Leserbrief zum Thema Religion

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 Die Götter sind gerecht: Aus unseren Lüsten erschaffen sie das Werkzeug uns zu geißeln. Shakespeare, King Lear

DIE LEBENDIGE BLUME BRECHEN

Betrachtung über den Wert und die Verwertung eines ideellen Rauschmittels

Der Anlass

Religion ist Opium für das Volk. (!?)

Diese recht populäre, aber leider falsche Zitierweise ist wohlmöglich so alt wie die Veröffentlichung des Textes selbst, dem diese verzerrte Widergabe entnommen ist. Wie selbstverständlich wird dieses falsche Zitat bei allen möglichen Gelegenheiten gebraucht und verbraucht. Insbesondere von Leuten, welche sich in alltäglicher Gewohnheit vom Glauben distanzieren wollen. Das sei denen gegönnt. Muss man sich doch in dieser Hinsicht keine Sorgen mehr um sie  machen. Für diese ist es in der Tat gleichgültig ob die Religion nun Opium für das Volk ist, oder ob sie des Volkes ist. Ihres ist es nicht, und offenbar auch nicht für sie gedacht.

Weil aber solcherlei Selbstverständlichkeiten sich auf das Selbstverständnis niederschlagen, und zugleich Ausdruck eines Selbstverständnis sind, ist dieser kleine Unterschied in der Kritik für die kommunistische Bewegung kaum zu vernachlässigen. Nun sind Zitate keine Beweise für Unfehlbarkeit. Sie sollten auch nichts Heiliges an sich haben. Schon gar nicht an dieser Stelle. Es macht jedoch einen wichtigen Unterschied ob man sich mal eben kurz vom Aberglauben abgrenzen will, oder ob man bemüht ist die wirkliche Funktionsweise von Religion zu klären.

Einer durchaus ernst zu nehmenden Organisation der kommunistischen Linken, der „Internationalen Kommunistische Strömung“ (IKS), ist es jüngst in ihrer territorialen Presse wiederfahren, der (falschen) populären Widergabe von Marx zu erliegen. Dort heißt es: Und was den Respekt des Glaubens der anderen angeht, wollen wir Marx zitieren, ‚Religion ist Opium für das Volk’. Egal welche Religion, der Glauben wie jede andere Form des Mystizismus, sind ein ideologisches Gift, dass man in die Köpfe der Arbeiter einzuspritzen versucht. Religion ist eines der Mittel, mit dem die herrschende Klasse eine Bewusstwerdung der Arbeiterklasse zu verhindern sucht.“ [1] Es geht hier nicht darum diesen ansonsten sehr lesenswerten Artikel insgesamt zu kritisieren. Dieser Satz wirkt jedoch auf mich wie etwas Falsches im Richtigen. Er kann dadurch zum Anlass werden die Aussagen der Genossen insgesamt in Frage zu stellen. Es zeigt sich hier nämlich unterschwellig möglicherweise eine Haltung die davon ausgeht, dass den Lohnabhängigen jedwede bürgerliche Ideologie eigentlich wesensfremd sei. Dass diese Ideologien (dieses falsche Bewusstsein) erst von Außen, durch Maßnahmen der Kapitalistenklasse, unter großen Mühen, hinterhältig und in böser Absicht der Arbeiterklasse indoktriniert werden müssten. Diese Haltung blendet leider den subjektiven Zugang, die Affinität und Prädisposition der Individuen (auch innerhalb der Arbeiterklasse), gegenüber Religionen völlig aus. Diese Haltung ignoriert quasi das Vorhandensein eines Bedarfs, bzw. Bedürfnisses nach Ideologie, nach (religiöser) Verklärung im alltäglichen Überlebenskampf. Die Arbeiterklasse, in allen ihren bisherigen Erscheinungsformen, ist jedoch niemals bloß Objekt der Herrschenden gewesen.

An dieser Stelle ist es wohl angebracht die Textpassage von Marx, welche immer wieder für Fehlinterpretationen sorgt, ausführlich wiederzugeben.

„Der Mensch macht die Religion, die Religion macht nicht den Menschen. Und zwar ist die Religion das Selbstbewußtsein und das Selbstgefühl des Menschen, der sich selbst entweder noch nicht erworben oder schon wieder verloren hat. Aber der Mensch, das ist kein abstraktes, außer der Welt hockendes Wesen. Der Mensch, das ist die Welt des Menschen, Staat, Sozietät. Dieser Staat, diese Sozietät produzieren die Religion, ein verkehrtes Weltbewußtsein, weil sie eine verkehrte Welt sind. Die Religion ist die allgemeine Theorie dieser Welt, ihr enzyklopädisches Kompendium, ihre Logik in populärer Form, ihr spiritualistischer Point-d'honneur |Ehrenpunkt|, ihr Enthusiasmus, ihre moralische Sanktion, ihre feierliche Ergänzung, ihr allgemeiner Trost- und Rechtfertigungsgrund. Sie ist die phantastische Verwirklichung des menschlichen Wesens, weil das menschliche Wesen keine wahre Wirklichkeit besitzt. Der Kampf gegen die Religion ist also mittelbar der Kampf gegen jene Welt, deren geistiges Aroma die Religion ist. Das religiöse Elend ist in einem der Ausdruck des wirklichen Elendes und in einem die Protestation gegen das wirkliche Elend. Die Religion ist der Seufzer der bedrängten Kreatur, das Gemüt einer herzlosen Welt, wie sie der Geist geistloser Zustände ist. Sie ist des Opium des Volkes.“[2] (!)

Es fällt zunächst auf, dass Marx an dieser Stelle nicht von Klassen spricht sondern vom Menschen, menschlichem Wesen, Staat,  Sozietät (Gemeinwesen) und vom Volk. Man darf hier sicher unterstellen, dass er sich seiner Wortwahl wohl bewusst war. Was den Begriff Volk angeht, so brauchte Marx nicht erst die unzähligen bitteren Erfahrungen welche die Menschheit seither mit dem Völkischen als nationalistische Phrase machen musste, um zwischen Volk und Klasse schon damals klar unterscheiden zu wollen.[3] Spricht er in diesem Zusammenhang vom Menschen und vom menschlichen Wesen, oder der menschlichen Gemeinschaft (Staat, Sozietät), was einen wissenschaftlichen, historischen, sozialen und psychodynamischen Zugang zur Materie öffnet, dann tut er das vor allem aus zwei Gründen:

Weil er das Kapital als ein allgemeines Verhältnis zwischen allen Menschen auffasste, welches den gesamten Verkehr unter ihnen, bis in den Alltag der Individuen hinein, durchdringt.

Weil er wusste, dass religiöse Empfindungen und Ideen dem Kapitalismus, ja den Klassengesellschaften überhaupt vorausgingen.

Wenn Religion nach Marx das „Selbstbewusstsein und das Selbstgefühl (Identität) des Menschen“ darstellen, welcher „sich selbst entweder noch nicht erworben oder schon wieder verloren hat“, dann ist damit doch u.a. auch folgendes zum Ausdruck gebracht: Dass gerade die ausgebeuteten, unterdrückten und von sich selbst entfremdeten Proletarier, welche sich täglich selbst verlieren, indem sie innerhalb und außerhalb der Produktionsstätten des Kapitals ständig aufs neue ihre eigene Ohnmacht (und dadurch zugleich die Macht des Kapitals) produzieren, besondere Veranlassung haben ein Bedürfnis nach ideologischer Identifikation zu entwickeln. Jedenfalls so lange noch, bis sie den Kampf für die Überwindung der kapitalistischen Verhältnisse bewusst aufgenommen haben. (Dies wird allerdings in Form des Klassenkampf geschehen müssen. Als kollektive Angelegenheit mit dem Ziel der Aufhebung der Klassengesellschaft überhaupt, also auch der Selbstaufhebung des Proletariats als Klasse). Bis dahin gilt, ob uns das nun passt oder nicht: „Die tatsächliche Grundlage der religiösen Wiederspiegelung dauert also fort und mit ihr der religiöse Reflex selbst.“ [4]

Das Verhältnis der kommunistischen Bewegung zu den „anders Gläubigen“

Wenn die Genossen der IKS, so wie bereits unzählige Revolutionäre vor ihnen, vom „Glauben der Anderen“ reden mag das befremdlich klingen. Lässt es doch den Umkehrschluss zu, dass der Kommunismus selbst eine Form des Glaubens ist - und die Kommunisten somit auch Gläubige sind.

Der Kommunismus beschreibt (wie die Religion) eine Weltanschauung - eine bestimmte Anschauung der Welt. Im Gegensatz zur Religion jedoch bemüht er sich nicht um die Postulierung irgendwelcher Wahrheiten, sondern um die möglichst unverklärte Wahrnehmung der Wirklichkeit. Das vor allem seitdem die Arbeiten von Marx und Engels den Kommunisten einen wissenschaftlichen Zugang zur Erkenntnis ihrer Geschichte, und damit zur Umsetzung ihrer Ziele erlauben. Es wäre jedoch vermessen von den Kommunisten anstatt von Gläubigen - von Wissenden zu reden. Die Geschichte der kommunistischen Bewegung selbst ist anfänglichst, und über einen langen Zeitraum, von utopischen, illusionären Vorstellungen und Sehnsüchten geprägt gewesen. Voller moralischer Postulate und Ansprüche. Und sie ist es z. T. bis Heute. Zudem ändern sich Wirklichkeiten. Die Wirklichkeit ist historischer Prozess. In diesem Prozess verändert sich zugleich die Wahrnehmungsfähigkeit der Menschen (mit Hilfe der Wissenschaft). Das Verhältnis zwischen Kommunismus und Religion beschreibt nicht das Verhältnis zwischen Gläubigen und Wissenden. Es beschreibt nicht mehr und nicht weniger als das Verhältnis zweier gegensätzlicher Weltanschauungen. Die revolutionäre Theorie geht zwar davon aus, dass die Wissenschaft es sein wird welche den Sinn für religiöse Bedürfnisse und Ideen eines Tages aufheben wird. Und sie bemüht sich, seit Marx und Engels, um Wissenschaftlichkeit. Der Kommunismus ist jedoch - an und für sich - keine Wissenschaft.

Während die Vertreter eines utopischen Kommunismus, insbesondere deren radikale Flügel um Blanqui oder Bakunin, Mitte des 19ten Jahrhunderts noch der Meinung waren religiöse Ideen und Bedürfnisse vehement bekämpfen zu müssen, glaubten die Vertreter des wissenschaftlichen Kommunismus, dass sich hier ein unnötiger und kräfteverschleißender Nebenkriegsschauplatz auftut. Religionskritik war für letztere in erster Linie die Kritik der tatsächlichen Lebensbedingungen der Menschen. Wenn die revolutionäre Theorie davon spricht, dass die Kritik der Religion „die Vorraussetzung aller Kritik“[5] sei, ist damit gemeint, dass eine Kritik des wirklichen Lebens nur möglich ist, wenn ihr der religiöse Schleier genommen wird. Das hat der historische Materialismus vollbracht. Marx weiter: „Die Aufhebung der Religion als des illusorischen Glücks des Volkes ist die Forderung seines wirklichen Glücks. Die Forderung, die Illusionen über einen Zustand aufzugeben, ist die Forderung, einen Zustand aufzugeben, der der Illusionen bedarf. Die Kritik der Religion ist also im Keim die Kritik des Jammertales, dessen Heiligenschein die Religion ist. [6]

Folgerichtig polemisierte Engels dann auch (1871) gegen „die Radikalen“, als es um den Umgang mit religiösen Proletariern innerhalb der Pariser Kommune ging:

„Um zu beweisen, dass sie die Allerradikalsten sind, wird Gott..... durch Dekret abgeschafft: ... ,In der Kommune ist kein Platz für den Pfaffen; jede religiöse Kundgebung, jede religiöse Organisation muss verboten werden.‘ Und diese Forderung, die Leute per Befehl von oben in Atheisten zu verwandeln, ist unterzeichnet von zwei Mitgliedern der Kommune, die doch wahrlich Gelegenheit genug hatten, zu erfahren, dass erstens man ungeheuer viel auf dem Papier befehlen kann, ohne dass es darum ausgeführt zu werden braucht, und zweitens, dass Verfolgungen das beste Mittel sind, missliebige Überzeugungen zu befördern! So viel ist sicher: Der einzige Dienst, den man Gott heutzutage noch tun kann, ist der, den Atheismus zum zwangsmäßigen Glaubensartikel zu erklären ...“[7] [8]

Der Atheismus wird, der revolutionären Theorie zufolge, ja auch keinesfalls als der Weisheit letzter Schluss betrachtet: „Atheismus ist die Kritik des Himmels. Nötig ist die Kritik der Erde. Kritik der Religion heißt nicht Atheismus, sondern Wissenschaft. Der Atheismus ist „kritische Religion, ... letzte Stufe des Theismus, ... negative Anerkennung Gottes.“ [9]  „Der Atheismus, als bloße Negation der Religion und stets sich auf Religion beziehend, (ist) ohne sie selbst nichts, und daher selbst noch eine Religion...“ [10]

Ein Jahr später wandte sich August Bebel, in einer flammenden Rede im Reichstag, gegen die Ausgrenzung und Verfolgung der Jesuiten im Deutschen Reich.[11] Ohne dabei irgendeinen Zweifel daran aufkommen zu lassen, dass seine Fraktion eine vollkommen gegensätzliche Weltanschauung vertritt als die Jesuiten. Bebel zeigte vielmehr die Gemeinsamkeiten zwischen den Jesuiten und deren Widersacher (den Liberalen) auf, mit denen er genauso wenig am Hut haben wollte. Rosa Luxemburg, die ja gemeinhin dafür bekannt ist, dass sie unter Freiheit auch die Freiheit der Andersdenkenden verstanden hat, verteidigte, in dem ihr eigenen pathetischen Stil, diese Haltung Bebels später noch einmal vehement: „Schließlich wollen die Sozialisten angeblich die Religion abschaffen! Wer diesem frechen Märchen glaubt, muß schon ziemlich dumm sein, denn niemand anderes schafft die Religion ab als so ein Bismarck und diejenigen, die zusammen mit ihm den Katholiken den Krieg erklärten. Die Sozialisten dagegen waren gerade aus diesem Grunde wie auch wegen anderer Gesetzwidrigkeiten die Todfeinde Bismarcks und seiner Kumpane und verkündeten immer und überall: Jeder halte an dem Glauben und an den Überzeugungen fest, die er für richtig erachtet, niemand hat das Recht, das menschliche Gewissen zu vergewaltigen! Der beste Beweis aber dafür, wie die Sozialisten jegliche Freiheit der Religion und der Überzeugungen verteidigen, ist, daß die Sozialdemokratie im Parlament jedesmal für die Rückkehr der Jesuitenpater nach Deutschland stimmt.“ [12]

Merkwürdig mag das klingen. Insbesondere dann, wenn man ein falsches Verständnis von Religionskritik hat, und in den religiösen Ideen und Empfindungen der Menschen an sich eine große Gefahr vermutet. So war die Haltung von Bebel und Luxemburg auch keineswegs unumstritten in der alten Arbeiterbewegung.

