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Gegen dieses System von Krieg und Terror
Täglich konkretisiert sich die Gefahr eines neuen Krieges gegen den Irak. Bush jun. beabsichtigt, einen Schritt weiter zu gehen als sein Vater 1991. Er möchte dem Irak nicht nur eine neue militärische Niederlage bereiten, sondern diesmal auch gleich das Regime von Saddam Hussein zerschlagen.
Ein Jahr nach den Attentaten vom 11. September und dem von den USA der ganzen Welt, insbesondere den als ”Achse des Bösen” bezeichneten Ländern, erklärten ”Krieg gegen den Terror” hat sich die Situation nur verschlimmert.
Seit einem Jahr kann man eine Zunahme von kriegerischen Spannungen in anderen Ländern beobachten. Z.B. zwischen Indien und Pakistan, zwischen Israel und den Palästinensern – wo Terroranschläge, Selbstmordkommandos, Vergeltungs- und Vernichtungsmaßnahmen zum Alltag geworden sind, oder in Tschetschenien.
Und jetzt wollen die USA knapp ein Dutzend Jahre nach dem ersten Golfkrieg einen zweiten Golfkrieg auslösen. ”Die Ära des Friedens”, die uns Bush sen. noch 1989 nach dem Zusammenbruch des Ostblocks versprochen hatte, offenbart sich nun als eine Ära einer seit dem Zweiten Weltkrieg beispiellosen Intensivierung der kriegerischen Barbarei. Die Überlebensprinzipien der bürgerlichen Gesellschaft, das “Jeder-für-sich”, die Verschärfung der Konkurrenz zwischen den großen als auch kleinen imperialistischen Mächten, ein neuer Rüstungswettlauf, bringen für immer mehr Menschen nur noch Zerstörung, Misere und Elend.
Die USA kämpfen um ihre Vormachtstellung
Schauen wir zurück:Wie sich mittlerweile herausgestellt hat, haben die US-Behörden trotz vorhandener Geheimdiensterkenntnisse gegen die geplanten Attentate vom 11. September nichts unternommen. Im Gegenteil: die herrschende Klasse in den USA hat die Attentate ausgenutzt, um eine Offensive einzuleiten, mittels der die USA ihre Vormachtstellung auf der Welt ausbauen oder verstärken wollen. Mittlerweile haben die USA an wichtigen Positionen im Herzen Zentralasiens Stellung beziehen können: in Afghanistan, Tadschikistan, Usbekistan und auch in Georgien. Die USA steuern aber viel weiterreichende strategische Zielsetzungen an als nur das Herz Zentralasiens.
Das Ziel der amerikanischen Bourgeoisie ist die Sicherung der Kontrolle nicht nur über diese Region, die sich ehemals im Besitz Russlands befand, sondern über den Nahen und Mittleren Osten bis zum indischen Subkontinent. Mit Nordkorea auf der Liste der ”Achse des Bösen” wollen die USA auch China und Japan herausfordern. Dieses Vorgehen zielt letztendlich auf die Einkreisung der westeuropäischen Mächte und vor allem auf die Blockierung des deutschen Imperialismus ab, der der gefährlichste imperialistische Rivale ist und der über den Balkan nach Osten expandieren will. In diesem Kontext stehen die Kriegsdrohungen gegen den Irak.
Die Kriegsziele der USA
Im Gegensatz zu den Behauptungen der Militärs stellt der Irak unter Saddam Hussein heute keine reale Gefahr dar. Während seine Armee noch vor 1991 als die fünftgrößte der Welt galt, wurde sie in der Folge stark dezimiert und hat seit dem Ende des Golfkrieges zwei Drittel ihres Bestandes verloren. Das bestehende Embargo hat nicht nur die Wiederaufrüstung der irakischen Armee sondern auch die Beschaffung von Ersatzteilen verhindert. Beinahe das gesamte militärische Material des Iraks stammt aus der Zeit vor dem Golfkrieg, was selbst die New York Times vom 26.8.2002 zugibt.
Offensichtlich ist die von der Regierung Bush zur Rechtfertigung einer Intervention beschworene allgegenwärtige Gefahr nichts als eine Propagandalüge.
Welche materiellen Interessen stecken hinter dem von den USA angestrebten Krieg?
Stimmt es, wie die bürgerlichen Linken aber auch verschiedene Gruppen im proletarischen Lager behaupten, die USA wollten die Kontrolle über die irakischen Ölreserven, die zweitgrößten der Welt, sicherstellen. Le Monde Diplomatique schrieb im Oktober 2002 dazu: ”Unter einem amerikanischen Protektorat könnte der Irak seine Produktion innert Kürze verdoppeln, was als unmittelbare Folge einen Preissturz nach sich ziehen würde und somit vielleicht zu einer Ankurbelung des Wachstums in den USA führen könnte.”
Zuerst muss man dazu sagen, dass die Idee, das irakische Öl könnte die amerikanische Wirtschaft ankurbeln, einige sehr wichtige Aspekte außer Betracht lässt: die heutige Ölförderung Iraks unterliegt bereits weitgehend einem amerikanischen Diktat: politisch durch die Exportkontrolle unter Führung der UNO; militärisch durch die amerikanischen Bomber, die die ganze Erdölindustrie des Irak im Visier haben; wirtschaftlich durch den Einfluss der großen amerikanischen Erdölfirmen. Zudem herrscht ein weltweites Überangebot an Öl.
Wie wir in einem anderen Artikel in dieser Zeitung erläutert haben, werden aus unserer Sicht heute Kriege nicht mehr einfach um die Eroberung oder Plünderung von Rohstoffen oder um die Eroberung von neuen Märkten usw. geführt. Auch wenn diese Aspekte eine wesentliche Rolle spielen, sind sie nicht ausreichend für die Erklärung der Kriegsstrategie der beteiligten Staaten. Vielmehr haben Krieg und Militarismus eine Eigendynamik angenommen, die typisch ist für eine niedergehende Produktionsform, genauso wie es schon in der niedergehenden Sklavengesellschaft und im Feudalismus der Fall war.
Die Tatsache, dass der Nahe Osten seit Jahrzehnten ein permanenter Kriegsschauplatz geworden ist, kann nicht allein auf Ölvorkommen reduziert werden. Vielmehr ist das Interesse aller großen Mächte am Nahen Osten hauptsächlich ein strategisches. Dieses Interesse ging selbst der Entdeckung des Erdöls in dieser Region voraus. Bereits im 19. Jahrhundert trugen Großbritannien, Russland und Deutschland um Irak, Iran und Afghanistan das seinerzeit so genannte ”Große Spiel” um Einfluss aus. Der Nahe Osten gewann mit dem Bau des Suezkanals, einer strategischen Verbindung Großbritanniens zu seiner Kronkolonie Indien, noch mehr an Bedeutung. Heute bleibt die geostrategische Bedeutung dieser Region bestehen, jedoch ist sie durch die strategische Bedeutung des Erdöls als unabdingbarer Rohstoff für die Wirtschaft und den Krieg erweitert worden. Wenn die USA zu einer absoluten Kontrolle über die Versorgungswege des Erdöls nach Europa und Japan gelangen würden, hieße dies, dass sie in der Lage wären, im Falle einer schweren internationalen Krise starken Druck auf ihre Kontrahenten ausüben zu können. Sie müssten nicht einmal mehr mit nackter Gewalt drohen, um diese Länder gefügig zu machen. Die USA streben einen verstärkten Einfluss nicht vorrangig wegen des Öls als Ware an (und daraus zu schlagender ökonomischer Vorteile aufgrund einer möglichen Monopolstellung), sondern um das Öl als Erpressungsmittel einzusetzen. Die Rohstoffe sind nicht mehr bloße Ware, sondern zu einer Waffe im Krieg geworden (siehe dazu den Artikel auf S. 2).
Die gegenwärtige Situation spiegelt aber die allgemeine Zuspitzung der imperialistischen Spannungen auf einer anderen Ebene wieder.
1991 konnten die USA noch versuchen, die ehemals im Westblock Verbündeten wieder hinter den USA aufzureihen – zudem konnten die USA ein UNO-Mandat für ihren Krieg gewinnen.
Heute müssen die USA in Kauf nehmen, dass sie gegen die Opposition einer Reihe von größeren Ländern (Russland, Frankreich, Deutschland, China) und mehrerer wichtiger arabischer Länder versuchen müssen, den Krieg auszulösen, der selbst das Risiko einer weiteren Destabilisierung der Situation in dieser Region mit sich bringt.
Der von den USA angestrebte Krieg bedeutet ein weiteres Abtauchen ins wachsende Chaos, das immer blutiger wird. Wie wir bereits vor mehr als zehn Jahren angekündigt haben, sind die USA zu einer Flucht nach vorn unter Anwendung ihrer militärischen Kraft genötigt, wenn sie ihre Führerschaft bewahren wollen.
Heute sind nicht nur die “Schwächeren”, die “Unterlegenen”, unter Einsatz aller Mittel (Terror usw.) zur gewaltsamen Herausforderung der anderen getrieben, sondern die einzig übrig gebliebene Supermacht - die USA - treibt die Militarisierung mit am stärksten voran.
Um ihre Gegner zu schwächen, müssen die USA einen taktischen Schachzug machen: sie haben die europäische Front gesprengt. Das ist ein exzellentes Mittel zur Spaltung der europäischen Mächte, wobei sie hauptsächlich Großbritannien auf der einen und Frankreich und vor allem Deutschland auf der anderen Seite gegeneinander ausspielen wollen. Großbritannien bleibt für die USA die Hauptstütze in einem Krieg gegen den Irak. Im Gegensatz dazu hat sich Frankreich immer gegen eine neue militärische Intervention auf irakischem Boden gestellt – und Deutschland hat sich seit einem Jahr zum heftigsten Kritiker der USA gemausert.
Die USA wollen deshalb den Keil zwischen den Europäern vergrößern.
Sind die Risiken des Krieges gegen den Irak nicht größer als die des Krieges gegen Afghanistan?
Auf jeden Fall!. Denn die USA können im Irak die Drecksarbeit vor Ort nicht anderen (wie der afghanischen Nordallianz) überlassen; zudem besteht noch immer die Gefahr des Wiedererweckens des Vietnamsyndroms. Vor Ort werden die USA auf größere Schwierigkeiten stoßen, Verbündete für ihre Ziele zu finden, da die lokale Bourgeoisie im Irak aber auch in der Region dem Druck mehrerer europäischer Mächte ausgesetzt ist. Zudem ist ein Interessenskonflikt mit der Türkei nicht auszuschließen. Das andere Risiko betrifft das Image der amerikanischen Bourgeoisie, deren Ruf als ”Wegbereiter des Friedens” im Nahen Osten in den gesamten arabischen Staaten definitiv getrübt wird und deren Position in dieser Region längerfristig geschwächt wird.
Während 1991 Saddam Husseins Intervention in Kuwait als Vorwand zur Entfesselung des Golfkriegs diente, gibt es heute keine völkerrechtliche Absicherung für einen Präventivkrieg. Mit dem neu von der amerikanischen Bourgeoisie gegen-über dem Irak verwendeten Begriff des ”potenziellen Angreifers” versuchen sie in der Tat, jeglichen rechtlichen Rahmen auf der Ebene internationaler Beziehungen abzuschaffen und neue Regeln durchzusetzen. Diese Regeln, falls geduldet, würden unterschiedslos jede Invasion in beliebige Territorien durch beliebige Nationen rechtfertigen und eine weitere Türe zur Verschärfung des Chaos öffnen. Diese Schwäche in der amerikanischen Strategie wird oft und ausgiebig von denjenigen Großmächten ideologisch ausgeschlachtet, die heute vorgeben, sich an die von der UNO erteilten ”legalen Mandate” zu halten.
Das Dilemma der US-Bourgeoisie
Wie kann man auf dem Hintergrund dieses Dilemmas die politische Landschaft in den USA begreifen, da es dort ziemlich heftige Reibereien innerhalb der US-Bourgeoisie über die Gefahren eines Krieges gegen den Irak gegeben hat?
