Gespeichert von Weltrevolution am
In allen Ländern bereitete sich die Bourgeoisie, die durch die blinden Gesetze des Kapitalismus unabwendbar zum Militarismus gedrängt wurde, auf den Krieg vor, egal ob es sich um faschistische oder demokratische Staaten oder um die stalinistische UdSSR handelte. Die Sackgasse der Wirtschaftskrise ließ ihr keinen anderen Ausweg als die Flucht nach vorn in einen zweiten weltweiten Holocaust. Dieser beschleunigte Kurs auf den Krieg, wahrhaftige Lebensweise des Kapitalismus in seiner Niedergangsphase, brachte den Faschismus hervor. Dieser konnte sich in denjenigen Ländern durchsetzen, in denen es aufgrund der von der Arbeiterklasse erlittenen tiefen Niederlage nicht mehr nötig war, demokratische Institutionen aufrecht zu erhalten, deren Funktion gerade darin besteht, das Proletariat mit Illusionen zu umgeben, damit es sich unterwirft und geschlagen werden kann. Der Faschismus stellte sich als diejenige Regierungsform dar, die den Vorbereitungen am besten entsprach, die nötig waren auf dem beschleunigten Marsch in den Krieg.
Die ideologische Unterwerfung für den imperialistischen Krieg unter die Fahne des Faschismus, des Nationalsozialismus oder des stalinistischen „Vaterlandes des Sozialismus“ wurde mit dem Mittel des gnadenlosen Terrors erreicht. Doch in den Ländern, die „demokratisch“ geblieben waren, brauchte die Bourgeoisie ein besonderes Mittel, um die Arbeiter, die nicht die Niederschlagung von revolutionären Bewegungen erlitten hatten, zu unterwerfen: die Verschleierung durch den Antifaschismus. Er wurde den Arbeitern angeboten als Ausgangspunkt der Mobilisierung, damit man sich schützen könne gegen die Schreckensherrschaft des Faschismus; er war das Mittel, mit dem sie sich als Kanonfutter im Krieg gewinnen ließen im Dienste des einen imperialistischen Lagers gegen ein anderes, zur Verteidigung des demokratischen Staats. Um dieses Ziel zu erreichen, bediente sich die Bourgeoisie namentlich in Frankreich und Spanien der „Volksfronten“ und der linken Parteien, die die Regierungen übernahmen.
Der Anarchismus vom Antifaschismus befallen
Im Gegensatz zum proletarischen Internationalismus, der der vereinigende Ruf der Arbeiterklasse war, mit dem sie in der Gestalt der proletarischen Revolution der Barbarei des ersten weltweiten Gemetzels ein Ende setzte, ist der Antifaschismus keineswegs ein Mittel für das Proletariat zur Verteidigung seiner Klasseninteressen, sondern das Mittel, um sich gefesselt und geknebelt der demokratischen Bourgeoisie auszuliefern. Die herrschende Lage einer Konterrevolution, die das Resultat der Niederlage des Proletariats war und jede Aussicht auf eine revolutionäre Erhebung versperrte, hätte auf keinen Fall ein Grund sein dürfen, die fundamentalen Grundsätze des proletarischen Internationalismus angesichts des Zweiten Weltkrieges in Frage zu stellen. Es gab keine Wahl zu treffen zwischen den verschiedenen Lagern. Es gab nur einen Kampf - gegen die Bourgeoisie sowohl im faschistischen wie im demokratischen Lager.
