Seit Anfang April breitet sich der Krieg im Irak immer weiter aus. Die Ermordung von vier US-Beschäftigten der privaten Sicherheitsfirma Blackwater und die Verstümmelung ihrer Leichen symbolisierte den Beginn einer qualitativ neuen Phase des Konfliktes im Irak. Die Koalitionsarmeen, insbesondere die Armee der USA, haben es nunmehr mit einer bewaffneten Revolte der Sunniten und – dies ist ein neuer Schritt – der Schiiten zu tun, die sich immer mehr um den jungen religiösen Prediger Al-Sadr zusammenschließen. Die ‚Wall Street‘ fragte sich: ”Ist Al-Sadr der Dreh- und Angelpunkt einer neuen islamischen Front, in der sich Sunniten und Schiiten gegen die ausländischen Eindringlinge zusammenschließen?” Die Verstrickung der imperialistischen Politik der USA im Irak läuft Gefahr, eine Allianz von Gegnern zusammenzuschmieden, die tiefgreifende Folgen für die ganze Region haben wird und die vor einigen Monaten noch als völlig undenkbar erschien. Die Hoffnungen der USA, sich auf die schiitische Bevölkerungsmehrheit im Irak zu stützen, um das Chaos einigermaßen einzudämmen und die Übergangsregierung zu kontrollieren, haben sich zerschlagen. Wenn nun die kriegerischen Zusammenstöße und das Chaos im ganzen Land immer mehr eskalieren, wird deutlich, dass die USA die Lage immer weniger im Griff haben, ja, dass die Dinge ihnen entgleiten.
Trotz der überwältigenden militärischen Überlegenheit der USA gegenüber dem Rest der Welt verfügen die USA nicht über die Mittel, ihre Gesetze im Irak durchzusetzen. Während die US-Führungsrolle auf der Welt überall geschwächt wird, wird dadurch gleichzeitig der Appetit der anderen Imperialisten angeregt. In der auseinanderbrechenden irakischen Nation sprießen bewaffnete Gruppen und Terrorbanden überall im Lande wie Pilze hervor. Diese bewaffneten Gruppen, die mehr oder weniger eigenmächtig agieren, verfolgen nur ein Ziel: die US-Besatzermacht zu vertreiben. Die Radikalisierung dieser Gruppen wird durch die Geiselnahmen von Zivilisten deutlich, denen gedroht wird, dass sie umgebracht werden, wenn die kriegführenden Staaten ihre Truppen nicht aus dem Irak abziehen. (...) Mehr noch, was die gesamten imperialistischen Spannungen und die Tendenz des Jeder für sich im Irak gut verdeutlicht, ist die Rolle von Muktar Al-Sadr. Dessen enge Verbindungen zum Iran sind gut bekannt. Sehr wahrscheinlich werden die gegenwärtigen Aufstände der Schiiten im Irak aktiv vom Iran unterstützt. Damit reagiert der Iran direkt auf den Druck, den die USA auf den Iran ausüben. Die Schwächung der USA ist so weit vorangeschritten, dass sie offiziell den Iran um Hilfe gebeten haben. Um das wirkliche Ausmaß der Zerbröckelung der US-Vormachtstellung zu ermessen, brauchen wir uns nur an die arroganten Bekundungen der USA zum Zeitpunkt des Kriegsbeginns gegen den Irak vor einem Jahr zu erinnern. Am 9. April 2003 erklärte US-Vizepräsident Dick Cheney, dass die USA unter keinen Umständen der UNO die Kontrolle der Besatzung des Iraks überließen. ”Der Präsident hat deutlich wissen lassen, dass wir das nicht machen werden (...) Wir wollen lediglich, dass die UNO dort eine Hauptrolle spielt (...) Unser Ziel ist, dass wir so schnell wie möglich eine Übergangsregierung schaffen und deren Funktionsfähigkeit sicherstellen, die aus Irakern zusammengesetzt ist. Ihnen, nicht der UNO oder irgendeiner anderen ausländischen Gruppe soll die Regierungsgewalt übertragen werden.” Damals wurde der Irak von den USA neben Nordkorea, Syrien und dem Iran zur ”Achse des Bösen” oder den Schurkenstaaten gezählt. Diese Länder wurden öffentlich beschuldigt, Massenvernichtungswaffen zu besitzen und zu den Drahtziehern des Terrorismus zu gehören. Damit rückten sie ins Visier der möglichen militärischen Schläge der USA nach dem Irak-Krieg. Aber nur wenig später können wir sehen, was tatsächlich daraus geworden ist. Die USA müssen den Iran um Hilfe ersuchen. Kamal Charazi (iranischer Außenminister) sagte: ”Die USA haben den Iran um Hilfe gebeten, um zu versuchen, die Krise zu lösen und die wachsende Gewalt im Irak einzudämmen” (Meldung der AFP vom 6.4.2004). Der iranische Delegationschef in Bagdad wiederum erklärte: ”Wir sind hier, um uns ein klareres Bild von der Lage zu verschaffen und zu begreifen, was vor sich geht; keinesfalls wollen wir vermitteln.” Aus der Sicht der imperialistischen Banditen sind die Dinge klar. Alles hat seinen Preis. Und heute müssen die USA, weil sie in einer Schwächeposition sind, einen hohen Preis zahlen. Das zunehmende Chaos und die Gewalttaten im Irak lassen für die Zukunft nichts Gutes ahnen (...)
