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Für Diskussionsgruppen und Individuen, die heute auf der Grundlage revolutionärer Positionen auftauchen, ist es notwendig, daß ihre Arbeit die Wiederaneignung der Positionen der Kommunistischen Linken beinhaltet, einschließlich der Positionen der deutschen und holländischen Linke. Insbesondere die Letztgenannten haben häufig als erste eine ganze Reihe von grundlegenden Klassenpositionen vertreten: die Ablehnung der gewerkschaftlichen Arbeit und des Parlamentarismus, die Ablehnung der substitutionistischen Konzeption der Partei, die Anprangerung der Einheitsfrontpolitik, die Definition aller sogenannten sozialistischen Staaten als staatskapitalistische Regimes.
Jedoch reicht diese Wiederaneignung unter einem ausschließlich theoretischen Betrachtungswinkel der Klassenpositionen nicht aus. Ohne eine klare Auffassung von der revolutionären Organisation sind diese Gruppen und Individuen zur Unwirksamkeit verurteilt. Es reicht nicht aus, sich in Worten und rein individuell als revolutionär zu bezeichnen; man muß die Klassenpositionen organisiert und kollektiv vertreten. Die Erkenntnis von der Notwendigkeit einer Organisation, die eine unverzichtbare Funktion in der Klasse hat und als kollektiver Körper handelt, ist die Vorbedingung einer jeden militanten Arbeit. Jedes Zögern oder Unverständnis der Notwendigkeit der Organisation wird schwer bestraft werden und in der Auflösung politischer Kräfte münden. Das trifft insbesondere auf die "rätekommunistischen" Gruppen zu.
Die Lehren aus der Geschichte der deutschen und holländischen Linke zu ziehen bedeutet, die vitale Notwendigkeit einer Organisation aufzuzeigen, für die die Theorie keine reine Spekulation ist, sondern eine Waffe, die die proletarischen Massen in der zukünftigen Revolution ergreifen wird.
Der Hauptbeitrag der deutschen Linken - und hauptsächlich der KAPD - bestand nicht darin, die Notwendigkeit der Partei in der Revolution anzuerkennen. Für die KAPD, die 1920 als Partei gegründet wurde, war dies selbstverständlich. Ihr fundamentaler Beitrag bestand darin, daß sie verstand, daß die Funktion als Partei in der dekadenten Periode nicht mehr dieselbe ist. Die Partei war nun nicht mehr Massenpartei, die die Klasse organisierte und sammelte - sondern eine Partei/ein Kern, die/der die aktivsten und bewußtesten proletarischen Kämpfer um sich scharte. Als ein ausgelesener Teil der Klasse mußte die Partei in den Klassenkampf und in den Organen intervenieren, die die Klasse hervorbrachte: Streikkomitees und Arbeiterräte. Die Partei war eine Partei, die für die Revolution kämpfte und nicht mehr für die schrittweisen Reformen durch Organe, mit denen das Proletariat nichts mehr zu tun hat (Gewerkschaften, Parlament) - außer für deren Zerstörung zu arbeiten. Schließlich kann die Partei, die ein Teil der Klasse und nicht ihr Repräsentant oder ihr Chef ist, nicht die Klasse in ihrem Kampf um die Ausübung der Macht ersetzen. Die Diktatur der Klasse war die Diktatur der Arbeiterräte, nicht der Partei. Im Gegensatz zu der bordigistischen Vision erzeugte nicht die Partei die Klasse, sondern die Klasse die Partei (1). Das bedeutete nicht - wie in der populistischen oder menschewistischen Auffassung -, daß die Partei im Dienst der Klasse stünde. Sie war kein Diener, der sich passiv an allem Zögern, allen Abwegen der Klasse anpaßte. Im Gegensatz, sie mußte "durch ihr gesamtes Verhalten das Klassenbewußtsein des Proletariats entwickeln, selbst um den Preis eines vorübergehenden äußerlichen und scheinbaren Gegensatzes zu den breiten Massen" ("Thesen über die Rolle der Partei in der Revolution", KAPD, Pkt. 10)