Bereits im 19ten Jahrhunderts formierte sich in den Zentren des Kapitalismus die internationale Freidenkerbewegung, welche sich vor allem in Deutschland, parallel zum allgemeinen erstarken der Arbeiterbewegung, rasch ausbreiten, und auf die Debatten unter den Proletariern durchaus Einfluss nehmen konnte. Zunächst als allgemeine Bewegung des organisierten Atheismus entstanden, spaltete sich die Bewegung der Freidenker, als Reaktion auf einen immer sichtbarer werdenden Widerspruch in der Gesellschaft, in einen bürgerlichen und einen proletarischen Flügel. Das Schicksal der proletarischen Freidenker war eng verknüpft mit ihrem Verhältnis zur SPD (später wahlweise KPD) und den Gewerkschaften. Wenn die proletarischen Freidenkerverbände sich zunächst auch an der allgemeinen religionskritischen Praxis der Arbeiterbewegung orientierten (Aufklärung über die Funktion des Klerus, Trennung von Staat und Kirche, Religion ist Privatangelegenheit usw.) ignorierten sie doch das Moment der Kritik des Atheismus. Vor allem ließen sie nicht zu, dass die alltägliche Kritik der Lebensbedingungen in den Vordergrund zu rücken hat. Statt dessen bissen sie sich fest in der Auseinandersetzung mit der religiösen Ideenwelt. Was ein recht aufwendiges, und meist sinnloses unterfangen ist. Man überzeugt keine Gläubigen dadurch, dass man sie und ihre Ideen bloß für falsch erklärt. Nicht zuletzt deshalb, weil religiösen Welt – und Menschenbildern eine gewisse Kohärenz nicht von vorn herein abzusprechen ist. Zudem ist es für Kommunisten wahrlich müßig sich auf Spekulationen über ein Jenseits, oder anderer weltabgewandter Inhalte der Religionen einzulassen. Die Freidenker fristeten in ihrem Kampf gegen die Religion dementsprechend schon bald ein relativ isoliertes Dasein. Was sie jedoch nicht darin hinderte ihre Exklusivität gegenüber dem „Rest“ der organisierten Arbeiterbewegung immer wieder zu betonen. Das war unübersehbar auch Ausdruck verletzter Eitelkeit gegenüber der Stiefmütterlichkeit von Seiten der Parteien und Gewerkschaften. Diese hatten den Kampf für die Veränderungen der wirklichen Lebensbedingungen aufgenommen, und behaupteten, selbst unter dem Vorzeichen des Kampfes um Reformen, und ganz im Sinne von Marx, die unbedingte Priorität des Klassenkampfes gegenüber den Kampf innerhalb der Welt der Ideen. Das Selbstverständnis des Freidenkertums verkümmerte, hinter der Selbstverständlichkeit der alltäglichen Klassenauseinandersetzungen, zur Scholastik.

Der linke Sozialdemokrat (später einer der wichtigsten Theoretiker des Linkskommunismus / Rätekommunismus), Anton Pannekoek, intervenierte in die Debatte um die Rolle der Freidenker innerhalb der Arbeiterbewegung. Anlass war die Forderung des Freidenkerverbandes, gegen die religiösen Arbeiter innerhalb der Sozialdemokratie vorzugehen. Indem er die Gedanken von Marx wieder aufgriff, wurde er bald zum erbittertsten Gegner des Freidenkertums. Weil jede Idee und jedes geistige Prinzip im Kern von ökonomischen Verhältnissen abhängen, erklärt Pannekoek: „Darum irrt der bürgerliche Materialismus....,wenn er Religion durch Aufklärung zu überwinden trachtet, ohne ihren ökonomischen Wurzeln zu Leibe zu rücken.“[13] Für die Sozialisten, so Pannekoek, existiere nur das Ziel der ökonomischen Umgestaltung der Gesellschaft. Darum „können wir uns vor Kraftvergeudung und vor dem überflüssigen und gefährlichen Verfolgen von Nebenzielen hüten. Dieses ist der Grund, warum in unserer Partei die Religion als Privatsache gilt.“[14] Pannekoek beschrieb die Freidenker als „Arbeiter, die durch die gesellschaftlichen Verhältnisse ungläubig geworden sind, denen aber das Licht des historischen Materialismus noch nicht aufgegangen ist....(die Freidenker) sind religionslos ohne mit der Religion fertig zu sein; sie stehen nicht mehr unter ihrer Gewalt, aber immer noch in ihrem Bann, denn sie sehen die Religion als eine gewaltige, selbstständige Macht an, die sie fürchten, und die daher mit Aufwand aller Kräfte bekämpft werden muß [15] Die Freidenkerverbände verloren ihre Bedeutung für das Proletariat, noch bevor die alte Arbeiterbewegung in der Niederlage ihres unmöglich gewordenen Reformismus, und des Scheiterns ihrer revolutionären Erhebungen nach dem 1. Weltkrieg, zerfiel. In ihrem Aufwand für einen ritualisierten und apologetischen Atheismus (Beweisführung gegen die Existenz Gottes, Kirchenaustrittskampagne, Feuerbestattung, Jugendweihe, usw.), der irgendwann einfach in die rechtlichen Normen und kulturellen Gepflogenheiten innerhalb des kapitalistischen Verkehrs einging, rieben sie sich auf und führten schließlich, bis heute, ein ganz normales, bürgerliches Vereinsdasein. Zu ihnen passt die Verkehrung ‚Religion ist Opium für das Volk’ eigentlich recht gut, da bei ihnen die Angst vor der Indoktrination stets im Vordergrund geblieben ist.

Ein kurzes Aufbegehren der Freidenker lässt sich nochmals feststellen, als die Bolschewiki, bereits bürgerliche Partei geworden, nach der Zerschlagung der Rätebewegung, und später unter Stalin, überall nach Verbündeten suchte und die ‚Bruderparteien’ zu allen möglichen Bündnissen und Kampagnen aufrief. So kam es, dass die Freidenker in Deutschland vorrübergehend von der KPD massiv hofiert wurden. Genauso schnell ebbte dieses Gebaren auch wieder ab. Es verhielt sich ähnlich wie bei den Schwankungen in der Bündnisfrage mit der SPD während der Weimarer Republik.

Während der Revolutionszeit greift Lenin in die Debatte über das Verhältnis der Bolschewiki zu den gläubigen Arbeitern ein. Er tut dies zwar grundsätzlich in Übereinstimmung und Kontinuität mit den Inhalten der kommunistischen Bewegung seit Marx, eine genauere Betrachtung seiner Position deckt jedoch bereits ein taktisches Verhältnis zu den gläubigen Arbeitern auf, welches eng zusammenhängt mit seinem Verständnis von der proletarischen Partei. So kommt er 1918 zu der Überzeugung, dass die Agitation die religiösen Gefühle der Gläubigen nicht verletzen dürfe, da das die Massen gegen die Partei einnehmen könnte.[16] Ein Jahr später, die Agitation war bereits in einem offenen Kampf gegen den Klerus umgeschlagen, weist er darauf hin, dass die forcierte „Zerstörung der Verbindung zwischen den Ausbeuterklassen und der Organisation der religiösen Propaganda“ auf die „Andersdenkenden“ Rücksicht zu nehmen habe, um einer möglichen „Stärkung des religiösen Fanatismus“ zuvorzukommen.[17] Man mag Lenins Haltung klug und folgerichtig finden. Es ist hier m. E. jedoch festzuhalten, dass dieses taktische Verhältnis zu den Gläubigen ein anderes Selbstverständnis verrät, als das nüchtern - distanzierte Verhältnis von Marx, Engels oder Pannekoek, oder gar das engagierte, leidenschaftliche von Rosa Luxemburg. Man mag sein eigenes Urteil darüber in die Sphäre der unterschiedlichen Persönlichkeiten dieser Revolutionäre verbannen, die letztlich in der politischen Bewertung zu vernachlässigen ist. Verfolgt man jedoch die Geschichte der Bolschewiki und ihrer Einflussnahme auf den revolutionären Prozess, dann kann einem der Verdacht kommen, dass hinter dieser Taktik ein Menschenbild verborgen ist, das die „Massen“ nicht aufzurichten, sondern abzurichten trachtet, da es ohnehin deren Bürde zu sein scheint, zu ihrem eigenen Wohl und Werden, belehrt, behütet und geführt, in einem Wort, konditioniert zu werden. Auch hierhin gehört die Denkweise, das Religion Opium für das Volk ist. Der „Stoff“, von dem die Kommunisten die Arbeiter bewahren, bzw. entgiften und entwöhnen müssen. Zuweilen behutsam, zuweilen mit Druck. Und eben nicht das „Opium des Volkes“, von dem das revolutionäre Proletariat sich selbst befreit, indem es sich zu sich selbst befreit. Der Unterschied Lenins gegenüber den Freidenkern (und auch gegenüber den Anarchisten – in dieser Frage) besteht aus meiner Sicht lediglich darin, dass er nicht wie diese in Torschlusspanik verfällt. Wenigstens nicht in Zeiten mächtiger revolutionärer Erhebungen. Die Verfolgungen in der Sowjetunion gegenüber allen Andersdenkenden, unabhängig von ihrer Zugehörigkeit zu einer gesellschaftlichen Klasse, sollten aber schon bald folgen und ein grausames Gesicht annehmen.

Die Auseinandersetzung im proletarischen Lager über den Umgang mit Andersgläubigen ist vor allem der Tatsache geschuldet, dass es, selbst in Zeiten revolutionärer Klassenkämpfe, bisher immer auch ein religiöses Empfinden, begleitet von allerlei religiöser Ideen, auch, und gerade unter den Arbeitern, gegeben hat. Eine Tatsache, die ungeduldige Genossen beunruhigen muss.

Die kommunistische Bewegung geht selbstverständlich nicht davon aus, dass die religiösen Bedürfnisse etwa natürlicher Art seien, und von daher determiniert. Sie sind aber auch nicht bloß konditioniert / indoktriniert. Sie sind viel mehr das Resultat sozialer Verhältnisse. Sie kennzeichnen ein allgemeines Unbehagen, und eine gewisse Bewusstlosigkeit der Menschen gegenüber den Verhältnissen in denen sie Leben müssen, und welche sie selbst gestalten. Da dies nicht aus freien Stücken geschieht ist das Unbehagen dem Menschen in der Klassengesellschaft immanent. Religion bedeutet deshalb für die Individuen zugleich Verdrängung ihrer Lebensverhältnisse, sowie einen inneren Widerstand gegen diese Lebensverhältnisse. Religionsausübung ist insofern auch eine Form von Anpassungsleistung, wie sie zugleich eine Form von Abgrenzung ist. Man kann sagen, Religion ist eine notwendige Erscheinung in der Welt der Notwendigkeit. Religion ist die Neigung zum Absoluten in einer Welt der Halbheiten. Umgekehrt ist sie auch eine Halbheit in der Absolutheit der Verhältnisse. Im Glauben entfernt sich das Individuum von einer Welt, die sich längst von ihm entfernt hat. Das entrücken in die Illusion ist für so manches Individuum somit auch schlicht der Selbstschutz vor der Verrücktheit, dem geistigen und psychischen Crash. Es kann nicht darum gehen den Sinn oder Unsinn religiöser Ideen zu diskutieren, sondern die wirkliche Entfremdung der Produzenten von ihren Produkten, und ihre damit zusammenhängenden (warenförmigen) sozialen Beziehungen zu untersuchen, um eine Einsicht in die religiösen Bedürfnisse und in alle Formen der Identifizierungsbemühungen innerhalb des Kapitalismus zu bekommen. Identifizierung ist überlebenswichtig, weil der Kapitalismus uns täglich und stündlich die Identität abspricht. Religion, Ideologie überhaupt, braucht den Arbeitern also nicht ‚eingespritzt’ werden. Denn wenn sie dieses ‚Gift’ einmal haben, finden sie ihre Venen ganz von selbst. Hinter einem religiösen Bekenntnis steckt eine Entscheidung. Mag diese Entscheidung auch Zwanghaftes haben, so ist sie noch längst kein Zwang. So kann auch kein Zwang die Religion überwinden, sondern nur eine Entscheidung.

