Die Immobilienkrise – ein Symptom der Krise des Kapitalismus

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Wenn man der Bourgeoisie Glauben schenkte, dann geht alles bestens. Die Aktienkurse übertreffen alle Rekorde, lang andauerndes Wachstum, die Preisentwicklung unter Kontrolle. Und dann seit Anfang Juli ein Börsenstrudel, der all dieses Gerede  Lügen gestraft hat. Innerhalb weniger Wochen sind die Börsen weltweit, dem Kurs des Dow Jones folgend, um mehr als 10% gefallen.

 

Um diese Krise vorübergehend einzudämmen, haben die amerikanische FED und die EZB (Europäische Zentralbank) mehr als 330 Milliarden Dollar in die Märkte gepumpt! Diese kolossalen, von den Zentralbanken verschiedener Länder in Umlauf gebrachten Beträge belegen als solche schon das Ausmaß des Bebens und der wirklichen Angst der gesamten Kapitalistenklasse.

 

Heute versuchen die Experten und die anderen Schwindler erneut, Illusionen zu verbreiten, indem sie behaupten, diese Erschütterungen seien nur vorübergehend oder lediglich eine “begrüßenswerte Korrektur” dieser Spekulationsexzesse der letzten Jahre. Aber in Wirklichkeit sind diese Erschütterungen ein Beleg für die neue Phase der Zuspitzung der Krise, die sich seit dem Ende der 1960er  Jahre  verschärft hat. Erneut werden die Folgen der Zuspitzung auf die Arbeiterklasse abgewälzt werden.

 

 

 

Das Monster der Verschuldung offenbart den historischen Bankrott des Kapitalismus

In den Medien reagierten diesen Sommer die bürgerlichen Ökonomen auf die Mitteilung,  dass sich jeden Tag Millionen Dollar in Luft auflösten, nur mit den Worten: Das war unvorhersehbar! Die Krise sei wie ein Blitz aus heiterem Himmel ausgebrochen. Das sind natürlich Lügen. Die Börsenhaussen, der Immobilienboom und selbst das Wirtschaftswachstum – all das fußte nur auf Sand, und alle wussten es. Im letzten Frühjahr hoben wir hervor, dass die angeblich gute Gesundheit der Weltwirtschaft nur auf der Anhäufung von Schulden basierte, und schlechte Zeiten verkündete: “Effektiv handelt es sich dabei um eine Flucht nach vorn, die weit entfernt davon ist, die Widersprüche des Kapitalismus  zu lösen und uns nur eine noch schmerzhaftere Zukunft beschert, mit einer brutalen Verlangsamung des Wachstums”

 

Das war keine Vorahnung von irgendetwas, sondern es stützte sich auf eine historische Analyse des Kapitalismus. Hinter der gegenwärtigen Finanzkrise steckt eine große Schulden- und Kreditkrise. Und diese astronomische Verschuldung fällt ebenso wenig vom Himmel. Sie ist die Folge von 40 Jahren langsamer und unaufhörlicher Zuspitzung der Weltwirtschaftskrise.

 

Seit dem Ende der 1960er Jahre hat der Kapitalismus nur dadurch überlebt, dass er einen immer größeren Schuldenberg anhäufte. 1967 geriet die Wirtschaft ins Stocken. Und seitdem hat Jahrzehnt für Jahrzehnt das Wachstum abgenommen. Die einzige Reaktion der Bourgeoisie bestand darin, ihr System an den Tropf zu hängen, indem immer größere Summen in Form von Krediten und Schulden in die Wirtschaft gepumpt wurden. Die Wirtschaftsgeschichte der letzten 40 Jahre bildet eine Art infernale Spirale: Krise – Verschuldung –  weitere Zuspitzung der Krise – weitere Zunahme des Schuldenberges. Nach den Ölschocks von 1973 und 1979 trat 1991 - 1993 eine offene Rezession ein, die asiatische Krise folgte 1997 - 98 und schließlich platzte 2000 - 2002 die Internet-Blase. Jedes Mal waren die Erschütterungen gewaltiger, die Konsequenzen noch dramatischer.