Gefangen in der Logik der Verteidigung der „Freiheit“ gegen den „Autoritarismus“ kapitulierte der Anarchismus vollständig vor dem Antifaschismus. In der Zeit vor dem Krieg gehörten die verschiedenen anarchistischen Strömungen zu den wichtigsten Verfechtern des Antifaschismus. Dieser sollte die große Mehrheit der Anarchisten dazu führen, sich im Zweiten Weltkrieg unverbrüchlich auf die Seite der Alliierten zu schlagen. Der Anarchismus hatte keinen Klassenbegriff, der auf den realen, im Kapitalismus herrschenden gesellschaftlichen Verhältnissen beruht hätte, und es zog ihn unweigerlich in die vollständige Unterwerfung unter die Demokratie, diese besonders hinterlistige Art der kapitalistischen Diktatur. Gewisse Internationalisten von 1914, wie Rudolf Rocker, verteidigten 1940 auf einmal die Beteiligung am imperialistischen Krieg mit dem Argument, im Gegensatz zu 1914 gehe es jetzt um zwei Systeme, die sich radikal unterschieden, so dass der Kampf gegen den Faschismus die Unterstützung der demokratischen Staaten rechtfertige. Diese Sichtweise bestimmte die allermeisten Anarchisten dazu, physisch am Krieg teilzunehmen, und zwar vor allem in den nicht uniformierten imperialistischen Partisanen-Armeen (französisch: „Maquis“) der Résistance (1).
In Frankreich stellte sich die Gruppe CNT/Netzwerk Vidal in den Pyrenäen „vom Anfang des Krieges an in den Dienst der Résistance und arbeitete aktiv mit dem Geheimdienst und mit dem Zentralen Büro für Nachrichten und Aktionen (Bureau Central de Renseignement et d’Action BCRN) von de Gaulle zusammen, aber auch mit dem Netzwerk Sabot und der Gruppe Combat. (…) Mangels nationaler Widerstandsorganisation erschienen die Anarchisten als kleine Anzahl, obwohl sie sehr präsent waren. Lasst uns dennoch die Partisanen des Staudamms von l’Aigle zitieren (…), Hochburg des Wiederaufbaus der CNT im Exil und eine der aktivsten Partisanengruppen der Résistance. Diese Guerilla ist praktisch zu 100% konföderal (ein Bund), wie auch die Partisanen von Bort-les-Orgues. Allgemein haben die Partisanen des Massif Central einem hohen Anteil an spanischen Anarchisten (…)“ (2) Die Anarchisten waren „Präsent in den Partisanenverbänden in Südfrankreich, in den Gruppen FFI, FTP, MUR oder in den autonomen Gruppen (das Bataillon Libertad im Cantal, der Verband Bidon 5 in Ariège, in Languedoc-Roussillon) (…) und setzten zu Hunderten auf französischem Boden den Kampf fort, den sie gegen den spanischen Faschismus geführt hatten“ (3). Das Bataillon „Libertad“ „befreite le Lot und Cahors. (…) In Foix sind es die anarcho-syndikalistischen Partisanen der CNT-FAI, die die Stadt am 19. August befreien.“ (4)
Gleiches Bild in Italien. Als die italienischen Truppen sich am 8. September 1943 den Alliierten ergaben, blieben die Regionen des Zentrums und des Nordens in den Händen der Deutschen und der faschistischen Republik von Salò. „Die Anarchisten warfen sich sofort in den bewaffneten Kampf, errichteten dort, wo dies möglich war (Carrara, Genua, Mailand), autonome Formationen oder - was mehrheitlich der Fall war - schlossen sich anderen Formationen an wie den sozialistischen „Matteotti“-Brigaden, den kommunistischen „Garibaldi“-Brigaden oder den „Giustizia-e-Libertà“-Einheiten der Aktionspartei“ (5).
