Jahresfeiern 1944:

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Noch nie wurde die Landung der Alliierten (D-Day, Decision-Day) am 6. Juni1944 mit soviel Aufwand und Medienspektakel wie in diesem Jahr gefeiert. Nochnie war der Sieg der Alliierten in Europa mit solch einer Gehirnwäsche in denMedien aufge­bauscht worden. Das Ziel besteht wieder einmal darin, dasimperialistische Wesen des Holocaustes des 2. Weltkriegs zu übertünchen, wiesie es übrigens schon mit dem 1. Weltkrieg taten. Nicht nur zieht dieBourgeoisie wieder das alte faschistische Schreckgespenst hervor. Sie mussviele Er­scheinungen der jetzigen zerfallenden ka­pitalistischen Gesellschaftselbst für ihre Propaganda einsetzen. In Deutschland wird jetzt nach demZusammenbruch des Ostens, nach der Wiedervereinigung viel Aufheben gemacht umdie Anhänger eines "Großdeutschlands" - das von Skin­heads undanderen Rechtsradikalen so laut gefor­dert wird. Der Mord an Türken undBrandanschläge gegen Ausländer werden mediengerecht so dargestellt, dass essich jeweils um "Feinde der Demokratie", Er­ben der "neuen brauenPest" handelt. Wenn Neo-Nazi-Schlägerbanden Auslän­der ver­prügeln, wirddas in den Medien so prä­sentiert: "Nazi-Banden jagen Ausländer in denStraßen von Magdeburg"... und wir sollen glauben, es sei alles wieder wiein den 30er Jahren unter Hitler. In Italien hat der Demagoge Berlusconi dieRegierungsge­schäfte übernommen und er­nannte drei Rechtsradikale als Minister.Kurz danach ließ der Stadtrat von Vicenza einen Marsch einiger Hundert Neonazismit Hakenkreuz-Fahnen zu. Plötzlich war­nen die Politiker vor einem neuen"Marsch auf Rom". Der wirkliche Marsch wurde von der bürgerli­chenLinken am 25. April organisiert. Die­ser Marsch zog nämlich trotz Regens ca.300.000 Menschen an, die sich unter der Fahne des Antifaschis­mus versammelten.Die propagandistische Trickkiste, so wie wir sie seit der Zeit nach dem 2.Weltkrieg kennen, wurde wieder ausgepackt.

In Frankreich warnen sowohl die Führer der KP als auch der SozialistischenPartei vor der faschistischen Gefahr, nachdem sie jahrelang den Führer derNationalen Front Le Pen als Schreckgespenst dargestellt ha­ben. Als ein DutzendWaffen-SS Vetera­nen die Strände der Normandie mit ihrem Besuch"beehrten", musste dies als ein Bei­spiel für die wachsende Bedrohungdurch die "Feinde der Demokratie" herhalten.

Die 50 Millionen Kriegstoten werden von den Medien, angefangen von CNN bishin zur kleinsten Lokalzeitung, als die Opfer aus­schließlich der Nazisdargestellt. In den meisten europäischen Staaten wird viel Aufheben gemacht umdie Aktionen von rechtsextremen Gruppen. Gerade rechtzei­tig bringt Hollywoodeinen Film raus über das Massaker an den Juden in Europa (Schindlers List). DerIdealismus der tap­feren GIs, die zu Tausenden an den Küsten der Normandie imNamen der Freiheit starben, wird hochgelobt.

Diese militärischen Feiern vermeiden sorg­fältigst die Verbrechen der"siegreichen Demokratien"[1]. Dabei reichen deren Ver­brechenaus, um die Führer dieser Staaten in die gleiche Gesellschaft einzuordnen wieHitler, Mussolini und Hirohito. Aber selbst dieses Denken ist eine Konzessionan die Personifizierung von "Kriegsverbrechen". Die Diktatoren warenalle nur "untergeordnete" Schergen, denn die herr­schende Klasse, dieBourgeoisie, ist als Klasse insgesamt der Hauptkriegsschul­dige. Als Goebbelserklärte, wenn man eine Lüge nur oft genug wiederhole, dann werde daraus eineWahrheit, zog sein zy­nisches Gegenstück, Churchill, nach und sagte: "InKriegszeiten ist die Wahrheit so kostbar, dass sie immer durch einen Berg von Lügengeschützt werden muss"[2].

Die meisten Rekruten zogen kaum mit Enthusiasmus in den Krieg, da dasTrauma des 1. Weltkriegs noch auf ihnen lastete, weil die Generation ihrer Vätergerade 20 Jahre zuvor im Krieg dezimiert worden war. Die große Flüchtlingsbewegungin Frankreich, der Terror, den der Nazi-Staat gegen die deutsche Bevölkerungausübte, die massiven Verschleppungen von ganzen Bevölkerungsteilen in denstaatskapitalisti­schen stalinistischen Regimen, all das wird heute in denZeitungsberichten verschwie­gen. All die angeblich "objektiven" Doku­mentationenund Artikel bringen immer nur einen Namen "Hitler"! Ähnlich wie imMittelalter, als die Pest als eine Strafe, von Gott geschickt, aufgefasstwurde. Im dekadenten Kapitalismus hat jetzt die herr­schende Klasse eine neueGeißel gefunden: die braune Pest. In der Geschichte haben die herrschendenKlassen immer ein neues Übel erfunden, um eine Interessensge­meinschaftzwischen den Unterdrückten und ihren Unterdrückern herbei zu schwören. DiePersonifizierung der Ereignisse um Diktatoren oder alliierte Generale ist nützlich,um die Tatsache zu übertünchen, dass sie nichts anderes als ausführende Or­ganeihrer jeweiligen Bourgeoisie waren. Namen werden in den Vordergrund ge­stellt,um dafür zu sorgen, dass die gesell­schaftlichen Klassen in Kriegszeiten ver­schwinden.In einem neuen Kreuzzug ge­gen das Böse soll jeder sich in diese Ein­heiteinreihen.

1933 - das Jahr der Machtübernahme durch Hitler, war ein Schlüsseljahr. Wiedie Revolutionäre um BILAN zeigten, nicht weil es eine "Niederlage derDemo­kratie" gegeben hätte, sondern weil es ein entscheidender Sieg derKonterrevolution war, vor allem in dem Land, wo die Ar­beiterklasse zuvor am stärkstengewesen war. Die Machtübernahme durch Hitler kann nicht nur allein durch denentwürdi­genden Versailler Vertrag erklärt werden, der Deutschland wegen derReparations­zahlungen auf die Knie zwang. Insbeson­dere weil die Arbeiterklasseals Gefahr für die herrschende Klasse von der Bühne der Geschichte verschwand.