Die Funktion der Religion für das Kapital

Man muss der IKS gerecht werden. Darum ist es unumgänglich deren Resümee im besagten Artikel an dieser Stelle zu dokumentieren:

„Diese (Mohamed) Karikaturen sind in Wirklichkeit zu Kriegswaffen in den Händen der bürgerlichen Klasse in den islamischen Staaten geworden. Sie stellen somit eine Reaktion auf die immer aggressiver werdende imperialistische Politik der USA, Frankreichs, Deutschlands und Englands dar. ..Bei  einer Bevölkerung, die in ein immer größeres Elend gestürzt wird und immer mehr unter dem Krieg leidet, fällt es der Bourgeoisie leicht, bei der Verfolgung ihrer imperialistischen Interessen, durch Manipulationen zynisch zu täuschen. Diese gewalttätigen Massenproteste mit einer wachsenden Zahl verzweifelter entstehen nicht einfach so "spontan" oder "natürlich". Sie sind das Ergebnis einer regelrechten Kriegspolitik, einer Politik der Aufstachelung zum Hass, der nationalistischen ideologischen Mobilisierung durch alle Bourgeoisien auf der Welt.“[18]

Die besagten Karikaturen sind mittels der bürgerlichen Propaganda, der Medien der ganzen Welt, zu Kriegswaffen des Imperialismus geworden. Der o. g. Artikel geht deshalb auch mit Recht ausführlich auf den Begriff der sog. Pressefreiheit ein. Er hebt die gegenwärtige Funktion des islamischen Fundamentalismus für die Herrschenden, für alle am Konflikt beteiligten Fraktionen der Bourgeoisie hervor, und betont zugleich den dialektischen Zusammenhang zwischen dem Elend der Bevölkerung dieser Region, und einem sich daraus entwickelnden Bedürfnis (aus Verzweiflung), dieser Ideologie zu folgen. Darum soll die Bedeutung der Schlussfolgerung, welche die Genossen hier ziehen, auch keinesfalls bestritten oder geschmälert werden. Es geht hier nicht darum zu leugnen, dass Religion (Ideologie) in der Klassengesellschaft die Funktion hat, „die Bewusstwerdung der Arbeiterklasse zu verhindern.“ Selbstverständlich hat sie das! Und sie hat das nicht nur im Kapitalismus gegenüber dem Proletariat, sondern zuvor schon in allen Klassengesellschaften, gegenüber jeder unterdrückten Klasse gehabt. Einfach indem sie die Bewusstwerdung unzähliger Menschen blockiert. Und die Herrschenden setzen die religiösen Gemeinschaften, im Rahmen ihrer psychologische Kriegsführung, zielgerichtet ein. Weil sie um die Verzweiflung wissen! 

Das Proletariat hat bislang die Religionen nicht überwinden können/wollen, es hat diesen gelegentlich nur eine andere Prägung verliehen. Die religiösen Ideen kamen in den Klassenkämpfen meist in ihrer Eigenschaft als (falscher) Protest zum Tragen. Von den Sklavenaufständen in Rom bis zu den Arbeiterkämpfen auf der Leninwerft. Noch mal Marx: „Der religiöse Widerschein der wirklichen Welt kann überhaupt nur verschwinden, sobald die Verhältnisse des praktischen Werktagslebens den Menschen tagtäglich durchsichtig vernünftige Beziehungen zueinander und zur Natur darstellen. Die Gestalt des gesellschaftlichen Lebensprozesses, d. h. des materiellen Produktionsprozesses, streift nur ihren mystischen Nebelschleier ab, sobald sie als Produkt frei vergesellschafteter Menschen unter deren bewusster planmäßiger Kontrolle steht.“[19]

Nehmen wir an, dass die europäische Arbeiterbewegung im 19ten und frühen 20ten Jahrhundert, durch Studium und Reflektion der revolutionären Theorie, sich scharenweise eine nüchterne Sicht auf ihr Leben aneignen konnte. Dann könnten wir eine Aussage von Engels in diesem Zusammenhang als das folgerichtige Resultat zeitgemäßer Beobachtung stehen lassen:„Atheist zu sein, ist heutzutage glücklicherweise keine Kunst mehr. Der Atheismus ist so ziemlich selbstverständlich bei den europäischen Arbeiterparteien... Sie sind mit Gott einfach fertig, sie leben und denken in der wirklichen Welt und sind daher Materialisten.“[20] Auf das „Hier und Jetzt“ bezogen, ist diese Aussage kaum brauchbar. Für die Mehrheit des Weltproletariats traf das mit Sicherheit schon damals nicht zu. Nicht einmal für die Mehrheit der europäischen Arbeiter. Zudem haben die schweren Niederlagen, denen das Proletariat in den letzten 150 Jahren immer wieder ausgesetzt gewesen ist, auch stets zu einem Rückfluss (manchmal über Generationen hinweg) in dessen Selbstbewusstsein beigetragen. Ganz zu schweigen von den sog. unterentwickelten Gebieten der Welt, in denen die Religion unter den Arbeiter extrem präsent ist (z.B. Lateinamerika), wirkt die Religion auch in den Zentren des Kapitals nach wie vor enorm auf die (bewussten und unbewussten) Emanzipationsbestrebungen des Proletariats als Blockade zurück. Man denke nur an den stark verankerten Einfluss des Katholizismus in Ländern wie Irland, Italien, Polen. Allesamt zugleich Regionen mit einer starken Tradition von Klassenkämpfen. Und gerade die polnischen Arbeiter, denen es immerhin gelungen ist so kraftvoll in die Geschichte einzugreifen, dass sie einen epochalen Wandel in der Weltpolitik einleiten konnten, besiegelten ihre tragische Funktion für den historischen Kurs des Kapitals im Kniefall vor dem Papst. Tatsächlich hat die Religion hier ihre volle Kraft für die Klassengesellschaft entfalten können. Und sie tut dies täglich aufs neue. Der sog. Nah-Ost-Konflikt zeigt uns die grauenvolle gegenseitige Durchdringung von Akkumulationszwang, militärischer Eigendynamik, kapitalistischer Irrationalität und religiöser Ideologie, die sich in Terror und Krieg entlädt. In diesem Konflikt zeigt sich zudem deutlich, dass die Bourgeoisie mindestens ebenso wenig Herr der Lage ist wie das Proletariat. Wir befinden uns in Zeiten, in denen die Zustände den Bedarf an Illusion, wie wohl kaum jemals zuvor in der Geschichte des Kapitalismus, in allen Klassen der Gesellschaft im gigantischen Ausmaß provozieren. Diese Zustände verlangen der kommunistischen Bewegung große Mühen ab, um einen kühlen Kopf zu bewahren. Es wäre geradezu fatal, wenn die Kommunisten jetzt beispielsweise damit beginnen würden, nach Ausgangspunkten für den Terror in den religiösen Ideen des Islam zu suchen. Ausnahmslos jede Religion kann ihrem Wesen nach den gleichen Zweck erfüllen, welchen jetzt der Islam inne hat. Weil sie eben immer zugleich Ausdruck des Elends und des Protestes ist, und sich daher funktionalisieren lässt.[21]

Die Deutungsweise religiöser Ideen ist abhängig vom sozialen und historischen Kontext, indem die Deutung vorgenommen wird. Religion ist für sich genommen weder schlecht noch gut. Religion ist schlicht politische Religion - oder gar nichts. Entscheidend für die kommunistische Bewegung ist es, den historischen und politischen Kontext zur Kenntnis zu nehmen, indem Religion ausgeübt wird. Heute: Das Kräfteverhältnis zwischen Bourgeoisie und Proletariat, welches sich in einer Art Patt-Situation befindet. Der Bourgeoisie mangelt es gegenwärtig noch an den Voraussetzungen ihre Lösung der generalisierten Krise des Wertes durchzusetzen: Einem erneuten generalisierten Krieg. Dem Proletariat fehlt es seinerseits an den Vorraussetzungen für seine Lösung: Die soziale Revolution. Die Welt befindet sich in einem Zustand der Implosion. Sie droht in Chaos und Barbarei zu Versinken. Vor diesem Hintergrund ist die Ausdehnung des religiösen Fanatismus aller Couleur vorerst kaum zu vermeiden. Der Islamismus ist bloß ein Gespenst, welches die Bourgeoisie gerufen hat, und nicht mehr los wird. Zu ihrem kurzlebigen Vorteil. Denn als eine Religion des Volkes, als verkehrte Protestation gegen das wirkliche Elend, wird der Islam zur Waffe der Herrschenden. Wie sich aber deutlich abzeichnet, haben die Herrschenden kaum die vollständige Kontrolle über ihre Waffen. Ein Verhältnis also, welches die Krise des Kapitals nur noch beschleunigen kann. Die Kommunisten sind davon überzeugt, dass es sich um einen durch und durch falschen Protest handelt, und das der Islam, wie jede andere Religion im Kapitalismus, letztlich eine antiemanzipatorische, gegen das Proletariat gerichtete geistige Strömung bleibt. Man soll das ruhig auch radikal benennen. Wichtiger ist jedoch auszusprechen, wie wir in der Wirklichkeit des Kapitalismus, unabhängig jedweder Ideologie, tatsächlich leben (müssen), und warum das so ist.  

Die Entwicklung der Religion im Kapitalismus

Der Fundamentalismus, welcher als Tendenz in allen alten Religionen gegenwärtig wieder deutlich zum Vorschein kommt, ist der Reflex auf den unaufhaltsamen Niedergang der postulierten Ideale dieser Religionen. Er kommt zum Ausdruck als Aufschrei gegen das, was das „Volk“ und seine politische Kaste als ‚Verlust ihrer Werte’ beklagen. Der empfundene Verlust sog. moralischer Werte, welche nur noch in den Religionen aufbewahrt scheinen, ist in Wirklichkeit Ausdruck einer zunehmend spürbaren Irrationalität des warenförmigen Verkehrs unter den Menschen. Der Verlust der Werte ist der Ausdruck des Niedergangs der Wertegesellschaft selbst, die zugleich sich ständig in der Religion rechtfertigen, und daher sich ihrer bedienen muss. Religion ist zum Ausdruck eines auf globaler Ebene implodierenden Gesellschaftssystems geworden, welches für die überwiegende Mehrheit der Menschheit schon längst keinerlei Zukunftsperspektive mehr zu bieten hat. Viele Menschen räumen darum gedanklich, verständlicherweise, der Hoffnung auf eine Zukunft im Jenseits mehr Platz ein, als der Gewissheit ihrer Perspektivlosigkeit im Diesseits.[22]

Die gewaltige Rückkehr des Religiösen, sei es im Wiedererstarken des Fundamentalismus der alten Religionen - oder im Voranschreiten der Privatisierung und Individualisierung der Religion auf den spektakulären Märkten der Esoterik und des Okkultismus in den Metropolen, ist im niedergehenden Kapitalismus nicht mehr bloß der Heiligenschein eines Jammertals, sie ist zum Flutlicht beim Tanz auf dem Vulkan geworden.

Die revolutionäre Theorie hob seinerzeit die Bedeutung des Protestantismus für die Entfaltung des Kapitals hervor:  Luther hat allerdings die Knechtschaft aus Devotion besiegt, weil er die Knechtschaft aus Überzeugung an ihre Stelle gesetzt hat. Er hat den Glauben an die Autorität gebrochen, weil er die Autorität des Glaubens restauriert hat. Er hat die Pfaffen in Laien verwandelt, weil er die Laien in Pfaffen verwandelt hat. Er hat den Menschen von der äußeren Religiosität befreit, weil er die Religiosität zum inneren Menschen gemacht hat. Er hat den Leib von der Kette emanzipiert, weil er das Herz an die Kette gelegt hat.“ [23]

 „Für eine Gesellschaft von Warenproduzenten, deren allgemein gesellschaftliches Produktionsverhältnis darin besteht, sich zu ihren Produkten als Waren, also als Werten, zu verhalten und in dieser sachlichen Form ihre Privatarbeiten aufeinander zu beziehen als gleiche menschliche Arbeit, ist das Christentum mit seinem Kultus des abstrakten Menschen, namentlich in seiner bürgerlichen Entwicklung, dem Protestantismus, Deismus usw. die entsprechendste Religionsform.“ [24] „Der Protestantismus spielt schon durch seine Verwandlung fast aller traditionellen Feiertage in Werktage eine wichtige Rolle in der Genesis des Kapitals.“ [25]

 Max Weber hat den Beitrag des Protestantismus zur Genesis des Kapitals wohl als erster ausführlich untersucht und in bemerkenswerter Weise dargelegt [26] Ich möchte mich an dieser Stelle umgekehrt mit dem Einfluss des Kapitalismus auf die Religionsausübung auseinandersetzen. Im Kontext der Entwicklung des Kapitalismus in seinen Zentren soll daher im Folgenden die Abhängigkeit der religiösen Ideen vom Lauf der Geschichte skizziert werden. Die Genese der Religionen im Kapitalismus.

Das erfolgreiche Aufbegehren des Protestantismus gegen das Glaubensmonopol des Vatikan hatte einen keinesfalls beabsichtigten Nebeneffekt zur Folge, welcher bereits den allgemeinen Zerfall des alten (feudalen) religiösen Gemeinwesens begleiten sollte, und  nun den allgemeinen Zerfallsprozess des Monotheismus unter der Herrschaft des Kapitals begleitet. Das religiöse Sektierertum.

Die Übersetzung[27] und anschließende, massenhafte Verbreitung der „Heiligen Schrift“ – möglich geworden durch die Erfindung des Buchdrucks – begünstigte das Aufkommen allerlei protestantischer Sekten und sog. Hauskreise, die nicht bereit waren, sich den großen protestantischen Gemeinden[28] unterzuordnen, und statt dessen ein reges Eigenleben entwickelten. Während und nach den Religionskriegen in Europa[29] brachen die Widersprüche zwischen den autonomen Gemeinden (Sekten) und den Großkirchen immer wieder offen aus. Das beschleunigte jedoch nur deren Ausbreitung. Die Verfolgung der Sektierer in Europa führte u.a. zu einer Massenflucht ihrer Anhänger in die Kolonien, in denen sie sich z. T. gigantisch ausbreiten konnten. Die Verfolgung und Zerstreuung sorgte zudem für eine ständige Umgruppierung der Sektierer, in dessen Verlauf es zu unzähligen Neugründungen von Gemeinden kam. Ähnliche Beobachtungen lassen sich auch unter den Anhängern der jüdischen Religion, des Buddhismus und des Islam machen. Allerdings längst nicht in dem Maße wie im Christentum, speziell in seiner protestantischen Variante.

