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Von Anfang an bezeichnete sich die Bewegung der „Gelben Westen“ als „unpolitisch“. Es gab keine offizielle Vertretung, keine Form dessen, was die Bourgeoisie „Vermittlungsorgane“ nennt (Parteien oder Gewerkschaften), die das Recht gehabt hätten, sich zu Sprechern der Bewegung zu erklären. Keine Form der traditionellen Repräsentation hat sich dabei wirklich einem Risiko ausgesetzt. Als der Premierminister nach „Gesprächspartnern“ suchte, sah er sich mit einer Leerstelle konfrontiert – schnell besetzt von einigen selbsternannten Personen, deren Westen nicht mehr anerkannt wurden und die Einschüchterungen oder gar ernsthaften Drohungen ausgesetzt waren. Als sich „Gelbe Westen“ zunehmend am Fernsehen ausdrückten, wagten sie es meist nicht, über einige wenige Aussagen „im eigenen Namen“ hinauszugehen.
Wie lässt sich dieses Misstrauen erklären? Total angewidert von jahrzehntelangem Lügen der offiziellen bürgerlichen Parteien, von Versprechungen, die nie eingehalten wurden und dafür sehr reale Angriffe zur Folge hatten, von allen Arten von Affären und zunehmender Korruption, ganz zu schweigen von der hölzernen Zunge von Demagogen und der Kälte von Technokraten, fühlte sich dieser Teil der Bevölkerung, aus dem die „Gelben Westen“ bestehen, nicht nur in die Armut abgedrängt, sondern auch verachtet. Durch eine fast instinktive Ablehnung von „Politikern“ halten die „Gelben Westen“ schließlich die Illusion aufrecht, dass sie nicht von einer politischen „Voreingenommenheit“ animiert werden, und sehen sich nur als einfache „Bürger“, die von Armut und Steuern aller Art überwältigt sind. Sie würden nur versuchen, sich zu verteidigen und ihre Wut auszudrücken. In den Reihen der „Gelben Westen“ wird in der Regel schon hinter dem geringsten Hinweis auf eine politische Idee sofort die Absicht vermutet, sie für fremde Interessen zu vereinnahmen. Das ist es, was wir zum Beispiel in den Worten eines der Sprecher der Bewegung in Obernai, Dominique Balasz (Peugeot-Mitarbeiter), über die Politiker, die versuchen, ihnen den Hof zu machen (FO, France insoumise, Rassemblement national usw.), deutlich hören können: „Sie können kommen, aber wir zeigen kein Etikett, Gelbe Westen sind unpolitisch.“ Mit anderen Worten, wir werden uns nicht „täuschen“ lassen, sie können immer „reden“.
Doch trotz der weit verbreiteten „unpolitischen“ Illusion in der Bewegung ist sie in Wirklichkeit – sehr politisch! Hinter all den gelben Rittern des „Apolitismus“ verbirgt sich in der Tat eine „heilige Einheit“, die die bürgerliche „Staatsbürgerschaft“ respektiert und per Definition sehr konformistisch und an die Werte des Kapitalismus gebunden ist. Hinter dem dargestellten „Apolitismus“ verbergen sich traditionell die konservativsten Vorstellungen der Rechten und der extremen Rechten. Die Parolen, die die verschiedenen Forderungen nach „Kaufkraft“ begleiten, konzentrieren sich in der Tat stark auf Fragen der politischen Macht: „Macron – Rücktritt!“, „Auflösung der Versammlung“, „Das Volk will, dass das Regime fällt“ etc.
Wer kann ernsthaft behaupten, dass diese Parolen „unpolitisch“ seien? In Wirklichkeit gibt es in der bunt zusammengewürfelten und klassenübergreifenden Bewegung der „Gelben Westen“ nicht nur eine, sondern ganz unterschiedliche politische Ausdrucksformen, ein echtes Kaleidoskop, das die vielfältigen Nuancen widerspiegelt, die aus den Zwischenschichten kommen, insbesondere dem Kleinbürgertum, und in die sich viele Arbeiter verloren haben, die aufgrund der Leere, die die Arbeiterklasse hinterlassen hat, auf ihr Bürger-Dasein reduziert werden – Bürger, die an der „Nation“ hängen.
Während einige „Gelbe Westen“ leidenschaftliche Verfechter der bürgerlichen Demokratie sind und – wie sie es am 13. Dezember in Versailles symbolisch getan haben – zur gesetzlichen Einführung des „Referendums über eine Bürgerinitiative“ aufrufen (das berühmte „RIC“, welches nach Macrons Rede auf zahlreichen Plakaten an den Kreiseln aufgetaucht ist), propagieren andere, wie Maxime Nicolle, alias „Fly Rider“, alle Arten von nebligen und reaktionären Theorien, die für die extreme Rechte typisch sind: nationalistische Visionen oder die Art und Weise, den jüngsten „Marrakesch-Pakt“ zur Migration zu kritisieren, etc.
Tatsächlich ist es offensichtlich, dass aus der Bewegung selbst Leute hervorgegangen sind, die sich schon durch ihre Art zu reden und zu handeln in ihrer Rolle als Auszubildende im Politikgeschäft üben!