Die KAPD in Deutschland und die KAPN Gorters in Holland hatten nichts gemeinsam mit der Auffassung Rühles, auf den sich heute die "Rätekommunisten" berufen. Rühle und seine Tendenz in Dresden wurden am Ende des Jahres 1920 aus der KAPD ausgeschlossen. Die KAPD hatte nichts gemein mit den anarchistischen Tendenzen, die behaupten, daß jede Partei von Natur aus konterrevolutionär sei, daß die Revolution nicht eine Partei-, sondern eine Erziehungsfrage sei. Die Auffassungen des Pädagogen Rühle hatten nichts mit den Positionen der KAPD zu tun. Für die Letztere wurde die Partei nicht aus dem individuellen Willen eines jeden Migtlieds gebildet: Sie „muß ein programmatisch durchgearbeitetes, in einheitlichem Wollen zusammengeschweißtes, von unten her einheitlich organisiertes und diszipliniertes Ganzes sein." (ebenda) Die Partei spielt in der Tat eine entscheidende Rolle in der proletarischen Revolution. Weil sie in ihrem Programm und in ihren Aktionen den bewußten Willen der Klasse kristallisierte und zusammenbündelte, war sie eine unverzichtbare Waffe der Klasse. Weil die Revolution zunächst ein politischer Akt war, weil sie einen gnadenlosen Kampf gegen die bürgerlichen Tendenzen und Parteien beinhaltete, die gegen das Proletariat in seinen Massenorganen arbeiteten, war die Partei ein politisches Kampf- und Klärungsinstrument. Diese Auffassung hat nichts zu tun mit den substitutionistischen Parteiaufassungen. Die Partei wurde von der Klasse erzeugt und war folglich ein aktiver Faktor in der allgemeinen Entwicklung des Klassenbewußtseins.
Nach der Niederlage der Revolution in Deutschland und der Degeneration der Revolution in Rußland traten jedoch einige Schwächen der KAPD an die Oberfläche.
VOLUNTARISMUS UND DOPPELORGANISATION
Die KAPD, die just zu dem Zeitpunkt gegründet wurde, als die Revolution in Deutschland nach der Niederlage von 1919 den Rückzug antrat, endete bei der Idee, daß man das Schwinden des revolutionären Geistes des Proletariats durch eine putschistische Taktik kompensieren kann. Während der März-Aktion in Mitteldeutschland 1921 drängte sie die Arbeiter der Leuna-Werke (in der Nähe von Halle) gegen deren Willen zum Aufstand . Damit verdeutlichte sie ein tiefes Unverständnis der Funktion der Partei, was zu ihrer Auflösung beitrug. Die KAPD hielt noch an der Vorstellung von der Partei als "militärisches Hauptquartier" der Klasse fest, wo die Partei doch vor allem eine politische Avantgarde des gesamten Proletariats ist.
Gefangen in ihrem Voluntarismus vertrat die KAPD angesichts des Zusammenbruchs der Arbeiterräte auch die Idee einer permanenten Doppelorganisation und trug somit zur Konfusion zwischen Einheitsorganisationen der Klasse, die in und für den Kampf entstehen (Vollversammlungen, Streikkomitees, Arbeiterräte), und der Organisation der revolutionären Minderheiten bei, die in diesen Einheitsorganisationen intervenieren, um deren Denken und Handeln zu befruchten. Indem sie auf die Aufrechterhaltung der "Unionen" - Fabrikorganisationen, die in der deutschen Revolution entstanden waren und sich eng an die Partei anlehnten - zusammen mit der Partei drängte, vermochte sie ihre eigenen Aufgaben nicht mehr zu definieren: Entweder wurde sie zu einem Propagandaverband (2), zu einem simplen politischen Anhängsel der Fabrikorganisationen mit ihren stark ökonomistischen Tendenzen oder zu einer Partei leninistischen Typs mit ihrem Transmissionsriemen zur Klasse auf ökonomischer Ebene. Was in beiden Fällen darauf hinauslief, nicht mehr zu wissen, wer was ist und wer was macht (3).
Daß die falschen Auffassungen der KAPD weitgehend zu ihrem Verschwinden Ende der 1920er Jahre beigetragen haben, steht außer Zweifel. Dies sollte jenen Revolutionären heute eine Lehre sein, die, desorientiert vom Aktivismus und Immediatismus, versuchen, ihre numerische Schwäche durch die Schaffung von künstlichen, mit der "Partei" verknüpften "Arbeitergruppen" zu kompensieren. Das ist beispielsweise die Auffassung der Communist Workers Organisation und Battaglia Comunista. Es gibt jedoch einen erheblichen Unterschied: Während die KAPD sich mit Organen (den Unionen) konfrontiert sah, die willkürliche Versuche waren, die Arbeiterräte, die gerade verschwunden waren, am Leben zu halten, beruht die gegenwärtige Auffassung der revolutionären Organisationen, die einen opportunistischen Hang haben, auf reinen Bluff.
DIE ENTSTEHUNG DER PARTEI
Hinter den Fehlern der KAPD auf organisatorischer Ebene steckte die Schwierigkeit, den Rückfluß der revolutionären Welle nach dem Scheitern der März-Aktion zu erkennen und so die richtigen Schlüsse für ihre Aktivitäten in solch einer Lage zu ziehen.
Als eine Organisation mit direktem Einfluß auf das Denken und Handeln der Arbeiterklasse kann die revolutionäre Partei nur im Verlauf eines wachsenden Klassenkampfes gegründet werden. Insbesondere die Niederlage und der Rückfluß der Revolution macht es unmöglich, eine revolutionäre Organisation am Leben zu halten, die ihre Funktion als Partei voll erfüllen möchte. Wenn solch ein Rückzug des Arbeiterkampfes länger anhält, wenn der Weg für die Bourgeoisie frei ist, um die Lage wieder in die Hand zu bekommen, wird die Partei entweder unter dem Druck der Konterrevolution degenerieren, und es werden aus ihr Fraktionen hervortreten, die die theoretische und politische Arbeit der Partei fortführen werden (wie im Falle der italienischen Fraktion). Oder die Partei wird eine Verminderung ihres Einflusses und ihrer Mitgliederzahlen erleben und zu einer eher limitierten Organisation werden, deren wesentliche Aufgabe die Vorbereitung des theoretischen Rahmens für die nächste revolutionäre Welle ist. Die KAPD verstand nicht, daß der revolutionäre Gezeitenhub zu wachsen aufgehört hatte. Daher ihre Schwierigkeit, eine Bilanz aus der vorangegangenen Periode zu ziehen und sich auf die neue Periode einzustellen.
Diese Schwierigkeiten führten zu den falschen und inkohärenten Antworten der deutsch-holländischen Linken:
- zur voluntaristischen Ausrufung der Geburt einer neuen Internationalen wie Gorters Kommunistische Arbeiterinternationale 1922;
- zum Versäumnis, sich als Fraktion zu konstituieren, um sich stattdessen nach zahllosen Spaltungen zur Partei auszurufen: Der Begriff "Partei" wurde eine bloße Etikette für jede neue Abspaltung, die sich auf wenige Hundert Mitglieder beschränkte, wenn nicht sogar auf noch weniger; (4)
Dieses mangelnde Verständnis sollte dramatische Folgen haben. In der deutschen Linken sollten drei Strömungen gleichzeitig bestehen, während die Berliner KAPD immer schwächer wurde:
- Die einen scharten sich um Rühles Theorie, derzufolge jede politische Organisation als solche schlecht ist. Sie versanken in den Individualismus und verschwanden von der politischen Bühne;
- Die anderen - insbesondere jene in der Berliner KAPD, die gegen die anarchistischen Tendenzen in den Unionen ankämpften - neigten dazu, die Arbeiterräte zu abzulehnen und nur noch die Partei zu sehen. Sie entwickelten eine "bordigistische" Vision, bevor das Wort als solches existierte; (5)
- Schließlich gab es noch jene, die davon ausgingen, daß die Organisation als Partei unmöglich sei. Die Kommunistische Arbeiter-Union (KAU), die aus einer Abspaltung der KAPD und den Unionen (AAU und AAU-E) hervorging, betrachtete sich nicht wirklich als Organisation, sondern als eine lose Union diverser, dezentralisierter Tendenzen. Der organisatorische Zentralismus der KAPD wurde aufgegeben.
Letztgenannte Strömung, die von der 1927 gegründeten holländischen GIK (Gruppe Internationaler Kommunisten) unterstützt wurde, sollte in der holländischen Linken triumphieren.
DIE HOLLÄNDISCHE LINKE: DIE GIK UND DER SPARTACUSBOND
Das Trauma der Degeneration der Russischen Revolution und der bolschewistischen Partei hinterließ tiefe Narben. Die holländische Linke, die das theoretische Erbe der deutschen Linken aufgriffen hatte, hat daraus nicht ihre positiven Beiträge zur Frage der Partei und Organisation der Revolutionäre übernommen.