Wohl schuf die Reformation Voraussetzungen für den Geist des Pluralismus, aber sie konnte den Absolutismus nicht überwinden, der nach wie vor als Hemmnis gegen die ideologischen, ökonomischen und politischen Bestrebungen des Bürgertums auftrat. Dazu bedurfte es neuer Weltbilder. Diese stellten Philosophen, Künstler und Wissenschaftler im niedergehenden Feudalismus zur Verfügung. Die Zeit der Reformation wurde bereits begleitet von einem Aufbegehren in der Wissenschaft und der Kunst, welche eine Wiederkehr (Renaissance) antiker Welt-, und Menschenbilder in Europa begünstigte. Diese Geisteshaltung konnte sich jedoch erst nach dem 30jährigem Krieg ungehemmt entfalten, und ging dann unter dem Begriff ‚Aufklärung’ in die Geschichte ein. Die Aufklärung, in Deutschland vor allem die Lehre der Vernunft von Kant, schaffte die Grundlage der Weltanschauung des aufstrebenden Bürgertums und der modernen Zivilisation. Dabei war die Aufklärung ihrem Wesen nach keineswegs antireligiös, auch wenn sie sich gegen die weltliche Macht der Kirche und ihrer Definitionsgewalt im Absolutismus entwickelte. Als die Bourgeoisie in der Französischen Revolution von 1789 die Macht an sich riss, rief einer ihrer Führer, Robespierre, vor der französischen Nationalversammlung: „Zepter und Weihrauchfass  haben sich verschworen, um den Himmel  zu entehren und die Erde zu usurpieren.“ Für ihn war die Revolution die „Wiederaufrichtung des wahren Gottesdienstes“ („culte de l`être suprême“).[30]

Die Funktion der Aufklärung für das Kapital bestand u. a. auch darin, ihre Wirkung zu entfalten, um die im Feudalismus schlummernden Produktivkräfte (unterschlagene, verbotene und verfolgte Erfindungen, Erkenntnisse und Entdeckungen) zu entfesseln, welche durch die Ständegesellschaft und die klerikalen Dogmen gehemmt wurden. Die Entfesselung der Produktivkräfte und die Durchsetzung der Handelsfreiheit konnten sich keinerlei ideologische Einschränkung durch die feudale Gesellschaft mehr leisten. Folgerichtig deklarierte die Revolution die rechtliche Verbriefung der Religionsfreiheit. Mit den Worten: „..la libertê de tous les cultes“ wurde die Religionsfreiheit in der französischen Verfassung als positives Recht aufgenommen. Das Ganze geht einher mit der allmählichen Trennung von Staat und Kirche. Im selben Jahr findet ein entsprechendes Dekret Einzug in die Verfassung der Vereinigten Staaten. Durch die Macht der Sektierer in den USA war eine Trennung von Staat und Kirche bereits zuvor gegeben. Bemerkenswerterweise taucht dieses Recht in Deutschland erstmals mehr als hundert Jahre später auf. Nämlich in der Weimarer Verfassung von 1919 (Art. 135,137), also infolge einer (verlorenen) proletarischen Revolution. Bekanntlich ist die Trennung von Staat und Kirche hierzulande jedoch immer noch nicht vollzogen worden. Erst 1948 wird die Religionsfreiheit schließlich durch die Vereinten Nationen zum Menschenrecht erklärt. Marx beurteilte solcherlei Maßnahmen seinerzeit als Vorraussetzung für die Emanzipation von der Religion. („...wie der Staat sich von der Religion emanzipiert, indem er sich von der Staatsreligion emanzipiert, innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft aber die Religion sich selbst überlässt, so der einzelne Mensch sich politisch von der Religion emanzipiert, indem er sich zu ihr nicht mehr als zu einer öffentlichen Angelegenheit, sondern als zu seiner Privatangelegenheit verhält.“ [31]Zu vorschnell, wie sich noch herausstellen sollte.

Ermuntert durch die Religionsfreiheit breitete sich das Sektierertum indes weiter aus. Als Reflex auf den Wiederspruch zwischen dem geistigen Fortschritt der Aufklärung und dem erlebten Elend der Massen im Frühkapitalismus, nahm das Sektierertum eine ungeahnte Vielfalt an, und neigte zunehmend zum Fanatismus. Die Sekten erfassten vor allem die ländliche Bevölkerung, genossen jedoch auch großes Ansehen im Proletariat, da das Proletariat sich zunächst ja hauptsächlich aus den „Landflüchtigen“ rekrutierte. Zugleich entfaltete sich eine neue religiöse Strömung in der Gesellschaft, welche bereits unter den Bedingungen des Feudalismus entstanden war, und sich im engen Zusammenhang mit der Aufklärung entwickelt. Es konstituierte sich eine Bewegung von geheimen religiösen Männerbünden gegen den Klerus in Europa und Nordamerika, die unter der Bezeichnung ‚Freimaurer’ bekannt geworden sind. Angelehnt an das Bild des schöpferischen Gottes (Handwerkergott) des Christentums, unter der Parole ‚hilf dir selbst, dann hilft dir Gott’, verstanden sie es den Erfordernissen der Zeit gerecht zu werden. Es gelang ihnen, antike Philosophien, christliche Gnosis und die Erkenntnisse der Naturwissenschaft unter einen Hut zu bringen. Die Freimaurer fühlen sich der Aufklärung und dem Humanismus verpflichtet. Die Freimaurerlogen waren/sind religiöse Zufluchtsorte der Bourgeoisie und Eng verknüpft mit dem Deismus (dem allgemeinen, nicht konkretisierten Glauben an ein höheres Wesen). Ihr konspiratives Handeln war zunächst der Verfolgung unter dem Feudalismus geschuldet. Es diente jedoch von Beginn an auch dem Zweck der Vorteilsnahme und der Machtausübung. Die ‚Geheimlehre’ und die geheimen Rituale der Freimaurer wurden zu Geburtshelfern der modernen Esoterik.[32] Sie selbst wurden zum Mythos. Die Freimaurer unterlagen jedoch, selbstverständlich, der bürgerlichen Konkurrenz. So kam es bald zu Spaltungen innerhalb ihrer Logen. Interessierte Menschen, welche keinen Zugang zu den Freimaurerlogen hatten, gründeten zudem autonome Logen und Orden. Somit erlitt die vorerst in einem gemeinsamen Orden (Großloge) organisierte Bewegung der Logen das gleiche Schicksal wie der Protestantismus, indem sie sich (mehrfach) spaltete und an ihren Rändern immer mehr atomisierte. Genau wie der Protestantismus, ging die Bewegung der Logen jedoch an ihren Spaltungen nicht zugrunde, sondern sie veränderte lediglich ihre Daseinsform. 

Ein weiterer Fakt beeinflusste die Religionsausübung in den Zentren des Kapitals. Die Ausdehnung des Weltmarktes. Missionare und Kolonialisten sahen sich in den eroberten Regionen mit religiösen Vorstellungen konfrontiert, welche an antike, oder gar vorgeschichtliche Religionsvorstellungen in Europa erinnern. Ihre Bemühungen, den ‚Eingeborenen’, unterdrückten Völkern das Christentum aufzuzwingen, hatten jedoch nur teilweise Erfolg. Umgekehrt, mit Hilfe der Missionare und Händler zeigten die regionalen Religionen sogar Rückwirkung auf die Entwicklung der Religion in den Zentren des Kapitals. Zwei Beispiele sollen das verdeutlichen.

Im Zuge der Eroberungen des afrikanischen und des amerikanischen Kontinents, und dem damit zusammenhängenden Sklavenhandel, konnte sich ein Synkretismus entwickeln, welcher bald eine beispielhafte Eigendynamik entfalten konnte, und sich bis heute erhalten hat. In Westafrika stießen die Kolonialisten auf ein Volk, die Yoruba, deren Kultur sich in einem Übergangstadium von der Stammesgesellschaft in eine Klassengesellschaft befand.[33] Dies schlug sich nieder in ihrer Religion, die Ifa, die jede Menge Rituale und Ideenfragmente einer Naturreligion in sich bewahrt hatte, zugleich aber über einen patriarchalisch geordneten Götterhimmel (Orixas) verfügte, wie wir ihn etwa aus dem antiken Griechenland kennen. Die christlichen Missionare stießen zunächst auf das Gehör der Yoruba. Diese waren sensibel genug, um erstens zu erkennen, dass das Christentum im Ursprung eine Sklavenreligion ist. D. h., sie erkannten in den Botschaften der Bibel, aufgrund ihres eigenen Schicksals, welches ihnen die Kolonialherren beschert hatten, die Widerspiegelung ihres Sklavendaseins. Zum zweiten waren sie in der Lage die katholischen Heiligen umgehend in ihren Götterhimmel zu integrieren. Da sie selbst bereits über einen Schöpfergott verfügten, welcher allerdings eine andere Rolle spielt als im Monotheismus, konnten sie auch den christlichen Gott auf ihre Weise assimilieren. In der Sklavendiaspora Amerikas nahm dieser Synkretismus zwar unterschiedliche Ausformungen an, konnte sich in seinem Wesen aber erhalten und zur eigenständigen Religion entwickeln. Neben Westafrika gelten vor allem die Karibik, Brasilien und die Südstaaten der USA als stärkstes Ausbreitungsgebiet der Ifa, die hier regionale Ausprägungen gefunden hat. Diese sind bekannt unter Namen wie Voudou ( Haiti, Dom. Rep.), Santeria (Kuba, Columbien) Hoodoo (USA) und schließlich Macumba und Candomble (Brasilien). In den 90er Jahren des 20ten Jahrhundersts erklärte der westafrikanische Staat Benin die Ifa, unter der Bezeichnung Voudoun, zur Staatsreligion und bemüht sich seither um die Errichtung einer Weltkirche. Die moderne Ifa übt noch immer einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die westafrikanischen, afroamerikanischen und afrokaribischen Proletarier aus.[34] Mit der Migrationbewegung lateinamerikanischer und afrikanischer Arbeiter, und der zunehmenden Beliebtheit karibischer Kultur in hiesigen Gefilden, bildeten sich in den letzten 20 Jahren auch in Europa (vor allem in Frankreich, England und Deutschland) Gemeinden dieser Religion, die längst auch Anhänger unter der einheimischen Bevölkerung gefunden hat. Meistens unter dem Dach von Kulturvereinen und Musikschulen. Europa wird für die Ifa damit zunehmend zum Ort ihrer ideellen Wiedervereinigung.

Besonders nachhaltigen Einfluss auf den Zerfallsprozess des christlichen Dogmatismus in Europa übte der Handel mit China und Indien aus. Christian von Wolff (Prof. für Völkerkunde)  sprach in einer berühmt gewordenen ‚Chinesenrede’, gehalten vor Kaiser Friedrich Wilhelm I. und Vertreten des Handels und der Industrie, die Frage offen aus,...ob nicht auch die Religion, die diese (Chinesische) Kultur geprägt hat, den Christen in Europa etwas zu sagen habe.“ [35] Der Gedanke, Vernunft und Religion im Einklang zu sehen, wurde durch die Weltbilder von Buddha, Lao Tse und Konfuzius bestätigt. Zugleich verbarg sich hinter einer längst etablierten Modeerscheinung, der Vorliebe für ‚Chinoiserien’, die Anerkennung des Eigenwertes einer außereuropäischen Kultur, von der sogar die Europäer, die sich bis dahin als die maßgebliche Kulturgemeinschaft gefühlt hatten, in Kunst, Handwerk, und Lebensstil etwas lernen konnten.[36] Und wieder war ein Anlass dafür gegeben, dass neue Glaubensgemeinschaften wie Pilze aus den Boden schießen konnten, welche sich gegen Ende der Blütezeit des Kapitalismus, um die Jahrhundertwende, allmählich als fester Bestandteil europäischer Religionsausübung etablieren konnten. 

In diesem Kontext bekommt die Theosophie, deren Lehre sich zu Beginn stark aus den Ideen des Hinduismus und tibetischen Buddhismus speist, eine herausragende Rolle. Geistiges Oberhaupt der internationalen theosophischen Gesellschaft war die Russin Helena P. Blavatski, deren erstes Werk „Ises entschleiert“ bereits 1877 in vielen Sprachen übersetzt wurde und weltweit großes Aufsehen erregte. 1888 schloss sie ihre Arbeit, mit ihrem umfangreichen Hauptwerk (4. Bände), „Die Geheimlehre“ ab. Die Schriften und  das Wirken Blavatskis und der Theosophen gelten bis heute als Grundlage der meisten esoterischen, und okkulten Gemeinden in der Welt. Bemerkenswert ist zudem, dass sich aus div. Spaltungen der Theosophischen Gesellschaft, die zunächst nach dem Vorbild der Freimaurerlogen organisiert war, drei weitere einflussreiche Strömungen herauskristallisieren konnten.

Die Anthroposophen unter Rudolf Steiner. Diese nehmen bis heute einen enormen Einfluss auf die Pädagogik des Kapitals. Also auch auf gängige Menschenbilder. Sie verfügen über einen spirituellen Insiderzirkel, der Christengemeinschaft, sowie über eigene Schulen, Lebensmittelkonzerne (Demeter, Propolis, Weleda..) eine Bank (GLS-Bank) und eine politische Lobby.

Die Krishnamurti Bewegung. Durch diesen Flügel der Theosophie etabliert sich bereits im 19ten Jh. zum ersten mal die Verehrung eines indischen Gurus, dem jungen Krishnamurti, durch vorwiegend europäischer Anhänger.

