten die Marxisten einen Kampf gegen das Freimaurertum in der französischen Partei zu führen, oder den Mitgliedern der SPD zu verbieten, ein ‘Treuegelöbnis’ gegenüber diesen Organisationen abzulegen. Aber in der Zeit vor dem 1. Weltkrieg waren sie nicht stark genug, vergleichbare organisatorische Maßnahmen durchzuführen, wie sie  Marx und Engels innerhalb der I. Internationale durchgesetzt hatten.

 

Die III. Internationale gegen das Freimaurertum

 

Die III. Internationale war entschlossen, die organisatorischen Schwächen der II. Internationale, die 1914 zu deren Bankrott geführt hatten, auszumerzen. Deshalb kämpfte die Komintern für den vollständigen Ausschluß der Mitglieder, die sich zur ‘Esoterik’ hingezogen fühlten. Gegenüber der Infiltrierung freimaurerischer Elemente in die französische Kommunistische Partei, die schon auf dem Gründungskongreß der Partei in Tours  aufgetreten war, bekräftigte der 4. Kongreß der Kommunistischen Internationale in seiner ‘Resolution zur französischen Frage’ die Klassenprinzipien folgendermaßen:

 

 „Die Unvereinbarkeit des Freimaurertums mit dem Sozialismus war von der Mehrzahl der Parteien der II. Internationale anerkannt worden (....). Der II. Kongreß der Kommunistischen Internationale hat den Eintrittsbedingungen in die Internationale nur deshalb keinen besonderen Punkt über die Unvereinbarkeit des Kommunismus mit dem Freimaurertum beigefügt, weil dieser Grundsatz bereits seinen Platz in einer besonderen Resolution gefunden hatte, die mit Einstimmigkeit vom Kongreß angenommen worden ist. Die Tatsache, daß auf dem 4. Kongreß der Kommunistische Internationale ans Licht getreten ist, daß eine bedeutende Anzahl französischer Kommunisten den Freimaurerlogen angehören, bildet in den Augen der Internationale den deutlichsten und zugleich beklagenswertesten Beweis dafür, daß unsere französische Partei nicht nur das psychologische Erbe der Epoche des Reformismus, Parlamentarismus und Patriotismus bewahrt hat, sondern auch ganz konkrete, die Spitzen der Partei höchst kompromittierende Beziehungen zu den geheimen politischen und karrieristischen Institutionen der radikalen Bourgeoisie (....).

 

Die Internationale hält es für notwendig, diesen kompromittierenden und demoralisierenden Beziehungen der Spitzen der Kommunistischen Partei zu den politischen Organisationen der Bourgeoisie ein für allemal ein Ende zu machen. Es muß für das französische revolutionäre Proletariat Ehrensache sein, seine gesamten Klassenorganisationen von allen Elementen zu säubern, die gleichzeitig beiden kämpfenden Lagern angehören wollen.

 

Der Kongreß beauftragt das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Frankreichs damit, bis zum 1. Januar 1923 jede Beziehung der Partei in der Person gewisser Mitglieder oder Gruppen zur Freimaurerei zu lösen. Jeder Kommunist, der heute noch zu den Freimaurern gehört und bis zum 1. Januar 1923 seiner Organisation durch Veröffentlichung in der Parteipresse nicht öffentlich erklärt hat, daß er mit dem Freimaurertum vollkommen gebrochen hat, scheidet damit automatisch aus der Kommunistischen Partei aus, ohne das Recht, auch in noch so ferner Zukunft wieder aufgenommen zu werden. Falls jemand seine Zugehörigkeit zum Freimaurertum verheimlicht, muß dies als das Eindringen eines feindlichen Agenten in die Reihen der Partei betrachtet und die betreffende Person vor dem gesamten Proletariat als ehrlos gebrandmarkt werden.“ (‘Beschlüsse zur französischen Frage’, ‘Das Freimaurertum, die Liga der Menschenrechte und die bürgerliche Presse’, Thesen und Resolutionen des IV. Weltkongresses der Kommunistischen Internationale, 5.11. -5.12.1922).

 

Im Namen der Internationale brandmarkte Trotzki die Verbindungen zwischen „Freimaurertum und den Institutionen der Partei, dem Redaktionskomitee und dem Zentralkomitee in Frankreich. Die Menschenrechtsliga und die Freimaurerei sind Instrumente der Bourgeoisie, die das Bewußtsein der Repräsentanten des französischen Proletariats ablenken. Wir erklären einen erbarmungslosen Krieg gegen diese Methoden, denn sie stellen eine geheime und hinterlistige Waffe im Arsenal der Bourgeoisie dar. Wir müssen die Partei von diesen Elementen befreien.“ (Trotzki, ‘Die Stimme der Internationale: Die kommunistische Bewegung in Frankreich’)

 

Ähnlich bezog der Delegierte der KPD auf dem 3.Kongreß der Italienischen Kommunistischen Partei in Rom Stellung, als er sich auf die Thesen zur Taktik der Kommunisten, die von Bordiga und Terracini vorgelegt worden waren, stützte: „Die offenkundige Unvereinbarkeit, gleichzeitig der kommunistischen Partei und einer anderen Partei anzugehören, erstreckt sich außer auf die politischen Parteien auch auf jene Bewegungen, die trotz ihres politischen Charakters, nicht die Bezeichnung und die Organisation der Partei haben, (....), unter diesen vor allem das Freimaurertum.“ (P. Böttcher, ‘Die italienischen Thesen’, Die Internationale, 1922, S.399)

 

Gegenüber dem Aufblühen des Mystizismus und der Verbreitung der okkulten Sekten in der zerfallenden kapitalistischen Gesellschaft müssen sich die Revolutionäre die Lehren aus diesem gnadenlosen Kampf der Marxisten gegen die freimaurerische Ideologie aneignen. Sie müssen die Scham noch beschämender machen, indem sie sie der Öffentlichkeit zugänglich machen, wie Marx meinte, indem sie energisch diese reaktionäre Ideologie entblößen. Genauso wie die Religion, die Marx im letzten Jahrhundert als das ‘Opium für das Volk’ bezeichnete, sind die ideologischen Themen der modernen Freimaurerei ein Gift, das von dem bürgerlichen Staat verbreitet wird, um das Bewußtsein der Arbeiterklasse zu trüben.

