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Wir veröffentlichen nachfolgend das Einleitungsreferat zu unseren Diskussionsveranstaltungen in Frankreich im September dieses Jahres
In der gegenwärtigen Situation fällt auf, dass es einen gewaltigen Graben gibt zwischen der Wut, den eine Flut von Angriffen ausgelöst hat, und dem zahlenmäßig noch sehr geringen Interesse gegenüber Fragen der Revolution. Die Ausgebeuteten erkennen immer klarer, dass der Kapitalismus ein sterbendes System ist, welches die ganze Menschheit ins Verderben führt, aber sie glauben nicht an die Revolution. 1968 schien die Revolution möglich, aber nicht als notwendig; heute ist genau das Gegenteil der Fall.
Welche “andere Welt” ist möglich?
Es wird eine ausbeutungsfreie Zeit sein, in der es keine Armut, keine Grenzen, keine Kriege geben wird, und die menschlichen Bedürfnisse befriedigt sein werden. Es handelt sich um die freie Vereinigung der Produzenten, d.h. derjenigen, die die Reichtümer durch ihre assoziierte Arbeit herstellen. Dies ist der Kommunismus, in dem sich die Menschen frei entfalten können. Die Arbeit wird nicht mehr Leiden verursachen und eine grenzenlose Langeweile auslösen, stattdessen wird sie zu einem Faktor der Entfaltung der Menschen werden.
Wir veröffentlichen nachfolgend das Einleitungsreferat zu unseren Diskussionsveranstaltungen in Frankreich im September dieses Jahres
In der gegenwärtigen Situation fällt auf, dass es einen gewaltigen Graben gibt zwischen der Wut, den eine Flut von Angriffen ausgelöst hat, und dem zahlenmäßig noch sehr geringen Interesse gegenüber Fragen der Revolution. Die Ausgebeuteten erkennen immer klarer, dass der Kapitalismus ein sterbendes System ist, welches die ganze Menschheit ins Verderben führt, aber sie glauben nicht an die Revolution. 1968 schien die Revolution möglich, aber nicht als notwendig; heute ist genau das Gegenteil der Fall.
Welche “andere Welt” ist möglich?
Es wird eine ausbeutungsfreie Zeit sein, in der es keine Armut, keine Grenzen, keine Kriege geben wird, und die menschlichen Bedürfnisse befriedigt sein werden. Es handelt sich um die freie Vereinigung der Produzenten, d.h. derjenigen, die die Reichtümer durch ihre assoziierte Arbeit herstellen. Dies ist der Kommunismus, in dem sich die Menschen frei entfalten können. Die Arbeit wird nicht mehr Leiden verursachen und eine grenzenlose Langeweile auslösen, stattdessen wird sie zu einem Faktor der Entfaltung der Menschen werden. Dann wird auch das Gefangenendasein aufgrund der extremen Spezialisierung auf eine gleiche Aktivität zu Ende kommen, denn wie Marx sagte: „
„ Sowie nämlich die Arbeit verteilt zu werden anfängt, hat jeder einen bestimmten ausschließlichen Kreis der Tätigkeit, der ihm aufgedrängt wird, aus dem er nicht heraus kann; er ist Jäger, Fischer oder Hirt oder kritischer Kritiker und muß es bleiben, wenn er nicht die Mittel zum Leben verlieren will – während in der kommunistischen Gesellschaft, wo jeder nicht einen ausschließlichen Kreis der Tätigkeit hat, sondern sich in jedem beliebigen Zweige ausbilden kann, die Gesellschaft die allgemeine Produktion regelt und mir eben dadurch möglich macht, heute dies, morgen jenes zu tun, morgens zu jagen, nachmittags zu fischen, abends Viehzucht zu treiben, nach dem Essen zu kritisieren, wie ich gerade Lust habe, ohne je Jäger, Fischer, Hirt oder Kritiker zu werden.“ [Marx/Engels: Die deutsche Ideologie. Marx/Engels: Ausgewählte Werke, S. 1298
(vgl. MEW Bd. 3, S. 33)]
Natürlich geht es hier um die grundsätzliche Idee dieses Zitats, und nicht um die Idee, dass man im Kommunismus auf der Stufe des Jägerdaseins leben werde. Es wird natürlich Jäger geben, aber diese wird man im Museum sehen.
Was ist die materielle Grundlage dieser neuen Gesellschaft?
Der Überfluss, während bislang der Mangel das Merkmal der Klassen- und Ausbeutungsgesellschaften gewesen ist.
Wie wird solch ein Überfluss möglich sein?