Der Ordo Templi Orientis (OTO). Ein zunächst stark theosophisch orientierter Geheimbund, welcher sich, unter der Führung des Magiers und Yogalehrers, Aleisther Crowly, autonom entwickelt. Crowly’s, in unzähligen Schriften zusammengefassten, spirituellen Ideen bilden den Grundstein für das, was man den modernen Satanismus nennt. Darüber hinaus sind seine umfangreichen Ideen und Praktiken in zahlreichen okkultistischen und esoterischen Zirkeln bis heute gegenwärtig.[37]

Eine weitere Strömung der Theosophie wird schließlich zum unmittelbaren Vorläufer der nationalsozialistischen Ideologie. Die Ariosophie, welche ein gewisser Guido von List sich erdacht hat, und dessen Ideen schließlich von Alfred Rosenberg, Rudolf Heß, sowie dem Astrologen Rudolf von Sebottendorff,  in der sog. Thule-Gesellschaft ausformuliert wurden.[38]

Der Nationalsozialismus hemmt in Deutschland vorübergehend die freie Entfaltung der religiösen Ideen, in dem es ihm zum einen gelingt, diese seiner eigenen Ideologie einzuverleiben, zum anderen in dem er dazu übergeht, die religiöse Protestation zu unterjochen, zu ersticken, zu verfolgen und zu vernichten. Es kann hier jedoch, aus Platzgründen, nicht weiter auf die Bedeutung der Religiosität im Nationalsozialismus eingegangen werden, da m. E., jeder Versuch einer kurzen Zusammenfassung von vornherein zum Scheitern verurteilt ist, und dem wirklichen Verständnis dieses besonderen Zeitraums eher entgegenwirken würde. Vom reinen Standpunkt der politischen Ökonomie aus betrachtet, kann man vielleicht noch hinzufügen, dass der Eingriff des Nationalsozialismus in den religiösen Markt in gewisser Weise den allgemeinen Charakter der Nationalökonomien dieser Zeit spiegelt: Staatliche Disziplinierung und Regulierung der Wirtschaft in allen Bereichen, zur Vorbereitung und Durchführung eines imperialistischen Krieges.[39] 

Etwa seit Beginn der 20er Jahren des 20ten Jahrhunderts, nachdem der Kapitalismus zuvor in seine andauernde und quälende Niedergangsperiode eingetreten war, finden wir ein Phänomen vor, welches es nie zuvor in der Geschichte der Menschheit gegeben hat: Die Herausbildung eines religiösen Marktes. Eines Marktes der Religionen.[40] Die oben beschriebene Vielfalt der möglichen Religionsausübung traf auf ein Klima beschleunigter Individualisierung, verursacht durch eine enorme Umstrukturierung der Industrie, eine durch den 1. Weltkrieg demoralisierte und traumatisierte Bevölkerung, ein geschlagenes, nach der Niederlage der Revolution all seiner Hoffnungen beraubtes und sich zurückziehendes Proletariat, ein deklassiertes, bzw. im Zerfallsprozess befindliches, völlig verunsichertes Kleinbürgertum, welches zugleich mit den Illusionen eines vorübergehenden wirtschaftlichen Aufschwungs ausgestattet war („goldene“ 20er Jahre). In diesem Klima gärt das Verlangen nach Identifikationsmöglichkeiten, nach Einordnung komplizierter Verhältnisse, also nach Vereinfachung, nach Unmittelbarkeitserfahrungen und Glücksmomenten, also nach Geborgenheit und Bindung, nach geistiger Bestätigung der Illusionen. In einem Wort: Nach aufgehoben[41] sein, also nach Spiritualität und Religion. Eine ausgedehnte okkultistische Modewelle, hauptsächlich in England, Frankreich, Deutschland und den USA, sowie eine spirituelle Jugendbewegung[42] setzten als fröhliche Kundschaft die neue Vielfältigkeit der „frohen Kunde“[43] alsbald in Massenkonsum um. Die kommerzielle Verwertung der moralischen Werte war entfesselt. Der beklagte Verlust der moralischen Werte im Kapitalismus, auch das wird hier deutlich, ist darum u.a. auch als das Resultat ihrer eigenen Verwertung zu begreifen.

Damit hat sich leider auch die Hoffnung der kommunistischen Bewegung, dass die Religionsfreiheit, die Trennung der Religion vom Staat und die Privatisierung der Religion, als Beschleuniger bei der Aufhebung derselben wirken, vorerst leider als trügerisch und falsch erwiesen. Im Gegenteil. Die religiösen Bedürfnisse, sowie die Möglichkeiten für deren Auslebung, haben sich auf geniale Weise den Erfordernissen des Kapitals untergeordnet und angepasst. 

Heute sind ausnahmslos alle Konfessionen zu Anbietern von Glaubensartikeln geworden. Vom Katholizismus bis zum spirituellen Workshoptherapeuten. Nicht zuletzt deshalb, weil hinter allen auch ganz normale kapitalistische Wirtschaftsunternehmen stecken. Es gibt Globalplayer (Vatikan), sowie national, bzw. territorial begrenzte Konzerne (alle sog. Weltreligionen), welche ständig darum bemüht sind, sich auf dem Weltmarkt eine bessere Ausgangsposition zu verschaffen. Es gibt den gehobenen Mittelstand (sog. Sekten) dem es stellenweise gelingt sich internationale Marktanteile zu verschaffen, und in dessen Fahrwasser sich eine Schattenwirtschaft (Grauzone, Kriminalität) etabliert (Scientology, Satanismus). Es gibt mittelständische Klein- und Kleinstanbieter, bis hin zu sog. Ich-AG’s, welche in einem erbitterten Konkurrenzkampf ihre Existenz bestreiten (Astrologen, Okkultisten, Schamanen, usw., usf.). Getrieben von der Hoffnung auf Aufstieg und der ständigen Bedrohung des Abstiegs. Es gibt Angebotsdifferenzierungen und Mischwarenhandel. Kapitalkonzentrationen (Ökumene, Dialog der Religionen). Feindliche Übernahmen (Einverleibung psychotherapeutischer Praktiken). Es gibt eine Zuliefererindustrie, sowie einen Zwischenhandel (Devotionalien und Literatur. In keinem Buchladen fehlt mehr die Esoterik – Ecke).

Es gibt zudem ein typisches Marktverhalten der Kundschaft. Stammkunden (Konfessionsgebundene), Laufkundschaft (gelegentliche Kirchengänger, Esoterikmessebesucher, Seminarteilnehmer). Schließlich diejenigen, die sich aus eigens zusammengestellten Modulen ihre individuelle Religion basteln, und damit die religiösen Werte auf den persönlichen Geschmack reduzieren. Diese Kundschaft ist für alle Anbieter die attraktive und umworbene Dunkelziffer. Objekt der Marktspekulation. Zum einen, weil sie in den Metropolen die wahrscheinlich zahlenmäßig größte Kundschaft stellen, zum anderen, weil diese in ihrer Flexibilität und Beliebigkeit stets für Extraprofite sorgen. Selbst die deutschen Amtskirchen stellen ihr Angebot immer mehr auf diese Kundschaft ein, indem sie allerlei Hokuspokus der modernen Esoterik in ihr spirituelles Angebot aufnehmen. An ihrer Seite befinden sich bekannte Persönlichkeiten der internationalen religiösen Unternehmensberatung (Dalai Lama). In diesen babylonischen Zuständen lösen sich Dogmen auf, oder werden zumindest modifiziert. Alte, gewachsene Ideologien verwässern. Neue, dogmatische Strömungen springen in die Bresche, um das entstandene Vakuum zu Füllen. Jedoch mit nur vorübergehendem Erfolg. (Siehe Aufstieg und Fall der Osho – Bewegung).

Die Soziologie bemüht sich derweil um Erklärungsmuster und etabliert (restauriert) dafür Begriffe wie ‚Pantheismus’ in ihrem Sprachschatz. Auf diese und andere Art leistet endlich auch die bürgerliche Sozialwissenschaft ihren Beitrag zum unvermeidlichen Geschehen. So entstanden parallel zum Markt, die Religionssoziologie, Religionspsychologie, allgemeine Religionswissenschaften usw. Zum Teil den theologischen Fakultäten untergeordnet, zum Teil unabhängig davon. In jedem Fall immer auch tendenziös der Markforschung ergeben, insofern sich sowohl die Kirchen als auch die Werbung ihrer Erkenntnisse bedienen. Das ist den meisten dieser Wissenschaftler jedoch kaum gegenwärtig. Manche glauben gar, in ihrer eingebundenen Rationalität, der Irrationalität angemessen begegnen zu können. Als gäbe es was Richtiges im Falschen. Als gäbe es die reine Wissenschaft. 

Religion und Wissenschaft

 „Die Entwicklung der Wissenschaft, besonders der Naturwissenschaft, und mit ihr aller anderen, steht selbst wieder im Verhältnis zur Entwicklung der materiellen Produktion.“ [44]

So wie die Religion im Kapitalismus nur eine kapitalistische Religion sein kann, so ist auch die bürgerliche Wissenschaft, die Wissenschaft des Kapitals. Deshalb ist anzuzweifeln, ob diese der Religion wirklich etwas entgegen halten kann, bevor sie selbst sich emanzipiert.

Engels beschreibt die Vorraussetzungen für den Einstieg der Wissenschaft in die Epoche des aufblühenden Kapitalismus wie folgt: Die Naturforscher glauben sich von der Philosophie zu befreien, indem sie sie ignorieren oder über sie schimpfen. Da sie aber ohne Denken nicht vorankommen und zum Denken Denkbestimmungen nötig haben, diese Kategorien aber unbesehen aus dem von den Resten längst vergangner Philosophien beherrschten gemeinen Bewußtsein der sog. Gebildeten oder aus dem bißchen auf der Universität zwangsmäßig gehörter Philosophie (was nicht nur fragmentarisch, sondern auch ein Wirrwarr der Ansichten von Leuten der verschiedensten und meist schlechtesten Schulen ist) oder aus unkritischer und unsystematischer Lektüre philosophischer Schriften aller Art nehmen, so stehen sie nicht minder in der Knechtschaft der Philosophie, meist aber leider der schlechtesten, und die, die am meisten auf die Philosophie schimpfen, sind Sklaven grade der schlechtesten vulgarisierten Reste der schlechtesten Philosophien.“[45] Das klingt nicht gerade vielversprechend, aber es kommt noch schlimmer. Die beschleunigte Arbeitsteilung reißt die Wissenschaft immer mehr von ihrem Standessockel. War der Ingenieur von damals noch der Ideengeber, Entwickler und Verwirklicher eines Projektes, so findet man diesen heute meistens an einem Teilchen des Projektes beschäftigt, z. B. in einer Zulieferfabrik, sinnlich und räumlich weit vom Gesamtergebnis entfernt. Wenn man sich zudem vergegenwärtigt, dass Ingeneure, Architekten, Ökonomen usw. seinerzeit nicht selten als Gründer fungierten, und über einen langen Zeitraum eine wichtige Fraktion innerhalb der Bourgeoisie darstellten, das gleiche Milieu heute, bei durchschnittlich ungleich höherem Wissenstand, in der Regel ein Lohnabhängigendasein fristet, wie alle anderen Lohnabhängigen von Arbeitslosigkeit bedroht ist usw., kann man wohl zurecht behaupten: Der größte Teil der wissenschaftlich tätigen Menschen sind heutzutage unwiderrufbar Teil des Weltproletariats. In der versachlichten, verdinglichten Welt des Kapitalismus wird der Wissenschaftler, wie jeder andere Lohnabhängige, durch den fortlaufenden Prozess der Arbeitsteilung, von seinem Produkt immer mehr entfremdet. Der Sinn (bzw. Unsinn) seiner Produktivität spielt sich hinter seinem Rücken ab. Seine Produktivität unterliegt den Gesetzmäßigkeiten der kapitalistischen Produktionsweise, also der Planlosigkeit und Willkür. Die Wissenschaft im Kapitalismus ist kalte Rationalität, gefangen in der Sklaverei einer irrationalen Ökonomie.

Die Wissenschaft des Kapitals macht den Menschen Angst. Nicht ganz zu unrecht, denn sie hat sich in der Tendenz als lebensfeindlich demaskiert. Es besteht ein Zusammenhang zwischen dem ersten großen Wiederaufblühen des religiösen / spirituellen Marktes nach dem Ende des zweiten Weltkrieges, ab Anfang der 70er Jahre – und der Angst der Menschen vor der Wissenschaft.[46] Sie findet ihren politischen Ausdruck, ihre Protestation, in der sog Ökobewegung. Das Kapital hatte sich gigantische Entwicklungen in der Wissenschaft zu nutze gemacht, welche nun unter dessen Willkür ihren Beitrag zum Niedergang der Werte lieferte. Als Vergiftung und Zerstörung der Erde! Die Ökobewegung konnte in ihrer Mehrheit jedoch nicht erkennen, dass das Kapital in seinem planlosen Zwang zu akkumulieren diese Destruktivität der Wissenschaft zu verantworten hat. Stattdessen argumentierte sie gegen die Wissenschaft an sich.[47] Ihre Haltung wurde zudem bestärkt durch die Argumente der Stalinisten und der COMECON – Staaten, welche in ihrer Propaganda die doppelte, aber durchschaubare Lüge verbreiteten, dass die Anwendung dieser Techniken (insbesondere der Atomkraft) im Sozialismus gut aufgehoben seien. Zum einen wurde damit die Mär von der Existenz sozialistischer Staaten kolportiert, zum anderen hofierte man damit einen mechanischen, bürgerlichen Materialismus, welcher die ökonomische Dynamik der Technologien im Kapitalismus ausblendet. Statt dessen wurde so getan, als gäbe es im COMECON eine vom Weltmarkt unabhängige Wissenschaft für das Wohl der Menschen. So ist es auch kein Zufall, dass die zweite Welle der Esoterik, die schließlich das Ausmaß des Marktes der Irrationalität herstellt wie wir es heute kennen, im Zeitkontext mit den AKW – Unfällen in Harrisburg und Tschernobyl losgetreten wurde. Es herrschte ein klassenübergreifendes Klima der Angst vor dem Fortschritt, und der begrenzten Hoffnung. Diese begrenzte Hoffnung definierte sich als Empörung und Aufbegehren gegen ein Symptom des kranken Kapitalismus: die irrationale Anwendung der Rationalität. Die Bedeutung der Sprache verkehrte sich. Die Rationalität, welche der Wissenschaft (unpolitisch) unterstellt wird, wird durch die Ängste der Menschen zum Feindbild in ihren Gedanken. Im Bewusstsein ist der Schritt zum Irrationalem nun nicht mehr weit. Insbesondere dann, wenn das Proletariat sich als unfähig erweist die soziale Revolution auf die Tagesordnung zu stellen, und in Folge dessen die Atomisierung der Individuen immer mehr voranschreitet. Die Produktivkräfte der Wissenschaft sind zugleich entfesselt und gehemmt. Entfesselt in ihrem Zerstörungspotential und gehemmt in ihrem Nutzen für die Menschheit. Die o. g. Pattsituation zwischen Bourgeoisie und Proletariat kommt hier bedrückend zum Ausdruck.