An zahlreichen Orten traten die Libertären dem Komitee zur Nationalen Befreiung bei, das ein breites Spektrum von antifaschistischen Parteien zusammenfasste, oder organisierten Patriotische Aktionsgruppen (sic). Die Anarchisten waren zahlenmäßig stark in der 28. Garibaldi-Brigade vertreten, die Ravenna befreite. „In Genua operierten anarchistische Kampfgruppen unter den Namen von „Pisacane“-Brigade, „Malatesta“-Formation, SAP-FCL, SAP-FCL Sestri Ponente und Anarchistische Aktionsschwadrone d’Arenzano. (…) Diese Aktivitäten wurden von der Kommunistisch-Libertären Föderation (FCL) und von der anarchosyndikalistischen Gewerkschaft der USI bevorzugt, die soeben in den Fabriken wiederaufgetaucht war. (…) Die Anarchisten gründeten die Brigaden „Malatesta“ und „Bruzzi“, die bis zu 1300 Partisanen umfassten: diese operierten unter der Aegide der Formation „Matteoti“ und spielten eine Vorreiterrolle bei der Befreiung Mailands.“ (6)
Die Beispiele von Bulgarien, wo die bulgarische KP nach der Invasion der UdSSR 1941 „die Guerilla organisierte, an der sich zahlreiche Anarchisten beteiligten“ (7), oder der anarchistische gegen Japan gerichtete Guerilla in Korea in den 1920er und 30er Jahren, zeugen davon, dass die Beteiligung der Anarchisten am imperialistischen Krieg einen allgemeinen Charakter hatte.
Und viele waren nicht einmal angewidert von der Uniform der demokratischen imperialistischen Armeen: „Die spanischen Libertären (…) beteiligten sich zu Tausenden am Widerstand gegen den Nationalsozialismus und einige von ihnen stießen in den Bataillonen des Freien Frankreich im Kampf bis nach Deutschland vor“ (8). „Einige Genossen meldeten sich bei den Regimentern der Fremdenlegion und kämpften in ihren Reihen an vorderster Front“ (9). „Sie wurden sowohl nach Nordafrika geschickt wie auch nach Schwarzafrika (Tschad, Kamerun). Die Letzteren wurden 1940 in die Freien Französischen Streitkräfte aufgenommen. Sie wurden Teil der Truppen des Generals Leclerc.“ Bei der berühmten 2. Panzerdivision, die zu mehr als 60% aus Spaniern bestand, waren viele Anarchosyndikalisten, so dass eine ihrer Kompanien „vollständig aus spanischen Anarchisten zusammengesetzt war“. In den Panzern „Ascaso“, „Durruti“, „Casas Viejas“ waren sie „bei den ersten, die am 24. August 1944“ bei der Befreiung von Paris „in die Hauptstadt fuhren“ (10) und den Lumpen der Trikolore auf dem Stadthaus hissten!
Der Standpunkt des Krieges - in konsequenter Fortsetzung der Haltung von 1936 in Spanien
Die Haltung der Anarchisten während dem Zweiten Weltkrieg ist auf der gleichen Linie wie diejenige, die sie schon während der „Hauptprobe“ im Krieg in Spanien eingenommen hatten. Dieser stellte brutal die Rolle bloß, die die Anarchisten in diesem Krieg spielten, der weder ein „Klassenkrieg“ noch eine „Revolution“ war, sondern ein Krieg zwischen zwei Fraktionen der spanischen Bourgeoisie, der im Weltkrieg mündete.
Im Juli 1936 erbrachte die CNT in Befolgung des antifaschistischen Paktes, den sie mit den Parteien der Volksfront geschlossen hatte, der republikanischen Regierung ihre Unterstützung, indem sie die Reaktion des Proletariats gegen den Staatsstreich Francos auf das Terrain des Antifaschismus lenkte (11). Die CNT verlagerte die Auseinandersetzung eines gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Kampfes des Proletariats gegen die Gesamtheit der Kräfte der Bourgeoisie auf die Ebene der militärischen Konfrontation mit Franco allein und schickte die Arbeiter an die Fronten, damit sie sich als Teil der antifaschistischen Milizen abschlachten ließen für Interessen, die nichts mit ihnen zu tun hatten.
