Hommage an unseren Genossen Kishan

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Während die Welt mit der Covid-19 Pandemie konfrontiert ist, haben wir die schmerzliche Erfahrung des Todes unseres Genossen Kishan am 26. März 2020 gemacht. Dies ist ein großer Verlust für die IKS.

Unsere Sektion in Indien und die gesamte IKS  werden ihn sehr vermissen. Kishan hat einen wichtigen Beitrag zum Leben unserer Organisation geleistet und war bis zu seinem letzten Atemzug ein Genosse mit großem Kampfgeist.

Kishan wurde 1939 in einem abgelegenen Dorf im indischen Westbengalen geboren. Er besuchte in den 1960er Jahren die Universität, zu einer Zeit, bevor die Arbeiterklasse mit dem Streik von 9 Millionen Arbeitern in Frankreich 1968 wieder auf die Bühne zurückkehrte, gefolgt vom heißen Herbst in Italien 1969, den polnischen Arbeiterkämpfen 1970, die das Ende der Periode der Konterrevolution bedeuteten. Die 1960er Jahre waren eine Zeit des Protests an den Universitäten in aller Welt, insbesondere gegen den Vietnamkrieg und den Rassismus. Die jungen Menschen die sich in diesen Bewegungen engagierten, waren aufrichtig in ihrem Wunsch nach "revolutionärer" Veränderung, handelten aber hauptsächlich auf kleinbürgerlichem Terrain, mit der Illusion, „das Leben jetzt und sofort zu verändern". Sowohl vor als auch nach 1968 gab es aber linke - d.h. bürgerliche - Organisationen, die bereit waren, junge Menschen zu rekrutieren und ihr Interesse an den Positionen der Arbeiterklasse zu blockieren. Dies waren die globalen Bedingungen, unter denen Kishan in die bürgerliche naxalitische Bewegung in Indien hineingezogen wurde.

In den Jahren 1963-65 machte er das Examen in Physik an der nordbengalischen Universität. Seinen Master schloss er mit einem erstklassigen Abschluss ab. Während seiner Studienzeit wurde er Teil einer jungen Generation, die sich von der naxalitischen Bewegung angezogen fühlte. Nach und nach wurde der Begriff Naxalismus zum Synonym für den Maoismus. Als junger Student stürzte Kishan sich in den Strudel dieser Bewegung, ließ seine Forschungen unvollständig und wurde für diese Aktivitäten ins Gefängnis geworfen. Nach acht Jahren Gefangenschaft wurde er 1978 freigelassen. Die unaussprechlichen Folterungen im Gefängnis forderten bis zu seinem Lebensende ihren Tribut. In einer engen Zelle und unzureichender, manchmal ungenießbarer Nahrung, zog sich Kishan die Tuberkulose zu, und diese Lungenkrankheit war ein ständiger Begleiter bis zum letzten Tag seines Lebens. Während seiner Haftzeit las er insbesondere Marx, und dies half ihm, offen zu sein für die Diskussion der marxistischen Ideen der Kommunistischen Linken, als er auf sie stieß.

Kishan war einer der wenigen, der, nachdem er in die besonders abstossende maoistische Form der linken bürgerlichen Ideologie hineingezogen worden war, in der Lage war, einen vollständigen Bruch damit zu vollziehen und sich dem Proletariat zu widmen, indem er sich der Tradition der Kommunistischen Linken anschloss. Ein solcher politischer Bruch erforderte zwangsläufig eine Klärung durch lange geduldige Diskussionsarbeit mit der IKS in den 1980er und 1990er Jahren. Die Bildung des Kerns der IKS in Indien im Jahr 1989 war eine Stimulation für diese Dynamik der politischen Klärung. Als Kishan sich mit der IKS in Verbindung setzte, entdeckte er die wahre Geschichte der Kommunistischen Linken. Er war überrascht, als er durch die theoretische Ausarbeitung der IKS erkannte, dass der Maoismus nichts anderes ist als eine andere Form der bürgerlichen Ideologie, eine konterrevolutionäre politische Strömung. "Der Maoismus hat nichts mit dem Kampf der Arbeiterklasse zu tun, weder mit ihrem Bewusstsein noch mit ihren revolutionären Organisationen. Er hat nichts mit dem Marxismus zu tun: Er ist weder eine Tendenz innerhalb des Proletariats noch eine Entwicklung der revolutionären Theorie des Proletariats. Im Gegenteil, der Maoismus ist nichts anderes als eine grobe Verfälschung des Marxismus; seine einzige Funktion besteht darin, jedes revolutionäre Prinzip zu begraben, das proletarische Klassenbewusstsein zu verwirren und es durch die dümmste und engstirnigste nationalistische Ideologie zu ersetzen. Als eine 'Theorie' ist der Maoismus nur eine weitere jener erbärmlichen Formen, die die Bourgeoisie in ihrer dekadenten Periode der Konterrevolution und des imperialistischen Krieges angenommen hat“[1]. Die Position der IKS über den Maoismus hatte einen folgenschweren Einfluss auf den Genossen Kishan. Eine umfassende Kritik an seiner Vergangenheit üben zu können, war für Kishan wesentlich, um Mitglied einer wirklich revolutionären Organisation zu werden. Die Kommunistische Partei Indiens wurde 1925 gegründet, als die Kommunistische Internationale bereits degeneriert war und die wichtigsten Kämpfe der revolutionären Welle nach dem Ersten Weltkrieg besiegt waren, insbesondere die Russische- und die Deutsche Revolution. Die Ausrichtung der KP in Indien bestand darin, eine antikoloniale, antibritische Bewegung zu werden, die mit vielen anderen nationalistischen Bewegungen verbunden war. Nationalismus und Patriotismus hatten einen starken Einfluss auf die KP in Indien. Die Arbeiterklasse in Indien leidet unter einem Mangel an der Tradition und Kontinuität der Kommunistischen Linken. Dies unterstreicht die wichtige Verantwortung für die IKS in Indien, das historische Erbe der Kommunistischen Linken besser bekannt zu machen.

Indem er den Weg einer eingehenden Untersuchung und kontinuierlichen Diskussion beschritt, wurde Kishan allmählich zu einem Militanten der IKS in Indien. Seine Loyalität gegenüber der IKS und dem Kampf des internationalen Proletariats kennzeichnete ihn als einen wahren proletarischen

Internationalisten. Er verteidigte die Positionen der IKS stets mit immenser Hingabe. Er war entschlossen, sich durch seine häufigen Beiträge an den Debatten der IKS auf internationaler Ebene und innerhalb unserer Sektion in Indien zu beteiligen. Genosse Kishan brachte seine Leidenschaft auf vielen Ebenen in das Leben der IKS ein. Er reiste quer durch das Land, um neue Buchhandlungen zu finden, in denen die Literatur der IKS verkauft werden konnte. Er nahm, wenn immer es notwendig war, an Diskussionszirkeln und öffentlichen Treffen teil. Er spielte eine bemerkenswerte Rolle bei der Erhöhung der Zahl der Abonnenten unserer Presse. Er nahm an verschiedenen internationalen Kongressen der IKS, sowie an territorialen Konferenzen unserer indischen Sektion teil und spielte eine sehr aktive Rolle. Seine wertvollen und gut durchdachten Beiträge trugen dazu bei, den Prozess der politischen Klärung voranzubringen. Seine größte Stärke war die Verteidigung unserer Organisation gegen alle Angriffe und Verleumdungen die gegen uns gerichtet waren.

Genosse Kishan hatte die Fähigkeit, die vielen Höhen und Tiefen des Lebens zu überwinden. Seine feste Überzeugung von der Politik und den Positionen der IKS und seine optimistische Haltung halfen ihm, in den schwierigsten politischen Situationen aufrecht zu stehen. Es ist schwierig, Kishans Beitrag zum politischen Kampf für die Emanzipation der Arbeiterklasse in einem kurzen Text der Würdigung angemessen zu bewerten. Wir sollten auch hinzufügen, dass Kishan sehr gastfreundlich war. Viele Genossen der IKS, ob sie nun aus anderen Ländern oder aus anderen Teilen Indiens kamen, erlebten seine großzügige Gastfreundschaft. Wir bringen seiner Familie unseren revolutionären Gruß und unsere Solidarität zum Ausdruck. Wir stehen seiner Tochter und seiner Frau mit all unserer Sympathie und Solidarität zur Seite.

IKS, Oktober 2020


[1]Siehe den Artikel Maoismus, ein monströser Abkömmling des dekadenten Kapitalismus auf unserer Website https://en.internationalism.org/ir/094_china_part3.html#_ftnref4.

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