Sie lehnte die substitutionistische Vision der Partei als Hauptquartier der Klasse ab, war aber nur in der Lage, die allgemeine Organisation der Klasse zu sehen: die Arbeiterräte. Die revolutionäre Organisation wurde nunmehr als bloßer "Propagandaverein" für die Arbeiterräte aufgefaßt.
Das Konzept der Partei wurde entweder verworfen oder seines Inhaltes entleert. So ging Pannekoek davon aus, daß "eine Partei jetzt eine Organisation bedeutet, die die Arbeiterklasse führen und beherrschen will" (Partei und Arbeiterklasse, 1936). Andererseits meinte er, daß "die Parteien - oder Diskussionsgruppen oder Propagandavereinigungen, egal welchen Namen man ihnen gibt - ein ganz anderes Wesen haben als die Organisation politischer Parteien, die wir aus der Vergangenheit kennen." (Die Arbeiterräte, 1946)
Von einer richtigen Idee ausgehend - nämlich daß die Organisation und die Partei im dekadenten Kapitalismus ihre Funktion ändern - , gelangten sie zu einer falschen Schlußfolgerung. Nicht nur, daß nicht mehr gesehen wurde, was die Parteiorganisation in der Epoche des aufsteigenden Kapitalismus von einer Partei in einer revolutionären Epoche unterscheidet, in einer Zeit des voll ausgereiften Klassenbewußtseins; sie gaben auch die marxistische Vision der politischen Organisation als aktiven Faktor des Klassenkampfes auf.
1. Die unauflöslichen Funktionen der Organisation - Theorie und Praxis - wurden getrennt. Die GIK faßte sich nicht als politischer Körper mit einem Programm auf, sondern als eine Summe individuellen Bewußtseins, als eine Summe getrennter Aktivitäten. So rief die GIK zur Bildung föderaler "Arbeitsgemeinschaften" auf, weil sie Angst hatte, daß eine Organisation entstehen könnte, die durch ihr Programm und durch organisatorische Regeln vereint sein könnte.
"Es ist besser, daß revolutionäre Arbeiter in Tausenden von kleinen Gruppierungen an der Bewußtwerdung der Klasse arbeiten, als daß ihre Tätigkeit in einer großen Organisation dem Herrschaftsstreben ihrer Führung unterworfen wird" (H. Canne-Mejer, Das Werden einer neuen Arbeiterbewegung, S. 167). Noch gefährlicher war die Definition der Organisation als eine "Meinungsgruppe": Dies öffnete die Tür zum theoretischen Ekklektizismus. Pannekoek zufolge zielte die theoretische Arbeit auf die persönliche Selbsterziehung, auf die "angestrengte Selbstaktivität". Aus jedem Kopf käme ein persönlicher Gedanke, ein persönliches Urteil, und "in jedem dieser Gedanken finden wir eine Portion einer mehr oder weniger größeren Wahrheit" (Die Arbeiterräte). Die marxistische Auffassung einer kollektiven Organisationsarbeit, der tatsächliche Ausgangspunkt einer "angestrengten Selbstaktivität", machte einer idealistischen Vision Platz. Der Ausgangspunkt war nun das individuelle Bewußtsein, wie bei der Philosophie Descartes. Pannekoek ging sogar soweit zu sagen, daß das Ziel nicht die Klärung in der Klasse sei, sondern "die eigene Kenntnis der Methode, um zu erkennen, was richtig und gut ist" (ebenda).
