Der Kampf des Marxismus gegen das Freimaurertum

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Nach dem Ausschluß eines seiner Mitglieder (siehe die Warnung an unsere Leser) hat unsere Organisation die Verantwortung, unseren Lesern die Position der Revolutionäre gegenüber der Infiltrierung der Arbeiterbewegung durch das Freimaurertum in Erinnerung zu rufen.

 

Um die Gründung seines ‘Netzes der Eingeweihten’ innerhalb der IKS zu rechtfertigen, hatte das ehemalige Mitglied JJ insbesondere die Idee verbreitet, derzufolge die Leidenschaft für die Ideologie der Freimaurer und ihrer ‘geheimen Erkenntnisse’ ein besseres Begreifen der Geschichte ermöglichte, indem man über die Grenzen des Marxismus ‘hinausging’. So hatte er behauptet, ‘entdeckt’ zu haben, daß große Revolutionäre wie Marx und Rosa Luxemburg von der freimaurerischen Ideologie geprägt worden seien; er gab gar zu verstehen, daß sie vielleicht auch Freimaurer gewesen waren.

 

Gegenüber diesen schändlichen Verfälschungen, die darauf abzielen, den Marxismus zu entstellen, müssen wir den gnadenlosen Kampf in Erinnerung rufen, der seit mehr als einem Jahrhundert von den Revolutionären gegen das Freimaurertum und seine Geheimgesellschaften geführt wird, und daß die Revolutionäre diese als Instrument im Dienst der bürgerlichen Klasse betrachten.

 

Die I. Internationale und ihr Kampf gegen die Geheimgesellschaften

 

Schon die I. Internationale war die Zielscheibe wütender Angriffe seitens des Okkultismus. Die Anhänger des katholischen Mystizismus der Carbonari und der Mazzinisten waren erklärte Gegner der Internationale. In New York versuchten Anhänger des Okkultismus um Virginia Woodhull den Feminismus in die Internationale einzuführen: ‘freie Liebe’ und ‘parapsychologische Experimente’ in die amerikanische Sektion. In Großbritannien und in Frankreich organisierten freimaurerische Logen des linken Flügels der Bourgeoisie, die von bonapartistischen Agenten unterstützt wurden, eine Reihe von Provokationen, die die Glaubwürdigkeit der Internationale untergraben und zur Verhaftung von Mitgliedern führen sollte. Das zwang den Generalrat, Pyat und seine Anhänger auszuschließen und sie öffentlich zu entblößen. Aber die größte Gefahr ging von der Allianz Bakunins aus, die eine geheime Organisation innerhalb der Organisation war, und mit verschiedenen Graden der ‘Initiierung’ ihrer Mitglieder in die ‘Geheimnisse’ und ihren Manipulationsmethoden (der ‘revolutionäre Katechismus’ Bakunins) genau dem Beispiel der Freimaurer folgten.

 

Das Engagement von Marx und Engels im Kampf gegen diese Angriffe ist gut bekannt. Insbesondere wurden die Aktivitäten von Pyat und seiner bonapartistischen Anhänger, Mazzinis, Woodhulls offengelegt sowie das Komplott der Allianz um Bakunin gegen die Internationale (siehe dazu Internationale Revue Nr. 17). Daß sich Marx und Engels der Bedrohung, die vom Okkultismus ausgeht, voll bewußt waren, zeigt die Resolution über die Notwendigkeit des Kampfes gegen die Geheimgesellschaften, die Marx selbst vorschlug und vom Generalrat angenommen wurde. In der Londoner-  Konferenz vom September 1871 bestand Marx auf der Tatsache, daß. „dieser Organisationstyp im Widerspruch zu der Entwicklung der proletarischen Bewegung [steht], weil diese Gesellschaften, statt die Arbeiter zu erziehen, sie autoritären und mystischen Gesetzen unterwerfen, die ihre Selbständigkeit behindern und ihr Bewußtsein in eine falsche Richtung lenken.“ (MEW Bd.17, S. 655, 22.Sept. 1871)