 

Heute bricht die Krise erneut aus, der Schuldenberg  hat unvorstellbare Ausmaße erreicht. Die Schulden der USA, der größten Militär- und Wirtschaftsmacht der Erde, betrugen 1970 630 Milliarden Dollar, 2003 lagen sie bei 36.850 Milliarden Dollar. Und seitdem ist die Spirale völlig außer Kontrolle geraten. Dieser Schuldenberg wächst jeden Tag um weitere 1.64 Milliarden Dollar. Diese Schwindel erregenden Zahlen verdeutlichen, dass die gegenwärtige Finanzkrise viel tiefergreifender ist als die vorhergehenden.

 

 

 

Die Immobilienkrise hat eine große Finanzkrise ausgelöst

Seit einem Jahrzehnt hat der Spekulationswahnsinn alle Bereiche der Wirtschaft erfasst. In einem Ausmaß wie nie zuvor können die meisten Kapitalien nicht mehr ausreichend Profit bringend in der realen Wirtschaft (in den Betrieben, die Güter- und Dienstleistungen produzieren) angelegt werden. Infolgedessen haben sie sich einfach auf die reine Spekulation gestürzt. Ob Banken, Hypothekenbanken, Spekulationsfirmen, die auf Risikoanlagen spezialisiert sind (die berühmten Hedge Fonds) (1), überall stürzt man sich auf ein angebliches Eldorado. Geld und Kredite sind in unglaublich großen Mengen geflossen. Die Bourgeoisie schien nur noch von einer einzigen Sache besessen zu sein: sich immer mehr zu verschulden.

 

In diesem im Wesentlichen wahnsinnigen Kontext wurden die Privathaushalte vor allem in den USA, aber auch in geringerem Maße in Großbritannien und in Spanien stark dazu gedrängt, Eigentumswohnungen und Häuser zu erwerben, ohne wirklich über die Mittel dazu zu verfügen. Finanzorganisationen haben angefangen, Darlehen an Arbeiterfamilien mit extrem niedrigem Einkommen zu vergeben mit dem einzigen Pfand ihres Immobilienbesitzes. Das Grundprinzip dieser Hypothekenkredite (genannt subprimes) sieht wie folgt aus: Wenn Herr X ein Haus zum Preis von 100.000 $ erwerben will, leiht ihm ein Kreditinstitut (eine Bank zum Beispiel) dieses Geld ohne irgendeine andere Sicherheit als die Hypothek auf dieses Haus. Wenn Herr X überschuldet ist und es ihm nicht gelingt, seine Schulden zurückzuzahlen, gelangt das Haus wieder in den Besitz des Kreditinstituts, welches dieses verkauft und somit wieder seine 100.000 $ zurückerlangt. Dies ist die einzige Garantie der Bank. Deshalb haben sich hauptsächlich die hedge-funds (die auf Risikoanlagen spezialisiert sind) an diesen subprimes beteiligt. Mehr Arbeiter, die leichter Hypotheken aufnehmen konnten, wollten ein eigenes Haus erwerben. Deshalb stiegen die Immobilienpreise (ca. 10% pro Jahr). Die Arbeiter mit extrem niedrigen Einkommen haben letztendlich nur die Wahl,  mittels Verschuldung das Haus zu erwerben. Sie verschuldeten sich weiter grenzenlos, indem sie Hypotheken auf ihr Haus aufnahmen, das an Wert gewonnen hatte. Zum Beispiel konnte unser Herr X feststellen, dass der Verkaufswert seines Hauses auf 120.000 $ angestiegen war. Er konnte erneut einen Verbraucherkredit von 20.000$ aufnehmen. Und dann stieg der Verkaufswert seines Hauses auf 150.000$. Herr X konnte weitere 30.000 $ Schulden aufnehmen, und so weiter. Aber dieser Kreislauf ist nicht grenzenlos. Auf der einen Seite verarmt die Arbeiterklasse (infolge von Entlassungen, eingefrorenen Gehältern usw.) Auf der anderen Seite sind die Zinszahlungen in den USA, da dort die Hypothekenzinsen variabel sind, jeden Monat angestiegen.