Die Beteiligung der Libertären an der bürgerlichen republikanischen Regierung in Katalonien und Madrid zeigt die Entwicklung des Anarchismus hin zur Unterstützung des bürgerlichen Staats. „Nach dem ersten Sieg über die abtrünnigen Generäle und angesichts des sich abzeichnenden lang andauernden und enorm wichtigen Krieges verstanden wir, dass die Stunde noch nicht gekommen war, die Funktion der Regierung, des Regierungsapparats für beendet zu betrachten. So wie der Krieg einen passenden Apparat braucht, damit er überhaupt erfolgreich geführt werden kann - die Armee -, so braucht es auch ein Organ der Koordination, der Zentralisierung aller Ressourcen und Energien des Landes, d.h. den Mechanismus eines Staats. (…) Solange der Krieg dauert, müssen wir im blutigen Kampf handeln und in der Regierung intervenieren. Tatsächlich muss diese eine Kriegsregierung sein, zum Zweck, den Krieg zu führen und zu gewinnen. (…) Wir denken, dass der Krieg die erste Sache ist, dass der Krieg gewonnen werden muss als Vorbedingung für irgendwelche neue Bedingung …“ (12). Als sich die Arbeiter von Barcelona im Mai 1937 erhoben, waren die Anarchisten Komplizen der Repression durch die Volksfront und die Regierung von Katalonien (an der sie teilnahmen), während die Frankisten vorübergehend ihre Kampfhandlungen einstellten, um den linken Parteien die Niederschlagung des Aufstands zu erleichtern.
Indem die CNT den totalen Krieg unterstützte, indem sie das Proletariat mit Hilfe der anarchistischen Kollektive und der antifaschistischen Milizen militarisierte, indem sie den Burgfrieden mit der republikanischen Bourgeoisie ausrief und Streiks verbat, beteiligte sie sich an der Mobilisierung des Proletariats für einen Krieg, der ohne wenn und aber einen imperialistischen Charakter angenommen hatte mit der Teilnahme der Demokratien und der UdSSR auf der republikanischen beziehungsweise Deutschlands und Italiens auf der frankistischen Seite. „Gegenwärtig ist das kein Bürgerkrieg, den wir führen, sondern ein Krieg gegen die Eindringlinge: Mauren, Deutsche, Italiener. Nicht eine Partei, eine Organisation, eine Theorie sind in Gefahr. Es geht um die Existenz Spaniens selber, eines Landes, das Herr über sein Schicksal sein will und zu verschwinden droht“ (13). Der Nationalismus der CNT ging so weit, dass sie ausdrücklich zum Weltkrieg aufrief, um die „spanische Nation“ zu retten: „Das freie Spanien wird seine Aufgaben erfüllen. Angesichts dieser heroischen Haltung - was werden die Demokratien tun? Es ist zu hoffen, dass das Unabwendbare nicht lange auf sich warten lässt. Die provokative und primitive Haltung Deutschlands wird schon unerträglich. (…) Die einen und die anderen wissen, dass schließlich die Demokratien mit ihren Schwadronen und mit ihren Armeen intervenieren werde müssen, um diesen Horden von Wahnsinnigen den Weg zu versperren …“ (14).
Die Preisgabe der Interessen des Proletariats und die Haltung der CNT zum imperialistischen Krieg riefen im anarchistischen Lager lauten Widerspruch hervor (Berneri, Durruti). Aber die Unfähigkeit der Opposition, mit dem Standpunkt zu brechen, laut dem es sich um einen Krieg handle, der Hand in Hand mit der Revolution gehe, lieferte sie der Politik der Niederlage und der Rekrutierung des Proletariats aus. So waren diejenigen, die versuchten, gegen den Krieg und für die Revolution zu kämpfen, unfähig, den Ausgangspunkt für einen wirklich revolutionären Kampf zu finden: den Aufruf an die Arbeiter und Bauern (die von beiden Lagern - dem republikanischen und dem frankistischen - rekrutiert worden waren) zu desertieren, ihre Gewehre auf ihre Offiziere zu richten, von der Front heimzukehren und mittels Streiks zu kämpfen, mit Demonstrationen, auf dem Terrain der Arbeiterklasse gegen den Kapitalismus insgesamt.