 

Die Bourgeoisie versuchte auch die Arbeiterklasse unglaubwürdig zu machen, indem die Medien behaupteten, die Internationale und die Pariser Kommune seien von einer Geheimgesellschaft der Freimaurer gesteuert worden. In einem Interview mit ‘The New York World’, die zu verstehen gab, daß die Arbeiter das Werkzeug einer innerhalb der Pariser Kommune tätigen dreisten Verschwörergruppe seien,  erklärte Marx: „Mein lieber Herr, es gibt gar kein Geheimnis zu lüften, (....) es sei denn das Geheimnis der menschlichen Dummheit bei jenen, die beharrlich die Tatsache ignorieren, daß unsere Assoziation in der Öffentlichkeit wirkt und daß ausführliche Berichte über ihre Tätigkeit veröffentlicht werden für alle, die sie lesen wollen. (....) Dann könnte es genauso eine Verschwörung der Freimaurer gewesen sein, denn ihr individueller Anteil war keineswegs gering. Ich wäre wirklich nicht erstaunt, wenn der Papst ihnen den ganzen Aufstand in die Schuhe schieben würde. Doch versuchen wir, eine andere Erklärung zu finden. Der Aufstand in Paris ist von den Pariser Arbeitern gemacht worden.“ (MEW Bd.17, S.639ff., Interview in ‘The New York World’, 12.08.1871).

 

Der Kampf gegen den Mystizismus in der II. Internationale

 

Nach der Niederlage der Pariser Kommune und der Auflösung der Internationale haben Marx und Engels den Abwehrkampf gegen den freimaurerischen Einfluß in Arbeiterorganisationen in Italien, Spanien oder den USA unterstützt (die Knights of Labour). Die 1889 gegründete II. Internationale war anfangs weniger anfällig für die okkulte Infiltrierung als die I. Internationale. Bei der I. Internationale würde ‘die Weite ihres Programms (es) selbst den Deklassierten erlauben(...), sich einzuschleichen und im Schoße der Assoziation geheime Organisationen zu bilden, deren Tätigkeit sich nicht gegen die Bourgeoisie und die bestehenden Regierungen, sondern gegen die Internationale selbst richten.“ (‘Ein Komplott gegen die Internationale Arbeiterassoziation’, Bericht über das Treiben Bakunins und der Allianz, Hamburg 1873, MEW Bd.18,  S.331).

 

Während die II. Internationale auf dieser Ebene weniger anfällig war, fingen die esoterischen Angriffe nicht mittels organisierter Infiltrierung an, sondern durch eine ideologische Offensive gegen den Marxismus. Ende des 19. Jahrhunderts brüsteten sich die deutschen und österreichischen Freimaurer, aus den Universitäten und den Wissenschaftskreisen die ‘Geißel des Materialismus’ vertrieben zu haben. Mit dem Aufkommen reformistischer Illusionen und des Opportunismus in der Arbeiterbewegung zu Anfang des Jahrhunderts lieferten diese ‘Wissenschaftler’ Mitteleuropas die Grundlage dafür, daß die Bewegung um Bernstein ‘entdeckte, der Marxismus sei überholt’ worden durch den Idealismus und den neo-kantischen Agnostizismus. Auf dem Hintergrund der Niederlage der Revolution in Rußland 1905 drang die Krankheit der ‘Gotteserbauer’ bis in die Reihen der Bolschewiki vor, von denen sie aber bald ausgemerzt wurde. Die II. Internationale verteidigte den wissenschaftlichen Sozialismus heldenhaft und brillant, ohne jedoch dazu in der Lage zu sein, das Vordringen des Idealismus aufzuhalten, so daß die Freimaurer innerhalb der Arbeiterparteien Anhänger gewinnen konnten. Der berühmte französische Arbeiterführer J. Jaurès verteidigte offen die Ideologie der Freimaurer gegen das, was er die ‘arme und eng materialistische ökonomistische Interpretation des menschlichen Denkens’ des revolutionären Marxisten Franz Mehring nannte. 

