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Der Stalinismus war die Speerspitze der schlimmsten Konterrevolution, die die Arbeiterklasse während ihrer bisherigen Geschichte jemals hinnehmen mußte. Diese Konterrevolution machte insbesondere das größte Abschlachten aller Zeiten, den Zweiten Weltkrieg, und das Versinken der Gesellschaft in einer bis dahin nie in diesem Ausmaß gekannten Barbarei möglich. Nach dem wirtschaftlichen und politischen Zusammenbruch der sog. "sozialistischen" Länder, der faktischen Auflösung des von der UdSSR beherrschten imperialistischen Blocks liegt jetzt der Stalinismus selbst als politisch-ökonomische Organisationsform des Kapitals und als Ideologie im Sterben. Einer der größten Feinde der Arbeiterklasse verschwindet. Aber die Auflösung dieses Feindes macht das Leben der Arbeiterklasse und deren Aufgabe nicht leichter. Im Gegenteil: selbst während er im Sterben liegt, erweist der Stalinismus dem Kapitalismus noch einen letzten Dienst. Dies wollen wir anhand dieses Artikels aufzeigen.
In der ganzen Menschheitsgeschichte stellt der Stalinismus sicherlich die tragischste und verabscheuungswürdigste Erscheinung dar, die je existiert hat. Dies nicht nur, weil er die direkte Verantwortung für das Massaker an Dutzenden von Millionen von Menschen trägt, weil er jahrzehntelang einen erbarmungslosen Terror gegenüber nahezu einem Drittel der Menschheit ausgeübt hat, sondern auch und vor allem, weil er sich als der schlimmste Feind der kommunistischen Revolution erwiesen hat, d.h. der Voraussetzung für die Befreiung der menschlichen Art von den Ketten der Ausbeutung und der Unterdrückung im Namen genau dieser kommunistischen Revolution. Somit trägt er die Hauptschuld für die Zerstörung des Bewußtseins in der Weltarbeiterklasse während der schlimmsten Zeit der Konterrevolution in der Geschichte der Arbeiterklasse.
Die Rolle des Stalinismus in der Konterrevolution
Seit der Etablierung ihrer politischen Herrschaft über die Gesellschaft hat die Bourgeoisie im Proletariat stets ihren ärgsten Feind gesehen. Beispielsweise hat die kapitalistische Klasse im Verlauf der bürgerlichen Revolution Ende des 18. Jahrhunderts, deren 200. Jahrestag gerade mit viel Pomp begangen wurde, sogleich den subversiven Charakter der Ideen eines Babeufs erkannt. Daher hat sie ihn auf das Schafott geschickt, obgleich seine Bewegung damals noch keine wirkliche Bedrohung für den kapitalistischen Staat (1) bilden konnte. Die ganze Geschichte der bürgerlichen Vorherrschaft ist durch fortwährende Massker an Arbeitern gekennzeichnet, mit dem Ziel, diese Vorherrschaft zu beschützen: Massaker an den Lyoner Seidenarbeitern 1831, der schlesischen Weber 1844, den Pariser Arbeitern im Juni 1848, den Kommunarden 1871, den Aufständischen 1905 im gesamten russischen Reich. Die Bourgeoisie war stets in der Lage, Handlanger in ihren politischen Formationen für diese Art von Arbeit zu finden. Aber als die proletarische Revolution auf der Tagesordnung der Geschichte stand, begnügte sie sich nicht mehr damit, an ihre Truppen zu appellieren, um ihre Macht zu schützen. Sie hat auf verräterische Parteien zurückgegriffen, auf Organisationen, die die Arbeiterklasse zuvor selbst in die Welt gesetzt hatte und die es übernommen haben, den traditionellen bürgerlichen Parteien unter die Arme zu greifen oder gar selbst an die Spitze der bürgerlichen Macht zu treten. Die besondere Rolle dieser neuen Rekruten der Bourgeoisie, ihre unverzichtbare und unersetzliche Funktion bestand in ihrer Fähigkeit, aufgrund ihrer Herkunft und ihres Rufs eine ideologische Kontrolle über die Arbeiterklasse auszuüben, um deren Bewußtwerdung zu untergraben und sie auf dem Terrain des Klassenfeindes zu mobilisieren. So bestand das besondere Verdienst der Sozialdemokratie als bürgerliche Partei, ihr größter Volltreffer nicht so sehr darin, direkt für das Massaker an den Arbeitern im Januar 1919 in Berlin verantwortlich zu sein (wo der Verteidigungsminister, der Sozialdemokrat Noske, seiner Verantwortung als "Bluthund", wie er sich selbst bezeichnete, vollauf gerecht wurde), sondern vielmehr in dem Part, den sie als Rekrutierungsoffizier des Ersten Weltkrieges und schließlich, angesichts der revolutionären Welle, die dem imperialistischen Holocaust ein Ende bereitete und ihm folgte, als treibende Kraft hinter den Mystifikationen der Arbeiterklasse, hinter der Spaltung und Zersplitterung ihrer Kräfte gespielt hatte. Tatsächlich hat erst der Verrat des opportunistischen Flügels, der die meisten Parteien der II. Internationale dominierte, sein Wechsel mit Sack und Pack ins Lager der Bourgeoisie die Mobilisierung der europäischen Arbeiterklasse im Namen der „Verteidigung der Zivilisation", der „nationalen Verteidigung", und die Entfesselung dieses Gemetzels erst möglich gemacht. Auch die Politik dieser Parteien, die sich weiterhin als "Sozialisten" ausgaben und deshalb noch über einen großen Einfluß innerhalb des Proletariats verfügten, hat eine wesentliche Rolle bei der Aufrechterhaltung der demokratischen und reformistischen Illusionen in den Reihen des Proletariats gespielt, die es schließlich entwaffnet und unmöglich gemacht haben, dem Beispiel der Arbeiter in Rußland im Oktober 1917 zu folgen.