Für den US-Imperialismus scheint es im Irak keinen Ausweg zu geben. Eine Mehrheit der US-Bourgeoisie ist auch zu dieser Einschätzung gekommen. Deshalb unterstützt diese mit allen Kräften die Kandidatur des Demokraten John Kerry bei den nächsten Präsidentschaftswahlen. Um den Schaden im Irak zu begrenzen, ist die US-Bourgeoisie gezwungen, eine politische Lösung anzustreben (im Gegensatz zu ihren Zielen zu Beginn des Krieges). Sie muss sogar ihre imperialistischen Hauptrivalen im Rahmen der UNO Frankreich, Deutschland oder Russland mit ins Boot holen. Die Zeiten, als die USA lauthals verkündeten, dass sie in ihrem Kampf gegen die ”Achse des Bösen” und die ”Schurkenstaaten” niemand anderes brauchten, sind endgültig vorbei. Aber selbst wenn John Kerry der nächste US-Präsident würde, wäre damit überhaupt nichts gelöst (...) Die gegenwärtige Stellung der USA im Irak zwingt auch einen John Kerry die Notwendigkeit ins Auge zu fassen, die US-Truppen im Irak zu belassen. Die US-Bourgeoisie ist nicht dazu in der Lage, Mittel zu finden, um einer weiteren Abschwächung ihrer weltweiten Führungsposition zu begegnen (...)
Wie immer die nächsten US-Präsidentenwahlen ausgehen und wie umfangreich auch die Umorientierungen der kriegführenden Länder sein werden, wird die fortdauernde Schwächung der US-imperialistischen Position das Chaos im Irak und den weltweiten Zerfall der gesamten Gesellschaft nur zuspitzen. Soviel Verwirrung und solch ein Eingeständnis der Machtlosigkeit seitens der größten imperialistischen Weltmacht sprechen für sich. In den nächsten Monaten werden wir noch mehr Blutbäder erwarten können. Wenn jetzt Schiiten bewaffnet kämpfen, wird das die gesamte Region, vom Iran bis Saudi-Arabien, weiter destabilisieren, da diese Bevölkerungsgruppe dort zahlenmäßig stark vertreten ist. Da in Afghanistan die Karzai-Regierung und die US-Truppen nur die Hauptstadt Kabul und deren Umgebung kontrollieren, muss die US-Regierung gute Miene zum bösen Spiel machen, wenn die Sharon-Regierung in Israel ihre bisherige Politik der gewaltsamen Eskalation fortsetzt. Das bisherige betretene Schweigen eines Großteils der US-Bourgeoisie in der UNO gegenüber der Kritik Deutschlands, Frankreichs und Russlands an der Politik Sharons, zeigt deutlich die Ziele dieser imperialistischen Mächte auf, die die Hauptkonkurrenten der USA sind. Diese Staaten sind einzig darauf erpicht, dass die USA sich so stark wie möglich im Irak festfahren, dass die USA in einer Gewaltspirale versinken, weil sie davon profitieren wollen, um an anderen Orten ihre Interessen durchzusetzen.
Die Hilflosigkeit der US-Bourgeoisie gegenüber dem irakischen Haifischbecken spiegelt das allgemeine Versinken der Gesellschaft in der kapitalistischen Barbarei wieder. Selbst die stärksten Bourgeoisien werden von diesem Prozess befallen, was sich auch auf der Ebene der Kriegsführung wiederspiegelt. Die Arbeiterklasse muss begreifen, dass diese, sich in Fäulnis befindende kapitalistische Gesellschaft nur noch solch eine Entwicklung wie die im Irak hervorbringen kann. Das trifft auf die ganze Welt und auch auf das Zentrum der Industriestaaten zu. Die Entwicklung im Irak verdeutlicht erneut, dass die Zukunft der Menschheit lautet: entweder Kommunismus oder Zerstörung jeglicher Zivilisationsformen auf dem Erdball. Tino (15.5.03).
(leicht gekürzter Artikel aus Révolution Internationale, Zeitung der IKS in Frankreich)
Anfang 2004 hat das Internationalen Büros für die revolutionäre Partei (IBRP) eine Reihe von öffentlichen Veranstaltungen in Berlin begonnen, deren Abhaltung wir begrüßen. Die erste Veranstaltung zum Thema Klassenkampf fand Mitte Februar 2004 statt. Die zweite zu den Ursachen des imperialistischen Krieges Mitte Mai. Im nachfolgenden Artikel berichten wir über die erste der beiden Veranstaltungen. In der nächsten Ausgabe von Weltrevolution werden wir auf die Debatte bei der zweiten Veranstaltung eingehen.
