Immigration und Arbeiterbewegung

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Mit der Verschlimmerung der globalen Wirtschaftskrise und des gesellschaftlichen Zerfalls werden die Lebensbedingungen weltweit, besonders in den unterentwickelten Ländern, immer unerträglicher. Die gesammelten Auswirkungen von wirtschaftlicher Entbehrung, natürlichen Katastrophen, Krieg und ethnischer Säuberung, Hungersnot und völliger Barbarei sind alltägliche Wirklichkeit für Millionen von Menschen geworden und erhöhen dramatisch den Druck für eine Massenflucht. Millionen fliehen Richtung kapitalistische Metropole oder sogar andere unterentwickelten Länder, die etwas besser dran sind, mit dem Ziel, zu überleben und erträglichere Bedingungen zu finden.

Die Vereinten Nationen schätzen, dass es 200 Millionen Einwanderer - etwa 3% der Weltbevölkerung - sind, die außerhalb ihres Heimatlandes leben, doppelt so viele wie 1980. In den USA sind es 33 Millionen Einwohner, die Ausländer sind, das sind 11,7% der Gesamtbevölkerung; in Deutschland 10,1 Millionen, 12,3%; in Frankreich 6,4 Millionen, 10,7%; in Großbritannien 5,8 Millionen, 9,7%; in Spanien 4,8 Millionen, 8,5%; in Italien 2,5 Millionen, 4,3%; in der Schweiz 1,7 Millionen, 22,9%; und in den Niederlanden 1,6 Millionen.[1] Bürgerliche Regierungen und Medienquellen schätzen, dass es mehr als 12 Millionen illegale Einwanderer in den USA und mehr als 8 Millionen in der Europäischen Union gibt. In diesem Zusammenhang ist Immigration überall in den kapitalistischen Metropolen, ja sogar innerhalb der Dritten Welt selber heißes Thema politischer Probleme geworden, wie der gegen Einwanderer gerichtete Aufruhr letztes Jahr in Südafrika zeigte.

Obwohl die Einzelheiten von Land zu Land verschieden sind, folgt die Bourgeoisie gegenüber der Massenmigration im Allgemeinen einem dreiteiligen Muster: 1. Förderung der Einwanderung aus wirtschaftlichen und politischen Gründen; 2. gleichzeitig der Versuch, diese einzuschränken und zu kontrollieren und 3. die Orchestrierung ideologischer Kampagnen, die Rassismus und Fremdenfeindlichkeit gegen die Einwanderer schüren, um die Arbeiterklasse zu spalten.

Die Einwanderung fördern: Die herrschende Klasse verlässt sich auf ausländische Arbeitskräfte, legale und illegale, um Niedriglohnjobs zu besetzen, die für die einheimischen Arbeiter nicht attraktiv genug sind; um eine Reservearmee von Arbeitslosen und Sozialempfängern zur Verfügung zu haben; um die Löhne der Arbeiterklasse niedrig zu halten und die Knappheit der Belegschaft zu kompensieren, die durch ins Rentenalter gekommene Arbeiter und den Rückgang der Geburtenraten der Einheimischen entstanden ist. In den USA ist der herrschenden Klasse genügend bewusst, dass sich komplette Industriezweige wie Einzelhandel, Bau, Fleisch- und Geflügelverarbeitung, Hausmeistersdienstleistungen, Hotels, Restaurants, Pflege und Jugendfürsorge auf die eingewanderte Arbeitskraft, sowohl die legale als auch die illegale, abstützen. Das ist der Grund, warum die Forderungen der Rechtsextremen nach Zwangsdeportation von 12 Millionen illegalen Einwanderer und nach Beschränkung der legalen Einwanderung für die dominierende Fraktion der amerikanischen herrschenden Klasse keineswegs eine vernünftige Alternativpolitik darstellen und als unvernünftig, unpraktisch und schädlich für die amerikanische Wirtschaft zurückgewiesen worden sind.

Einschränken und kontrollieren: Zur gleichen Zeit anerkennt die dominierende Fraktion die Notwendigkeit, den Status von illegalen Einwanderern aufzulösen, um eine Menge von sozialen, wirtschaftlichen und politischen Problemen zu entschärfen, was die Verfügbarkeit und Abgabe von medizinischen, sozialen, pädagogischen und anderen öffentlichen Diensten einschließt wie auch eine Vielzahl von gesetzlichen Erleichterungen, welche die in den USA geborenen Kinder von Einwanderern und deren Eigentum betreffen. Das war die Kulisse zur vorgeschlagenen Einwanderungsreform in den USA im Frühjahr 2007, die von der Regierung Bush und der republikanischen Führung, den Demokraten (einschließlich der Linken, die im Ex-Senator Edward Kennedy personifiziert war) und den wichtigen Unternehmen unterstützt wurde. Weit davon entfernt ein einwanderungsfreundliches Gesetz zu sein, verlangte es die Militarisierung und Abschottung der Grenzen, die Legalisierung der illegal lebenden Einwanderer im Land und Maßnahmen, um den Strom der Immigranten einzudämmen. Es stellte zwar ein Mittel für die gegenwärtig illegalen Einwanderer im Land zur Verfügung, um ihren Status zu legalisieren, war aber in keiner Weise eine "Amnestie", weil es Wartezeiten und hohe Geldstrafen beinhaltete.

Ideologische Kampagnen: Die Kampagnen zur Anti-Einwanderungspropaganda ändern sich von Land zu Land, aber die Hauptbotschaft ist überall bemerkenswert ähnlich. In erster Linie werden "Latinos" in den USA und Moslems in Europa mit der Behauptung ins Visier genommen, dass neue Einwanderer, besonders papierlose, dafür verantwortlich seien, dass die wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen sich verschlechtern, indem sie den Einheimischen Jobs wegnähmen, schlechte Löhne akzeptierten, Schulen mit ihren Kindern überfüllten, Sozialfürsorge-Programme in Anspruch nähmen, Verbrechen begingen – kurz: jedes gesellschaftliche Problem vergrößerten, das man sich vorstellen kann. Das ist ein klassisches Beispiel der kapitalistischen Strategie des "Teilens und Herrschens", um Arbeiter gegeneinander auszuspielen und zu trennen und sie für ihre Probleme verantwortlich zu machen, um sie um die Krümel streiten zu lassen, damit sie möglichst nicht verstehen, dass das kapitalistische System selbst für ihr Leiden verantwortlich ist. Das dient dazu, die Fähigkeit der Arbeiterklasse zu untergraben, ihr Bewusstsein, ihre Klassenidentität und Einheit wiederzugewinnen, die von der Bourgeoisie am allermeisten gefürchtet werden. Normalerweise kommt in den kapitalistischen Metropolen dem rechten Flügel der Bourgeoisie die Rolle zu, die Stimmung gegen Einwanderer aufzuheizen und mit unterschiedlichem Erfolg auszubeuten. Diese Stimmungsmache hat jeweils in bestimmten Sektoren des Proletariats ein Echo, aber nirgends hat dieses das barbarische Niveau erreicht, das im fremdenfeindlichen Aufruhr gegen Einwanderer in Südafrika im Mai 2008 zum Ausdruck gekommen ist.

Verschlechterte Bedingungen in den unterentwickelten Ländern in den kommenden Jahren, einschließlich der Auswirkungen des Zerfalls und des Krieges sowie der Klimaveränderung, bedeuten, dass die Immigrationsfrage in Zukunft noch wichtiger wird. Es ist entscheidend, dass die Arbeiterbewegung sich über die Bedeutung des Einwanderungsphänomens, über die Strategie der Bourgeoisie hinsichtlich der Einwanderung in Bezug auf ihre politischen und ideologischen Kampagnen und über die Perspektive des Proletariats in dieser Frage klar ist. In diesem Artikel werden wir die Rolle der Bevölkerungswanderungen in der kapitalistischen Geschichte, die Geschichte der Einwanderungsfrage innerhalb der Arbeiterbewegung und die Einwanderungspolitik der Bourgeoisie untersuchen sowie eine Orientierung für das revolutionäre Eingreifen hinsichtlich der Einwanderung darlegen.