Im Verlaufe dieser Periode hatten sich die Elemente und Fraktionen, die sich gegen diesen Verrat aufgelehnt und gegen heftigsten Widerstand die Fahne des Internationalismus und der proletarischen Revolution hochgehalten hatten, innerhalb der kommunistischen Parteien, den Sektionen der 3. Internationalen, zusammengeschlossen. Aber dieselben Parteien sollten in der folgenden Zeit eine ähnliche Rolle spielen wie die sozialistischen Parteien. Zermürbt vom Opportunismus, dem das Scheitern der Weltrevolution großzügig die Türen geöffnet hatte, wandelten sich treue Mitwirkende unter der Leitung einer "Internationalen", die zuvor diese Revolution tatkräftig angekurbelt hatte, immer mehr in schlichte Werkzeuge der Diplomatie des russischen Staates in seinem Streben nach Integration in die bürgerliche Welt um, folgten die kommunistischen Parteien denselben Weg wie ihre Vorgänger. So wie die sozialistischen Parteien wurden auch sie letztendlich vollständig in den politischen Apparat des nationalen Kapitals ihres jeweiligen Landes integriert. Doch nebenbei beteiligten sie sich an der Niederschlagung des letzten Aufbäumens der revolutionären Welle nach dem Krieg, wie in China 1927-28, und vor allem leisteten sie einen entscheidenden Beitrag zur Umwandlung der Niederlage der Weltrevolution in eine fürchterliche Konterrevolution.
Tatsächlich waren nach dieser Niederlage die Konterrevolution, die Demoralisierung und die Verstörtheit des Proletariats unvermeidbar. Doch die Form, die diese Konterrevolution in der UdSSR selbst annahm - es kam nicht zum Umsturz der Macht, die im Oktober 1917 entstanden war, sondern zu einer Degeneration dieser Macht und der Partei, die sie in den Händen hielt - verlieh ihr eine unvergleichliche Dimension und Tiefe, die viel bedeutender waren, als wenn die Revolution unter den Schlägen der Weißen Armeen zusammengebrochen wäre. Die Kommunistische Partei der Sowjetunion (KPdSU), die zuvor die unumstrittene Avantgarde des Weltproletariats in der Revolution von 1917 als auch bei der Gründung der Kommunistischen Internationale von 1919 gewesen war, hat sich nach ihrer Eingliederung in den post-revolutionären Staat und den damit entstehenden Konfusionen in einen Hauptagenten der Konterrevolution in der UdSSR verwandelt.(2) Doch dank des Nimbus ihrer vergangenen Großtaten weckte sie auch weiterhin Illusionen in der Mehrheit der anderen kommunistischen Parteien und ihrer Mitglieder wie auch in den großen Massen des Weltproletariats. Aufgrund dieses Prestiges, von dem die kommunistischen Parteien der anderen Länder einen Teil für sich vereinnahmten, wurde der ganze Verrat, der vom Stalinismus damals begangen wurde, von diesen Militanten und Massen toleriert. Insbesondere haben die Preisgabe des proletarischen Internationalismus unter dem Deckmantel des „Aufbaus des Sozialismus in einem einzigen Land", die Identifizierung des „Sozialismus" mit dem Kapitalismus, der sich in der UdSSR in seinen barbarischsten Formen gebildet hatte, die Unterordnung der Kämpfe des Weltproletariats unter die Bedürfnisse der Verteidigung des „sozialistischen Vaterlands" und schließlich die Verteidigung der Demokratie gegen den Faschismus - haben all diese Lügen und Mystifikationen zum großen Teil das Vertrauen der Arbeitermassen mißbraucht, weil diese Lügen von den Parteien vermittelt wurden, die sich weiterhin als die "legitimen" Erben der Oktoberrevolution präsentierten, obgleich sie deren Mörder waren. Diese Lüge - die Identifikation des Stalinismus mit dem Kommunismus - ist wahrscheinlich die größte Lüge in der Geschichte und auf jeden Fall die widerlichste, wozu alle Sektoren der Weltbourgeoisie ihren Scherflein beigetragen haben (3). Sie hat es ermöglicht, daß die Konterrevolution das bekannte Ausmaß annahm und mehrere Generationen von Arbeitern lähmte sowie dem zweiten imperialistischen Gemetzel auslieferte, wodurch auch die kommunistischen Fraktionen, die gegen den Niedergang der Kommunistischen Internationalen und ihrer Parteien gekämpft hatten, eliminiert oder auf den Stand kleiner, vollständig isolierter Kerne reduziert wurden.
