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Wer ist für diesen Horror verantwortlich ? Wessen mörderische Hand steckt hinter den Militärs und den Söldnern ?
Die Barbarei des syrischen Regimes ist mittlerweile jedem bekannt. Die herrschende Clique wird vor nichts zurückschrecken; sie hat keine Skrupel, Massaker zu verüben, um weiter die Kontrolle im Land auszuüben und ihre Privilegien aufrechtzuerhalten. Aber wer ist diese «Freie Syrische Armee », die behauptet, sich unter die Führung der « Volksproteste » zu stellen? Nichts als eine neue Bande von Mördern! Die FSA beansprucht für die Freiheit des Volkes zu kämpfen, aber in Wirklichkeit ist sie nur der bewaffnete Arm einer anderen bürgerlichen Clique, die mit Bashar al-Assad um die Macht kämpft. Dies ist eine wahre Tragödie für die Demonstranten. Diejenigen, die gegen die unerträglichen Lebensbedingungen, gegen Armut und Ausbeutung protestieren wollen, haben die Wahl zwischen Pest und Cholera. So wird ihr Widerstand zermalmt, die Protestierenden gefoltert, niedergeknüppelt und ermordet.
In Syrien ist die Protestbewegung zu schwach, um einen eigenständigen Kampf zu entfalten. So konnte ihre Wut sofort kanalisiert und von den verschiedenen, sich bekämpfenden rivalisierenden bürgerlichen Cliquen im Lande vereinnahmt werden. Die Demonstranten sind zu Kanonenfutter geworden, gefangen in einem Krieg, den sie nicht wollen, eingespannt in Machtkämpfe, die auf ihre Kosten ausgetragen werden. Wir sehen eine Wiederauflage dessen, was in Libyen einige Monate zuvor geschah.
Die FSA braucht von dem an der Macht befindlichen blutrünstigen al-Assad Regime in Syrien nichts Neues zu lernen. Anfang Februar zum Beispiel drohte die FSA damit, Damaskus und all die Hauptquartiere und Hochburgen des Regimes zu beschießen. Die FSA rief die Bevölkerung Damaskus dazu auf, sich aus den Gefechtsgebieten zu entfernen, obwohl dies unmöglich war. Die Einwohner von Damaskus hatten keine andere Wahl als verzweifelt Schutz zu suchen in Kellern und unterirdischen Löchern. Ihnen geht es ähnlich wie den vom Assad-Regime Verfolgten und Bombardierten in Homs und anderen Städten.
Aber die sich zerfleischenden Rivalen in Syrien sind nicht die einzigen Verantwortlichen für diese Massaker. Die international Verantwortlichen haben alle einen Sitz in UN-Gremien. Ammar al-Wai, einer der Befehlshaber der FSA, beschuldigte Russland und einige Nachbarländer wie Libanon und den Iran direkt an der Repression beteiligt zu sein, und auch die Arabische Liga und die ‚internationale Gemeinschaft‘ wurden wegen ihrer Inaktivität angeprangert, weil dadurch das al-Assad Regime noch mehr Spielraum für seine Massaker erhalten hätte. Welch eine Erkenntnis ! Die neuen Anträge für die Verabschiedung einer UN-Resolution, die Ende Februar vor der UNO eingebracht wurden, stießen aufgrund der imperialistischen Interessensgegensätze der Staaten, die Syrien unterstützen, auf deren unerbittlichen Widerstand: China und Russland stellen sich hinter das syrische Regime. Russland und Iran liefern dem Regime Waffen. Und wahrscheinlich mischen auch Soldaten aus diesen Ländern direkt oder indirekt vor Ort mit. Für Russland ist Syrien ein vitaler Verbündeter, denn nur Syrien hat Russland einen Flottenstützpunkt in Tartus am Mittelmeer überlassen. Für den Iran ist Syrien ein wichtiger Stützpfeiler seiner Machtbestrebungen im Mittleren Osten. Deshalb unterstützt das iranische Regime das bestehende syrische Regime vorbehaltlos, auch mit direkter militärischer Beteiligung. Und die « großen demokratischen Nationen », die Krokodilstränen vergießen und erklären, die Niederschlagung von Demonstranten durch das Regime Basha al-Assads sei nicht hinnehmbar, scheren sich in Wirklichkeit einen Dreck um das Schicksal der Opfer, stattdessen verfolgen auch sie nur ihre schmutzigen imperialistischen Interessen.