Die Farce an der ganzen Angelegenheit ist die, das gerade die Akademiker, die Menschen aus den Wissenschaften, eine starke Neigung zur Esoterik an den Tag legen. Nicht umsonst ist einer der wichtigsten Theoretiker der sog. New Age Bewegung, der Konsumentenbasis des religiösen Marktes, Friedjoff Capra, zugleich ein renommierter Naturwissenschaftler.[48] Seine weibliche Ergänzung ist die Sozialwissenschaftlerin Marilyn Ferguson.[49] Gegenwärtig trägt die Entwicklung der Wissenschaft kaum dazu bei, die religiösen Affinitäten des „Volkes“ aufzuheben. Im Gegenteil, so wie es aussieht, treibt diese katastrophale Entwicklung in der Anwendung der Wissenschaft die Menschen geradezu in die Arme „höherer Wesen“. Der Protest gegen die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen vermischt sich so von Beginn an mit spirituellen und religiösen Geistesströmungen. Er wird zum falschen Protest. Verständlich, perspektivlos, tragisch. Schließlich manifestiert sich die kollektive Niederlage der Ökobewegung in einem Sturm auf die Konsumtempel der Privatreligion der 80er Jahre, und kommt in den 90er Jahren in der „Mitte der Gesellschaft“ an. Der Metropolenmensch im 21ten Jahrhundert dreht sich endlich um sich selbst. Aber leider nicht im Sinne von Marx, sondern als (religiöser) Egozentriker im vermeintlichen Paradies der spektakulären Warenökonomie, welche zugleich die Hölle seiner Einsamkeit[50] und Entfremdung ist. Und so wie die Wissenschaft des Kapitals die Religion reproduziert, so reproduziert sich diese umgekehrt in der modernen Religion. Hierfür steht, wie kaum eine andere wissenschaftliche Disziplin, die Humanwissenschaft mit ihren Abteilungen Anthropologie, Ethnologie, Soziologie, Medizin und Psychologie. Ein kurzer Blick in die Geschichte der Psychologie im Kapitalismus soll das am Beispiel verdeutlichen.

Die Psychologie vor Freud war beherrscht von einem biologistischen Weltbild, und die Forschung  beinahe ausschließlich im Bereich der Effektivität der Produktion und des Militärs angesiedelt. Im gängigen Menschenbild dieser Psychologie war das Individuum ein vom Reiz -, Reaktionsmechanismus determiniertes, zoologisches Objekt. Das brachte die Lehre von einer generellen Konditionierbarkeit des Menschen hervor.[51] Alles was außerhalb der Mechanik des unmittelbaren, unreflektierten Lernens stattfand (was es ja auch gibt), musste folglich noch in den Bereich der Metaphysik verbannt werden. Siegmund Freud war es, dem es als ersten gelang eine Struktur der Psychodynamik zu beschreiben.[52] Damit wurde es zu seinem unzweifelhaften wissenschaftlichen Verdienst, die „Seele“ aus den Klauen des Klerus und der Mythologie zu befreien, und in den Kontext zu stellen, in den „ES“ gehört: In die Entwicklung des Menschen in seine - und aus seiner sozialen Umwelt. In seinem Wirken leistete der Jude Freud nebenher einen wichtigen Beitrag zur Säkularisierung des Judentums. Freud sah den Menschen als ein historisches und gesellschaftliches Wesen. Im Kontext der Sozialisation des Individuums, welches bei ihm stets im Mittelpunkt stand, wurde die Persönlichkeitsentwicklung als subjektiver Prozess begriffen, in dem, durch (Selbst)Reflektion, bewusst eingegriffen werden kann. Ade Schicksalsglaube und Determinismus. Freud nutzte die dialektische Methode für seine Forschungsarbeiten. Er pflegte einen regen interdisziplinären, wissenschaftlichen und politischen Austausch (z. B. mit Albert Einstein) und trug so sein Welt-, und Menschenbild in alle möglichen Bereiche der Gesellschaft. Die Psychoanalyse kann in ihrer Entwicklung, bis heute, als eine dialektisch[53] emanzipatorische Humanwissenschaft angesehen werden, welche der Psychologie insgesamt dazu verholfen hat große Schritte zu machen. Kein Wunder, dass es zahlreiche, wenn auch notwendig gescheiterte Versuche gegeben hat, die Psychoanalyse im Einklang mit der revolutionären Theorie zu bringen.[54] Freud sah den Grund des Leidens der Menschen in seinem „Unbehagen in der Kultur“ begründet, dessen religiöse Affinitäten als eine Art Selbsttherapie (Projektions-, und Verdrängungsleistung) angesehen wurden. Religiöse Inhalte und Empfindungen begriff Freud, ähnlich wie Marx, als Illusion: „Für die Illusion bleibt charakteristisch die Ableitung aus menschlichen Wünschen, sie nähert sich in dieser Hinsicht der psychiatrischen Wahnidee, aber sie scheidet sich, abgesehen von dem komplizierteren Aufbau der Wahnidee, auch von dieser. An der Wahnidee heben wir als wesentlich den Widerspruch gegen die Wirklichkeit hervor, die Illusion muss nicht notwendig falsch, d. h. unrealisierbar oder im Widerspruch gegen die Realität sein . . . Wir heißen also einen Glauben Illusion, wenn sich in seiner Motivierung die Wunscherfüllung vordrängt, und sehen dabei von seinem Verhältnis zur Wirklichkeit ab, ebenso wie die Illusion selbst auf ihre Beglaubigungen verzichtet ... Es liegt nicht im Plane dieser Untersuchung, zum Wahrheitswert der religiösen Lehren Stellung zu nehmen. Es genügt uns, sie in ihrer psychologischen Natur als Illusionen erkannt zu haben."[55] Durch den u. a. hier dargestellten Agnostizismus in Freuds Haltung eröffnete er jedoch, ungewollt, auch religiösen Scharlatanen einen Zugang, der es solchen Elementen bis heute erlaubt, die vielfältigen Methoden der Psychotherapie hemmungslos auszubeuten.[56] Ein wichtiger Ausdruck des Agnostizismus in der Psychoanalyse ist die Spaltung der Psychoanalytischen Gesellschaft, vorangetrieben durch den spirituell -, und völkisch beseelten Freud-Schüler C. G. Jung. „Wie kein anderer hat C. G. Jung mit seiner Archetypenlehre, in der der Seelenkern "die Sphäre der Ganzheit, des unverdorbenen Sinns" darstellt, dazu beigetragen, "Seelenanalyse und Weltanschauung zu vereinen", und den "Anspruch auf Wissenschaftlichkeit und den Durst nach Sinn gleichermaßen zu befriedigen"..."Jungs Lehre krankt an der Zivilisation, deren Dekadenz sie heilen will. Und sie leidet nicht an ihrer Krankheit. Sie richtet sich gemütlich ein in der Welt, aus der sie hinauszuführen meint. Ihr Programm der Ganzheitlichkeit, das den Menschen zu seinem Ursprung zurückbringen soll, steht an der Spitze des Fortschritts: in tiefem Einklang mit der totalitären Tendenz der warenproduzierenden Gesellschaft, Dinge und Menschen als Objekte von Kauf und Verkauf bis zur Indifferenz einander anzugleichen und zur ‚irrationalen Vereinigung der Gegensätze' (Jung) zu zwingen. Die Archetypen sind denn auch keine archaischen Urbilder, sondern moderne Wunschbilder. Sie versprechen sichere Seelenführung, wenn man sie nur gewähren läßt, geben religiösen Sinn, ohne auf eine bestimmte Religion zu verpflichten, bieten eine in sich gerundete Weltanschauung, ohne sich metaphysisch festzulegen."[57] Von der Abspaltung des spirituellen Flügels der Psychoanalyse, bis zum Auftauchen erster esoterisch – psychotherapeutischer Autodidakten (moderne Wunderheiler) war es nur ein kleiner Schritt. Bereits zu Lebzeiten von Freud tat sich in Europa ein Psychoguru hervor, der Kaukasier Georg Iwanowitsch Gurdjieff, dessen literarische Hinterlassenschaft bis heute den esoterischen Buchmarkt bereichert. So konnten sich die Methoden, und Fragmente der Theorie Freuds und seiner Nachfolger auf dem Markt der Religionen, als schlechtes Konglomerat etablieren. Und je mehr die unumkehrbare Zerschlagung des Gesundheitssystems voranschreitet, je mehr werden sich die verfälschten und verwässerten Praktiken der Psychotherapie und der Medizin durch Wunderheiler und Psychogurus in allen Teilen der Bevölkerung ausbreiten können.

Ein weiteres Beispiel für die Wechselbeziehung zwischen Wissenschaft und Religion im Kapitalismus soll hier kurz angerissen werden. Während der ersten Konsolidierung des Marktes der Religionen, eingeleitet durch das Recht auf Religionsfreiheit, und beschleunigt durch die Schaffung des Weltmarktes (Kolonialismus) kam es auf dem Gebiet der Archäologie und Ethnologie, zu bahnbrechenden Entdeckungen. Spektakuläre Ausgrabungen[58] wurden durch die Presse vermarktet und stießen so auf ein großes Interesse in der Bevölkerung der kapitalistischen Zentren. Das führte zu einem großen Ausmaß an Spekulationen und Mystifikationen, in dessen Folge sich weitere religiöse Gemeinschaften bildeten. Es entstanden allerlei Verschwörungstheorien, welche sich z. T. auch in Antisemitismus ergossen. Dies gilt insbesondere für die Theosophie und ihrer Nachfolger. Die Nachhaltigkeit dieser Bewegung zeigt sich heute in der weitverbreiteten Literatur über Mystik und Verschwörung, zuletzt in dem gerade verfilmten Bestseller von Dan Brown, „Sakrileg“ (Da Vinci Code). An der Auflagenstärke dieser Art von Literatur ist abzulesen, dass das (kindlich) magische Denken schon längst Einzug in den Alltag der (erwachsenen) Menschen im Kapitalismus gehalten hat. Als gewöhnlicher Wahn. Ähnlich verhält es sich mit dem Einstieg in die Raumfahrt sowie der beschleunigten Entwicklung der militärisch orientierten Luftfahrt zu Beginn des kalten Krieges, und dem Entstehen der Ufologie, sowie der Renaissance der Astrologie. Es wäre Augenwischerei, wenn die Kommunisten behaupten würden, die Arbeiterklasse sei davon nicht zu berühren, außer durch einen bewusst gesteuerten Eingriff der Bourgeoisie. Hier findet längst eine beunruhigende Eigendynamik statt. Ebenso falsch wäre der Glaube an einen immanenten Fortschritt in der Wissenschaft. Im Gegenteil, die Kommunisten müssen das Zerstörungspotential und die Willkür der wissenschaftlichen Forschung, und deren Anwendung im Kapitalismus zur Kenntnis nehmen, und bedingungslos aufdecken. Forschungsprojekte aller Art werden von vornherein als Warenproduktion in Angriff genommen, auf deren Anwendungen der Forscher keinerlei Einfluss hat. Besonders deutlich wird das, wenn man sich vergegenwärtigt, dass die meisten Forschungsgelder weltweit in den Bereich des Militärs fließen. Freiheit und freie Entfaltung der Wissenschaft zum Nutzen der Menschheit ist nur möglich in einer Gesellschaft der freien Assoziation freier Menschen. Die Wissenschaft kann deshalb ihren Beitrag zur Befreiung des Menschen von den Fesseln der Religion erst leisten, wenn der Mensch die Wissenschaft von den Fesseln ihrer Verwertbarkeit befreit hat.

Die Linke[59] und die Religionskritik

Die Linke, von der hier die Rede ist, sind die modernen Freidenker. Sie produziert eine umfangreiche, vielseitige und detaillierte Literatur, welche den religiösen Markt kritisch begleitet. Es gibt international kooperierende Skeptiker-, und Atheistenverbände, die in ungeheurer Fleißarbeit auch noch den größten Unsinn esoterischer Stilblüten empirisch als Unsinn nachweisen. Es gibt eine politische Lobby der Linken,[60] für ihre Art der Religionskritik. Es gibt allein in Deutschland mehrere Fachzeitschriften die seit Jahren und Jahrzehnten regelmäßig erscheinen. Es wurden Enzyklopädien erstellt. Es gibt ganze Fachverlage. Man kann sagen, es gibt eine linke, empirische (Anti)Religionswissenschaft. Das ist nicht verwunderlich, kommen sie doch aus dem gleichen Stall wie diejenigen Linken, die, welche im Zuge der Protestbewegung gegen die Zerstörung der Umwelt, oder der Bewegung für die Gleichstellung der Frauen, sehr schnell mit der Verbreitung esoterischer Literatur am Start waren. So war es der vormals libertäre TRIKONT- Verlag, welcher sich als erster in Deutschland mit der Herausgabe von Büchern für die New – Age – Bewegung befasste. Am Anfang stand dabei eine Reihe von Büchern, welche die Religionen und kulturellen Bräuche der amerikanischen Ureinwohner mystifizierten.[61] Nicht wenige Linke und Anhänger der Ökobewegung verzierten seinerzeit ihre WG – Zimmer mit Plakaten von Geronimo und Weisheiten der Hopi – Indianer.[62] In der Frauenbewegung wurde parallel dazu eine unglaubliche Mystifizierung der Rolle der Hexen im Mittelalter betrieben, was zum Anlass für weitere Produktion esoterischer Publikationen wurde, u. ä. m. Zwischen der Linken, und der New – Age – Bewegung gab es vielerorts lückenlose Personalunion. Nachdem vielen linken Esoterikern aufging, dass sie keine „Indianer“ sind - noch nicht einmal „Stadtindianer“ - begannen sie sich mit ihren „eigenen“ Vorfahren zu beschäftigen. Ein Tribal–Kult tat sich auf. Die Identifizierung mit der verklärten Kultur europäischer Stammesgesellschaften (Kelten, Germanen usw.) rief schließlich den Antifaschismus auf den Plan. So ist bis heute die religionskritische Literatur der Linken davon geprägt, dem esoterischen Markt ein rechtes Potential nachzuweisen. Nicht ganz zu unrecht! Die linke Religionskritik ist somit ein Reflex auf das abdriften vieler ihrer ehemaligen Kampfgefährten in die Welt des magischen Denkens. Mit einer Religionskritik im Marxschen Sinne hat das wenig zu tun. Es ist inhaltlich oftmals eher so etwas wie die Verteidigung der Errungenschaften der Aufklärung. War das ursprüngliche Motiv der Linken in der Einhaltung des politischen Kodex und der Rückgewinnung Abtrünniger zu verorten, will sich diese Szene jetzt als eine Art (einsamer) Aufklärer und Warner gegen die Ausbreitung des religiösen Wahns in der gesamten Gesellschaft etablieren. In den meisten Veröffentlichungen dieser Szene wird der gesellschaftliche Zusammenhang zwischen den Lebensbedingungen im Kapitalismus und der Ausdehnung des religiösen Marktes nur oberflächlich, oder gar nicht behandelt. An ihren Randerscheinungen wird die künftige Rolle der linken Religionskritik bereits sichtbar. Immer mehr unentschlossene, esoterisch interessierte Linke, lesen deren publizistische Äußerungen wie Magazine der Stiftung Warentest. Sie informieren sich schlicht darüber, was in ihrem Milieu so gar nicht angesagt ist. Gar nicht angesagt ist alles, was in die rechte, antisemitische Richtung geht. Alles andere geht durch. Und das ist nicht wenig, da es ja vor allem auch eine Frage der Deutung ist. Es tun sich aber immer mehr Strömungen auf dem Markt der Religionen auf, sodass die linke Religionskritik immer ein Stück hinterher ist.[63] Dieser Umstand wird sie immerhin noch eine ganze Zeitlang am Leben erhalten. Die linke Religionskritik ist ihrem Wesen nach eine bürgerliche Religionskritik, so wie diese Linke selbst wohl kaum als revolutionäre Strömung zu bezeichnen ist. Eine emanzipatorische Religionskritik, als Kritik der (Über)Lebensbedingungen im Kapitalismus, ist aus diesem Spektrum kaum zu erwarten.  Man muss gerechterweise hinzufügen, dass es auch Ausnahmen gibt.[64]

