Diese Krise wird die schwerste in der gesamten Periode der Dekadenz des Kapitalismus sein

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„Die Krise, die sich bereits seit Jahrzehnten abzeichnet, wird die schwerste der gesamten Dekadenzperiode werden, und ihre historische Bedeutung wird sogar die erste Krise dieser Epoche, die Krise, die 1929 begann, übertreffen. Nach mehr als 100 Jahren Zuspitzung kapitalistischer Dekadenz, mit einer Wirtschaft, die durch den Militärsektor verwüstet, durch die Auswirkungen der Umweltzerstörung geschwächt, in ihren Reproduktionsmechanismen durch Verschuldung und staatliche Manipulationen tiefgreifend verändert, der Pandemie zum Opfer gefallen ist und zunehmend unter allen anderen Auswirkungen der Zersetzung leidet, ist es eine Illusion zu glauben, dass es unter diesen Bedingungen eine dauerhafte Erholung der Wirtschaft geben wird.“ (Resolution zur internationalen Lage, Internationale Revue Nr. 57, 2021)

Das proletarisch-politische Milieu unterschätzt seinerseits die Tiefe der Krise: Für die verschiedenen IKPs (Internationale Kommunistische Partei), die sich im Wesentlichen auf ihre finanziellen Aspekte konzentriert, scheint die gegenwärtige Krise im Wesentlichen eine Wiederholung der Krise von 1929 zu sein. Was die IKT (Internationale Kommunistische Tendenz) betrifft, so kann sie zwar empirisch bestimmte Phänomene der Verschärfung der Krise erkennen, aber ihr ökonomistischer Ansatz, der sich ausschließlich auf den Rückgang der Profitrate stützt, verschleiert das Ausmaß des Niedergangs des kapitalistischen Systems und die Schwere der Krise. Indem sie die Krise weiterhin als die für die aufsteigende Phase des Kapitalismus typische Abfolge von Zyklen begreift, verkennt sie die Formen, die sie in der Dekadenz annimmt, und letztlich auch ihre Folgen und die sich daraus ergebenden Auswirkungen für das Proletariat. Sie meint vor allem, dass das Kapital "... Kriege als Mittel zur Fortführung des Prozesses der Akkumulation und der Erpressung des Mehrwerts, der die Grundlage seiner Existenz ist, erzeugt".[1]

Unser Bericht stützt seine Einschätzung der gegenwärtigen Schwere der Wirtschaftskrise auf die Errungenschaften des Marxismus und die Elemente seiner Entwicklung seit den späten 1960er Jahren, wie sie in verschiedenen IKS-Publikationen dargestellt sind.

Die Krise ist eine Krise der Überproduktion

1. Die Sackgasse der Überproduktionskrise beruht auf den kapitalistischen Gesellschaftsverhältnissen, die für die erweiterte Reproduktion des Kapitals zu eng sind[2], und auf den Grenzen der zahlungsfähigen außerkapitalistischen Märkte

Die Krise, die 1967 ausbrach und bis heute andauert, ist eine Krise der Überproduktion. Ihr Grund ist der Hauptwiderspruch des Kapitalismus von seinen Anfängen an, der zu einem endgültigen Hindernis wurde, als die Produktivkräfte ein bestimmtes Entwicklungsniveau erreichten: Die kapitalistische Produktion schafft nicht automatisch die für ihr Wachstum notwendigen Märkte. Das Kapital produziert mehr Waren, als von den kapitalistischen Produktionsverhältnissen aufgenommen werden können: ein Teil der Verwertung seiner Profite, der dazu bestimmt ist, die Reproduktion des Kapitals zu erweitern (d. h. weder von der Bourgeoisie noch von der proletarischen Klasse konsumiert wird), muss außerhalb dieser Verhältnisse, auf außerkapitalistischen Märkten, realisiert werden. Historisch gesehen fand der Kapitalismus die für seine Expansion notwendigen zahlungsfähigen Absatzmärkte zunächst unter den Bauern und Handwerkern der kapitalistischen Länder und kompensierte dann seine Unfähigkeit, eigene Absatzmärkte zu schaffen, damit, dass er seinen Markt durch die Schaffung des Weltmarktes auf die ganze Welt ausdehnte.

"Der Kapitalis­mus entwickelte sich zunächst in einer nichtkapitalistischen Welt, worin er die für seine Entfaltung notwendigen Märkte fand. Nachdem er aber seine Produktionsverhältnisse auf die ganze Erde ausgedehnt und in einem einzigen Weltmarkt vereinig­t hatte, erreichte der Kapitalismus Anfang des 20. Jahrhunderts die Schwelle zur Sätti­gung derselben Märkte, die im 19. Jahrhundert noch seine ungeheure Ausdehnung er­möglicht hatten. Darüber hinaus wurde durch die wachsende Schwie­rigkeit des Kapitals, Märkte zu finden, wo sein Mehrwert reali­siert werden kann, der Druck auf die Profitrate ver­stärkt und ihr tendenzieller Fall bewirkt. Dieser Druck wird durch den ständigen Anstieg des konstanten, “toten” Kapitals (Produktionsmittel) zu Lasten des variablen, lebendigen Kapitals, die menschliche Arbeitskraft, ausgedrückt. Anfangs nur als Tendenz wirkend, wird der Fall der Pro­fitrate schließlich immer spürbarer und zu einer zusätz­lichen Bremse für den Akkumulationsprozess des Kapitals, also für die Funkti­onsweise des gesamten Systems." (Plattform der IKS[3]). "Damit wird klarer, dass die beiden von Marx aufgespürten Widersprüche sich nicht gegenseitig ausschließen, sondern zwei Seiten des einen Gesamtprozesses der Wertproduktion sind. Dies macht es letztlich möglich, dass die 'zwei' Krisentheorien zu einer einzigen werden".[4]

Auf einer unmittelbareren Ebene beendete die offene Krise Ende der 1960er Jahre zwei Jahrzehnte der Prosperität, die auf der Wiederaufnahme der Ausbeutung der außerkapitalistischen Märkte (die sich während und zwischen den beiden Weltkriegen verlangsamt hatte) und auf der Modernisierung des Produktionsapparats (fordistische Methoden, Einführung der Informationstechnologie usw.) beruhte. Die Rückkehr der Krise öffnete erneut den Weg zu der historischen Alternative eines Weltkriegs oder einer allgemeinen Klassenkonfrontation, die zu einer proletarischen Revolution führt.

2. Nach welchen Kriterien soll die Schwere der Krise beurteilt werden?

Angesichts des Wiederaufflammens der Krise in den 1970er Jahren hielt die Organisation an drei Kriterien fest, um die Schwere der Krise zu belegen: die Entwicklung des Staatskapitalismus, die zunehmende Sackgasse der Überproduktion und die Vorbereitung des Krieges durch die Entwicklung der Kriegswirtschaft.

2.1. Die Entwicklung des Staatskapitalismus

Als Ausdruck des Widerspruchs zwischen der globalen Vergesellschaftung und der nationalen Basis der gesellschaftlichen Verhältnisse der kapitalistischen Produktion spiegelt die weltweite Tendenz zur Stärkung des kapitalistischen Staates in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens im Grunde die endgültige Untauglichkeit der kapitalistischen gesellschaftlichen Verhältnisse für die von den Produktivkräften erreichte Entwicklung wider. Der Staat ist die einzige Kraft, die in der Lage ist:

- die Widersprüche innerhalb der herrschenden Klasse einzudämmen, um die für die Verteidigung des nationalen Kapitals notwendige Einheit zu erzwingen;

- den Betrug am Wertgesetz auf nationaler Ebene zu organisieren und voll zu entfalten, um seinen Anwendungsbereich zu bestimmen und so den Zerfall der nationalen Wirtschaft angesichts der unüberwindbaren Widersprüche des Kapitalismus zu verlangsamen;

- die Wirtschaft in den Dienst des Krieges zu stellen und das nationale Kapital im Hinblick auf die Vorbereitung des imperialistischen Krieges zu organisieren;

- die Stärkung des inneren Zusammenhalts einer Gesellschaft, die durch den zunehmenden Zerfall ihrer wirtschaftlichen Grundlagen von der Auflösung bedroht ist, durch ihre repressiven Kräfte und eine immer stärkere Bürokratie; die Aufrechterhaltung einer sozialen Struktur, die immer weniger in der Lage ist, die menschlichen Beziehungen automatisch zu regeln (Beziehungen, die immer weniger akzeptiert werden und die vom Standpunkt des Überlebens der Gesellschaft aus gesehen immer absurder werden) durch allgegenwärtige Gewalt.

2.2. Die wachsende Sackgasse der Überproduktion

Im Kapitalismus gibt es keine Lösung für die Überproduktion. Alle Maßnahmen, die zur Abmilderung ihrer Auswirkungen ergriffen werden, sind zum Scheitern verurteilt, und der Kapitalismus ist ständig mit diesem unüberwindbaren Grundwiderspruch konfrontiert. Im Grunde kann dieser Widerspruch nur durch die Abschaffung von Lohnarbeit und Ausbeutung beseitigt werden. Die Bourgeoisie kann allenfalls versuchen, die Gewalt der Krise zu mildern, indem sie sie abbremst.