Besonders in den 30er Jahren übernahmen die stalinistischen Parteien einen Großteil der Arbeit, die darin bestand, die Wut und den Kampfgeist der von der Weltwirtschaftskrise betroffenen Arbeiter auf ein bürgerliches Terrain zu lenken. Diese Krise war mit ihrem Ausmaß und ihrer Intensität das unleugbare Zeichen für das historische Scheitern der kapitalistischen Produktionsweise und hätte als solche unter anderen Bedingungen der Hebel für eine neue revolutionäre Welle sein können. Aber die Mehrheit der Arbeiter, die sich einer solchen Perspektive zugewandt hätten, ist in den Fallen des Stalinismus, der vorgab, die Tradition der Weltrevolution zu repräsentieren, gefangen geblieben. Im Namen der Verteidigung des „sozialistischen Vaterlandes" und des Antifaschismus haben die stalinistischen Parteien systematisch die damaligen proletarischen Kämpfe jeglichen Inhalts entleert und sie in eine Unterstützung für die bürgerliche Demokratie umgewandelt, wenn sie nicht gar direkt den Vorbereitungen für den imperialistischen Krieg dienten. Dies war besonders in den Episoden der „Volksfront" in Frankreich und Spanien der Fall, wo der große Kampfgeist der Arbeiter durch den Antifaschismus, der "proletarisch" zu sein vorgab und hauptsächlich von den Stalinisten verbreitet wurde, auf Abwege geleitet und ausgelöscht wurde. Hier haben die stalinistischen Parteien bewiesen, daß sie auch außerhalb der Sowjetunion, wo sie seit Jahren schon die Rolle des Henkers spielten, mit ihrem sozialdemokratischen Meister als Mörder des Proletariats gleichzogen und ihn gar übertrafen (siehe insbesondere ihre Rolle bei der Niederschlagung des Aufstands des Proletariats von Barcelona im Mai 1937, in: „Blei, Maschinengewehre, Gefängnis..." in der INTERNATIONALEN REVUE Nr. 7, engl., franz., span. Ausgabe). In der Zahl der Opfer, für die er weltweit direkt verantwortlich ist, kommt der Stalinismus am Faschismus heran, dieser anderen Manifestation der Konterrevolution. Doch seine anti-proletarische Rolle war bei weitem noch größer gewesen, weil er diese Verbrechen im Namen der kommunistischen Revolution und des Proletariats beging, was in Letzterem einen Rückgang im Klassenbewußtsein ohnegleichen in der Geschichte auslöste.
Während am Ende des ersten imperialistischen Krieges und in der unmittelbaren Nachkriegsperiode, als sich die Welle der Weltrevolution ausbreitete, der Einfluß der kommunistischen Parteien in direkter Proportion zur Kampfbereitschaft und vor allem zum Bewußtsein der gesamten Arbeiterklasse stand, verläuft die Entwicklung ihres Einflusses seit den 1930er Jahren umgekehrt proportional zum Bewußtsein der Klasse. Zur Zeit ihrer Gründung war es die Stärke der kommunistischen Parteien gewesen, in gewisser Hinsicht ein Gradmesser für die Macht der Revolution zu sein. Aber nachdem sie vom Stalinismus an die Bourgeoisie verkauft worden waren, spiegelte die Stärke der Parteien, die sich weiterhin "kommunistisch" nannten, nur das Ausmaß der Konterrevolution wider.
Aus diesem Grunde war der Stalinismus nie so stark wie direkt nach dem Zweiten Weltkrieg. Diese Periode bildete auch den Höhepunkt der Konterrevolution. Insbesondere mit Hilfe der stalinistischen Parteien, derer die Bourgeoisie benötigte, um ein neues imperialistisches Gemetzel zu ermöglichen, und die die besten Rekruteure der Befreiungsbewegungen waren, führte dieses Gemetzel im Gegensatz zum Ersten Weltkrieg nicht zu einer neuen revolutionären Bewegung des Proletariats. Die Besetzung eines Großteils Europas durch die "Rote Armee" (4) einerseits sowie die Beteiligung stalinistischer Parteien an Regierungen der "Befreiung" andererseits haben jegliche kämpferische Bestrebungen des Proletariats auf seinem eigenen Terrain durch den Terror oder die Mystifikationen zum Schweigen gebracht und in einen Zustand der Verwirrung gestürzt, die noch größer war als am Vorabend des Krieges. Weit entfernt davon, den Boden für die Arbeiterklasse zu bereiten (wie die Trotzkisten vorgaben, um ihre Beteiligung an der "Résistance" zu rechtfertigen), trieb der Sieg der Alliierten, zu dem der Stalinismus in großem Maße beigetragen hat, sie noch tiefer in die absolute Unterwerfung unter die bürgerliche Ideologie. Dieser Sieg, der als der Triumph der "Demokratie" und der "Zivilisation" über die faschistische Barbarei dargestellt wurde, gestattete es der Bourgeoisie, dem Image der demokratischen Illusionen und des Glaubens an einen "humanen" und "zilisierten" Kapitalismus neuen Glanz zu verleihen. So wurde die Nacht der Konterrevolution um Jahrzehnte verlängert.
Es ist übrigens keinesfalls Zufall, daß das Ende dieser Konterrevolution und die historische Wiederbelebung der Kämpfe der Klasse ab 1968 mit einer bedeutsamen Abschwächung des Einflusses des Stalinismus, des Gewichts der Illusionen über den Charakter der UDSSR und der antifaschistischen Mystifikationen im Weltproletariat in seiner Gesamtheit zusammenfällt. Dies wurde besonders in den beiden westlichen Ländern deutlich, wo die stärksten "kommunistischen" Parteien existierten und wo die wichtigsten Kämpfe dieser Wiederbelebung stattfanden: in Frankreich 1968 und in Italien 1969.