Am Ende kommen wir vom Glauben ab

Nicht die Religionsfreiheit, noch die Trennung von Staat und Kirche – nicht die Privatisierung der Religion, noch der wissenschaftliche Fortschritt im Kapitalismus haben das Ende der Religionen einläuten können. Wir sind der Aufhebung der Illusionen kein Stück näher gekommen, weil der Kapitalismus, wie kaum eine Gesellschaftsformation vor ihm, komplexe, in allen seinen Ausdrucksformen kaum durchschaubare Zustände geschaffen hat, welche der Illusion bedürfen. Diese Zustände sind aufgehoben in dem wohl widersinnigsten Widerspruch in der bisherigen Geschichte der Menschheit: Die Einsamkeit als generelles Problem in der Gemeinschaft. Die Religion des Kapitals, insbesondere seit Beginn seiner Niedergangsperiode, ist die Privatreligion. Der religiöse Egozentrismus.   

Das Kapital, als die Irrationalität von Warenproduktion und Konsum, ist längst in (fast) alle Lebensbereiche unserer Kultur eingedrungen und findet auch in der Auseinandersetzung der Ideologien und Religionen ihren Ausdruck. Jede Form von Ideologie oder Religion ist nicht nur Orientierungshilfe, wenn sie es denn ist, sondern auch Ware. Sie wird nicht nur produziert und reproduziert, sondern kann auch konsumiert werden. Es findet eine Wandlung vom Gebrauchsgut zum Verbrauchsgut statt, mit allen dazugehörigen Entfremdungserscheinungen. Was der Entfremdung entkommen will, bindet sich nun doppelt. Die Rückbindung (re –ligio) ist nicht die Negation der Negation, sondern nur die endlose Schleife. Nicht die Rückbindung an Gott, sondern an das Kapital. Die Religion im Kapitalismus ist das Hamsterrad der Einsamkeit.

Religion überhaupt, d. h. religiöse Ideologie und religiöse Handlung, erklärt sich nicht aus sich selbst, sondern ist immer begründet  im Zeitgeist, Ökonomie und Politik, sowie regionale Besonderheiten. Religion wirkt ausschließlich auf diesen Bezugsrahmen zurück, welcher wiederum Bedingung für den Grad der Entfaltung religiöser Wirklichkeit ist.

Grob umrissen kann man davon ausgehen, das der Animismus sich effektiv entfalten konnte in einer Stammes–, bzw. Clangesellschaft. Animismus repräsentiert die Epoche der sog. Barbarei. Er wiederspiegelt den kollektiven (urkommunistischen) Kampf der Stämme und Clans gegen die natürliche Umwelt. Der Polytheismus tritt in seiner Blütezeit als religiöser Überbau der Antike in Erscheinung. Er ist bereits in der Lage differenzierte menschliche Charaktereigenschaften zu spiegeln und gesellschaftliche Arbeitsteilung sowie Herrschaftsverhältnisse zu begründen. Der Monotheismus spielt seine entscheidende Rolle für die Bildung und Organisation großer Staatensysteme. Er war stets eng an der Entstehung des Feudalismus gebunden. Der Monotheismus in Europa entfaltete seine Wirklichkeit, also vor allem seine gesellschaftliche Macht, nicht zufällig am effektivsten im Zeitalter des Absolutismus. Das Bild wäre jedoch allzu einfach, wenn nicht mitgedacht würde, dass ein historischer Prozess keine monokausale Gleichung ist. Religionen lösen sich nicht einfach gegenseitig ab. Sie entwickeln sich meistens als den jeweils herrschenden Religionen alternativ gegenüberstehende Ideen und Handlungsmuster. Eher selten gelingt die Integration neuer religiöser Vorstellungen in das herrschende Gesellschaftssystem ohne sich ständig wiederholende Exesse von Gewalt und Verfolgung über einen sehr langen Zeitraum. Und kaum setzt sich ein Religionssystem durch, muss es schon wieder um die Existenz kämpfen. Denn schon lauern neue gesellschaftliche Widersprüche, die den Geist der Emanzipation anregen, der sich neue, passende Ideologien ausdenkt und die Macht der Priester infrage stellt.

Die Entwicklung der Vermarktung spiritueller und religiöser Bedürfnisse  erklärt sich aus dem Welt- und Menschenbild des Kapitals, welches auch die Idee der Religionsfreiheit hervorgebracht hat. Angesichts der Vielfalt religiöser und spiritueller Glaubenssysteme, mit denen wir heute konfrontiert sind, und angesichts der Selbstverständlichkeit, mit der man sich dieser Vielfalt bedienen kann, ist davon auszugehen, dass die Religion in unserer Epoche tatsächlich zur Privatsache geworden ist. Das Individuum ist heutzutage in der Regel fähig und willens, sich aus den unterschiedlichen Möglichkeiten, welche die Angebote auf dem Markt der religiösen Ideen bereithalten, ein persönliches Glaubenssystem zusammenzustellen. Nicht wenige machen davon Gebrauch. Wer sich keiner Konfession zugehörig fühlt  ist demzufolge nicht zwangsläufig als Atheist zu betrachten. Das „Wort Gottes“ weicht  zunehmend großzügig ausgelegter, individueller Glaubensvorstellungen. Selbst der Monotheismus ist in allen seinen Erscheinungsformen einer einheitlichen Orientierung beraubt. Die Entwicklung auf dem Markt nimmt scheinbar kein Ende. In der gegenwärtigen Situation bliebe den Amtskirchen kaum anderes übrig, als ihr „religiöses Eigentum“ durch Copyright rechtlich abzusichern, um sich einigermaßen vor „Überfremdung“ des Christentums zu bewahren. Jedenfalls hat alle noch so gut vorgetragene Apologetik, vor dem historischen Hintergrund seit der Reformation betrachtet, kaum dazu geführt, die Privatisierung und Vermarktung religiöser Ideen zu behindern. 

In der in den hochentwickelten Industrienationen entstandenen sog. New – Age - Bewegung, wird  uns,  durch die offenkundige Konkurrenz kleiner und großer „Gurus“ in ihrem erbitterten Kampf um Marktanteile, geradezu ein Atomisierungsprozess religiöser Ideen augenscheinlich vorgeführt. Nahezu alle religiösen Vorstellungen aus allen Zeiten und Orten der Geschichte der Menschheit, sofern sie auch nur im Ansatz zugänglich sind, werden in Workshops und auf Messen verkauft. Dabei werden, mit z. T. frappierender Oberflächlichkeit, sämtliche religiösen, spirituellen und anderen ideologischen Vorstellungen unter einen Hut gebracht. Es werden die Dogmen der Weltreligionen in Anspruch genommen, in der New – Age - Bewegung vor allem die Lehren von Jesus Christus und Buddha. Es befinden sich  monotheistische Vorstellungen plötzlich im Einklang mit Konzepten und Methoden des Polytheismus wie z. B. mit Runenorakel, hinduistischen Wiedergeburtstheorien, Heilsvorstellungen der Antike u. a. m. Auch die frühgeschichtlichen Glaubensvorstellungen haben längst in Form von schnell konsumierbaren Modulen (schamanische Reisen, indianische Schwitzhütten...) ihren Weg in die New – Age - Bewegung gefunden. Der soziale und historische Kontext, in dem sich diese verschiedenen religiösen Konzepte und Methoden einst bilden konnten, als Beziehungssystem einer Gemeinde in einer bestimmten Kultur, wird schlicht übergangen. Unumwunden bedient man sich außerdem passender Weltbilder moderner Wissenschaften. Das Angebot lässt Rückschlüsse auf die Nachfrage zu. Eine zunehmende Individualisierung verlangt geradezu nach Vielfalt, und jede „Passung“ muss der Individualität entsprechen, sonst kann sie nicht wahr - und in Anspruch genommen werden. Es handelt sich dabei nicht zuletzt um den Versuch dieser Marktbewegung, dem Individualismus eine Art Verbundenheit entgegen zu stellen, die zweifellos gewünscht wird. Über alledem schwebt wie auf Wolken der Begriff der Ganzheitlichkeit, der bereits in der Politik, im Duden und in der Wissenschaftsterminologie Einzug gehalten hat. Unter dem Postulat der Ganzheitlichkeit lassen sich  alle Deutungsmodelle zusammenfassen als Wege, die letztlich alle zum Gipfel führen. Unterschiede werden auf die Ebene des persönlichen Geschmacks gesenkt, und geben somit dem inneren Widerspruch zwischen Individualismus und Verbundenheit oder anders ausgedrückt, zwischen Autonomiebedürfnis und Abhängigkeit, eine scheinbar positive Wende. Das Bedürfnis, etwas besonderes zu sein, erleuchtet, erhört, errettet, aus der Masse herauszutreten, muss mit dem Bedürfnis nach Orientierung, Geborgenheit, Vertrauen, zusammengebracht werden. Eine Religionsausübung, die vom Markt wesentlich mitbestimmt ist, macht dies vortrefflich möglich, in dem sie den persönlichen Geschmack bedient, den Konsumenten die Wahl lässt und in jedem Falle Verbundenheit anbietet.

Das Kapital ist in bezug auf sowohl geistiges als auch gegenständliches Gut gekennzeichnet durch die grenzenlose Aufwertung von Eigenart und Eigentum (Individualisierung, Privatisierung). Während der Mensch im Kapitalismus, eigentümlich und eigenartig (und eben nicht selbstverständlich) nach Orientierung, Zugehörigkeit und Geborgenheit sucht, steht ihm auf dem Markt der Weltanschauungen eine verwirrende Vielzahl von Angeboten gegenüber. Aus der Erkenntniswelt wird somit eine Erlebniswelt. Aus dem Gebrauch wird Verbrauch. Spiritualität und Religionen haben ihre orientierende Funktion längst verloren, und sind zum Konsumfetisch verkommen

Die Zwanghaftigkeit und der Fanatismus, sowie die Oberflächlichkeiten und Beliebigkeiten innerhalb des religiösen Marktes sind bloß zwei Seiten derselben Münze. Die vom Kapital besetzten Werte: Freiheit, Selbstbestimmung, Autonomie sind in Wirklichkeit Unfreiheit, Fremdbestimmung und Abhängigkeit. Die sog. freie selbstbestimmte Lebensführung im Kapitalismus bedeutet daher nicht selten Einsamkeit und hilflose Orientierungslosigkeit. Tatsächlich ist es so, dass das Individuum in diesem Zustand selbst die Reglementierungen der Religionsausübung als eine Befreiung von Entscheidungsdruck empfinden kann, ohne wirklich jemals für sich zu entscheiden. Vom Subjekt aus betrachtet kann so der vorübergehende Verzicht auf Selbstbestimmung als durchaus willkommener Effekt der Religionsausübung betrachtet werden. 

Die kommunistische Bewegung ist angehalten, die Isolation der Individuen zu durchbrechen und zwischen den Menschen einen Austausch, eine sich austauschende Zwischenmenschlichkeit herzustellen. Sie ist angehalten, Kritik an den Lebensverhältnissen und am Verhalten der in diesen Verhältnissen ums Überleben Kämpfenden zu üben. Empathie, Respekt und Kritik sind unsere Waffen. Diese sind aufgehoben im Wesen der Solidarität. Wir bejammern nicht den Verlust der Werte. Wir wissen um ihre Bedeutungslosigkeit für unsere Befreiung. Wir kämpfen nicht gegen Ideen, sondern gegen Ausbeutung, Entfremdung und Unterdrückung. Wir kämpfen nicht für die Ausgebeuteten, Entfremdeten und Unterdrückten, sondern als diese und mit diesen. Wir bekämpfen weder Egoismus noch Altruismus, weil wir wissen dass beides zur Daseinsform des Menschen gehört. Wir bekämpfen den Egozentrismus. Wir bekämpfen den fanatisierten Islamisten, der sich unseren Bemühungen um Befreiung entgegenstellt nicht als Mohammedaner, sondern in seiner Funktion als Söldner des Kapitals. Wir bekämpfen nicht andersdenkende Menschen, sondern das System, seine Institutionen und seine Funktionen. Unser Kampf ist der Klassenkampf, als die historische und materialisierte Kritik, als die Kritik gegen den kalten, mechanisierten Materialismus des Kapitals, der selbst vor dem Eindringen in das Gewissen, die Intimität und die Fantasie der Menschen nicht halt macht. „Dazu ist es sicher auch notwendig, diese erkannte verkehrte Welt auszuhalten.“ [65]

Die Ideologien und Religionen stellen den Menschen auf den Kopf. Wir wollen, dass der Mensch auf seinen Füssen steht, damit er seinen Kopf sinnvoll und sinnlich gebrauchen kann.   