Immigration und Entwicklung des Kapitalismus

Die Migration ist eine zentrale Charakteristik der menschlichen Bevölkerung seit dem Beginn der Geschichte der Menschheit, überwiegend angetrieben vom Bedürfnis unter schwierigen Bedingungen zu überleben. Der moderne Homo Sapiens entwickelte sich vor 160`000 bis 200`000 Jahren in Afrika und man geht davon aus, dass vor 150`000 bis 50`000 Jahren eine Serie von Auswanderungen von Afrika nach Europa und Asien begannen aufgrund der unstabilen klimatischen Situation, die durch verschiedene Eiszeiten bedingt war. Die darauffolgenden Besitzverhältnisse in den Sklavengesellschaften und im Feudalismus banden die Menschen an das Land, doch auch unter diesen Produktionsverhältnissen gab es eine Migration, neue Gebiete wurden erobert und einheimische Bevölkerungen vertrieben. Wie bei anderen Fragen, mit denen die Arbeiterklasse konfrontiert ist, ist es sinnvoll, die Frage der Immigration im Rahmen zu betrachten, dass der Kapitalismus eine aufsteigende und niedergehende Periode kennt.

In seiner aufsteigenden Periode legte der Kapitalismus ein enormes Gewicht auf die Mobilität der Arbeiterklasse als Faktor zur Entwicklung seiner Produktionsweise. Unter dem Feudalismus war die werktätige Bevölkerung ans Land gebunden und zog wenig umher. Durch die Enteignung der landwirtschaftlichen Produzenten drängte der Kapitalismus breite Bevölkerungsteile vom Land in die Städte, damit jene ihre Arbeitskraft verkauften und ein Reservoir an Arbeitskräften bildeten. Wie wir in unserer Presse in englischer Sprache im Dezember 2006 im Artikel „Die Arbeiterklasse ist eine Klasse von Immigranten“ zitierten: „Historisch epochemachend in der Geschichte der ursprünglichen Akkumulation sind alle Umwälzungen, die der sich bildenden Kapitalistenklasse als Hebel dienen; vor allem aber die Momente, worin große Menschenmassen plötzlich und gewaltsam von ihren Subsistenzmitteln losgerissen und als vogelfreie Proletarier auf den Arbeitsmarkt geschleudert werden. Die Expropriation des ländlichen Produzenten, des Bauern, von Grund und Boden bildet die Grundlage des ganzen Prozesses. (Marx, Das Kapital, Bd.1, MEW, Bd. 23, Seite 744)“.  Lenin schrieb: „Viertens schafft der Kapitalismus unvermeidlich die Beweglichkeit der Bevölkerung, die für die früheren sozialökonomischen Systeme nicht erforderlich war und unter ihrer Herrschaft in größerem Ausmaß auch nicht möglich gewesen wäre“[2]. Mit dem Aufstieg des Kapitalismus wurde die Massenmigration für die Entwicklung des Kapitalismus in der Zeit der Industrialisierung entscheidend. Von 1848 bis 1914 verließen 50 Millionen Menschen Europa, um sich in ihrer überwiegenden Mehrheit in den USA niederzulassen. 20 Millionen wanderten alleine von 1900 bis 1914 von Europa in die USA aus. 1900 zählte die Bevölkerung der USA ungefähr 75 Millionen und 1914 ungefähr 94 Millionen; also war 1914 jeder Fünfte ein kürzlich angekommener Immigrant – nicht mitgerechnet die vor 1900 eingewanderten Immigranten. Wenn man die Kinder der Immigranten mit einbezieht, die in den USA geboren wurden, verdeutlicht sich der Einfluss der Immigranten auf das soziale Leben noch mehr. Während dieser Zeit verfolgte die US-Bourgeoisie eine Politik der Offenheit gegenüber Immigranten (mit Ausnahme von Auflagen gegenüber Einwanderern aus Asien). Für die eingewanderten Arbeiter, die sich selber entwurzelten, lag die Motivation in der Möglichkeit, ihren Lebensstandard zu verbessern, dem Hunger, der Armut, der Unterdrückung und den beschränkten Entwicklungsmöglichkeiten zu entfliehen.

Während die herrschende Klasse eine Politik der Unterstützung der Einwanderung betrieb, zögerte sie gleichzeitig nicht, fremdenfeindliche und rassistische ideologische Kampagnen zu lancieren, um die Arbeiterklasse zu spalten. Sogenannte „einheimische“ Arbeiter – von denen aber viele erst die zweite oder dritte Generation von Immigranten waren - wurden gegen Neuankömmlinge aufgehetzt, die wegen ihrer sprachlichen, kulturellen und religiösen Unterschiede angeprangert wurden. Selbst zwischen neu angekommenen Immigrantengruppen wurden ethnische Verschiedenheiten als Futter für die „Teile-und-herrsche“-Strategie eingesetzt. Es ist wichtig daran zu erinnern, dass die Angst und das Misstrauen vor Außenseitern tiefliegende psychologische Wurzeln in der Gesellschaft haben und dass der Kapitalismus nicht zögert, damit zu spielen, um seine eigenen unlauteren Ziele zu verfolgen. Die herrschende Klasse gerade in den USA hat dieses Vorgehen des „Teilens und Herrschens“ immer angewendet, um die potentielle Tendenz zur Einheit innerhalb der Arbeiterklasse zu sabotieren und das Proletariat zu unterjochen. Engels schrieb 1892 in einem Brief an Schlüter: “Eure Bourgeoisie versteht es noch viel besser als die österreichische Regierung, eine Nationalität gegen die andere auszuspielen, Juden, Italiener, Böhmen etc. gegen Deutsche und Irländer und jeden gegen den anderen (…)“[3]. Dies ist eine klassische ideologische Waffe der Herrschenden.

Während die Immigration in der aufsteigenden Phase des Kapitalismus vom Bedarf an Arbeitskräften zur raschen Ausbreitung der kapitalistischen Produktionsweise geprägt war, so wurde mit dem Beginn der Dekadenz des Kapitalismus (in der Zeit um den Ersten Weltkrieg) und der Verlangsamung der exponentiellen Wachstumsraten die Immigration zu einem negativen Faktor. Der Druck, den Schikanen, dem Hunger und der Armut zu entrinnen, der Millionen von Arbeitern in der aufsteigenden Phase des Kapitalismus zur Auswanderung gedrängt hatte, damit sie Arbeit suchen und ihr Leben sichern können, nahm mit dem Beginn der Dekadenz in dramatischer Weise zu. Im Besonderen verursachte die veränderte Kriegsführung im dekadenten 20. Jahrhundert eine Massenemigration und erzeugte eine Flut von Flüchtlingen. Im aufsteigenden Kapitalismus beschränkten sich die Kriege vor allem auf die Konfrontationen von Berufsarmeen auf den Schlachtfeldern. Durch die Dekadenz des Kapitalismus veränderte sich der Charakter des Krieges dramatisch, die gesamte Bevölkerung, der Produktionsapparat und das nationale Kapital wurden in den Krieg einbezogen. Die Terrorisierung und Demoralisierung der Zivilbevölkerung wurde zu einem taktischen Hauptziel und produzierte massive Flüchtlingsströme im 20. Jahrhundert – so wie auch heute noch. Während des Krieges im Irak wurden ungefähr 2 Millionen Leute zu Flüchtlingen und suchten vor allem in Syrien und Jordanien Unterschlupf. Emigranten, die vor den zunehmend barbarischen Bedingungen in ihren Heimatländern flüchten, werden auf ihrem Weg zu Opfern korrupter Polizisten, Militärs, Mafiosi und krimineller Banden, welche sie ausnehmen, misshandeln und ihnen auf ihrer verzweifelten Flucht nach einem besseren Leben alle Hoffnungen rauben. Viele Flüchtlinge sterben oder verschwinden auf der Flucht oder sie fallen in die Hände von Menschenhändlern. Die bürgerliche kapitalistische Ordnung und das Gesetz sind nicht nur unfähig, sondern auch nicht willens, etwas gegen diese Katastrophe, die die Flüchtlinge begleitet, zu tun.