Wie die Bourgeoisie aus dem Zusammenbruch des Stalinismus Kapital schlägt
Diese Abschwächung des ideologischen Einflusses des Stalinismus auf die Arbeiterklasse resultiert zu einem Gutteil aus der Erkenntnis der Arbeiter, was wirklich hinter den Ländern steckt, die sich "sozialistisch" nennen. In den vom Stalinismus beherrschten Ländern haben die Arbeiter schnell feststellen können, daß der Stalinismus zu ihren schlimmsten Feinden zählt. Die Arbeiteraufstände in Ostdeutschland 1953, in Polen und in Ungarn 1956 und ihre blutige Niederschlagung haben den Beweis erbracht, daß die Arbeiter in diesen Ländern keine Illusionen über den Stalinismus hatten. Diese Ereignisse (wie auch die bewaffnete Intervention des Warschauer Paktes in der CSSR 1968) haben auch einer gewissen Anzahl von Arbeitern im Westen die Augen über den Charakter des Stalinismus geöffnet, aber noch nicht so stark wie die Arbeiterkämpfe von 1970, 1976 und 1980 in Polen.(5)
Ein anderes Element, das zum Verschleiß der stalinistischen Mystifikationen beigetragen hat, ist die Offenbarung des Scheiterns der "sozialistischen" Ökonomie durch diese Arbeiterkämpfe. Doch in dem Maße wie dieses Scheitern offenbar wurde und sich die stalinistischen Mystifikationen abschwächten, nutzte die westliche Bourgeoisie dies aus, um ihre Kampagnen über die "Überlegenheit des Kapitalismus über den Sozialismus" zu verbreiten. Auch die demokratischen und gewerkschaftlichen Illusionen, denen die Arbeiter Polens mit voller Wucht ausgesetzt waren, wurden besonders seit der Gründung der Gewerkschaft "Solidarnosc" 1980 weidlich ausgeschlachtet, um ihr Image unter den Arbeitern des Westens aufzuwerten. Vor allem die Stärkung dieser Illusionen, die durch die Repression vom Dezember 1981 und die Illegalisierung von "Solidarnosc" noch größer wurden, erlaubt es, die Konfusionen und den Rückzug der Arbeiterklasse Anfang der 1980er Jahre zu begreifen.
Das Wiederaufkommen einer neuen Welle massiver Kämpfe seit dem Herbst 1983 in den meisten entwickelten Industrieländern und insbesondere in Westeuropa, die Gleichzeitigkeit dieser Kämpfe auf internationaler Ebene bewiesen, daß die Arbeiterklasse dabei war, sich von dem Gewicht der Illusionen und der Mystifikationen zu befreien, die sie in der vorhergehenden Phase gelähmt hatten. Insbesondere das Übergehen und gar die Ablehnung der Gewerkschaften, die vor allem im Eisenbahnerstreik in Frankreich Ende 1986 und in den Streiks im Erziehungswesen in Italien 1987 deutlich geworden waren, die Errichtung von Eingrenzungsstrukturen durch die Linken in diesen und einigen anderen Ländern, die sich als "nicht-gewerkschaftlich", als "Koordinationen" präsentierten, spiegelten ebenfalls die Schwächung gewerkschaftlicher Mystifikationen wider. Damit einher ging eine Schwächung der parlamentarischen Mystifikationen, die durch die Steigerung der Wahlverweigerung insbesondere in den Arbeitervierteln offensichtlich wurde. Aber heute ist es der Bourgeoisie dank des Zusammenbruchs der stalinistischen Regimes und der damit ausgelösten Medienkampagnen gelungen, diese Tendenz wieder umzukehren, die sich Mitte der 80er Jahre manifestiert hatte.
Wenn schon die Ereignisse in Polen 1980/81 - nicht die Arbeiterkämpfe natürlich, sondern die gewerkschaftlichen und demokratischen Fallen, die sich über sie schlossen (und die Repression, zu der diese Fallen führten) - den Herrschenden ermöglicht hatten, innerhalb des Proletariats der fortgeschritteneren Länder eine beträchtliche Desorientierung hervorzurufen, so kann der allgemeine und historische Untergang des Stalinismus, der sich heute abspielt, nur zu noch größeren Konfusionen führen.
Die heutigen Ereignisse spielen sich auf einer ganz anderen Ebene ab als die von Polen 1980. Hier steht nicht ein einziges Land im Mittelpunkt. Alle Länder eines imperialistischen Blocks sind heute betroffen, angefangen mit dem wichtigsten unter ihnen, der UdSSR. Die stalinistische Propaganda konnte die Kalamitäten des Regimes in Polen als das Ergebnis der "Fehler" Giereks darstellen. Heute denkt niemand, auch nicht die neuen Führer Polens, daran, die Verantwortung für die Schwierigkeiten ihres Regimes auf die Politik der Führer der letzten Jahre zurückzuführen. Laut vielen dieser Führer, insbesondere der ungarischen, sind die ökonomischen Strukturen und die politische Praxis, die die stalinistischen Regimes seit ihrer Geburt kennzeichen, irrsinnig. Solch ein Eingeständnis des Scheiterns durch diese Führer ist natürlich Wasser auf die Mühlen der Medienkampagnen der westlichen Bourgeoisie.