 

Wenn zu viele Arbeiter nicht mehr ihre astronomischen monatlichen Raten zurückzahlen können, wenn die Banken immer mehr auf die Hypotheken pfändend zurückgreifen, bricht die Krise aus, die Immobilienblase platzt – wie jetzt. Zu viele Häuser werden dann zum Verkauf angeboten, die Häuserpreise purzeln (sie könnten bis zu 15 - 30% fallen). Eine perverse Auswirkung: die Kaufkraft von Millionen Arbeiterfamilien, die gerade auf dem Wert ihrer Häuser fußt und somit auf ihrer Fähigkeit, Schulden aufzunehmen, bricht zusammen; denn der Preisverfall der Immobilien bedeutet für sie die Zahlungsunfähigkeit.  Denn wenn der Preis des Hauses  von Herrn X fällt (z.B. auf 110.000$), erhalten die Banken keine Ratenzahlungen mehr. Nicht nur besitzt Herr X nun kein Haus mehr, nicht nur hat er jahrelang Ratenzahlungen geleistet, sondern er schuldet auch noch den Preisunterschied den Hypothekenbanken, d.h. 40.000$ … Hinzu kommen natürlich noch die Zinsen! Das Ergebnis all dessen lässt nicht lange auf sich warten: mehr als drei Millionen Haushalte werden sich diesen Herbst auf der Straße wieder finden.

 

Gleichzeitig haben die hedge-funds, die neben der Verfügbarmachung von Geldern mit den subprimes aktiv sind, auch nicht gezögert, sich gegenüber den Banken und anderen Kreditanstalten bis über den Kopf verschuldet, um mit Immobilien zu spekulieren. Das Prinzip besteht einfach darin, ein Grundstück zu kaufen, um es dann eine gewisse Zeit später zu veräußern, indem man auf einen Anstieg der Immobilienpreise setzt. So bedeutet auch das Platzen der Immobilienblase den Bankrott all dieser Fonds. Auch wenn diese Hypotheken beschlagnahmt werden und Millionen Menschen auf der Straße landen, fallen diesen Organisationen Häuser in die Hände, die nicht mehr so viel wert sind. Durch den Dominoeffekt werden die Banken und Kreditinstitute ebenso betroffen. Man muss sich das vorstellen. Diese Institute leihen voneinander in solch einem Maße Geld, dass niemand mehr weiß, wer bei wem verschuldet ist. Jeden Tag erfahren wir, dass eine Bank oder ein Kreditinstitut am Rande der Pleite steht. Dies trifft schon auf die Bank Countrywide in den USA, auf die Sachsen LB oder die IKB in Deutschland zu. Jetzt rutschen der gesamte Spekulationsbereich und das Kreditwesen in eine offene Krise. Auch hier muss wiederum die Arbeiterklasse die Rechnung bezahlen: Im August gab es einen richtigen Run der Kleinsparer auf die Sparkassen in den USA und in Deutschland. Das gleiche wird sicherlich in Zukunft in Großbritannien, Spanien, Japan und China auftreten.

 

 

 

Hinter der Finanzkrise, die Krise der ‚realen’ Wirtschaft

Solch eine Finanzkrise wird immer zu einer Krise der realen Wirtschaft. Die einzige Frage, die heute im Raume steht, ist, welchen Umfang diese haben wird. Schon vor der Finanzkrise diesen Sommers hatten die bürgerlichen Experten angefangen die Wachstumsprognosen der Weltwirtschaft heimlich nach unten zu revidieren. Im Januar 2007 prognostizierte die UNO einen Rückgang des Wachstums auf 3.2% dieses Jahr (nach ursprünglichen Prognosen von 3.8% 2006 und 4.5% 2005). Aber mit dem Ausbruch des Börsenkrachs werden diese Zahlen erneut nach unten revidiert werden.