In den USA war der Beginn der Dekadenz des Kapitalismus gezeichnet vom Wechsel einer abrupten Politik der Offenheit gegenüber den Einwanderern (wie schon erwähnt mit Ausnahme der Auflagen gegenüber Leuten aus Asien) zu einer restriktiven Immigrationspolitik der Regierung. Der Wechsel der ökonomischen Periode erforderte einen viel geringeren Bedarf an neu eingewanderten Arbeitskräften. Doch dies war nicht der alleinige Grund für die Einwanderungsbeschränkungen; rassistische und „antikommunistische“ Faktoren waren ebenfalls stark vorhanden. Der National Origins Act von 1924 limitierte die Zahl der Immigranten aus Europa auf 150`000 pro Jahr und setzte eine Quote für jedes Land fest, auf der Basis der Zusammensetzung der ethnischen Bevölkerung in den USA im Jahr 1890 – also bevor die massive Einwanderungswelle aus Süd- und Osteuropa in den USA eingesetzt hatte. Das Ziel dieses Vorgehens gegenüber osteuropäischen Arbeitsimmigranten stand unter dem Stern eines Rassismus gegen „unerwünschte Elemente“ wie Italiener, Griechen, Osteuropäer und Juden. Während der Zeit der „Roten Hysterie“ in den USA nach der Russischen Revolution 1917, wurden Einwanderer aus Osteuropa als mit „Bolschewiki“ und Einwanderer aus Südeuropa als mit Anarchisten durchsetzt betrachtet. Zusätzlich zur Einwanderungsbeschränkung kreierte das Einwanderungsgesetz von 1924 zum ersten Mal den Status des „non-immigrant foreign worker“ („nichteingewanderten fremden Arbeiters“), der zwar nach Amerika kommen konnte, um zu arbeiten, aber keine Aufenthaltsbewilligung erhielt.

1950 führte der McCarran-Walter Act – unter dem Einfluss der McCarthy-Ära und der antikommunistischen Hysterie des Kalten Krieges unter dem Deckmantel des Kampfes gegen den russischen Imperialismus – neue Beschränkungen für die Immigration ein. In den späten 1960er Jahren, mit dem Ausbruch der weltweiten offenen Krise des Kapitalismus, wurde die US-Amerikanische Immigrationspolitik liberalisiert und es gab nicht nur aus Europa, sondern auch aus Asien und Lateinamerika eine Welle der Immigration. Dies wiederspiegelte den Wunsch des amerikanischen Kapitalismus, den Erfolg der europäischen Mächte einzudämmen und deren vormalige Kolonien nach talentierten intellektuellen Arbeitskräften wie Wissenschaftlern, Ärzten, Krankenschwestern, und anderen gut Ausgebildeten abzugrasen – der so genannte „brain drain“ (Abzug von Wissen) aus den unterentwickelten Ländern – aber auch, um billige Arbeitskräfte für die Landwirtschaft zu erhalten. Das Resultat dieser Liberalisierungsmaßnahmen war ein dramatischer Anstieg der illegalen und legalen Immigration vor allem aus Lateinamerika.

1986 wurde die immigrantenfeindliche Politik der USA mit dem Simpson-Rodino Immigration and Naturalization Control Reform Act verstärkt, bei dem es um die illegale Einwanderung aus Lateinamerika ging und der zum ersten Mal in der Geschichte der USA Sanktionen (Geldstrafen und sogar Gefängnis) gegen Unternehmer festlegte, die wissentlich Arbeiter ohne Aufenthaltsbewilligung beschäftigen. Der Zustrom an illegalen Immigranten hatte mit dem wirtschaftlichen Kollaps in Drittweltländern in den 1970er Jahren enorm zugenommen und es entstand eine Welle aus komplett verarmten Massen aus Mexiko, Haiti und dem kriegsgebeutelten El Salvador. Das Ausmaß dieser unkontrollierten Einwanderung wird deutlich an der Rekordzahl von 1,6 Millionen durch die US-Fremdenpolizei inhaftierte illegale Immigranten im Jahr 1986.

Auf der Ebene der ideologischen Kampagnen, der Anwendung der „Teile-und-herrsche“-Strategie“ gegenüber Immigranten, die ja bereits in der Zeit des aufsteigenden Kapitalismus angewandt worden war, gibt es seit der Zeit der Dekadenz des Kapitalismus einen richtiggehenden Höhenflug. Immigranten werden beschuldigt die Metropolen zu überfluten, Löhne zu drücken, Grund für Epidemien, Kriminalität und eine „kulturellen Verschmutzung“ zu sein, die Schulen zu überfüllen, Sozialprogramme zu überlasten – also für alle nur erdenklichen sozialen Probleme die Verantwortung zu tragen. Dieses Vorgehen beschränkt sich mitnichten auf die USA, sondern gilt auch für Länder wie Großbritannien, Frankreich, Deutschland und ganz Europa, wo Immigranten aus Osteuropa, Afrika und dem Nahen Osten mit solchen verblüffend ähnlichen ideologischen Kampagnen zu Sündenböcken für die sozialen Auswirkungen der kapitalistischen Krise und des Zerfalls des Kapitalismus gemacht werden. Die Massemigration ist eine Folge der globalen ökonomischen Krise und der immer elenderen Bedingungen in weniger entwickelten Ländern. Diese Kampagnen haben zum Ziel, die Bewusstseins-Entwicklung und dessen Ausbreitung innerhalb der Arbeiterklasse zu behindern, Arbeiter an der Nase herumzuführen und daran zu hindern, dass sie verstehen, dass es der Kapitalismus ist, der Kriege, Krisen und all die anderen sozialen Probleme, die typisch für den sozialen Zerfall sind, hervorbringt.

Die sozialen Auswirkungen des Zerfalls und der anhaltenden wirtschaftlichen und ökologischen Katastrophe werden in den kommenden Jahren Millionen von Flüchtlingen in die höher entwickelten Länder treiben. Wenn diese massive Flüchtlingsflut von den Herrschenden anders angegangen wird als die routinemäßige Immigration, so verdeutlicht dies die grundlegende Unmenschlichkeit des kapitalistischen Systems. Flüchtlinge werden meist in Lager gepfercht und von der Bevölkerung abgeschottet, was es ihnen oft erst nach Jahren ermöglicht, sich in der neuen Umgebung zurecht zu finden. Sie werden als Gefangene und Unwillkommene behandelt und nicht als Mitglieder der menschlichen Gesellschaft. All das ist das komplette Gegenteil einer internationalistischen Solidarität, welche die proletarische Perspektive in sich trägt.

Die historische Position der Arbeiterbewegung zur Frage der Immigration

Konfrontiert mit ethnischen, rassischen und sprachlichen Unterschieden innerhalb der Arbeiterklasse orientierte sich die Arbeiterbewegung historisch am Prinzip „Arbeiter haben kein Vaterland“, eine Orientierung die einerseits das interne Leben der revolutionären Arbeiterbewegung und andererseits die Intervention dieser Bewegung im Klassenkampf beeinflusste. Jeglicher Abstrich an diesem Prinzip ist eine Kapitulation vor der bürgerlichen Ideologie.