Der zweite Grund, weshalb die Bourgeoisie in der Lage ist, den Kollaps des Stalinismus und des von ihm beherrschten Blocks so wirksam auszunutzen, liegt in der Tatsache begründet, daß dieser Kollaps nicht das Ergebnis des Klassenkampfes, sondern eines völligen Scheiterns der Ökonomie dieser Länder ist. Das Proletariat war in diesen grundlegenden Ereignissen, die zur Zeit in den osteuropäischen Ländern stattfindet, als Klasse, als Träger einer dem Kapitalismus entgegengesetzten Politik auf schmerzvolle Weise nicht anwesend. Insbesondere sind die Arbeiterstreiks, die im letzten Sommer in den Bergwerken der UdSSR stattgefunden haben, eher eine Ausnahme und enthüllen mit dem Gewicht der Mystifikationen, das auf sie drückt, die politische Schwäche des Proletariats dieser Länder. Sie waren hauptsächlich eine Folge des Zusammenbruchs des Stalinismus und kein aktiver Faktor in diesem Zusammenbruch. Im übrigen ging es bei den meisten Streiks, die in der letzten Zeit in der UdSSR stattgefunden haben, im Gegensatz zu den Bergarbeiterstreiks nicht um die Verteidigung von Arbeiterinteressen; sie fanden vielmehr auf einem nationalistischen und damit bürgerlichen Terrain statt (baltische Republiken, Armenien, Aserbaidschan usw.). Auch in den zahllosen Massendemonstrationen, die zur Zeit die Länder Osteuropas, insbesondere die DDR, CSSR und Bulgarien, erschüttern und einige Regierungen zwingen, Säuberungen vorzunehmen, ist nicht einmal der Ansatz auch nur einer einzigen Arbeiterforderung zu sehen. Diese Demonstrationen sind vollständig von typisch und ausschließlich bürgerlichen, demokratischen Forderungen geprägt: „freie Wahlen", "Freiheit", "Rücktritt der KPs von der Macht" usw. Während die Auswirkungen der demokratischen Kampagnen, die während der Ereignisse in Polen 1980-81 stattfanden, etwas durch die Tatsache begrenzt wurden, daß diese Ereignisse ihren Ursprung im Klassenkampf hatten, kann die Abwesenheit eines signifikanten Klassenkampfes in den osteuropäischen Ländern nur die zerstörerischen Auswirkungen der gegenwärtigen Kampagnen der Bourgeoisie verstärken.
Auf einer allgemeineren Ebene, nämlich vor dem Hintergrund des Zusammenbruchs eines ganzen imperialistischen Blocks, dessen Auswirkungen gewaltig sind, kann die Tatsache, daß dieses bedeutsame geschichtliche Ereignis unabhängig von der Arbeiterklasse stattgefunden hat, nur das Gefühl der Hilf- und Machtlosigkeit innerhalb der Arbeiterklasse verstärken, auch wenn, wie die in dieser Ausgabe veröffentlichten Thesen zeigen, dieses Ereignis nur geschehen konnte aufgrund des Unvermögens der Bourgeoisie bis heute, die Arbeiterklasse für einen imperialistischen Holocaust zu mobilisieren. Es war der Klassenkampf, der 1917 den Zarismus und dann die Bourgeoisie in Rußland stürzte, danach dem Ersten Weltkrieg ein Ende bereitete und den Untergang des deutschen Kaiserreiches auslöste. Hauptsächlich aus diesem Grund konnte sich auf Weltebene die erste revolutionäre Welle ausbreiten. Demgegenüber bewirkte die Tatsache, daß der Klassenkampf nur ein zweitrangiger Faktor beim Zusammenbruch der "Achsenmächte" und bei der Beendigung des Zweiten Weltkriegs gewesen war, Lähmung und Konfusion in den Reihen des Proletariats nach Kriegsende. Heute, wo der Ostblock unter den Schlägen der Wirtschaftskrise zusammengebrochen ist und nicht unter den Schlägen des Klassenkampfes, verhält es sich nicht anders. Wenn sich die zweite Alternative durchgesetzt hätte, so hätte dies das Selbstvertrauen des Proletariats gestärkt und nicht - wie es heute der Fall ist - geschwächt. Weil der Zusammenbruch des Ostblocks einer Periode des "Kalten Krieges" mit dem westlichen Block folgte, an dessem Ende der Westen als kampfloser "Sieger" dieses "Krieges" erscheint, wird dies darüberhinaus in der Bevölkerung der westlichen Ländern und auch unter den Arbeitern ein Gefühl der Euphorie und des Vertrauens gegenüber ihren Regierungen auslösen, das (auch wenn in einem geringeren Umfang) den Gefühlen der Arbeiter in den Siegerländern nach den beiden Weltkriegen ähnelt, die eine der Ursachen für das Scheitern der revolutionären Welle nach dem Ersten Weltkrieg waren.
Solch eine für das Bewußtsein der Arbeiterklasse katastrophale Euphorie wird natürlich viel begrenzter sein aufgrund der Tatsache, daß die Welt heute nicht aus einem imperialistischen Gemetzel hervorgegangen ist. Jedoch werden die unheilvollen Konsequenzen aus der gegenwärtigen Lage noch durch die Euphorie der Bevölkerung in einer gewissen Anzahl von osteuropäischen Länder verstärkt, die auch auf den Westen ihre Auswirkungen haben werden. So haben nach der Öffnung der Berliner Mauer, das ein Symbol des stalinistischen Terrors par excellence gegen die Bevölkerung der von ihm beherrschten Länder war, die Presse und einige Politiker die Atmosphäre, die in dieser Stadt herrschte, mit der "Befreiung" 1945 verglichen. Dies ist kein Zufall: die Gefühle der Bevölkerung der DDR nach der Öffnung der Mauer waren vergleichbar mit dem Gefühl der Bevölkerung, die jahrelang die Besatzung und den Terror durch Nazi-Deutschland ertragen mußte. Aber wie uns die Geschichte gezeigt hat, gehören diese Gefühle und Emotionen zu den schlimmsten Hindernissen in der Bewußtseinsentwicklung des Proletariats. Darüberhinaus wird die von den Menschen in Osteuropa empfundene Freude über den Zusammenbruch des Stalinismus und vor allem die damit verbundene Verstärkung der demokratischen Illusionen sich stark niederschlagen, und hat sich bereits niedergeschlagen, auf das Proletariat des Westens und besonders auf das Proletariat Deutschlands, dessen Gewicht innerhalb der Weltproletariats im Hinblick auf die proletarische Revolution besonders groß ist. Ferner muß das Proletariat dieses Landes in der kommenden Periode dem Gewicht der nationalistischen Mystifikationen im Hinblick auf die Perspektive einer Wiedervereinigung Deutschlands entgegentreten, die - obgleich noch nicht unmittelbar auf der Tagesordnung - diese nur verstärken wird.