 „Die Kritik hat die imaginären Blumen an der Kette zerpflückt, nicht damit der Mensch die phantasielose, trostlose Kette trage, sondern damit er die Kette abwerfe und die lebendige Blume breche. Die Kritik der Religion enttäuscht den Menschen, damit er denke, handle, seine Wirklichkeit gestalte wie ein enttäuschter, zu Verstand gekommener Mensch, damit er sich um sich selbst und damit um seine wirkliche Sonne bewege.“[66]

Riga

[1] „Karikaturen Mohameds“, in : Weltrevolution  - Zeitschrift der IKS für den deutschsprachigen Raum, Nr. 135, 2006.

[2] Karl Marx „Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie” in: MEW, Band  1,  S. 378

[3] Was ihm, zugegebenermaßen, nicht immer gut gelungen ist.

[4] Friedrich. Engels, Anti-Dühring, in: MEW Band 20, S.295.

[5] Karl Marx,  „Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie” in:  MEW, Band  1., S. 378

[6] Ebenda, S. 379

[7] Friedrich Engels, „Flüchtlingsliteratur“, in: MEW, Band 18, S. 531

[8] Am Vorabend der Kommune schrieb Bakunin eines seiner charakteristischen Werke: „Staat und Religion.“ In der anarchistischen Literatur nimmt seither die Religionskritik einen gewichtigen Platz ein. Dem Anarchisten Johann Most gelang es im 19ten Jahrhundert, eine Flugschrift unter dem Titel „Die Gottespest“ zu formulieren, die innerhalb der Arbeiterbewegung, bis weit in das 20te Jahrhundert hinein, große Beachtung fand. Der vom Anarchismus beeinflusste Flügel des Proletariats hat sich deshalb auch stets als besonders immun gegen religiöse Vorstellungen erwiesen. So hielten z. b. die anarchistischen Proletarier im spanischen Bürgerkrieg jeder Verlockung durch den Katholizismus stand.

[9] Karl Marx, „Die Heilige Familie“, in: MEW, Band 2, S. 116.

[10] Friedrich Engels, „Brief an Bernstein (1884)“, in: MEW, Band 36, S. 186.

[11] August Bebel, „Rede zum Gesetzentwurf über die Aufenthaltsbeschränkung der Jesuiten.“

[12] Rosa Luxemburg,  „Einführung in die Nationalökonomie“ Gesammelte Werke, Band 5 , S. 524ff.

[13] Anton Pannekoek, „Religion und Sozialismus“, Vortrag von 1906, in: Kaiser, „Arbeiterbewegung und organisierte Religionskritik, S. 119

[14] Ebenda

[15] Anton Pannekoek, „Sozialistisches Freidenkertum“ in „Der Atheist“ Nr. 5 (1906) zitiert in Kaiser

[16] Vgl. W. I. Lenin, “Rede auf den 1. Gesamtrussischen Kongress (1918)“, in: „Über die Religion“

[17] Vgl. W. I. Lenin, „Entwurf des Programms der KPR (B)“, in: Ebenda, S. 59

[18] „Karikaturen Mohameds“, in „Weltrevolution“, Zeitschrift der IKS für Deutschland und die Schweiz, Nr. 135, 2006.

[19] Karl Marx, Kapital I, MEW 23, 94.

[20] Friedrich Engels, Flüchtlingsliteratur, MEW 18, 531ff.

[21] Der religiöse Aspekt der Rechtfertigung des nationalsozialistischen Terrors hatte z.b. seine Wurzeln bekanntlich nicht im Islam, sondern, über den Umweg der Theosophie und sonstiger okkultistischen Modeerscheinungen der „goldenen“ 20er Jahre, im Hinduismus und Buddhismus. Vermischt mit christlicher Gnosis, antiker Kultvorstellungen und vorchristlicher, barbarischer Religionsvorstellungen. Schließlich mündend in einem modernen, antisemitischen Staats – Synkretismus, der dem antisemitischen Islamismus der Moderne historisch vorausging - und ihm vor allem in nichts nachsteht.

[22] Hierin besteht auch das verzweifelte Wesen der Selbstmord – Attentäter. 

[23] Karl Marx „Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie” in: MEW, Band  1,  S. 378

[24] Karl. Marx, Kapital I, MEW 23, S. 93.

[25] Ebenda  S., 292, Anm. 124

[26] Vgl. Max Weber, „Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus“

[27] Zuerst durch Martin Luther

[28] (Unter Luther, Calvin oder Zwingli)

[29] Hugenottenkriege in Frankreich, 30 Jähriger Krieg, Puritanische Revolution in England usw. Der Aufstand der Puritaner unter Cromwell endete mit der Unterdrückung der Katholiken in Irland, was bis heute seine irrationalen Spuren hinterlassen hat. Im Laufe des 30 Jährigen Krieges ging mit dem Eingreifen des katholischen Frankreichs auf Seiten des protestantischen Schwedens schon der religiöse Charakter zugunsten imperialer Herrschaftsinteressen offensichtlich verloren.

[30] Vgl. Richard Schaeffler, „Religiöse Kreativität und Säkularisierung in Europa seit der Aufklärung“, in: „Mircea Eliade – Geschichte der Religiösen Ideen“, Band 3.2 , S. 422 ff.

[31] Karl Marx, Die Heilige Familie, MEW 2, 118.

[32] Griechisch: Esoteron = Inneres. Im Gegensatz zu den missionarisch agierenden Religionen (Exoterik) handelt es sich hier um eine nach Innen gerichtete, nur für den Kreis der Eingeweihten (Initiierten) bestimmte Lehre und Methode.

[33] Siehe hierzu auch S.A. Tokarew, „Religion in der Geschichte der Völker“. Tokarew gelingt es in hervorragender Weise den Zusammenhang zwischen den Formationen der Klassengesellschaften und ihren jeweiligen Ausdrucksformen in den religiösen Ideen und Praktiken, in unzähligen Beispielen aufzuzeigen. Das Beispiel der Yoruba wird bei Tokarew nicht ausdrücklich beschrieben. Es liegen dem eigene Recherchen zugrunde.

[34] Selbst auf Kuba musste das Regime dieser Bewegung immer wieder Zugeständnisse machen. Was auch damit zusammenhängt, dass die Ifa den Einfluss des Katholizismus hervoragend kanalisieren kann.

[35] Richard Schaeffler, „Religiöse Kreativität und Säkularisierung in Europa seit der Aufklärung“, in: „Mircea Eliade – Geschichte der Religiösen Ideen“, Band 3.2 , S. 419

[36] Vgl. Ebenda

[37] Die Werke Blavatskis, Steiners und Crowlys erfahren in regelmäßigen Abständen Neuauflagen

[38] Vgl. Rüiger Sünner, „Schwarze Sonne“, S. 17 ff

[39] Der massive Eingriff des Staates in die Wirtschaft fand, mehr oder weniger, in allen am Krieg beteiligten Mächten statt, Wenn auch mit regionalen Unterschieden, deren Ursache in den besonderen historischen Bedingungen der jeweiligen Regionen zu finden sind. Faschismus – Stalinismus – New Deal – Volksfront usw.

[40] Zur Vertiefung der Materie seien hier Texte des Sozialwissenschaftlers Hartmut Zinser empfohlen. U. a. sein Buch: „ Der Markt der Religionen“, München 1997.

[41] Hier ist der Begriff „aufheben“ in seiner ganzen Vieldeutigkeit, und zugleich in seiner dialektischen Kohärenz zu betrachten, als: Bewahren, überwinden, bergen, emporheben, auflösen. In diesem Fall handelt es sich jedoch leider um eine verkehrte Aufhebung des Individuums. Als sich selbst verlieren.

[42] In Deutschland unter den Namen „Wandervögel“ bekannt. Ihr Kennzeichen war eine ausgeprägte Naturverbundenheit und eine Neigung zur schöngeistigen und spirituellen Literatur. Sie finden ihre Entsprechung am ehesten in der sog. Öko – Bewegung der 70er und 80er Jahre.

[43] (übersetz.: Evangelium)

[44] Karl Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 592.

[45] Friedrich Engels, „Dialektik der Natur“, MEW 20, S. 480

[46] Ab Ende der 60er Jahre des 20ten Jahrhunderts setzt sich die Anwendung von EDV und Kernkraft immer mehr durch, und verändert nachhaltig die Produktion und den Arbeitsalltag. Dabei kommt es zu großen Umgruppierungsprozessen in der Gesellschaft und zur ersten bedrohlichen Steigerung der Arbeitslosigkeit nach dem 2. Weltkrieg. Die Verunsicherung in den Metropolen nimmt enorm zu. Das bringt vor allem eine vom „Wirtschaftswunder“ desillusionierte Jugend zum Ausdruck.

[47] Es gab auch einige Fraktionen, die sich darum bemühten den Zusammenhang von Profitstreben und Umweltverschmutzung herzustellen, jedoch von der Perspektive der sozialen Revolution abgekoppelt. Jedenfalls getrennt von den sozialen Kämpfen der Arbeiter, welche sie mit der Gewerkschaft identifizierten, die die Anwendung jeder neuen Technonologie standesdünkelhaft verteidigt.

[48] Vgl.: Friedjoff Capra, „Wendezeit“.

[49] Vgl. : Marilyn Ferguson, „Die sanfte Verschwörung – Persönliche und gesellschaftliche Transformation im Zeitalter des Wassermanns.“

[50] „Einsamkeit ist die Grundbedingung für Manipulation“, bemerkte schlau einst Ulrike Meinhof.

[51] Genau diese Art von mechanischen Materialismus schlägt sich in der Auffassung nieder, dass der Mensch seine Weltanschauung von Außen in seine Blackbox/Festplatte eingespeichert bekommt. Religion/Ideologie als Füllmasse für leere Gehirne. 

[52] Freuds Triebtheorie enthält jedoch selbst noch biologistische Züge. Diese können jedoch, m.E. im voranschreiten der Psychoanalyse heute als weitgehend überwunden betrachtet werden. 

[53] jedoch idealistische

[54] Alfred Adler, Wilhelm Reich, Otto Gross, Friedrich Liebling, Walter Benjamin, Erich Fromm, Theodor W. Adorno, Max Horkheimer, Horst-Eberhardt Richter....usw, usf. 

[55] Siegmund Freud, Die Zukunft einer Illusion, GW 14, S. 346 ff., S. 105 ff.

[56] Heute werden vor allem auch die verhaltenstherapeutischen und systemischen Schulen vom Markt der Wunderheiler ausgebeutet. Siehe NLP oder Familienaufstellungen.

[57] Ch. Türcke, zitiert in: Maria Wölflingseder „Esoterik und die Linke“

[58] Während des Ägyptenfeldzuges Napoleons (1798) wird die Ägyptologie begründet. Diese findet ihren ersten Höhepunkt in der Entzifferung der Hieroglyphen (1822 durch Champollion). In den 40er Jahren des 19ten Jh. Kommt es zur Ausgrabung der Akropolis durch Ludwig Ross. Ab 1858 beginnt die Erforschung der Kelten durch Ausgrabungen in La Tène. Um 1870 entdeckt Schliemann Troja. Anfang des 20ten Jh. gräbt R. Koldeway Babylon aus. 1903-1905 wird Megido (Armageddon) ausgegraben. 1911 wird die Inkastadt Machu Picchu endeckt. 1928 wird Anyiang, die Hauptstadt der Chan-Dynastie ausgegraben, usw. usf. Die Entwicklung Archäologie ist untrennbar mit dem Kolonialismus und dem Imperialismus, also der gewaltsamen Schaffung und Formierung des Weltmarktes verbunden.

[59] Gemeint ist hier die sog. neue Linke, die sich nach dem Rückfluss der proletarischen Kampfwelle ab Anfang der 70er Jahre etabliert hat, und sich von da an als radikalisierte Bürgerrechtsbewegung in allen möglichen Teilbereichsbewegungen – bis heute – engagiert.    

[60] U. a. Ursula Caberta - WASG Spitzenkandidatin und Chefin der Arbeitsgruppe Scientology bei der Hamburger Innenbehörde, Ulla Jelpke Öko - Politikerin u. a. m. 

[61] Vgl. Christoph Boechinger, New – Age und moderne Religionen

[62] Einer der wohl bekanntesten Sprüche, welcher den Hopis unterstellt wurde, und der die Protestation, und die begrenzte Hoffnung der esoterischen Linken gut auf den Punkt bringt lautet in etwa: „Erst wenn der letzte Baum gefällt ist .............werdet ihr merken, dass ihr euer Geld nicht essen könnt.“

[63] Als die Linke beispielsweise die rechte Gesinnung des Familienaufsteller Bert Hellinger entdeckte war dieser bereits Millionär und hatte eine enorme Anhängerschaft, auch unter Linken, gewonnen. Solche Beispiele sind endlos. Als es seinerzeit in der Alternativszene bereits von orangebekleideten Leuten wimmelte kam eine Debatte über die Bagwan – Osho – Bewegung erst richtig in Gange, als dieser überall auf der Welt zu Demonstrationen für die Solidarität mit der Außenpolitik der verhassten USA aufrief. Hintergrund war der Wechsel des Geschäftsitzes von Bagwan von Pohna – Indien, wo er wegen Steuerhinterziehung verfolgt wurde, nach Oregon – USA wo er als Unternehmer zunächst herzlich aufgenommen wurde. Usw. usf.  

[64] So z. B. Maria Wölflingseder, die in zahlreichen Texten, entlang einer marxistischen Wertkritik, das Geschehen auf dem Markt der Illusionen kommentiert. Oder Johann August Schülein, welcher in bemerkenswerter Weise die Funktion von „Jugendsekten“ im Kapitalismus beschrieben, und zugleich einen Beitrag für eine historisch, materialistische Betrachtung des Subjektes geliefert hat. Schließlich ist von meiner Seite noch zu erwähnen der Text „Konsum der Romantik“ von Eva Illouz, die nachweist wie die Werbung im wachsenden Maße auf die Erzeugung romantischer (auch religiöser) Gefühlszustände abzielt, und dadurch die damit verbundenen Erwartungen zugleich immer mehr in die Abhängigkeit von der Inszenierung und dem Erlebnis des Konsums geraten.   

[65]Maria Wölflingseder „Esoterik und die Linke“

[66] Karl Marx „Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie” in: MEW, Band  1,  S. 379

Theoretische Fragen: