Gespeichert von Weltrevolution am
Wir veröffentlichen hiermit ein Einleitungsreferat, das Ende 2005 im Diskussionszirkel in Köln gehalten wurde. Nicht nur dieses Referat, sondern auch das darauf folgende, das die Frage der Geschlechterverhältnisse im Kommunismus thematisierte, sind von hoher Qualität und unbedingt lesenswert. Sämtliche im Zirkel gehaltenen Referate werden auf der Homepage des Zirkels (https://de.geocities.com/zirkelrunde) veröffentlicht. Dies gilt ebenso für die Diskussionssynthesen, welche jeweils erstellt werden. Zwar nehmen auch Mitglieder der IKS an den Sitzungen des Zirkels teil, doch in der Regel werden die Diskussionsynthesen und die Einleitungen immer von anderen Teilnehmern des Zirkels angefertigt. Obwohl diese Genoss/Innen meist politisch unerfahren sind, zeugen das hohe Niveau der Referate und die Diskussionen von der Unerläßlichkeit solcher Diskussionszirkel, um die politische Klärung und die theoretische Bildung innerhalb der Arbeiterklasse voranzutreiben. IKS
Einleitungsreferat Vom Mutterrecht zum Vaterrecht
<<>>1. Frage: Was ist Mutterrecht?>
Die Mutter ist das Haupt der Familie. Die Erblinie wird mütterlicherseits bestimmt. Die Anrechte der Familie oder des Clans (z.B. Sammel- oder Jagdrechte auf ein bestimmtes Gebiet) werden mütterlicherseits vererbt. Bei der Ehe werden die Männer im Haushalt bzw. in der Familie der Frau aufgenommen, nicht umgekehrt. Hohes Ansehen der Frau, Muttermord gilt als das schlimmste Verbrechen.
<<>>2. Frage: Was ist Vaterrecht?>
<<>>>
<<>>Der Vater ist Haupt der Familie.>
Die Erblinie wird väterlicherseits bestimmt. Die Anrechte, hier v.a. Eigentum, werden väterlicherseits vererbt. Bei der Ehe werden die Frauen in die Familie des Mannes aufgenommen. Hohes Ansehen des Mannes, Erniedrigung der Frau.
3. Frage: Da es heute wahrscheinlich nirgendwo auf der Welt Mutterrecht gibt, woher weiß man, dass es das jemals gab?
- Durch die Erforschung von Völkern auf niedrigeren Entwicklungsstufen.
- Durch das Ziehen von Rückschlüssen aus Verwandtschaftsregeln, welche bereits überlebt waren, aber in verkrusteter Form, Traditionen, Sitten weiter lebten.
- Durch das Studium alter Religionen, Mythologien.
- Durch die moderne Tiefenpsychologie.
- Durch Ausgrabungen.
- Durch die Linguistik, also den Ursprüngen von Wörtern und Begriffen.
- Durch das Studium von Volkskultur, Liedgut usw.
4. und wichtigste Frage: Wie kam es zu diesem Übergang vom Mutterrecht zum Vaterrecht?
Es gibt zwei gängige Erklärungen dafür:
- Weil die Männer sowieso die Tollsten sind.
- Weil die Männer sowieso Schweine sind.
Beide Behauptungen können diesen Übergang nicht erklären, denn.... wenn die Männer die Tollsten sind, waren sie es schon immer, warum also diese Änderung? Wenn sie Schweine sind, dann waren sie es auch schon vorher... Beide Ansätze gehen davon aus, dass das, was heute sein soll, schon immer war, d.h. die Geschichte wird nicht in ihrer Entwicklung gesehen. Aber auch die Familie entwickelt sich mit der Geschichte weiter.
5. Frage: Wie sahen die Familien früher aus?
Die erste Familienform muss die Horde
gewesen sein, da der Mensch als Individuum oder als kleine Gruppe zum Überleben
körperlich zu schlecht ausgestattet ist, z.B. Klauen, starkes Gebiss usw.
Entweder kannte der Urmensch noch keine Eifersucht (die These von Engels) oder
er hatte bereits gelernt, diese Eifersucht in Schach zu halten (die These von
Freud), jedenfalls lebte der Urmensch in der Gruppen-Ehe (Polygamie/
Polyandrie). Diese ersten Ehen mussten Inzucht-Ehen gewesen sein aufgrund der
damals sehr geringen Anzahl von Menschen und ihrer räumlichen Isolation
voneinander. Die erste bekannte Fortentwicklung aus der Horde heraus war die
Blutverwandtschaftsfamilie. Dabei ist der Verkehr zwischen Eltern und Kindern
nicht mehr zugelassen, jedoch immer noch zwischen Geschwistern. Es galt als
Schande mit jemandem außerhalb der eigenen Familie zu verkehren. Die dritte
Stufe wird Punaluafamilie genannt. Es beginnt mit der Ausschließung der
leiblichen Geschwister mütterlicherseits, und in der Folge auch der Enkel und
Urenkel (laut Morgan). Die Ehen behalten zunächst Gruppencharakter. Die
Schwestern waren die gemeinsamen Frauen ihrer gemeinsamen Männer, die aber
nicht ihre Brüder sein durften.
Diese Gruppen-Ehe braucht man sich nicht
als eine Art Orgie vorzustellen, wo jeder mit jedem verkehrt, sondern es ist
mehr als wahrscheinlich, dass es so etwas wie Lieblingspartner gab, oder dass
was man heutzutage Lebensabschnittspartner nennt. Dies bereitete auch die
darauf folgende Stufe der Paarungsfamilie vor, zwischen einem Mann und einer
Frau (wobei Vielweiberei des Mannes gelegentlich sein Recht bleibt, während bei
der Frau die strengste Treue verlangt wurde), wobei diese Ehen noch jeder Zeit
von beiden Seiten löslich bleiben. Die Kinder gehören nach wie vor der Mutter.
Die letzte Stufe unserer Untersuchung,
womit der Übergang zum Vaterrecht besiegelt wird, ist die Monogamie. Vor allem
wird die Löslichkeit der Ehe gegenüber der Paarungs-Ehe sehr stark
eingeschränkt, vor allem auf Seiten der Frau, und zwar damit der Mann sein
Eigentum seinen Kindern vererben kann. Zur monogamen Familie gehören die
Prostitution sowie die gehörnten Ehemänner.
Die geschichtliche Entwicklung geht also
dahin, die Anzahl der an einer Ehe Beteiligten einzuschränken, bis nur noch
zwei übrigbleiben, das bis in unsere Tage hinein bekannte häusliche Glück zu
Zweit. Es stellt sich die Frage, ob die Verkleinerung der Familien damit seinen
Endpunkt erreicht hat oder, ob dieser Prozess noch weiter geht?
6. Frage: Warum diese Entwicklung der Familie?
Die Geschichte der Familie ist natürlich
nicht nur ein passives Produkt beispielsweise der wirtschaftlichen Entwicklung,
sondern ist auch selbst ein aktiver Faktor dieser Entwicklung. Beispielsweise
sagt Engels, dass es den Menschen wahrscheinlich aufgefallen sein muss, dass
Stämme, welche Inzuchtverbote eingeführt hatten, besser gediehen, als solche,
die es nicht taten. Auch den Übergang von der Punaluafamilie zur
Paarungsfamilie erklärt er unter anderem damit, dass die Einschränkungen der
Ehe-Möglichkeiten zu kompliziert geworden waren.
Der wichtigste Aspekt der
Familienentwicklung ist aber die Änderung im Verhältnis zwischen Mann und Frau
innerhalb der Ehe aufgrund der Änderung der Wirtschaftsweise und insbesondere
der Arbeitsteilung.
Solange die Menschen bzw. die werdenden
Menschen noch hauptsächlich in den Bäumen lebten, existierte lediglich die
biologische Arbeitsteilung zwischen Mann und Frau in Bezug auf das
Kinderkriegen. Beide müssen gleichermaßen an dem Sammeln von Nahrung beteiligt
gewesen sein. Nun gibt es zwei Theorien darüber, weshalb die Menschen von den
Bäumen runter kamen und den Urwald verließen.
Die Erste besagt, dass ihr Lebensraum zu
klein wurde, da sie sich vermehrten. Und die Zweite, dass der Urwald sich durch
Klimaveränderungen verkleinerte.
Dieser Schritt, egal welche Theorie stimmt,
wäre ohne neue Entwicklungen von Technik und Kultur nicht möglich gewesen, da
die Bedingungen auf dem Boden ganz andere waren. Nahrungsquellen und die
Bedürfnisse sich vor Hitze und Kälte zu schützen sahen ganz anders aus. Die
wichtigsten Errungenschaften waren neue Waffen, die Beherrschung des Feuers,
das Bauen von Hütten und die Herstellung von Kleidung. Die Menschen wurden auch
zu Jägern, womit die erste Veränderung in der Arbeitsteilung von Mann und Frau
eintrat. Sprich: die Männer spezialisierten sich auf die Jagd, während die
Frauen für das Sammeln und das Hüten des Feuers verantwortlich waren. Dies
bedeutet nicht eine Erniedrigung der Stellung der Frau, wobei sie in späteren
Phasen viel höher steigen sollte. Der Grund für diese Arbeitsteilung war nicht,
dass die Männer körperlich oder in Schnelligkeit überlegen gewesen wären,
sondern, dass sich damals das Rumtreiben des Jagens nicht mit dem Kinderkriegen
vertrug. Es gab jedoch auch Gesellschaften, wo ein Teil der Frauen an der Jagd
beteiligt war. Nämlich die Gruppe der Jungfrauen. Aus dieser Phase des Jagens
und Sammelns entwickelten sich zwei höhere Entwicklungsstufen. Auf der einen
Seite der niedrige Ackerbau und auf der anderen Seite die Viehzucht. Anstatt
die Pflanzen einzusammeln und die Tiere zu jagen, ist man dazu übergegangen die
Nahrungsquellen selbst anzubauen bzw. zu züchten. Damit teilt sich die
Gesellschaft der Menschen in zwei Gruppen: Die der Sesshaften und die der
Nomaden. Wobei in Beiden weiterhin keine Unterdrückung der Frau stattfindet.
Aus diesen beiden Entwicklungsstufen geht
die Ackerbaugesellschaft als höchste Stufe der Urgesellschaft hervor. Diese
Stufe geht nicht einfach aus dem niedrigen Ackerbau hervor, sondern ist ein
Produkt beider Gesellschaften. Wobei der entscheidende Unterschied zum
niedrigen Ackerbau darin besteht, dass der Pflug nicht mehr von Menschen,
sondern von Tieren gezogen wird. Dadurch kann wesentlich tiefer gepflügt und
das Feld gedüngt werden. In dieser Phase befindet sich das Mutterrecht in
seiner höchsten Blüte. Durch die Durchsetzung der Sesshaftigkeit auf höherer
Stufe und das Wachstum der Bedeutung der häuslichen Arbeit, Beteiligung des
Haushalts an Viehzucht und Ackerbau und dem zunehmenden Gewicht der häuslichen
Arbeit, z.B. Kleidung etc., wird die Rolle der Frau viel zentraler als
beispielsweise in der Jäger- oder Nomadenkultur. Gleichzeitig beginnt auf dem Höhepunkt dieser
Blüte die Auflösung des Mutterrechts und die Abstufung der Stellung der Frau.
Zurück zur eigentlichen Frage: Wieso ist das Mutterrecht untergegangen?
In der Urgesellschaft gab es keine
Ausbeutung, weil es keinen Überschuss an Nahrung gab, da man nicht in der Lage
war mehr als was man selber brauchte zu produzieren. Man konnte also nicht
Jemanden miternähren, ohne dass dieser selbst arbeitete. Grade die
wirtschaftlichen Erfolge der höheren Ackerbaugesellschaft machten mit der Zeit
zum ersten Mal in der Menschheitsgeschichte Ausbeutung und damit Ungleichheit
zwischen den Menschen und so auch zwischen den Geschlechtern möglich.
Die erste Stufe der Ausbeutung bestand
darin, dass eine Urgesellschaft durch eine andere Urgesellschaft ausgebeutet
wurde. Die Inkaherrschaft in Südamerika vor dem Auftauchen der Spanier liefert
uns ein Beispiel hiervon. Die ausgebeuteten Völker mussten Abgaben an die Inkas
abliefern, sie behielten aber ihre urkommunistische Produktionsweise bei und
die Abgaben wurden gemeinsam von der Genossenschaft abgegeben. Nicht nur das,
sondern auch die Ausbeuter (Inkas) lebten weiterhin untereinander im
Urkommunismus. Die Abgaben wurden mehr oder weniger gleichmäßig innerhalb des
Klans aufgeteilt. Dies kam daher, dass der hergestellte Überschuss noch nicht
reichte, um die Ausbeuter selbst von der Arbeit zu befreien.
Wie aber kam es zu dieser Form der
Ausbeutung? Eine Ursache ist die Änderung der Rolle der Gewalt und des Krieges
in der Geschichte. Die Urmenschen, die in den Urwäldern wohnten, lebten
höchstwahrscheinlich genauso friedlich, wie beispielsweise die Affen, die höchstens
das Raufen, aber kaum das Töten untereinander kennen. Wir haben aber gesehen,
dass die Waffenentwicklung entscheidend dafür war, dass der Mensch den Urwald
verlassen konnte. Erst durch diese Kulturentwicklung entstand die Möglichkeit
für den Menschen, andere Menschen zu töten und die Menschen gewöhnten sich
durch die Jagd an das Blutvergießen. Ursprünglich waren sie Vegetarier gewesen.
In der Jägergesellschaft spielt der Krieg hauptsächlich die Rolle, andere
Stämme von bestimmten Jagdgründen zu vertreiben. Es sind also Verdrängungs- und
Vernichtungskriege. In dieser Phase entsteht auch der Kannibalismus, die
Verspeisung des Feindes. Die obere Ackerbaugesellschaft ist im Vergleich dazu
eine viel friedlichere Gesellschaft gewesen. Warum? Weil die Arbeit des Sähens
und Erntens sich nicht verträgt mit dem Herumtreiben und der Zerstörung des
Krieges. Aber neben der oberen Ackerbaugesellschaft bestehen, z.B. aus
geografischen Gründen, Jägergesellschaften weiterhin. Diese Jägergesellschaften
greifen die oberen Ackerbaugesellschaften an. Das Ziel dieses Krieges ist nicht
mehr Vertreibung und Vernichtung, sondern Raub, d.h. die Aneignung des
Überschusses einer höheren Gesellschaftsform. Für diesen Konflikt gibt es zwei
mögliche Ausgänge:
Entweder die Jäger- und Kriegerstämme
zwingen sich den Ackerbauern auf, wie es bei den Inkas der Fall war, oder aber
die Ackerbauer wehren sich erfolgreich dagegen, indem ein Teil der Mitglieder
dieser Gesellschaft abgestellt werden, um sich auf das Kriegswesen zu
spezialisieren, ohne den geregelten Gang des Sähens und Erntens zu gefährden.
Aber in beiden Fällen läuft es auf das Gleiche hinaus: Eine privilegierte
Kriegerkaste sondert sich ab. Und diese Kaste besteht aus Männern.
Aber es gab einen weiteren Grund, weshalb
die Inkas sich durchgesetzt haben. Die Einheit der Urgesellschaft war die der
im Kommunismus lebenden Gens: d.h. Gesellschaften ohne Privateigentum und ohne
Ausbeutung. Aber diese Gesellschaften waren winzige Einheiten, welche völlig
losgelöst voneinander lebten. Es kam ihnen nicht mal in dem Sinn, sich
gemeinsam gegen die Inkas zu wehren (genauso wenig wie später gegen die
Spanier). Mehr noch: Eine weitere Steigerung des landwirtschaftlichen Ertrags
war damals in dieser Weltgegend nur noch möglich durch die Einführung von
komplizierten Bewässerungssystemen. Solche Systeme waren unter der Herrschaft
des Gens nicht mal denkbar aufgrund ihrer Abgeschiedenheit von einander. Ob in
Lateinamerika, in Ägypten oder in Indien, überall entstand eine ausbeutende
Priesterkaste aufgrund von dieser Notwendigkeit. Der Urkommunismus scheiterte
an seiner eigenen lokalen Beschränktheit.
Diese Entwicklungen schwächten das
Mutterrecht, wie sie auch den Urkommunismus schwächten. Aber sie schafften es
nicht ab. Beispielsweise hatten anfangs in vielen Weltgegenden die Frauen
Anteil an der Priesterkaste. Und während ganze Schmarotzerschichten an der
Spitze der Gesellschaft entstanden, blieb oft die urkommunistische
Dorfgemeinschaft unten Jahrtausende lang weiter bestehen, in vielen Teilen Asiens
bis zur Kolonialzeit. Damit blieben auch bedeutende Reste des Mutterrechts in
Kraft. Beispielsweise bei den Pharaonen in Ägypten, wo oft in Wahrheit nicht
der Pharao herrschte, sondern seine Mutter.
Was sowohl dem Mutterrecht als auch dem
Urkommunismus den Todesstoss gab, war eine andere, zusätzliche Entwicklung.
Dies war das Auftauchen von Handel, von Geldwirtschaft, d.h. von der
Warenproduktion.
Indem die Menschen nicht mehr für den
eigenen Bedarf, sondern für den Markt produzieren, werden sie zu Konkurrenten.
Damit werden auch die Geschlechter zu Konkurrenten. Es ist auch kein Zufall,
dass das Mutterrecht nirgendwo so radikal und brutal abgeschafft wurde wie im
Mittelmeerraum, von Griechenland ausgehend, weil dort die geographischen
Bedingungen für den Handel günstig waren. Mit dem Handel kam auch die höhere
Form der Sklaverei auf, wo die geraubten Menschen auf dem Markt verkauft
wurden. Aber auch die Monogamie und ihre Kehrseite verdankt der Warenwirtschaft
ihren Siegeszug.
Wichtig ist noch festzuhalten, dass sowohl
das Gemeineigentum am Grund und Boden als auch das Mutterrecht, wenn auch in
verkümmerter Form, in vielen Weltgegenden bis in die Neuzeit überlebten. Es gab
nur eins, was sie auf keinen Fall überleben konnten, nämlich die Begegnung mit dem
Kapitalismus.