In Russland fing der Staat an, Bolschewiki und revolutionäre Arbeiter imgroßen Maßstab zu massakrieren. All das geschah mit der schweigenden Zustimmungder westlichen Demokratien, die vorher schon die weißen Armeen aufgestellthatten, wel­che ab 1919 in Russland eingefallen waren, um die damaligeArbeitermacht zu be­kämpfen. In Deutschland hatte das sozial­demokratischeRegime der Weimarer Re­publik Hitlers Schergen den Platz überlas­sen nach derenSieg bei den republikani­schen Wahlen. Die "sozialistischen" Füh­rer,die für das Massaker an den deutschen Arbeitern verantwortlich waren - Scheide­mann,Noske usw. - gaben ihr Mandat demokratisch ab. Sie wurden während derdarauffolgenden 5 Jahre Nazi-Herrschaft nie wirklich bedrängt.

Die Kämpfe in Spanien und Frankreich während der 30er Jahre waren nur nochAusläuferstreiks in Anbetracht der Nie­derlage, die die Arbeiterklasseinternatio­nal erlitten hatte. Der Wahlsieg der Fa­schisten in Italien undDeutschland war nicht die Ursache dafür, sondern sie war das Ergebnis derNiederlage der Arbeiter­klasse auf ihrem eigenen Klassenterrain. Als sie denFaschismus hervorbrachte, er­fand die Bourgeoisie keine neue Art Re­gime,sondern einen Staatskapitalismus, wie er unter Roosevelts New Deal oder unterStalins Kapitalismus vorhanden war. In Kriegszeiten vereinigen sich die Frak­tionender Bourgeoisie ihrem Wesen nach auf na­tionaler Ebene, da sie die proletari­scheGe­fahr weltweit ausgeschaltet haben - und diese Vereinigung kann die Form derNazi- oder stalinistischen Parteien anneh­men.

Die "wachsende Gefahr" wurde in Kom­plizenschaft mit Stalin und derrussischen Bourgeoisie von den Vasallen der Kom­munistischen Partei des neuenrussischen Imperialismus organisiert. Es geschah un­ter dem Deckmantel derIdeologie der "Volksfront", die eine Desorientierung der Arbeiterbewirkte, nachdem sie sich für das Programm der nationalen Einheit und dieVorbereitungen für den imperialisti­schen Krieg einspannen lassen sollten.

Die französische KP zog 1935 die Natio­nalflagge, die Trikolore, hoch, alssie den Laval-Stalin-Pakt unterzeichnete, wodurch die Arbeiter ins Massakergetrieben wur­den: "Falls Hitler trotz alledem einen Krieg anfängt, sollteer wissen, dass er dem vereinten französischen Volk entgegentre­ten muss, mitden Kommunisten an vorder­ster Front, um die Sicherheit des Landes und dieFreiheit und Unabhängigkeit des Volkes zu verteidigen". Die KP brach inSpanien die letzten Streiks und ließ Arbei­ter mit Hilfe der GPU (StalinsGeheimpoli­zei) niederschießen, bevor Franco deren schmutzige Arbeit abschloss.Die stalinisti­schen Führer flüchteten dann nach Frankreich und Russland, genauwie de Gaulle und Thorez (Führer der KPF), als diese jeweils nach London undMoskau flüchteten.

DER WEG ZUM IMPERIALISTI­SCHEN KRIEG

Von 1918 bis 1935 hatte es weltweit viele Kriege gegeben, aber sie hattennoch nicht Europa erfasst. Oder es gab "Befriedungskriege" wie diedes französi­schen Imperialismus in Syrien, Marokko und Indochina. Revolutionärewie die Gruppe BILAN sahen die ersten Warnsi­gnale mit dem Krieg in Äthiopien,wo auch der britische Imperialismus und die Armee Mussolinis beteiligt waren.Es diente den Interessen der westlichen Verbündeten, als sie Faschismus mitKrieg identifizieren konnten. Die Schuld für den nächsten Weltkrieg konntesomit leicht dem Fa­schismus angelastet werden. Das faschisti­sche Schreckgespensterschien noch größer nach dem Sieg Francos 1939 in Spa­nien. Die Propaganda derAlliierten konn­te "mit Recht" auf die Hunderttausende Flüchtlinge,die Opfer des Franco-Regimes waren, weisen. Es folgte eine Zeit des"status quo", als ein "Friede ge­sucht" wurde, währendDeutschland das Rhein­land militärisch wieder besetzte und 1938 den"Anschluss" Österreichs betrieb. Der Münchner Konferenz vom 30.Sept.1938 folgte im Oktober des gleichen Jahres die Besetzung des tschechischenSudeten­landes. Die Tschechen waren noch nicht einmal zur Konferenz nach Münchenein­geladen worden, und als Deutschland im März 1939 die Tschechoslowakeiselber besetzte, rührten weder Frankreich noch England einen Finger. Daladierund Chamberlain wurden nach ihrer Rückkehr aus München enthusiastisch von denMas­sen begrüßt, die glaubten, "der Friede" sei gerettet. Tatsächlichspielten aber beide Seiten auf Zeitgewinn. Offizielle Historiker haben sichseitdem damit begnügt, die un­zureichende Bewaffnung Frankreichs und Großbritanniensals Erklärung anzuführen. Tatsächlich aber waren die Kriegsbünd­nisse nochnicht ganz fest gezurrt worden. Die deutsche Bourgeoisie spielte noch mit derHoffnung eines Bündnisses mit Frankreich und Großbritannien gegen Russland. Dasdeutsche Volk war ebenso wie die Menschen in Großbritannien und Frankreichhinters Licht geführt worden: "... Die Deutschen begrüßten auch Cham­berlainstürmisch, weil sie in ihm den Ret­ter vor dem Krieg sahen. Mehr Menschen kamenzu seiner Begrüßung als zu der von Mussolini... München war voll von UnionJacks (britische Fahne), die Massen außer sich vor Freude. Als Chamberlain nachEngland zum Flughafen Heston zurück­kehrte, wurde er wie ein Messias empfan­gen.In Paris wurde eine öffentliche Spen­densammlung eingeleitet, um dem briti­schenPremierminister ein Geschenk zu machen"[3].

1937 leitete Japan seine Besetzung Chinas ein, eroberte Peking und bedrohtedamit die US-Vorherrschaft im Pazifik. Am 24. August 1939 kam es mit demdeutsch-rus­sischen Pakt (Hitler-Stalin-Pakt) zum Pau­kenschlag. Hitler hattesomit freie Hand, Westeuropa anzugreifen. In der Zwischen­zeit fiel dieWehrmacht am 1. Sept. 1939 in Polen ein. Auch Russland marschierte in Polen ein.Zögerlich erklärten die französi­sche und britische Regierung Deutschland zweiTage später den Krieg. Die italieni­sche Armee eroberte Albanien. Ohne förmlicheKriegserklärung landete die Wehrmacht im April 1940 in Norwegen.