Winzige internationalistische Flämmchen
Doch als der Weltkrieg ausbrach erhoben sich gegen den Hauptstrom des antifaschistischen Kriegstaumels einige Stimmen aus dem anarchistischen Milieu, die den Antifaschismus ablehnten und die einzig wirklich revolutionäre Position vertraten - die des Internationalismus. So erklärte 1939 in Großbritannien die Glasgow Anarchist-Communist Federation, dass „der gegenwärtige Kampf die imperialistischen Rivalen zum Schutz ihrer schnöden Interessen gegenüberstellt. Die Arbeiter aller Länder gehören zur unterdrückten Klasse, haben nichts gemein mit diesen Interessen und den politischen Zielen der herrschenden Klasse. Ihre Front ist nicht die Maginot-Linie, wo sie demoralisiert und getötet werden, während ihre Meister betrügerische Gewinne anhäufen“ (15). In Südfrankreich entfaltete die winzige Gruppe um Volin (16) eine Intervention gegen den Krieg auf einer klar internationalistischen Grundlage: „Der gegenwärtige Konflikt ist das Werk der Mächte des Geldes einer jeden Nation, der Mächte, die ausschließlich und international von der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen leben. (…) Die Staatschefs, die militärischen Chefs aller Farben und Nuancen, wechseln das Lager, zerreißen Verträge, unterschreiben andere, dienen einmal der Republik, dann wieder der Diktatur, kollaborieren heute mit jenen, mit denen sie gestern Krieg geführt haben, und umgekehrt, und wieder umgekehrt. (…) das Volk dagegen bezahlt die Rechnung: es wird mobilisiert für die Demokratien, gegen die Demokratien, für die Faschisten, gegen die Faschisten. Aber sei es in Afrika, in Asien, in Europa, es ist das einfache Volk, das die Rechnung bezahlt für diese ‚widersprüchlichen Erfahrungen’ und sich das Maul verhauen lässt. (…) Es geht nicht nur darum, gegen den Hitler-Faschismus zu kämpfen, sondern gegen alle Faschismen, gegen alle Tyranneien, seien es rechte, der Mitte oder linke, seien sie royalistisch, demokratisch oder sozial, denn keine Tyrannei wird die Arbeit emanzipieren, keine wird die Welt befreien, keine wird die Menschheit auf einer wahrhaft neuen Grundlage organisieren“ (17). Diese Stellungnahme zeigt, dass diese Anarchisten ein Ausdruck der Arbeiterklasse waren. Doch auch hier: Wenn sie zu einer solchen Klarheit vordrangen, so deshalb, weil sie sich den Klassenpositionen des Proletariats anschlossen.
Aber die harte Probe der Abgeschiedenheit gegenüber den anderen Gruppen, die internationalistisch geblieben waren, und gegenüber der Klasse unter den Bedingungen des Triumphs der Konterrevolution über die Massen, wie auch der enorme Druck des Antifaschismus („wir waren täglich konfrontiert mit den Antifaschisten. Sollten wir uns mit ihnen zusammen tun oder gegen den Strom schwimmen? Die Frage war im Alltag oft erdrückend“) (18) erstickten diesen Funken bald. Der Tod von Volin (September 1945), die Unfähigkeit der Anarchisten, die Lehren aus ihren Erfahrungen zu ziehen, führten die Leute seiner Gruppe zurück in den Schoß der CNT, zurück zum vorübergehenden Anschluss an die antifaschistischen Komitees und schließlich zur Beteiligung am Wiederaufbau der Anarchistischen Föderation auf politischen Grundlagen, die vollständig bürgerlich waren.
Welche politische Zukunft für die militanten Arbeiter der anarchistischen Bewegung?
Aus der geschichtlichen Untersuchung des Anarchismus in der Zeit der beiden Weltkriege kann man eine doppelte Schlussfolgerung ziehen:
- Der Anarchismus offenbarte nicht nur seine Unfähigkeit, dem Proletariat eine brauchbare Alternative und eine revolutionäre Perspektive anzubieten, sondern stellte ein direktes Mittel zur Mobilisierung der Arbeiterklasse für den imperialistischen Krieg dar. 1936/37 war die Kapitulation des Anarchismus vor der ideologischen Verschleierung des Antifaschismus und der bürgerlichen Demokratie, die als das „geringere Übel“ als der Faschismus betrachtet wurden, ein Mittel für den Kapitalismus, die Front der politischen Kräfte, die für den Krieg agierten, zu erweitern, indem sich die Anarchisten in diese Front einreihten. Der Spanische Krieg war nach dem Ersten Weltkrieg der zweite entscheidende Schritt des Anarchismus, der seine Entwicklung hin zur Unterstützung des kapitalistischen Staats besiegelte. Diese Unterwerfung unter die bürgerliche Demokratie drückte sich in der Integration der offiziellen Strömungen des Anarchismus in die politischen Kräfte des kapitalistischen Staats aus. So wurde der Anarchismus zwischen 1914 und dem Krieg in Spanien 1936/37 in zwei Phasen zu einer Ideologie der Verteidigung der bürgerlichen Ordnung und ihres Staats.
- In zweiter Linie ist es aber auch nötig festzustellen, dass die anarchistische Bewegung sich nicht auf ihre offiziellen Strömungen reduzieren lässt und ein sehr heterogenes Milieu bleibt. Zu allen Zeiten hat ein Teil dieses Milieus ehrlich zur Revolution und zum Sozialismus gestrebt, einen wirklichen Willen zum Ausdruck gebracht, dem Kapitalismus ein Ende zu bereiten, und sich für die Abschaffung einer jeden Ausbeutung engagiert. Diese Militanten befinden sich tatsächlich auf dem Boden der Arbeiterklasse, wenn sie sich als Internationlisten verstehen und daran sind, in den revolutionären Kampf einzutreten. Doch ihre Zukunft hängt wesentlich von einem Dekantierungsprozess ab, dessen Richtung und dessen Breite vom Kräfteverhältnis zwischen den beiden Hauptklassen abhängig sind, demjenigen zwischen der Bourgeoisie und dem Proletariat.
Diese Dekantierung kann je nachdem eher ins Nichts oder sogar zur Bourgeoisie führen, wie in den schwarzen Jahren der Konterrevolution nach 1940. Ohne den Kompass des Klassenkampfes des Proletariats und den Sauerstoff der Diskussion und der Debatte mit den revolutionären Minderheiten, die der Klassenkampf hervorbringt, gingen sie in die Fallen der dem Anarchismus innewohnenden Widersprüche, welche die Anarchisten politisch entwaffnet und sie auf dem Terrain der bürgerlichen Ordnung festsetzt.
Umgekehrt führt die Dekantierung aber zur Arbeiterklasse, wenn diese als revolutionäre Kraft in Erscheinung tritt. So ermöglichten es den Anarchisten, die internationalistisch geblieben waren, genau die revolutionäre Bewegung der Arbeiterklasse, der Ausbruch der Weltrevolution und der proletarische Aufstand in Russland (mit der Zerstörung der bürgerlichen Staatsapparats durch die Sowjets und der einseitigen Einstellung der Beteiligung am imperialistischen Krieg durch das russische Proletariat und die Bolschewiki), dass sie 1914-18 eine konsequente internationalistische Haltung einnahmen. Sie schlossen sich in der Folge der historischen Bewegung der Arbeiterklasse an, indem sie sich der kommunistischen Bewegung annäherten, die aus der Linken der Sozialdemokratie hervorgegangen und gegen den Krieg eingestellt war: die Bolschewiki und die Spartakisten, die einzigen, die fähig waren eine brauchbare und realistische Alternative vorzuschlagen - die Umwandlung des imperialistischen Krieges in den Bürgerkrieg und die proletarische Weltrevolution.