Seitdem der Mensch nicht mehr mit Methoden der primitiven kommunistischen Gemeinschaft produziert, ist die Arbeitsproduktivität mit den Klassengesellschaften beträchtlich gestiegen, insbesondere unter dem Kapitalismus. Dieser hat mehr als alle anderen früheren Klassengesellschaften alles vorangetrieben, was der Produktion von Produktions- und Kommunikationsmitteln dient: Maschinen, Technologie, Wissenschaften usw. Das gegenwärtige Niveau der Arbeitsproduktivität kann durch die Tatsache bemessen werden, dass die Arbeit eines prozentual sehr kleinen Teils der Weltbevölkerung zur Ernährung der Weltbevölkerung reicht.
Es liegt auf der Hand, wenn die Produktionskapazitäten anders ausgerichtet wären, könnte der Hunger auf der Welt ausgelöscht werden; man bräuchte viel weniger für unsere Bedürfnisbefriedigung arbeiten usw.. Zur Verdeutlichung: 2008 starben bei einer Bevölkerung von sechs Milliarden Menschen jeden Tag 100.000 Menschen durch Hungertod; 2008 hätte die Landwirtschaft weltweit 12 Milliarden ernähren können (gemäß einem Bericht der UNO, vorgelegt von Jean Ziegler, Sonderberichterstatter). Aber dies unter dem Kapitalismus zu verwirklichen, ist eine Utopie.
Was macht es möglich, dass der Kapitalismus durch eine neue Gesellschaft ersetzt wird?
Sicher nicht die Herrschenden. Es kann keinen harmonischen Übergang vom Kapitalismus zum Kommunismus geben. Die herrschende Klasse innerhalb der kapitalistischen Gesellschaft, die ihren ganzen Reichtum aus der Ausbeutung der Arbeiterklasse zieht, wird sich nie dazu entschließen, das Ausbeutungssystem fallenzulassen, da es dieser schließlich ihre privilegierte Stellung in der Gesellschaft verschafft. Einzelne Angehörige der herrschenden Klasse können den Kampf für eine andere Gesellschaft unterstützen oder sich ihm anschließen. Aber die herrschende Klasse als Ganzes kann das nie machen.
Der Motor der gesellschaftlichen Umwälzung ist die Arbeiterklasse: Sie ist die Klasse der Gesellschaft, die mit kapitalistischen Produktionsmethoden ausgebeutet wird:
- Die Arbeiterklasse hat keine eigene Interessen in diesem System zu verteidigen;
- Sie ist Trägerin eines Gesellschaftsprojektes, das der freien Vereinigung der Produzenten, welches ermöglicht, die Widersprüche des gegenwärtigen Systems zu überwinden.
- Um den Kapitalismus zu überwinden und ihr Projekt der revolutionären Klasse zu verwirklichen, verfügt sie über die notwendige Kraft, die sie durch ihre Zahl, ihre Bündelung und die Tatsache erreicht, dass sie den Hauptteil der Reichtümer dieser Gesellschaft produziert.
So hat der Kapitalismus nicht nur die Produktivkräfte entwickelt, die Überfluss ermöglichen, sondern er hat die revolutionäre Klasse geschaffen, die sein Totengräber sein wird – die Arbeiterklasse.
Was könnte die Menschheit dazu bewegen, vom Kapitalismus zum Kommunismus überzugehen?
Solch eine Umwandlung wird nicht das Werk der ganzen Menschheit sein, auch wenn sie Leidtragender des gegenwärtigen Systems ist und sie sehr an ihrer Umwälzung interessiert ist. Die revolutionäre Klasse ist der Motor der Revolution.
Die Notwendigkeit stellt die Grundlage für die revolutionäre Umwälzung dar. Wie alle früheren Ausbeutungsgesellschaften wird der Kapitalismus an seinen unüberwindbaren Widersprüchen zugrunde gehen, wenn er nicht durch ein anderes System ersetzt wird, welches diese Widersprüche aus der Welt schafft. Kurz gesagt produziert dieses System nicht für die Befriedigung menschlicher Bedürfnisse, sondern für Profit. So liefern all die materiellen Reichtümer, die es produziert, die Grundlagen für den Überfluss für alle. Das Problem ist, dass gleichzeitig diese Entwicklung einhergeht mit einer wachsenden Verarmung, die einem immer größeren Teil der Bevölkerung aufgezwungen wird. Die Arbeiterklasse wird somit gezwungen, gegen die Verhältnisse zu rebellieren, und deshalb die Perspektive der Umwälzung dieser Gesellschaft zu suchen. So ist die proletarische Revolution nicht das Ergebnis eines moralischen Imperativs, sondern der Notwendigkeit, auch wenn es viele moralische und menschliche Gründe gibt, dieses System zu überwinden. Die gegenwärtige Stufe der Krise (die in Wirklichkeit schon seit dem Ende der 1960er Jahre andauert) ist eine schreiende Verdeutlichung der Tatsache, dass die Widersprüche des Kapitalismus unlösbar sind.