Der Titel der Februar-Veranstaltung lautete: "Streiks in Italien - internationale Perspektive der Klassenkämpfe". Die angekündigten Themen für die Diskussion waren einerseits - wie der Titel vermuten ließ - der Klassenkampf, andererseits aber auch der imperialistische Krieg ("die Neuformierung imperialistischer Blöcke nach dem Zerfall der alten Blöcke, vor allem der verstärkte Gegensatz zwischen den USA und Europa beim Kampf um strategische Positionen und um die Kontrolle der globalen Energievorräte und -Transportwege - Ursachen des Irakkriegs von 2003"). Die Veranstaltung wurde von verschiedenen Gruppen und Einzelpersonen, die linkskommunistische Positionen vertreten oder sich dafür interessieren, besucht. Die IKS nahm an dieser Veranstaltung ebenfalls mit einer Delegation teil. Obwohl es das IBRP in letzter Zeit ablehnt, mit der IKS gemeinsame Veranstaltungen durchzuführen oder z.B. eine gemeinsame Stellungnahme zum Krieg im Irak zu veröffentlichen (1) [1], fand die Diskussion in einer brüderlichen Atmosphäre statt.
Ein Sympathisant des IBRP führte die Veranstaltung mit einem Referat zu den programmatischen Punkten und der Ge-schichte dieser Organisation ein. Er wies darauf hin, dass das IBRP heute aus Battaglia Comunista (Italien), der Communist Workers Organisation (Großbritannien), Internationalist Notes (Kanada) und Bilan et Perspectives (Frankreich) besteht und sich auf die Tradition der Italienischen Kommunistischen Linken um Bilan in den 1930er Jahren bezieht, wobei es auch Berührungspunkte zur KAPD in den 1920er Jahren gebe. Seit dem Anfang der 1950er Jahre bestehe die Kommunistische Linke im wesentlichen aus drei Strömungen, nämlich:
- Battaglia Comunista (bzw. eben später das IBRP)
- den Bordigisten
- der IKS (bzw. ihre Vorläuferorganisationen).
Der Genosse fasste auch einige programmatische Positionen des IBRP zum Imperialismus, zur Gewerkschaftsfrage und zum Verhältnis der revolutionären Partei zur Arbeiterklasse zusammen. Es ist hier nicht der Ort, diese Programmpunkte wieder-zugeben; statt dessen sei auf die Publikationen des IBRP verwiesen (2) [1].
Darauf folgte ein Referat des eingeladenen Vertreters des IBRP zu den angekündigten Themen: die imperialistischen Spannungen und die Streiks vom letzten Winter bei den Nahverkehrsbetrieben in verschiedenen italienischen Städten.
Schließlich begann die Diskussion, die zwar streckenweise ein etwas zurückhaltendes Frage-/Antwortspiel war, bei gewissen Themen aber interessante und teilweise kontroverse Punkte aufgriff, zu denen lebhaft argumentiert wurde. Nachstehend wollen wir auf einige dieser Auseinandersetzungen eingehen und dabei auch die im Einleitungsreferat des Genossen des IBRP vertretenen Positionen zusammenfassen, soweit dies für das Verständnis der Auseinandersetzung nötig ist.
Wie schon im Einladungsflugblatt angetönt, geht das IBRP von einer "Neuformierung imperialistischer Blöcke nach dem Zerfall der alten Blöcke" aus. In Europa sieht es einen Gegenpol zu den USA, und zwar mindestens von der Tendenz her einen sich bildenden imperialistischen Block. Der Euro als Währung sei ein Gegenprojekt zur Dominanz des US-Dollars. Gleichzeitig unterstrich der Vertreter des IBRP, dass es den USA mit dem Irakkrieg im wesentlichen um die Verteidigung der Rohstoffe und der Transportwege, kurz: um die Sicherung der Erdölrente, gegangen sei bzw. immer noch gehe.
Ein Genosse der Gruppe Internationaler SozialistInnen (GIS) (3) [1] stellte die Analyse des IBRP über die Blockbildung in Europa und über die ökonomischen Ursachen des Irakkrieges in Frage. Er wies darauf hin, dass Europa alles andere als ein homogener Block sei, was sich gerade darin zeige, dass jeder europäische Nationalstaat, EU hin oder her, im Irak versucht habe, sein eigenes Süppchen zu kochen, wobei die Bündnispartner auch ständig wieder wechselten. Was das Erdöl betrifft, so bestritt der Genosse der GIS, dass es im wirtschaftlichen Sinn für den Krieg im Irak entscheidend gewesen sei. Es habe zwar eine wichtige strategische Bedeutung, weil ohne Zugang zum Erdöl kein Krieg geführt werden könne. Dies sei aber nicht zu verwechseln mit vermeintlichen wirtschaftlichen Interessen, also der Suche nach unmittelbarem finanziellem Profit. Dieser sei nicht die wirkliche Ursache des US-amerikanischen Feldzugs gewesen. In der Tat zeigt die aktuelle Entwicklung im Irak, dass an eine profitable Ausbeutung des irakischen Erdöls je länger je weniger zu denken ist. Doch selbst wenn die Bush-Administration im militärischen Bereich nicht mit so großen Schwierigkeiten rechnete, so war auch ihr schon vor Beginn des Krieges klar, dass es jahrelange Investitionen erfordern würde, bis die irakische Erdölproduktion Gewinn brächte. Zudem unterlag die Förderung auch unter Saddam weitgehend einem amerikanischen Diktat: politisch durch die damals geltende Exportkontrolle unter Führung der UNO, militärisch durch die ständigen Bombardierungen der Erdölanlagen und wirtschaft-lich durch den Einfluss der großen amerikanischen Ölfirmen. Es brauchte also nicht die empirischen Beweise, die heute vorliegen, um festzustellen, dass es unter rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten für die USA keinen Sinn machte, im Irak zu intervenieren. Ausschlaggebend waren vielmehr die strategischen Überlegungen, die auf eine Einkreisung der potentiellen Herausforderer der USA, allen voran Deutschlands, abzielten.