 

Gleichzeitig öffnete das Aufblühen des Anarcho-Syndikalismus als Reaktion auf den Reformismus ein neues Betätigungsfeld für die Entfaltung reaktionärer Ideen, die manchmal mystischer Art waren und sich auf die Schriften von Philosophen wie Bergson, Nietzsche (er selbst bezeichnete sich als ‘Philosoph der Esoterik’) oder Sorel beriefen.

 

Das wiederum wirkte auf anarchistische Elemente innerhalb der Internationale wie Hervé in Frankreich oder Mussolini in Italien, die beim Ausbruch des 1. Weltkrieges dem rechten Flügel der Organisationen der Bourgeoisie beitraten.

 

Vergeblich versuchten die Marxisten einen Kampf gegen das Freimaurertum in der französischen Partei zu führen, oder den Mitgliedern der SPD zu verbieten, ein ‘Treuegelöbnis’ gegenüber diesen Organisationen abzulegen. Aber in der Zeit vor dem 1. Weltkrieg waren sie nicht stark genug, vergleichbare organisatorische Maßnahmen durchzuführen, wie sie  Marx und Engels innerhalb der I. Internationale durchgesetzt hatten.

 

Die III. Internationale gegen das Freimaurertum

 

Die III. Internationale war entschlossen, die organisatorischen Schwächen der II. Internationale, die 1914 zu deren Bankrott geführt hatten, auszumerzen. Deshalb kämpfte die Komintern für den vollständigen Ausschluß der Mitglieder, die sich zur ‘Esoterik’ hingezogen fühlten. Gegenüber der Infiltrierung freimaurerischer Elemente in die französische Kommunistische Partei, die schon auf dem Gründungskongreß der Partei in Tours  aufgetreten war, bekräftigte der 4. Kongreß der Kommunistischen Internationale in seiner ‘Resolution zur französischen Frage’ die Klassenprinzipien folgendermaßen:

 

 Die Unvereinbarkeit des Freimaurertums mit dem Sozialismus war von der Mehrzahl der Parteien der II. Internationale anerkannt worden (....). Der II. Kongreß der Kommunistischen Internationale hat den Eintrittsbedingungen in die Internationale nur deshalb keinen besonderen Punkt über die Unvereinbarkeit des Kommunismus mit dem Freimaurertum beigefügt, weil dieser Grundsatz bereits seinen Platz in einer besonderen Resolution gefunden hatte, die mit Einstimmigkeit vom Kongreß angenommen worden ist. Die Tatsache, daß auf dem 4. Kongreß der Kommunistische Internationale ans Licht getreten ist, daß eine bedeutende Anzahl französischer Kommunisten den Freimaurerlogen angehören, bildet in den Augen der Internationale den deutlichsten und zugleich beklagenswertesten Beweis dafür, daß unsere französische Partei nicht nur das psychologische Erbe der Epoche des Reformismus, Parlamentarismus und Patriotismus bewahrt hat, sondern auch ganz konkrete, die Spitzen der Partei höchst kompromittierende Beziehungen zu den geheimen politischen und karrieristischen Institutionen der radikalen Bourgeoisie (....).

 

Die Internationale hält es für notwendig, diesen kompromittierenden und demoralisierenden Beziehungen der Spitzen der Kommunistischen Partei zu den politischen Organisationen der Bourgeoisie ein für allemal ein Ende zu machen. Es muß für das französische revolutionäre Proletariat Ehrensache sein, seine gesamten Klassenorganisationen von allen Elementen zu säubern, die gleichzeitig beiden kämpfenden Lagern angehören wollen.