Ist die kommunistische Umwälzung in einem Land oder einer Reihe von Ländern möglich?
Im Gegensatz zum Kapitalismus kann der Sozialismus sich nicht schrittweise von einem Land zum anderen entwickeln. Er kann nur weltweit existieren und all die Produktivkräfte sowie das Vertriebsnetz in Bewegung setzen, die der Kapitalismus entwickelt hat. Die proletarische Revolution muss sich also auf dieser Ebene entfalten, um die sozialistische Umwälzung zu ermöglichen. Die Macht der Arbeiterklasse, isoliert in einem Land, oder gar in einer Reihe von Ländern, wird weiterhin von den Gesetzen des Kapitalismus bestimmt, unabhängig davon welche Maßnahmen diese ergreift.
Warum würde das Proletariat nicht genau das Gleiche machen wie alle früheren revolutionären Klassen – selbst wieder zur ausbeutenden Klasse zu werden?
Die anderen früheren revolutionären Klassen sind nicht zu ausbeutenden Klassen geworden, nachdem sie die Macht ergriffen hatten. Sie waren dies schon vorher gewesen. Die revolutionäre Klasse muss die alte Gesellschaft überwinden; sie muss ebenso die revolutionäre Umwälzung leiten, um eine neue Gesellschaft aufzubauen. Diese revolutionäre Klasse ist ebenso im Unterschied zu allen anderen revolutionären Klassen der Vergangenheit zum ersten Mal in der Geschichte die ausgebeutete Klasse. Durch die Abschaffung ihrer Ausbeutung schafft sie jegliche Ausbeutung ab. So hat sie nicht nur zur Aufgabe, sich selbst zu befreien, sondern sie muss die ganze Menschheit befreien.
Gibt es ein Risiko, dass die nächste Revolution den gleichen Verlauf nehmen wird wie die russische Revolution, d.h. entarten könnte?
Niemand kann mit Bestimmtheit und Sicherheit sagen, dass die Revolution stattfinden und siegen wird, und dass die Umwälzung der gesellschaftlichen Verhältnisse zum Kommunismus erfolgreich durchgeführt werden wird.
Als die Revolution in Russland entartete, geschah dies nicht so sehr wegen ihrer Fehler, sondern wegen der internationalen Isolierung, in welche sie mit dem Zurückweichen und dem Scheitern der revolutionären Welle 1917-23 geriet, aus der sie hervorgegangen war. Der Aufbau des Sozialismus in einem Land ist unmöglich; auch kann sich die Macht der Arbeiter nicht lange isoliert in einem Land halten. Unter diesen Bedingungen kann sie nur zur Entartung neigen. Ihre Hauptaufgabe besteht darin, die Revolution weltweit auszudehnen und die Umwälzung der gesellschaftlichen Produktionsverhältnisse durchzuführen. Wenn diese Ziele aufgrund eines international ungünstigen Kräfteverhältnisses nicht umgesetzt werden können, gerät diese Macht zunehmend unter den Druck des Weltkapitalismus: militärische und diplomatische Offensiven mit dem Versuch seiner Erstickung, weltweite ökonomische Konkurrenz usw. Dieses Schicksal erlitt Sowjetrussland.
Wenn man die Macht in den Händen halt, führt dies nicht schon zur Korruption und stellt dies nicht schon den größten Faktor der Entartung dar?
Die politische Macht des Proletariats auf Weltebene wird durch ihre weltweit bestehende Organisierung in Arbeiterräten ausgeübt. Diese Organisationsform, die zum ersten Mal spontan in Russland 1905 entstanden ist, ist die einzige Organisationsform, die es der Arbeiterklasse ermöglicht, als ein Ganzes zu denken und zu handeln; und dies trotz der sehr großen Heterogenität, die in ihren Reihen existieren kann. Ihre Stärke stützt sich auf zwei wesentliche Eigenschaften:
- die Vollversammlungen an der Basis sind ein Ort, wo ständig Diskussionen geführt werden können, an denen sich die gesamte Arbeiterklasse beteiligt.
- Sie wählen abwählbare Delegierte, die wiederum in Delegiertenversammlungen zusammenkommen, welche mit den gleichen Prinzipien funktionieren wie die Versammlungen an der Basis, und die wiederum Delegierte wählen. So kann die Bewegung zentralisiert und Entscheidungen getroffen werden, die auf den verschiedenen Ebenen der Zentralisierung gefasst werden; somit können diese wirklich ein Ausdruck der Arbeiterklasse sein, die in Bewegung geraten ist.