1847 gelangten die deutschen Mitglieder des Bundes der Kommunisten, die sich im Londoner Exil hauptsächlich auf die Propaganda unter deutschstämmigen Arbeitern beschränkt hatten, zu einer internationalistischen Haltung und pflegten „regen Verkehr mit Flüchtlingen aus aller Herren Länder“[4]. In Brüssel „veranstaltete dieser Verein ein internationales Bankett, um zu zeigen, dass die Arbeiter verschiedener Länder brüderliche Gesinnungen gegeneinander hegten. (…) An der Festtafel saßen 120 Gäste, Belgier, Deutsche, Schweizer, Franzosen, Polen, Italiener, auch ein Russe.“[5] Zwanzig Jahre später unterstrich die Erste Internationale dasselbe Anliegen, um mit zwei Zielen in Streiks zu intervenieren: um die Bourgeoisie daran zu hindern von außen Streikbrecher anzuheuern und um den Streikenden eine direkte Unterstützung zu geben, wie dies in London bei den Siebmachern, Schneidern und Hutmachern, und in Paris bei den Bronzeschmieden geschehen war.[6] Als die Wirtschaftskrise von 1866 in ganz Europa eine Streikwelle auslöste, half der Generalrat der Ersten Internationale „mit Rat und Tat den Sieg der Arbeiter sichern, indem er die internationale Solidarität des Proletariats mobilmachte. Er schlug den Kapitalisten die bequeme Waffe aus der Hand, streikende Arbeiter durch den Zuzug ausländischer Arbeitskräfte lahmzulegen; aus den unbewussten Hilfstruppen des gemeinsamen Feindes warb er vielmehr opferfreudige Bundesgenossen; er verstand, den Arbeitern jedes Landes, wohin sein Einfluss reichte, klarzumachen, dass es ihr eigenes Interesse sei, die Lohnkämpfe ihrer ausländischen Klassengenossen zu unterstützen.“[7] Ähnlich unterstützte 1871, als in England eine Bewegung für den Achtstundentag ausbrach, organisiert durch die Nine Hour League, und nicht von den Gewerkschaften, die dem Kampf fernblieben, die Erste Internationale den Kampf, indem sie Delegierte nach Belgien und Dänemark sandte, „um die Anwerbung ausländischer Arbeiter durch die Agenten der Fabrikanten zu hintertreiben. Das gelang ihnen auch in weitem Umfange.[8]

Die gravierendste Ausnahme gegenüber dieser internationalistischen Haltung tauchte 1870-71 in den USA auf, als die Sektion der Internationale sich gegen die chinesischen Immigranten aussprach, weil diese von den Kapitalisten als Lohndrücker gegen die weißen Arbeiter eingesetzt wurden. Eine Delegation aus Kalifornien behauptete: „Die Chinesen haben Tausende von weißen Männern, Frauen, Mädchen und Jungen in die Arbeitslosigkeit getrieben.“ Diese Haltung wiederspiegelte eine verdrehte Interpretation von Marx‘ Kritik am asiatischen Despotismus als anachronistische Produktionsweise, deren Dominanz in Asien überwunden werden musste, um den asiatischen Kontinent in die moderne Produktionsweise zu integrieren, was zur Bildung eines Proletariats in Asien führen würde. Diese chinesischen Arbeiter waren noch nicht proletarisiert und waren daher leicht zu manipulieren. Ihre extreme Ausbeutung durch die Bourgeoisie war leider nicht Ansporn zur Ausweitung der Solidarität und zu ihrer Eingliederung in die Reihen der Arbeiterklasse in den USA, sondern zur Begründung ihres radikalen Ausschlusses.

Aber der Kampf für die Einheit der internationalen Arbeiterklasse setzte sich in der 2. Internationale fort. Vor etwas mehr als hundert Jahren, auf dem Stuttgarter Kongress der 2. Internationale 1907, wurde ein Antrag der Opportunisten, die Beschränkung der Einwanderung aus China und Japan durch die bürgerlichen Regierungen zu unterstützen, deutlich abgeschmettert. Die Opposition dagegen war dermaßen groß, dass die Opportunisten gezwungen waren, ihre Resolution zurückzuziehen. Als Antwort darauf bejahte der Kongress eine Anti-Ausschluss Orientierung für die Arbeiterbewegung in allen Ländern. In seinem Bericht über diesen Kongress schrieb Lenin: "Auch hier wurde in der Kommission versucht, zünftlerisch beschränkte Anschauungen zu verfechten, ein Verbot der Einwanderung von Arbeitern aus rückständigen Ländern (Kulis aus China usw.) durchzubringen. Das ist derselbe Geist des Autokratismus unter den Proletariern einiger “zivilisierter” Länder, die aus ihrer privilegierten Lage gewisse Vorteile ziehen und daher geneigt sind, die Forderungen internationaler Klassensolidarität zu vergessen. Auf dem Kongress selbst fanden sich keine Verfechter dieser zünftlerischen und spießbürgerlichen Beschränktheit. Die Resolution entspricht durchaus den Forderungen der revolutionären Sozialdemokratie.”[9]

In den USA versuchten die Opportunisten 1908, 1910 und 1912 auf den Kongressen der Socialist Party Resolutionen durchzudrücken, um den Beschluss des Stuttgarter Kongresses zu umgehen, und riefen zur Unterstützung der „Amerikanischen Föderation der Arbeiteropposition gegen die Immigranten“ auf. Doch sie wurden immer wieder von Genossen in Schach gehalten, welche die internationale Solidarität aller Arbeiter verteidigten. Ein Delegierter hielt den Opportunisten entgegen, für die Arbeiterklasse „gibt es keine Fremden“. Andere betonten, die Arbeiterbewegung dürfe nicht mit den Kapitalisten gemeinsame Sache gegen andere Arbeiter machen. In einem Brief von 1915 an die Socialist Propaganda League (der Nachfolgerin des linken Flügels der Socialist Party, der später die Communist und die Communist Labor Party in den USA gründete) schrieb Lenin: „In unserem Kampf für wahren Internationalismus und gegen „Jingo-Sozialismus“ verweisen wir in unserer Presse stets auf die opportunistischen Führer der SP in Amerika, die dafür eintreten, dass die Einwanderung chinesischer und japanischer Arbeiter beschränkt wird (besonders nach dem Stuttgarter Kongress von 1907 und entgegen seinen Beschlüssen). Wir denken, dass niemand Internationalist sein und gleichzeitig für derartige Beschränkungen eintreten kann.“[10]