Diese nationalistischen Mystifikationen sind bereits sehr stark unter den Arbeitern der meisten osteuropäischen Länder. Sie existieren nicht nur in den verschiedenen Republiken der UdSSR. Sie lasten auch schwer auf den Arbeitern der "Volksdemokratien", insbesondere aufgrund der brutalen Art und Weise, mit der der "Große Bruder" seine imperialistische Herrschaft über sie ausübte. Die blutigen Interventionen der russischen Panzer in der DDR 1953, in Ungarn 1956 und in der CSSR 1968 sowie die regelrechte Ausplünderung, der die Volkswirtschaft dieser "Satelliten"-Länder ausgesetzt waren, haben diesen Mystifikationen neue Nahrung gegeben. Neben den demokratischen und gewerkschaftlichen Illusionen haben sie viel zur Verwirrung der Arbeiter in Polen 1980-81 beigetragen, was die Tür zur Niederschlagung im Dezember 1981 geöffnet hat. Mit dem Auseinanderbrechen des Ostblocks, das wir zur Zeit erleben, werden sie neuen Auftrieb erhalten und die Bewußtwerdung der Arbeiterklasse noch schwieriger gestalten. Diese nationalistischen Mystifikationen werden auch den Arbeitern des Westens zu schaffen machen, nicht zwangsläufig (abgesehen von Deutschland) durch eine Stärkung des Nationalismus in ihren Reihen, sondern durch die Diskreditierung und Entstellung, die in ihrem Bewußtsein die Idee des proletarischen Internationalismus erleidet. In der Tat ist dieser Begriff durch den Stalinismus und im gleichen Atemzug durch alle bürgerlichen Kräfte völlig verfälscht worden, die es mit der imperialistischen Herrschaft der UdSSR über ihren Block identifiziert haben. So wurde 1968 die Intervention der Panzer der Staaten des Warschauer Paktes in der CSSR im Namen des "proletarischen Internationalismus" durchgeführt. Der Zusammenbruch und die Ablehnung des "Internationalismus" stalinistischer Prägung durch die Bevölkerung der osteuropäischen Länder wird einen negativen Einfluß auf das Bewußtsein der Arbeiter des Westens ausüben, und dies umso mehr, als die westliche Bourgeoisie keine Gelegenheit verpassen wird, um dem wirklich proletarischen Internationalismus ihre "internationale Solidarität" entgegenzusetzen, die sie als eine Unterstützung der Volkswirtschaften der in Not geratenen osteuropäischen Länder (wenn es nicht direkt um Aufrufe für Almosen geht) oder der "demokratischen Forderungen" ihrer Bevölkerung versteht, wenn sie mit der brutalen Repression zusammenstößt (man erinnere sich an die Kampagnen über Polen 1981 oder erst kürzlich über China).
In der Tat gilt, und hier kommen wir zum Kern der Kampagnen, die die Bourgeoisie zur Zeit entfacht, ihr ultimatives und fundamentales Ziel der Perspektive der kommunistischen Weltrevolution, die vom Zusammenbruch des Stalinismus in Mitleidenschaft gezogen wird. Der Internationalismus ist nur ein Element dieser Perspektive. Die alte Leier, die die Medien bis zum Erbechen verbreiten: „Der Kommunismus ist tot, er ist gescheitert", faßt die fundamentale Botschaft zusammen, die die Bourgeois aller Länder den Arbeitern, die sie ausbeuten, indoktrinieren wollen. Und die Lüge, über die bereits in der Vergangenheit, in den schlimmsten Zeiten der Konterrevolution Einmütigkeit bestand unter allen bürgerlichen Kräften - die Identifizierung des Kommunismus mit dem Stalinismus -, wird heute mit derselben Einhelligkeit wieder aufgegriffen. Diese Gleichsetzung hat es der Bourgeoisie in den 30er Jahren gestattet, die Arbeiterklasse für den Stalinismus mobilisieren, um ihre Niederlage zu besiegeln. Heute, wo der Stalinismus in den Augen aller Arbeiter völlig in Verruf geraten ist, dient dieselbe Lüge dazu, sie von der Perspektive des Kommunismus abzubringen.