Es handelt sich um die einzige Organisationsform, die dazu in der Lage ist, der schnellen Entwicklung des Bewusstseins in ihren Reihen Rechnung zu tragen, die so prägend ist für revolutionäre oder vorrevolutionäre Phasen.
Dies ist die Organisationsform der Diktatur des Proletariats nach der Machtübernahme.
Das Ziel der Macht der Arbeiter besteht darin, die revolutionäre Umwälzung im Hinblick auf eine neue klassenlose Gesellschaft, ohne Staat, ohne politische Macht in der Gesellschaft, zu leiten; dadurch schafft sie die Grundlagen für ihr eigenes politisches Verschwinden. Sie ist übrigens die einzige politische Macht, die jemals in der Geschichte existiert hat, welche nicht auf ihre Aufrechterhaltung abzielt.
Aber nichts von dem oben Gesagten stellt eine Garantie gegen die Entartung dar. Diese kann als Folge eines dauerhaften Rückflusses der Revolution auf Weltebene eintreten.
Besteht nicht die Gefahr, dass die Revolution neue Blutbäder auslöst?
Wenn die Revolution nicht zustande kommt oder nicht siegt, wird nicht nur ein einfaches Blutbad stattfinden, sondern unzählig viele. Das Unvermögen der Arbeiterklasse, das System zu überwinden, bedeutet, dass die gegenwärtige Lage der historischen Krise des Kapitalismus sich in immer mörderischeren Kriegen, einer noch größeren Umweltzerstörung, und einer Explosion und noch größeren Ausbreitung der Armut in all ihren Formen äußern wird. Dadurch würde das Leben auf der Erde zu einer wahren Hölle; ja es wird unmöglich werden.
Da die Revolution darauf hinarbeitet, die Klassendiktatur der Bourgeoisie zu brechen, wird sie notwendigerweise auf Gewalt nicht verzichten können, aber es wird sich um eine befreiende Gewalt handeln, die eine Welt ermöglichen soll, in der es keine Barbarei mehr geben wird. In der Russischen Revolution war die Zahl der Todesopfer während des Aufstands im Oktober 1917 nahezu lächerlich im Vergleich zu den unzähligen Toten, die jeden Tag im Weltkrieg zu beklagen waren, und während der Reaktion der Weißen Armeen, die der Weltkapitalismus gegen die Russische Revolution mobilisiert hatte oder auch während der stalinistischen Konterrevolution und der mit ihr verbundenen Repression. Die erste revolutionäre Welle von weltweiten Kämpfen, insbesondere die Revolution in Deutschland zwang die herrschende Klasse den Ersten Weltkrieg zu beenden, da dessen Fortsetzung ein gefährlicher Nährboden für die Radikalisierung der Massen und damit der Revolution dargestellt hätte.
Um die Revolution als Schreckgespenst an die Wand zu malen, benutzt die herrschende Klasse zur Abschreckung oft Ereignisse, die nichts mit dieser zu tun haben, sondern im Gegenteil ein Ausdruck des Treibens verschiedener Fraktionen der Herrschenden sind: die stalinistische Konterrevolution, die angebliche maoistische Revolution, die Aktivitäten Pol Pots aus Kambodscha usw.
Ist die Revolution wirklich möglich?
Ja. Auch wenn der erste weltweite revolutionäre Anlauf nach dem Ersten Weltkrieg gescheitert ist, beweist dies nicht das Gegenteil.
Die russische Arbeiterbastion war der am meisten fortgeschrittene Ausdruck einer weltrevolutionären Welle. An dieser weltrevolutionären Welle hatte sich ebenfalls das deutsche Proletariat beteiligt, das damals am weitesten entwickelt war, und das damals drei Jahre lang heldenhaft gegen die herrschende Klasse gekämpft hat. Leider wurde es besiegt. Seine Niederlage bedeutete die Niederlage der weltweiten revolutionären Welle und den Niedergang der Russischen Revolution. Umgekehrt hätte ein Sieg der Revolution in Deutschland die Möglichkeit geboten, die Revolution auf Mitteleuropa und später auf Westeuropa und den Rest der Welt auszudehnen.
Um mit der aufgeworfenen Frage abzuschließen, es geht nicht darum zu wissen, ob die Revolution möglich ist, sondern sich dessen bewusst zu werden, dass es unmöglich ist, ohne eine Revolution weiter zu leben. Die einzige Alternative ist Sozialismus oder Barbarei. IKS , September 2010