Die französische Armee begann die Saar-Offensive, aber sie kam nach dem Todvon Tausenden von Soldaten zum Stehen. Da­nach erklärte Stalin, der damit seineAn­hänger zum Narren hielt, welche erklärt hatten, der Hitler-Stalin-Pakt seiein Pakt mit dem Teufel, um Hitler vom Angriff gegen Westeuropa abzuhalten:"Nicht Deutschland hat Frankreich und Großbri­tannien angegriffen, sondernFrankreich und Großbritannien haben Deutschland angegriffen.... Nach dem Beginnder Feindseligkeiten machte Deutschland Frankreich und Großbritannien Frie­densangebote,und die Sowjetunion unter­stützte offen die deutschen Vorschläge. Die führendenPolitiker Frankreichs und Groß­britanniens verwarfen die deutschen Frie­densvorschlägeschroff und die Versu­che der Sowjetunion, den Krieg schnell zu beenden".

Niemand wollte gegenüber der Arbeiter­klasse die Verantwortung für die Auslösungdes Krieges übernehmen. Nach dem Krieg gab es plötzlich keine"Kriegsministerien" mehr sondern nur noch"Verteidigungsminister". Auch fällt auf, dass der Nazi-Staat starkdaran interes­siert war, als der "angegriffene Staat" zu erscheinen.Albert Speer bemerkt in seinen Memoiren die folgende Erklärung Hitlers:"Wir werden nicht den gleichen Fehler machen wie 1914. Wir müssen jetztunse­rem Feind die Schuld in die Schuhe schie­ben". Am Vorabend desKrieges mit Japan wiederholte Roosevelt die gleiche Aus­sage: "DieDemokratien dürfen nie als der Aggressor erscheinen".  9 Monate Ab­warten, mit Gewehr bei Fuß, bestäti­gendieses Zögern all der Kriegsteilneh­mer. Der Historiker Pierre Miquel stelltfest, dass Hitler den Angriff gegen den We­sten nicht weniger als 14-malaufgrund man­gelnder deutscher Vorbereitungen und schlechter Wetterbedingungenaufschob.

Am 22. Juni 1941 marschierte Deutschland in die Sowjetunion ein, wodurchder "brillante" Stratege Stalin völlig überrascht wurde. Am 8.Dezember, nachdem der ameri­kanische Imperialismus seine eigenen Sol­daten inPearl Harbour hatte umbringen lassen (die US-Geheimdienste hatte den ja­panischenAngriff vorhergesagt), erklärten die USA, und nachdem sie  sich als Opfer der japanischen Angriffedarstellten, Japan den Krieg. Schließlich erklärten dann Deutschland undItalien am 11. Dezember 1941 den USA den Krieg.

Einige Bemerkungen sind hier notwendig nach dem kurzen Überblick über den"diplomatischen Weg" zum Weltkrieg, nachdem die Arbeiterklasse zumSchwei­gen gebracht worden war. Die beiden lo­kalen Kriege (Äthiopien undSpanien) hat­ten schließlich die Faschisten nach Jahren der Medienpropaganda inEuropa als "Kriegstreiber" dargestellt. Die militäri­schen Aufmärscheund Paraden Hitlers und Mussolinis waren sicher besser orga­nisiert als diefranzösischen Feiern zum 14. Juli oder die amerikanischen und briti­schenNationalfeiern, aber sie waren nicht weniger absurd. Zwei weitere Kriege imHerzen Europas (Tschechoslowakei und Polen) führten zur schnellen Niederlageder mit ihnen verbündeten "Demokratien". Nachdem der Tschechoslowakei(und Spa­nien) keine Unterstützung gewährt wurde, zwang sich die"Verteidigung der Demo­kratie" und der bürgerlichen Freiheiten nachder Besetzung Polens durch die "totalitären Regime" Russlands undDeutschlands geradezu auf. Politisch-di­plomatische Manöver können sich überJahre hinziehen. Aber bewaffnete Kon­flikte können Auseinandersetzungen inner­halbkürzester Zeit durch Waffen regeln - zum Preis eines gewaltigen Abschlachtens.Der Krieg wurde erst wirklich nach einem Jahr zu einem Weltkrieg, nachdemDeutschland Großteile Europas erobert hatte. Mehr als 4 Jahre lang unternahmendie USA keinen entscheidenden Schlag ge­gen die Invasoren, womit die deutscheWehrmacht in Europa den Gendarmen spielen konnte. Die USA, die weit entferntvon Europa sind, waren anfänglich mehr um ihre Vorherrschaft wegen der japani­schenBedrohung im Pazifik besorgt. Der Weltkrieg dauerte länger als die vorheri­genlokalen Kriege, und dies kann nicht allein aufgrund der Stärke der Wehrmachterklärt werden oder der verschiedenen Wendungen der imperialistischen Diplo­matie.Es ist zum Beispiel gut bekannt, dass ein Teil der amerikanischen Bourgeoisieviel lieber mit der deutschen Bourgeoisie zusammengegangen wäre, anstatt sichmit dem "kommunistischen" Regime Stalins zusammenzuschließen. Genausohatte die deutsche Bourgeoisie vergeblich versucht, sich mit Frankreich undEngland gegen Stalin zusammenzuschließen. 1940 und 1941 erhielt die englischeBourgeoisie von Hitler Friedensangebote, bevor es zur Operation"Barbarossa", dem Feldzug ge­gen Russland, kam. Das Gleiche, als Mus­solinisArmee in Nordafrika eine Nieder­lage erlitt. Die britische Regierung zögerte umsomehr, da sie dazu neigte, alles zu tun, damit die beiden großen "totalitärenRe­gime" sich gegenseitig dezimierten. Aber es wäre ein Fehler hierstehenzubleiben und zu glauben, dass die Hauptkraft, die dem Kriegstreiben derBourgeoisie entge­gensteht, das Proletariat, einfach von der Bildflächeverschwunden wäre, nur weil die Herrschenden einen das Volk"vereinigenden" Krieg wollten.

Die Marxisten können nicht einfach ab­strakt den Krieg als solchenuntersuchen, unabhängig von der jeweiligen historischen Phase. Im 19.Jahrhundert, in der aufstei­genden Phase des Kapitalismus, war der Krieg einunabdingbares Mittel zur Eröff­nung neuer Entwicklungsmöglichkeiten. Kanonenwurden damals zur Eroberung neuer Märkte eingesetzt. Dies wurde von der GaucheCommuniste de France (GCF) im Jahre 1945 aufgezeigt. Sie war eine der wenigenGruppen, die während des Krieges dem proletarischen Internationa­lismus treugeblieben war. "In der Deka­denzphase, wo der Kapitalismus historischgesehen alle Entwicklungsmöglichkeiten ausgeschöpft hat, bietet der moderne,d.h. der imperialistische Krieg, der Ausdruck dieser Dekadenz ist, keineweitere Ent­wicklungsmöglichkeit der Produktion. Der Krieg führt nur zur Zerstörungder Pro­duktivkräfte und zum Aufhäufen einer Ruine nach der anderen... Je mehrdie Märkte schrumpfen, desto verbissener wird der Kampf um den Besitz anRohstoffen und die Kontrolle des Welt­marktes. Der wirtschaftliche Kampf zwi­schenverschie­denen kapitalistischen Gruppen spitzt sich mehr und mehr zu; er nimmtimmer mehr die Gestalt des Kampfes zwischen den Staaten an. Der auf die Spitzegetriebene ökonomische Kampf zwischen Staaten kann letzten Endes nur durchmilitärische Ge­walt gelöst werden. Der Krieg wird zum einzigen Mittel, mit demjedes nationale Kapital versucht, die Schwierigkeiten zu lösen, vor denen essteht. Dies geht nur auf Kosten der impe­rialistischen Rivalen"[4].