In den Ländern Osteuropas leidet die Arbeiterklasse schon seit langem unter einer solchen Konfusion: wenn hinter dem Begriff der "Diktatur des Proletariats" der Polizeiterror steckt, wenn "Arbeitermacht" zynische Machtausübung durch Bürokraten bedeutet, wenn "Sozialismus" brutale Ausbeutung, Elend, Mangel und Mißwirtschaft bezeichnet, wenn man in der Schule Zitate von Marx oder Lenin auswendig lernen muß, dann kann man sich von diesen Begriffen nur abwenden. Das heißt, man verwirft die eigentliche Grundlage der historischen Perspektive des Proletariats und weigert sich, die Grundlagentexte der Arbeiterbewegung zu studieren; ja, die Begriffe "Arbeiterbewegung" und "Arbeiterklasse" sind zu Obszönitäten geworden. Vor solch einem Hintergrund ist die Idee einer Revolution des Proletariats selbst vollkommen unglaubwürdig. „Was bringt es, noch einmal wie im Oktober 1917 anzufangen, wenn es schließlich doch nur in einer stalinistischen Barbarei endet?" Solcherlei sind die Gefühle, die heute praktisch unter allen Arbeitern der osteuropäischen Länder herrschen. Heute strebt die Bourgeoisie in den westlichen Ländern mit Hilfe des Niedergangs und der Agonie des Stalinismus an, eine ähnliche Verwirrung unter den Arbeitern des Westens zu stiften. Und der Bankrott des Stalinismus ist so offensichtlich und spektakulär, daß ihr dies zu einem guten Teil gelingt.
So werden all diese Ereignisse in den osteuropäischen Ländern, die ihren Widerhall auf der ganzen Welt finden, noch eine ganze Zeitlang auf negative Weise die Bewußtwerdung der Arbeiterklasse behindern. Kurzfristig wird die Öffnung des "Eisernen Vorhangs", der das Weltproletariat in zwei Teile spaltete, den Arbeitern des Ostens nicht erlauben, von den Erfahrungen ihrer Klassenbrüder in den westlichen Ländern zu profitieren, die diese in ihren Kämpfen angesichts der von der stärksten Bourgeoisie der Welt aufgestellten Fallen und Mystifikationen erlangt haben. Im Gegenteil: die unter den Arbeitern in Osteuropa besonders stark verbreiteten Illusionen über die Demokratie, ihr Glaube an die "Überlegenheit des Kapitalismus über den Sozialismus" werden sich über den Westen ergießen, wodurch die Errungenschaften der Erfahrungen des Proletariats in diesem Teil der Welt kurzfristig und vorübergehend beeinträchtigt werden. Daher wird die Agonie dieses Instruments par excellence der Konterrevolution, das der Stalinismus gewesen war, heute von der Bourgeoisie gegen die Arbeiterklasse eingesetzt.
Die Perspektiven des Klassenkampfes
Der Zusammenbruch der stalinistischen Regimes, der im wesentlichen auf das völlige Versagen ihrer Wirtschaft zurückzuführen ist, kann vor dem Hintergrund einer weltweiten Vertiefung der kapitalistischen Wirtschaftskrise dieses Versagen nur verschlimmern. Für die Arbeiterklasse dieser Länder bedeutet dies beispiellose Angriffe und Elend, gar Hungersnöte. Eine solche Situation wird zwangsläufig Wutausbrüche provozieren. Doch der politische und ideologische Kontext ist dergestalt in den osteuropäischen Ländern, daß der Kampfgeist der Arbeiter eine ganze Zeitlang nicht zu einer echten Entwicklung des Bewußtseins führen wird. Das Chaos und die Erschütterungen, die sich im wirtschaftlichen und politischen Bereich verbreiten, die Barbarei und Fäulnis der gesamten kapitalistischen Gesellschaft, die hier auf konzentrierteste und karikativste Weise zum Ausdruck kommen, werden so lange nicht zur Erkenntnis über die Notwendigkeit eines Umsturzes dieses Systems führen, wie solch eine Erkenntnis nicht unter den entscheidenden Bataillonen des Proletariats der großen Arbeiterkonzentrationen des Westens, insbesondere in Westeuropa, herangereift ist.(6)
Wie wir gesehen haben, erfahren bis heute eben diese Sektoren des Weltproletariats mit voller Wucht die Kampagnen der Bourgeoisie und sind durch einen Rückgang ihres Bewußtseins betroffen. Das heißt nicht, daß sie nicht imstande sind, den Kampf gegen die ökonomischen Attacken des Kapitalismus, dessen Weltkrise unumkehrbar ist, aufzunehmen. Es bedeutet vielmehr, daß mehr noch als in den vergangenen Jahren diese Kämpfe eine gewisse Zeitlang von Organen zur Kontrolle der Arbeiterklasse, insbesondere den Gewerkschaften in Schach gehalten werden, wie man bereits in den letzten Kämpfen sehen konnte. Insbesondere die Gewerkschaften werden von der allgemeinen Verstärkung der demokratischen Illusionen profitieren. Sie werden zudem ein Terrain vorfinden, das mit der Verbreitung der reformistischen Ideologie, die auf eine Verstärkung der Illusionen über die "Überlegenheit des Kapitalismus" über jede andere Gesellschaftsform hinausläuft, viel besser geeignet ist für ihre Manöver.
Doch das Proletariat von heute ist nicht dasselbe wie in den 30er Jahren. Es hat keine Niederlage hinter sich wie jene, die es nach der revolutionären Welle in der Nachkriegszeit des Ersten Weltkrieges erlitten hatte. Die weltweite Krise des Kapitalismus ist unauflösbar. Sie wird sich noch verschlimmern: nach dem Zusammenbruch der "Dritten Welt" Ende der 70er Jahre, nach der aktuellen Implosion der sog. "sozialistischen" Ökonomien steht als nächstes auf der Liste der Zusammenbruch der höchst entwickelten Länder, die sich bislang zum Teil hatte durchlavieren können, indem sie die schlimmsten Erschütterungen des Systems auf die Peripherie abgewälzt hatten. Die unvermeidliche Offenbarung des völligen Versagens nicht nur eines einzelnen Sektors des Kapitalismus, sondern der gesamten Produktionsweise wird die Grundlagen der Kampagnen der westlichen Bourgeoisie über die "Überlegenheit des Kapitalismus untergraben. Letztendlich wird die Entwicklung des Kampfgeistes der Arbeiter zu einer neuen Entwicklung ihres Bewußtseins führen, die jetzt durch den Zusammenbruch des Stalinismus unterbrochen und konterkariert wird. Es ist Sache der revolutionären Organisationen, zu dieser Entwicklung entschlossen beizutragen, nicht indem wir heute versuchen, die Arbeiter zu trösten, sondern indem wir offenlegen, daß es ungeachtet der Schwierigkeiten keinen anderen Weg für die Arbeiterklasse gibt als den zur kommunistischen Revolution.