Im zweiten Teil seines Referats kam der Genosse des IBRP am Beispiel von Italien auf die Basisgewerkschaften und ihre Rolle in den Streiks zu sprechen. Er unterstrich, dass Basisgewerkschaften grundsätzlich keinen anderen Charakter als die offiziellen Gewerkschaften haben und dass die Arbeiterklasse von diesen Organisationen nichts erwarten kann. Er verwies auch darauf, dass sich Battaglia Comunista und die IKS in den 80er Jahren, als sich die Cobas zunächst als Kampfkomitees formierten, gemeinsam gegen ihre Umwandlungen in Gewerkschaften wehrten.
Obwohl die Position des IBRP zur Gewerkschaftsfrage nicht immer so gradlinig war und ist, gab es bei dieser Veranstaltung aufgrund der Ausführungen des Genossen von Battaglia Comunista keinen Anlass zu Entgegnungen. Hingegen kritisierte die IKS in der Diskussion den Standpunkt des IBRP über die sogenannte Neuzusammensetzung der Arbeiterklasse. Denn das IBRP legt - ähnlich wie viele Autonome - zur Erklärung der schwachen Kampfbereitschaft des Proletariats viel Gewicht auf den Umstand, dass seit den 1970er Jahren ein Großteil der traditionellen Industrie verschwunden ist und sich die Arbeitsplätze in den Dienstleistungssektor und in den IT-Bereich verlagert haben. Diese Entwicklung habe zu einer veränderten Zusammensetzung der Arbeiterklasse geführt und sei gemeinsam mit dem Zusammenbruch des Ostblocks die Ursache für die heutigen Schwächen der Arbeiterklasse, die sich nur zögerlich gegen die Angriffe der Bourgeoisie zur Wehr setzt.
Die IKS kritisierte diese Analyse als soziologisch und im Resultat fatalistisch. Der kapitalistische Produktionsprozess hat seit seinem Beginn die Zusammensetzung der Arbeiterklasse ständig verändert. Die Arbeiterklasse kann gegen diese Verände-rungen auch nichts ausrichten. Gerade zu Marx' Zeiten bestand das Proletariat noch zu einem großen Teil aus Hausangestell-ten, und nicht aus Industrieproletariern, ohne dass er daraus den Schluss gezogen hätte, dass die Bedingungen für die Ent-wicklung des Klassenbewusstseins deshalb erschwert wären. Wichtig ist für die Arbeiterklasse vielmehr, durch ihre Kämpfe ein günstiges Kräfteverhältnis gegenüber der Bourgeoisie zu entwickeln. Genau diese Analyse des Kräfteverhältnisses zwischen Bourgeoisie und Proletariat unterlässt aber das IBRP, ja behauptet sogar, sie sei gar nicht möglich. Das IBRP kann und will keine Aussagen darüber machen, ob das Proletariat geschlagen oder ungeschlagen ist und die Bourgeoisie somit einen Weltkrieg auslösen kann oder eben nicht (4) [1]. Genau diese Einschätzung des historischen Kurses ist aber für Marxisten zent-ral. Erst in diesem Rahmen kann auch die Entwicklung des Klassenbewusstseins richtig eingeschätzt werden.
Die IKS leugnet nicht die gegenwärtigen Schwierigkeiten des Proletariats, gerade was die Kampfbereitschaft und das Klassenbewusstsein betrifft. Grundsätzlich geht aber der historische Kurs immer noch (seit 1968) in Richtung Zunahme der Klas-senkonfrontationen, auch wenn diese Entwicklung nicht gradlinig verläuft und es 1989 einen herben Rückschlag gegeben hat. Gerade in der Zeit danach, in den 1990er Jahren bis heute, darf aber die unterirdische Reifung der Bewusstseins nicht außer acht gelassen werden, die sich im Auftauchen von Gruppen und Einzelnen ausdrückt, die internationalistische Positionen verteidigen und sich für den Linkskommunismus interessieren.
Die Delegation der IKS hat schließlich auch ein gewisses Staunen zum Ausdruck gebracht angesichts der Tatsache, dass einerseits auf der Einladung für die Diskussionsveranstaltung 'Einige Punkte zur Ausrichtung des IBRP' zusammengefasst werden, die die IKS ausnahmslos unterschreiben könnte, andererseits aber das IBRP eine gemeinsame Stellungnahme gegen den imperialistischen Krieg und den Pazifismus ablehnt mit der Begründung, unsere Positionen wären zu weit voneinander entfernt (5) [1]. Wir negieren nicht die Meinungsverschiedenheiten, die es zwischen unseren Organisationen gibt, betonen aber gerade gegenüber der Frage des imperialistischen Krieges die Gemeinsamkeiten innerhalb der Kommunistischen Linken. Es gibt ein proletarisches politisches Milieu, bestehend aus den Organisationen, die seit Jahrzehnten konsequent internationalis-tische Positionen verteidigen und sich auf das Erbe der linken Fraktionen der Komintern berufen. Diese Organisationen haben im Gegensatz zu den Sozialdemokraten, Stalinisten und Trotzkisten in einem imperialistischen Krieg nie die eine oder die andere Seite unterstützt, sondern immer die Haltung Lenins und Luxemburgs vertreten: Gegen den imperialistischen Krieg! - Gegen jede nationale Bourgeoisie! - Für die proletarische Weltrevolution! Gerade in der gegenwärtigen Phase, in der der Kapitalismus in immer mehr Kriegen und Massakern versinkt, wäre es wichtig, dass sich die revolutionären Organisatio-nen gemeinsam zu Wort melden, wie sie es mitten im 1. Weltkrieg in Zimmerwald und Kienthal getan hatten.
Der Genosse von BC entgegnete, dass das IBRP die IKS schon früher als den idealistischen Flügel des revolutionären Lagers betrachtet habe. Seit den internationalen Konferenzen vor rund 25 Jahren (6) [1] hätten sich aber die Widersprüche zwischen ihrer Organisation und uns bestätigt. Das IBRP habe sich vom Begriff des proletarischen politischen Lagers verabschiedet, da es die anderen Organisationen für unfähig halte, einen Beitrag zum Aufbau der zukünftigen Partei zu bilden. Zwar stehe die IKS immer noch auf der richtigen Seite der Barrikade, habe aber mit den internen Problemen in den letzten Jahren gezeigt, dass sie einen solchen Beitrag nicht leisten könne, sondern vielmehr in einem Prozess der Fragmentierung begriffen sei. Auch der bordigistische Flügel des (ehemaligen) proletarischen Lagers mache einen solchen Prozess durch und sei heute politisch tot.
Abgesehen davon, dass wir diese Einschätzung nicht teilen, ist interessant, dass der Genosse von Battaglia Comunista über die IKS diese letzte Diagnose 'politisch tot' nicht zu stellen wagte. Zu offensichtlich ist die politische Präsenz unserer Organisation nicht nur in Deutschland, sondern auch international. Von einer Fragmentierung der IKS kann nicht im Ernst gesprochen werden. Ebenfalls wenig überzeugend sind die Argumente des IBRP zum Abschied der IKS vom proletarischen politischen Lager, denn die programmatischen Positionen der IKS haben sich seit den internationalen Konferenzen nicht verändert. Damals war es für BC und CWO noch möglich, mit uns und anderen Gruppierungen an einem Tisch zu sitzen. Der wahre Grund für das heute vertretene Sektierertum scheint ein Konkurrenzgefühl des IBRP gegenüber der IKS gerade angesichts des Auftauchens einer neuen Generation von Leuten zu sein, die sich für internationalistische Positionen interessieren. Konkurrenz ist aber die Funktionsweise der Krämer auf dem kapitalistischen Markt, die sich gegenseitig die Käufer abjagen wollen. Unter Revolutionären kann es nicht darum gehen, möglichst schnell und billig neue Mitglieder zu gewinnen, sondern die Klärung des Bewusstseins in der Ar-beiterklasse und insbesondere bei den fortgeschrittensten Elementen voranzutreiben, damit ein allfälliger Beitritt zu einer der bestehenden revolutionären Organisationen auf der Grundlage der größtmöglichen Klarheit der programmatischen Positionen stattfindet. Wir als IKS gehen nicht davon aus, dass die zukünftige Partei allein aus unserer Organisation hervorgeht und die anderen Gruppen des revolutionären Milieus verschwinden. Wir würden dies vielmehr für eine Schwäche halten und gehen umgekehrt davon aus, dass der Aufbau dieser Partei hoffentlich das Resultat eines Umgruppierungsprozesses im revolutionären Lager sein wird nach dem Vorbild von Umgruppierungen in früheren historischen Phasen, z.B. zwischen Lenins Bolschewiki und Trotzkis Zwischenbezirksorganisation im Jahre 1917 oder zwischen dem Spartakusbund und den Internationalen Kommunisten Deutschlands um die Jahreswende 1918/19 (unter dem Vorbehalt allerdings, dass die zukünftige revo-lutionäre Partei von Anfang an im Unterschied zu damals als eine internationale Partei entstehen muss).
In der Diskussion wurden - wie aufgezeigt - teilweise sehr unterschiedliche Positionen vertreten. Sie fand aber in einer Atmosphäre statt, die vom gegenseitigen Respekt und vom Bemühen um eine klare Argumentation geprägt war. Dies ist zu begrüßen, und die Haltung des Genossen von BC gegenüber der IKS-Delegation steht in angenehmem Widerspruch zur offiziell sektiererischen Haltung des IBRP gegenüber anderen Organisationen des revolutionären Milieus.
Diese Art von Debatte muss fortgesetzt werden, egal ob in Berlin, Mailand, Paris, New York oder anderen Städten. Wichtig ist dabei, dass jeder Opportunismus in programmatischen und organisatorischen Fragen (der Krämergeist) vermieden wird und die unterschiedlichen Positionen offen thematisiert und ausdiskutiert werden. Zuerst Klarheit - dann Umgruppierung.
T/C, 8.5.04
Adresse des IBRP: www.ibrp.org [2]
Fußnoten:
1) vgl. dazu die Artikel "Die Politik der IKS gegenüber dem politischen proletarischen Milieu" und "Das proletarische politische Milieu angesichts des Krieges" in Internationale Revue Nr. 32 bzw. 33< [1]
2) www.ibrp.org [2]< [1]
3) vgl. unsere Polemiken mit dieser Gruppe in der Weltrevolution, z.B. in Nr. 121< [1]
4) vgl. dazu "Die CWO und der historische Kurs: Ein Berg von Widersprüchen" in Internationale Revue Nr. 20 sowie "Das Konzept des historischen Kurses" in Internationale Revue Nr. 29 und 30< [1]
5) vgl. unsere Polemiken mit den verschiedenen Organisationen des revolutionäre Milieus, insbesondere mit dem IBRP, in Internationale Revue Nr. 24 und 25 zum Kosovokrieg sowie 32 und 33 zum Irakkrieg< [1]
6) Internationale Revue Nr. 4, Die Umgruppierung der Revolutionäre< [1]
Während durch die gegenwärtigen Enthüllungen über die systematische Folter und die Misshandlungen der Kriegsgefangenen im Irak vor allem das Ansehen der USA weiteren großen Schaden genommen hat, versuchen sich die Staaten Europas als Unschuldsengel und Friedensstifter hinzustellen.
Im gesamten Nahen und Mittleren Osten haben die angeblich so friedliebenden Staaten Europas emsig versucht, jeweils systematisch den Widerstand der Kriegsherren vor Ort gegen die USA zu fördern. Nur einige Beispiele:
Deutschland und Frankreich geben Arafat immer noch Rückendeckung gegenüber Israel. Die EU hofierte im April den libyschen Staatspräsidenten Gaddafi bei dessen Besuch in Brüssel. Die deutsche Bundesregierung empfing nicht nur den afghanischen Regierungschef Karsai, sondern auch afghanische Warlords. Der im Frühjahr vom deutschen Bundesnachrichtendienst eingefädelte Gefangenenaustausch zwischen Israel und palästinensischen Gefangenen (Hisbollah-Kämpfer eingeschlossen) belegt, welche intensiven Beziehungen Deutschland zu Terrorgruppen und den Palästinensern unterhält. Es ist auch bezeichnend, dass Mitte Mai die US-Sicherheitsberaterin C. Rice nach Berlin kommen musste, um dort den palästensischen Ministerpräsidenten zu treffen. Immer mehr steigt Deutschland zum mächtigen ‚Vermittler‘ im Nahen Osten auf. Deutschland-Frankreich und selbst Großbritannien pflegen privilegierte Beziehungen zu dem ‚Schurkenstaat‘ Iran.
Die deutsche Bundeswehr soll in Afghanistan nicht nur weiter in der Hauptstadt Kabul und in Kundus präsent sein, sondern auch darüber hinaus. Dass die Rivalen der USA keine Friedenstauben sind, zeigt die Modernisierungs- und Aufrüstungspolitik Deutschlands. So legte der Verteidigungsminister zum gleichen Zeitpunkt, als die jüngsten Haushaltslöcher bekannt wurden, seine Bestellliste allein für neuestes Fluggerät vor: Kampfflugzeug Eurofigher, der Transporthubschrauber NH90, der Kampfhubschrauber Tiger, das Tankflugzeug Airbus A 310MRTT. Die Beschaffungskosten belaufen sich auf ca. 27 Mrd. Euro!
Während sich die Rivalen der USA die Hände reiben und darüber freuen, dass das Ansehen der USA und auch GB’s durch die Veröffentlichung der Folterbilder weiter stark diskreditiert wird, sollen wir vergessen, dass auch die Staaten Europas eine lange Praxis und Unterstützung von Folter aufzuweisen haben. War es nicht der französische Innenminister, der im Algerienkrieg systematisch Folter anordnete? Dieser Innenminister wurde später Präsident und Sozialistenchef - sein Name: Mitterand. Wurde nicht in Deutschland eine neue Variante der Psychofolter vor knapp 30 Jahren eingeführt, die sog. Isolationshaft der Terroristen der RAF? Wie viele Regime, die Folter und Misshandlungen praktizierten und es immer noch tun (z.B. Argentinien, Chile, Türkei, Iran, usw.) erhielten und erhalten Zuwendungen und Hilfe durch europäische Staaten. Und war es nicht die SPD in Deutschland, die 1919 die Bluthunde der Freikorps auf die Spartakisten hetzte?
So sollte z.B. am 1. Mai das Bild vermittelt werden, mit der EU-Osterweiterung sei die alte Trennung Europas überwunden. Nunmehr wären die alten Feindesstaaten aus der Zeit des kalten Krieges im vereinten Europa zusammengerückt.
Dieser Selbstdarstellung der EU gehen viele politisierte Leute auf den Leim und glauben, die EU sei nicht nur ein Handelsblock mit gemeinsamen Außengrenzen, sondern sei mittlerweile als Handelsblock gar zum imperialistischen Rivalen der USA geworden.
Wir dürfen uns aber nicht täuschen lassen: Auch wenn die erweiterte EU jetzt mehr als 20 Staaten umfasst, die Zollschranken und andere Handelsbarrieren in diesen Staaten gefallen sind, so ist die EU kein imperialistischer Block und erst recht kein Hort von ”Friedensstiftern”.
Innerhalb der EU verfolgen alle Staaten ihre nationalen Interessen nicht weniger rücksichtslos als vorher. So haben im Frühjahr 2003 zahlreiche europäische Staaten (unter ihnen GB, Portugal, Spanien, Italien, Dänemark) den Krieg der USA gegen den Irak unterstützt. Der Grund ihrer damaligen Unterstützung des Krieges lag weniger in einer blinden Gefolgschaft gegenüber den USA als vielmehr in ihrer Ablehnung einer deutsch-französischen Vorherrschaft innerhalb der EU. Mittlerweile ist nach den Madrider Attentaten die neue sozialistische Regierung in Spanien von den USA abgerückt und hat eine Annäherung an Deutschland-Frankreich gesucht. Da aber die neue europäische Begeisterung in Madrid mehr Deutschland als Frankreich zu gelten scheint, befürwortet Paris derzeit eine französisch-britisch-spanische Zusammenarbeit, um einer drohenden Übermacht Deutschlands entgegenzutreten. Die polnische Regierung, die auch für die USA Partei ergriff und Truppen in den Irak entsandt hat, gerät durch die Umorientierung Spaniens stärker unter Druck. Da London sich mittlerweile nicht mehr auf Madrid und Warschau verlassen kann, um die neue europäische Verfassung in ihrer jetzigen Form zu behindern, sieht die Regierung Blair sich gezwungen, selbst Hand anzulegen, um diese Pläne zu sabotieren, indem ein Referendum über die europäische Verfassung abgehalten werden soll.
In der nächsten Zeit werden wir weitere Versuche vor allem seitens der deutsch-französischen Rivalen der USA sehen, die Staaten, die sich im Krieg gegen den Irak hinter die USA gestellt hatten, auf ihre Seite zu ziehen. Einer der unbestrittenen Vorteile der USA, die sie aus dem Irak-Krieg gezogen hatten, war die weitere Verlegung von US-Truppen nach Osteuropa. Vor allem nachdem mit der jüngsten EU-Osterweiterung viele der Staaten der EU beigetreten sind, in denen mittlerweile US-Truppen stationiert sind, wird der Kampf zwischen den USA und den führenden europäischen Großmächten um die Vorherrschaft und den Einfluss in diesen Ländern noch schärfere Formen annehmen. Dies gilt umso mehr für den Balkanraum, wo nach den jüngsten Pogromen im Kosovo die Gefahr eines neuen Flächenbrandes noch größer geworden ist. Die USA werden jedenfalls versuchen, in Osteuropa ihren Operationsspielraum noch zu vergrößern. Nachdem sie im Kaukasus und in zentralasiatischen Republiken nun auch in Osteuropa neue Militärbasen errichtet haben, verfügen sie über zahlreiche neue ”Basislager”, die sie gegen die Rivalen Deutschland-Frankreich auszuschlachten versuchen werden.
Aber die EU-Regierungen, die sich im Gegensatz zu den USA als große Verteidiger eines ”humanitären Vorgehens” herausputzen wollen, erweisen sich auch gegenüber der Arbeiterklasse als brutal und plündernd.
So hat die deutsche Regierung unter Rot-Grün eine Fortsetzung und Intensivierung ihrer Sparpolitik geplant, die dazu dient, die Kosten der Krisenbekämpfung und des wachsenden Militarismus auf die Schultern der Arbeiterklasse abzuwälzen.
Die ganze Debatte um eine Aufgabe oder Lockerung des strikten Konsolidierungskurses, um durch zusätzliche Verschuldung mehr Mittel für Bildung und Forschung – salbungsvoll Sicherung unserer Zukunft genannt - locker zu machen, ist nichts als Sand in die Augen.
In Wirklichkeit kann die herrschende Klasse die Krise nicht lösen.