"Die gegenwärtige Situation zeigt deutlich, was die IKS immer über das Wesen der Krise gesagt hat: dass wir es mit einer allgemeinen Krise der Überproduktion zu tun haben, die in den kapitalistischen Metropolen die Form einer Überproduktion von Waren, Kapital und Arbeitskraft annimmt." [5]

Diese Sackgasse drückt sich in der Entwicklung der Inflation aus, die sich aus der Last der unproduktiven Kosten speist, die durch die Notwendigkeit, ein Minimum an Zusammenhalt in einer zerfallenden Gesellschaft aufrechtzuerhalten (Staatskapitalismus), und durch die Sterilisierung des Kapitals durch die Kriegswirtschaft und die Rüstungsproduktion mobilisiert werden. Die Inflation, die auch durch die Umgehung des Wertgesetzes (Verschuldung, Geldschöpfung usw.) angeheizt wird, ist ein ständiges Merkmal der Dekadenz des Kapitalismus und gewinnt in Kriegszeiten noch mehr an Bedeutung. Eine enorme Masse an Kapital, das nicht mehr gewinnbringend angelegt werden kann, nährt dann die Spekulation.

"Die gesamte Periode der Dekadenz zeigt, dass die Überproduktionskrise eine Verlagerung der Produktion in die Kriegswirtschaft impliziert. Dies als "wirtschaftliche Lösung" zu betrachten, und sei es auch nur eine vorübergehende, wäre ein schwerer Fehler. Die Wurzeln dieses Fehlers liegen in der Unfähigkeit zu verstehen, dass die Überproduktionskrise ein Prozess der Selbstzerstörung ist. Der Militarismus ist der Ausdruck dieses Prozesses der Selbstzerstörung, der das Ergebnis der Revolte des Produktionsprozesses gegen die Produktionsverhältnisse ist." [6]

2.3. Kriegsvorbereitung und Aufbau der Kriegswirtschaft

"In der dekadenten Phase des Imperialismus kann der Kapitalismus die Gegensätze seines Systems nur auf ein Ergebnis ausrichten: Krieg. Die Menschheit kann einer solchen Alternative nur durch eine proletarische Revolution entkommen." [7] In dem Maße, wie sich die Wirtschaftskrise verlängert und vertieft, verschärft sie die inter-imperialistischen Antagonismen. Für das Kapital gibt es nur eine "Lösung" für seine historische Krise: den imperialistischen Krieg. Je schneller sich also die verschiedenen Besänftigungsmaßnahmen als nutzlos erweisen, desto gezielter muss sich jeder imperialistische Block auf eine gewaltsame Neuaufteilung des Weltmarktes vorbereiten.

2.4. Verschärfung der Ausbeutung des Proletariats

Der Aufbau einer Kriegswirtschaft impliziert die Entwicklung einer Produktion (insbesondere der Rüstungsproduktion), die nicht zur Steigerung des Kapitalwerts eingesetzt werden kann, d. h. nicht in die Produktion neuer Waren integriert werden kann. In diesem Sinne impliziert sie eine Sterilisierung des Kapitals, die durch eine Erhöhung des extrahierten Mehrwerts kompensiert werden muss. Diese Kompensation wird im Wesentlichen durch eine Verschärfung der Ausbeutung der Arbeiterklasse erreicht.

Die Bilanz der 1970er und 80er Jahre: der Ausbruch des Zerfalls

Ende der 1970er und Anfang der 1980er Jahre geriet der Kapitalismus in eine Sackgasse: Im Westblock schlug sich die Überproduktion von Gütern im Rückgang der Industrieproduktion nieder, die vor allem in den USA ihren Höhepunkt erreichte, wo Rezessionen die Stahlproduktion auf das Niveau von 1967 zurückwarfen. Im Ostblock herrschte Kapitalmangel, die Industrieproduktion war unterentwickelt und rückständig, und das Kapital war auf dem Weltmarkt überhaupt nicht wettbewerbsfähig.[8] Der Mythos, dass die so genannten "sozialistischen" Länder der allgemeinen Krise des Systems entkommen könnten, brach in den 1980er Jahren endgültig zusammen. Viele der ärmsten Länder der so genannten "Dritten Welt" waren bereits Mitte der 1970er Jahre zusammengebrochen.

Im amerikanischen Block beschleunigte die Wirtschaftskrise den Trend zur Stärkung des Staatskapitalismus. Keynesianische Konjunkturmaßnahmen in der Größenordnung der Krise von 1929 waren nicht nur nicht mehr durchführbar, sondern auch die nachfolgenden Konjunkturmaßnahmen scheiterten. Eine Rezession folgte auf die andere und wurde immer tiefer.

Jeder Block verstärkte seine Vorbereitungen für einen dritten Welt-Holocaust, insbesondere durch eine beträchtliche Erhöhung der Rüstungsausgaben zur Unterstützung des imperialistischen Wettbewerbs. Die Kriegsvorbereitungen wurden auch im Hinblick auf die politische Stärkung der Blöcke im Hinblick auf eine imperialistische Konfrontation (aber auch auf eine Konfrontation mit der Arbeiterklasse) intensiviert.

Aber für das Kapital "haben die Rüstungsaufträge zwar die imperialistische Vorherrschaft der USA gestärkt, aber die amerikanische Industrie nicht gerettet. Ganz im Gegenteil. Zwischen 1980 und 1987 ist der Anteil der drei wichtigsten Industriesektoren – Werkzeugmaschinen, Automobile und Computertechnik – am Weltmarkt von 12,7 auf 9 %, von 11,5 auf 9,4 % bzw. von 31 auf 22 % zurückgegangen. Die Rüstungsproduktion reproduziert weder Arbeitskraft noch neue Maschinen. Sie stellt eine Vernichtung von Kapital und Reichtum dar, eine unproduktive Lücke, die die Wettbewerbsfähigkeit der Volkswirtschaft beeinträchtigt. Die beiden nach Jalta entstandenen Blockführer haben erlebt, wie ihre Volkswirtschaften weniger wettbewerbsfähig wurden als die ihrer Verbündeten. Dies ist das Ergebnis der Ausgaben, die sie für die Stärkung ihrer militärischen Macht aufwenden mussten, die die Garantie für ihre Position als imperialistische Führer und in letzter Instanz auch für ihre wirtschaftliche Stärke ist".[9]

1. Der Zusammenbruch des Stalinismus – die Folgen des Zerfalls

Zu Beginn der 1980er Jahre, als sich die beiden grundlegenden und antagonistischen Klassen der Gesellschaft gegenüberstanden, ohne dass es ihnen gelang, ihre eigene entschiedene Antwort durchzusetzen, verschwanden die Widersprüche und Erscheinungsformen des moribunden Kapitalismus nicht mit der Zeit. Vielmehr wurden sie aufrechterhalten, akkumuliert und vertieft und gipfelten in der Phase des allgemeinen Zerfalls des kapitalistischen Systems, die ein Dreivierteljahrhundert der Agonie einer von der Geschichte verdammten Produktionsweise abschließt und krönt.

Der Ausbruch des Zerfalls führte zu einem noch nie dagewesenen Phänomen: dem Zusammenbruch eines ganzen Blocks außerhalb der Bedingungen eines Weltkriegs oder einer proletarischen Revolution.

"Dieser Zusammenbruch ist im Wesentlichen eine der Konsequenzen aus der Weltkrise des Kapitalismus; wir sollten allerdings auch nicht versäumen, in unseren Analysen die Besonderheiten der stalinistischen Regimes zu berücksichtigen, die das Ergebnis der historischen Umstände ihres Entstehens waren (Thesen zur ökonomischen und politischen Krise in der UdSSR und den osteuropäischen Ländern, Internationale Revue, Nr. 12). Jedoch kann man diesen historisch beispiellosen Zustand des Zusammenbruchs eines ganzen imperialistischen Blocks von innen heraus, in Abwesenheit einer Revolution oder eines Weltkrieges, nur verstehen, wenn man dieses andere, noch nicht dagewesene Element in der Analyse berücksichtigt, das der Eintritt der Gesellschaft in eine Zerfallsphase bildet. Die extreme Zentralisierung und vollständige Verstaatlichung der Wirtschaft, die Verschmelzung zwischen wirtschaftlichem und politischem Apparat, die permanenten und großformatigen Tricksereien mit dem Wertgesetz, die Mobilisierung aller ökonomischen Ressourcen für den militärischen Bereich, all diese für die stalinistischen Regime typischen Merkmale waren zwar dem Kontext eines imperialistischen Krieges (dieses Regime ist gestärkt aus dem Zweiten Weltkrieg, als Sieger, hervorgegangen) angepasst, aber sie stießen brutal und radikal auf ihre Grenzen, als die Bourgeoisie jahrelang mit der Zuspitzung der Wirtschaftskrise konfrontiert war, ohne diese wie in der Vergangenheit in eben diesen imperialistischen Krieg enden zu lassen." (Der Zerfall: Die letzte Phase der Dekadenz des Kapitalismus[10])