 

Der Kongreß beauftragt das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Frankreichs damit, bis zum 1. Januar 1923 jede Beziehung der Partei in der Person gewisser Mitglieder oder Gruppen zur Freimaurerei zu lösen. Jeder Kommunist, der heute noch zu den Freimaurern gehört und bis zum 1. Januar 1923 seiner Organisation durch Veröffentlichung in der Parteipresse nicht öffentlich erklärt hat, daß er mit dem Freimaurertum vollkommen gebrochen hat, scheidet damit automatisch aus der Kommunistischen Partei aus, ohne das Recht, auch in noch so ferner Zukunft wieder aufgenommen zu werden. Falls jemand seine Zugehörigkeit zum Freimaurertum verheimlicht, muß dies als das Eindringen eines feindlichen Agenten in die Reihen der Partei betrachtet und die betreffende Person vor dem gesamten Proletariat als ehrlos gebrandmarkt werden.“ (‘Beschlüsse zur französischen Frage’, ‘Das Freimaurertum, die Liga der Menschenrechte und die bürgerliche Presse’, Thesen und Resolutionen des IV. Weltkongresses der Kommunistischen Internationale, 5.11. -5.12.1922).

 

Im Namen der Internationale brandmarkte Trotzki die Verbindungen zwischen „Freimaurertum und den Institutionen der Partei, dem Redaktionskomitee und dem Zentralkomitee in Frankreich. Die Menschenrechtsliga und die Freimaurerei sind Instrumente der Bourgeoisie, die das Bewußtsein der Repräsentanten des französischen Proletariats ablenken. Wir erklären einen erbarmungslosen Krieg gegen diese Methoden, denn sie stellen eine geheime und hinterlistige Waffe im Arsenal der Bourgeoisie dar. Wir müssen die Partei von diesen Elementen befreien.“ (Trotzki, ‘Die Stimme der Internationale: Die kommunistische Bewegung in Frankreich’)

 

Ähnlich bezog der Delegierte der KPD auf dem 3.Kongreß der Italienischen Kommunistischen Partei in Rom Stellung, als er sich auf die Thesen zur Taktik der Kommunisten, die von Bordiga und Terracini vorgelegt worden waren, stützte: „Die offenkundige Unvereinbarkeit, gleichzeitig der kommunistischen Partei und einer anderen Partei anzugehören, erstreckt sich außer auf die politischen Parteien auch auf jene Bewegungen, die trotz ihres politischen Charakters, nicht die Bezeichnung und die Organisation der Partei haben, (....), unter diesen vor allem das Freimaurertum.“ (P. Böttcher, ‘Die italienischen Thesen’, Die Internationale, 1922, S.399)

 

Gegenüber dem Aufblühen des Mystizismus und der Verbreitung der okkulten Sekten in der zerfallenden kapitalistischen Gesellschaft müssen sich die Revolutionäre die Lehren aus diesem gnadenlosen Kampf der Marxisten gegen die freimaurerische Ideologie aneignen. Sie müssen die Scham noch beschämender machen, indem sie sie der Öffentlichkeit zugänglich machen, wie Marx meinte, indem sie energisch diese reaktionäre Ideologie entblößen. Genauso wie die Religion, die Marx im letzten Jahrhundert als das ‘Opium für das Volk’ bezeichnete, sind die ideologischen Themen der modernen Freimaurerei ein Gift, das von dem bürgerlichen Staat verbreitet wird, um das Bewußtsein der Arbeiterklasse zu trüben.

 

Die Tatsache, daß die Arbeiterbewegung in der Vergangenheit einen heftigen Kampf gegen den Okkultismus hat führen müssen, ist heute wenig bekannt. Tatsächlich waren die Ideologie und die Methoden der geheimen Infiltrierung durch das Freimaurertum immer eine Speerspitze der Versuche der Bourgeoisie gewesen, die kommunistischen Organisationen von innen her zu zerstören. Wenn sich in der IKS wie bei vielen Organisationen in der Vergangenheit diese Art Ideologie verbreitet hat, ist es unsere Aufgabe und Verantwortung, die Lehren aus diesem Kampf für die Verteidigung des Marxismus dem gesamten proletarischen politischen Milieu mitzuteilen.

 

IKS    26. April 1996