Von Eric Drouet, dem Sans-Culotte, der zu einer Invasion des Palastes des republikanischen Monarchen aufruft, über Christophe Chalençon und seine als rechtsextrem bezeichneten Reden bis hin zu Jacline Mouraud, der Hypnotherapeutin-Akkordeonistin, deren „aufrührerische“ Reden dem Ruf nach „Achtung vor den Institutionen der 5. Republik, der öffentlichen Ordnung, den Gütern und Menschen“ gewichen sind! Von nun an fühlen sich all diese Leute wohl wie die Fische im Wasser im medienpolitischen Aquarium und wollen sogar Listen für die Europawahlen zusammenstellen. „Wir wollen in die politische Arena eintreten“, sagte Hayk Shahinyan. „Ohne Struktur werden wir nie gehört werden. Wir müssen Institutionen respektieren und in die Politik investieren“, sagt die hypnotisierende Akkordeonistin. Diese Entwicklung, die auf die Fragmentierung der „Gelben Westen“ zurückzuführen ist, wird vom gesamten Staatsapparat aktiv gefördert, der dies als eine gute Möglichkeit sieht, einen wahrscheinlichen neuen Durchbruch des Rassemblement national zu verhindern.
Eines ist sicher, der so genannte „Apolitismus“ hat leider keine andere Wirkung, als die mobilisierten Arbeiter zu enteignen und sie zu einem formlosen Magma zu verdünnen, das vom proletarischen Lumpen bis zum kleinen Boss reicht und sie ihrer Klassenautonomie und ihrer eigenen Kampfmittel beraubt. Da es sich nicht um eine Arbeiterbewegung handelt, konnte dieser Protest nur in Form von Posten, Ansammlungen, gewalttätigen und blinden Ausbrüchen, Stadtguerilla, Einbrüchen und Plünderungen vor dem Hintergrund nationalistischer Lieder und manchmal sogar fremdenfeindlicher Äußerungen erfolgen. Dass eine solche Bewegung reaktionäre und fremdenfeindliche politische Äußerungen der schlimmsten Art, insbesondere patriotische und nationalistische Lieder auf den Champs-Élysées, hinnehmen kann, ohne sich von ihnen zu distanzieren oder sie ausdrücklich abzulehnen, zeugt vom moralischen Schandfleck, den eine solche Bewegung über ihren legitimen Zorn hinaus vermitteln kann. Auch wenn die Zeit heute völlig anders ist, darf das Proletariat nicht vergessen, dass sich der Faschismus in den 1930er Jahren im Namen des „Apolitismus“ durchgesetzt hat.
In einem Kontext, in dem die Arbeiterklasse gegenwärtig ihre Klassenidentität verloren hat, ohne eine Niederlage erlitten zu haben, stellen solche ekelhaften Gerüche eine große Gefahr dar: die der Spaltung zwischen den Fraktionen, die den schlimmsten nationalistischen und fremdenfeindlichen Lockrufen erliegen, und denen, die die demokratische Ideologie akzeptieren, d.h. die heuchlerische Maske der kapitalistischen Diktatur, einem System, das nichts anderes mehr anzubieten hat als zunehmende Barbarei.
In Wirklichkeit braucht die Arbeiterklasse eine echte Politisierung ihres Kampfes! Sie muss sich wieder mit ihren eigenen Methoden des Kampfes, ihrem eigenen revolutionären politischen Projekt verbinden. Wie wir über die Bewegung der „Indignados“ in Spanien gesagt haben: „Ja, wir müssen uns für „Politik“ interessieren! Die Konfrontation mit politischen Ideen in Vollversammlungen ist der einzige Weg, unsere falschen Freunde zu entlarven, ihre Fallen zu vereiteln und unsere Kämpfe nicht von „spezialisierten“ Politikern in Verhandlungen und Intrigen vereinnahmen zu lassen. In der politischen Konfrontation und der Debatte, insbesondere innerhalb souveräner Versammlungen, können die Ausgebeuteten im Kampf zwischen politischen Gruppen unterscheiden, die ihre Interessen wirklich vertreten, und solchen, die die Rolle der „Wächter des Kapitals“ spielen. Der Kampf der ausgebeuteten Klasse gegen die ausbeuterische Klasse ist immer ein politischer Kampf. Nur in diesem Kampf, durch eine möglichst breite Debatte, können die Ausgebeuteten ein Kräfteverhältnis zu ihren Gunsten aufbauen, angesichts der Schande des Kapitals und seiner Politiker auf allen Seiten. In diesem politischen Kampf, auf der Straße und in massenhaften Versammlungen, können sie ihre Klassenidentität zurückgewinnen, ihre Solidarität, ihre Einheit entwickeln und das Vertrauen in ihre eigene Stärke zurückgewinnen“ (siehe Révolution internationale Nr. 424 Juli-August 2011). Dies kann natürlich nur durch einen wirklich autonomen Kampf erreicht werden, der sich deutlich von anderen Schichten der Gesellschaft unterscheidet. Das Proletariat darf sich daher nicht auf den Holzweg der Stadtguerilla-Praktiken ziehen lassen, die von den nationalistischen Slogans des hasserfüllten und empörten Kleinbürgertums geprägt sind, sondern muss sich im Gegenteil öffnen hin zu einer massiven Bewegung mit internationaler Ausrichtung, zu einer einheitlichen Bewegung, deren Perspektive die bewusste Abschaffung der kapitalistischen Verhältnisse ist. Ein historischer und globaler Kampf, dessen politisches Ziel die Abschaffung der sozialen Klassen und die Wiedervereinigung der Menschheit ist.
WH, Januar 2019