 

Die Tatsache, daß die Arbeiterbewegung in der Vergangenheit einen heftigen Kampf gegen den Okkultismus hat führen müssen, ist heute wenig bekannt. Tatsächlich waren die Ideologie und die Methoden der geheimen Infiltrierung durch das Freimaurertum immer eine Speerspitze der Versuche der Bourgeoisie gewesen, die kommunistischen Organisationen von innen her zu zerstören. Wenn sich in der IKS wie bei vielen Organisationen in der Vergangenheit diese Art Ideologie verbreitet hat, ist es unsere Aufgabe und Verantwortung, die Lehren aus diesem Kampf für die Verteidigung des Marxismus dem gesamten proletarischen politischen Milieu mitzuteilen.

 

IKS    26. April 1996

 


 

Weltrevolution Nr. 77

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Ein weltweites Phänomen: Diskussionszirkel in der Arbeiterklasse

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Viele Arbeiter suchen heute nach Mitteln und Wegen, um die Isolation zu durchbrechen und zu einer politischen Klärung zu gelangen. Sie wollen aber nicht einer bürgerlichen Partei beitreten oder sich in einer Gewerkschaft betätigen. Was für Möglichkeiten gibt es da?

Gibt es für Zirkel bestimmte Regeln des Funktionierens?

Der Zirkel in Zürich hatte seine Anfänge gegen Ende der Achtzigerjahre, war jedoch damals eher ein kleiner Kreis von Elementen, welche sich in der Zeit der Zürcher Jugendbewegung 80/81 politisiert hatten und sich nun von den linken, bürgerlichen Ideologien entfernten, als tatsächlich ein bewusster Diskussionszirkel mit einem proletarischen Selbstverständnis. Die Initiative für diese politischen Auseinandersetzungen wurden denn auch vielmehr von einem einzelnen Individuum ausgestrahlt, welches hartnäckig versuchte, anderen Arbeitern die Augen zu öffnen und damit eine wertvolle Arbeit leistete.

Es wäre jedoch absolut falsch, das Entstehen dieses Diskussionskreises als Zufall oder als Produkt eines Individuums zu betrachten. Ganz im Gegenteil war es ein Ausdruck der Ausstrahlung und Kraft, welche die Arbeiterkämpfe Mitte der Achtzigerjahre in allen wichtigen Ländern Westeuropas hatten und einzelne Arbeiter auch in Zürich zum Nachdenken zwangen. Sie hatten gesehen, dass die Arbeiterklasse entgegen all dem linken Geschwätz von "Verbürgerlichung des Proletariates", "Neuzusammensetzung der Arbeiterklasse" oder gar dem "Verschwinden der Arbeiterklasse" immer noch existierte und mit ihren Kämpfen als einzige Klasse eine Alternative gegenüber der kapitalistischen Barbarei aufzeigte. Auch waren die wiederaufflammenden Klassenkämpfe sofort für einige Elemente, welche den bürgerlichen Charakter der linken Politik zu erkennen begannen, ein politischer Orientierungspunkt geworden. Diese ersten Diskussionen wurden aber vor allem auch durch den Einfluss unserer Organisation vorangetrieben. Das Lesen von "Weltrevolution" sowie die Teilnahme an unseren öffentlichen Diskussionsveranstaltungen ermöglichte einzelnen Teilnehmern dieses unregelmässigen Zirkels, tatsächlich mit ihren bisherigen Auffassungen zu brechen. Dies ist keine "Selbst-Beweihräucherung", sondern eben gerade ein Beispiel der Funktion, welche eine revolutionäre Organisation gegenüber sich politisierenden Arbeitern zu erfüllen hat. Da wir solche Zirkel als einen Ausdruck der Arbeiterklasse betrachten, ist es gerade unsere Pflicht als kommunistische Organisation daran teilzunehmen, um eine klärende Rolle zu spielen, darin politisch zu intervenieren.

Diese erste, eher informelle Phase des Zirkels in Zürich fand jedoch mit dem Zusammenbruch des kapitalistischen Ostblocks 1989 ein Ende. Der Zusammenbruch des Ostblocks hatte in der Arbeiterklasse zwar einerseits einen deutlichen Rückgang der Kämpfe, vor allem aber des Bewusstseins hervorgerufen, denn die Bourgeoisie nutzte die Gunst der Stunde, um mit ihrer Propaganda "der Kommunismus ist tot" einen Grossteil der Arbeiterklasse zu verunsichern. Aber auf der anderen Seite löste der Zusammenbruch des Ostblocks unter vereinzelten Arbeitern auch ein Nachdenken aus. Vor allem aber der Golfkrieg zur Jahreswende 90/91 hat innert kürzester Zeit das wahre Gesicht des Kapitalismus, der sog. "Neuen Weltordnung" entlarvt. So war es kein Zufall, dass auch ein Arbeiterzirkel wieder mit neuen Elementen als Ausdruck des Reifungsprozesses einer kleinen Minderheit innerhalb der Klasse belebt wurde.

Der Zirkel öffnete sich, es trafen sich nicht mehr nur Freunde und alte Bekannte. Man diskutierte einerseits Fragen der Aktualität - z.B. die neue Konstellation der imperialistischen Mächte nach dem Zusammenbruch des Ostblocks -, andererseits Grundsatzpositionen der Arbeiterbewegung wie die Dekadenz des kapitalistischen Systems und ihre Begründung. Der Zirkel traf sich wenn möglich nicht mehr in Privatwohnungen. Man suchte sich gemeinsam den Lesestoff für das nächste Treffen aus. Ein oder zwei Teilnehmer erklärten sich bereit, eine Einführung vorzubereiten. Eine auch nur minimale Vorbereitung auf die Diskussion und eine Strukturierung derselben erleichtern den Einstieg und erlauben es, einer Linie zu folgen und so ein Thema zu vertiefen.

Das bedeutete aber nicht, dass im Zirkel über Monate ein Plan über die Diskussionspunkte festgelegt worden wäre. Vielmehr hiess Offenheit auch Bereitschaft, auf Vorschläge von neuen Teilnehmern einzugehen. Wenn ein neues Thema auf der Zunge brannte, wurde es für die nächste Sitzung traktandiert und entsprechend vorbereitet. Wesentlich war, dass es die Anwesenden interessierte und für die Arbeiterklasse von Belang war.