Historisch haben Immigranten in der Arbeiterbewegung der USA immer eine bedeutende Rolle gespielt. Die ersten marxistischen Revolutionäre kamen nach der Niederlage der Revolution von 1848 in Deutschland in die USA und waren später ein lebendiges Bindungsglied zur Ersten Internationale, die in Europa ihr Zentrum hatte. Engels vermittelte, was die Frage der Immigration betrifft, einige problematische Konzeptionen in die sozialistische Bewegung in den USA. In einigen Aspekten waren sie angebracht, in anderen stellten sie einen Irrtum dar und hatten schlussendlich negativen Einfluss auf die organisatorischen Aktivitäten der revolutionären Bewegung in Amerika. Engels war in Sorge über die anfängliche Langsamkeit der Entwicklung der Arbeiterbewegung in den USA. Er verstand, dass gewisse Besonderheiten in der Situation der USA lagen, so das Fehlen einer feudalen Tradition mit einem strengen Klassensystem und die Existenz der „Grenze“ im Land selber, die der Bourgeoisie als Überlaufventil diente und es unzufriedenen Arbeitern erlaubte, aus ihrer proletarischen Existenz zu flüchten, um im Westen des Landes ihr Glück als Bauern oder Siedler zu suchen. Etwas anderes war der Graben zwischen eingeborenen und eingewanderten Arbeitern bezüglich der ökonomischen Möglichkeiten und die Unfähigkeit radikaler eingewanderter Arbeiter, mit den im Land geborenen Arbeitern zu kommunizieren. Als Engels beispielsweise die deutschen sozialistischen Immigranten in Amerika kritisierte, dass sie nicht Englisch lernen, schrieb er: „Sie müssen alle Reste ihres ausländischen Gewandes ablegen. Sie werden durch und durch Amerikaner werden. Sie können nicht erwarten dass die Amerikaner zu ihnen kommen; sie die Minderheit und Immigranten müssen zu den Amerikanern gehen, welche die große Mehrheit und die Eingeborenen sind. Und um das zu tun, müssen sie vor allem Englisch lernen.“[11] Es ist wahr, dass bei den revolutionären Immigranten aus Deutschland eine Tendenz existierte, sich auf die theoretische Arbeit zu beschränken und die Arbeit gegenüber den Arbeitermassen des Landes bei Seite zu lassen, was zu den Kommentaren von Engels geführt hatte. Es ist auch wahr, dass die von Immigranten angeführte revolutionäre Bewegung sich den englischsprachigen Arbeitern in Amerika gegenüber öffnen musste. Doch der Aufruf zur Amerikanisierung der Bewegung, der in diesen Zeilen impliziert wird, konnte sehr negative Konsequenzen für die Arbeiterbewegung mit sich bringen. Er drängte die politisch und theoretisch erfahrensten Arbeiter in zweitrangige Rollen und legte die Führung in die Hände von Militanten, die über wenig Erfahrung verfügten und deren einzige Qualitäten die Beherrschung der englischen Sprache und ihr Status als im Land Geborene waren. Nach der Russischen Revolution 1917 wurde dieselbe Politik von der Kommunistischen Internationale angewendet mit noch negativeren Folgen für die junge Kommunistische Partei in den USA. Der Druck Moskaus, in Amerika geborene Mitglieder in wichtige Positionen zu setzen, brachte Opportunisten und Karrieristen wie William Z. Foster an die Führung, bugsierte Revolutionäre, die aus Osteuropa kamen und linkskommunistische Ansichten vertraten, ins Abseits und beschleunigte den Triumpf des Stalinismus in der amerikanischen Kommunistischen Partei.

Eine andere Bemerkung von Engels ist gleichfalls problematisch: „Was Euer großes Hindernis in Amerika ist, scheint mir, besteht in der Ausnahmestellung der eingeborenen Arbeiter (…). Jetzt hat sich eine solche Klasse entwickelt und hat sich auch großenteils trades-unionistisch organisiert. Aber sie nimmt immer noch eine aristokratische Stellung ein und überlässt, was sie auch kann, die ordinären, schlecht bezahlten Beschäftigungen den Eingewanderten, von denen nur ein geringer Teil in die aristokratischen Trades eintritt.“[12] Obschon diese Beschreibung richtig feststellt, wie im Land geborene und eingewanderte Arbeiter aufgespalten waren, impliziert sie falsch, dass es die im Land geborenen Arbeiter sind und nicht die herrschende Klasse, die verantwortlich ist für die Gräben zwischen den verschiedenen Teilen der Arbeiterklasse. Diese Zeilen beschrieben die Aufspaltung innerhalb der weißen eingewanderten Arbeiterklasse, die Linken aber interpretierten es in den 1960er Jahren als Basis für ihre „Theorie der privilegierten Weißen“[13].

Die Geschichte des Klassenkampfes in den USA widerlegte Engels Sichtweise, nach der die „Amerikanisierung“ der immigrierten Arbeiter eine Vorbedingung für die Bildung einer starken sozialistischen Bewegung in den USA sei. Klassensolidarität und Einheit über ethnische sprachliche Grenzen hinweg war ein Charakteristikum der Arbeiterbewegung zur Zeit der Wende ins 20. Jahrhundert. Die sozialistischen Parteien in den USA hatten fremdsprachige Presse und publizierten Dutzende von Tages- und Wochenzeitungen in verschiedenen Sprachen. 1912 druckte die Socialist Party in den USA 5 englische und 8 fremdsprachige Tageszeitungen, 262 englische 36 fremdsprachige Wochenzeitungen, 10 englische und 2 fremdsprachige Monatsblätter, und dies ohne die Zeitschriften der Socialist Party selber. Die Socialist Party hatte 31 fremdsprachige Sektionen: armenisch, böhmisch, bulgarisch, kroatisch, tschechisch, dänisch, estnisch, finnisch, französisch, deutsch, griechisch, spanischsprachig, ungarisch, irisch, italienisch, japanisch, jüdisch, lettisch, litauisch, norwegisch, polnisch, rumänisch, russisch, skandinavisch, serbisch, slowakisch, slowenisch, südslawisch, spanisch, schwedisch, ukrainisch, jugoslawisch. Diese Sektionen bildeten die Mehrheit der Organisation. Die Mehrheit der Mitglieder der Communist Party und der Communist Labor Party, die 1919 gegründet wurden, waren Immigranten. Ebenfalls war das Anwachsen der Industrial Workers oft the World IWW in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg hauptsächlich durch einen Zulauf von Immigranten entstanden. Selbst die IWW im Westen der USA, die zum Großteil im Lande geborene Mitglieder hatte, zählte Tausende von Slawen, Mexikanern und Skandinaviern in ihren Reihen.

Der berühmteste Kampf der IWW, der Streik der Textilarbeiter in Lawrence 1912, war Symbol für die Solidarität zwischen immigrierten und im Land geborenen Arbeitern. Lawrence war eine Stadt in Massachusetts mit großen Getreidemühlen, in denen die Arbeiter unter schlechtesten Bedingungen arbeiteten. Die Hälfte der Arbeiter waren Mädchen zwischen 14 und 18 Jahren. Die Facharbeiter waren meist englischsprachig aus England und Irland oder deutschstämmig. Die ungelernten Arbeiter waren Französisch-Kanadier, Italiener, Slawen, Ungaren, Portugiesen, Syrer und Polen. Lohnkürzungen in einem Betrieb entfachten einen Streik von polnischen Arbeiterinnen, der sich schnell auf 20`000 Beschäftigte ausweitete. Ein Streikkomitee unter der Leitung der IWW umfasste zwei Vertreter jeder ethnischen Gruppe und verlangte eine Lohnerhöhung von 15% und keine Repressalien gegen die Streikenden. Die Streikversammlungen wurden in 25 Sprachen übersetzt. Als der Staat mit gewalttätiger Repression antwortete, startete das Streikkomitee eine Kampagne bei der mehrere Hundert Kinder von streikenden Arbeitern nach New York City geschickt wurden, wo sie bei Unterstützern des Streiks Unterschlupf fanden. Als ein zweiter Zug mit 100 Kindern nach New Jersey zu Unterstützern des Streiks abfahren wollten, griff die Polizei die Kinder und ihre Mütter an, schlug und verhaftete sie unter den Augen der Presse. Dies löste eine nationale Welle der Solidarität aus. Eine ähnliche Vorgehensweise, das Unterbringen von Kindern streikender Arbeitsimmigranten bei „Streikmüttern“ in anderen Städten, wurde von den IWW 1913 in Paterson, New Jersey, angewendet und war Ausdruck der Klassensolidarität über ethnische Grenzen hinweg.