Wenn die Organisation nur eine Arbeitsgemeinschaft wäre, wo jedes Mitglied sich eine Meinung bildet, könnte sie genauso gut eine Diskussionsgruppe oder eine "Studiengruppe" sein, "die sich selbst die Aufgabe gibt, gesellschaftliche Ereignisse zu analysieren" (Canne-Mejer, op. cit.). Es hat sicherlich ein Bedürfnis nach "Diskussionsgruppen" gegeben, um die politische und theoretische Klärung fortzuführen. Aber dies entsprach einer frühen Entwicklungsstufe der revolutionären Bewegung im vergangenen Jahrhundert. Diese Phase, die von Sekten und getrennten Gruppen dominiert wurde, war eine Übergangsphase: Das Sektierertum und der Föderalismus dieser Gruppen, die aus der Klasse hervorgegangen waren, waren Kinderkrankheiten, die mit dem Auftauchen zentralisierter politischer Organisationen verschwanden. Wie Mattick 1935 schrieb, waren die Ansichten der GiK und Pannekoeks ein Rückschritt:
"Eine föderalistische Organisation kann sich nicht durchsetzen, weil sie der monopolkapitalistischen Situation, in der sich das Proletariat befindet, überhaupt nicht entspricht. Sie wäre noch ein Schritt zurück hinter die alte Bewegung, statt ein Schritt über sie hinaus." (Mattick, Räte-Korrespondenz, Nr. 10-11, Sept. 1935, S. 67)
2. In Wirklichkeit funktionierte die GIK wie eine Föderation "unabhängiger Einheiten", die unfähig waren, eine aktive politische Rolle zu spielen. Es lohnt sich, einen Artikel von Canne-Mejer aus dem Jahr 1938 (RADENCOMMUNISMUS, Nr. 3) zu zitieren:
"Die Gruppe der Internationalen Kommunisten hatte keine Statuten, keine obligatorischen Mitgliedsbeiträge, und an ihren 'internen' Treffen konnten andere Genossen anderer Gruppen teilnehmen. Deshalb konnte man nie die genaue Zahl ihrer Mitglieder wissen. Es gab niemals eine Abstimmung, sie war nicht nötig, weil man keine Parteipolitik betreiben wollte. Man diskutierte Probleme und wenn es wichtige Meinungsunterschiede gab, wurden die verschiedenen Standpunkte veröffentlicht- mehr nicht. Ein Mehrheitsbeschluß blieb ohne Bedeutung. Die Arbeiterklasse selbst sollte entscheiden".
Gewissermaßen hat sich die GIK aus Angst, die Klasse zu vergewaltigen, selbst kastriert. Aus Angst, das Bewußtsein eines jeden Mitglieds durch Organisationsregeln zu vergewaltigen oder die Klasse zu vergewaltigen, indem ihr die eigenen Positionen aufgezwungen werden, negierte sich die GIK als militanter Teil der Klasse. In der Tat gibt es ohne regelmäßige finanzielle Mittel keine Möglichkeit, eine Zeitschrift und Flugblätter während des Krieges herauszubringen. Ohne Statuten gibt es keine Regeln, die die Organisation in die Lage versetzen, unter allen Bedingungen zu funktionieren. Ohne Zentralisierung durch gewählte Exekutivorgane gibt es keine Möglichkeit, das Leben und die Aktivitäten der Organisation in allen Perioden aufrechtzuerhalten, insbesondere in Zeiten der Illegalität, wenn die Notwendigkeit, sich der Repression zu stellen, die strikteste Zentralisierung erfordert; und in Zeiten des ansteigenden Klassenkampfes wie heute keine Möglichkeit, zentralisiert weltweit in der Klasse zu intervenieren.
Diese Irrwege der rätekommunistischen Strömung, gestern mit der GIK, heute mit den informellen Gruppen, die ihre Treue zum Rätekommunismus geltend machen, stützen sich auf die Auffassung, daß die Organisation kein aktiver Faktor in der Klasse sei. "Indem man die Klasse entscheiden läßt", fällt man der Vorstellung anheim, die revolutionäre Organisation stehe "im Dienste der Klasse" - ein bloßer Vervielfältiger und keine politische Gruppe, die gelegentlich, selbst in der Revolution, gegen die Strömung schwimmen muß, gegen die Vorstellungen und Aktionen der Klasse . Die Organisation ist keine Widerspiegelung dessen, "was die Arbeiter denken" (6); sie ist ein kollektiver Organismus, der die historische Vision des Weltproletariats in sich trägt, die nicht darin besteht, was die Klasse in diesem oder jenen Moment denkt, sondern was sie zu tun gezwungen wird: die Verwirklichung der Ziele des Kommunismus..
Es ist daher kaum verwunderlich, daß die GIK 1940 verschwand. Das theoretische Werk der GIK wurde vom Spartacusbond fortgeführt, der aus einer Spaltung der Partei Sneevliets 1942 entstand (siehe dazu den Artikel in INTERNATIONALE REVE, Nr. 9, engl., franz., span. Ausgabe: "Der Bruch mit dem Spartacusbond"). Trotz einer klaren Auffassung von der Funktion der Organisation - der Bond erkannte die unverzichtbare Rolle einer Partei in der Revolution als aktiver Faktor in der Entwicklung des Bewußtseins an - und seiner Funktionsweise - der Bond hatte Statuten und Zentralorgane - wurde er schließlich doch von den alten Vorstellungen der GIK über die Organisation beherrscht.
Heute liegt der Spartacusbond im Sterben und Daad en Gedachte - die 1965 aus dem Bond austrat - ist ein Wetterbericht über die Arbeiterkämpfe. Die holländische Linke als revolutionäre Strömung ringt mit dem Tod. Ihr theoretisches Vermächtnis wird daher nicht durch sie selbst an die neuen, in der Klasse entstehenden revolutionären Elemente überliefert werden. Dieses Vermächtnis zu verstehen und darüber hinaus zu gehen ist die Aufgabe von revolutionären Organisationen und nicht von Induviduen oder Diskussionsgruppen.
"Rätekommunistische" Organisationsauffassungen sind jedoch nicht verschwunden, wie wir in etlichen Ländern sehen können. Eine kritische Bilanz der Organisationsauffassung der deutschen und holländischen Linke zu ziehen verschafft uns den Beweis nicht für den den Bankrott der revolutionären Organisationen, sondern im Gegenteil für ihre unverzichtbare Rolle, um die Lehren aus der Vergangenheit zu ziehen und sich auf die zukünftigen Kämpfe vorzubereiten.
Ohne revolutionäre Theorie gibt es keine revolutionäre Bewegung, doch ohne revolutionäre Organisation kann es keine revolutionäre Theorie geben. Dies nicht zu verstehen führt Individuen wie auch informelle Gruppen ins Nichts. Es macht die Bahn frei für einen Verlust an Überzeugung in eben jene Möglichkeit einer Revolution.
CH
(aus International Review, Nr.37, 4/1984, Ch.)
FUSSNOTEN
(1) "... daß man überhaupt nicht von einer Klasse sprechen kann, solange nicht eine Minderheit dieser Klasse danach strebt, sich als politische Partei zu organisieren" (aus "Partei und Klasse", Bordiga).
(2) Ein Gedanke, der von Franz Pfemfert, Rühles Freund, Chefredakteur der Zeitschrift DIE AKTION und ein Mitglied der KAPD, vertreten wurde.
(3) Michaelis, ein ehemaliger Lehrer der KAPD und Mitglied der KAU 1931, sagte: "In der Praxis wurde die Union selbst eine zweite Partei (...) die KAP sammelte später die gleichen Elemente um sich wie die Union".
(4) 1925 gab es in Deutschland drei KAPDs: eine Berliner Tendenz und zwei Essener Tendenzen. Dieser Fehler, der eine Tragödie für das proletarischer Lager in Europa damals war, wiederholte sich 1943 in Italien in Form einer Farce, als inmitten der Konterrevolution die Internationalistische Kommunistische Partei um Damen und Maffi gegründet wurde. Mittlerweile gibt es vier ‚Parteien‘ in Italien, die sich alle auf die Italienische Linke berufen. Dieser Größenwahn kleiner Gruppen, die sich selbst ‚ Partei‘ nennen, dient lediglich dazu, den eigentlich Begriff der Partei ins Lächerliche zu ziehen, und ist ein Hindernis im schwierigen Umgruppierungsprozeß der Revolutionäre, der die wichtigste subjektive Vorbedingung für die Entstehung einer wirklichen Weltpartei des Proletariats in der Zukunft ist.
(5) Der gleiche Michaelis gab 1931 zu: „Das ging sogar soweit, daß für viele Militanten die Arbeiterräte nur als möglich betrachtet wurden, wenn sie die Linie der KAPD akzeptierten.“
(6) In derselben Ausgabe von RADENCOMMUNISME heißt es: „Wenn es einen wilden Streik gab, brachten die Streikenden mit Hilfe der Gruppe Flugblätter heraus; Letztere stellten sie her, auch wenn sie nicht mit ihrem Inhalt völlig einverstanden waren.“
Quell-URL: https://de.internationalism.org/revue/dnlorgaauffassung