 

Die weit reichende Kreditkrise bringt ebenso gnadenlos einen jähen Rückgang der Aktivitäten der Betriebe mit sich. Niemand kann oder möchte mehr den Betrieben Geld für weitere Investitionen leihen. Und die Rekordgewinne, die diese Betriebe manchmal verkünden, stützen sich oft zu einem Großteil auf massive Verschuldung. Sobald der Kredithahn geschlossen ist, werden die meisten dieser Betriebe in eine sehr schlimme Schieflage geraten. Der bekannteste Bereich ist sicherlich die Bauindustrie. Da die Immobilienblase nur auf Risikokrediten fußte, werden viele Bauaufträge hinfällig werden. Die Bauaufträge werden in den USA, aber auch in Großbritannien, in Deutschland, Spanien und vielen anderen hoch entwickelten Ländern, zurückgehen. Deshalb wird das gesamte Wachstum in Mitleidenschaft gezogen. Und die Auswirkungen sind noch nicht abzusehen: “wie in den USA liefert ein Immobilienkredit mindestens zu 80% das Geld  für Privatverbrauch; der gesamte Bereich der Privathaushalte wird dadurch getroffen. Die US - Konsumentenachfrage wird somit sinken und das Wirtschaftswachstum in den USA um mindestens 1 - 1.5% sinken. Statt der erwarteten 3.5%, werden wohl kaum 2% erreicht werden” (Patrick Artuis, La Tribune de l’Economie, 27.8.07). Und das ist schon das optimistischste Szenario. Einige Spezialisten erwarten für die USA nur ein Wachstum von 1%. Die US-Rezession wird von weltweiter Ausstrahlung sein. Die europäische Wirtschaft ist stark mit der Wirtschaftsaktivität in den USA verbunden. Auch wird die befürchtete Verlangsamung der US- und europäischen Wirtschaft starke Auswirkungen auf China wie ganz Asien haben. Europa und die USA stellen die Absatzmärkte für 40% der Exporte Chinas dar. Damit wird das gesamte Wirtschaftswachstum auf der ganzen Welt erfasst werden.

 

Aber es fehlt noch ein erschwerender Faktor, um besser zu begreifen, was jetzt vor sich geht: die Rückkehr der Inflation. Heute beträgt die Inflation 5.6% in China, das wegen seiner zweistelligen Wachstumszahlen so gepriesene Land. Dies ist die höchste Inflationsrate seit 10 Jahren, und jeden Monat steigt sie weiter an. Die Rohstoffpreise und die Lebensmittelpreise ziehen schon überall weltweit an. Die Preise für Grundnahrungsmittel werden vermutlich um 10% ansteigen. Schneeballeffekt:  der Verbrauch der Arbeiterklasse und der großen Mehrheit der Bevölkerung wird stark gebremst werden, was wiederum die Lage vieler Betriebe erschweren wird.

 

Seit dem Ende der 1960er Jahre hat es viele Talfahrten bei den Aktien und Rezessionen gegeben. Jedes Mal waren sie brutaler und tiefergreifend. Diese neue Episode stellt keine Ausnahme dar; sie stellt einen weiteren, zusätzlichen Schritt der historischen Zuspitzung der Krise des Kapitalismus dar. Alle ökonomischen Warnzeichen schlagen gleichzeitig Alarm: Kreditkrise und Verbraucherkrise, astronomische Verschuldung, Rezession und Inflation! Jetzt stehen wir vor der schlimmsten Rezession seit mehr als 40 Jahren. Die Folgen sollen auf die Schultern der Arbeiterklasse abgewälzt werden. Nur der vereinte und solidarische Kampf der Arbeiterklasse wird sich dem entgegenstellen können.  Tino, 30.08.07

 

 

 

(1)     Offiziell befinden sich ca. 1300 Milliarden Dollar in den Händen der hedge-funds.