Als der Erste Weltkrieg ausbrach, war in den USA die Rolle von Immigranten und Eingewanderten aus dem linken Flügel der sozialistischen Bewegung andere Länder besonders bedeutsam. Trotzki zum Beispiel nahm am 14. Januar 1917, am Tag, nachdem er in New York angekommen war, an einer Versammlung in Brooklyn im Hause von Ludwig Lore, einem Immigranten aus Deutschland, teil, um gemeinsam einen „Aktionsplan“ für die linken Kräfte innerhalb der sozialistischen Bewegung der USA zu entwerfen. Auch Bucharin war anwesend, der bereits in den USA lebte und als Redaktor der Zeitschrift Novy Mir, des Organs der Russischen Sozialistischen Föderation, tätig war; ebenfalls S. J. Rutgers, ein holländischer Revolutionär und Weggefährte von Pannekoek; aber auch Sen Katayama, ein Immigrant aus Japan. Laut Augenzeugenberichten war die Diskussion von den Russen geprägt: Bucharin rief dazu auf, die Linke solle sich sofort von der Socialist Party trennen, und Trotzki vertrat den Standpunkt, die Linke solle noch innerhalb der Partei bleiben, jedoch ihre Kritiken in einer unabhängigen zweimonatlichen Zeitschrift verteidigen – was dann auch von der Versammlung angenommen wurde. Wäre Trotzki nicht nach der Februar-Revolution 1917 nach Russland zurückgekehrt, so hätte er vermutlich den linken Flügel der Arbeiterbewegung in den USA stark geprägt.[14] Die Existenz verschiedenster Sprachen war kein Hindernis für die Bewegung, im Gegenteil war sie ein Zeichen ihrer Stärke. An einer Massendemonstration 1917, begrüßte Trotzki die Leute auf Russisch und in anderen Sprachen wie Deutsch, Finnisch, Englisch, Lettisch, Jüdisch und Litauisch.[15]

Die bürgerliche Theoretisierung der immigrantenfeindlichen Ideologie

Bürgerliche Ideologen behaupten immer wieder, der Charakter der Massenimmigration nach Europa und in die USA sei heute komplett anders als in vergangenen Zeiten. Dahinter steht die Idee, die heutigen Immigranten würden die Gesellschaften, in die sie strömen, schwächen oder sogar zerstören, sich nicht in die neuen Gesellschaften integrieren wollen und deren politische und kulturelle Institutionen ablehnen. In Europa behauptet das Buch von Walter Laqueur Die letzten Tage von Europa: Ein Kontinent verändert sein Gesicht, die muslimische Immigration sei verantwortlich für den Niedergang Europas. Die zentrale These des bürgerlichen politischen Wissenschaftlers Samuel P. Huntington an der Harvard Universität in seinem Buch Who Are We? Die Krise der amerikanischen Identität von 2004 lautet, dass lateinamerikanische und speziell mexikanische Immigranten, die in den letzten 30 Jahren in den USA eingetroffen sind, viel weniger gewillt seien, Englisch zu sprechen, als vorhergehende Generationen von Immigranten, die aus Europa kamen. Dies angeblich, weil sie alle eine gemeinsame Sprachen sprechen würden, in den Spanisch sprechenden Quartieren konzentriert und weniger an sprachlicher und kultureller Integration interessiert seien und von Aktivisten, welche die nationale Identität der Immigranten bewahren möchten, aufgefordert würden, nicht Englisch zu lernen. Huntington behauptet weiter, die „Zweiteilung“ der amerikanischen Gesellschaft entlang der Schwarz-Weiß-Linie, die über Jahrzehnte existierte, drohe nun von einer gesellschaftlichen Zweiteilung zwischen Spanisch sprechenden Immigranten und einheimischen Englischsprachigen abgelöst zu werden, was die nationale Identität der USA aus dem Gleichgewicht bringe.

Beide, Laqueur und Huntington, haben einschlägige Karrieren als bürgerliche Ideologen des Kalten Krieges hinter sich. Laqueur ist ein konservativer jüdischer Gelehrter, hat den Holocaust überlebt, ist klar pro-israelisch, anti-arabisch und ein führender Kopf des sich in Washington befindenden Center for Strategic and International Studies (CSIS), eines Instruments des Kalten Krieges, das seit 1962 eng mit dem Pentagon verknüpft ist. Bushs früherer Verteidigungsminister Rumsfeld stand mit dem CSIS in regelmäßigem Austausch. Huntington ist Professor der Politwissenschaften in Harvard, fungierte während des Vietnamkrieges als Berater von US-Präsident Lyndon Johnson und vertrat 1968 die Strategie der flächendeckenden Bombardierungen der vietnamesischen Agrargebiete mit dem Ziel, die Unterstützung des Vietkong durch die Bauern zu unterbinden und diese in die Städte zu treiben. Er arbeitete später, in den 1970er Jahren, in der Trilateralen Kommission, die den Governability of Democracies Report von 1976 verfasste und in den späten 1970er Jahren als politischer Koordinator für den National Security Council diente. 1993 schrieb er einen Artikel in der Zeitschrift Foreign Affairs der 1996 zu einem Buch mit dem Titel Clash of Civilizations erweitert wurde, in dem er die These entwickelte, dass nach dem Kollaps der UdSSR die Kultur und nicht mehr die Ideologie die dominierende Basis für die Konflikte auf der Welt sei. Er behauptete, ein dauernder Konflikt der Zivilisationen des Islams und des Westens steige nun zum zentralen internationalen Konflikt der Zukunft auf. Zwar wurde Huntingtons immigrantenfeindliches Pamphlet von vielen akademischen Experten für Bevölkerungsstudien und Immigrations- und Assimilierungsangelegenheiten zurückgewiesen, doch fanden seine Ansichten weite Verbreitung durch die Medien und „Politikexperten“ in Washington.

Huntingtons Entrüstung über den fehlenden Willen der fremdsprachigen Immigranten, Englisch zu lernen und sich zu integrieren, womit sie zur kulturellen „Verunreinigung“ beitrügen, sind ein Standard in der Geschichte der USA. Im späten 18. Jahrhundert äußerte Benjamin Franklin die Angst, Pennsylvania würde von einem „Schwarm“ deutscher Immigranten überwältigt. „Weshalb soll Pennsylvania, das von Engländern gegründet wurde, einen Kolonie von Ausländern werden, die in Kürze so zahlreich sein werden, dass sie uns germanisieren, statt dass wir sie anglifizieren?“, meinte Franklin. 1896 warnte der Präsident des Massachusetts Institute of Technology (MIT) Francis Walker, ein einflussreicher Ökonom, vor der Entwertung der amerikanischen Staatsbürgerschaft durch den „ungebändigten Zustrom riesiger Scharen unwissender und stumpfer Bauern aus den Ländern Ost- und Südeuropas“. Der amerikanische Präsident Theodore Roosevelt war dermaßen verärgert über den Zustrom nicht Englisch sprechender Immigranten, dass er vorschlug, dass „jeder Immigrant, der hierher kommt, innert 5 Jahre Englisch lernen oder das Land wieder verlassen muss“. Der Historiker Arthur Schlesinger Sr. in Harvard beschwerte sich in ähnlicher Manier über die soziale, kulturelle und intellektuelle „Minderwertigkeit“ der Immigranten aus Süd- und Osteuropa. All diese Befürchtungen und Klagen vergangener Zeiten sind bemerkenswert gleich wie die Beschreibung Huntingtons über die heutige Lage.