DIE NATIONALE EINHEIT WÄH­REND DESKRIEGES

Die bürgerlichen Historiker hängten die schnelle Niederlage der altenkontinentalen Großmacht Frankreich nicht besonders hoch an die Glocke. Nichtnur die klimati­schen Be­dingungen hatten den Angriff der Wehrmacht hinausgezögert.Der deut­sche Staatsapparat hatte Hitler nicht zufällig ge­wählt, denn diedeutsche Staatsführung, das waren keine Dummköpfe. Es wurden geheime diplomati­scheVerhandlungen ge­führt. Selbst mitten während des Krieges kann es zu einerUmkehr von alten Al­lianzen kommen. Darüberhinaus war sich die deut­scheBourgeoisie immer des­sen bewusst, dass ausge­hend von Erinnerungen an denAufstand der Arbei­ter und Soldaten 1918, die Ernährungsfrage von hochrangi­gerBedeutung ist. 1938 befand sich eine herr­schende Klasse in Deutschland an derMacht, welche das Erbe der 1. Weimarer Republik über­nommen hatte, die dank derNiederschla­gung der proletarischen Revo­lution von 1918/1919 entstanden war.Die Bataillone der SS waren aus den alten Freikorps zusammen­gestellt, die dieMas­saker an den aufständi­schen Arbeitern 1918/1919 übernom­men hat­ten. Wederder Aufstand der Kommune von Paris 1870, noch die Oktoberrevolution 1917, nochdie Kämpfe in Deutschland 1919 waren ver­gessen worden. Auch wenn sie politischgeschlagen war, blieb die Arbeiterklasse für die Bourgeoisie eine ge­fährlicheKlasse.

Der schnelle Sieg des deutschen Imperia­lismus in der Tschechoslowakei warein Ergebnis des Ner­venkriegs, des Bluffs, ge­schickter Manöver und vor allemder Spe­kulation um die Angst aller Regierun­gen wegen der Folgen ei­nesKrieges gewesen, falls dieser zu schnell ohne entsprechende Unterwerfung derArbei­terklasse ausge­dehnt worden wäre. Wäh­rend die französi­schen Generalenoch mit dem alten Konzept des Stellungskriegs von 1914 ver­bunden waren, hatteder deutsche Generalstab seine Kriegs­strategie "modernisiert" unddie Taktik des Blitz­krieges eingeführt. Nur lang­sam vorzurücken, ohne hartzuzu­schlagen, bedeutet aus dieser Blitzkriegs­sicht (während des Golfkriegeswurde dies wieder bestätigt) eine sichere Niederlage anzusteuern. Schlim­mernoch, denn je zer­brechlicher die Unter­stützung für den Krieg innerhalb derBevölke­rung ist, be­deutet jeder Zeitverschub, jedes Hinauszögern, dass diekriegsführenden Sol­daten selbst unter­einander über die Fronten hin­wegKontakt aufneh­men können und damit das Risiko von Erhebungen und sozialen Ex­plosionenanwächst. Im 20. Jahr­hundert ist die Arbeiterklasse zweifelsohne zum er­stenBa­taillon gegen den imperialistischen Krieg ge­worden. Hitler selbst meinte ge­genüberAlbert Speer, die "Industrie ist ein Faktor, der für die Ent­wicklung desKom­munismus günstig wirkt". Hitler ging auch davon aus, dass nach derEinführung von Zwangsarbeitsmaßnahmen in Frankreich im Jahre 1943 die Möglichkeitvon Ar­beitsniederlegungen und Streiks, wel­che die Produktion bremsen wür­den,ein Ri­siko sei, das man in Kriegszeiten einge­hen müsse. Die deutscheBourgeoisie hatte also so etwas wie einen bismarckschen Reflex. Denn Bis­marckwar während des Auf­stands der Pa­riser Ar­beiter in der Pariser Kommune gegendie französi­sche Bour­geoisie mit dieser Erfah­rung konfrontiert worden.Damals war der Vormarsch der deutschen Truppen blockiert worden. Die deutscheBour­geoisie fürchtete damals die Ausbreitung dieses Aufstandes un­ter dendeutschen Arbeitern und Sol­daten. 1918 hatten schließlich auch die deutschenAr­beiter und Soldaten, angespornt durch die Revolu­tion in Russland, durch dieEntfal­tung des Bürger­krieges gegen ihre eigene Bour­geoisie reagiert.

In Frankreich fand jedoch so etwas wie ein Ermü­dungskrieg nach demabrupten Ende der ersten deutschen Militäroffensive statt. Deutschland wolltesich vor allem einen Le­bensraum im Osten eröffnen und zog es sogar vor, sicheher mit den beiden westli­chen "demokratischen" Ländern zu verbün­den,an­statt einen Großteil seiner militärischen Ka­pazitäten für deren Beset­zungzu verschwen­den. Deutschland unter­stützte die Kriegspartei Lavals und Do­riots,die alte Pazifisten waren und sich zuvor auf den Sozialismus berufen hatten.Diese pro-faschisti­schen Fraktionen waren jedoch eine Minderheit, die für eindeutsch-französisches Bündnis eintrat. Die gesamte Bourgeoisie war sehr besorgtwegen der mangelnden Mobilisierung des französi­schen Prole­tariats für denKrieg. Die Arbei­terklasse war in Frankreich nicht mit Bajonet­ten undFlammenwer­fern nie­dergeworfen worden wie die Arbeiter­klasse in Deutschlandzwischen 1918-23.

Die deutsche Bourgeoisie musste also auch in Frankreich vorsichtigvorgehen, denn sie wusste, dass Frankreich sowohl militä­risch als auch gesell­schaftlichzerbrechlich war. Der Beweis war das langsame Aus­einanderfallen der französischenBour­geoisie zwischen auf der einen Seite den feigen Militärs und denPazifisten, die sich bald als Kolla­borateure mit dem Besat­zungsregimeherausstellten, und die für die Kontrolle der Arbeiter zu sorgen hat­ten.