Scott
Fußnoten:
1) Die Verbündung des Anarchismus mit dem Staat konnte sich in verschiedene Richtungen, je nach Fraktion der herrschenden Klasse, bewegen: Gewisse Militante ließen sich von der Arbeits-Charta („Charte du Travail“) verführen, andere - z.B. Pazifisten - vom Waffenstillstand, und arbeiteten mit am Programm der Nationalen Revolution von Pétain und der Vichy-Regierung, wie Louis Loréal, oder befanden sich plötzlich im französischen Staatsapparat wie P. Besnard.
2) Les Anarchistes espagnols et la Résistance, in l’Affranchi Nr. 14, Frühling/Sommer 1997, auf CNT-AIT.info.
3) E. Sarboni, 1944 : les Dossiers noirs d’une certaine Résistance, Perpignan, Ed. du CES, 1984.
4) Les Anarchistes espagnols et la Résistance, in l’Affranchi Nr. 14, Frühling/Sommer 1997, auf CNT-AIT.info.
5) 1943-45 : Anarchist partisans in the Italian Resistance, auf libcom.org (Übersetzung von uns)
6) 1943-45 : Anarchist partisans in the Italian Resistance, auf libcom.org (Übersetzung von uns)
7) Nachwort zu Max Nettlau, Geschichte der Anarchie, S. 281 (der französischen Ausgabe)
8) E. Sarboni, 1944: Dossiers noirs d’une certaine Résistance, Perpignan, Ed. du CES, 1984.
9) Pépito Rossell, Dans la Résistance, l’apport du mouvement libertaire (« In der Résistance, der Beitrag der libertären Bewegung »)
10) Le Monde diplomatique, August 2004
11) Zum Werdegang der CNT vgl. unsere Artikelfolge in der International Review, insbesondere die Artikel Das Scheitern des Anarchismus beim Verhindern der Integration der CNT in der bürgerlichen Staat (1931-34) und Der Antifaschismus, der Weg zum Verrat der CNT (1934-36), Nr. 132 und 133 der franz./engl./span. Ausgabe.
12) D.A. de Santillan, in Solidaridad obrera, 16. April 1937.
13) D.A. de Santillan, in Solidaridad obrera, 21. April 1937.
14) Solidaridad obrera, 6. Januar 1937, zitiert nach Révolution prolétarienne Nr. 238, Januar 1937.
15) Zitiert nach P. Hempel, A bas la guerre, S. 210.
16) Wsewolod Michailowitsch Eichenbaum, bekannt unter dem Namen Volin, lebte von 1882 bis 1945; er war während der Revolution von 1905 Mitglied der Sozialrevolutionären Partei und beteiligt sich an der Gründung des Sowjets von St. Petersburg. Er wurde verhaftet, floh und erreichte Frankreich 1907, wo er Anarchist wurde. 1915 drohte die französische Regierung ihn wegen seines Widerstands gegen den Krieg zu verhaften, und er floh in die Vereinigten Staaten. 1917 kehrte er nach Russland zurück und kämpfte bei den Anarchosyndikalisten. In der Folge nahm er Kontakt zur Machno-Bewegung auf und stand zunächst an der Spitze der Abteilung Kultur und Bildung der Aufstandsarmee, 1919 wurde er Vorsitzender ihres Militärrates. Er wurde mehrere Male verhaftet, verließ Russland nach 1920 und flüchtete nach Deutschland. Nachdem er wieder in Frankreich angekommen war, redigierte er auf Anfrage der spanischen CNT deren Zeitung in französischer Sprache. Er sprach sich offen gegen die Politik der Klassenkollaboration der CNT-FAI in Spanien aus. 1940 befand er sich in Marseille und schrieb Die unbekannte Revolution fertig. Die Entbehrungen und die schrecklichen materiellen Bedingungen des Lebens im Untergrund schwächten ihn so sehr, dass er 1945 in Paris an Tuberkulose starb.
17) Auszüge aus dem Flugblatt: A tous les travailleurs de la pensée et des bras, (« An alle Kopf- und Handarbeiter »), 1943
18) Les Anarchistes et la résistance, CIRA