Die Arbeiterklasse, deren politische Ziele im Gegensatz zu denjenigen der anderen Klassen in der Geschichte nicht von ökonomischen Zwängen blind bestimmt sind, und die fähig ist, die Geschichte durch bewusste Schritte in die eigenen Hände zu nehmen, hat gerade auch über die Frage der eigenen Organisation viele Lehren gezogen. Seien es nun die Lehren zur Frage der Partei 1903 (Lenin, "Ein Schritt vorwärts, zwei Schritte zurück") oder die der Organisationsform der Räte, welche in der Russischen Revolution 1905 erstmals entstanden sind, um zwei markante Beispiele zu nennen. So war es auch kein Zufall, dass die Frage des eigenen Selbstverständnisses, der Rolle und Funktionsweise eines solchen Zirkels, geklärt werden musste.

Offener Zirkel oder ‘eigene’ Organisation?

Diese Frage tauchte im Zürcher Zirkel natürlich in einer konkreten Form auf: Gibt es Kriterien politischer Übereinstimmung, um teilnehmen zu können? Haben wir als Zirkel wie eine Organisation eine Plattform? Macht ein Zirkel wie eine Organisation in eigenem Namen Flugblätter, um zu Ereignissen wie dem Golfkrieg eine internationalistische Position zu vertreten? Ist das Ziel eines Zirkels die Gründung einer eigenen Organisation?

Um diese Fragen zu beantworten, war es zunächst unerlässlich zu klären, was ein Zirkel eigentlich ist. Ein Zirkel ist keine "eigene" politische Gruppe oder Organisation. Eine politische Organisation des Proletariats ist notwendigerweise ein international ausgerichtetes Gebilde, ein Produkt des historischen Ringens der Arbeiterklasse um programmatische Klarheit. Sie entsteht nicht lokal, sondern knüpft direkt an die politischen und organisatorischen Traditionen der marxistischen Bewegung an. Ein Zirkel hingegen ist ein geographisch und zeitlich eingegrenztes Phänomen: in einem Ort oder in einer Umgebung kommen Elemente zusammen, um die Sache des Proletariats zu diskutieren und zu klären. Was haben diese Elemente gemeinsam? Erstens wohnen sie am selben Ort. Zweitens haben sie sich programmatisch und organisatorisch möglicherweise noch nicht festgelegt; es gibt viele offene Fragen zu klären. Leute, die politische Fragen des Proletariats klären wollen, werden nicht untereinander einer Meinung sein, nur weil sie zufälligerweise in derselben Stadt wohnen. Im Gegensatz zur Bourgeoisie, wo die lokal und national verbundenen Ausbeuter gemeinsame Interessen haben werden, findet der Zusammenschluss und die Klärung im politischen Lager des Proletariats direkt auf Weltebene statt.

Das Proletarische an einem Diskussionszirkel ist nicht ein gemeinsames "lokales" Programm, sondern der gemeinsame Wille zu diskutieren und zu klären. Ein Diskussionskreis ist folglich keine programmatisch festgelegte Gruppe, sondern ein Ort: ein Ort der politischen Klärung.

Ein Zirkel ist auch nicht die Summe seiner Mitglieder oder die Summe ihrer Meinungen. Er ist ein Forum, wo Diskussionen stattfinden können. Die Anzahl und Teilnehmer des Zirkels können fluktuieren. Während manche Teilnehmer jedesmal dabei sind, kommen andere nur unregelmässig. Einige kommen gar nicht mehr, während neue dazustossen.

Die Notwendigkeit solcher Orte politischer Diskussionen, wo suchende Proletarier "vor Ort" hingehen können, ist ein permanentes Bedürfnis der Arbeiterklasse, das in der Geschichte verschiedene Formen angenommen hat. Am Anfang der Arbeiterbewegung bildeten oft Clubs oder Arbeitervereine, ja sogar Cafés und Kneipen in Arbeiterbezirken solche Orte. Später, im Westeuropa der Jahrzehnte vor 1914, waren zumeist die lokalen Sektionen der sozialistischen Massenparteien bzw. teilweise die Gewerkschaften solche Anlaufpunkte. In Rußland entstanden am Ende des vorigen Jahrhunderts, als es noch keine Arbeiterpartei und kaum Gewerkschaften gab, überall Arbeiterzirkel. Sie gingen später (nicht ohne Kampf!: siehe Lenins "Ein Schritt Vorwärts, Zwei Zurück") in den Arbeiterparteien auf.

In der Niedergangsphase des Kapitalismus, seit dem 1.Weltkrieg, nachdem die Gewerkschaften zu Organen des bürgerlichen Staates geworden sind und auch Massenparteien der Arbeiterklasse nicht mehr möglich sind, können solche Strukturen natürlich auch kein Ort der Diskussion für die Arbeiterklasse sein.

Aber das Bedürfnis nach solchen Orten besteht weiter. Vor allem in der Zeit nach 1968, als die Konterrevolution zu Ende ging und das Proletariat kämpferisch und entschlossen die Bühne geschichtlicher Handlungen erneut betrat, sind weltweit Diskussionszirkel in der heutigen Form entstanden. Diese Diskussions- orte müssen unabhängig von der Kontrolle des Staates und seiner linkskapitalistischen Fangarme geschaffen, erkämpft und verteidigt werden. Ein schwieriges Unterfangen, das ohne Klarheit über die eigene Funktion und selten ohne die Unterstützung revolutionärer Organisationen gelingen kann.

Um Orte der Klärung zu sein, und um das Leben des Proletariats ausdrücken zu können, müssen diese Zirkel also für jeden nach Klarheit Suchenden, aber auch für die Intervention aller revolutionären Gruppen offenstehen. Andererseits müssen diese Zirkel Konfusionen über die eigene Rolle bzw. Fallen der herrschende Ideologie umschiffen können, um ihrer Aufgabe treu zu bleiben.

Das Ziel eines Diskussionszirkels ist die politische Klärung der Einzelnen, die daran teilnehmen. Der Diskussionsrahmen ist ein gemeinsamer, was dem kollektiven Wesen der Arbeiterklasse entspricht. Der Weg und die Geschwindigkeit der politischen Klärung sind aber grundsätzlich für jede Person verschieden. Ein Zirkel ist also nicht ein organisatorischer Zusammenschluss, bei dem schon eine bestimmte politische Plattform massgebend wäre. Ein Zirkel ist deshalb nicht stabil oder permanent, sondern ein Moment der politischen Klärung, welcher es den Militanten erlaubt, in einem kollektiven Diskussionsprozess herauszufinden, wo sie politisch stehen gegenüber den großen Fragen proletarischer Politik von heute, sowie gegenüber den bereits existierenden historischen und internationalen Strömungen des marxistischen proletarischen Milieus. So hat unsere Organisation beispielsweise in Mexiko oder eben in der Schweiz durch diese polarisierende politische Arbeit neue Sektionen geschaffen.

Eine programmatische Homogenität kann in einem Zirkel nicht vorausgesetzt werden. Im Gegensatz dazu ist eine politische Organisation auf ein einheitliches Programm angewiesen. Wenn man also Zirkel mit Organisation verwechselt und für einen Zirkel eine politische Plattform fordert, gründet man mit jeder Zirkeldiskussion neue Organisationen.

Nicht die Gründung vieler kleiner, zerstückelter Organisationen ist das Ziel der Arbeiterklasse. Ganz im Gegenteil widerspricht dies dem einheitlichen Charakter des Proletariates, dessen besondere Interessen letztlich identisch mit den allgemeinen Interessen der Menschheit sind. Betrachten wir die politischen Organisationen, welche das Proletariat in seiner Geschichte hervorgebracht hat, so war das Ziel immer eine programmatische und organisatorische Einheit. Die Erste, die Zweite und die Dritte Internationale waren vor ihrem jeweiligen Zusammenbruch oder ihrer Degenerierung nur der reifste und klarste Ausdruck dieses einheitlichen Charakters der Arbeiterklasse und dafür, wie er sich auf organisatorischer Ebene manifestierte. Sie zeigen aber gerade auch für die Frage nach der Perspektive eines Zirkels am deutlichsten auf, dass die Gründung einer eigenen Kapelle dem Wesen des Proletariates entgegensteht.

Politische Intervention als Zirkel?

Mehrfach entstand auch aus dem Zirkel in Zürich die Initiative für eine politische Intervention mittels Flugblättern, so zum Beispiel zur Zeit des Golfkrieges. Auch eine öffentliche Veranstaltung über die Deutsche Revolution, zu der offen mobilisiert wurde, fand statt. Diese Initiative drückte im Kern eine richtige Sorge aus: Die Einsicht, dass es falsch ist, sich als politisierter Arbeiter in eine abgeschottete Diskussion zurückzuziehen und keine Verantwortung gegenüber der Arbeiterklasse als ganzes wahrzunehmen. Jedoch kann der Zirkel nicht als solcher und in seinem eigenen Namen intervenieren, weil er kein geschlossenes und homogenes Gebilde darstellt. Wohl können einzelne Mitglieder eines Zirkels in ihrem eigenen Namen intervenieren, vor allem aber können sie auch aktiv werden, um die Intervention einer revolutionären Organisation zu unterstützen, die allein über die notwendige Klarheit und die nötigen Mittel verfügt, diese Intervention durchzuführen.

Lesekreis oder Mittel zur Entwicklung des Klassenbewusstseins?

Es ist auch absolut falsch, aus einem Zirkel einen abgeschotteten Lesekreis zu bilden, der sich zurückzieht, um Bücher zu studieren. Dies, weil es nicht die Aufgabe von Arbeitern ist, sich wie an Universitäten auf das akademische Studium der Geschichte oder Ökonomie des Kapitalismus zu beschränken oder aus den Erfahrungen der Klassenkämpfe des Proletariates eine sterile, höchstens für die Bourgeoisie nützliche Wissenschaft zu machen, sondern sich auch mit der gegenwärtigen Situation, mit den Angriffen gegen das Proletariat auseinanderzusetzen, um darauf eine Antwort zu finden. Wie schon Marx richtig sagte: „Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert, es kömmt darauf an, sie zu verändern" (11. These über Feuerbach). Jeder sich politisierende Arbeiter hat auch mit die Aufgabe, seinen Klassengenossen gegenüber aktiv seine politischen Positionen zu verteidigen, um so einen Beitrag zur Entwicklung des Bewusstseins im Proletariat zu leisten.

Selbstverständlich ist es in einem Zirkel absolut notwendig, ökonomische Fragen genau zu klären oder einzelne Zeitabschnitte wie beispielsweise die weltrevolutionäre Welle von 1917-1923 vertieft zu diskutieren. Aus diesem Bedürfnis zur Vertiefung entstand jedoch in Zürich der falsche Vorschlag, die Diskussionen zu trennen, sozusagen parallel einen ‘Ökonomie-Zirkel’ zu eröffnen. Wir verwerfen eine solche Trennung der Diskussionen. Einerseits aus den oben angeführten Gründen des einheitlichen Charakters der Arbeiterklasse und der sich daraus ergebenden Schlussfolgerung, auch möglichst einheitliche Klärungsprozesse zu führen. Ein anderer Grund ist aber auch die Methode, wie politische Fragen im Proletariat geklärt werden. Die Arbeiterklasse kennt keine idealistischen Motive, um den Kapitalismus in Frage zu stellen. Auch hier bringt es der Ausdruck von Marx, „die Krise ist der beste Verbündete der Arbeiterklasse", auf den Punkt: Es sind die tagtäglichen Konfrontationen mit der Realität im Kapitalismus, die täglichen Angriffe auf das Proletariat, welche es dazu treiben, sein Bewusstsein zu entwickeln und so eine revolutionäre Perspektive zu suchen. So ist es auch richtig, immer wieder ausgehend von konkreten Ereignissen, mit denen das Proletariat konfrontiert ist, in die Tiefe zu gehen, seien es nun ökonomische Fragen oder bestimmte historische Abschnitte, um daraus eine Antwort auf die Aktualität zu finden. Verschiedene Diskussionen in einem Zirkel getrennt voneinander zu führen, in dem Glauben, das erlaube eine genauere Klärung, ist nicht nur eine Illusion, sondern bewirkt genau das Gegenteil. Die dialektische Methode besteht darin, die Aktualität und die Vertiefung als eine Einheit wahrzunehmen, die Verbindung zwischen den beiden Seiten herzustellen. Diese Einheit aufzulösen führt zu Konfusionen und raubt den Arbeitern das Instrument, in der heutigen Situation eine Antwort zu finden.

Offenheit gegenüber neuen Teilnehmern

Ein anderer wichtiger Punkt ist die Offenheit eines Zirkels. Orte, an denen Arbeiter ihre politischen Fragen diskutieren, müssen jedem offen stehen, es sei denn, er sei ein direkter Vertreter der herrschenden Klasse oder mit der Absicht gekommen, diesen Klärungsprozess bewusst zu sabotieren, beispielsweise im Auftrag des bürgerlichen Staatsapparates. Im Gegenteil sind neu hinzukommende Elemente immer eine Bereicherung. In diesem Rahmen stellte sich gerade in Zürich auch immer wieder die Frage, ob es gewisse Kriterien gebe, um an diesen Diskussionen teilzunehmen. Ob ein gewisses Mass an ‘marxistischer Schulung’ nötig sei, ob man an jeder Diskussion teilnehmen müsse oder ob die Beteiligung an politischen Aktivitäten, welche von den proletarischen Positionen, an denen sich der Diskussionszirkel orientiert, abweichen, absolut unvereinbar sei für die Teilnahme eines Individuums am Zirkel. Wir als IKS sagen auch hier klar nein, da solche Auffassungen nur eine Variante des schon von Lenin scharf verworfenen Zirkelgeistes sind.

Mit bürgerlichen Auffassungen zu brechen ist oft ein langer Weg, ein Prozess, der Zeit braucht, Schwankungen beinhaltet oder Rückschritte aufweist. Meist geschieht dies bei den einzelnen Teilnehmern eines Zirkels auch in einem unterschiedlichen Tempo oder es stehen für jeden unterschiedliche politische Fragen im Vordergrund. Kriterien wie die oben erwähnten für die Teilnahme an solchen Diskussionen zu fordern, würde sofort die Funktion eines Zirkels in Frage stellen. Es würde einem Teilnehmer, der beginnt, sich politische Fragen zu stellen, eines dieser Kriterien aber nicht erfüllt, sofort Hindernisse in den Weg legen und ihn von einer weiteren politischen Klärung ausschliessen.

Gleichzeitig ist es unfruchtbar und letztlich tödlich, wenn sich ein Zirkel gegenüber den Gruppen des revolutionären Milieus verschliesst. Die Intervention der IKS im Zürcher Zirkel hat in verschiedenster Hinsicht polarisierend und klärend gewirkt. Auch andere revolutionäre Organisationen sollen eingeladen werden. (Allerdings hat dieser Zirkel auch erfahren müssen, dass nicht alle Gruppen im Milieu zu Interventionen in einem Zirkel bereit sind.)

Genauso wie der kleinbürgerliche "Zirkelgeist" mit seinem informellen, verschwörerischen und sektenhaften Charakter innerhalb einer proletarischen Organisation absolut schädlich ist, widerspricht er auch einem Diskussionszirkel der Arbeiterklasse.

Konkret sollen daher Teilnahme und Thema offen sein, ein Zirkel nicht die Form eines geschlossenen Studierclubs annehmen. So ist es auch falsch, sich in einem privaten Rahmen, bei einzelnen Teilnehmern Zuhause zu treffen, sondern ein Zirkel soll einen öffentlichen Tagungsort haben.

In einem weiteren Artikel werden wir auf die Sabotage der Zirkelarbeit durch das parasitäre Milieu eingehen. 14.7.96 V

 

 

 

 

Ein Weg ist derjenige, den in Zürich nun über Jahre hinweg verschiedene Arbeiter und andere nach Klärung strebende Elemente in wechselnder Zusammensetzung beschritten haben: die Teilnahme an einem Diskussionszirkel. Wir berichten in diesem Artikel über die bisherigen Erfahrungen dieses Zirkels, die ermutigend sind. Gleichzeitig erlaubt eine solche Zwischenbilanz, auf Gefahren hinzuweisen, die einem Zirkel drohen. Wir weisen vor allem deshalb auf dieses Beispiel hin, weil wir wissen, dass es an anderen Orten auf der Welt ebenfalls solche Diskussionszirkel gibt, die vor ähnlichen Aufgaben und Problemen stehen.

Ein Zirkel ist ein offenes, nicht permanent bestehendes Zusammenkommen von Arbeitern, welche ihre politischen Fragen diskutieren und klären wollen. Orte, welche sich das Proletariat vor allem in Zeiten, in denen keine Partei oder Arbeiterräte bestehen, selbst schafft, um sein Bewusstsein voranzutreiben. Als revolutionäre Organisation begrüssen wir das Entstehen solcher Zirkel, wir betrachten sie als konkreten Ausdruck eines Reifeprozesses innerhalb der Arbeiterklasse. Sie drücken das Bewusstsein des Proletariates aus, die heutige Krise, den Bankrott des Kapitalismus nicht einfach so hinzunehmen, den Angriffen des Kapitals nicht wehrlos gegenüberzustehen, sondern nach Wegen zu suchen, wie sich die Arbeiter dagegen wehren und eine revolutionäre Perspektive entwickeln können.

Ein weltweites Phänomen: Diskussionszirkel in der Arbeiterklasse

Erbe der kommunistischen Linke: 

  • Das Klassenbewusstsein [4]

Weltrevolution Nr. 78

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Weltrevolution Nr. 79

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Auslöschung der Juden im 2. Weltkrieg: Ob demokratisch oder faschistisch - alle Staaten sind für die Massaker verantwortlich

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In früheren Ausgaben von Weltrevolution haben wir schon gegen die Pressekampagne in den großen Tageszeitungen in Frankreich reagiert, die von der Gefahr einer ‘Leugnung der Massaker’ (Negationisten) durch die Linken sprechen. Die Wurzeln dieser Gefahr lägen in den Positionen der Kommunistischen Linken begründet. Diese Medieninszenierung, die sich auf tatsächliche Leugnungen einer Handvoll sog. ‘’Links-Intellektueller’ Anfang der 80er Jahre stützt, greift durch heimtückische Anspielungen eine Reihe von Texten und Persönlichkeiten der Kommunistischen Linken an. So wurden in verschiedenen Presseorganen von Le Monde über Le Figaro bis Libération nacheinander Texte aus den 30er Jahren zum Spanienkrieg, die die Zeitschrift ‘BILAN’ veröffentlicht hatte, und auf die sich unsere Strömung beruft, die Broschüre ‘Auschwitz oder das große Alibi’, die 1960 von der IKP (‘Le Prolétaire’) herausgegeben wurde, infragegestellt wie auch schließlich die Person Bordigas, der der Anführer der Italienischen Linken in den 20er Jahren war und nach dem Krieg die sog. ‘bordigistische Strömung’ leitete, auf die sich dieselbe IKP (1) beruft.

Nicht nur haben die Gruppen, die sich auf die Kommunistische Linke berufen, nie die Wirklichkeit der Auslöschung der Juden während des Krieges geleugnet, sondern sie haben das ganze Ausmaß der Barbarei entblößt, wobei sie die mörderische Logik des kapitalistischen Nazistaates UND die Komplizenschaft und Verantwortung der demokratischen Staaten aufgezeigt haben. Die bestellten Schreiberlinge, die die Broschüre der Internationalen kommunistischen Partei (IKP) ‘

Auschwitz oder das große Alibi’ als ‘Grundlagentext des linken Negationismus’ darstellen, versuchen in Wirklichkeit, den marxistischen Standpunkt zu diskreditieren. Der Marxismus stellt nicht nur die Barbarei der Nazis in den Rahmen der ganzen Barbarei und des schrecklichen Blutbades des imperialistischen Weltkriegs, sondern er entblößt auch die Art und Weise, wie die KZ’s und ihre Greueltaten seit 1945 als Alibi für die Verbrechen der großen ‘zivilisierten’, ‘demokratischen’ Staaten gedient haben. Der Marxismus zeigt auf, wie die Verbrechen der Nazis den Alliierten als Feigenblatt ihrer eigenen Verbrechen und zur nachträglichen Rechtfertigung des 2. Weltkriegs dienten

Die Verantwortung der ‘Alliierten’ bei der Auslöschung der Juden

Wenn die herrschende Ideologie sich so sehr darum bemüht, aus dem Holocaust ein unerklärliches Verbrechen zu machen, oder nur erklärbar durch metaphysische Überlegungen über die ‘teuflischen Umtriebe der menschlichen Natur’, der man nur den guten Willen der Menschen gegenüberstellen könne, soll damit der Kapitalismus von all der Verantwortung weißgewaschen werden, die er bei der organisierten Auslöschung von Millionen von Menschenleben trägt. Dann soll damit besser übertüncht werden, daß die Entfesselung des Rassismus, des Fremdenhasses oder der Judenhetze _-die Juden müssen als Repräsentanten des ‘heimatlosen’ Flüchtlings herhalten- ihre Wurzeln in der nationalistischen Ideologie hat, die die bürgerliche Klasse von ihrem Wesen her prägt. Auch soll das grundsätzlich nationalistische Wesen des Kapitals verdeckt werden, egal in welcher Staatsform es auftritt - ob ‘totalitär’ oder ‘demokratisch’.

Für das deutsche Kapital der 30er Jahre war der Rückgriff auf den Nazismus der einzige Ausweg, um sich über Wasser zu halten; der Antisemitismus war nicht nur die ideale völkische Ideologie, die Hitler die soziale Grundlage und die Schlägertrupps aus den Reihen des durch die Krise ruinierten und verzweifelten Kleinbürgertums lieferte. Den Juden die Sündenbockrolle für die Krise und Schwächung Deutschlands durch den Versailler Vertrag zuzuschreiben, diente zunächst dazu, indem sie enteignet wurden, Mittel für die Kriegsvorbereitungen des deutschen Imperialismus aufzutreiben. Ihre massive Deportation in die Arbeitslager diente schließlich dem deutschen Kapital dazu, daß diese Masse von Arbeitskräften sich zu Tode schuftete, wodurch so ein Teil der Überbevölkerung aus der Welt geschafft wurde, den nicht nur die Nazis nicht mehr wollten, sondern mit dem auch kein einziger anderer Staat etwas zu tun haben wollte.

Die massive Ausrottung als ein Mittel der Reduzierung der überflüssigen Bevölkerung richtete sich aber nicht nur gegen die Juden. Unzählige Zigeuner erlitten das gleiche Schicksal und vor ihnen Tausende von geistig Kranken aus den psychiatrischen Anstalten. Man erschoß sie zunächst; dann aber um Munition zu sparen, vergaste man die Schwächsten und die Kranken unter den Deportierten, denn man konnte ja keinen Profit mehr aus ihnen erzielen.

Die ersten militärischen Schwierigkeiten des deutschen Imperialismus sollten die systematische Ausrottungspolitik beschleunigen. Bevor die ersten Gaskammern eingerichtet wurden, wurden große Bevölkerungsteile in den besetzten Gebieten wild drauf los ermordet. In der Ukraine brauchte die Wehrmacht 1941 Lebensmittel. Um Hungerunruhen zu vermeiden, denn die Bevölkerung konnte mit verfolgen, wie Lebensmittel beschlagnahmt und rationiert wurden, beschloß der Generalstab der Wehrmacht, die Bevölkerung dieser Kornkammer durch die ‘wirtschaftlichste’ Art zu dezimieren: Gefangene wurden in LKW’s eingesperrt, die Auspuffrohre wurden ins Innere der LKW’s geleitet. Dies waren die ersten ‘Gaskammern’.

Immer mehr solcher Gaskammern wurden vom Ende des Jahres 1941 an eingerichtet, denn von diesem Zeitpunkt an erschien es der deutschen Bourgeoisie unmöglich, die ‘ungewollte Bevölkerung’ an andere kriegsführende Länder loszuwerden, denn deren Grenzen waren bewacht und verschlossen. Die Kriegslogik trieb die Nazis dazu, von der Ausweisung und Vertreibung zur Auslöschung überzugehen. Die durch den Krieg aufgezwungenen Bedingungen, die geschlossenen Grenzen und vor allem die Weigerung aller kriegsführenden Länder der beiden Seiten, sich die Flüchtlinge aufzuhalsen, bewirkte, daß diese elendige Bevölkerungsgruppe zur industriellen Ausrottung in den KZ’s verurteilt wurde.

Zu erklären, man sei erschrocken und entsetzt über das Wüten der Nazis und die Krokodilstränen der Staaten des ‘demokratischen Lagers’, die 1945 als die ‘Befreier’ der KZ’s aufgetreten sind, wäscht aber diese Staaten noch nicht weiß. Sie waren Komplizen und trugen ihre Verantwortung bei den organisierten Massakern.

Mehrfach versuchte Deutschland im Krieg die Juden an die Alliierten gegen Geld loszuwerden. Dies zeigten unter anderem die Bestrebungen von Joel Brandt, der in der Broschüre ‘Ausschwitz oder das große Alibi’ zitiert wird. J. Brandt wurde von den Nazis beauftragt, den Alliierten einen Handel vorzuschlagen: der Tausch von einer Millionen Juden, die in KZ’s einsaßen, gegen 10.000 LKW. Bei der britischen Regierung stieß er auf kategorische Ablehnung, denn sie wollte sich diese Flüchtlingsmasse nicht auf den Hals laden, deren ‘Beförderung die Kriegsmaschine beeinträchtigen’ würde. Selbst als die Nazis als Bürgschaft vorschlugen, sofort 100.000 Juden gegen überhaupt keine Gegenleistung auszuhändigen, die gleiche Weigerung.

Die amerikanische Regierung weigerte sich ebenfalls, Schiffe zu schicken, um die Juden in Europa abzuholen, weil ‘dadurch die Kriegsbemühungen geschwächt’ würden. Die Luftwaffe der Alliierten, die jederzeit bereit war, die Industriezentren und militärischen Kriegsziele in Deutschland zu bombardieren, versuchte nie, die Deportationsnetze der Nazis zu zerschlagen, z. B. durch die Bombardierung der Anfahrwege zu den KZ’s, obwohl sie sehr genau über deren Existenz und die Örtlichkeiten Bescheid wußten.

Als schließlich bei der ‘Befreiung’ das Wüten der Nazis vor aller Augen sichtbar wurde, diente dies im nachhinein dem ‘demokratischen Lager’ (2) als großes Alibi. Im Krieg hatte die Propaganda der Alliierten peinlich darauf geachtet, daß die zahlreichen Zeugenaussagen über das Schicksal der Juden in den KZ’s nicht zu sehr publik wurden.

Die Kommunistische Linke gegenüber dem Faschismus und dem Antifaschismus

Wer die Werke Amadeo Bordigas ein wenig kennt und die Positionen der Kommunistischen Linken im allgemeinen, sowohl hinsichtlich des Wesens des Faschismus und des 2. Weltkriegs und der damit verbundenen Barbarei, für den ist klar, daß die Beschuldigung, daß diese die ‘Vorfahren des Negationismus’ seien und der extremen Rechten ‘heimlichen zustimmten’ (weil sich ja die ‘Extreme aufeinanderzubewegen’) eine ungeheuerliche Verleumdung ist. Aber das ist keine ‘unschuldige’ Verleumdung, sondern ein Teil eines sehr wohl genau ausgerichteten und abgestimmten Angriffs gegen die Arbeiterklasse, gegen ihre geschichtlichen Traditionen und gegen die Organisationen des gegenwärtigen proletarischen politischen Milieus.

Wenn die bürgerliche Propaganda den Linkskommunismus der ‘heimlichen Zustimmung’ zum Faschismus bezichtigt, dann verwirft sie in Wirklichkeit die Art und Weise, wie der Marxismus das Wesen des Faschismus und die Gründe für sein Aufblühen zwischen den beiden Weltkriegen erklärt. Vor allem wollen sie dieses marxistische Verständnis verleumden, so wie es zunächst von Amadeo Bordiga in der Kommunistischen Internationalen seit Beginn der 20er Jahre verteidigt wurde.

Die offizielle Geschichtsschreibung, so wie sie von den Rechten und der Extremen Linken einstimmig geteilt wird, stellt den Faschismus als eine Art Verirrung der Geschichte dar, als den Ausdruck dunkler Kräfte oder von besonders reaktionären Teilen der Gesellschaft, die die Macht trotz und gegen den Willen der Bourgeoisie oder der ‘fortschrittlichsten Teile’ derselben an sich gerissen hätten. Im Gegensatz zu dieser Darstellung, in der die herrschende Klasse den Kapitalismus und den Faschismus als zwei feindliche Pole und den ‘Kampf’ zwischen Demokratie und Faschismus als Dreh- und Angelpunkt der Geschichte des 20. Jahrhunderts darstellt, ist es die Tradition der Kommunistischen Linken gewesen, diesem die marxistische Auffassung entgegenzuhalten. Dieser zufolge ist der Faschismus eine besonders ausgeprägte Form der Herrschaft des Kapitalismus im Zeitalter seiner Dekadenz.

Die Kommunistische Linke hat gezeigt, wie die industrielle Großbourgeoisie in Deutschland und Italien die Stärkung und schließlich die Machtergreifung durch die faschistischen Strömungen gefördert hat, zunächst weil die faschistische Herrschaftsform dazu in der Lage war, die Konzentration und Zentralisierung des Kapitals in den Händen des Kapitals schnell zu beschleunigen, schließlich den Aufbau einer Kriegswirtschaft voranzutreiben und die internen Konflikte innerhalb der Bourgeoisie zum Schweigen zu bringen. Zweitens weil die Niederlage der Arbeiterklasse, die nach dem Scheitern der revolutionären Welle von 1917-23 am Boden lag, die Aufrechterhaltung des ‘demokratischen und parlamentarischen Krimskrams’ überflüssig machte. Denn im Zeitalter der Dekadenz des Kapitalismus waren diese zu leeren Hülsen geworden, die nur noch als Aushängeschilder für die Diktatur der Bourgeoisie dienten.

Wenn die von der herrschenden Klassebesoldeten Ankläger uns ‘erklären’, daß der ‘Antikapitalismus, dann der Antifaschismus’ [dazu führen], daß man die gleiche Wellenlänge entwickelt wie ein Robert Faurisson, ein erwiesener Revisionist, der mit den Neonazis flirtet,’ versuchen sie damit nur auf’s Neue die Tradition der Kommunistischen Linken zu verleumden und mit ihr die Gruppen, die sich gegen den ‘antifaschistischen Kampf’ und gegen die ‘Verteidigung der Demokratie’ ausgesprochen haben. Damit soll die Arbeiterklasse entwaffnet und von ihrem Klassenterrain abgebracht werden.

Die gleiche alte stalinistische Leier, die immer wieder aufgetischt wird, wenn es darum geht, die Revolutionäre oder gegen die kapitalistische Ausbeutung streikende Arbeiter zu beschuldigen, ‘das Spiel des Faschismus’ zu betreiben.

Die ‘Revisionisten’ sind nicht das, was man glauben soll. Die demokratische Bourgeoisie und ihr linker Flügel wollen vergessen machen, was die Geschichte dieses Jahrhunderts Dutzende Male gezeigt hat: Die ‘antifaschistischen Einheitsfronten’, für die die Arbeiter aufgerufen wurden und deren Aufgabe es war, die Arbeiter dazu zu bringen, auf ihren Klassenkampf gegen den Kapitalismus zu verzichten, haben niemals das Emporkommen des Faschismus verhindert. Der Aufstieg des Faschismus war in den 30er Jahren deshalb möglich, weil die Arbeiterklasse vorher sowohl politisch wie auch physisch niedergeschlagen und entwaffnet worden war. Dies geschah aber nicht nur durch die faschistischen Banden, sondern durch die gleichen demokratischen und sozialdemokratischen Kräfte, die sich als Anhänger der ‘antifaschistischen Front’ ausgaben. Noch nie hat die Bourgeoisie zum Mittel des Faschismus gegriffen, wenn sie es mit einer Arbeiterklasse zu tun hatte, die auf ihrem Klassenterrain mobilisiert war.

Die deutsche Bourgeoisie übertrug Hitler erst die Macht, nachdem sie sichergestellt hatte, daß die Bedrohung, die von der Arbeiterklasse hätte ausgehen können, aus der Welt geschafft war. Diese Drecksarbeit hatten die ‘Bluthunde’ (so bezeichnete sich der Sozialdemokrat Noske selber) der Arbeiterklasse - Noske und Scheidemann - übernommen.

In Italien waren es die legalen Kräfte der parlamentarischen Demokratie, die die Welle von Arbeiterkämpfen im Jahre 1920 niederschlugen, während die Gewerkschaften dafür sorgten, daß die Arbeiter in den Fabriken eingesperrt blieben. Die Milizen Mussolinis griffen erst später ein, um die Niederlage abzuschließen (dabei erhielten Mussolinis Anhänger Unterstützung von den legalen Kräften der Regierung).

Auf dem Hintergrund und gegen den Widerstand der vorherrschenden antifaschistischen und kriegstreibenden Ideologie hatte in Spanien die Handvoll von Militanten um die Zeitschrift BILAN aufgedeckt (BILAN ist jetzt auch Zielscheibe der gegenwärtigen Verleumdungskampagne). In Spanien entwaffnete die ‘Volksfront’ die Arbeiter; drängte sie von ihrem Klassenterrain weg, um sie für die Verteidigung der Republik einzuspannen und ins imperialistische Massaker gegen Franco zu schicken.

Gegenüber dem imperialistischen Krieg: Internationalistische Unnachgiebigkeit der Kommunistischen Linken

Aber die gegenwärtige Verleumdungskampagne gegen die Kommunistische Linke richtet sich im Wesentlichen gegen ihr Hauptprinzip, das sie zum einzigen Erben von Marx und Lenin macht gegenüber dem wiederholten Verrat der Sozialistischen, Sozialdemokratischen und Kommunistischen Parteien und trotzkistischen Gruppierungen: die Verteidigung einer entschlossen internationalistischen Position gegenüber dem 2. Weltkrieg. Deshalb ist es nicht überraschend, daß die Bourgeoisie die Strömung zu verleumden sucht, die die Tradition von Lenin und Rosa Luxemburg aus dem 1. Weltkrieg laut und deutlich und auch auf die Gefahr hin aufrechterhalten hat, daß ihre Militanten inmitten des chauvinistischen und militaristischen Hasses ihr Leben verlieren: die Denunzierung des Weltkrieges als eines imperialistischen Kriegeses, die Denunzierung der antifaschistischen Ideologie als eines Alibis für die Mobilisierung der Arbeiterklasse zum weltweiten Abschlachten, die Verwerfung der nationalen Einheit, das Eintreten für den Arbeiterkampf auf seinem Klassenterrain gegen den Kapitalismus und die Kriegsspirale, den Aufruf zur Verbrüderung der Arbeiter in Uniform.

Es ist kein Zufall, wenn die gegenwärtige Kampagne nicht nur von den Schreiberlingen in ‘Le Monde’ und ‘Libération’ aufgegriffen wird, sondern besonders vehement unterstützt wird von der trotzkistischen Wochenzeitung ‘Rouge’. Vor 50 Jahren haben diese Leute schon die Prinzipien des proletarischen Internationalismus verraten und sind ins Lager der Bourgeoisie übergewechselt, als sie sich selbst am 2. Weltkrieg beteiligten und dazu im Namen der Verteidigung der Demokratie gegen den Faschismus aufriefen.

So wie die Bourgeoisie versucht, die Lehren der Arbeiterklasse aus ihren Kämpfen und ihre theoretischen Errungenschaften auszulöschen, versucht die herrschende Klasse heute die wenigen Organisationen, welche diese Lehren weiter verteidigen, zu diskreditieren und mit allen Mitteln zu zerstören. PE

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(2) Insbesondere hat die Verurteilung der Schreckensherrschaft der Nazis durch die demokratische Bourgeoisie derselben dazu gedient, die riesigen Massaker der Alliierten zu rechtfertigen wie beispielsweise die Bombardierungen Dresdens, Hamburgs, Hiroshimas und Nagasakis am Ende des Krieges. Siehe dazu unseren Artikel in der Internationalen Revue Nr. 13 und 17

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1) Die IKP hat diese Verleumdungskampagne in einer Flugschrift entblößt ‘Ausschwitz oder das große Alibi’.

Quell-URL:https://de.internationalism.org/content/771/weltrevolution-1996

Links
[1] https://de.internationalism.org/tag/politische-stromungen-und-verweise/offizieller-anarchismus [2] https://de.internationalism.org/tag/historische-ereignisse/spanien-1936 [3] https://de.internationalism.org/tag/2/30/die-gewerkschaftsfrage [4] https://de.internationalism.org/tag/2/40/das-klassenbewusstsein