2. Die Krise des Staatskapitalismus und ihre Bedeutung

"Nach jahrzehntelanger staatskapitalistischer Politik unter der Peitsche der imperialistischen Blöcke stellt der gegenwärtige Prozess der Auflösung der Bündnisse, die den Planeten bisher aufgeteilt haben, in gewisser Weise einen Sieg des Marktes dar, eine brutale Anpassung der imperialistischen Rivalitäten an die wirtschaftlichen Realitäten. Er symbolisiert die Unfähigkeit der staatskapitalistischen Maßnahmen, die unerbittlichen Gesetze des kapitalistischen Marktes nach außen zu unterbrechen. Dieses Scheitern, das weit über die Grenzen des ehemaligen russischen Blocks hinausgeht, ist Ausdruck der Unfähigkeit der Weltbourgeoisie, mit der chronischen Krise der Überproduktion, mit der katastrophalen Krise des Kapitals fertig zu werden. Sie zeigt die zunehmende Unwirksamkeit der statistischen Maßnahmen, die seit Jahrzehnten immer massiver und im Maßstab der Blöcke eingesetzt werden und die seit den 30er Jahren als Allheilmittel für die unüberwindbaren Widersprüche des Kapitalismus, wie sie in seinem Markt zum Ausdruck kommen, präsentiert wurden." [11]

"Die mangelnde Perspektive (außer der Flickschusterei, um die Wirtschaft zu stützen), in der sie sich als Klasse mobilisiert, und die Tatsache, daß die Arbeiterklasse noch keine Bedrohung für ihr Überleben darstellt, bewirkt in der herrschenden Klasse und insbesondere in ihrem politischen Apparat eine wachsende Tendenz zur Disziplinlosigkeit und zum Rette-wer-sich-kann. Dieses Phänomen erklärt den Zusammenbruch des Stalinismus und des gesamten imperialistischen Ostblocks." (Der Zerfall: Die letzte Phase der Dekadenz des Kapitalismus[12]) Die IKS erkannte, dass das westliche Modell des Staatskapitalismus, das das Privatkapital in eine staatliche Struktur einbindet und unter seine Kontrolle stellt, weitaus effizienter, flexibler, geeigneter, mit einem ausgeprägteren Verantwortungsbewusstsein für die Verwaltung der nationalen Wirtschaft ausgestattet, einlullender, weil verhüllter ist und vor allem eine Wirtschaft und einen Markt kontrolliert, die weitaus mächtiger sind als die der osteuropäischen Länder. Wir haben aber auch darauf hingewiesen, dass der Bankrott des Ostblocks, nach dem der "Dritten Welt", den zukünftigen Bankrott des Kapitalismus in seinen am weitesten entwickelten Gebieten ankündigt. "Die allgemeinen Absetzbewegungen innerhalb des Staatsapparats, das Entgleiten der Kontrolle über die eigene politische Strategie wie in der UdSSR und ihren Satelliten heute sind in Wirklichkeit (aufgrund der Besonderheiten der stalinistischen Regimes) nur die Karikatur eines viel allgemeineren Phänomens, das die gesamte Weltbourgeoisie betrifft, ein Phänomen, das typisch für die Zerfallsphase ist." (Der Zerfall: Die letzte Phase der Dekadenz des Kapitalismus[13])

In der Zeit danach bestätigte sich auch, dass weite Teile der Welt, wie z. B. Afrika, auf dem Weltmarkt wirtschaftlich marginalisiert waren. Obwohl die Aussicht auf einen dritten Weltkrieg in weite Ferne rückte, ging der Militarismus unvermindert weiter, und die Verwüstungen des Krieges stürzten immer größere Gebiete ins Chaos – auf direkte Veranlassung der Großmächte, allen voran der USA mit ihren katastrophalen Interventionen im Irak (1991 und 2003) und in Afghanistan (2001).

Globalisierung, 1989-2008

1. Globalisierung: ein Versuch die Rentabilität des Kapitals zu erhalten

Im chaotischen Kontext dieser neuen historischen Situation des Zerfalls und in einer kapitalistischen Welt, die durch die Auswirkungen ihrer Dekadenz tiefgreifend verändert wurde, bot das Verschwinden der Blöcke jedoch eine Gelegenheit, die insbesondere von den Großmächten unter der Führung der USA (als einzige verbliebene Supermacht in wirtschaftlicher und militärischer Hinsicht) genutzt wurde, um das Überleben des kapitalistischen Systems zu verlängern.

Die durch die Globalisierung unternommenen Versuche, die Auswirkungen des Widerspruchs des Kapitalismus zwischen dem sozialen und globalen Charakter der Produktion und dem privaten Charakter der Aneignung des Mehrwerts durch konkurrierende kapitalistische Nationen zu begrenzen, basierten im Wesentlichen auf den folgenden Faktoren:

- Die bessere Ausbeutung bereits bestehender Märkte durch das Verschwinden ihrer Konkurrenten, die von der Krise, die dem Zusammenbruch der Ostblockländer zugrunde lag, hinweggefegt wurden, auch wenn diese Märkte weit davon entfernt waren, das Eldorado zu sein, als das sie damals von den bürgerlichen Kampagnen dargestellt wurden.

- Die Ausbeutung der verbliebenen außerkapitalistischen Märkte in einer Welt, in der das Verschwinden der Blöcke den Wegfall der wichtigsten Hindernisse zu ihnen bedeutete, solange sie unter der Vormundschaft des Feindes standen. Allerdings sind nicht alle Märkte notwendigerweise zahlungsfähig, d. h. in der Lage, die zum Verkauf stehenden Waren zu bezahlen.

- Staatliches Handeln. Es ist nicht mehr so, dass der Blockführer im Namen der notwendigen Einheit des Blocks die von den einzelnen nationalen Hauptstädten zu ergreifenden Maßnahmen vorschreibt. Aber die wirtschaftliche und politische Macht der USA ermöglicht es ihnen nach wie vor, jeden Staat zu erpressen, damit er die neuen Spielregeln akzeptiert, andernfalls wird ihm der für das Überleben in der kapitalistischen Arena notwendige finanzielle Sauerstoff entzogen. Die Staaten waren die wichtigsten Instrumente zur Organisation der Globalisierung und spielten eine entscheidende Rolle bei der Festlegung von Vorschriften, die eine maximale Rentabilität begünstigen, bei der Festlegung einer attraktiven Steuerpolitik usw.

- Die Ausweitung des Betrugs am Wertgesetz auf die ganze Welt durch die Verallgemeinerung der Maßnahmen und Mechanismen, die unter der Ägide der USA im Rahmen des westlichen Blocks im letzten Jahrzehnt seines Bestehens entwickelt worden waren. Damit sollten – mittels einer künstlich durch Schulden finanzierten Nachfrage – die Folgen der Knappheit an Märkten bekämpft werden, die sich unweigerlich auf die Rentabilität des Kapitals auswirken.

Die neue internationale Organisation von Produktion und Handel, die von der führenden Weltmacht durchgesetzt wurde, nahm im Wesentlichen zwei Formen an: den freien Kapitalverkehr und die freie Verfügbarkeit der Arbeitskraft. Diese beiden Faktoren stehen in engem Zusammenhang mit dem Kampf gegen das Sinken der Profitrate im Kontext eines Mangels an zahlungsfähigen Märkten.

Es ist dieses Gesetz, das die Erklärung für den Kapitalexport liefert, der als eines der spezifischen Merkmale des dekadenten Kapitalismus erscheint: "Der Kapitalexport, sagt Marx, wird nicht durch die Unmöglichkeit verursacht, es im Inland einzusetzen, sondern durch die Möglichkeit, es im Ausland zu einer höheren Profitrate unterzubringen. Lenin bestätigt diese Idee (in seinem Buch Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus), indem er sagt, dass die Notwendigkeit, Kapital zu exportieren, aus der übermäßigen Reife des Kapitalismus in bestimmten Ländern resultiert, in denen „vorteilhafte“ Investitionen seltener werden." (Bilan[14]) Gleichzeitig hatte dies den Effekt, den industriellen Apparat der zentralen Länder zu zerstören, sobald die Möglichkeit bestand, ihn zu profitableren Bedingungen in andere Teile der Welt zu verlagern.

Auch der Produktivitätswettlauf, der darauf abzielt, den tendenziellen Fall der Profitrate durch die Masse des erzielten Profits zu kompensieren, verschärfte sich.

Die Frage der "Ware Arbeitskraft" (die lebendige Arbeitskraft, aus deren Ausbeutung der Kapitalismus seinen Mehrwert zieht) hat eine zentrale Rolle gespielt. Das Verschwinden der Blöcke ermöglichte die Suche nach verfügbarer Arbeitskraft, die profitabler ausgebeutet werden konnte, und begünstigte auch die Ausdehnung der kapitalistischen Klassenverhältnisse auf Bereiche, die bisher außerhalb des kapitalistischen Produktionsfeldes lagen. Infolge der Proletarisierung riesiger Massen von Kleinproduzenten, die von ihren Produktionsmitteln getrennt wurden, stieg die Zahl der Lohnabhängigen weltweit auf insgesamt 1,9 Milliarden Arbeiter und Angestellte im Jahr 1980 und überstieg im Jahr 1995 3 Milliarden. Die immer drastischere Ausbeutung der Arbeitskraft des Proletariats (durch direkte oder indirekte Senkung der Löhne, Intensivierung der Arbeit oder Verlängerung der Arbeitszeit) in allen Teilen der Welt in Konkurrenz zueinander sowie die Integration neuer Arbeitskräfte in die kapitalistischen gesellschaftlichen Produktionsverhältnisse ermöglichten es den Großmächten, eine Zeit lang eine erweiterte Akkumulation durch Kapitalexport in Zonen der Verlagerung besser zu erreichen. Befreit von dem imperialistischen Korsett, das die Welt in Blöcke teilte, dehnte der Kapitalismus seine Produktionsverhältnisse auf den gesamten Planeten aus, bis hin zu seinen endgültigen Grenzen.