Syrien am Rande des imperialistischen Krieges
In der Zwischenzeit werden die Stimmen immer lauter, die auf ein militärisches Eingreifen in Syrien drängen. Das russisch-chinesische Veto der UN-Resolution zur Verurteilung der Repression durch das Assad-Regime beschleunigt diese Tendenz noch. All diese imperialistischen Geier nehmen die Massaker des syrischen Regimes als Vorwand, um ihre Kriegsvorbereitungen für Syrien zu treffen. So verbreiteten russische Medien wie « Voice of Russia » und die iranischen Medien die Nachricht, dass die Türkei mit US-Hilfe Truppen entlang der Grenze zu Syrien zusammenziehe, um nach Syrien einmarschieren zu können. Seitdem wurde diese Nachricht von allen westlichen Medien weiter zirkuliert. Gleichzeitig wurden in Syrien in der Kamechi und Deir Ezzor-Region entlang der Grenzen zum Irak und der Türkei Raketen installiert, die Syrien während der Zeit der UdSSR erworben hatte. Diese Schritte wurden nach einem Treffen in Ankara im November 2011 beschlossen. Der Gesandte Katars bot dem türkischen Premierminister Erdogan Geldmittel zur Durchführung von militärischen Maßnahmen gegen Syrien von türkischem Territorium aus an. Diese Treffen führten das syrische Regime und seine Verbündeten dazu, allen voran Iran und Russland, den Ton zu verschärfen und kaum verhüllte Drohungen gegen die Türkei auszusprechen. Bislang hat der syrische Nationalrat, in welchem westlichen Medien zufolge die Mehrheit der Opposition des Landes zusammengeschlossen ist, noch keine ausländische Militärhilfe angefordert. Sicherlich hat diese abwartende Haltung des syrischen Nationalrates das türkische und auch das israelische Militär bislang davon abgehalten, militärisch einzugreifen. Auch in den USA werden die Möglichkeiten eines militärischen Eingreifens ermittelt. Aber der US-Generalstabschef, General Dempsey, warnte davor, dass « die Kapazitäten der syrischen Luftwaffe mehr als fünfmal so groß seien wie die der libyschen Streitkräfte des gestürzten Gaddafi. Zudem befänden sich die meisten syrischen Flugabwehrsysteme in dicht besiedelten Gebieten, so dass man bei Luftangriffen auf diese mit zahlreichen Toten unter der Zivilbevölkerung rechnen müsse.“ (FAZ, 8.3.2012) Er fügte hinzu, das syrische Arsenal biologischer und chemischer Waffen sei 100 mal größer als das libysche. Die Vernichtung der syrischen Luftabwehr werde lange dauern und aufwendig sein, ohne die Führung der USA würde dies nicht gelingen. In Wirklichkeit ist natürlich kein einziger Staat, der sich an einer Militäroperation gegen das Assad-Regime beteiligen würde, an dem Schicksal der Menschen interessiert (1).
Zudem treiben in Syrien und im benachbarten Libanon Terrorgruppen wie Hamas, Hisbollah und vermutlich auch al-Qaida ihr Unwesen, von denen Hamas und Hisbollah Waffen aus dem Iran beziehen. Mittlerweile sollen auch bewaffnete Kräfte aus Libyen in Syrien an der Seite der FSA kämpfen. Auch wenn es im Vergleich zu Libyen keine Petro-Dollars zu gewinnen gibt, ist das Land ein strategisches Drehkreuz im Mittleren Osten, das keiner der imperialistischen Rivalen dem anderen ohne erbitterten Widerstand überlassen würde. Eine militärische Intervention von Außen in Syrien würde deshalb einen noch viel größeren Brand auslösen. Auch wäre die Wahrscheinlichkeit groß, dass es zu einem weiteren Blutvergießen im Libanon käme. Ein Sturz des Assad-Regimes, das bislang als Achilles-Ferse des Irans gilt, würde darüberhinaus den Einfluss des Irans in der Region entscheidend schwächen. Dies wäre sicherlich eines der Hauptanliegen der westlichen Kräfte bei einer möglichen militärischen Intervention in Syrien. Die Ausgebeuteten und Unterdrückten in Syrien laufen somit Gefahr, zwischen der FSA und den Killerkommandos des Assad-Regimes und den imperialistischen Ambitionen ausländischer Mächte aufgerieben zu werden.
Der Brandherd Iran
Syrien ist nicht der einzige Brandherd in der Region. Denn gleichzeitig nehmen die Spannungen zwischen dem Iran und mehreren imperialistischen Staaten, den USA, Großbritannien, Frankreich, Saudi-Arabien, Israel usw. jeden Tag zu. Die Kriegsgefahr wächst.