Die Volksfront hatte entscheidend zur Aufrü­stung beigetragen und damitauch zur politi­schen Ent­waffnung der Arbeiter. Aber sie hatte es nicht ge­schafft,die natio­nale Einheit vollständig herzustel­len. Die Polizei hatte vieleStreiks zerschlagen und Hunderte militante Arbeiter verhaftet, die zwar nichtalle klare Vorstellungen davon hatten, wie sie sich dem Kriege entgegen­stellensollten, die aber trotz­dem gegen den Krieg waren. Der linke Flügel der französischenBourgeoisie hatte die Ar­beiter mit dem Schwindel der Volksfront be­ruhigt, diein die­ser Situation den Ar­beitern den "bezahlten Urlaub" zugestand,während die Arbeiter in diesem Urlaub für den Krieg selbst mobilisiert wurden.Der Einfluss der pa­zifistischen links-extremen Fraktionen des Ka­pitalsverhinderte gleich­zeitig, dass eine wahre Klassenalternative aufkam. In Ergänzungzur Sabo­tagearbeit der Stalinisten veröffentlichten die Anar­chisten, die inden Gewerkschaften noch über großen Einfluss verfügten, im Sep­tember 1939 einFlugblatt "Frieden so­fort!", das von einer Handvoll von Intel­lektuellenunterzeichnet war: "Keine Blu­men am Ge­wehr, keine Heldenlieder, keineHurra-Rufe an die Soldaten, die an die Front ziehen. Es wird behauptet, dassdies in allen kriegsfüh­renden Ländern so sei. Der Krieg wird vom ersten Tag anvon al­len Seiten - vor und hinter der Front ver­urteilt -. Schließen wirschnell den Frie­den".

Der "Frieden" kann aber nicht die Alter­native ge­genüber demKrieg im dekaden­ten Kapita­lismus sein. Solche Resolutionen dienen nur dazu,die Tendenz zu stärken, "Rette sich wer kann", m.a.W. dass indivi­duelleLösungen wie Flucht ins Ausland für die Bessergestellten angestrebt werden. DieVerwirrung in den Reihen der Arbei­ter nimmt damit nur zu, ihre Sorgen und ihrBestreben etwas zu tun, kön­nen nicht wirklich zum Ausdruck kommen, son­dernverfangen sich in den Reihen der lin­ken und extrem-linken Parteien und Gruppie­rungen,die diese wiederum dann auf ein anti­faschistisches Ter­rain ziehen, auf demangeb­lich ihre Interessen ver­teidigt wer­den.

Die französische Gesellschaft brach jedoch so stark auseinander, dass diedeutsche Armee kurz nach der ersten großen Bom­bardierung von Rotterdam (40.000Tote) am 10. Mai 1940 ohne auf großen Wider­stand zu stoßen die zerbrechlicheMaginot-Li­nie in Frankreich überschreiten konnte. Die Offi­ziere der fran­zösischenArmee flüchteten als erste und lie­ßen ihre Trup­pen zurück. Die niederländi­sche,belgi­sche, luxemburgische Bevölkerung wie des Nordens Frankreichs, Pariseingeschlossen, flüchtete in großen Scharen Richtung Süden und nach Mittel- undSüdfrankreich. So kam es zu einer der größten Massenfluchtbewe­gungen. Diese"mangelnde Widerstandsbereit­schaft" der Bevölke­rung wurde ihr spätervon den Ideologen des Ma­quis (unter denen viele wie Mitterand und die"sozialistischen" Führer Belgiens und Italiens erst von 1942 ihreWeste gewechselt haben) vorgewor­fen, um nach dem Krieg alle möglichen Erpres­sungsversuchezu unternehmen, damit die Arbeiter­klasse sich für den Wie­deraufbau opferte.

Der Blitzkrieg hinterließ jedoch mehr als 90.000 Tote und mehr als 120.000Ver­letzte auf französi­scher und 27.000 Tote auf deut­scher Seite. DieserBlitzkrieg brachte für mehr als 10 Millionen  Menschen unvorstellbare Lebens­bedingungen.1.5 Millionen Men­schen wurden als Gefangene nach Deutschland ver­frachtet. Na­türlichist das wenig im Vergleich zu den 50 Millionen Kriegstoten insgesamt.

In Europa litt dann die Zivilbevölkerung unter den schlimmsten Verlusten,die es jemals in Kriegszeiten gegeben hatte. Noch nie waren so viele Frauen undKinder im Krieg gefallen. Die Zahl der zivilen Op­fer überstieg zum er­sten Malin der Weltge­schichte die Zahl der toten Soldaten.

Mit einem nahezu bismarckschen Reflex ging die deutsche Bourgeoisie dazu über,Frankreich in zwei Teile zu spalten: eine be­setzte Zone, der Norden mit derHaupt­stadt, um direkt in Lauerstellung gegen­über England gehen zu können. Undeine "freie" Zone, der Süden, an deren Spitze der General Pe­tain,genannt der Tölpel, stand, und der ehemalige "Sozialist" Laval,Mitglied der ehrenwerten Interna­tionale. Dieser Staat der Kollaboration un­terstütztedie Deutschen bis es den Alliier­ten bei ihrem Vor­marsch gelang, den deut­schenImperialismus zu­rückzudrängen.

Die ständige Angst vor einer Erhebung der Arbeiter gegen den Krieg, auchwenn diese noch so schwach waren, war selbst bei denje­nigen zu spüren, die dieLinken als "antisozial" darstellen. Die Kollaborati­onszeitung"L’Oeuvre" spricht grob­schlächtig von der Notwendigkeit von Ge­werkschaften- diese sog. sozialen Errun­genschaften der Volksfront - die in den Dienst derBesatzer treten sollen. Sie schlugen damit mehr oder weniger die gleichen Töneein wie irgendeine linke oder trotzkistische Gruppierung: "Die Be­satzersind stark daran interessiert, dass es zu keinem Widerstand der Arbeiter kommt.Sie wol­len, dass die Arbeiter nicht den Kontakt verlieren, und dass sie ineine gut organisierte gesellschaftliche Bewegung integriert wer­den... DieDeutschen wün­schen, dass die Ar­beiter in Berufsorganisa­tionen eingegliedertwerden. Zu diesem Zweck müssen die notwen­digen Führungs­kräfte zur Verfügunggestellt werden, die das Vertrauen der Arbeiter genie­ßen... Und diese Führungskräftemüssen dann eine Auto­rität ausstrahlen und der Gefolg­schaft der Arbeitersicher sein"[5],(L’OEUVRE, 29.08.1940).