F.M. 25.11.89
(1) Es ist aufschlußreich, daß die "revolutionäre" und "demokratische" französische Bourgeoisie nicht zögerte, die Erklärung der Menschenrechte zu verhöhnen, die sie selbst kurz zuvor verabschiedet hatte (und um die heute so viel Aufhebens gemacht wird), als sie jeglichen Zusammenschluß von Arbeitern untersagte (Gesetz Le Chapelier vom 14. Juni 1791). Dieses Gesetz wurde erst knapp ein Jahrhundert später (1884) abgeschafft.
(2) Die Degeneration und der Verrat gingen nicht ohne den Widerstand der Arbeiterklasse und der bolschewistischen Partei vonstatten. Insbesondere wurde ein Großteil der Militanten und fast alle Führer der Partei aus der Zeit des Oktober 1917 durch den Stalinismus ausgelöscht. Siehe dazu insbesondere „Der Niedergang der russischen Revolution", INTERNATIONALE REVUE, Nr. 2 und „Die Kommunistische Linke in Russland" in INTERNATIONALE REVUE, Nr. 8 + 9 (engl., franz., span. Ausgabe).
(3) In den späten 20er Jahren und die 30er Jahre hindurch hatte die demokratische Bourgeoisie des Westens bei weitem nicht dieselbe Abscheu gegenüber dem "barbarischen" und "totalitären" Stalinismus an den Tag gelegt, die erst mit dem "Kalten Krieg" aufkam und noch heute in diesen Kampagnen zur Schau gestellt wird. Insbesondere unterstützte sie Stalin vorbehaltlos bei dessen Verfolgungen der "Linksopposition" und ihres Hauptführers Trotzki. Für Letztgenannten wurde die Welt nach seiner Ausweisung aus der UdSSR 1928 zu einem „Planeten ohne Visa". Alle "Demokraten" der Welt, an erster Stelle die Sozialdemokraten, die in Deutschland, Großbritannien, Norwegen, Schweden, Belgien und in Frankreich die Regierun g bildeten, stellten erneut ihre widerwärtige Heuchelei unter Beweis, als sie ihre "tugendhaften Prinzipien" wie das "Asylrecht" fallenließen. Diese vornehme Welt hatte auch nichts an den Moskauer Schauprozessen auszusetzen, wo Stalin die alte Garde der bolschewistischen Partei liquidierte, indem er sie des "Hitler-Trotzkismus" bezichtigte. Diese Schöngeister haben gar gesagt, daß es „keinen Rauch ohne Feuer" gebe. (siehe dazu auch WELTREVOLUTION, Nr. 40)
(4) Ein zusätzlicher Beweis dafür, daß die Regimes, die nach dem Zweiten Weltkrieg in Osteuropa an die Macht kamen (wie auch das heutige Regime in der UdSSR), nichts mit dem Regime zu tun haben, das in Rußland 1917 die Macht übernahm, liegt in der Rolle begründet, die der imperialistische Krieg bei ihrer Entstehung spielte. Der proletarische Charakter der Oktoberrevolution wird durch die Tatsache veranschaulicht, daß sie gegen den imperialistischen Krieg entstanden ist. Der anti-proletarische und kapitalistische Charakter der "Volksdemokratien" wird von der Tatsache demonstriert, daß sie dank des imperialistischen Kriegs konstituiert wurden.
(5) Dies ist sicherlich nicht der einzige Faktor, der uns erlaubt, den schwindenden Einfluß des Stalinismus in der Arbeiterklasse wie auch die Abschwächung der gesamten bürgerlichen Mystifikationen seit dem Ende des Weltkrieges und dem historischen Wiedererstarken der Arbeiterklasse Ende der 60er Jahre zu erklären. Außerdem spielte der Stalinismus in vielen Ländern (insbesondere in Nordeuropa) seit dem 2. Weltkrieg im Vergleich zur Sozialdemokratie nur noch eine zweitrangige Rolle bei der Kontrolle der Arbeiterklasse. Die Schwächung der antifaschistischen Mystifikationen aufgrund des Fehlens eines faschistischen Schreckgespenstes in den meisten Ländern sowie der schwindende Einfluß der Gewerkschaften (ob sozialdemokratische oder stalinistische) nach all ihrem Mitwirken in der Sabotierung der Kämpfe in den sechziger Jahren erlauben uns ebenfalls, den schwindenden Einfluß sowohl des Stalinismus auch der Sozialdemokratie auf das Proletariat zu erklären. Daher war Letztgenannte in der Lage, auf der historischen Bühne wiederaufzutreten, sobald die ersten Angriffe der offenen Krise losgingen.
(6) Siehe unsere Analyse zu dieser Frage im Artikel „Das Proletariat Westeuropas im Zentrum der Generalisierung des Klassenkampfes", INTERNATIONALE REVUE, Nr. 31 (engl., franz., span. Ausgabe).
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