Wenn heute ein Land wie der Iran die USA und die anderen imperialistischen Haie herausfordern kann, spiegelt diese Entwicklung die Tendenz des wachsenden imperialistischen Chaos wider, das mit dem Zusammenbruch des Schah-Regimes Anfang 1979 einsetzte und ein Jahrzehnt später mit dem Zusammenbruch des Ostblocks und dem Ende der Konfrontation zwischen zwei Blöcken ein neues Kapitel im Niedergang des Kapitalismus eröffnete. Seitdem sind die USA die noch einzig übrig gebliebene Supermacht, die aber zunehmend von anderen Staaten herausgefordert wird, während sich gleichzeitig ein wahres Chaos in den imperialistischen Beziehungen gebildet hat, wo „Jeder gegen jeden“ antritt. Bis 1979 war der Iran ein strategisch wichtiges Bindeglied in der Abwehrkette des von den USA angeführten westlichen Blocks gegen die Sowjetunion gewesen. Nach dem Zusammenbruch des Schah-Regimes, der Übernahme der Macht durch die Mullahs und der danach einsetzenden Amerika-feindlichen Politik versuchte einerseits seinerzeit die Sowjetunion durch den Einmarsch in Afghanistan Ende 1979 Kapital aus der Schwächung der USA zu schlagen. Das russische Fiasko in Afghanistan ist bekannt; es trug mit zum Zusammenbruch des stalinistischen Regimes in der Sowjetunion bei. Andererseits reagierten die USA mit dem Anstacheln des Iran-Irak-Krieges 1980, der nahezu 10 Jahre Massaker zwischen Iran-Irak brachte. Seit mehreren Jahrzehnten ist die ganze Region – von Israel/Palästina über den Irak und Afghanistan - mit Kriegen übersät worden. Durch ihre verzweifelten Versuche, ihre Vormachtstellung hauptsächlich mit militärischen Mitteln aufrechtzuerhalten, haben die USA eine riesige Blutspur in der Region hinterlassen. Und die USA selbst sind im Irak, in Afghanistan, indirekt in Pakistan in einen riesigen Schlamassel geraten, wo sie keine Beruhigung der Lage, sondern nur eine weitere Destabilisierung bewirkt haben. Und gleichzeitig hat sich der Iran (neben der Türkei) auf Kosten der USA zu einer neuen Regionalmacht im Mittleren Osten mausern können. Weil der Iran eigentlich keine anderen Trümpfe als Öl- und Gasexporte einsetzen kann und über keine industrielle Konkurrenzfähigkeit verfügt, kann das Regime nur „erpresserisch“ und militärisch destabilisierend wirken. Die Mullahs setzen dabei die Keule der religiösen Spaltung ein. Jeder Schiit ist für das Regime Kanonenfutter im Kampf gegen die rivalisierenden Regime – z.B. gegen Saudi-Arabien. Gegenüber Israel droht der Iran seit langem mit dem Einsatz von Massenvernichtungswaffen. Irans derzeit hochambitioniertes Atomprogramm, angeblich nur friedlichen Zwecken dienend, ist derzeit der Hauptkonfliktpunkt, welcher die Kriegsgefahr in der Region weiter auf die Spitze treibt. Die Aussicht, dass das Regime in Teheran bald über Kernwaffen verfügen könnte, ist für die israelische Regierung jetzt schon Grund genug, militärisch gegen seinen östlichen Herausforderer vorgehen zu wollen.
Auch wenn der Iran im Vergleich zu seinem Rivalen Saudi-Arabien nur ein Fünftel von dem in die Rüstung steckt, was die Saudis dafür ausgeben, hat das Land einen Großteil seiner Ressourcen in Rüstung gesteckt. Solch ein aufgeblähter Militarismus ist eine klassische Erscheinungsform eines niedergehenden Systems. Auch wenn es schwierig ist, die militärische Schlagkraft des Irans genau einzuschätzen, ist das Regime dazu in der Lage, viel größere Verwerfungen hervorzurufen als Syrien selbst. Wenn sich der Iran zur Blockade der Straße von Hormus entschließen sollte, wodurch der Ölnachschub beeinträchtigt würde, würde dies die wirtschaftliche Lage weltweit noch mehr destabilisieren. Jeder direkte Angriff auf den Iran würde ein noch größeres, unkontrollierbares Chaos auslösen.