Der Gang der Geschichte hat diese fremdenfeindlichen Ängste nie bestätigt. Während es bei den Immigranten in die USA immer ein Segment gab, welches das Erlernen der englischen Sprache offensiv suchte, sich schnell integrierte und auch ökonomisch erfolgreich war, erfolgte die Assimilierung eher allmählich – typischerweise über drei Generationen hinweg. Erwachsene Immigranten behielten in der Regel ihre Muttersprache und kulturellen Traditionen auch in den USA. Sie lebten in ethnischen Nachbarschaften, redeten in ihren Sprachen innerhalb der Gemeinschaften, in den Läden, an religiösen Treffen, usw. Sie lasen Zeitungen und Bücher ihrer Muttersprache. Ihre Kinder, die als Jugendliche einwanderten oder in den USA geboren wurden, tendierten zur Zweisprachigkeit. Sie lernten Englisch in der Schule und waren im 20. Jahrhundert von der englischsprachigen Massenkultur umgeben, sprachen aber auch die ursprüngliche Sprache des Elternhauses und tendierten zu Heiraten innerhalb der nationalen ethischen Gruppen. Die dritte Generation, die Enkelkinder der Immigranten, verloren meist die Fähigkeit, die ursprüngliche Sprache zu sprechen und wurden einsprachig englischsprechend. Ihre kulturelle Assimilierung war geprägt von einem Trend zu Eheschließungen mit Partnern außerhalb der ursprünglichen ethnischen Gemeinschaft. Trotz der großen Immigration aus Lateinamerika in den letzten Jahren scheinen laut Untersuchungen des Pew Hispanic Center und Soziologen der Princeton Universität die beschriebenen Tendenzen in der Assimilierung in den USA weiterhin zu bestehen.[16]

Wie auch immer, auch wenn die heutige Welle der Immigration qualitativ verschieden ist im Vergleich mit früheren - was soll`s? Wenn die Arbeiterklasse kein Vaterland hat, sollen wir dann in Sorge sein, ob die Assimilierung stattfindet oder nicht? Engels sah die Amerikanisierung in den 1880er Jahren nicht als „Ziel an sich“, nicht als irgendein zeitloses Prinzip der Arbeiterbewegung, sondern als eine Basis zu Bildung der Einheit der Arbeiterklasse. Doch wie wir gesehen haben, wurde die Losung der „Amerikanisierung“ als notwendige Vorbedingung zur Schaffung der Einheit der Arbeiterklasse durch die Realität der Bewegung in den frühen 1920er Jahren klar widerlegt. Die Erfahrung zeigte auf, wie die Arbeiterklasse die Unterschiede überwinden kann und der internationale Charakter des Proletariates es ermöglicht, eine geeinte Bewegung gegen die herrschende Klasse zu bilden.

Während die fremdenfeindlichen Ausschreitungen 2008 in den Slums von Südafrika ein Alarmzeichen dafür waren, wie die ideologischen Kampagnen der herrschenden Klasse gegen Einwanderer direkt zur Barbarei im gesellschaftlichen Leben führen, sticht ins Auge, dass die kapitalistische Propaganda die existierenden fremdenfeindlichen Gefühle innerhalb der Arbeiterklasse der Metropolen meist überzeichnet darstellt. In den USA zum Beispiel ist – trotz den großen Anstrengungen der bürgerlichen Medien und der Propaganda der Rechten um die Thematik Sprache und Kultur innerhalb der Bevölkerung, eingeschlossen die Arbeiterklasse, einen Hass gegen Immigranten zu schüren – die vorherrschende Meinung, Immigranten seien genauso Arbeitskräfte, die versuchen, ihren Familien Unterstützung zu bieten, dass sie Leute seien, die Arbeiten übernehmen müssten, die für „Einheimische“ zu schmutzig und schlecht bezahlt seien, und es absurd wäre, sie rauszuwerfen[17]. Im Klassenkampf selber gibt es deutliche Zeichen von Solidarität zwischen eingewanderten und „einheimischen“ Arbeitern, welche an die internationalistische Einheit in Lawrence 1912 erinnern. Es gab 2008 mehrere Beispiele, wie die großen Proteste in Griechenland, bei denen sich Immigranten an den Kämpfen beteiligten, oder in Großbritannien beim Streik in der Ölraffinerie Lindsey im Winter 2009, bei dem Immigranten offen ihre Solidarität kundtaten, oder in den USA bei der Besetzung der Fenster- und Türenfabrik Republic durch Spanisch sprechende eingewanderte Arbeiter, als „einheimische“ Arbeiter auf das Gelände kamen, um Essen zu bringen und ihre Unterstützung auszudrücken.            

Die Haltung der Revolutionäre zur Frage der Immigration

Gemäß Berichten in den Medien glauben 80% der Menschen in Großbritannien, das Land leide wegen der Immigration unter einer Bevölkerungskrise; mehr als 50% befürchten dadurch eine Gefährdung der britischen Kultur; 60% glauben, das Leben in Großbritannien sei wegen der Immigration gefährlicher geworden; 85% wollen die Immigration beschränken oder stoppen.[18] Die Tatsache, dass es in den Reihen der Arbeiterklasse eine gewisse Empfänglichkeit gibt gegenüber den irrationalen, rassistischen Ängsten und der fremdenfeindlichen Propaganda der herrschenden Klasse, überrascht nicht, denn die Ideologie der herrschenden Klasse in einer Klassengesellschaft wird immer einen immensen Einfluss auf die Arbeiterklasse ausüben. Dies ändert sich erst wirklich in einer offen revolutionären Situation. Wie stark auch immer der Erfolg der zerstörerischen bürgerlichen Ideologie innerhalb der Arbeiterklasse ist, für die revolutionäre Bewegung bleibt das Prinzip der weltweiten Arbeiterklasse als Einheit, als Klasse ohne Vaterland, Grundstein für die internationale proletarische Solidarität und für ihr Klassenbewusstsein. Alles, was die Einheit der Arbeiterklasse untergräbt, verunmöglicht oder sabotiert, steht im Widerspruch zur internationalistischen Natur des Proletariats als Klasse und ist Ausdruck der bürgerlichen Ideologie, die wir als Revolutionäre bekämpfen. Es ist unsere Verantwortung, die historische Tatsache, dass die Arbeiterklasse kein Vaterland hat, zu verteidigen.

Die Beschuldigungen der bürgerlichen Ideologie gegen die Immigranten basieren mehr auf Mythen als auf der Realität. Immigranten sind vielmehr selber Opfer von Kriminellen als selber kriminell. Meist sind Immigranten ehrliche Arbeiter, die hart zu schuften haben und lange und mühsam arbeiten, um nicht nur sich selber zu ernähren, sondern um ihren Familien Geld nach Hause zu senden. Sie werden oft von skrupellosen Unternehmen unter die Mindestlöhne gedrückt und erhalten keinen Lohn für Überzeitarbeit. Skrupellose Hausbesitzer pressen ihnen oft hohe Mieten für Slum-Wohnungen ab, alle Arten von Halunken und Gauner versuchen sie auszubeuten – im Wissen, dass Immigranten Angst vor den Behörden haben und sich so in die Opferrolle drängen lassen. Statistiken zeigen, dass die Kriminalität in Immigrantenfamilien in der zweiten und dritten Generation ansteigt. Nicht wegen ihrem Status als Immigranten, sondern wegen der zunehmenden zermürbenden Armut, Diskriminierung und Chancenlosigkeit als arme Leute.[19]

Es ist wichtig, den Unterschied zu sehen, der heute zwischen den Positionen der Kommunistischen Linken und allen Varianten von Predigern antirassistischer Ideologien besteht (auch denen, die behaupten, Revolutionäre zu sein). Trotz der Denunzierung des rassistischen Charakters der Anti-Immigranten-Ideologie befinden sich die Aktionen Letzterer auf derselben Ebene. Sie heben nicht die grundlegende Einheit der Arbeiterklasse hervor, sondern verschärfen nur deren Aufspaltung. In aufgewärmten Versionen der alten Theorie des „Privilegs der weißen Haut“ beschuldigen sie vor allem Arbeiter, die gegenüber Immigranten misstrauisch sind, und nicht den Kapitalismus für seinen Rassismus gegen Einwanderer. Sie glorifizieren oft auch eingewanderte Arbeiter als Helden, die ehrlicher seien als die im Land geborenen. Die „Anti-Rassisten“ stellen Immigranten gegen Nicht-Immigranten, statt die Einheit der Arbeiterklasse hervorzuheben. Die Ideologie des Multikulti, die sie propagieren, versucht, die Arbeiter vom Klassenbewusstsein abzulenken, hin zu einer „Politik der Identität“ bei der die ethnische, sprachliche und nationale „Identität“ die Triebkraft ist, und nicht die Zugehörigkeit zur selben sozialen Klasse. Diese vergiftende Ideologie besagt, dass mexikanische Arbeiter-Immigranten mehr Gemeinsamkeiten mit Elementen der mexikanischen herrschenden Klasse hätten als andere Arbeiter. Angesichts ihrer Unzufriedenheit über die Diskriminierung bindet dieser „Anti-Rassismus“ die Immigranten an den Staat. Die angebotenen Lösungen für die Probleme der Immigranten führen auf die Ebene der bürgerlichen Legalität, indem Arbeiter für die kapitalistischen Gewerkschaften oder zu einem Engagement für die Reform der Immigrantengesetze aufgefordert werden und der Einstieg von Immigranten in die parlamentarische Politik oder die Anerkennung der gesetzlichen „Rechte“ propagiert wird. Also genau das Gegenteil des gemeinsamen Kampfes der Arbeiterklasse.

Die Entlarvung der Fremdenfeindlichkeit und des Rassismus gegen eingewanderte Arbeiter von Seiten der Kommunistischen Linken unterscheidet sich klar von den anti-rassistischen Ideologien. Unsere Haltung steht in einer direkten Kontinuität mit den Ansichten der revolutionären Bewegung seit dem Bund der Kommunisten, dem Kommunistischen Manifest, der 1. Internationale, den linken Fraktionen innerhalb der 2. Internationale, den International Workers of the World (IWW) und den Kommunistischen Parteien in ihrer Gründungsphase. Unsere Arbeit hat die grundlegende Einheit der Arbeiterklasse zum Ziel, entblößt die Bemühungen der herrschenden Klasse, die Arbeiter gegeneinander auszuspielen, stemmt sich gegen den bürgerlichen Legalismus, gegen die Politik der „Identität“ und gegen den Interklassismus. Die IKS zeigte ihre internationalistische Haltung in den USA, als sie die bürgerlichen Manipulationen rund um die Demonstrationen von 2006 (für die Legalisierung der Immigranten) bloßstellte, die zu einem großen Teil von Spanisch sprechenden Immigranten organisiert worden waren. Wir schrieben in unserer Zeitung INTERNATIONALISM Nr. 139, dass diese Demonstrationen „zu weiten Teilen eine bürgerliche Manipulation sind“, sich „komplett auf dem Terrain der herrschenden Klasse befinden, die diese Demonstrationen provozierte, manipulierte, kontrollierte und offen anführte“, und dass sie vom Nationalismus infiziert waren, „sei es vom Latino-Nationalismus, der die Anfangsphase der Demonstrationen beherrschte, oder vom kranken Bekenntnis zum Amerikanismus, das später auftauchte“ und „als Kurzschluss-Gedanke dazu diente, zu verhindern, dass Immigranten und in Amerika Geborene ihre grundlegende Einheit erkennen“.

Wie auch immer, wir müssen für die internationale Einheit der Arbeiterklasse einstehen. Als proletarische Internationalisten bekämpfen wir bürgerliche Ideologien, die von „kultureller“ oder „sprachlicher Verunreinigung“, „nationaler Identität“, „Vorsicht vor Ausländern“ oder „Verteidigung der Gemeinschaft oder Nachbarschaft“ sprechen. Unsere Intervention muss folgende historische Errungenschaften der Arbeiterklasse verteidigen: dass die Arbeiter kein Vaterland haben; dass die Verteidigung nationaler Kultur, Sprache oder Identität keine Aufgabe und kein Anliegen des Proletariats ist; dass wir die Bestrebungen derer bekämpfen, die versuchen, die bürgerlichen Konzepte des Hervorhebens der Verschiedenheiten innerhalb der Arbeiterklasse zur Schwächung der Einheit des Proletariats zu nutzen. Welchen Einfluss fremde Klassenideologien in der Geschichte auch hatten, der rote Faden der revolutionären Arbeiterbewegung ist und bleibt die internationale Klassensolidarität und Einheit. Das Proletariat existiert in vielen Ländern und spricht viele Sprachen, doch es ist eine weltweite Klasse mit der historischen Aufgabe, das System der kapitalistischen Ausbeutung und Unterdrückung zu überwinden. Wir fassen die sprachliche, kulturelle und ethnische Verschiedenheit unserer Klasse als eine Stärke und nicht als eine Schwäche auf. Wir stellen die Einheit der Arbeiterklasse vor alles andere und die internationale Solidarität gegen die Bemühungen, uns zu spalten. Wir müssen das Prinzip, nach dem die Arbeiterklasse kein Vaterland hat, in eine lebendige Realität verwandeln, welche in sich die Möglichkeit trägt, in einer kommunistischen Gesellschaft eine wirklich menschliche Gemeinschaft entstehen zu lassen. Alles andere ist eine Abkehr vom revolutionären Prinzip.

Jerry Grevin, Winter 2009

 

[1] Muenz Rainer: Europe: Population and Migration in 2005, von www.migrationpolicy.org/programs/migration-information-source im September 2009

[2] Lenin, Die Entwicklung des Kapitalismus in Russland, Kapitel 8, Abschnitt VI, Werke Bd. 3, Seite 620

[3] Engels an Hermann Schlüter in New York (30. März 1892), MEW, Bd.38, Seite 314

[4] Franz Mehring, Karl Marx, Geschichte seines Lebens, Gesammelte Schriften, Dietz Verlag 1976, Bd.3, Kapitel 5, Abschnitt 6: Der Bund der Kommunisten, Seite 148

[5] Mehring, a.a.O., Abschnitt 7: Propaganda in Brüssel, Seite 150

[6] Stekloff, G.M., History of the First International, England, 1928, Kapitel 7

[7] Mehring, a.a.O., Kapitel 13, Abschnitt 2: Die Schweiz und Deutschland, Seite 398

[8] Mehring, a.a.O., Kapitel 14, Abschnitt 4: Die Internationale und die Kommune, Seite 465

[9] Lenin, Der internationale Sozialistenkongress in Stuttgart, in PROLETARI Nr. 17, 20.10.1907, Lenin Werke, Bd. 13, S. 71. (Wir lassen in diesem Artikel die Debatte und fragwürdige Haltung über die “Arbeiteraristokratie”, die Lenin aufwarf, beiseite.)

[10] Lenin, „An den Sekretär der Socialist Propaganda League”, Ende Oktober/Anfang November 1915, Lenin Werke, Bd. 21, S. 435   

[11] Zitiert und von uns übersetzt aus: Draper's, Roots of American Communism

[12] Engels an Hermann Schlüter in New York, MEW, Bd. 38, S.313

[13] Die „Theorie der privilegierten Weißen“ war ein ideologisches Gebräu der neuen Linken in den 1960er Jahren, die behauptete, es bestehe ein angeblicher Deal zwischen den Herrschenden und der weißen Arbeiterklasse, was den weißen Arbeitern einen höheren Lebensstandard ermögliche, dies auf Kosten der schwarzen Arbeiter, die unter Rassismus und Diskriminierung litten.

[14] Draper Theodore, The Roots of American Communism, Seiten 80-83

[15] ebenda S. 79

[16] Siehe: 2003/2004 Pew Hispanic Center/the Kaiser Family Foundation Survey of Latinos: Education; und Rambaut, Reuben G., Massey, Douglas, S. und Bean, Frank. D.: Linguistic Life Expectancies: Immigrant Language Retention in Southern California. Population and Development, 32 (3): 47-460, September 2006.

[17] "Problems and Priorities," von PollingReport.com am 11. Juni 2008

[18] Sunday Express, 6. April 2008

[19] States News Service, Immigration Fact Check: Responding to Key Myths, 22. Juni 2007