Abgesehen davon, dass einige bürgerliche Politiker vor den immensen Kosten eines Krieges warnen, meinen andere, die USA würden dadurch zu sehr isoliert, stünden nachher allein da. Und “als einziger allen anderen gegenüberzustehen”, könne doch nicht das Ziel der US-Politik sein!
In der amerikanischen herrschenden Klasse existieren keine Zweifel über die Notwendigkeit, ihre weltweite imperialistische Vorherrschaft bewahren zu müssen, und dies zuallererst auf militärischem Terrain. Die divergierenden Beurteilungen betreffen vielmehr die folgende Frage: Müssen die Vereinigten Staaten die Dynamik akzeptieren, die sie zum Alleingang drängt, oder sollen sie sich um die Gunst anderer kümmern und Rücksicht nehmen auf eine gewisse Anzahl Verbündeter, wenngleich eine solche Allianz heute keinerlei Stabilität hat?
Dieses Dilemma ist unlösbar – es spiegelt in Wahrheit die historische Sackgasse des Kapitalismus wider.
”Gegenüber einer Welt, die von der Dynamik des ”Jeder-für-sich” beherrscht wird, und wo insbesondere die früheren Vasallen des amerikanischen Gendarms danach streben, sich so weit als möglich aus der er-drückenden Vorherrschaft dieses Gendarmen zu befreien, die sie wegen der Bedrohung durch den gegnerischen Block ertragen mussten, besteht für die USA das einzige Mittel zur Aufrechterhaltung ihrer Autorität darin, sich auf das Instrument zu stützen, bei dem sie gegenüber allen andern Staaten eine haushohe Überlegenheit besitzen: die militärische Gewalt. Aber aufgrund dieses Einsatzes geraten die USA selber in einen Widerspruch:
- einerseits, falls sie auf den Einsatz oder die Zurschaustellung ihrer militärischen Überlegenheit verzichten, kann das die anderen, sie herausfordernden Staaten nur ermuntern, noch weiter vorzudrängen bei dieser Herausforderung;
- andererseits, falls sie diese rohe Gewalt anwenden, und selbst und vor allem wenn sie es dank dieses Mittels schaffen, die imperialistischen Appetite ihrer Gegner vorübergehend zurückzudrängen, werden diese aber danach streben, die erstbeste Gelegenheit zu ergreifen, um sich zu revanchieren und wieder versuchen, aus der US-Vorherrschaft auszubrechen.
Wenn die USA diese militärische Überlegenheit als Trumpfkarte ins Spiel bringen, erzielen sie damit sehr gegenteilige Wirkungen – je nachdem ob die Welt in Blöcke geteilt ist wie vor 1989, oder wenn die Blöcke nicht mehr bestehen. Als die Blöcke noch bestanden, neigte das Zur-Schau-Stellen dieser Überlegenheit dazu, das Vertrauen der Vasallen gegenüber ihrem Führer zu verstärken, da er die Fähigkeit besaß, sie wirkungsvoll zu verteidigen; deshalb stellt diese Karte dann einen Faktor des Zusammenhaltes um die USA dar. Wenn die Blöcke nicht mehr bestehen, bewirken die Demonstrationen der Stärke der einzig übrig gebliebenen Supermacht im Gegenteil nur, dass die Dynamik des ”Jeder-für-sich” nur noch verstärkt wird, solange es keine Macht gibt, die mit ihr auf dieser Ebene konkurrieren kann (”Resolution des 12. Kongresses der IKS”, Internationale Revue Nr. 19).
Die Politik des Weltpolizisten wirkt als aktiver Faktor des wachsenden Kriegschaos, des Versinkens in der Barbarei mit zunehmend unkontrollierbaren Konsequenzen. Sie bringt immer destabilisierendere Risiken mit sich, namentlich auf dem asiatischen Kontinent vom Nahen Osten bis Zentralasien, vom indischen Subkontinent bis Südostasien. Derartige Risiken enthüllen die tödliche Gefahr, der die gesamte Menschheit durch die kriegerischen Konfrontationen in der Zerfallsperiode des Kapitalismus ausgesetzt ist.
(für eine umfassendere und vertiefte Analyse der Entwicklung siehe unseren Artkel in Internationale Revue Nr. 30)