Die Folgen des Versuchs des Kapitals, auf Zeit zu spielen und durch eine Verschuldungspolitik die schlimmsten Auswirkungen der Krise aufzufangen, werden immer dramatischer. Die Verschuldung (ob privat oder staatlich) steigt unaufhörlich an, immer neue Haushaltslöcher werden ”entdeckt”. Seit den letzten 20 Jahren hat sich der Schuldenstand von ca. 200 Mrd. Euro staatlicher Schulden 1980 auf über 1.4 Billionen Euro erhöht, pro Sekunde steigen damit die Schulden um 2186 Euro. Außerdem kommt eine Auslandsverschuldung von ca. 460 Mrd. Euro sowie ca. 250 Mrd. Inlandsverschuldung bei Banken usw. hinzu. Die damit verbundene Zinslast – allein 2004 sind im Bundeshaushalt fast 49 Mrd. Euro Zinszahlungen vorgesehen – saugen der Wirtschaft Mittel für Investitionen ab. Zudem müssen 80 Mrd. Euro für die Rentenkasse, ca. 30 Mrd. Euro für die Nürnberger Agentur für Arbeit aufgebracht werden.
Jede weitere Kürzung der Kaufkraft durch Sparmaßnahmen – so sehr sie den Kapitalisten durch den Konkurrenzkampf aufgezwungen werden - lässt die Masseneinkommen noch mehr sinken. Die Folge: die Unternehmer bleiben auf ihren unverkauften Waren sitzen; es werden noch mehr Firmen schließen, noch mehr Beschäftigte in Arbeitslosigkeit entlassen, noch mehr Arbeitslose die Sozialkassen ‚belasten‘.
Und jeder weiterer, durch staatliche Verschuldung finanzierte Ankurbelungsversuch der Wirtschaft wird den Schuldenberg nur noch erhöhen. Deshalb wird die weitere Neuverschuldung nicht nur die Maastrichter Beschlüsse im dritten Jahr in Folge über Bord werfen, sondern die Probleme nur noch verschlimmern.
Welche Maßnahmen auch immer die Kapitalistenklasse ergreift, sie können damit die Kosten der Arbeitslosigkeit, die Unterhaltungskosten für das Millionenheer Sozialhilfeempfänger und Rentner nicht aus der Welt schaffen. Jede Kaufkraftreduzierung schlägt wie ein Bumerang auf das Beschäftigungsniveau zurück. Die Katze beißt sich in den Schwanz. Deshalb wird die Arbeiterklasse von noch härteren Angriffen seitens des Kapitals konfrontiert werden.
Während die herrschende Klasse die Kosten der Krise immer brutaler auf die Arbeiterklasse abwälzen muss, wird die Arbeiterklasse früher oder später gezwungen sein, sich gegen diese massiven Angriffe zur Wehr zu setzen.
Auch hier bleibt die herrschende Klasse nicht tatenlos, denn die Demonstrationen, die der DGB am 3. April in Deutschland mit mehr als einer halben Million Teilnehmer abhielt, zeigt, dass die Gewerkschaften Dampf ablassen und jetzt Präsenz zeigen wollen, um zu verhindern, dass sich später Arbeiter selbständig organisieren. Insofern spüren wir eine kleine, aber wichtige Änderung im Vergleich zum November, als bei der großen Demonstration in Berlin gegen den Sozialabbau die Gewerkschaften nicht als Organisatoren auftraten und in den Betrieben kaum die Trommel für diese Demo rührten. Mittlerweile tun die Gewerkschaften so, als ob sie mehr Flagge zeigen würden, da die Unzufriedenheit in den Betrieben wächst. Während die Gewerkschaften somit früh in den Startlöchern stehen, konnte man auf den Demonstrationen auch deutlich erkennen, dass die große Masse der Teilnehmer sich noch leicht vor den Karren der Gewerkschaften spannen ließ. Nur eine noch sehr winzige Minderheit zeigt ihre Unzufriedenheit mit der gewerkschaftlichen Stillhaltepolitik. Das ist auch der Grund, weshalb die hier und da bereits vorhandene Wut der Arbeiter gegenüber den Kapitalisten sondern auch gegenüber den Gewerkschaften, Betriebsräten usw. sich derzeit nur sehr lokal begrenzt und sporadisch äußern kann, wie das Beispiel Ford-Köln veranschaulicht. Auch schafften es die Gewerkschaften, durch das Abhalten von separaten Demonstrationen des VdK die Rentner von den noch Beschäftigten oder Arbeitslosen zu trennen.
Aber die materielle Situation verschlechtert sich immer mehr, ob für Beschäftigte oder Nicht-Beschäftigte. Dies zwingt die Arbeiter zum Nachdenken und Handeln.
So ist es heute den Arbeitern nicht mehr möglich, ernsthaft über einen Widerstand gegen die Angriffe zu reden, wenn nicht das wirkliche Ausmaß zur Sprache kommt. Deshalb wird es immer zwingender, über die wirkliche Ausweglosigkeit der kapitalistischen Gesellschaft und über die Gründe für das immer tiefere Versinken in der Barbarei zu reden. Diese Diskussionen bergen das Potenzial einer Debatte über die Perspektiven der Überwindung dieser Gesellschaft und der Möglichkeit des Kommunismus (siehe dazu Artikel in Weltrevolution Nr. 124, S. 8).
Für die bewusstesten und kämpferischsten Teile der Arbeiterklasse muss dies heißen, die Widersprüche des Systems aufdecken, durch eine geduldige, ausdauernde Arbeit, für Klarheit eintreten und aufzeigen, dass es nur eine Lösung durch die Überwindung des Kapitalismus gibt. 18.05.04