Andererseits haben der Kampf ums Überleben und das ungezügelte Streben nach maximalem Profit auch zu einer noch verheerenderen und zerstörerischen Ausbeutung der anderen Grundlage des kapitalistischen Reichtums geführt: der Natur. Die Ausplünderung und der Raubbau an der Natur, die durch die Notwendigkeit, die Rohstoffpreise zu senken, verursacht wurden, haben ein solches Ausmaß erreicht, dass die "große Beschleunigung" der Umweltzerstörung, die der dekadente Kapitalismus vor allem seit dem Zweiten Weltkrieg hervorgerufen hat, sich seit dem Eintritt des Kapitalismus in seine letzte Phase des Zerfalls noch mehr verschärft hat.

Die herrschende Klasse hat buchstäblich jedes Mittel zur Profitmaximierung eingesetzt:

1. Die Mechanismen des Finanzkapitals, die eine Schlüsselposition einnehmen, haben die Logik, einen immer größeren Teil des weltweit geschaffenen Reichtums an die herrschende Klasse in den zentralen Ländern abfließen zu lassen.

2. Die Politik der Ausplünderung, insbesondere der anderen produzierenden Klassen (Kleinbürgertum), ein typisches Phänomen der Dekadenz, nimmt eine neue Ausdehnung an und wird allgemeiner: "die Notwendigkeit für das Finanzkapital, einen Extraprofit anzustreben, und zwar nicht durch die Produktion von Mehrwert, sondern durch die Beraubung sowohl der Verbraucher (durch Erhöhung der Warenpreise über ihren Wert) als auch der kleinen Produzenten (durch Aneignung eines Teils ihrer Arbeit). Der Extraprofit stellt somit eine indirekte Steuer dar, die auf die Warenzirkulation erhoben wird. Der Kapitalismus neigt dazu, im absoluten Sinne des Wortes parasitär zu werden" (Bilan[15]).

3. Die von offiziellen Institutionen und Regierungen vorangetriebene Spekulation nimmt einen neuen Umfang und eine neue Bedeutung an: Sie heizt die Verschuldung auf allen Ebenen der Wirtschaft an, indem sie immer üppigere Mengen an fiktivem Kapital in Umlauf bringt (2007 erreichte es das Zehnfache des weltweiten BIP[16]), das in "Blasen" gefangen ist, die "glücklicherweise" die Staatsschulden aus den Büchern verschwinden zu lassen, die Inflation verschleiern und ihre negativen Auswirkungen verwischen.

4. Die Gangsterisierung der Wirtschaft: Betrug, illegaler Handel, Schmuggel, Fälschungen usw. nehmen mit der Korruption von Teilen des Staates oder sogar auf Veranlassung von Staaten (wie Serbien, Nordkorea usw.) ein noch nie dagewesenes Ausmaß an.

2. Das Auftauchen Chinas

Der Aufstieg Chinas wurde durch die beispiellosen Umstände des Verschwindens der imperialistischen Blöcke ermöglicht. "Die Phasen des Aufstiegs Chinas sind untrennbar mit der Geschichte der imperialistischen Blöcke und ihrem Verschwinden 1989 verbunden: Die Position der Kommunistischen Linken über die ‘Unmöglichkeit der Entstehung neuer Industrienationen’ in der Zeit der Dekadenz und die Verurteilung von Staaten, ‘die ihren industriellen Rückstand vor dem Ersten Weltkrieg nicht wettmachen konnten, dazu, ‘in totaler Unterentwicklung zu stagnieren oder in eine chronische Abhängigkeit gegenüber den hochindustrialisierten Ländern zu geraten’, galt im Zeitraum von 1914 bis 1989. Es war die Zwangsjacke der Organisation der Welt in zwei gegnerische imperialistische Blöcke (andauernd zwischen 1945 und 1989) zur Vorbereitung auf den Weltkrieg, die jede größere Umwälzung der Hierarchie zwischen den Mächten verhinderte. Chinas Aufstieg begann mit der amerikanischen Hilfe, die seine imperialistische Annäherung an die Vereinigten Staaten im Jahr 1972 belohnte. Er setzte sich nach dem Verschwinden der Blöcke im Jahr 1989 entschlossen fort. China scheint der Hauptnutznießer der ‘Globalisierung’ zu sein, nachdem es 2001 der WTO beigetreten und zur Werkstatt der Welt geworden war; dorthin wurden immer mehr Produktionsstandorte aus dem Westen verlagert und seitens des Westens immer mehr investiert, so dass es schließlich zur zweitgrößten Wirtschaftsmacht der Welt wurde. Es bedurfte der beispiellosen Umstände der historischen Epoche des Zerfalls, um China den Aufstieg zu ermöglichen; ohne diese Umstände des Zerfalls wäre es nicht dazu gekommen.

Chinas Macht trägt alle Stigmata der Endphase des Kapitalismus: Sie basiert auf der extremen Ausbeutung der proletarischen Arbeitskräfte, auf der ungezügelten Entwicklung der Kriegswirtschaft durch das nationale Programm der ‘militärisch-zivilen Fusion’ und wird von der katastrophalen Zerstörung der Umwelt begleitet, während der ‘nationale Zusammenhalt’ auf der polizeilichen Kontrolle der Massen beruht, die der politischen Bildung der Einheitspartei und in Xinjiang und Tibet brutaler physischer Unterdrückung unterworfen sind. Tatsächlich ist China nur eine riesige Metastase des generalisierten militärischen Krebsgeschwürs des gesamten kapitalistischen Systems: Seine Rüstungsproduktion entwickelt sich in rasendem Tempo, sein Verteidigungshaushalt hat sich in 20 Jahren versechsfacht und liegt seit 2010 an zweiter Stelle der Welt." [17]

3. Die Krise von 2008

Der Zeitraum 1989-2008 war durch eine Reihe von Schwierigkeiten gekennzeichnet, die zeigen, dass die Globalisierung trotz der spektakulären Umwälzungen in der Hierarchie zwischen den Wirtschaftsmächten die Tendenz zur Überproduktion und zur Stagnation des Kapitalismus nicht beseitigt hat, was sich in folgenden Punkten zeigt:

- ein schwächeres Wachstum;

- die Unterbeschäftigung oder die Vernichtung riesiger Mengen an Produktionsgrundlagen;

- die enorme Menge an überschüssigen Arbeitskräften (schätzungsweise ein Drittel bis die Hälfte aller Erwerbstätigen weltweit), die arbeitslos oder unterbeschäftigt sind und die der Kapitalismus nicht in die Produktion integrieren kann und die dazu verdammt sind, im informellen Sektor oder am Rande der kapitalistischen Wirtschaft zu schmachten;

- die große Instabilität und die Unfähigkeit, Krisen abzuwenden: die Krise des europäischen Währungssystems 1993, die mexikanische Krise 1994, die asiatische Krise 1997-98, die Krise in Argentinien 2001, das Platzen der Internetblase 2002 ... – mit dem ständigen und wachsenden Risiko der Implosion des internationalen Finanzsystems (auch wenn es dem Kapitalismus zwei Jahrzehnte lang gelungen ist, Krisen auf bestimmte Teile der Welt zu beschränken, um den Preis exorbitant steigender Kosten und Schäden für das System);

- die Tatsache, dass das Krebsgeschwür des Militarismus nicht verschwunden ist, das weiterhin den Lebenssaft aus der globalen Produktion saugt, wobei die wichtigsten Teile der Welt auf unterschiedliche Weise betroffen sind: Die europäischen Länder konnten ihre Militärausgaben im Vergleich zu 1989 etwa halbieren; China hat sich in diesem Zeitraum nicht an Konflikten beteiligt und seine wirtschaftliche Stärke für seinen Aufstieg zur zweitgrößten Weltmacht aufgespart; aber die langen und kostspieligen Kriege (Irak, Afghanistan usw.), die der US-Imperialismus geführt hat, haben dazu beigetragen, seine Wirtschaft im Vergleich zu seinen Rivalen zu schwächen.

In Wirklichkeit war diese Periode nur ein Zwischenspiel, das es dem kapitalistischen System ermöglichte, seine Wirtschaft einigermaßen vor den Auswirkungen des Zerfalls zu bewahren.

So führten die Verschlechterung des realen Zustands der Wirtschaft und die Rache des Wertgesetzes zur Finanzkrise von 2008, der schwersten Finanzkrise seit der Großen Depression von 1929. Sie begann in den USA, dem Herzstück des globalen Kapitalismus, und breitete sich auf den Rest der Welt aus. Die Schwächung der Globalisierungsdynamik, die Verringerung des Spielraums für eine breit angelegte Akkumulation, die Last der Militärausgaben und der imperialistischen Interventionen sowie die Sackgasse der Überproduktion führen dazu, dass die gigantische Ponzi-Pyramide des internationalen Finanzgerüsts, das auf der unbegrenzten allgemeinen Verschuldung des US-Staates beruht, implodiert und zerbricht, wobei die Spekulation als Ersatz für das globale Wachstum dient, um das kapitalistische System am Leben zu erhalten.

Die gigantischen, historisch beispiellosen Rettungspläne der Zentralbanken der Großmächte und die Rolle Chinas als treibender Kraft konnten zwar das System stabilisieren und die Liquiditätskrise eindämmen, aber die Wirtschaft nicht wirklich wiederbeleben. Das Jahr 2008 markiert einen Wendepunkt in der Geschichte des Versinkens der kapitalistischen Produktionsweise in ihrer historischen Krise.

4. Das Ende der letzten außerkapitalistischen Märkte?

Diese heftige Explosion der Krise, die mehr als zwei Jahrzehnte der Überausbeutung im Weltmaßstab abschließt und keinen Einflussbereich in der Welt, keinen Markt – auch nicht die außerkapitalistischen Märkte – ausspart, bestätigt, dass das kapitalistische System nun noch stärker in einer Situation gefangen ist, in der die universelle Hegemonie der Klassenverhältnisse eine erweiterte Reproduktion zunehmend erschwert. Nachdem sich der Weltmarkt konstituiert hatte und unter den Mächten aufgeteilt war, bedeutete die bloße Tendenz zu diesem Ziel den Eintritt des Kapitalismus in seine Dekadenzphase, wie Rosa Luxemburg hervorhob:

"So breitet sich der Kapitalismus dank der Wechselwirkung mit nichtkapitalistischen Gesellschaftskreisen und Ländern immer mehr aus, indem er auf ihre Kosten akkumuliert, aber sie zugleich Schritt für Schritt zernagt und verdrängt, um an ihre Stelle selbst zu treten. Je mehr kapitalistische Länder aber an dieser Jagd nach Akkumulationsgebieten teilnehmen und je spärlicher die nichtkapitalistischen Gebiete werden, die der Weltexpansion des Kapitals noch offenstehen, um so erbitterter wird der Konkurrenzkampf des Kapitals um jene Akkumulationsgebiete, umso mehr verwandeln sich seine Streifzüge auf der Weltbühne in eine Kette ökonomischer und politischer Katastrophen: Weltkrisen, Kriege, Revolutionen.

Durch diesen Prozeß bereitet das Kapital aber in zweifacher Weise seinen Untergang vor. Indem es einerseits durch seine Ausdehnung auf Kosten aller nichtkapitalistischen Produktionsformen auf den Moment lossteuert, wo die gesamte Menschheit in der Tat lediglich aus Kapitalisten und Lohnproletariern besteht und wo deshalb eben weitere Ausdehnung, also Akkumulation, unmöglich wird. Zugleich verschärft es, im Maße wie diese Tendenz sich durchsetzt, die Klassengegensätze, die internationale wirtschaftliche und politische Anarchie derart, daß es, lange bevor die letzte Konsequenz der ökonomischen Entwicklung – die absolute, ungeteilte Herrschaft der kapitalistischen Produktion in der Welt – erreicht ist, die Rebellion des internationalen Proletariats gegen das Bestehen der Kapitalsherrschaft herbeiführen muss." (Rosa Luxemburg, Antikritik[18])

Die Unmöglichkeit einer von kapitalistischen Verhältnissen beherrschten Welt

Viele der bereits in der Dekadenz vorhandenen Phänomene nehmen in der Periode des Zerfalls eine qualitativ neue Dimension an, insbesondere wegen der Unmöglichkeit des Kapitals, eine Perspektive zu bieten: "Die Bourgeoisie ist völlig unfähig, die verschiedenen Bestandteile der Gesellschaft, auch innerhalb der herrschenden Klasse, für ein anderes gemeinsames Ziel zu mobilisieren als den schrittweisen, aber zum Scheitern verurteilten Widerstand gegen die fortschreitende Krise (…). Deshalb unterscheidet sich die heutige Situation der offenen Krise radikal von ihrer Vorgängerin in den 1930er Jahren." (Der Zerfall: Die letzte Phase der Dekadenz des Kapitalismus[19])

Solange jede Nation von der Globalisierung profitieren konnte, ist es dem Kapitalismus im Allgemeinen gelungen, die kapitalistische Wirtschaft vor den Auswirkungen des Zerfalls zu bewahren. Insbesondere wurde das "Jeder für sich" eingedämmt und das Recht des Stärkeren stillschweigend geduldet. Ganz anders war die Situation nach 2008, als sich die "Chancen" der Globalisierung schlossen: Die noch offensichtlichere Unfähigkeit der herrschenden Klasse, die Krise ihrer Produktionsweise zu überwinden, führte zu einer Explosion des "Jeder für sich", sowohl in den Beziehungen zwischen den Nationen (mit der schrittweisen Rückkehr des Protektionismus und der einseitigen Infragestellung durch die beiden Hauptmächte des Multilateralismus und die Institutionen der Globalisierung) als auch innerhalb jeder Nation.

1. Der "Strudel-Effekt" des Zerfalls, ein noch nie dagewesener Faktor für die Verschärfung der Wirtschaftskrise

In den 2020er Jahren haben die Auswirkungen des Zerfalls ein neues Ausmaß und eine neue Bedeutung erlangt, die für die kapitalistische Wirtschaft äußerst zerstörerisch sind. Den Anfang machte die globale Pandemie von Covid-19, ein reines Produkt des Zerfalls, das die Weltwirtschaft zum Stillstand brachte und massive staatliche Interventionen und eine steigende Verschuldung erforderte. Auf die Pandemie folgte 2022 die Rückkehr des Krieges nach Europa in der Ukraine, dessen Schockwellen die kapitalistische Welt weiterhin erschüttern. Die durch die Pandemie ausgelöste Entwicklung eines noch nie dagewesenen Alleingangs und die Abkehr von jeglicher Form der Zusammenarbeit zwischen den Nationen untergraben das gesamte kapitalistische System und stehen damit im Widerspruch zu den Lehren, die aus der Krise von 1929 hinsichtlich der Notwendigkeit einer relativen Zusammenarbeit zwischen den großen Nationen gezogen wurden.

Die Auswirkungen des Zerfalls beschleunigen sich nicht nur, sie kehren auch wie ein Bumerang zurück, um sich am stärksten im Herzen des Kapitalismus zu manifestieren, da sich die kombinierten Auswirkungen der Wirtschaftskrise, der ökologischen/klimatischen Krise und des imperialistischen Krieges akkumulieren, interagieren und ihre Auswirkungen vervielfachen, um eine verheerende Spirale mit unabsehbaren Folgen für den Kapitalismus zu erzeugen, die die kapitalistische Wirtschaft und ihre Produktionsinfrastruktur immer stärker trifft und destabilisiert. Während jeder einzelne Faktor, der diesen "Strudel" des Zerfalls antreibt, den Zusammenbruch von Staaten bewirken kann, übersteigt seine kombinierte Wirkung bei weitem die Summe der einzelnen Faktoren.

Die globale Störung des Wasserkreislaufs ist ein typisches Beispiel dafür. Als Folge der globalen Erwärmung, die dem kapitalistischen System zuzuschreiben ist, sind extreme und langanhaltende Dürren die Ursache von Megabränden; sie führen zur Versteppung ganzer Landstriche auf dem Globus, machen sie unbewohnbar und führen häufig zu Kriegen. Sie zwingen die Bevölkerung zur Migration; sie waren eine der Ursachen für den Zusammenbruch der arabischen Staaten im Nahen Osten nach 2010[20]. In den Vereinigten Staaten, China und Europa sind die Produktivität und sogar die Landwirtschaft ins Wanken geraten. Extreme Regenfälle und Überschwemmungen ruinieren ganze Regionen oder sogar Staaten (Pakistan), zerstören lebenswichtige Infrastrukturen und bringen die industrielle Produktion zum Erliegen. Der Anstieg des Meeresspiegels bedroht 10 % der Weltbevölkerung sowie Ballungsräume und industrielle Infrastrukturen in den Küstenregionen zentraler Länder. Der Zugang zu Wasser wird zu einer entscheidenden strategischen Frage, die zu Spannungen und Konflikten zwischen Staaten um die Kontrolle des Wassers führt.

Wie die Entfesselung des Militarismus in der Ukraine zeigt, ist der Krieg (als bewusste Entscheidung der herrschenden Klasse) der entscheidende Beschleuniger von Chaos und Wirtschaftskrise, der zu den verschiedenen Faktoren des "Strudel-Effekts" gehört: zunehmende Hungersnöte weltweit, Unterbrechung der Versorgungsketten, Engpässe, Zerstörung der ukrainischen Wirtschaft, Umweltzerstörung usw.

Der Zerfall wirkt sich auch auf die Art und Weise und in dem Maß aus, wie die herrschende Klasse versucht, mit der Sackgasse in ihrem System umzugehen.

2. Der Zerfall treibt den Militarismus vorwärts

Der Ausbruch des Krieges in der Ukraine stellt eine "epochale Veränderung" für den Kapitalismus und die zentralen Länder dar. Der Krieg mit seinem zunehmend irrationalen Charakter, bei dem jede Seite sich selbst ruiniert und schwächt, ist nicht mehr nur eine ferne Aussicht. Er rückt immer näher an die Zentren des Weltkapitalismus heran und betrifft die meisten Großmächte. Er hat weiterhin tiefgreifende negative Auswirkungen auf die Weltwirtschaftslage und stört alle Beziehungen zwischen den kapitalistischen Nationen.

Während sich das Chaos in seinem Gefolge weiter ausbreitet (mit dem Konflikt zwischen Israel und der Hamas), bereiten sich alle Staaten auf einen Krieg "hoher Intensität" vor: Jedes nationale Kapital reorganisiert seine Volkswirtschaft, um seine Militärindustrie zu stärken und seine strategische Unabhängigkeit zu gewährleisten. Die Militärausgaben steigen überall rasant an und erreichen oder übertreffen sogar den Anteil des nationalen Reichtums, der auf dem Höhepunkt der Blockkonfrontation für die Rüstung aufgewendet wurde.

Die allgemeine Verschärfung der imperialistischen Spannungen, und innerhalb derselben des großen Konfliktes zwischen China und den USA, hat tiefgreifende Auswirkungen auf die wirtschaftliche Stabilität des kapitalistischen Systems. Infolge des Bestrebens der USA, die industrielle Macht Chinas zu torpedieren (die die Grundlage des Aufstiegs der militärischen Macht Chinas und seines Strebens nach globaler Expansion bildet) und ihre Verbündeten in die Abkopplung der westlichen Volkswirtschaften von China durch die Förderung des "Friend-shoring" einzubeziehen, entwickelt sich eine Tendenz zur Fragmentierung des Weltmarktes. Die wirtschaftlichen Entscheidungen der Großmächte werden zunehmend von strategischen Überlegungen bestimmt, die den imperialistischen Bruchstellen folgen und zu erheblichen Störungen des weltweiten Angebots und der Nachfrage führen.

3. Der Zerfall verschärft die Krise des Staatskapitalismus in den Kernländern

Die Mechanismen des Staatskapitalismus und seine Effizienz neigen zu Stagnation. Die Schwere der kapitalistischen Sackgasse und die Notwendigkeit, eine Kriegswirtschaft aufzubauen, schüren die Konfrontationen innerhalb jeder nationalen Bourgeoisie, während die Auswirkungen des Zerfalls auf die Bourgeoisie und die Gesellschaft in der Tendenz zum Ausdruck kommen, dass die herrschende Klasse die Kontrolle über ihr politisches Spiel verliert. Die Tendenz zu Instabilität und politischem Chaos innerhalb der herrschenden Klasse, wie sie in der amerikanischen und britischen Bourgeoisie zu beobachten ist, beeinträchtigt die Kohärenz, die langfristige Vision und die Kontinuität der Verteidigung der globalen Interessen des nationalen Kapitals. Die Machtübernahme durch unverantwortliche populistische Gruppierungen (mit für ihr nationales Kapital unrealistischen Programmen) schwächt die Wirtschaft und die Maßnahmen, die der Kapitalismus seit 1945 ergriffen hat, um einen unkontrollierten Ausbruch der Wirtschaftskrise zu verhindern.

Wenn die westliche Form des Staatskapitalismus ihren stalinistischen Rivalen überleben konnte, dann so, wie ein Organismus mit einer stärkeren Konstitution dieselbe Krankheit länger übersteht. Auch wenn sich die Bourgeoisie immer noch auf "verantwortungsbewusstere" Fraktionen mit größerem Staatsverständnis stützen kann, zeigt der Kapitalismus heute ähnliche Tendenzen wie jene, die den Untergang des stalinistischen Staatskapitalismus verursachten. Im Falle des chinesischen Staatskapitalismus, der trotz der Vermischung seiner Wirtschaft mit dem Privatsektor durch stalinistische Rückständigkeit gekennzeichnet und von Spannungen innerhalb der herrschenden Klasse geprägt ist, ist die Versteifung des Staatsapparats ein Zeichen der Schwäche und ein Anzeichen für zukünftige Instabilität.

Die Verschuldung, das wichtigste Mittel zur Linderung der historischen Krise des Kapitalismus, verliert nicht nur an Wirksamkeit, sondern die Last der Verschuldung verurteilt den Kapitalismus zu immer verheerenderen Erschütterungen. Indem sie die Möglichkeit, die Gesetze des Kapitalismus zu überlisten, immer mehr einschränkt, verringert sie den Handlungsspielraum jedes Kapitals zur Unterstützung und Wiederbelebung der nationalen Wirtschaft. Die Rolle des "Zahlers der letzten Instanz", die die Regierungen seit 2008 übernommen haben, schwächt die Währungen, während der Schuldendienst die Investitionsmöglichkeiten der Regierungen stark einschränkt.

4. Die Sackgasse einer noch unerbittlicheren Überproduktion

Das Bild, das das kapitalistische System zeichnet, bestätigt die Vorhersagen von Rosa Luxemburg. Der Kapitalismus wird keinen rein wirtschaftlichen Zusammenbruch erleben, sondern in Chaos und Konvulsionen versinken:

- Das fast völlige Fehlen außerkapitalistischer Märkte verändert nun die Bedingungen, unter denen die wichtigsten kapitalistischen Staaten eine erweiterte Akkumulation erreichen müssen. Als Bedingung für ihr eigenes Überleben kann dies zunehmend nur auf direktem Wege auf Kosten der gleichrangigen Konkurrenten erreicht werden, indem deren Wirtschaft geschwächt wird. Die Vorhersage des IKS aus den 1970er Jahren, dass die kapitalistische Welt nur überleben kann, wenn sie sich auf eine kleine Anzahl von Mächten reduziert, die noch in der Lage sind, ein Minimum an Akkumulation zu erreichen, wird immer mehr zur Realität.

- Die Sackgasse der Überproduktion in Verbindung mit der der kapitalistischen Produktion innewohnenden Anarchie und der zunehmenden Zerstörung der Ökosysteme führt zu immer mehr Engpässen oder Störungen (Medikamente, Landwirtschaft usw.), weil nicht genug Profit für deren Produktion erwirtschaftet werden kann.

- Ein Ausdruck dieser Sackgasse ist die durch die Wiederkehr des Krieges ausgelöste Inflation, die die Wirtschaft destabilisiert und ihr die nötige langfristige Perspektive raubt.

- Die verzweifelte Suche nach neuen Standorten für die Verlagerung von Kapital (z. B. in Afrika, im Nahen Osten) und die Ausbeutung billigerer Arbeitskräfte stößt auf die höllischen Bedingungen des Chaos und der Unterentwicklung; ein Hindernis für die westlichen Mächte wie für das chinesische Seidenstraßenprojekt, das vor dem Kollaps steht.

- Auch Indien bietet keine tragfähige langfristige Alternative, die eine ähnliche Rolle spielen könnte wie China in den 1990er und 2000er Jahren; die Umstände, die das "Wunder des Aufstiegs Chinas" ermöglichten, sind nicht mehr gegeben, und eine solche Perspektive ist heute verschlossen.

- Die enormen Kosten für die Bewältigung der ökologischen Krise und die Dekarbonisierung der Wirtschaft übersteigen bei weitem die Fähigkeit des Kapitals, die erforderlichen Investitionen zu tätigen. Viele Ökoprojekte werden einfach aufgegeben, weil die Kreditkosten ihre Rentabilität zunichtemachen, sowohl in Europa als auch in den USA.

- Trotz der beträchtlichen Verlangsamung der Entwicklung der Produktivkräfte ist der Kapitalismus immer noch in der Lage, einige Fortschritte zu machen, zum Beispiel in der Medizin, der Biotechnologie, der künstlichen Intelligenz usw. Aber diese Fortschritte, die durch den Gebrauch, den das Kapital von ihnen macht, zutiefst pervertiert sind, wenden sich gegen die Arbeiterklasse und die Menschheit. Abgesehen von der Gefahr, dass Tausende von Arbeitsplätzen vernichtet werden, ohne dass die Arbeitskräfte anderswo Arbeit finden, wird die Künstliche Intelligenz von den Regierungen als Instrument zur Kontrolle der Bevölkerung oder zur Destabilisierung ihrer imperialistischen Konkurrenten und vor allem als Kriegswaffe und Zerstörungswerkzeug betrachtet (Israel beispielsweise, das sich rühmt, den ersten "KI-Krieg" zu führen, sieht in ihr den "Schlüssel zum modernen Überleben"). Einige ihrer Entwickler haben davor gewarnt, dass die KI ein Risiko für die Auslöschung der Menschheit darstellt, das mit anderen Risiken wie Pandemien und Atomkrieg vergleichbar ist.

- Der massive Arbeitskräftemangel in vielen westlichen Ländern ist das Ergebnis der Anarchie des Kapitalismus, die sowohl Überkapazitäten als auch Engpässe hervorruft, aber auch der Tendenz zur demografischen Krise, zum Zusammenbruch der Reproduktion der Bevölkerung, von welcher Krise die westlichen Länder und China betroffen sind. Die Überalterung der Bevölkerung in den am weitesten entwickelten Ländern führt zu einem Rückgang der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter, so dass jedes Land auf Einwanderung angewiesen ist. Der massive Arbeitskräftemangel spiegelt auch die zunehmende Unfähigkeit der Bildungssysteme wider, dem Markt ausreichend ausgebildete Arbeitskräfte für die in der Produktion erforderlichen technischen Fertigkeiten zur Verfügung zu stellen, während viele Sektoren aufgrund der herrschenden Ausbeutungs- und Entlohnungsbedingungen verlassen werden.

USA, Europa, China: das Herz des Weltkapitalismus, das von den Erschütterungen der Krise und den Auswirkungen des Zerfalls betroffen ist

Der 25. Kongress der IKS 2023 hat die Folgen dieser historischen Situation für die großen Nationen klar benannt:

"Nicht nur, dass die Fähigkeit der wichtigsten kapitalistischen Mächte zur Zusammenarbeit, um die Auswirkungen der Wirtschaftskrise einzudämmen, mehr oder weniger verschwunden ist, sondern die USA haben angesichts der Verschlechterung ihrer Wirtschaft und der Verschärfung der globalen Krise und um ihre Position als führende Weltmacht zu bewahren, zunehmend bewusst versucht, ihre Konkurrenten zu schwächen. Dies ist ein offener Bruch mit einem großen Teil der Regeln, die sich die Staaten seit der Krise von 1929 gegeben haben. Er öffnet den Weg in eine Ungewissheit, die mehr und mehr von Chaos und unvorhersehbaren Folgen beherrscht wird.

In der Überzeugung, dass die Wahrung ihrer Führungsposition gegenüber dem Aufstieg Chinas in hohem Maße von ihrer Wirtschaftsmacht abhängt, die durch den Krieg politisch und militärisch gestärkt wurde, gehen die USA auch auf wirtschaftlicher Ebene gegen ihre Rivalen in die Offensive. Diese Offensive geht in mehrere Richtungen. Die USA sind der große Gewinner des gegen Russland geführten ‘Gaskriegs’ zum Nachteil der europäischen Staaten, die gezwungen sind, die russischen Gasimporte einzustellen. Nachdem die USA dank der unter Obama eingeleiteten langfristigen Energiepolitik die Selbstversorgung mit Öl und Gas erreicht haben, hat der Krieg die Vormachtstellung der USA im strategischen Bereich der Energie bestätigt. Die USA haben ihre Rivalen auf dieser Ebene in die Defensive gedrängt: Europa musste sich mit seiner Abhängigkeit von amerikanischem Flüssigerdgas abfinden. China, das in hohem Maße von importierten Kohlenwasserstoffen abhängig ist, wurde dadurch geschwächt, dass die USA nun in der Lage sind, Chinas Versorgungswege zu kontrollieren. Die USA verfügen nun über eine noch nie dagewesene Fähigkeit, auf dieser Ebene Druck auf den Rest der Welt auszuüben.

Die verschiedenen geldpolitischen, finanziellen und industriellen Initiativen (von Trumps Konjunkturprogrammen bis hin zu Bidens massiven Subventionen für Produkte ‘Made in the USA’, dem Inflation Reduction Act, usw.) haben die ‘Widerstandsfähigkeit’ der US-Wirtschaft erhöht, was Kapitalinvestitionen und Industrieverlagerungen auf amerikanisches Territorium anlockt. Die USA begrenzen die Auswirkungen der derzeitigen weltweiten Konjunkturabschwächung auf ihre Wirtschaft und schieben die schlimmsten Auswirkungen von Inflation und Rezession auf den Rest der Welt ab.

Um ihren entscheidenden technologischen Vorsprung zu sichern, streben die USA außerdem die Verlagerung strategischer Technologien (Halbleiter) in die USA bzw. die internationale Kontrolle über diese Technologien an, von denen sie China ausschließen wollen, während sie gleichzeitig mit Sanktionen gegen jeden Konkurrenten um ihr Monopol drohen.

Das Bestreben der USA, ihre wirtschaftliche Macht zu erhalten, hat zur Folge, dass das kapitalistische System insgesamt geschwächt wird. Der Ausschluss Russlands vom internationalen Handel, die Offensive gegen China und die Abkopplung der beiden Volkswirtschaften, kurzum der erklärte Wille der USA, die Weltwirtschaftsbeziehungen zu ihren Gunsten umzugestalten, markiert einen Wendepunkt: Die USA erweisen sich als Faktor der Destabilisierung des Weltkapitalismus und der Ausweitung des Chaos auf wirtschaftlicher Ebene.

Europa wurde durch den Krieg, der es seiner wichtigsten Stärke, nämlich seiner Stabilität, beraubt hat, besonders hart getroffen. Das Kapital Europas leidet unter der beispiellosen Destabilisierung seines ‘Wirtschaftsmodells’ und läuft Gefahr, infolge des Drucks des ‘Gaskriegs’ und des amerikanischen Protektionismus in einen Prozess der Deindustrialisierung und der Rückverlagerung von Produktionsstätten in den amerikanischen oder asiatischen Raum zu geraten.

Vor allem in Deutschland konzentrieren sich alle Widersprüche dieser beispiellosen Situation explosionsartig. Das Ende der russischen Gaslieferungen bringt Deutschland in eine Situation wirtschaftlicher und strategischer Fragilität, die seinen Wettbewerbsvorteil und seine gesamte Industrie bedroht. Das Ende des Multilateralismus, von dem das deutsche Kapital mehr als jede andere Nation profitiert hat (und der es auch von der Last der Militärausgaben befreit hat), wirkt sich direkter auf seine vom Export abhängige Wirtschaftskraft aus. Es läuft auch Gefahr, bei der Energieversorgung von den USA abhängig zu werden, während letztere ihre ‘Verbündeten’ dazu drängen, sich dem wirtschaftlichen/strategischen Krieg gegen China anzuschließen und auf ihre chinesischen Märkte zu verzichten. Da China ein so wichtiger Absatzmarkt für das deutsche Kapital ist, stellt dies Deutschland vor ein großes Dilemma, das von anderen europäischen Mächten in einer Zeit geteilt wird, in der die EU selbst von der Tendenz ihrer Mitgliedstaaten bedroht ist, ihre nationalen Interessen über die der Union zu stellen.

China, das vor zwei Jahren noch als der große Gewinner der Covid-Krise dargestellt wurde, ist eine der charakteristischsten Ausprägungen des Strudeleffekts. Das Land, das bereits unter einer wirtschaftlichen Verlangsamung leidet, steht nun vor großen Turbulenzen.

Seit Ende 2019 lähmen die Pandemie, die wiederholten Schließungen und die Flut von Infektionen, die auf die Abkehr von der ‘Null-Covid’-Politik folgten, die chinesische Wirtschaft.

China ist in die globale Krisendynamik verwickelt, sein Finanzsystem ist durch das Platzen der Immobilienblase bedroht. Der Niedergang des russischen Partners und die Unterbrechung der ‘Seidenstraßen’ nach Europa durch bewaffnete Konflikte oder das herrschende Chaos richten erheblichen Schaden an. Der starke Druck der USA verschärft die wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Landes weiter. Und angesichts der wirtschaftlichen, gesundheitlichen, ökologischen und sozialen Probleme stellt die angeborene Schwäche der stalinistischen Staatsstruktur ein großes Handicap dar. China ist weit davon entfernt, die Rolle einer Lokomotive der Weltwirtschaft spielen zu können, es stellt eine tickende Zeitbombe dar, deren Destabilisierung unvorhersehbare Folgen für den Weltkapitalismus hat."[21]

Russland scheint eine gewisse Widerstandsfähigkeit gegenüber den Sanktionen zu zeigen, die seine Wirtschaft ausbluten lassen sollen. Paradoxerweise konnte es von der Rückständigkeit seiner Wirtschaft profitieren (die bereits vor 1989 zu beobachten und typisch für die Dekadenz war), die vor allem auf der Gewinnung und dem Export von Rohstoffen, insbesondere von Kohlenwasserstoffen, beruht. Ebenso hat es die Mentalität des "Jeder für sich" in den Beziehungen zwischen den Nationen auszunutzen verstanden, um Rohstoffe an China oder Indien zu verkaufen und so die Auswirkungen der Sanktionen teilweise abzumildern. Dieser zerbrechliche und zeitlich begrenzte "Aktivposten" wird jedoch der schrittweisen Strangulierung seiner industriellen Kapazitäten nicht ewig standhalten können.

Viele Länder stehen am Rande des Bankrotts, können ihre Schulden aufgrund steigender Zinsen nicht mehr bedienen und sind Opfer der Kapitalflucht in die USA. Die Erweiterung der BRICS von 5 auf 11 Mitglieder (darunter Argentinien, Ägypten, Äthiopien, Iran, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate) stellt einen Versuch dar, sich von den USA zu emanzipieren und der Strangulierung ihrer Volkswirtschaften zu entkommen. Die Einführung einer gemeinsamen Währung oder die Verwendung der chinesischen Währung als Alternative zum Dollar sind aufgrund der zahlreichen Differenzen zwischen diesen Ländern, insbesondere in Bezug auf ihre Beziehungen zum chinesischen Staat, unwahrscheinlich.

Die drei großen Teile des Kapitalismus versinken in einer Stagflation, ohne Hoffnung auf eine wirkliche Erholung der kapitalistischen Wirtschaft; es besteht die Gefahr eines Abgleitens in eine Rezession, an deren Rand die EU und möglicherweise China bereits stehen, während die USA versuchen, sich auf Kosten ihrer Rivalen zu retten.

Die Lage der Arbeiterklasse

"Die kapitalistische Krise berührt die Grundfesten dieser Gesellschaft. Inflation, Prekarität, Arbeitslosigkeit, höllische Arbeitsrhythmen und Arbeitsbedingungen, die die Gesundheit der ArbeiterInnen zerstören, unbezahlbarer Wohnraum zeugen von einer unaufhaltsamen Verschlechterung des Lebens der Arbeiterklasse, und obwohl die Bourgeoisie versucht, alle erdenklichen Spaltungen zu schaffen, indem sie bestimmten Kategorien von ArbeiterInnen "privilegiertere" Bedingungen zugesteht, sehen wir im Ganzen einerseits, was möglicherweise die schwerste Krise in der Geschichte des Kapitalismus sein wird, und andererseits die konkrete Realität der absoluten Verelendung der Arbeiterklasse in den zentralen Ländern, jene Ankündigung, die Marx für die historische Perspektive des Kapitalismus gemacht hat und über die sich die Ökonomen und andere Ideologen der Bourgeoisie so sehr mokiert haben." [22]

Nach jahrzehntelangem Druck auf den Preis der Arbeitskraft ist der Anteil der Arbeit am geschaffenen Reichtum seit Ende der 1970er Jahre weltweit stetig gesunken. Die Reallöhne sind auf das Niveau von vor 1980 zurückgegangen. Ein großer Teil der Arbeiterklasse lebt heute unter der Armutsgrenze oder knapp an der Armutsgrenze.

Die Bourgeoisie rühmt sich, dass es ihr gelungen sei, die Inflation einzudämmen, aber gemessen an der Kaufkraft der Arbeiterklasse muss jede ProletarierIn viel mehr für Treibstoff, Lebensmittel und die Rückzahlung ihrer Kredite bezahlen, während ihr Lohn durch den "Fortschritt" weit unter die Inflationsrate gesenkt wurde, was bedeutet, dass die elementarsten Bedürfnisse nicht befriedigt werden können.

Die Ausbeutung des relativen Mehrwerts geht zunehmend Hand in Hand mit der Ausbeutung des absoluten Mehrwerts, die Intensivierung der Arbeit geht einher mit der Verlängerung des Arbeitstages und der Dauer der Ausbeutungszeit im Leben jeder Arbeiterin und jedes Arbeiters.

Die Ausbeutungsbedingungen tendieren sogar immer mehr dazu, die physiologischen Grenzen des Proletariats zu überschreiten, indem sie die Arbeiterinnen und Arbeiter bei der Arbeit buchstäblich umbringen.

Einige amerikanische Bundesstaaten haben versucht, die Arbeitenden zu zwingen, während Hitzewellen zu schuften, was zu einem Anstieg der Todesfälle und Unfälle führte. In Korea, wo der Tod am Arbeitsplatz ein weit verbreitetes Phänomen ist (wie im übrigen Südostasien), wurde der Wunsch des Staates, die Wochenarbeitszeit von 52 auf 69 Stunden zu erhöhen, durch die Reaktion der Klasse vereitelt.

Jedes Jahr verursachen Arbeitsunfälle ein Massaker: Offiziell werden weltweit fast zwei Millionen Arbeitskräfte getötet und 270 Millionen verletzt oder verstümmelt.

In vielen Produktionsbereichen erleiden die überlasteten Arbeitskräfte einen derart beschleunigten nervlichen und muskuloskelettalen Verschleiß, dass sie ausgemustert werden und zu den arbeitsunfähigen ProletarierInnen gehören, lange bevor das gesetzliche Rentenalter erreicht ist.

Schließlich sind Situationen, in denen die Arbeitskräfte quasi versklavt werden (insbesondere in den landwirtschaftlichen Sektoren der Industrieländer), Schuldknechtschaft oder Zwangsarbeit (z. B. im industriellen Fischereisektor in China) an der Tagesordnung, vor allem bei Wanderarbeitern.

Da sich die Krise weiter verschärfen wird, werden die wirtschaftlichen Angriffe auf die arbeitenden und arbeitslosen Klassen weitergehen.

Aber genug ist genug! In den letzten zwei Jahren hat die Arbeiterklasse begonnen, sich zu wehren und den Kampf in allen Zentren der Weltwirtschaft aufzunehmen. Diese historische Rückkehr zum Klassenkampf nach mehreren Jahrzehnten proletarischer Passivität bestätigt die Bedeutung der Krise und der Verteidigungskämpfe für die Zukunft des Kampfes der Arbeiterklasse in der marxistischen Theorie: "… die ökonomischen Attacken (Lohnsenkungen, Entlassungen, Verschärfung der Arbeitshetze, etc.) im Gegensatz zu den Auswirkungen des Zerfalls (z. B. die Umweltverschmutzung, die Drogensucht, die Unsicherheit usw.), die relativ unterschiedslos alle Gesellschaftsschichten erfassen und einen günstigen Nährboden für klassenübergreifende Kampagnen und Mystifikationen bilden (wie Ökologie, Anti-AKW-Bewegungen, antirassistische Mobilisierungen usw.), direkt aus der Krise herrühren, die ganz spezifisch das Proletariat (das heißt, die Mehrwert produzierende und auf diesem Terrain das Kapital konfrontierende Klasse) betrifft. Die Wirtschaftskrise ist im Gegensatz zum gesellschaftlichen Zerfall, der hauptsächlich den Überbau betrifft, ein Phänomen, das direkt die Infrastruktur der Gesellschaft selbst ergreift, auf denen dieser Überbau ruht. Daher stellt die Krise die ultimativen Ursachen der gesamten Barbarei bloß, unter der die Gesellschaft leidet, und ermöglicht somit der Arbeiterklasse, sich der Notwendigkeit einer radikalen Umwälzung dieses Systems bewußt zu werden, ohne zu versuchen, einige Teilaspekte zu verbessern.“[23]

IKS, Dezember 2023

 

[2] Der Kapitalismus kann den Markt, der für den Verkauf seiner Produktion notwendig ist, nicht selber bilden, weshalb er den Überschuss immer an außerkapitalistische Märkte verkaufen musste, entweder innerhalb der von den kapitalistischen Produktionsverhältnissen beherrschten Länder oder außerhalb.

[3] Im Punkt 3: Die Dekadenz des Kapitalismus

[4] Marxismus und Krisentheorien, International Review Nr. 13, 1978, Englisch

[5] Resolution zur Krise, International Review Nr. 26, 1981, Englisch

[6] Die Bedingungen für die Revolution: Die Überproduktionskrise, der Staatskapitalismus und die Kriegswirtschaft, International Review Nr. 31, 1982, Englisch

[7] Krisen und Zyklen in der Wirtschaft des sterbenden Kapitalismus – Teil 1, Bilan Nr. 10, August-September 1934

[8] Dazu: Die kapitalistische Krise im Ostblock, International Review Nr. 23, 1980, Englisch

[9] Die Krise des Staatskapitalismus: Die Weltwirtschaft versinkt im Chaos, International Review Nr. 61, 1990, Englisch

[10] Internationale Revue Nr. 13, 1991

[11] Die Krise des Staatskapitalismus: Die Weltwirtschaft versinkt im Chaos, International Review Nr. 61, 1990, Englisch

[12] Internationale Revue Nr. 13, 1991

[13] Internationale Revue Nr. 13, 1991

[14] Krisen und Zyklen in der Wirtschaft des sterbenden Kapitalismus – Teil 1, Bilan Nr. 10, August-September 1934

[15] Krisen und Zyklen in der Wirtschaft des sterbenden Kapitalismus – Teil 2, Bilan Nr. 11, Oktober-November 1934, wiederveröffentlicht in International Review Nr. 103, 2000, Englisch

[16] Laurent Carroué, Didier Collet, Claude Ruiz, La Mondialisation, Edition Bréal 2006, S. 107

[17] Resolution zur internationalen Lage (2019): imperialistische Spannungen, Leben der Bourgeoisie, Wirtschaftskrise; in Internationale Revue Nr. 56

[18] Rosa Luxemburg, Die Akkumulation des Kapitals oder Was die Epigonen aus der Marxschen Theorie gemacht haben, Eine Antikritik, Gesammelte Werke Bd. 5 S. 430

[19] Internationale Revue Nr. 13, 1991

[20] Vgl. dazu: Jean-Michel Valantin, Géopolitique d‘une planète, Seuil, 2017, S. 240-249, die Kapitel: Die „Arabischen Frühlinge“: politische Krise, geophysikalische Krise; Extreme Wetterereignisse und politische Krisen; Klima, Agrarkrise und Bürgerkrieg: der Fall Syrien.

[21] Resolution des 25. Internationalen Kongresses der IKS zur internationalen Lage, Internationale Revue Nr. 59, 2023

[22] Der Kapitalismus führt zur Zerstörung der Menschheit, nur die Weltrevolution des Proletariats kann dem ein Ende setzen, Drittes Manifest der IKS (als PDF und online unter: Internationale Revue 2022)

[23] Der Zerfall: Die letzte Phase der Dekadenz des Kapitalismus, Internationale Revue Nr. 13, 1991

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Bericht über die Wirtschaftskrise