Gegenwärtig rüstet sich Israel für einen Militärschlag gegen den Iran. Im Gegensatz zu früheren Militärschlägen gegen den Irak 1981 oder Syrien 2007 würde ein Angriff gegen den Iran die gegenwärtigen Kapazitäten des israelischen Militärs überfordern (2). Israel wäre letzten Endes auf die Unterstützung der USA angewiesen. Damit könnten die USA in einem Krieg gegen den Iran ein neues militärisches Desaster erleben. Zudem haben die USA erst jüngst ihre neuen militärischen Prioritäten für die nächsten Jahrzehnte bekannt gegeben. Und da steht an erster Stelle die notwendige Anpassung an die zu erwartende Intensivierung der Konflikte in Ostasien und der Zwang, China ausreichend gerüstet entgegenzutreten. Wenn die USA im Mittleren Osten militärisch angreifen würden, spiegelt das somit die ganze Unkontrollierbarkeit der militaristischen Spirale wider, welche das kapitalistische System immer weiter in den Abgrund treibt. Auch wenn wegen des bevorstehenden Wahlkampfes in den USA zur Zeit viele Fragen hinsichtlich des Vorgehens der USA offen sind, müssten die USA in den beiden Brandherden Syrien und Iran mit an vorderster Front stehen.
Während das Krebsgeschwür des Militarismus und das Terrorregime der Herrschenden immer mehr Opfer hinterlässt, liegt der Schlüssel für den Ausweg aus dieser Barbarei mehr denn je in den Händen der Arbeiterklasse – vor allem in den Händen der Arbeiter der Industriestaaten, die am ehesten den Arm der Repression und des Militarismus zurückhalten können.
W/D Anfang März 2010
(1)Nur einige Beispiele der Heuchelei einiger Staaten, die an einer „humanitären Intervention“ in Syrien mitwirken könnten: Der türkische Ministerpräsident verbrachte in den letzten Jahren seinen Urlaub mit dem Assad-Clan, um dadurch die Beziehungen zu Syrien zu verbessern. Ohne jegliche Berührungsängste mit dem blutrünstigen Assad-Regime verfolgt Ankara seit Jahren die Kurden. Oder Israel, das behauptet, der Genozid an den Juden im Holocaust legitimiere jeglichen Gewalteinsatz (von der Vertreibung bis zur Bombardierung usw. ) ist eher am Machterhalt des Israel feindlich gesonnenen, aber berechenbaren Assad-Regimes interessiert als am möglichen Aufstieg eines eventuell stärker muslimisch geprägten syrischen Regimes. Auch wenn die vom Assad-Regime bombardierten Dörfer und Städte oft nur wenige Kilometer von Israel entfernt sind, zeigt der israelische Staat keine Sorge um die Opfer der Repression in Syrien. Im Libanon werden viele der ins Land geflüchteten Opfer der syrischen Repression von Polizeikräften aufgegriffen und - wenn sie nicht in Libanon verfolgt werden – wieder nach Syrien abgeschoben. Der deutsche Staat hat jahrelang mit den syrischen Geheimdiensten kooperiert und nie davor gezögert, syrische Flüchtlinge den Henkern des Regimes auszuliefern.
(2 „Primäre Ziele wären alle Anlagen zur Herstellung von Spaltmaterial, das für den Bau von Atomwaffen nötig ist. Dazu zählen die Urankonversionsanlage in Isfahan und der noch nicht fertiggestellte Schwerwasserreaktor Arak, der einmal Plutonium liefern könnte - vor allem aber die Urananreicherungsanlagen in Natans und Fordow (die sich in Bunkern befinden). Sie bereiten den Israelis das meiste Kopfzerbrechen: Beide Kavernen liegen unter 80 Meter Fels und sind laut Experten mit konventionellen Waffen nicht zu knacken. Israel müsste aber zugleich sicherstellen, dass die Atomfabrik nicht nach wenigen Monaten wieder arbeitet. (…) Analysten in Israel gehen davon aus, dass die Luftwaffe mehrere Angriffswellen fliegen müsste, auch um Irans Luftabwehr auszuschalten und Sekundärziele zu attackieren, wie Stützpunkte und Produktionsstätten für Raketen. 125 Kampfjets der Typen F-15 und F-16 hat Israel dafür mit Zusatztanks für Langstrecken ausgerüstet. Marschflugkörper, Raketen und Drohnen dürften ebenso zum Einsatz kommen, wie Kommandoeinheiten. Die Gelegenheit ist aus Sicht der Hardliner in Israel günstig: Die Jets könnten unbehelligt über Irak fliegen, nachdem die Amerikaner dort Ende 2011 abgezogen sind. Zudem dürfte es sich US-Präsident Obama kurz vor der Wahl kaum leisten können, Israel die Unterstützung nach einem Angriff zu entziehen, so sehr er sich gegen diesen stemmt.“ https://www.sueddeutsche.de/politik/atomstreit-wie-israel-sich-fuer-einen-angriff-gegen-iran-ruestet-1.1290231