Ab dem Jahr 1941 fingen einige Mitglieder der französischenKollaborationsregierung an, sich über die Zeit nach der Besatzung Gedan­ken zumachen und die Frage der Aufrechter­haltung der gesell­schaftlichen Ordnung aufzu­werfen.Die Bourgeoisie um Petain und der im Exil befindliche De Gaulle, der als der Führerdes "freien Frankreichs" auftrat, nahmen dis­kret Kontakteuntereinander auf. Ihr Hauptan­liegen bestand darin, die gesellschaftliche undpolitische Ordnung beim Übergang zwischen den beiden Regierungsformenaufrechtzuer­halten. Die Ideologie der sehr schwachen Résistance-Bewe­gung, dievon der liberalen, in Großbritannien im Exil befindlichen  Fraktion und von den Stalini­sten der KPF inFrankreich verbreitet wurde, stieß an­fänglich auf große Schwie­rigkeiten, alses darum ging, die Ar­beiter für die nationale Union, für die "Befreiungdes Landes" zu mobilisieren. 1943 half die Bourgeoisie gegen ihren Willennach, die Rei­hen der "Terroristen" zu verstärken, indem sie eineneue Regelung einführte, der zufolge für jeden nach Deutschland ver­schicktenZwangsarbeiter ein Kriegsgefange­ner nach Frankreich zurück­kehren könnte. Abergrundsätzlich waren es die linken und extrem-linken Parteien, die es schafften,die Arbei­ter für die Résistance auf der Grundlage des Sieges der"Schlacht um Stalingrad" zu mobilisieren.

Änderungen der imperialistischen Bünd­nisse und die mögliche Reaktion desPro­letariats waren zu dieser Kriegszeit die Hauptfrage­stellungen der Bour­geoisie.Formell trat der Wendepunkt im Krieg 1942 ein, als die japani­sche Expansion imOsten zum Halten gekom­men war, und die Schlacht um El Alamein, die zurEntschei­dung über die Ölfelder führte, stattfand. Im gleichen Jahr fing dieSchlacht um Stalin­grad an, wo der stalinistische Staat dank der US-militärischenUnterstützung einen Sieg ver­zeichnen konnte (die USA lieferten Waffen undPanzer, die technisch höher ent­wickelt waren als die russischen Ge­räte). Ingeheimen Verhandlungen hatte Stalin sein Versprechen der Kriegserklä­rung anJapan als ein Faustpfand einge­bracht. Der Krieg hätte damals schnell zu Endegebracht werden kön­nen, insbeson­dere nachdem ein Teil der deut­schenBourgeoisie stark daran interessiert war, Hit­ler wie­der loszuwerden und ihn1944 zu ermorden ver­suchte. Die Alliierten ließen je­doch die Draht­zieher desAttentates ge­gen Hitler isoliert, wodurch der Nazi-Staat mit un­eingeschränkterGewalt gegen die Attentäter vorgehen konnte (Admiral Ca­naris Valky­rie Plan).

Aber die Reaktion des italienischen Proletari­ats musste nun berücksichtigtwer­den. Der Krieg musste noch zwei Jahre fortgeführt wer­den, bevor die be­stenKräfte des Proletariats abgeschlachtet wor­den waren, und um einen so überhastetenFriedensab­schluss wie den von 1918 zu vermeiden, der damals mit der Re­volutionauf seinen Fersen abgeschlossen worden war.

Nach der Erhebung des italienischen Proleta­riats trat 1943 ein Wendepunktim Krieg ein. Weltweit be­nutzte die Bour­geoisie die Isola­tion und die Nieder­lageder italienischen Ar­beiter dazu, der Résistance in den besetzten LändernAuftrieb zu verschaffen, um die Un­terstützung der Bevölkerung für den zu­künftigenkapitali­stischen Frieden zu errei­chen. Bis dahin bestanden die meisten Grup­pender Résistance hauptsächlich aus kleinen Minder­heitsgruppen vonnationalistischen Klein­bürgern, die terroristische Methoden be­nutzten. Dieanglo-amerikanische Bour­geoisie verherrlichte dann die Ideologie der Résistance.Sie erhielt Auftrieb nach dem Sieg in Sta­lingrad und nachdem die KPs sich inden meisten Ländern pro-westlich orientiert hatten. Die Arbeiter sa­hen keinengroßen Unterschied zwischen der Ausbeutung durch einen deut­schen und französi­schenUnternehmer. Sie hatten keinen Wunsch ge­zeigt, im Namen des englisch-französischenImpe­rialismus Po­len zu unterstützen und dabei ihr Leben zu lassen. Sie hattensich nicht für einen Krieg mo­bilisieren lassen, der nicht ihren Interessen ent­sprach.Sie jetzt für die "Verteidigung der Demo­kratie" einzuspan­nen,erforderte, dass sie von ihrem Klas­senstandpunkt aus dabei für sich einePerspek­tive erkennen müssten. Sta­lingrad als Wendepunkt des Krieges und die Mög­lichkeitder Herrschaft der Besatzungsar­meen ein Ende zu setzen, die"Freiheit" wie­derzuerlangen, selbst mit "eigenen Polizei­kräften",ließ die Hoffnungen der Arbeiter an­steigen, wobei gleichzeitig der"befreiende Kom­munismus" - verkörpert durch Stalin - sein Gift aus­stieß.Ohne diese Lüge wären die Arbeiter den be­waffneten Résistance-Bandenfeindselig gegenüber eingestellt geblieben, de­ren Handlungen die Gewalt desNazi-Terrors nur noch erhöhten. Ohne die Unter­stützung der Stalinisten undTrotzkisten hätte die Bour­geoisie in London und Washington keine Aus­sichtdarauf gehabt, die Arbeiter für den Krieg mo­bilisieren zu können. Im Gegensatzzum Krieg von 1914 ging es jetzt nicht darum, die Arbei­ter in Reih und Gliedzu zwingen, um sie zur Schlacht­bank zu führen, sondern ihre Un­terstützung auf"zivilem Boden" zu ge­winnen, sie in das Netz der Résistance ein­zugliedern,den Enthusiasmus nach dem Stalin­grad-Sieg auszunutzen.

In Italien und Frankreich schlossen sich viele Ar­beiter dem Maquis an,weil sie die Illusion hatten, somit wieder zum Klassen­kampf zu­rückfinden zu können.Die Stali­nisten und Trotzkisten stellten gar den Vergleich an mit der PariserKommune (denn damals erhoben sich die Arbeiter gegen ihre eigene Bour­geoisie -angeführt von dem neuen Thiers - Pétain - während die Deutschen seinerzeitFrankreich be­setzt hielten). Die Bevölkerung wurde seit dem Kriegsbeginnterrorisiert und musste sich somit hilflos gegenüber dem Krieg vorkommen. VieleArbeiter schlossen sich den Banden der Résistance an und wurden unter demEindruck in den Tod geschickt, dass sie für eine "sozialistische Be­freiung"Frankreichs oder Italiens kämpften. Mit anderen Worten: dass sie einen"neuen Bürgerkrieg gegen ihre eigene Bour­geoisie führten". Genausowie 1914 deutsche und französi­sche Arbeiter an die Front unter dem Vorwandgeschickt worden waren, dass Deutschland und Frankreich "den Sozia­lismusex­portierten". Die stalinistischen und trotzki­stischen Gruppen der Résistancesprachen bei dieser Er­pressung davon, dass die Arbeiter an "vordersterStelle beim Kampf für die Unab­hängigkeit der Völ­ker" zu stehen hätten.Dies traf insbesondere auf einen Schlüsselbereich der Wirtschaft zu, welcherdie Wirtschaft hätte lahmlegen können: die Eisen­bahnen.

Gleichzeitig wurde ohne das Wissen vieler Arbeiter ein Kampf um dieVorherrschaft in­nerhalb der rechten Fraktionen der Rési­stance darüber geführt,wie die alte kapita­listische Ordnung nach dem Krieg wieder­hergestellt werdenkönnte. Teams von ameri­kanischen Geheimagenten aus dem AMGOT (Allied Mi­litaryGovernment for the Occupied Territo­ries) waren nach Frankreich und Italien ge­schicktworden (dies war der Beginn der P2 Loge und der Kompli­zenschaft der italieni­schenund amerikanischen Bourgeoisie mit der Ma­fia). Sie sollten sicherstellen, dassdie Stali­nisten nicht zu viel Macht bekämen, um sich dem russischenImperialismus anzu­schließen. So wurde den Stalinisten immer deutlicher ihre ih­nenzu­geteilten Rolle auf­gezeigt. Dies wurde be­sonders in dem Be­reich klar, wosie wahre Ex­perten sind: der Sabotage von Arbeiter­kämpfen, der Ent­waffnungvon eher "utopisch" einge­stellten Résistancegruppen und der Nieder­schlagungder Ar­beiter, die ge­gen die Er­fordernisse des Wiederauf­baus protestier­ten.Sofort nach der "Befreiung" und als Beweis der Komplizenschaft allerBour­geoisien gegen das Proletariat rekrutierte die westliche herr­schendeKlasse - bei gleichzeiti­ger Verurteilung ei­niger Kriegs­verbrecher - um dasGesicht zu bewah­ren - eine Reihe von ehemaligen Nazi- und stalini­stischenFolterex­perten als nützliche Geheimagenten in den meisten europäi­schenHauptstädten. Die erste Aufgabe dieser neu Rekrutierten bestand na­türlichdarin, der russischen Seite entgegen­zutreten. Aber es ging auch darum, den"Kampf gegen den Kom­munismus" (Arbeiteraufstände) zu führen, um denWider­stand der Arbeiter selber auszuhöh­len, denn diese Gefahr bestand für dasKa­pital selbst noch nach den Schrecken des Krieges.

DIE MASSIVE ZERSTÖRUNG DES PROLETA­RIATS

Wir überlassen es den Bürgerlichen, über die Zahl der Toten in denjeweiligen Län­dern zu streiten[6]. Aber es gibt keinenZweifel, dass die russische Be­völkerung am meisten gelitten hat. Mehr als 20Millionen Tote an der europäi­schen Front. Diese Op­fer wurden bei den Fei­erlichkeitenanläss­lich des 50. Jahrestages der Landung der Alliierten in der Nor­mandienicht erwähnt. Heute beschuldigen russische Histo­riker weiterhin die USA, dieLandung in der Normandie herausgezögert zu haben, um die UdSSR in Anbetrachtdes heraufzie­henden kalten Krieges weiter auszubluten: "Die Lan­dung fandstatt, als das Schicksal Deutsch­lands schon durch die sowjetische Gegenoffen­sivean der Ostfront be­siegelt war"[7].

Am Ende der fetten Jahre des Wiederauf­baus fingen die bürgerlichenLiberalen mit ihrem hohen Priester Solschenizyn an, entrüstet über dieMillionen Toten in Stalins Gulags zu la­mentieren. Sie gaben vor zu vergessen, dassdie wirkliche Krö­nung der Konterre­volution nur mit der vollen Komplizenschaftdes We­stens im Krieg vollzogen worden war. Wir wis­sen, wie gnadenlos dieBourgeoisie nach einer Nie­derlage der Arbeiterklasse vorgeht (Zehntausende vonKommunarden wurden mit ihren Frauen und Kindern abge­schlachtet und nach derNiederlage von 1871 verschleppt). Die Art und Weise, wie der 2. Weltkriegdurchgeführt wurde, ließ der Bour­geoisie freien Spielraum, um dieArbeiterklasse noch mehr zu massakrieren, als sie es schon 1917 getan hatte.Die Rus­sen trugen das Gewicht des 4 Jahre dau­ernden Kriegs in Europa alleinauf ihren Schultern. Erst Anfang 1945 betra­ten die Amerika­ner deutschenBoden, wo­durch die Zahl ihrer eige­nen Toten gering ge­halten, und der sozialeFrieden in den USA auf­rechterhalten werden konnte. Die Millio­nen russischenOpfer verdeutlichten in der Tat ein tragisches Heldentum, denn ohne amerikani­scheMilitärhilfe wäre das rück­ständige stalini­stische Re­gime von dem in­dustrialisiertenDeutschland besiegt wor­den.

Nach solch einem Aderlass hatte es der russi­sche Staat nicht nötig,"eine demokra­tische Maske" zu zeigen, um seine Ord­nung auf­zuzwingen.Die Alli­ierten ließen die russi­schen Soldaten an Millionen Deut­schen Ver­geltungüben. Sie ließen Russland den Status einer "Siegermacht" einnehmen,denn die Er­fahrung seit 1914 bewies, dass solch ein Schritt dazu beitrug, densozialen Frieden aufrechtzu­erhalten. Die russische Regierung und ihr Diktatorließen der deutschen Armee ausrei­chend Spielraum, damit diese den Aufstand vonWarschau niederschlagen konnte. Ge­nauso wie sie Hunderttausende von Zivi­listenin Stalin­grad und Leningrad vor Hunger und Kälte umkommen ließen. Souvarinzufolge verheiz­ten sie Millionen Menschenleben in den Arbeitsla­gern.

Um den siegreichen imperialistischen Ap­petit Russ­lands zu befriedigen (dasstalini­stische Regime de­montierte zahlreiche Fa­briken in Osteuropa, wäh­rendder Westen von der Wie­deraufbauhilfe durch die USA profitierte), war esnotwendig, dass die Ar­beiterklasse daran gehindert wurde, nicht von der"Befreiung" der Bourgeoisie zu profitieren.

Eine intensive Propagandakampagne wurde sowohl im Westen als auch im"totalitären" Russland anläss­lich des Völ­kermords an den Judendurchgeführt, über den die Alliierten seit dem Beginn des Krieges im Bildegewesen waren. Wie ei­nige ernsthaftere Historiker an­erkannt ha­ben, liegt dieErklärung für diesen Völ­kermord nicht im Mittelalter, sondern ist im Rahmendes kalten Krieges zu finden. Das Mas­saker erreichte solche Ausmaße nach demBeginn des Krieges mit Russland. Das Problem der großen Massen von Ge­fangenenund Flüchtlingen musste von der deutschen Bour­geoisie "gelöst"werden. Der Nazi-Staat machte sich die größten Sorgen um die Ernäh­rung seinereigenen Truppen, auch wenn das bedeutete, dass ein Teil der Bevölkerung, der fürdie Kriegsaufwendungen eine Belastung war, früher in den Tod geschickt werdenmusste (Kugeln und Munition mussten für die rus­sische Front gehortet werden,insbeson­dere nachdem sich herausgestellt hatte, dass das Massenerschießenselbst für die Er­schießungskommandos einen demoralisieren­den Ef­fekt hatte).Auf der Bermuda-Konferenz 1943 be­schlossen die Alliierten nichts für die Judenzu un­ternehmen. Damit zogen sie es vor, dass die Juden eher ausgelöschtwurden, als dass die Alliierten sich um die gewaltige Flüchtlingsmasse kümmernwür­den, die ent­standen wäre, wenn die Nazis diese Massen von Judenausgewiesen hätten. Eine Reihe von Verhandlungen wurde mittels Rumänien undUngarn geführt. Alle stießen auf die höfliche Ab­lehnung Roosevelts. Der meistbekannte Vor­schlag, der heute hinter der humanitären Aktion ei­nes Schindlersverdeckt wurde, war der von Eich­mann an Vertreter der Alliierten. DerVorschlag lautete: Wir tauschen 100.000 Juden gegen 10.000 LKWs. Die Alliiertenlehnten diesen Tausch ab. Ein briti­scher Staatsrepräsentant sagte: "DerTransport von so vielen Menschen würde nur unseren Kriegs­bemühungenschaden"[8].

Der Völkermord an den Juden, die ethni­sche "Säuberung" durch dieNazis, war eine per­fekte Ausrede für die Barbarei, die von den siegreichenAlliierten ausgeübt wurde. Die Konzentrationslager wurden der Öffentlichkeitgeplant und medienge­recht inszeniert zugäng­lich gemacht. Die­ser Berg von Lügen,der dazu diente, von den Besiegten ein Bild des Teufels zu ma­len, sollte jedeInfragestel­lung der alliier­ten Terrorbombenangriffe unmöglich ma­chen. Diesealliierten Terrorangriffe ver­folgten nämlich das Ziel, die Arbeiter­klasse aufder ganzen Welt zum Schweigen zu brin­gen. Einige Zahlen verdeutlichen diesenHor­ror.

- Juli 1943, Hamburg, 50.000 Tote,

- 1944: Darmstadt, Königsberg, Heilbronn 24.000 Tote, Braunschweig 23.000Tote,

- 13-14. Februar 1945: Bombardierung Dres­dens, Folgen: ca. 250.000 Tote,

- innerhalb von 18 Monaten wurden 45 der 60 größten deutschen Städte zerstört,mehr als 650.000 Tote,

- März 1945: Bombardierung Tokios, 80.000 Tote,

- August 1945: Hiroshima und Nagasaki,

- in Frankreich wie woanders war die Arbei­terklasse die Hauptzielscheibe:Tau­sende wur­den in Le Havre und Marseille getötet, wäh­rend der Landung derAlliier­ten führten die Bombardierungen von Caen und anderen Städten neben den20.000 Toten unter den Soldaten zu hohen Opfern unter der Zivilbe­völkerung,

- 4 Monate, nachdem sich das deutsche Reich ergeben hatte, nachdem sichJapan praktisch auf den Knien befand, zerstörten die schlimm­sten Waffen allerZeiten Hi­roshima und Na­gasaki. Der Vorwand: amerikanisches Leben solltegerettet wer­den. Der Arbeiterklasse sollte für immer vor Augen geführt werden,dass die herr­schende Klasse eine "allmächtige Klasse" sei.

In einem weiteren Artikel werden wir die Re­aktionen der Arbeiterklasse währenddes Krieges behandeln, die von all den Hi­storikern verschwiegen werden. Dabeiwerden wir auch die Haltung, die Positio­nen und Aktivitäten der revolutionärenMinderheiten aufgreifen.

Damien

 (aus International Review, Nr. 78,3. Quartal 1994).

 

[1] siehe INTERNATIONALE REVUE Nr. 13, "DieMassaker und Verbrechen der großen Demokra­tien", 3. Quartal 1991,

[2] "The Secret War", A.C.Brown,

[3] 34-39: L`Avant-guerre, Michel Ragon, Ed. De­noel, 1968

[4] Bericht zur internationalen Situation, 14.07.1945

[5] L`Oeuvre, 29.8.1940

[6] siehe Internationale Revue, Manifest des9. Kon­gresses der IKS

[7] Le Figaro, 6.6.1944

[8] Siehe "Die Geschichte Joel Brands" vonAlex Weissberg. Ein halbes Jahrhundert später ver­hält sich der Kapitalismusgegenüber dem Flücht­lingsproblem noch immer gleich: "Aus ökonomi­schenund politischen Gründen (jeder Flüchtling ko­stet $ 7.000) will Washing­tonnicht, dass die Quota der Juden auf Kosten der Flüchtlinge aus Latein­amerika,Asien und Afrika steigt, die mit keiner Un­terstützung rech­nen können undvielleicht mehr "verfolgt" sind (Le Monde, 4.10.1989, "Diesowjeti­schen Juden wären am meisten von Einwanderungs­beschränkungenbetroffen“). Das Europa Maastrichts steht dem in nichts nach: "aus eu­ropäischerSicht sind die meisten Asylbewerber keine wirklichen Asylanten, sondern Wirt­schaftsflüchtlinge,die man auf einem schon ge­sättigten Arbeitsmarkt nicht auf­nehmen kann"(Libération, 9.10.1989).

Das ist derdekadente Kapitalismus. Da er die Ent­faltung der Produktivkräfte fesselt, musser in Kriegs- und Friedenszeiten einen Großteil der Men­schen eines langsamenTods sterben lassen. Die Heuchelei in Anbetracht der "ethnischen Säuberun­gen"auf dem Balkan und des Mordes an über 1 Millionen Einwohnern Ruandas innerhalbweniger Wo­chen zeigen die "wahren Fähigkei­ten" des Kapita­lismusauf. Indem sie die Massa­ker geschehen las­sen, genauso wie sie damals denGenozid an den Juden zugelassen haben, tun die westlichen Demo­kratien so, alsob sie damit nichts zu tun hätten; in Wirklichkeit aber sind sie nicht nurKomplizen, sondern heute sind sie noch stärker als im Fall der Juden direktbeteiligt.

Theoretische Fragen: