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Januar 2012

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Der Gott des Gemetzels – eine Filmkritik: Menschliche Abgründe als Spiegelbild der kapitalistischen Verhältnisse

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„Die Schicht der Zivilisation ist dünn wie eine Haut.“ (Sigmund Freud)

Es beginnt mit einer gewöhnlichen Szene – kommentarlos betrachtet der Zuschauer Jugendliche in einem Park. Die Szene endet, als ein Jugendlicher einen anderen mit einem Stock schlägt und verletzt. Von nun an spielt der Film „Der Gott des Gemetzels“ (2011) von Roman Polanski gemäß des klassischen griechischen Theaters an einem Ort, in einer Zeit und dreht sich umeine Handlung. Dies verstärkt den Eindruck, dass der Zuschauer einen typischen, alltäglichen Ausschnitt aus dem „echten“ Leben präsentiert bekommt. Nancy und Alan Cowan (Kate Winslet und Christoph Waltz), die Eltern des „Täters“, sind zu Gast bei Penelope und Michael Longstreet (Jodie Foster, John C. Reilly), den Eltern des „Opfers“.

Von der Fassade des homo sapiens et pacalis…*

Man hat sich versammelt, um – wie Penelope es mehrmals betont – gewaltlos, zivilisiert und vernünftig wie Erwachsene den Vorfall zu klären. Der Umgang miteinander ist zwar höflich, es werden mehrmals die entsprechenden Entschuldigungen und Äußerungen des Bedauerns ausgetauscht, aber die Atmosphäre ist verkrampft und angespannt. Klar ist: diese Paare sind nicht auf einer Wellenlänge, würden freiwillig nie etwas miteinander zu tun haben. Man ist sich fremd. Die Cowans wollen so rasch wie möglich aufbrechen, aber erste aufbrechende Spannungen führen sie wieder zurück in die Wohnung der Longstreets. Letztere sehen sich als die typischen Gutmenschen. Sie glauben daran, dass der moderne Mensch der höchste Ausdruck der Zivilisation sei. Sie selbst an der Spitze. Man ist ein bisschen öko, ist besorgt um die Verletzung der Menschenrechte und die Gewalt auf der Welt, die man „daheim“ in der „zivilisierten 1.Welt“ bereits hinter sich gelassen habe. Auch die Cowans sind anfangs darum bemüht, Anstand, Verständnis und Bedauern zu zeigen, schließlich ist dieser gewalttätige Ausrutscher ihrem Sohn passiert. Außerdem wollen sie dieser  unangenehmen Lage so rasch wie möglich entkommen.

…zum Fallenlassen der Masken

Die mit Mühe und Not gespielte Vernunft und Einsicht der Ehepaare kippt nur allzu schnell. Auf herrliche und komische Weise geraten die Ehepaare aneinander. Ehe man sich versieht, geht man sich verbal an die Gurgel und lebt mit Freude seine Aggressionen nicht nur gegen das andere Ehepaar, sondern vor allem gegenüber dem eigenen Ehepartner aus. Schon bald kreisen die Dialoge nicht mehr um die Söhne und die Gewalttat. Die vier Erwachsenen halten sich gegenseitig schonungslos den Spiegel vor, reißen mit Lust die mühsam aufgebaute Fassade der Anderen ein. In diesem verbalen Gefecht werden mehrmals die Seiten gewechselt, Zweckbündnisse eingegangen, aber stets mit einem einzigen Ziel: die Zerstörung des Selbstbildes des Anderen. Die unterdrückte Unzufriedenheit mit sich, seinem Leben und dem Angekettet-Sein an seinem Ehepartner bricht heraus. Dieser Wandel wird von den Schauspielern vorzüglich dargestellt. Aus den gepflegten, gestylten und strengen Gesichtern werden verzerrte Monster: hysterisches Lachen, hervortretende Adern und rot angelaufene, vor Wut schäumende Gesichter. Alan bringt es auf dem Höhepunkt des Konflikts auf den Punkt: „Ich glaube an den Gott des Gemetzels“. Jetzt, wo dies offen ausgesprochen ist, werden auch die letzten Hemmnisse fallengelassen: Offen verabschiedet man sich von jeglicher Moral und Ethik. Jeder kann und soll nur sich vertrauen. So unvermittelt der Zuschauer in diese Situation hineingestoßen wurde, so unvermittelt wird der Zuschauer wieder ausgeschlossen. Am Ende sitzen die vier ach so zivilisierten Erwachsenen um den Wohnzimmertisch, stumm und erschöpft vor den Trümmern ihres Lebens. Die Katharsis (Reinigung/Klärung) des klassischen Theaters bleibt uns verwehrt. Ohne weitere Erläuterung sieht man im Epilog erneut den Park mit den Jugendlichen. Man sieht die beiden Söhne, wie sie miteinander sprechen und sich wieder gut verstehen.

Der Film ist großes Kino, genauer gesagt großes Theater, da der Film auf Yasmina Rizas erfolgreichem Theaterstück „Le dieu du carnage“ basiert. DER TAGESSPIEGEL sieht neben dem Film „Der Gott des Gemetzels“ eine allgemeinere Tendenz zu solchen Themen: „2011 ist das Jahr, in dem die Kunst und das Kino, die Literatur und das Theater die Räume eng machten. Eine Saison voller Kammerspiele und Nabelschauen. Die Welt steckt derart in der Krise, dass einem bang werden kann. Da bleibt man zu Hause, kapselt sich ab, duckt sich weg.“ (Tagesspiegel, 1.1.2012)

Vom Konkreten…

„Der Gott des Gemetzels“ liefert uns mittels Introspektion in der Tat einen Mikrokosmos unserer heutigen kapitalistischen Welt und offenbart uns so einige fundamentale Widersprüche dieses Systems. So urteilt der TAGESSPIEGEL: „Es ist was faul im Staate, und die schönen Künste gehen zurück zu den Wurzeln, leisten weniger politisch-strukturelle als psychologische Ursachenforschung.“ (ebd.) Denn wer ist der Gott des Gemetzels, dem anfangs nur Alan, schließlich aber alle im Film folgen? Der Gott ist das Geld, der Profit, dem im Kapitalismus alles andere untergeordnet wird. Menschlichkeit und Gerechtigkeit wird nur da gewährt, wo man es sich leisten kann. Sie sind aber nicht fundamentale Prinzipien des Kapitalismus, sondern nur schmückendes (und ersetzbares) ideologisches Beiwerk. Die heutige Produktionsweise ist nicht den menschlichen Bedürfnissen, sondern allein dem Profit untergeordnet. Dies wird exemplarisch an Alan deutlich. Er führt bei den Longstreets alle fünf Minuten Telefonate mit seinem Büro. Er ist Anwalt für eine Arzneifirma. Es sind Gerüchte im Umlauf, dass ein Medikament gesundheitsgefährdend ist. Er erfährt indessen, dass der Firma die erheblichen Nebenwirkungen des Medikaments seit zwei Jahren bekannt waren, es aber weiter verkauft hat. Dann ist seine Strategie für die Firma klar und er schreit ins Handy: Leugnen, leugnen. Das Überleben des Produktes muss in jedem Fall gewährleistet werden. Daran hängt das Überleben der Firma und letztlich auch sein Arbeitsplatz; auch wenn die Gesundheit unzähliger Menschen wissentlich zerstört wird. So herrscht das Tote über das Lebendige. Pikant wird die Situation, als sich herausstellt, dass die Mutter von Michael eben dieses Medikament einnimmt. Nun bekommen die abstrakt wahrgenommenen und dem Profit geopferten Menschen ein konkretes Antlitz. Alan sieht sich gezwungen, Michaels Mutter zu empfehlen zumindest vorübergehend das „völlig unbedenkliche“ Medikament abzusetzen. Welch eine Doppelmoral! Einerseits predigen uns die Herrschenden, wir lebten in einer Gesellschaft der Gerechtigkeit, Freiheit und Brüderlichkeit, geleitet vom obersten Prinzip – dem Gott der Vernunft. Tatsächlich aber ist der Kapitalismus ein unmenschliches und brutales, weil unpersönliches Ausbeutungsverhältnis. Der Profit geht über alles. Ist die Gesellschaft therapierbar bzw. revolutionierbar? In dem Mikrokosmos, den Polanski uns vorführt, bleibt die Frage offen. Auf der Ebene der gesamten Gesellschaft, sprich: des Makrokosmos‘, sagen die Marxisten: Das Potenzial ist da.

…zum Allgemeinen

Einst äußerte Karl Marx die These, dass die Philosophen die Welt nur verschieden interpretiert haben; es komme aber drauf an, sie zu verändern. Der Marxismus ist eine wissenschaftliche Methode, mittels derer man die Welt besser verstehen kann. In der Wissenschaft sucht man nach allgemeinen Tendenzen und Prinzipien, nach einer abstrakten Einheit der Welt. Mit der Kunst ist es nun gerade andersherum. Sie betrachtet das Spezielle, ist subjektiv und erhebt keinen Anspruch auf allgemeine Gültigkeit, und doch ist die Kunst ein zentraler Bestandteil des menschlichen Seins, denn, wie Rosa Luxemburg es beschrieb, ist neben der Sprache die Kunst ein Eckpfeiler menschlicher Existenz, ist „…nichts anderes als Verkehrsmittel, Verständigungsmittel zwischen den Mitgliedern derselben menschlichen Gesellschaft.” (Rosa Luxemburg: Die Menge tut es). Auch Engels erkannte die Bedeutung der Kunst, als er 1888 an Harkness schrieb, dass er durch die Romane Balzacs das Wesen der bürgerlichen Gesellschaft weitaus besser verstanden habe als durch die anerkannten Historiker oder Ökonomen seiner Zeit. Somit ergänzt die Kunst die Wissenschaft im menschlichen Anliegen des Begreifens.

In diesem Sinne ist der Film „Der Gott des Gemetzels“ von Roman Polanski gleich mehrfach sehr sehenswert: Der Film ist sehr unterhaltsam, weil wir uns in ihm wiederfinden, denn wir begreifen, dass wir alle unvollkommen sind, sowohl fähig zur Liebe als auch zur Aggression. Der Film ist komisch, denn wir lachen nicht nur über die Longstreets und Cowans, sondern auch über uns selbst. Zudem ist der Film lehrreich, denn er hält uns den Spiegel vor und zeigt uns, wie dünn einerseits die Schicht unserer Zivilisation ist, andererseits aber auch, wie notwendig echte Menschlichkeit und Solidarität sind, wenn wir nicht dem Gott des Gemetzels, sprich: dem Kapitalismus zum Opfer fallen möchten.

Lee 1.1.2012

* vernünftiger und friedlicher Mensch

Aktuelles und Laufendes: 

  • Der Gott des Gemetzels [1]
  • Filmkritik [2]

Leute: 

  • Roman Polanski [3]

Theoretische Fragen: 

  • Kultur [4]

Der Klassenkampf in Italien: Weshalb gelingt es in den Kämpfen nicht, sich gegen das Kapital zu vereinen?

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Die extreme Zuspitzung der Weltwirtschaftskrise, die besondere Zerbrechlichkeit Italiens und der Druck der internationalen Bourgeoisie haben über den Widerstand Berlusconis gesiegt: Er und seine Regierung wurden abgesetzt.

Dieser Übergang, der anfänglich in gewissen sozialen Schichten große Euphorie auslöste (z.B. die Feiern vor dem Parlament am Tage der Absetzung), hat aber jetzt schon gezeigt, dass jenseits des Komödianten Berlusconi, den niemand vermissen wird, alles beim Alten bleibt. Vom Gesichtspunkt der Lebensbedingungen bleibt nicht nur alles kalter Kaffee, vielmehr ist die Regierung Montis imstande, darüber hinaus zu gehen und die Renten, diese jahrelang erfolgreich verteidigte Sphäre, anzugreifen. Gerade weil Monti kein Vertreter irgendeiner Partei ist und weil er nicht vom "Volk" gewählt und dazu berufen wurde "Italien zu retten", kann er es sich leisten, diese sehr unpopulären Maßnahmen zu ergreifen, welche in Italien seit Wochen von statten gehen1 und (fast) keiner erhebt die Stimme.2 Man hat immer mehr den Eindruck, dass das alles nichts hilft. In den letzten Jahrzehnten, und ganz besonders in den letzten Jahren, zeigt sich, dass das kapitalistische System nicht mehr in der Lage ist, den jungen Generationen irgendeine Zukunft zu bieten. Deshalb ist es klar, dass es nicht mehr um eine einzelne Lohnerhöhung, einen Jahresvertrag, eine Arbeitslosenentschädigung geht, sondern dass man sich den Blickwinkel einer neuen  Gesellschaft aneignen muss und dies nur auf globaler und vereinter Grundlage zu erreichen ist.
Aber es ist schwierig, dieses Bewusstsein zu entwickeln. Es ist klar: das Proletariat muss noch sein Selbstbewusstsein wiederfinden, sich wieder als Klasse erkennen; es muss die eigene Geschichte an die Geschichte der vorangegangenen Generationen knüpfen.

Ein wichtiges Element, das als Bremse agiert, sind die Gewerkschaften und ihr Denken. Was bedeutet eigentlich "gewerkschaftlicher Kampf"? Es bedeutet vor allem, den eigenen Kampf an ein Team von Experten zu delegieren, welche sich der Aufgabe übernehmen, die Verhandlungen weiter zu führen. Wenn eine gewerkschaftliche Delegation mit den Arbeitgebern verhandelt, bleibt den Beschäftigten nicht anderes als das Verhandlungsergebnis abzuwarten und zu hoffen, dass das Bestmöglichen herauskommt. Wenn die Gewerkschaft (gehen wir mal davon aus) eine gute Arbeit macht, entreißt sie der Klasse die Initiative, das Potential ihrer Kämpfe voranzutreiben. Aber was bedeutet heute "kämpfen"? Ist es möglich, etwas zu erreichen, wenn man zu 100, 500 oder gar 10.000 eingeschlossen in der Fabrik verharrt? Oder wäre es nicht viel effektiver, die Kämpfe auszuweiten und die Fabrik als Stützpunkt zu benützen für die Suche nach KampfgenossInnen in anderen Fabriken, Branchen oder gar bei den Arbeitslosen, die die Notwendigkeit der Solidarisierung mit den Kämpfen sehen und sich in ihren Zielen erkennen. Das Ausmaß der allgemeinen und massiven  Angriffe erlaubt es uns nicht mehr, in einzelnen Kämpfen verzettelt Widerstand zu leisten, indem man isoliert voneinander in den einzelnen Fabriken, Städten, Ländern kämpft. Deshalb treibt uns die gewerkschaftliche Logik in die Niederlage, weil sie nur die lokale, branchenbezogene Karte spielen kann. Sie geht nicht von einer Einheit der Arbeiter aus, die nicht die Summe der einzelnen Kämpfe ist, sondern das Subjekt an und für sich, das für eine andere Zukunft kämpft.

Wenn wir einen Blick auf die Karte der Kämpfe in Italien werfen, ist es verblüffend zu sehen, wieviele Kämpfe gleichzeitig stattfinden. Andererseits kann man leicht erkennen, welcher Funken alles explodieren ließe. Das Problem ist, welche Art von Kämpfen müssen sich entwickeln? Irgendwie herrscht noch Zögern vor;  dies bringt die Klasse dazu, die eigene Initiative aus den Händen zu geben und die eigene Sache in die Hände der gewerkschaftlichen Vertreter zu legen. Nicht nur in die Hände der großen Gewerkschaften CGIL, CISL und UIL, welche seit Jahren eine Politik des  „verantwortlichen Handelns“  betrieben haben, wodurch die Manöver gegen die Arbeiter unterstützt werden. Ihre Beliebtheit hat stark abgenommen.3 Aber es gibt auch diejenigen, die sich die Hände nicht schmutzig gemacht haben, indem sie die verschiedenen Abkommen mit den verschiedenen Regierungen unterschrieben hätten, die sogenannten Basisgewerkschaften, die sagen, dass sie für eine wirkliche Verteidigung der Arbeiterinteressen kämpfen. Es gibt aber auch die FIOM, welche eine größere Kampfbereitschaft innerhalb der CGIL gezeigt hat. Man sieht, dass dann, wenn der Kampf sich zuspitzt, nur die FIOM anwesend ist. Auch wenn es eine Gewerkschaft einer bestimmten Branche ist, namentlich der Metallarbeiter, spielt sie die Rolle des Jokers auch in anderen Branchen, wie bei den Arbeitslosen, den StudentInnen, den COBAS4, CUB5 und anderen.

Wir möchten genauer erklären, was wir meinen, wenn wir von der Logik der Gewerkschaften reden. In der heutigen historischen Phase sind die Gewerkschaften nicht in der Lage, den Bedürfnissen der ProletarierInnen gerecht zu werden. Sehen wir einmal genauer hin, was in den Fabriken und an den anderen Arbeitsplätzen passiert. In den letzten Monaten hat sich der Kampf bei Esselunga in Pioltello als symbolträchtiger Ort gezeigt.

Seit Monaten sind in Pioltello/Mailand bei der Genossenschaft SAFRA, einer Tochtergesellschaft der Esselunga, die 300 Beschäftigten in Aufruhr. Seit Anfang Oktober 20116 haben sich die Streiks verschärft. Die Arbeiter, die von den COBAS unterstützt werden, haben eine ständige Streikführung am Eingang des Geländes eingerichtet. Einerseits um einen Treffpunkt für die ArbeiterInnen wie auch für die Externen zu bilden. Aber andererseits auch, um die Ein- und Ausfahrt der Lastwagen zu blockieren. In diesem Fall ist die Maßnahme der Blockade ein sehr wichtiges Mittel für den Streik. Denn es bedeutet, die Einnahmequelle des Unternehmens zu treffen. Die Antwort der Arbeitgeber war außerordentlich hart.7
Die Polizei war dauernd vor dem Gelände und intervenierte wiederholt. Es wurden auch 15 Kündigungen gegen die kämpferischsten ArbeiterInnen ausgesprochen. Und über einen Zeitraum von drei Jahren wurden die ArbeiterInnen von COOP, die bei den COBAS eingeschrieben waren, mit einer Reihe von Anklagen konfrontiert; diese gehen von „Widerstand“ bis „Körperverletzung“ wegen der Mobilisierung der ArbeiterInnen in Origgio, welche den Anfang der Kämpfe bei COOP gebildet hatte.8

Das Szenario ist in Hunderten von Betrieben dasselbe, es ändern sich nur die Firma und der Ort. Wir wollen hier nur einige der wichtigsten und aktuellsten Kämpfe in Erinnerung rufen:
- Bei der Keramikfabrik „Ricchetti di Mordano/Bologna“, da stehen 62 Arbeitsplätze auf der Kippe.9
- Bei dem Transportunternehmen „CEVA di Cortemaggiore/Piacenza“, in welchem die Beschäftigten sich über außerordentlich krasse Vertragsverletzungen beklagen. „Der 13. und 14. Monatslohn wird auf dem Lohnzettel als bezahlt ausgewiesen. In Wirklichkeit wurden uns diese Löhne nicht ausbezahlt.“ „Wir verlangen nur, dass die Verträge eingehalten werden, welche mit unserer Gewerkschaft ausgehandelt wurden.“
- Bei den Transportkooperativen von Bergamo, wo 150 ArbeiterInnen streiken, die meisten von ihnen sind Immigranten.
- Bei der „Elnagh di Trivolzio, Pavia“, ein Betrieb der Wohnwagen produziert. Dort wird mit der Schließung gedroht, was die Entlassung von 130 ArbeiterInnen bedeuten würde.
- Bei der „ex-ILA di Porto Vesme, Carbonia Iglesias“ wurden am 31. Dezember die abfedernden Sozialleistungen eingestellt.
- Bei den „Italienischen Staatsbahn (FS)“ sind insgesamt 800 ArbeiterInnen, die als Techniker,  Zugbegleiter oder Reinigungspersonal beschäftigt waren, Anfang Dezember 2011 entlassen worden. Das hat zur Besetzung eines der Bahnhofsteile des Mailänder Hauptbahnhofs geführt.
- Bei der „Iribus di Valle Ufita, Avellino“ wird die Busproduktion eingestellt; 600 ArbeiterInnen sollen entlassen werden.
Man könnte die Liste noch auf einige Fiat-Werke, die Jabil, die ex-Siemens Nokia Werke, Spitäler sowie Schiffswerften ausweiten und über Fabrikbesetzungen von Arbeiterinnen (Tacconi) in Latina berichten.
Wichtig ist festzustellen, was für ein unglaubliches Potential es gibt und dass sehr viele Kämpfe stattfinden, die immer mit sehr rührendem Engagement und Hingabe geführt werden. Es gibt einige Zehntausend ArbeiterInnen, deren Kämpfe an Intensität und Schärfe stark zugenommen haben. Leider drücken sie bisher ihren Kampfgeist nur im Rahmen ihres eigenen Arbeitsplatzes aus. Bei all den erwähnten Kämpfen ragen einige Merkmale heraus:
- Es gibt Streikposten, welche die Aktivitäten der Fabriken blockieren und auch verhindern, dass Streikbrecher eingesetzt werden;
- Fabriken werden bewacht, so dass es im Falle einer Schließung zu einer Besetzung kommt, damit die Maschinen nicht hinausgeschafft werden (wie im Falle der „Elnagh di Trivolzio“);
- Solidarität seitens von anderen Beschäftigten und anderen Menschen , die Geld, Nahrungsmittel und ihre persönliche Unterstützung anbieten;
- Solidaritätskassen, um die Beschäftigten  zu unterstützen, welche von Entlassungen oder Kürzungen betroffen sind, die sie aufgrund der zahlreichen Streiktage zu erleiden haben.

Auch wenn all dies ein großes Kampfpotential ausdrückt, so wird die Tatsache, dass diese Kämpfe nicht über die Dimension der eigenen Fabrik hinausgehen – eine Tatsache, die vor allem durch die gewerkschaftliche Logik begünstigt wird –, langfristig zu einer Falle. Es ist kein Zufall, dass in vielen Fällen die Arbeiter, die wochen- und monatelange kämpfen und vor den Toren ihrer eigenen Fabriken oder auf den Dächern aushalten, sich darüber beklagen, dass sie von anderen ArbeiterInnen kaum wahrgenommen werden. Um dies zu ändern, muss man die Kampflogik umkehren. Hinaus aus der eigenen Fabrik, indem man Delegationen zu anderen Betrieben schickt. Die Solidarität ist eine wichtige Waffe des Klassenkampfs, sie funktioniert aber nicht nur in einer Richtung. Die Solidarität bedeutet eine gegenseitige Unterstützung der verschiedenen Branchen  und unter den Beschäftigen selbst. Wieso sollte ein Sieg durch Kämpfe in 100 verschiedenen Betrieben errungen werden können, wenn jeder Betrieb auf sich alleine angewiesen ist  statt dass 100 Betriebe zusammen kämpfen, mit den Beschäftigten all dieser Betriebe,  unabhängig vom jeweiligen Ausgangspunkt dieser Bewegungen?
Unsere Zukunft  hängt stark von dieser Alternative ab. Wenn die FabrikarbeiterInnen in ihren Fabriken verharren, während dessen junge Arbeitslose und andere Perspektivlose gegen die  falsche Zielscheibe, die Polizei, kämpfen,  werden wir kaum vorankommen. Wenn wir dagegen zusammen einen gemeinsamen Weg finden, und zu einem Zusammenschluss und einer Ausdehnung kommen mittels Vollversammlungen, Demonstrationen, massiven Delegationen zu anderen Betrieben usw.,  dann wird sich eine ganz andere Perspektive eröffnen.
Ezechiele, 18. Dezember 2011   (aus unserer Presse in Italien).

Aktuelles und Laufendes: 

  • Arbeiterkämpfe Italien [5]
  • Klassenkampf Italien [6]

Die Occupy-Bewegung in den USA

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[7]

Die Besetzer-Bewegung, welche die Unzufriedenheit der Leute bündelte, die über ihre Lebensbedingungen unter dem zerfallenden Kapitalismus empört sind, ist nun an einem Scheideweg angelangt.

Die Zeltlager in Parks und anderen „öffentlichen Plätzen“ in dutzenden Städten in Nordamerika sind von den bürgerlichen Repressionskräften angegriffen worden. Städtische Polizeikräfte haben unter dem Vorwand, die Zeltstädte seien zu einer Gefahr für die öffentliche Gesundheit und die Hygiene geworden, die Lager in Atlanta, Baltimore, Los Angeles, Toronto, Vancouver, Philadelphia und vielen anderen Städten geräumt. Selbst in Städten, die von angeblich  der Bewegung freundlich gesonnenen Bürgermeistern regiert werden, wurden die Plätze geräumt, aus Sorge, so gaben sie an, um die  Sicherheit der Protestierenden selbst, da die Lager zu einem Zentrum von Straftaten geworden seien.

Eine Antwort auf die Angriffe des Kapitalismus, die durch die Illusionen in die “Demokratie” behindert wird

- Wir veröffentlichen hier eine Einschätzung zur Occupy-Bewegung in den USA, die von unseren Genoss/Innen in den USA verfasst wurde. In anderen Artikeln auf unserer Webseite/Presse befassen wir uns mit der Entwicklung in anderen Ländern. Siehe dazu die Artikel in unserer Presse. 

Die Besetzer-Bewegung, welche die Unzufriedenheit der Leute bündelte, die über ihre Lebensbedingungen unter dem zerfallenden Kapitalismus empört sind, ist nun an einem Scheideweg angelangt.

Die Zeltlager in Parks und anderen „öffentlichen Plätzen“ in dutzenden Städten in Nordamerika sind von den bürgerlichen Repressionskräften angegriffen worden. Städtische Polizeikräfte haben unter dem Vorwand, die Zeltstädte seien zu einer Gefahr für die öffentliche Gesundheit und die Hygiene geworden, die Lager in Atlanta, Baltimore, Los Angeles, Toronto, Vancouver, Philadelphia und vielen anderen Städten geräumt. Selbst in Städten, die von angeblich  der Bewegung freundlich gesonnenen Bürgermeistern regiert werden, wurden die Plätze geräumt, aus Sorge, so gaben sie an, um die  Sicherheit der Protestierenden selbst, da die Lager zu einem Zentrum von Straftaten geworden seien.

Ohne Zweifel fand die wichtigste Räumung in New York, im Zuccotti Park statt, auf dem Platz, auf dem die Bewegung ihren Anfang nahm. Bürgermeister Bloombergs Polizei verjagte die Protestierenden von „Occupy Wall Street” (OWS) am frühen Morgen des 15. Novembers. Dies löste einen Rechtsstreit vor den bürgerlichen Gerichten aus. Dabei argumentierten die Anwälte der Besetzer, dass die Zwangsräumung gegen das erste Verfassungsrecht zur freien Meinungsäußerung verstoße.  Die Entscheidung des bürgerlichen Richters – den Park wieder als Ort von legalen Protesten zu benutzen – war ein Pyrrhussieg der Protestierenden. Gleichzeitig war ihnen untersagt worden, den Entscheid der Stadt  zu unterlaufen, welches den Aufbau von Zelten und das Mitbringen von Campingausrüstung verbietet. So kann die OWS jetzt nicht mehr auf ihre früheren Mittel zurückgreifen.  Da der bürgerliche Staat nicht mehr bereit ist, „umgänglich“ aufzutreten, kann die Besetzerbewegung jetzt nicht mehr etwas besetzen, das irgendwie ins Gewicht fallen würde.

Könnte dies dazu dienen, die Bewegung voranzubringen, sie gar auszudehnen?  Der Möglichkeit beraubt, in den Parks legal Zelte zu errichten, könnte die Bewegung möglicherweise dazu übergehen, eine andere Kampfform zu entwickeln – bei der man weniger auf die Besetzung eines besonderen geographischen Ortes fixiert ist und mehr auf die Entwicklung von Organen der Klärung und theoretischen Vertiefung wie Diskussionsgruppen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist dies nicht vorherzusehen, aber es liegt oft im Wesen von sozialen Bewegungen, dass das Eingreifen des Staates unbeabsichtigte Folgen zeigt.

Obgleich viele in der Occupy-Bewegung entschlossen sind, ihren Kampf gegen die Geldgier der Firmen, ungleiche Einkommen, und die mutmaßliche Korruption des demokratischen Entscheidungsprozesses in den USA fortzusetzen, ist es klar geworden, dass die anfängliche Phase der Besetzerbewegung sich jetzt dem Ende zuneigt.

Während der ersten Wochen der Besetzungen konnten sich die Protestierenden im Allgemeinen auf die Unterstützung der öffentlichen Meinung berufen, wodurch die Behörden gezwungen waren, sich einigermaßen zurückhaltend zu verhalten. Dies ist nun nicht mehr der Fall. Während Umfragen weiterhin hohe Sympathiewerte für die Ziele und Beschwerden der Protestierenden aufzeigen, ist die Unterstützung für die Protestierenden selbst rückläufig. Das Gefühl, dass die Besetzer den Bogen überspannt haben, nimmt zu. Jetzt stehen die Besetzer unter Druck, nach Wegen zu suchen, um ihre Forderungen innerhalb des Systems vorzutragen.

Während man an dieser Stelle nicht voraussagen kann, in welche Richtung sich die Bewegung entwickeln wird, oder ob sie gar als eine unabhängige Sozialbewegung außerhalb der Institutionen der bürgerlichen Politik überleben kann, ist es jetzt an der Zeit, dass Revolutionäre versuchen, die Lehren für die zukünftigen Kämpfe zu ziehen. Was war positiv an dieser Bewegung? Wo ist etwas falsch gelaufen? Auf was muss man sich jetzt einstellen?

Trotz dieser unbeantworteten Fragen und der allgemeinen Unklarheit, die diese Bewegung zum Ausdruck brachte, meinen wir, dass es sich neben anderen sozialen Bewegungen um einen Ausdruck des Wunsches eines Teiles der Arbeiterklasse handelte, gegen die massiven Angriffe des kapitalistischen Systems auf unsere Lebensbedingungen zur Wehr zu setzen. Auch wenn diese Bewegung von vielen aktivistischen Zügen geprägt war, die man seit dem Ende der 1990er Jahre in der Antiglobalisierungsbewegung beobachten konnte, scheint sie nichtsdestotrotz von einer grundsätzlich anderen Dynamik getragen worden zu sein als die ihr vorausgegangenen Bewegungen. Sie mag den Keim für eine zukünftige Radikalisierung enthalten, auch wenn diese sich erst in der Zukunft entfalten kann.

Während wir also keine endgültige Aussage zum Klassenwesen dieser Bewegung zum jetzigen Zeitpunkt machen können, können wir dennoch versuchen, diese innerhalb des Rahmens einer Klassenperspektive zu begreifen und einige Hauptlehren für die Zukunft zu ziehen.

Der internationale Kontext

Die Besetzer-Bewegung in Nordamerika wurde zu einem wichtigen Glied in der Kette von Protesten und Sozialbewegungen, die sich im Jahre 2011 auf allen Kontinenten entfalteten. Diese Bewegungen haben meist gegen die Auswirkungen der kapitalistischen Krise auf die Lebensbedingungen der Arbeiterklasse und die Gesellschaft im Allgemeinen reagiert. Von den Revolten in der arabischen Welt im Frühjahr bis zum Ausbruch massiver Kämpfe in China, Bangladesh, Frankreich, Spanien und Israel, war die Occupy-Bewegung eindeutig inspiriert gewesen durch die Ereignisse, die fernab von den Küsten Amerikas stattfanden. Seit den 1960er/1970er Jahren hatte es solch eine massive Welle von Bewegungen auf der ganzen Welt nicht mehr gegeben, die alle auf die gleiche grundlegende Stachel reagierten,  den Angriff auf die Lebens- und Arbeitsbedingungen infolge der globalen Rezession und die massiven Sparprogramme gegen den Soziallohn infolge der Schuldenkrise und der finanziellen Kernschmelze 2008.

All diese Bewegungen wurden von dem Wunsch einer ständig wachsenden Zahl von Leuten geprägt, sich irgendwie gegen die wachsenden Angriffe auf unsere Lebens- und Arbeitsbedingungen zu wehren, auch wenn wenig Klarheit darüber herrschte, welche Schritte eigentlich unternommen werden müssten. Die Besetzer-Bewegung ist ein wichtiger Ausdruck dieses internationalen Trends in der „Höhle des Löwen“ selbst. Wie die massive Bewegung in Wisconsin Anfang des Jahres, hat die Occupy-Bewegung die sich beharrlich haltende Idee über Bord geworfen, dass die nordamerikanische Arbeiterklasse eine völlig in den Kapitalismus integrierte Klasse sei, oder unfähig und unwillig, sich den Angriffen zu widersetzen. Aber während die Ereignisse in Wisconsin innerhalb eines Bundesstaates stattfanden, hat die Occupy-Bewegung auf Hunderte Städte im ganzen Land übergriffen und sogar ein weltweites Echo gehabt. Da die Wisconsin-Proteste sehr schnell wieder von den Gewerkschaften und der Demokratischen Partei vereinnahmt werden konnten, hat die Occupy-Bewegung sich eifrig bemüht, ihre Selbständigkeit zu verteidigen, weil sie meinte, dass ein sinnvoller Austausch nur von einer „neuen Art“ Bewegung ausgehen könne. Sie hat ein sehr gesundes Misstrauen gegenüber den offiziellen Parteien und Programmen gezeigt, und damit ein wachsendes Gespür zum Ausdruck gebracht, dass die offiziellen Parteien nur dazu dienen, ihren Kampf abzuwürgen und zu vereinnahmen.

Wie die Bewegung in anderen Teilen der Welt  waren die Besetzerproteste dadurch geprägt, dass bei ihnen eine neue Generation von Arbeitern mitwirkte, von denen viele wenig Erfahrung mit Politik hatten und sich keine großen Gedanken gemacht hatten, wie man einen Kampf organisieren müsste. Das einigende Band der TeilnehmerInnen war eine fast vorausschauende Ahnung und der Wunsch, mit anderen zusammen zu kommen und das Gefühl aktiver Solidarität und Gemeinschaft zu erfahren. Es geht ihnen darum, eine Alternative gegenüber der bestehenden Gesellschaft  anhand der lebendigen Erfahrung ihres Kampfes anzubieten. Zweifelsohne werden diese Wünsche gestärkt durch das wachsende Gefühl einer gesellschaftlichen Entfremdung gegenüber einer verfaulenden kapitalistischen Gesellschaft. Gleichzeitig haben immer mehr Jugendliche Schwierigkeiten Zugang zum Arbeitsmarkt zu finden; dies fördert deren Reaktionsbereitschaft.

Die mangelnde Erfahrung mit gesellschaftlicher Arbeit und dem daraus entstehenden Gefühl der Isolierung, Atomisierung und Verzweiflung treibt mehr und mehr ArbeiterInnen dazu – insbesondere die jüngere Generation und diejenigen, die aus dem Produktionsprozess herausgeworfen wurden – Solidarität durch den Kampf zu suchen. An den Kämpfen beteiligen sich ebenso Leute aus anderen gesellschaftlichen Schichten. Immer mehr Leute sind zutiefst frustriert und besorgt über die Richtung, in welche sich diese Gesellschaft entwickelt. Aber in Nordamerika werden diese Proteste von der jüngeren ArbeiterInnengeneration und den von der Langzeitarbeitslosigkeit am stärksten Betroffenen am meisten geprägt.

Natürlich bedeutet dies nicht, dass die Occupy-Bewegung selbst – insbesondere die Taktik der Besetzung bestimmter geographischer Orte (Plätze, Parks usw.) – die Form des Kampfes darstellt, welche der Klassenkampf in der Zukunft annehmen wird. Im Gegenteil, diese Bewegung wie all die anderen, mit ihr verbundenen Bewegungen auf der Welt leiden an einer grundsätzlichen Schwäche, welche die Arbeiterklasse überwinden muss, wenn sie ihren Kampf vorwärtstreiben will. Man kann zusammenfassend sagen, dass die Occupy-Bewegung ein bedeutender Versuch von Teilen des Proletariats war, auf die aggressiven Angriffe des Kapitalismus gegen die Lebensbedingungen zu reagieren, auch wenn sie kein direktes Modell für die zukünftigen Kämpfe sein kann.

Die Bedeutung von Vollversammlungen

Eines der wichtigsten Merkmale der Occupy-Bewegung waren die Vollversammlungen als die souveränen Organe des Kampfes. Die Wiederentdeckung der Vollversammlungen als die beste Kampfform zur größtmöglichen Beteiligung und dem breitesten Austausch von Ideen stellte einen gewaltigen Fortschritt für den Klassenkampf in der jetzigen Zeit dar. In der Occuyp-Bewegung scheinen die Vollversammlungen aus früheren Kämpfen übernommen worden zu sein,  insbesondere von der Bewegung der „Empörten“ in Spanien. Damit wird die Tendenz sichtbar, dass man in der jetzigen Phase von Kämpfen aus anderen Teilen der Welt schnell lernt und die effektivsten Taktiken und Kampfformen übernimmt. Es war in der Tat sehr beeindruckend zu sehen, wie schnell sich die Vollversammlungen dieses Jahr auf der ganzen Welt ausgedehnt haben.

Wie bei den Vollversammlungen in anderen Ländern standen die Vollversammlungen in der Occupy-Bewegung jedermann offen. Alle wurden ermuntert, sich an der Festlegung der Ausrichtung der Bewegung und deren Zielen zu beteiligen. Die Vollversammlungen stützen sich auf das Prinzip der Offenheit. Die Protokolle wurden zur Verfügung gestellt. Der Wunsch wurde lautstark geäußert, dass die Vollversammlungen nicht von irgendeiner Partei, Gruppe oder Organisation, die diese vereinnahmen wollen könnten, übernommen werden. Die Vollversammlungen spiegelten somit eine sich entfaltende Erkenntnis wider, dass man sich auf die bestehenden Parteien und Institutionen für die Organisierung des Kampfes nicht verlassen könne - auch nicht auf die Parteien der Linken und die Gewerkschaften. Im Gegenteil, die Protestierenden selbst wollten sich ihre Souveränität nicht rauben lassen; sie alleine wollten bestimmen, welche Schritte zu ergreifen seien.

Nichtsdestoweniger waren die Vollversammlungen trotz dieser sehr positiven Schritte von einer großen Schwäche geprägt, die in dem Ausmaß in den Bewegungen der anderen Länder nicht aufgetreten ist. Von Anfang an sah sich die Occupy-Bewegung als eine Besetzung eines Teils eines geographischen Raums. Während OWS anfangs geplant haben mag, das Banken- und Finanzviertel New Yorks zu besetzen oder einen symbolischen Ort des Protestes an der Wall Street zu errichten, sobald es klar wurde, dass der Staat dies nicht tolerieren würde,  besetzten die Protestierenden in Ermangelung einer anderen Alternative den nahegelegenen Zuccotti Park.[1] Am „Fuße des Berges“, aber nicht auf dem „Berg“ selbst wurde auch für die Bewegungen in anderen Städten ein Modell errichtet, das in den meisten Fällen die Form von Zeltstädten in einem städtischen Park annahm. In der Geschichte der USA gibt es dafür einige frühere Beispiele (z.B. die Besetzung von brachliegendem Land in Washington D.C. durch die Bonus Army (die den Bonus-Marsch veranstalteten), um gegen die Lebensbedingungen der Veteranen des Ersten Weltkriegs während der Großen Depression 1932 zu protestieren). Die Entscheidung, sich als eine Bewegung zu bezeichnen, die  einen besonderen geographischen Ort besetzt hielt, stellte eine große Schwäche dar, die zur Isolierung der Occupy-Bewegung beitrug.

Ziemlich schnell, insbesondere in New York, wurde die Occupy-Bewegung von dem Gefühl beherrscht, dass man den Park verteidigen müsse, der zu einer Art Heimat für die Bewegung und zu einer Art “Gemeinschaft” für viele Protestierende geworden war. Ohne Zweifel trug das positive Solidaritätsgefühl, das viele Protestierende als Teilnehmer an einer Bewegung zur gesellschaftlichen Umwälzung spürten, zu einer Tendenz bei, welche die Grenzen der Bewegung als die Grenzen des Parks ansahen und den Park gegen die Angriffe des Staates oder eine ‚Ablenkung von der Politik’ verteidigen wollten.

Dies trug jedoch zum Aufkommen von Spannungen in der Occupy-Bewegung  bei, wobei die einen für eine breite gesellschaftliche Umwälzung eintraten, die anderen das Ganze eher als ein Experiment  gemeinschaftlichen Lebens ansahen. Von der anfänglich aus taktischen Gründen als vorübergehend angelegt gedachten Zeltstadt  wurde der Zuccotti Park mehr und mehr von den Besetzern als eine neue Art „Heimat“ oder „Refugium“ innerhalb der kapitalistischen Gesellschaft angesehen. Gerüchte über eine bevorstehende polizeiliche Repression verstärkten nur noch den Wunsch nach der „Verteidigung des Parks“. Während die BesetzerInnen sich gelegentlich außerhalb des Parks begaben, um gegen Banken oder in bürgerlichen Stadtvierteln zu protestieren,  konnte man erkennen, dass je länger die Bewegung fortdauerte, desto mehr die Tendenz überwog zu versuchen, den Grundstein einer alternativen Lebensform im Park zu errichten. Kein wirklich ernsthafter Versuch wurde unternommen, um den Kampf über die Grenzen des Parks hinaus in größere Kreise der Arbeiterklasse zu tragen.

Dagegen gab es solch einen Fetisch der Besetzung eines bestimmten geographischen Raumes bei den Bewegungen in Spanien, Israel und den arabischen Ländern nicht. Im Gegenteil, die öffentlichen Plätze wurden eher als ein Treffpunkt gesehen, auf dem die Protestierenden zu bestimmten Zwecken zusammenkommen, um zu diskutieren, Versammlungen abzuhalten und taktische Entscheidungen zu treffen. Der Wunsch, öffentlichen Raum mit einem ständigen Zeltlager zu verteidigen, war ein besonderes Merkmal der Bewegung in Nordamerika, das weiter untersucht werden muss.

Aber vielleicht noch schädlicher als der Fetisch für Besetzungen war die Unfähigkeit der Vollversammlungen, ihre Rolle der Zusammenführung, der Vereinigung der Protestierenden zu erfüllen, da sie im Laufe des Kampfes von einem Organ, das Entscheidungen traf, mehr und mehr in ein passives Organ verwandelt wurden, das immer mehr von Aktivisten und professionellen Linken beherrscht wurde,  bei dem die Arbeitsgruppen und Komitees immer mehr die Zügel in der Hand hielten. Anstatt das Forum für  breitestmögliche Debatten zu sein, führte die ständig spürbare Angst vor konkreten Forderungen – weil diese als spaltend und polarisierend anstatt vereinigend angesehen wurden – dazu, dass die Vollversammlungen letztendlich hilflos erschienen gegenüber der Notwendigkeit, konkrete Entscheidungen zu einem gegebenen Zeitpunkt zu treffen.

Demokratische Illusionen und das Trauma der Vergangenheit

Ein Merkmal der Occupy-Bewegung, das bei den meisten Protestbewegungen der letzten Zeit herausragte, war die Neigung zu großen Illusionen in die „Demokratie“ als eine Alternative gegenüber dem gegenwärtigen System. Das Gefühl, dass irgendeine wahre Demokratie als ein wirksames Korrektiv oder gar als Gegenpol gegen die schlimmsten Unterdrückungsformen und das Leiden der Bevölkerung handeln könne,  ist in Ländern des arabischen Raums, in Israel, Spanien und anderswo immer wieder geäußert worden.

In der Occupy-Bewegung traten diese Auffassungen mit einem typisch amerikanischen Flair in Erscheinung. Meistens äußerste sich dies in der Annahme, dass alle Probleme der Welt auf die Beherrschung des politischen und ökonomischen Lebens durch eine parasitäre Clique von Finanzmagnaten, Bankern und Multis zurückzuführen seien, die ihre eigenen unmittelbaren finanziellen Interessen über die der Gesellschaft insgesamt stellten. In den USA heißt es, dass dieses Phänomen den ganzen demokratischen Prozess in den USA durchdrungen habe, so dass die großen Firmen letztendlich dazu in der Lage seien, ihre Politik dem Kongress und dem Präsidenten aufzuzwingen, indem sie die Mittel zur Finanzierung von Kampagnen kontrollierten.

Die Occupy-Bewegung neigt dazu, die Lösung für die Überwindung der Unterdrückung und des Leidens in der Wiederbelebung der Demokratie gegen Raffgier der Firmen und der Finanzspekulation zu sehen. Während die genaue Definition der „Demokratie“ von einem Protestierenden zum anderen wechseln kann, mögen sich die einen damit zufrieden geben, eine Änderung der Verfassung zu verlangen, (z.B. Verbot der Finanzierung von Kampagnen) während andere radikalere Vorschläge des Regierens machen. Aber der gemeinsame Nenner ist, dass „Demokratie“ sich gegen wirtschaftliche Unterdrückung und Ausbeutung richten würde.

Während viele Protestierende mittlerweile bereit sind anzuerkennen, dass der “Kapitalismus” entweder ein Teil oder die Wurzel der Probleme der Weltwirtschaft ist,  gibt es keine Übereinstimmung darüber, was der „Kapitalismus“ eigentlich bedeutet.  Aus der Sicht vieler bedeutet Kapitalismus lediglich Banken und Big Business. Die marxistische Auffassung, dass Kapitalismus eine Produktionsform ist, die mit einer ganzen Epoche der Menschheitsgeschichte verbunden ist, welche durch die Ausbeutung von Lohnarbeit geprägt wird, wird nur von einigen Minderheiten dieser Bewegung angesprochen.  Während viele Protestierende anerkennen, dass Marx Wichtiges über die Probleme des Kapitalismus zu sagen hatte, herrscht wenig Klarheit über die Bedeutung des Marxismus und der Arbeiterbewegung hinsichtlich des Projektes des Aufbaus einer neuen Gesellschaft. Diese Zögerungen sind auch in anderen Bewegungen auf der Welt in Erscheinung getreten; sie sind eine Hürde, die die zukünftigen Bewegungen überwinden müssen.

Wenn diese Illusionen in die Demokratie nur auf der ideologischen Ebene blieben, so könnten wir sie ohne weiteres auf das Konto der Unreife der Bewegung buchen, als ein Ausdruck der Anfangsphase im Klassenkampf, welche die Arbeiterklasse im Lichte der Erfahrungen überwinden würde. Dies mag sich letztlich auch wirklich durchsetzen, aber gegenwärtig hat sich die Sicht der Occupy-Bewegung über das Wesen der Demokratie in einen Fetisch verwandelt, der sich als grundlegendes Hindernis auf dem weiteren Weg erweisen wird. Darüber hinaus stellt er die Grundlage genau dessen dar, was die Bewegung zu Beginn zu verhindern wusste: die Einbindung in die pro-demokratische, reformistische Ideologie im Rahmen der anstehenden Kampagne um die Präsidentschaftswahlen 2012.

Seit Beginn haben die VVs versucht, auf der Grundlage eines „Konsens“-Modells zu funktionieren, und haben dabei den Auftrag ernst genommen, im Verlauf des Kampfes eine neue Form der Demokratie zu schaffen. Das war in vielerlei Hinsicht eine gesunde Antwort in der Absicht, die breitest mögliche Teilnahme zu garantieren und zu gewährleisten, dass sich niemand von den Beschlüssen der VVs ausgeschlossen fühlt. Dieses Modell wurde natürlich angewandt als Antwort auf die schlechten Erfahrungen in vergangenen Bewegungen, die von professionellen Aktivisten und politischen Organisationen beherrscht wurden und in denen sich der durchschnittliche Teilnehmer nicht viel besser als ein Infanterist in einer Bewegung vorkam, die von Profis geleitet wurde.

In diesem Sinn ist der Wunsch, dass sich jeder und jede integriert fühlen, absolut verständlich. Doch in Tat und Wahrheit hinderte das Beharren auf der Funktionsweise des Konsenses die Bewegung daran, über ihre Grenzen hinauszugehen, indem die notwendige Konfrontation von Ideen und Perspektiven blockiert wurde, die es eigentlich der Bewegung erlaubt hätten, ihre Isolation im Park zu durchbrechen. Weil man sich so der Möglichkeit beraubte, wirklich Entscheide zu treffen, mit denen man auf die unmittelbaren Bedürfnisses der Bewegung reagiert hätte – indem man sich nicht die Mühe nahm, ein ausführendes Organ zu schaffen –,  gerieten die VVs sehr schnell unter den Einfluss der verschiedenen Arbeitsgruppen und Komitees, von denen viele wiederum unter der Fuchtel genau derjenigen professionellen Aktivisten standen, vor denen man sich ursprünglich hüten wollte. Eigentlich führte das Beharren darauf, dass jeder Entscheid auf einem Konsens beruhte, dazu, dass keine wirklichen Beschlüsse gefällt werden konnten und die verschiedenen „Teile“ (Arbeitsgruppen, Komitees, etc.) damit begannen, sich selbst für das „Ganze“ (die VV) auszugeben und es zu substituieren. So ließ die Angst vor dem Ausschluss den Substitutionismus durch die Hintertür wieder hereinschleichen - was letztlich zu einer starken Aufweichung der Souveränität der VVs führte.

Das Apriori des Konsensmodells hatte auch Auswirkungen auf die sehr schwierige Frage des Aufstellens von konkreten Forderungen. Von Anfang an schien die Occupy-Bewegung stolz darauf zu sein, dass sie sich weigerte, präzise Forderungen oder ein Programm zu formulieren. Dies ist eine verständliche Sorge derjenigen, die verhindern wollen, einmal mehr in die alten reformistischen Aktivitäten hineingezogen zu werden, die der Staat bereit hält; doch das Schicksal der Occupy-Bewegung zeigt, dass der Reformismus nicht deshalb Halt macht, weil man sich weigert, Forderungen aufzustellen. Die Bewegung war gekennzeichnet durch eine extreme Heterogenität von Forderungen. Die radikalsten Sichtweisen über einen vollständigen Neuaufbau der Gesellschaft auf egalitärer Grundlage standen neben absolut reformistischen Forderungen im Rahmen des bürgerlichen Rechtsstaats wie z.B. der Vorschlag, die Verfassung mit der Einfügung des Konzepts einer „kollektiven Persönlichkeit“ zu ergänzen. Im Namen des Grundsatzes, niemanden auszuschließen, war die Occupy-Bewegung außerstande, voranzukommen und ihr letztes Ziel der gesellschaftlichen Umgestaltung anzupacken.

Mit der ganzen Überfülle an oft widersprüchlichen Forderungen, die im Umlauf waren, und mit der bewussten Weigerung, mit spezifischen Forderungen den eigenen Charakter zu bestimmen, erlaubte es die Bewegung, dass andere auftraten und für sie sprachen. Es überrascht nicht, dass die Occupy-Bewegung schnell viele Adoptiveltern hatte in der Gestalt von bourgeoisen Berühmtheiten, linken Politikern und Gewerkschaftsführern, die keine Gelegenheit versäumten, aufzutreten und sich als die Stimme der Bewegung auszugeben. Durch die Weigerung, spezifische Forderungen aufzustellen, stellte die Bewegung sicher, dass sie in den Medien – und somit gegenüber dem Rest der Arbeiterklasse – nur mit denjenigen Forderungen dargestellt wurde, die zur unmittelbaren Tagesordnung dieser oder jener Fraktion des politischen Apparats der herrschenden Klasse passte.

Die Ablehnung, die Frage der Forderungen zu behandeln, die Vermeidung des Traumas des „Ausschlusses“ dienten dazu, zu verhindern, dass sich die Bewegung überlegte, wie man weiter kommen könnte. Unfähig, einen wirklichen Klärungsprozess zu führen, konnte die Occupy-Bewegung nicht bestimmen, welcher gesellschaftlichen Kraft sie sich zuwenden sollte. Sie war deshalb dazu verdammt, sich dem eigenen Bauchnabel zuzuwenden im letztlich fruchtlosen Versuch, die „Konsens-Communities“ zu verteidigen, die sie in den Pärken aufgebaut zu haben glaubte.

Es ist klar, dass die Hauptsorge der Occupy-Bewegung um die Konsens-Funktionsweise eine Antwort auf das von früheren Bewegungen erlittene Trauma war und in gewisser Hinsicht einem gesunden Instinkt entsprach, die linksextremen, bürgerlichen Methoden zu überwinden. Doch abgesehen davon bedeutete das Beharren auf dem Konsens das tiefliegende Eindringen der demokratischen Ideologie in die Funktionsweise der VVs selber. So ist die Occupy-Bewegung – ja sind in der Tat die meisten der sozialen Bewegungen der letzten Zeit – gekennzeichnet durch mehr als bloß ideologische Illusionen in den bürgerlichen demokratischen Staat; vielmehr hat das Beharren auf der demokratischen Funktionsweise die Einheitsformen des Kampfes, die als Antwort auf die Angriffe des Kapitalismus entstanden sind, völlig entstellt.

Die Traumata der Vergangenheit – von denen der Stalinismus und die linksextreme Ideologie und Praxis die wichtigsten sind – haben zu einem Fetisch geführt beim Versuch, eine neue Art von demokratischer Konsens-Funktionsweise aufzubauen, die Ausschluss, Konfrontationen und verletzte Gefühle verhindern könne. Dies ist zwar zunächst verständlich, doch letztlich wird dieser Fetisch zu einer Barriere auf dem Weg zu einer wirklichen Alternative zum gegenwärtigen System. Schließlich erwies sich das Konsensmodell als völlig illusorisch im Zusammenhang mit der Unfähigkeit der VVs, den hegemonialen Ansprüchen der Komitees und Arbeitsgruppen etwas entgegen zu stellen und damit der Aufgabe der Stunde gerecht zu werden.

Eine der wichtigsten Lehren aus der Occupy-Bewegung ist deshalb, dass zukünftige Bewegungen die Frage beantworten müssen, wie man ein zuständiges Exekutivorgan aufbauen kann, das gegenüber der VV verantwortlich bleibt: ein wirkliches beschließendes Organ, das in unmittelbar widerrufbarem Auftrag der VVs arbeitet. Ein solches Organ ist nötig, wenn die Bewegung in der Hitze des Kampfes Entscheide fällen und die Solidarität, Vertrauen und Einheit von allen Teilnehmenden verstärken soll. Wie diese Bewegung zeigt, kann der Aufbau eines wirklichen Exekutivorgans nicht umgangen werden, wenn die Bewegung über einen sehr embryonalen Zustand hinaus vorankommen will. Wie können taktische Entscheide in der Hitze des Kampfes gefällt werden? Wie kann die VV ihre Souveränität gegenüber irgendwelchen Komitees und Organen aufrecht erhalten? Dies sind die zentralen Fragen, die behandelt werden müssen.

Es trifft natürlich zu, dass ein solches ausführendes Organ nicht einfach aus dem Nichts proklamiert werden kann. Ein Exekutivorgan, das auf der Grundlage der weitesten Diskussion und dem breitesten Austausch an Ideen unter allen TeilnehmerInnen bleibt, wäre im besten Fall eine totale Farce, im schlimmsten ein weiteres Einfallstor für den Substitutionismus. Ein ausführendes Organ kann nur funktionieren als Konkretisierung der Lebendigkeit der VVs – es kann und darf nicht diese ersetzen. So mag zwar das Scheitern angesichts der Frage einer ausführenden Funktion ein entscheidender Faktor beim schließlichen Niedergang der Occupy-Bewegung gespielt haben, was aber nicht heißt, das die voluntaristische Ausrufung eines Exekutivorgans durch die aktivsten Leute im Kampf sie gerettet hätte.

Insbesondere fehlte aber dieser Bewegung der wirkliche Drang, über die eigentlichen Wurzeln der Krise zu diskutieren. Statt zu versuchen, sich der unvermeidbaren Diskussion über das Wesen der gesellschaftlichen Probleme zu widmen, konzentrierte sich die Occupy-Bewegung auf den Fetisch der Entscheidfindungsmethode. Sie blieb auf halbem Weg stecken und schnitt nie die grundlegenden substantiellen Fragen an: Sind die Banken schuld an der gesellschaftlichen Sackgasse, oder sind deren Schwindler ein bloßes Symptom für das Scheitern des wirtschaftlichen Systems selbst? Können wir eine sinnvolle Veränderung herbeiführen, indem wir den Staat dazu auffordern, im Interesse der Gesellschaft zu handeln, oder müssen wir über die Wege nachdenken, den Staat zu überwinden? Man fand zwar Anhänger für die eine und die andere Antwort auf diese Fragen (und noch auf einige mehr!), aber die Bewegung nahm sich nie die Mühe darüber zu entscheiden, welche Position die „richtige“ ist. Unter dem Deckmantel, dass „hier alle Positionen willkommen“ seien, ging die Occupy-Bewegung nie über den naiven Glauben in die eigene Fähigkeit hinaus, den Weg durch das Beispiel einer neuen Konsens-Lebensweise aufzuzeigen.

Die Notwendigkeit, den Kampf auszuweiten

Ein Aspekt der Occupy-Bewegung, der bei ihrem schließlichen Scheitern eine wichtige Rolle spielte, war ihre Unfähigkeit, den Kampf tatsächlich über die verschiedenen Zeltstätten hinaus auszuweiten. Viele Faktoren trugen zur zunehmenden Isolierung der Bewegung bei: die Tendenz der BesetzerInnen, ihre Camps als eine Community zu betrachten; die Tendenz bei den verschiedenen Parks, als Hochburgen eines befreiten Raumes, den es zu verteidigen gälte, angesehen zu werden; etc. Doch der wichtigste Faktor war die Unfähigkeit der Bewegung, sich wirklich mit dem breiteren Kampf der Arbeiterklasse zu verbinden, um die Lebens- und Arbeitsbedingungen zu verteidigen angesichts der hemmungslosen Angriffe des Kapitals.

Abgesehen vom kontrovers diskutierten Generalstreik in Oakland, der die Aktivitäten des städtischen Hafens für einen Tag stilllegte, war die Occupy-Bewegung nicht in der Lage, eine breitere Antwort der Arbeiterklasse gegen die kapitalistischen Angriffe hervorzurufen.[2]

Im Zeitpunkt des Verfassens dieses Artikels ist die Arbeiterklasse zum überwiegenden Teil orientierungslos angesichts der massiven Schlacht, die der Kapitalismus gegen ihre Lebensbedingungen führt, und ist bis jetzt unfähig gewesen, einen massenhaften Kampf zu ihrer Verteidigung aufzunehmen. Abgesehen von ein paar verstreuten, gewerkschaftlich kontrollierten Streiks steht der Großteil der Arbeiterklasse gegenwärtig abseits des Kampfes.

Auf der einen Seite darf uns dies nicht überraschen. Die aktuelle Krise und die gleichzeitige Steigerung der Angriffe gegen die Arbeiterklasse finden statt nach über 30 Jahren mit offenen Angriffen auf die Arbeitsbedingungen und auf die eigentliche Grundlage der Klassensolidarität selbst. Darüber hinaus sind die gegenwärtigen Angriffe von besonders brutaler Gewalt sowohl am Arbeitsplatz als auch beim sozialen Einkommen. Weiter ist auch die anhaltende politische Krise der US-Bourgeoisie in eine Analyse der scheinbaren Passivität der Arbeiterklasse einzubeziehen. Die aggressiven Attacken des rebellischen rechten Flügels auf den Gewerkschaftsapparat wie auch die zunehmend bizarre Rhetorik der Tea Party haben bestimmt eine verwirrende Wirkung auf das Bewusstsein der Arbeiterklasse gehabt. Unter diesen Bedingungen verharren viele Arbeiter auf der Ebene des Versuchs, das zu schützen, was sie immer noch durch die bestehenden Institutionen der Gewerkschaften und der Demokratischen Partei haben. Andere sind so orientierungslos geworden, dass sie jeweils mit dem sympathisieren, der gerade am wütendsten tönt - selbst wenn er/sie zur Tea Party gehören sollte.

Doch trotz der Schwierigkeiten und Schranken, auf welche die Arbeiterklasse bei der Rückeroberung ihrer Klassenidentität und des proletarischen Kampfterrains stößt, war sie im Allgemeinen nicht völlig ruhig. Die Beispiele der Mobilisierungen in Wisconsin in der ersten Hälfte des Jahres sind Beleg dafür, dass wir in eine neue Phase eingetreten sind – beginnend mit dem Streik im New Yorker Nahverkehr 2005/2006 –, in der die Tendenz zu einer Zunahme der Klassenkämpfe besteht – hin zu einer Wiederentdeckung von Solidarität und einem Willen, der Lähmung angesichts der kapitalistischen Angriffe zu widerstehen. So lasten zwar das Trauma der Eskalation der Angriffe nach dem Schock der so genannten Finanzkrise von 2008 und das gegenwärtige politische Chaos der herrschenden Klassen in den USA schwer auf der Arbeiterklasse und dämpfen ihre Kampfbereitschaft, aber eine Erinnerung an jene Kämpfe ist unterirdisch immer noch am brodeln.

Auch wenn öffentliche Meinungsumfragen überzeugend auf eine große Sympathie der breiten Bevölkerung für die Occupy-Bewegung hinwiesen, drückte sich dies nicht in einer wirklichen Massenaktion aus. Natürlich gab es Momente, in denen sich diese Perspektive eröffnete. Dies war insbesondere um das Thema der Polizeirepression der Fall. In New York, Oakland und anderswo zwang eine massenhafte Empörung in der öffentlichen Meinung den Staat jedes Mal, wenn er mit der Repression gegen die Protestierenden zu weit zu gehen schien, zum Rückzug. Aber während in New York die Gewerkschaften zwar mehrmals gezwungen waren, die Arbeiter dazu aufzurufen, Sympathie mit den Protestierenden angesichts der bevorstehenden Repression zu bekunden, rief die polizeiliche Unterdrückung nur in Oakland eine breitere Antwort der Arbeiterklasse hervor.

Es kann deshalb nicht erstaunen, dass der Occupy-Protest wenig gegen die Angriffe auf die Arbeiterklasse ausrichten konnte, die andauern und noch vor uns stehen. Die Konkursanmeldung von American Airlines, die anhaltenden Aussperrungen bei American Crystal Sugar und Cooper Tire und die massiven Sparpläne bei U.S. Post Office sind nur einige Beispiele, die zeigen, dass die Bourgeoisie durch die Occupy-Bewegung nicht dahingehend eingeschüchtert worden wäre, dass sie die Angriffe auf die Arbeiterklasse vermindern würde. Die Taktik, Parks am Rand von Finanzbezirken zu besetzen, hat sich klar als ungeeignet erwiesen, die kapitalistischen Angriffe zurück zu schlagen. Wäre es nicht wirksamer gewesen, statt in der Nähe von Wall Street, Bay Street und anderen Finanzzentren zu zelten, sich den Arbeiterbezirken zuzuwenden und den Arbeitern – die immer noch zu orientierungslos zum Kämpfen sind – zu zeigen, dass sie nicht allein sind?

Wir können es nicht mit Bestimmtheit sagen, aber eine ernsthafte Diskussion über die einzuschlagende Taktik ist nötig geworden für all diejenigen, die gegen die laufende Verschlechterung der menschlichen Lebensbedingungen unter kapitalistischer Herrschaft zu kämpfen versuchen. Leider haben der Konsens-Fetisch der Occupy-Bewegung, ihre schon fast kategorische Weigerung, taktische Fragen zu diskutieren, ihre Bevorzugung von Pluralismus gegenüber konkreter Aktion sie bis jetzt daran gehindert, diese Fragen wirklich anzupacken. Vor allem hat sie es gegenüber der staatlichen Repression nicht geschafft, über die Fragen nachzudenken: „An wen wenden wir uns für Unterstützung?“ und „Wohin gehen wir, wenn wir nicht mehr länger im Park leben können?“ Außerstande, diese Fragen vertieft anzugehen, befasst sich die Occupy-Bewegung jetzt mit sich selbst und blickt einer ungewissen Zukunft entgegen.

Auch wenn die Occupy-Bewegung einen wichtigen ersten Schritt eines Teils der Arbeiterklasse, der stark von der kapitalistischen Krise betroffen ist, darstellt, so ist aus unserer Sicht klar, dass man nur weiter kommt, wenn man die Ziele des Kampfs und die Methode, sie zu erreichen, grundlegend diskutiert. Vor allem ist es notwendig, die Bindung an die Konsens-Funktionsweise neu zu prüfen, die unseres Erachtens aus den traumatischen Wunden, die von früheren Bewegungen zurück geblieben sind, herrührt. Wie kann eine soziale Bewegung so voran kommen, dass sie den Fallen der Vergangenheit ausweicht, aber auch so, dass sie in einem wirklichen und wirksamen Sinn in der Hitze des Gefechts funktioniert? Wie kann eine soziale Bewegung, die sich der Idee verschreibt, dass eine andere Welt möglich ist, ihrem Ziel treu bleiben und gleichzeitig die nötige taktische Stärke haben, dem bürgerlichen Staat entgegenzutreten? Dies sind wichtige Fragen, welche die Revolutionäre und all die, die sich für eine andere Welt engagieren, in der kommenden Zeit anpacken müssen.

Internationalism

05.12.2011   

[1] Ähnlich spielten sich die Ereignisse in Toronto ab, wo die Protestierenden zunächst planten, sich im Herzen der City, im Bay Street District, zu treffen, und dann unverrichteter Dinge in einen kleinen Park am äußeren Rand von Downtown zogen. Das lokale Polizeipräsidium – das immer noch in der Kritik der öffentlichen Meinung nach der brutalen Niederschlagung der Proteste gegen den G20 vom letzten Jahr steht – war noch so gerne bereit, den BesetzerInnen die Übernahme des Parks zu bewilligen.

[2] Vgl. unseren Artikel: Oakland: Occupy Movement Seeks Links With the Working Class, https://en.internationalism.org/icconline/201111/4578/oakland-occupy-movement-seeks-links-working-class [8]

Geographisch: 

  • Vereinigte Staaten [9]

Aktuelles und Laufendes: 

  • Occupy-Bewegung USA [10]
  • Wahlen USA [11]
  • Oakland Occupy [12]

Fukushima - Ein Jahr danach

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Am 11. März überflutete ein gewaltiger Tsunami die japanische Ostküste. Haushohe Wellen richteten ungeheure Verwüstungen an. Mehr als 20.000 Menschen wurden sofort in den Tod gerissen, Tausende gelten heute noch als vermisst, Unzählige verloren ihr Heim. Nun verhält es sich aber so, dass sich weltweit ein Großteil der Menschen an Küsten bzw. in Küstennähe angesiedelt hat; meist leben die Menschen dicht gedrängt in diesen Regionen und sind in wachsendem Maß vom unaufhaltsamen Anstieg des Meeresspiegels bedroht. Die Flutwellen des Tsunami legten all die Gefahren, die aus solch einer dichten Besiedlung entlang der Küsten entstehen, bloß.
Entgegen allen Erwartungen der japanischen Regierung kam es im Kernkraftwerk Fukushima zum Super-Gau. So trat durch das Erdbeben und den Tsunami auf einen Schlag das Gefahrenpotenzial der Küstenbesiedlung in Zeiten steigender Meeresspiegel und angesichts des Umgangs der Herrschenden mit der Kernkraft an den Tag. In diesem Artikel wollen wir uns aus Platzgründen auf die Auswirkungen der Kernschmelze von Fukushima konzentrieren, nicht weil man die anderen zerstörerischen Folgen des Tsunamis vernachlässigen könnte.

Tschernobyl, Fukushima:Hilflosigkeit und Skrupellosigkeit der herrschenden Klasse allerorts

Nach dem Super-Gau in dem Kernkraftwerk begann die Evakuierung der Bevölkerung  viel zu spät und in einem nicht ausreichenden Umfang. Auch wenn man einwenden mag, die Rettungsmaßnahmen und die Evakuierung seien durch die Folgen des Tsunamis verzögert und erschwert worden, so lässt sich nicht leugnen, dass die Regierung eine großräumige Evakuierung vermeiden wollte, weil man sich des ganzen Ausmaßes der entstandenen Gefahren nicht bewusst werden und sie herunterspielen wollte. Schlagartig stellte sich heraus, dass die Verantwortlichen in Japan (die Betreibergesellschaft Tepco und der Staat) mit solch einem Szenario nicht gerechnet hatten und die Sicherheitsvorkehrungen gegen Erdbeben und Tsunamis solchen Ausmaßes völlig unzureichend gewesen waren. Die geplanten Rettungsmaßnahmen und die zur Verfügung gestellten Rettungsmittel ließen das High-Tech-Land Japan als erbärmlich ausgerüsteten, hilflosen Riesen erscheinen.
Wenige Tage nach der Katastrophe, als die Frage einer eventuell nötigen Evakuierung des Großraums Tokio mit seinen 35 Millionen Einwohnern aufkam, wurde diese Überlegung von der Regierung sofort fallengelassen, weil man schlicht die Mittel dazu nicht besaß und dies auch die Gefahr eines Kollapses des Staates heraufbeschworen hätte.
In und um das Kraftwerk herum erreichten die Strahlenmessungen tödlich hohe Werte. Kurz nach Beginn der Katastrophe forderte Premierminister  Kan auf, „ein ‚Selbstmordkommando‘ von Arbeitern zu bilden, die die manuelle Druckentlastung vornehmen sollten.“ (Wikipedia)  Man ließ die vor Ort tätigen Arbeiter völlig unzureichend ausgerüstet die Katastrophe bekämpfen. „Es  mangelte zeitweise an Dosimetern HYPERLINK "file:///F:\lavorareriflettere\Nuklearkatastrophe%20von%20Fukushima%20%20Wikipedia.htm" \l "cite_note-nhk-31-31-381#cite_note-nhk-31-31-381"und an geeigneten und zugelassenen Sicherheitsstiefeln. Ein Mitarbeiter berichtete, dass sich die Arbeiter stattdessen Plastiktüten mit Klebeband um die Schuhe binden.“(Wikipedia). Ein Großteil der Arbeiter musste vor Ort schlafen und konnte sich dabei nur mit Bleidecken zudecken. Der Grenzwert für männliche Kraftwerksarbeiter in Notfallsituationen wurde am 15. März von 100 auf 250 mSv pro Jahr heraufgesetzt.  Teilweise wurden Arbeiter erst Wochen und Monate später gesundheitlich überprüft.
25 Jahre zuvor, als das Kernkraftwerk Tschernobyl in die Luft flog, hatte das im Niedergang begriffene Sowjetregime in Ermangelung technischer Mittel nichts Anderes zu tun gewusst, als ein gewaltiges Heer von meist Zwangsrekrutierten zur Bekämpfung der Schäden ins Inferno zu schicken. Nach Angaben der WHO wurden 600.000 bis 800.000 Liquidatoren entsandt, von denen in der Zwischenzeit Hunderttausende an den Folgen der Verstrahlung verstorben oder an Krebs erkrankt sind. Zahlen wurden von Regierungsseite bislang nie dazu veröffentlicht.  
Jetzt, 25 Jahre später, versuchte das High-Tech-Land Japan hilflos unter Anderem mit Feuerwehrschläuchen und Hubschraubern den Brand zu löschen und die Anlage zu kühlen. Entgegen aller bisherigen Planungsspiele war man gezwungen, gewaltige Mengen Meerwasser zur Kühlung einzusetzen und diese radioaktiv verseuchten Wassermassen ins Meer zurückzuleiten. Während das Sowjetregime vor 25 Jahren Hunderttausende Liquidatoren zwangsrekrutierte, zwang das wirtschaftliche Elend in Japan unzählige Arbeiter dazu, ihr Leben aufs Spiel zu setzen. Tepco rekrutierte unter Obdachlosen und Arbeitslosen, wie zum Beispiel in  Kamagasaki, einem Armenviertel in Osaka, Arbeitskräfte, denen man oft den Einsatzort und die Risiken nicht mitteilte.  Aber nicht nur das Leben der  Liquidatoren setzte man aufs Spiel, sondern auch das der Zivilbevölkerung; insbesondere die Kinder in der Region wurden tatenlos hohen Strahlendosen ausgesetzt. Weil die Emissionen alles Bisherige übertrafen, beschloss die Regierung, die Grenzwerte für Schulkinder in der Region Fukushima auf bis zu 20 Millisievert pro Jahr heraufzusetzen. Nicht nur die Machthaber in der stalinistischen Sowjetunion hatten die Explosion in Tschernobyl in den ersten Tagen gänzlich verschwiegen, auch die demokratische Regierung Japans hat im Falle Fukushimas die Wahrheit verschweigen und das Ausmaß der Katastrophe verharmlosen wollen. An Zynismus und Lebensverachtung stehen die Verantwortlichen in Japan den Machthabern in der stalinistischen Sowjetunion in Nichts nach.

Die langfristigen Folgen heute realistisch einzuschätzen ist völlig unmöglich. Die eingetretene Kernschmelze bedeutet, dass die geschmolzenen Brennelemente  sich zu einem ungeheuer radioaktiven Klumpen gebildet haben, der sich durch den Druckbehälter gefressen hat. Das eingesetzte Kühlwasser selbst ist extrem verseucht, man muss immer wieder kühlen und es entstehen jeweils erneut gewaltige, verseuchte Wassermassen. Nicht nur das Wasser, sondern auch die “ungeschützten” Reaktoren emittieren Cäsium, Strontium, und Plutonium Isotope. Diese werden als „hot particles“ (heiße Partikel) bezeichnet, sie wurden später überall in Japan vorgefunden, so auch in Tokio. Bislang verfügt man über keine technischen Mittel, den in Fukushima entstandenen Atommüll zu entsorgen. Allein das Abkühlen wird Jahre in Anspruch nehmen. In Tschernobyl musste ein Sarkophag errichtet werden, der aber nach ca. 100 Jahren wieder abgerissen werden muss, um dann dem nächsten Platz zu machen. Für Fukushima ist noch keine Lösung in Sicht. In der Zwischenzeit sammelt sich immer mehr verstrahltes Wasser an, und man weiß nicht wohin damit. „Ein Großteil der Radioaktivität entweicht in Fukushima über das Kühlwasser direkt ins Meer, verteilt sich dort über die Meeresströmungen, mit unvorhersehbaren Folgen für den Pazifik, die Nahrungsketten und damit auch für den Menschen. Äußerst fischreiche Bestände vor der Nordostküste Japans sind betroffen, eine Ausbreitung auf z.B. Seelachs in der Beringsee liegt im Bereich des Möglichen. (1)

„Eine so große Freisetzung von Radioaktivität ins Meer hat es (…)  bisher noch nicht gegeben.“ https://www.ippnw.de/commonFiles/pdfs/Atomenergie/Zu_den_Auswirkungen_de... [13]

Weil die Bevölkerungsdichte in dieser Region Japans  etwa 15mal höher als in der Ukraine ist, lassen sich die Folgen für die Bevölkerung jetzt noch nicht genauer abschätzen.

Die Kernschmelze offenbart somit, dass die Folgen solch eines nuklearen Desasters völlig unbeherrschbar sind. Denn die Verantwortlichen hatten nur die Wahl zwischen Pest und Cholera: entweder der Kernschmelze untätig zuzuschauen oder mit Meerwasser Kühlversuche vornehmen, was jedoch damit für eine weitere Ausbreitung der Radioaktivität durch die Löschmittel zu sorgt. Die hilflose Regierung entschied sich für die zweite Alternative, d.h. für die Kontaminierung des Meerwassers durch hochradioaktives Löschwasser.
Dekontaminierung: Statt der Lösung des Problems eine Verschlimmerung des Unheils
Die Versuche, die kontaminierte Erde der Umgebung zu entsorgen, legen eine nicht weniger große Ratlosigkeit und Skrupellosigkeit an den Tag. In der 300.000-Einwohner-Stadt Fukushima wurden bis Anfang August bereits 334 Schulhöfe und Kindergärten saniert, indem die oberen, kontaminierten Schichten ihrer Böden abgetragen wurden. Weil man in der Stadt Koriyama in der Präfektur Fukushima  nicht wusste, wohin mit der verstrahlten Erde, wurde sie zum Entsetzen vieler Eltern auf dem Gelände der Schulen… vergraben. 17 der 48 Präfekturen Japans, darunter auch Tokio, melden außerdem, sie blieben auf radioaktiv verseuchtem Klärschlamm sitzen. Sogar bis in 20 Kilometer Entfernung von Tokio sind verstrahlte Böden gefunden worden. Dabei müssen noch Tausende Gebäude von radioaktiven Partikeln gesäubert werden. Selbst bewaldete Berge werden wahrscheinlich dekontaminiert werden müssen; dies erfordert wahrscheinlich das Abholzen vieler Bäume.
Japanische Medien berichten, dass die Regierung ein Zwischenlager für viele Millionen Tonnen verstrahlten Materials sucht. Weil es keine Lösung gibt, hat man stellenweise radioaktiv verseuchten Müll verbrannt. Durch die dadurch entstehenden Abgase wird die Radioaktivität noch weiter verbreitet.  Diese Ratlosigkeit gegenüber dem entstandenen Atommüll wirft ein Licht auf die grundsätzliche Unlösbarkeit der Entsorgung des radioaktiven Mülls. (2)

Nukleare Entsorgung – die verheerendste Hinterlassenschaft oder: Nach uns die Sintflut

Das Besondere bei der Erzeugung von Atomenergie ist, dass die Strahlung keineswegs ein Ende findet, wenn die Kernkraftwerke nach dem Ende ihrer Betriebszeit abgeschaltet werden, denn mit dem Abschalten ist der Prozess der Kernspaltung nicht abgeschlossen. Was tun mit dem im AKW entstandenen Abfall? Alles, was mit radioaktivem Material in Berührung kommt, wird kontaminiert.
Nach Angaben der World Nuclear Association entstehen Jahr für Jahr 12.000 Tonnen hochradioaktiver Abfälle. Insgesamt sind bis Ende 2010 weltweit bereits etwa 300.000 Tonnen hochradioaktiven Abfalls angefallen. Die in einigen Ländern praktizierte oder geplante geologische Lagerung z.B. in alten Bergwerken ist nichts als eine vorübergehende Notlösung, deren Gefahren man geflissentlich ausblendet. So lagern in Asse, Deutschland, 125.000 Fässer mit Atommüll, die durch die Einwirkung des benachbarten Salzes auf kurz oder lang erodieren werden, wobei schon jetzt immer wieder radioaktiv verseuchte Lauge austritt. Im deutschen Zwischenlager Gorleben haben Experten die Gefahr von Erdstürzen ermittelt. Ähnliche Risiken bestehen bei den meisten „Deponien“ weltweit. Mit anderen Worten: ist schon der Betrieb von AKW mit großen Gefahren verbunden ist, so ist die Entsorgung von Atommüll eine völlig ungelöste Frage. Die jetzigen Verantwortlichen schieben diesen ganzen Müll in Deponien oder Zwischenlager, mit denen unzählige zukünftige Generationen noch zu kämpfen haben werden.
Und der ganz „normale“ Betrieb eines AKW ist keineswegs so „sauber“, wie von den Verteidigern der Nuklearindustrie behauptet. Tatsächlich sind bei der Stromerzeugung zur Kühlung der Brennstäbe gewaltige Mengen an Wasser erforderlich. Deshalb werden Kernkraftwerke gern am Meer oder an Flüssen errichtet. Alle vierzehn Monate wird ein Viertel der Brennstäbe eines jeden Reaktors erneuert; da sie aber weiter hohe Temperaturen aufweisen, müssen die Brennstäbe nach dem Austausch weiter in so genannten Abklingbecken gelagert werden, wo sie zwei bis drei Jahre lang gekühlt werden müssen. Das in den Fluss geleitete Kühlwasser führt zu thermischer Verschmutzung, Algen bilden sich, Fische verenden. Daneben werden chemische Stoffe aus den Kernkraftwerken in die Flüsse eingeleitet (u.a. Natrium, Borsäure, Ammoniak usw.).  Zudem wird auch das Wasser radioaktiv verstrahlt, wenn auch nur geringfügig.

Fast ein Jahr nach der Katastrophe: Welche Konsequenzen haben die Machthaber gezogen?
Sind die Machthaber, die Verantwortlichen an einer Ursachenklärung interessiert? Offensichtlich nicht!  Tatsache ist, dass die ganze Konzeption des AKW in Fukushima nicht für die Bedingungen eines Erdbebens ausgelegt war. Mittlerweile ist bekannt, dass die Betreiberfirma Tepco zuvor viele Störfälle vertuscht und beanstandete Sicherheitsmängel nicht behoben hat, u.a. weil das Werk nach 40 Jahren Laufzeit sowieso außer Betrieb genommen werden sollte. Ausgerechnet der japanische Staat, der durch Institutionen wie das MITI massiv in die Wirtschaft eingreift, um die Konkurrenzfähigkeit des japanischen Kapitals zu stärken, hatte der Atomindustrie geradezu einen Blankoscheck ausgestellt. Selbst als die Fälschung von Untersuchungsberichten oder die Verharmlosung von Störfällen ans Tageslicht kam, zog er keine Konsequenzen. Im Übrigen ist die Neigung, unter dem Wettbewerbsdruck und dem Gewicht der Krise immer weniger in Wartung und Unterhaltung zu investieren, immer weniger qualifizierte Kräfte einzusetzen, weltweit verbreitet. Die kapitalistische Krise macht die Atommeiler noch unsicherer, da die Sicherheitsstandards durch unzureichend ausgebildetes Personal gesenkt werden.
Vor allem aber ist deutlich geworden, dass von den weltweit in Betrieb befindlichen 442 AKW viele in erdbebengefährdeten Gebieten liegen. Allein in Japan wurden mehr als 50 AKW in erdbebengefährdeten Gebieten errichtet. In den USA findet man mehr als ein Dutzend AKW mit ähnlichem Katastrophenpotenzial. In Russland laufen viele AKW ohne automatische Abschaltungsmechanismen im Erdbebenfall.  In der Türkei wurde der Reaktor Akkuyu Bay nahe der aktiven Ecemis-Bruchlinie gebaut. Indien und China planen zurzeit die meisten Neubauten. Dabei ist China mit seinen in Bau befindlichen  27 neuen AKW eines der seismologisch aktivsten Länder. Man könnte diese Liste noch weiter fortsetzen. Anstatt die Gefahren der Natur zu berücksichtigen, hat der Kapitalismus überall tickende Zeitbomben geschaffen! Haben sich die Sicherheitsstandards in den höchst entwickelten Staaten schon als unzureichend herausgestellt, so spotten in jenen Ländern, die erst jetzt in den Betrieb von Atomkraftwerken einsteigen, die Sicherheitsstandards und ihre Erfahrung im Umgang mit Störfällen jeder Beschreibung. Kaum auszumalen, was bei einem Unfall in diesen Breitengraden passieren mag…
Zudem werden die Laufzeiten alter Kernkraftwerke verlängert. In den USA hat man die Laufzeiten auf 60 Jahre verlängert, in Russland auf 45 Jahre. Auf internationaler Ebene gibt es erhebliche Widerstände gegen zu restriktive Sicherheitsstandards und gegen Eingriffe durch internationale Überwachungsbehörden, die über die lückenhaften nationalen Kontrollen der Staaten über die Atomindustrie hinausgehen. Nationale Eigenständigkeit geht vor Sicherheit (3).
Fazit: Trotz Fukushima bleibt die Menschheit weiter auf diesen tickenden atomaren Zeitbomben sitzen, die vielerorts und jederzeit durch Erdbeben, menschliches Versagen, Terrorismus u.a. eine neue Katastrophe bewirken können.
Atomstrom – billig, sauber, alternativlos? Profit auf Kosten der Gesellschaft
Immer wieder wird von den Anhängern der Atomindustrie das Argument gebracht, Atomstrom sei billiger, sauberer und ohne Alternative. Tatsache ist: der Bau eines AKW verschlingt gigantische Summen, die von den Stromerzeugern aufgebracht werden müssen, wobei diese aber von staatlichen Subventionen, d.h. Steuergeldern, bezuschusst werden. Auch der Löwenanteil an den Kosten für die Entsorgung des Atommülls wird von den Betreiberfirmen auf die Gesellschaft abgewälzt. Abgesehen davon, dass man bislang überhaupt kein Konzept für die Entsorgung des Atommülls hat, werden bei der ganzen Kalkulation seitens der Atomlobby diese Entsorgungskosten nicht mit berücksichtigt. Auch wenn Kernkraftwerke nach ca. 50 Jahren Laufzeit außer Betrieb genommen werden müssen, entstehen bislang nicht berücksichtigte gigantische Kosten.
Dasselbe bei einem Störfall oder GAU: Auch hier werden die Kosten auf die Gesellschaft abgewälzt. In Fukushima werden die Folgekosten, deren Ausmaß heute noch gar nicht realistisch kalkuliert werden können, bislang auf 200-300 Milliarden Euro hochgerechnet. Dieser Betrag kann von Tepco nicht gestemmt werden. Der japanische Staat hat schon „Hilfe“ zugesagt, unter der Voraussetzung, dass die Tepco-Beschäftigten Opfer bringen. So sollen die Renten gekürzt, die Löhne gesenkt, Tausende Jobs gestrichen werden. Auch sind Sonderabführungen im japanischen Haushalt vorgesehen.
Aus ökonomischer und ökologischer Sicht sind die tatsächlich Kosten des Betriebs und die ungelöste Frage der Entsorgung ein einziges Fass ohne Boden. Die Atomkraft ist ein in jeder Hinsicht irrationales Projekt. Die Atomfirmen streichen riesige Summen für die Energieerzeugung ein, wälzen aber die „Folgekosten“ auf die Gesellschaft ab. Die Atomkraftwerke verkörpern somit den unüberwindbaren Gegensatz zwischen dem Profitstreben und dem langfristigem Schutz von Mensch und Natur.

Krise und Raubbau an der Natur

Die Atomkraft ist nicht die einzige Gefahr für die Umwelt. Der Kapitalismus betreibt einen ständigen Raubbau an der Natur. Er plündert ohne jegliche Sorge um Nachhaltigkeit alle Ressourcen und behandelt die Umwelt wie eine Deponie. Mittlerweile werden zunehmend ganze Landstriche unbewohnbar, die Meere zugemüllt. Mithilfe einer immer ausgefeilteren Technologie werden Ressourcen ausgeplündert, die vor kurzem noch unerreichbar waren. Dabei wird nicht nur der Einsatz an Mitteln immer gewaltiger und kostspieliger, auch die Risiken und das Zerstörungspotenzial vervielfachen sich. Nachdem im April 2010 im Golf von Mexiko die Ölplattform Deepwater Horizon explodiert war, stieß die Untersuchungskommission auf eklatante Mängel hinsichtlich der Einhaltung von Sicherheitsvorschriften. Der gewaltige Konkurrenzdruck zwingt auch und gerade die großen Konzerne, die gewaltige Investitionen in den Bau und die Wartung ihrer Anlagen und Betriebe vornehmen müssen, in letzter Konsequenz zu einem strikten Sparkurs, was stets auch auf Kosten der Sicherheit geht. Jüngstes Beispiel ist die Ölverschmutzung vor der Küste Brasiliens. All diese Fahrlässigkeiten sind kein auf technologisch rückständige Länder begrenztes Phänomen, sondern nehmen gerade in den höchst entwickelten Staaten die unglaublichsten Dimensionen an.

Eine Bedrohung für die gesamte Menschheit  

Anders als im Fall von Three Mile Island oder Tschernobyl wurde mit der Katastrophe von Fukushima ein dicht besiedelter Großraum, nämlich Tokio mit seinen 35 Millionen Einwohnern, direkt bedroht.
Die Atomenergie wurde im 2. Weltkrieg als ein Instrument der Kriegsführung entwickelt. Der Abwurf der Atombomben auf zwei japanische Städte leitete eine neue Stufe der Zerstörung im niedergehenden kapitalistischen System ein. Der Rüstungswettlauf des Kalten Krieges nach dem 2. Weltkrieg mit seiner systematischen atomaren Hochrüstung hat dieses militärische Vernichtungsarsenal so stark potenziert, dass heute im Falle eines atomaren Schlagabtausches die Menschheit auf einen Schlag ausgelöscht werden könnte. Denn auch mehr als zwei Jahrzehnte nach dem Ende des Kalten Krieges gibt es noch ca. 20.000 Atomsprengköpfe, die die Menschheit zigfach vernichten können.
Mit den Atomunfällen in Three Mile Island, Tschernobyl und Fukushima ist deutlich geworden, dass die Menschheit nicht nur durch den militärischen Einsatz der Atomkraft bedroht ist, sondern auch von der „zivilen“ Nutzung der Kernenergie.  Die japanische Regierung schätzt, dass in Folge der Havarie im Atomkraftwerk Fukushima Dai-ichi eine 168-mal höhere Menge des radioaktiven Isotops Cäsium-137 in der Atmosphäre freigesetzt worden ist als durch die Atombombe in Hiroshima im Jahre 1945. (Shimbun, 25. August 2011).
Die ganze Entwicklung seit dem Beginn der Katastrophe zeigt, dass die Verantwortlichen nichts im Griff hatten, das Ausmaß der Katastrophe verharmlosten und jegliche Kontrolle über die Kosten verloren haben, ohne dass die Verantwortlichen die Konsequenzen gezogen haben. Im Gegenteil. Nicht nur in der Frage der Atomkraft, sondern auch beim Schutz der Umwelt insgesamt zeigen sich die Herrschenden immer rücksichtsloser. (siehe Durban…)  Die Umweltzerstörung nimmt immer bedrohlichere Ausmaße an, die Herrschenden dagegen erweisen sich als immer unfähiger, das Steuer herumzureißen und verantwortungsvolle Maßnahmen zum Schutz der Umwelt zu ergreifen. Der Planet, die Menschheit wird auf dem Altar des Profits geopfert.
Überdies schränkt die Weltwirtschaftskrise, die sich im vergangenen Jahr noch einmal zugespitzt hat, den Spielraum der Herrschenden noch zusätzlich ein, um Schutzmaßnahmen zur Erhaltung der Natur einzuleiten. Der Kapitalismus stürzt die Menschheit nicht nur durch die Krise - mit all ihren katastrophalen Folgen wie Hunger, Verarmung, Kriegen usw. - ins Verderben, er setzt mit seinem Zerstörungspotenzial darüber hinaus die Existenz der gesamten Biosphäre aufs Spiel. Die Atomkraftwerke sind nur die Spitze des Eisbergs.
Ein Wettlauf gegen die Zeit hat eingesetzt. Entweder vernichtet der Kapitalismus den ganzen Planeten,  oder den Ausgebeuteten und Unterdrückten, mit der Arbeiterklasse an ihrer Spitze, gelingt es, das System zu überwinden. Da der Kapitalismus die Menschheit auf verschiedenen Ebenen bedroht (Krise, Krieg, Umwelt), macht es wenig Sinn, sich ausschließlich gegen einen Aspekt der kapitalistischen Wirklichkeit zu richten, z.B. gegen die Atomkraft. Es ist wichtig, die Zusammenhänge zwischen all diesen Schreckensszenarien und ihre Verwurzelung im kapitalistischen System zu erkennen. Es wäre fatal, den Kampf den sog. „Ein-Punkt-Bewegungen“ zu überlassen, die besonders in den 1980er und 1990er Jahren ihr Unwesen trieben (Anti-Atomkraft-Bewegung, Hausbesetzer, Kampf gegen die NATO-Nachrüstung) Kampf. Heute geht es mehr denn je darum, den globalen Bankrott, die Sackgasse des Systems weltweit aufzuzeigen. Wenn man diesen Zusammenhang zwischen Krise, Krieg und Umweltzerstörung außer Acht lässt, landet man unweigerlich auf dem dünnen Eis des Reformismus, und läuft Gefahr, von diesem System absorbiert zu werden.                D., Jan.2012

1) Nordöstlich von Fukushima kommen die beiden Meeresströmungen des warmen Kuroshio und des kalten Oyashio – eines der fischreichsten Gebiete der Welt - zusammen. Die dort aktive japanische Fischerei stellt die Hälfte der in Japan konsumierten Fischprodukte; damit kann die Fischversorgung gefährdet werden.

(2) https://news.ippnw.de/index.php?id=72 [14] , Nach Angaben japanischer Umweltorganisationen plant die Regierung, den kontaminierten Schutt aus der Region um Fukushima über das ganze Land zu verteilen und zu verbrennen. Das japanische Umweltministerium schätzt die Menge an Bauschutt aus der Katastrophe im März in den Küstengebieten von Iwate, Miyagi und Fukushima auf etwa 23,8 Millionen Tonnen. Ein erster Transport von etwa 1000 t Schutt nach Tokio aus Iwate hat Anfang November bereits stattgefunden, wie die Mainichi Daily News berichtete. Die Regierung Iwates schätzt, dass diese Trümmer 133 bq/kg radioaktives Material enthalten. Vor März wäre dies illegal gewesen, aber die japanische Regierung änderte im Juli das Sicherheitsniveau für Bauschutt von 100 bq/kg auf 8000 bq/kg und im Oktober auf 10.000 bq/kg. Tokio hat angekündigt insgesamt 500.000 t Schutt zu übernehmen.

3. Zur Haltung des deutschen Kapitals, das nach Fukushima den Ausstieg bis 2022 beschloss, siehe unsere Artikel in Weltrevolution Nr. 168;169.

Aktuelles und Laufendes: 

  • Fukushima [15]
  • Tschernobyl [16]
  • Fukushima - ein Jahr danach [17]
  • Dekontaminierung [18]
  • Entsorgung [19]
  • Atomkraft [20]

Rechtsterrorismus in Deutschland: Die bürgerliche Demokratie und die Neonazis – eine verhängnisvolle Affäre

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Mittlerweile sind mehr als zwei Monate seit der Selbsttötung der beiden Neonazis Böhnhardt und Mundlos vergangen, doch die Schockwellen, die durch das Land rasten, nachdem sich das Ausmaß der Verbrechen des so genannten „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) angedeutet hatte, sind noch längst nicht verebbt. Im Gegenteil. Keine Woche ist seither vergangen, ohne dass neue Untaten dieser Bande ans Tageslicht gekommen sind: Kaum hatte sich herausgestellt, dass die beiden (im Verein mit ihrer Komplizin Zschäpe) nicht nur für zahlreiche Bankraube in der Region verantwortlich waren, sondern auch im April 2007 den rätselhaften Mordanschlag auf eine Polizistin und ihren Kollegen in Heilbronn begangen hatten, wurde aus den Trümmern des von Zschäpe kurz nach der Selbsttötung ihrer beiden Kumpanen in die Luft gesprengten Domizils des Neonazi-Trios jene Waffe geborgen, mit der vom September 2000 bis April 2006 eine ebenso beispiellose wie mysteriöse Mordserie an neun überwiegend türkischstämmigen Kleinhändlern begangen worden war. Schließlich verdichteten sich auch die Beweise für eine Verstrickung dieses Trios in einen Nagelbombenanschlag im Juni 2004 in Köln-Mülheim, einem überwiegend von Immigranten bewohnten Stadtteil, bei dem fast zwei Dutzend Menschen verletzt wurden. Und vieles spricht dafür, dass diese Bande noch für weitere ungelöste Bombenanschläge und Mordfälle in den letzten dreizehn Jahren die Urheberschaft trägt.

Aber es vergeht seitdem auch kaum ein Tag, an dem die Öffentlichkeit nicht von neuen Pannen, Pleiten und Inkompetenzen der so genannten Strafverfolgungsbehörden des deutschen Staates erfährt. Wenn es stimmt, was jetzt offiziell verlautbart wird, dann konnte diese Bande dreizehn Jahre lang ihr Unwesen treiben, ohne dass die Behörden eine Ahnung von ihrer Existenz hatten, dann konnte dieses Trio Menschen ermorden, Banken ausrauben, Anschläge gegen jüdische und muslimische Einrichtungen begehen, ohne dass der hochgerüstete Polizeiapparat auch nur im Ansatz einen Zusammenhang zwischen all diesen Taten herstellen konnte. Demnach tappten Bundes- und Landeskriminalämter sowie die lokale Polizei die ganzen Jahre über völlig im Dunklen und stritten die Existenz eines Rechtsterrorismus noch ab, als er längst unter uns wütete. Und hätten die drei nach ihrem Abgang nicht unübersehbare Spuren hinterlassen – wie die beiden in den Trümmern sichergestellten Waffen, mit denen sie ihre Morde begingen, und eine Selbstbezichtigungs-DVD -, dann wären sie aller Wahrscheinlichkeit als bloße Bankräuber in die Kriminalstatistiken eingegangen, ohne jeglichen Bezug zu ihrer den Behörden wohlbekannten rechtsradikalen Gesinnung.

Wie konnte das geschehen? Wie ist es zu erklären, dass trotz eines hochgerüsteten Überwachungsapparates wie dem Verfassungsschutz oder dem Bundeskriminalamt, trotz der Durchsetzung des rechtsextremen Milieus mit V-Leuten den staatlichen Behörden das Treiben dieses Neonazi-Trios über ein Jahrzehnt lang völlig entgangen ist? Sind Letztgenannte etwa vom Verfassungsschutz gedeckt worden, wie da und dort schon gemunkelt wird? Oder handelt es sich bei dieser Affäre um einen „Unfall“, der aus Sicht der deutschen Bourgeoisie zur Unzeit kommt?

Demokratie und Faschismus – eine symbiotische Beziehung

All die Beteuerungen der Repräsentanten unserer grandiosen Demokratie, sie seien nicht blind auf dem rechten Auge, erweisen sich, um es vorweg zu nehmen, als bloße Lippenbekenntnisse, mit denen suggeriert werden soll, dass der bürgerlich-demokratische Staat und seine Organe zum Rechtsextremismus wie zum Linksextremismus die gleiche Distanz wahrt. Dabei ist die Affinität zwischen dem bürgerlich-demokratischen Staat und den faschistischen Strömungen historisch belegt.

Es gibt genügend Beispiele dafür, dass demokratische Regimes keinerlei Berührungsängste gegenüber dem Rechtsextremismus haben, sofern es die Umstände erfordern. Sicherlich, in Zeiten des sozialen „Friedens“ möchte die demokratisch-parlamentarische Demokratie am liebsten nichts von ihren rechten Schmuddelkindern wissen. Doch wehe, das Gespenst des revolutionären Klassenkampfes taucht auf - spätestens dann lässt die herrschende Klasse ohne Zögern alle demokratischen Grundsätze fahren und bedient sich der faschistischen Schergen. So geschehen in der deutschen Revolution von 1918-23, als es die SPD unter der Führung des selbsternannten Bluthundes Noske war, die die sog. Freikorps zur Niederschlagung der revolutionären Kämpfe des deutschen Proletariats schuf, ein Sammelbecken allerlei sinistrer, entwurzelter Elemente und eine Urzelle des späteren Nationalsozialismus. Ferner ist es ein offenes Geheimnis, dass Teile der angelsächsischen Elite offene oder heimliche Sympathien für Hitler und Konsorten hegten, dass Stalins Außenposten in Deutschland, die KPD der dreißiger Jahre, bisweilen gemeinsame Sache mit den Nazis machte.

Diese unselige Allianz von Teilen des demokratischen, antifaschistischen Staates mit dem Faschismus setzte sich nach dem Untergang des „III. Reichs“ nahtlos fort. Stichpunkt „Rattenlinie“: zahllose Nazigrößen wurden in den Jahren nach Ende des II. Weltkriegs von amerikanischen Geheimdiensten mit Hilfe des Vatikans nach Südamerika geschleust. Schließlich wollte man von ihrem blutigen Handwerk lernen; keinesfalls aber sollte ihr Wissens- und Erfahrungsschatz dem immer stärker auftrumpfenden imperialistischen Kontrahenten UdSSR in die Hände fallen. Stichpunkt „Org“: die „Organisation Gehlen“ (wie ihr vollständiger Name lautete), die Vorläuferorganisation des BND, wurde von der amerikanischen Besatzungsmacht nach dem Krieg initiiert und schmückte sich vornehmlich mit alten Nazikadern des „III. Reichs“. Stichpunkt „Gladio“: unter diesem italienischen Begriff (deutsch: Schwert) wurde 1990 eine ungeheure Verschwörung von Teilen der westeuropäischen und US-amerikanischen Bourgeoisie gegen die Bevölkerung westeuropäischer Länder bekannt. Anfang der 1950er Jahre in etlichen westeuropäischen Ländern als Geheimarmee mit Hilfe des CIA und diverser westeuropäischer Geheimdienste gebildet, um im Falle eines sowjetischen Einmarsches hinter den Linien zu operieren, rekrutierten sich die nationalen Ableger dieser Geheimorganisation mit Vorliebe aus Rechtsextremisten und legten heimliche Waffendepots an. Als der sog. Eurokommunismus, eine weichgespülte Form des Stalinismus in den 70er und 80er Jahren, sich anschickte, die Regierungsmacht in Italien zu übernehmen, begingen italienische Neofaschisten unter Federführung  italienischer und US-amerikanischer Geheimdienste eine Serie äußerst brutaler Morde und Anschläge – der bekannteste war sicherlich der verheerende Bombenanschlag auf den Hauptbahnhof von Bologna 1980, der 85 Tote und 200 Verletzte forderte -, die stets den Linksterroristen der Roten Brigaden oder Anarchisten in die Schuhe geschoben wurden. Mit dieser „Strategie der Spannung“ sollte in Italien ein Klima der Verunsicherung geschaffen werden, mit dem insbesondere die Arbeiterklasse von der Wahl der italienischen KP abgehalten werden sollte.

Typisch italienisch? Keineswegs. Auch in der Bundesrepublik gab es seit den 50er Jahren einen Ableger dieses geheimen Netzwerkes – der „Bund Deutscher Jugend – Technische Hilfe“ (BDJ-TH); auch der deutsche Ableger setzte sich aus zwielichtigen Elementen zusammen – zunächst aus Altnazis und ehemaligen Wehrmachtsangehörigen, später aus Neonazis. Und auch Deutschland hatte sein Bologna. Im September 1980 beging der Rechtsextremist Gundolf Köhler einen Bombenanschlag auf das Münchner Oktoberfest, dem dreizehn Menschen (einschließlich des Täters) zum Opfer fielen und bei dem über zweihundert weitere Menschen zum Teil schwer verletzt wurden. Auch dieser Anschlag wurde – wie in Bologna – zunächst den Linksterroristen in die Schuhe geschoben. Und als diese Version nicht mehr aufrechtzuerhalten war, konstruierten Politik und Justiz die These des irren Einzeltäters, obwohl Köhlers Mitgliedschaft in der „Wehrsportgruppe Hoffmann“ längst aktenkundig war - einer paramilitärischen Nazitruppe, die, von Teilen der herrschenden Klasse (insbesondere der bayrischen Regierungspartei CSU) verharmlost und von der Justiz gedeckt, nicht nur am Wochenende durchs Gelände robbte, sondern  auch aller Wahrscheinlichkeit nach für die Morde an dem jüdischen Verleger Lewin und dessen Ehefrau Poeschke verantwortlich war. Es mutet wie ein Witz an, dass jetzt, im Schatten der aktuellen Affäre, das Ermittlungsverfahren in der Causa Münchner Oktoberfest wieder neu aufgerollt werden soll, nachdem bis dato mehrere Versuche einer Wiederaufnahme dieses Verfahrens an der Justiz gescheitert waren und… etliche Beweisstücke aus der Asservatenkammer der Untersuchungsbehörden verschwunden sind.

Nun, mit dem Zusammenbruch des Ostblocks gibt es zwar keine Existenzgrundlage mehr für „Gladio“ und ähnliche Auswürfe des Kalten Kriegs, dafür stellte sich insbesondere Deutschland (als ehemaliger Anrainerstaat zum Ostblock) und der deutschen Bourgeoisie ein neues Problem, das Anfang der 90er Jahre unter dem ebenso hässlichen wie menschenverachtenden Begriff der „Asylantenschwemme“ durch die bürgerlichen Medien geisterte. Mit dem Fall des Eisernen Vorhangs zwischen Ost und West und dem gleichzeitigen Verfall der gesellschaftlichen Strukturen in den Ländern des ehemaligen Ostblocks drohte neben dem Strom der Verelendeten aus Afrika und Asien nun ein neuer Exodus, diesmal aus Osteuropa, zumal sich durch den Kollaps des Grenzregimes in diesen Ländern neue Einfallstore auch für Asylsuchende aus dem Rest der Welt in die Länder Westeuropas öffneten. Die deutsche Bourgeoisie konnte kein Interesse an der Aufnahme dieser armen Teufel haben, hatte sie doch ohnehin genug zu tun, um die soziale Lage angesichts der Explosion der Massenarbeitslosigkeit insbesondere in Ostdeutschland ruhig zu halten. So kämpfte sie denn auch mit allen Mitteln gegen den Ansturm von Wirtschaftsflüchtlingen an. Mit politischen Mitteln, indem sie durchsetzte, dass Asylsuchende auch in die Länder zurückgeschickt werden konnten, durch die sie nach Deutschland geschleust wurden. Mit juristischen Mitteln, indem die Asylverfahren verkürzt wurden, natürlich zu Ungunsten der Asylsuchenden. Und mit polizeilichen Mitteln wie der Zwangsrückführung von Asylsuchenden in ihre Herkunftsländer, was für etliche dieser Flüchtlinge den sicheren Tod bedeutete.

Doch ihr effektivstes Abschreckungsmittel war der rechtsradikale Mob, der jahrelang nahezu ungestört wüten und Asylheime abfackeln konnte, der auf alles Jagd machte, was nicht in sein dumpfes Menschenbild passte, und etliche Jahrgänge der so genannten Wendegeneration besonders (aber nicht nur) in Ostdeutschland zu Rassismus und Fremdenfeindlichkeit verführte. Die Folge: noch heute weisen die neuen Bundesländer den mit Abstand niedrigsten Ausländeranteil auf. Unbehelligt von den Behörden konnten Neonazis bis heute ganze Regionen in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und anderswo zu „ausländerfreien Zonen“ erklären und ihr völkisches Gedöns praktizieren. Bei alledem liegt der Schluss nahe, dass den Herrschenden das Treiben der rechtsradikalen Vogelscheuchen in gewissen Grenzen durchaus nicht unliebsam war. Ihr Vorgehen gegenüber den rechtsextremistischen Gewaltorgien erschöpfte sich jedenfalls darin, rechtsextremistisch motivierte Straftaten zu bagatellisieren und zu vertuschen. Bis heute sind in den offiziellen Statistiken der Bundesregierung zwischen 1990 und 2008 nur 46 Tötungsdelikte mit rechtsextremistischem Hintergrund erfasst, wohingegen Nachforschungen zweier bürgerlicher Zeitungen, DIE ZEIT und DER TAGESSPIEGEL, allein auf 137 rechtsextremistisch motivierte Morde an Ausländer, Immigranten, Homosexuelle und Andersdenkende kommen. Auch die Justiz der sonst so „wehrhaften Demokratie“ zeigte sich erstaunlich zahm und ermunterte mit ihren milden Strafen (oftmals erst nach monatelanger Verzögerung) den rechten Mob.

Kein Zweifel, die politische Blindheit der Herrschenden auf dem rechten Auge hat durchaus einen systemischen Charakter. Und das kann auch nicht verwundern. Die Bourgeoisie ist sich sehr wohl bewusst, aus welcher Richtung ihr wirklich Gefahr droht. Sie kommt mit Sicherheit nicht von rechts. Auch die sozialromantische und pseudorevolutionäre Rhetorik, derer sich die Nazis von einst und heute zuweilen bedienen, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Faschismus historisch betrachtet stets ein treuer Diener seines nationalen Kapitals war. Sein Bestreben galt nie der Abschaffung des Privateigentums an Produktionsmitteln, sondern allenfalls dem Raub fremden Eigentums durch Krieg und Genozid. Auch heute, wo der Rechtsextremismus politisch nur noch eine marginale Rolle spielt, gibt es mit der Frage des Nationalismus immer noch eine erhebliche Schnittmenge zwischen den rechten Schlägern und Kreisen des staatskapitalistischen Regimes, die sich in der klammheimlichen Sympathie und Kumpanei von Teilen des Polizei- und Verfassungsschutzapparates mit dem Chauvinismus der Neonazis manifestiert.  In der Tat geht die Gefahr für die Herrschenden stets von links aus. Sie geht von jenen Menschen aus, die das Privateigentum an Produktionsmitteln als asozial empfinden, die die ungleiche Verteilung des Reichtums anprangern, die letztendlich nichts Geringeres anstreben als einen „Systemwechsel“. Sie manifestiert sich in der unausrottbaren Idee vom Kommunismus, von einer Gesellschaft ohne Privateigentum und Klassen.

Die Demokratie und die Geister, die sie rief

Es wäre aber voreilig, von der allgemeinen Feststellung einer Komplizenschaft zwischen Demokratie und Rechtsextremismus auf die besonderen Hintergründe des braunen Terror-Trios zu schließen und zu meinen, hinter dem Neonazi-Terror stecke eine Verschwörung der Herrschenden, wie in der o.g. „Gladio“-Affäre. Sicherlich, es ist nicht auszuschließen, dass Teile der Repressionsorgane mehr wissen, als sie zugeben. Mag sein, dass subalterne Beamte des Verfassungsschutzes gemeinsame Sache mit Neonazis machen. Doch stellt man sich die Frage, wem die Affäre nützt, so muss man zum Schluss kommen, dass die herrschende Klasse in Deutschland in ihrer Gesamtheit mit Sicherheit nicht zu den Nutznießern zählt; gar nicht zu reden von der Rechten, die, wie die NPD, mit einem Verbot und damit mit dem Entzug von Staatsknete rechnen muss.

Die deutsche Bourgeoisie gleicht in ihrem Umgang mit dem Rechtsextremismus vielmehr dem Zauberlehrling, der die Geister, die er rief, nicht mehr los wird. Schon Ende der 1990er Jahre hatte sie sich bei ihrem Spiel mit dem Feuer die Finger verbrannt, als sich rechtsextremistische Gewalttäter zunehmend auch an ausländischen Touristen, an britischen und italienischen Arbeiter vergriffen und somit drohten, den internationalen Ruf Deutschlands zu beschädigen. Die politische Klasse sah sich veranlasst, ein Stopp-Zeichen zu setzen; der damalige Bundeskanzler Schröder rief zum „Aufstand der Anständigen“ auf. Lichterketten wurden gebildet, Rockkonzerte gegen Rechts veranstaltet. Es wurde eine spezielle Task Force von der Polizei zusammengestellt, die an den Brennpunkten des rechten Milieus Präsenz zeigen und Gewalttätigkeiten schon im Ansatz ersticken sollte. Alles im Griff, sollte uns suggeriert werden. Und wirklich: die Berichte über rechte Übergriffe in den Massenmedien nahmen allmählich ab, der Rechtsextremismus verschwand aus dem Blickfeld des öffentlichen Interesses.

Doch in Wahrheit zeigte sich, dass die staatlichen Repressionskräfte gar nichts im Griff hatten, dass sie die Kontrolle über weite Teile der radikalisierten Rechten (wie z.B. die „Nationalen Autonomen“) verloren haben. Trotz der „Kooperation“ mit mehr als 130 V-Leuten in der NPD, trotz der Tatsache, dass allein sieben V-Leute im direkten Umfeld der Zwickauer Terrorbande platziert waren, sahen sich die Behörden außerstande, die verhängnisvolle Entwicklung zum Rechtsterrorismus beizeiten zu erkennen und einzudämmen, die im Schatten des „Aufstandes der Anständigen“ begonnen hatte. Alle Versuche der Verfassungsschutzbehörden, die drei untergetauchten Neonazis ausfindig zu machen, liefen ins Leere: So versuchte man beispielsweise vergeblich, dem Trio über V-Leute ein Handy zukommen zu lassen, mit dessen Hilfe man sich eine Ortung der drei erhoffte. Es flossen Geldsummen, um den dreien die Finanzierung falscher Papiere zu ermöglichen, auch hier vor dem Hintergrund, sie so besser lokalisieren zu können, auch dies vergeblich. Zu allem Überfluss wurden diese eher verzweifelt anmutenden Fahndungsversuche Mitte des vergangenen Jahrzehnts wegen Verjährung der bis dato bekannten Straftaten der drei auch noch gänzlich eingestellt. So konnten Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe jahrelang völlig ungestört ihr blutiges Handwerk verrichten, zumal sie es in ihrer Feigheit peinlichst vermieden hatten, zu ihren Lebzeiten ein Bekenntnis zu ihren Untaten abzulegen.

Man kann getrost davon ausgehen, dass das Ausmaß der Verbrechen des braunen Terrornestes, deren Beweise in den Trümmern des ausgebrannten Wohnmobils und des in die Luft gejagten Hauses, das die drei bewohnt hatten, nach und nach geborgen wurden, die politische Klasse hierzulande in gewisser Weise in einen Schockzustand versetzt hat, von dem sie sich bis heute noch nicht ganz erholt hat. Ihr Entsetzen scheint nicht gespielt zu sein. Konsterniert muss sie feststellen, dass sie sich jahrelang in der falschen Gewissheit gewiegt hat, die Rechtsextremisten seien zum Terrorismus nicht fähig. Nicht nur, dass sich hinter dem Neonazi-Trio ein ganzes Netzwerk von Unterstützern verbarg, von dessen Existenz die staatlichen Behörden ebenso wenig Kenntnis hatten wie von dem „Nationalsozialistischen Untergrund“ selbst. Den Behörden schwant noch Schlimmeres: mehr als 140 polizeilich registrierte Rechtsextremisten sind derzeit schlicht von der Bildfläche verschwunden. Erst jetzt beginnen Verfassungsschutz und Polizei zu überprüfen, ob sie einfach nur vor drohenden Unterhaltszahlungen abgetaucht sind, Urlaub im Ausland machen oder – wie Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe – in den Untergrund gegangen sind.

Nun, wo das Kind in den Brunnen gefallen ist, ist das Geschrei unter den Herrschenden groß. Bundeskanzlerin spricht von einer „Schande für Deutschland“, die Bundesjustizministerin kündigt Entschädigungszahlungen für die Angehörigen der Opfer an, und Bundespräsident Wulff macht den Kampf gegen den Rechtsextremismus zum Bestandteil seiner Weihnachtsansprache. Bundesinnenminister Friedrich richtet sogleich ein „Abwehrzentrum“ gegen den Rechtsterrorismus ein, und alle im Bundestag vertretenen Parteien sind sich darin einig, ein Verbot der NPD zu prüfen. Die Entrüstung der politischen Klasse über das Nazi-Trio ist die Entrüstung von Ertappten, die ihre rechtsradikalen Schergen viel zu lange an der langen Leine gehalten hatten und nun bestürzt feststellen, dass die ganze Sache außer Kontrolle geraten ist, dass die Neonazis mit ihren mörderischen Taten weit über das Ziel, die Abschreckung von Asylsuchenden, hinausgeschossen sind. Was wir jetzt erleben, ist das Bemühen des deutschen Staates, seine entlaufenen Bluthunde wieder einzufangen und an die Kette zu legen.

Zeitpunkt und Umstände der Entlarvung des Terror-Trios konnten aus der Sicht der deutschen Bourgeoisie nicht ungünstiger sein. Denn heute steht für sie weitaus mehr auf dem Spiel als der Ruf ihres Wirtschaftsstandortes. Damals, in den 90er Jahren, galt Deutschland als der „kranke Mann Europas“; es war sein schlechter wirtschaftlicher Zustand, der damals die besorgten Blicke des Auslandes auf sich zog. Die Übergriffe der Rechten gegen Arbeiter aus Großbritannien und Italien waren – neben den aus Sicht ausländischer Unternehmen zu hohen Sozialstandards und der „Unbeweglichkeit“ des deutschen Arbeitsmarkts – nur ein weiterer Faktor, der ausländische Investoren abschreckte. Heute dagegen ist der deutsche Imperialismus obenauf und seine Kontrahenten auf dem absteigenden Ast. Die sog. Euro-Krise scheint möglich zu machen, was der deutsche Imperialismus im 20. Jahrhundert mit militärischen Mitteln stets angestrebt, aber nie erreicht hatte – die Bildung eines Europas nach deutschem Abbild, nach deutschen Regeln und Standards, ein „deutsches“ Europa. Je erfolgreicher sich Merkel aber auf den nahezu wöchentlichen Krisensitzungen der Euro-Zone durchsetzt, desto aggressiver werden die Reaktionen der europäischen Widersacher Deutschlands. Schon heute gehören Analogien zum Hitlerfaschismus (das „IV. Reich“, Merkel mit Hitler-Bärtchen)) zum täglichen Sprachgebrauch ausländischer europäischer Medien. Mit Argusaugen achten sie auf jede Regung der hiesigen politischen Klasse, suchen nach Hinweisen auf eine Wiederbelebung des alten deutschen Revanchismus. So ließ beispielsweise die Äußerung des CDU-Generalsekretärs Kauder: „Jetzt wird deutsch gesprochen in Europa“ die Wellen im europäischen Ausland hoch schlagen.

Vor diesem Hintergrund ist die Neonazi-Affäre natürlich ein gefundenes Fressen für die Rivalen des deutschen Imperialismus, lässt sich doch damit vorzüglich der alte Popanz aus der nationalsozialistischen Vergangenheit Deutschlands zu neuem Leben erwecken. In der ausländischen Presse ist das Terror-Trio der Aufhänger: In spanischen Zeitungen wird die Frage gestellt, wie eine solche Bande dreizehn Jahre lang unentdeckt von den Behörden bleiben konnte. In der türkischen Presse vergleicht man diese Affäre mit der „Ergenekon“-Verschwörung in der Türkei und unterstellt damit Teilen des deutschen Staates, das Terror-Trio gedeckt zu haben.  Für die deutsche Bourgeoisie bedeutet diese Affäre, die wie ein Blitz aus heiterem Himmel kam, einen politischen Flurschaden von erheblichem Ausmaß. Sie, die sich anschickt, Europas Politik zu diktieren, weiß, dass nichts schädlicher ist für ihre Ambitionen als eine braun befleckte Reputation. Und genau darum geht es. Wie sagte Außenminister Westerwelle kürzlich? "Das ist nicht nur furchtbar für die Opfer, das ist nicht nur schlimm für unser Land, es ist vor allen Dingen auch sehr, sehr schlimm für das Ansehen unseres Landes in der Welt." (Hervorhebung von der Red.) Immerhin nannte er die Opfer noch an erster Stelle, wenngleich er ihre Angehörigen zu erwähnen vergaß, die seit der Ermordung ihrer Väter, Brüder, Cousins mit dem von der Polizei und der Presse lancierten Verdacht leben mussten, ihre  Angehörigen seien wahrscheinlich im Drogenhandel oder anderen kriminellen Geschäften verwickelt gewesen und von der „türkischen Mafia“ erschossen worden. Doch „vor allen Dingen“ geht es den Herrschenden hierzulande darum, Schaden von ihrem Staat abzuwenden. All ihre Goodwill-Aktionen wie die Auszahlung von Entschädigungsgeldern an die Angehörigen der Opfer, die Einladung der Angehörigen durch den Bundespräsidenten und die öffentlich zur Schau gestellte Zerknirschung der politischen Klasse dienen nur diesem einen Zweck.

Die Bourgeoisie in der Zwickmühle zwischen Nation und Weltmarkt

Einer der vielen Antagonismen, die den Kapitalismus prägen, ist der Widerspruch zwischen der Nation und den Weltmarkt. Beide Phänomene gehören zum Kapitalismus wie die weltliche und geistliche Macht zum Feudalismus; sie sind erst mit dem Kapitalismus buchstäblich zu einem Begriff geworden. Von Anbeginn seiner Existenz strebte der Kapitalismus ökonomisch zum internationalen Warenhandel, zum Weltmarkt eben, aber politisch organisierte er sich von Anfang an in einem strikt nationalen Rahmen. Dieser unlösbare Widerspruch – einerseits das Bedürfnis der Nation nach Abgrenzung und Unterscheidung, andererseits die Forderung des Weltmarktes nach Durchlässigkeit und Aufhebung der Grenzen – zieht sich wie ein Riss quer durch die gesamte Bourgeoisie. Da haben wir auf der einen Seite zum Beispiel die Spitzenmanager von Großkonzernen, die sich vom Scheitel bis zur Sohle polyglott geben, die, allein schon um auf dem Weltmarkt zu überleben, grenzüberschreitend bei der Auswahl der Produktionsstandorte, der Arbeitskräfte sind und die in globalen, nicht nationalen Kategorien denken. Auf der anderen Seite haben wir neben anderen die Verfassungsschützer, deren größte Sorge die Erhaltung des Status quo, der Schutz ihres Brötchengebers, des Nationalstaates, ist, deren Interessen nicht vornehmlich dem freien und grenzenlosen Austausch von Gütern (einschließlich der Arbeitskräfte), dem internationalen Warenhandel gelten, sondern der nationalen Sicherheit. Für sie ist die Nation nicht Mittel zum Zweck, sondern der Zweck, der alle Mittel heiligt.

Die Bourgeoisie kann diesen Widerspruch zwischen der Nation und dem Weltmarkt nicht auflösen; stattdessen laviert sie zwischen beiden Polen hin und her. Die Folgen dieses Widerspruchs für die Politik der Herrschenden werden exemplarisch am Fall Deutschland deutlich. So verdankte der Nationalsozialismus seinen Aufstieg in den 30er Jahren nicht nur dem desolaten Zustand einer geschlagenen, verratenen und enthaupteten Arbeiterklasse, sondern auch dem nicht minder desolaten Zustand der deutschen Wirtschaft im Besonderen und der Weltwirtschaft im Allgemeinen. Es war unter anderem der damals allseits praktizierte Protektionismus – als Reaktion auf die Weltwirtschaftskrise -, die Abschottung der nationalen Volkswirtschaften, die die deutsche Bourgeoisie dazu veranlasste, die Karte des Nationalsozialismus zu ziehen, dessen politisches Programm im Kern in der Überhöhung der deutschen Nation und in der Ersetzung des Welthandels durch schlichten Raub mit militärischen Mitteln bestand.

Zurzeit befindet sich die kapitalistische Gesellschaft in einer Krise, die noch schlimmer ist als die Weltwirtschaftskrise, die 1929 die Welt heimsuchte. Dennoch fristet der rechte Flügel der deutschen Bourgeoisie ein marginales Dasein. Deutschland ist so gut wie das einzige Land in Europa ohne eine nennenswerte rechtspopulistische oder rechtsextreme Massenbewegung. Und dies nicht ohne Grund. Anders als in den 30er Jahren, als besonders der deutsche Kapitalismus unter den vorherrschenden protektionistischen Tendenzen in der Weltwirtschaft litt, profitiert heute keine andere Volkswirtschaft von der Öffnung aller Grenzen für den Warenhandel so stark wie die deutsche. Als eine der führenden Exportnationen der Welt hat das deutsche Kapital nicht das geringste Interesse am „nationalen Programm“ einer NPD. Europa-feindliche Tendenzen können vielleicht die auf das Niveau einer Splitterpartei abgesunkene FDP erschüttern, für die herrschenden Kreise hierzulande sind sie irrelevant. Unfähig, die Gesellschaft mit politischen Mitteln zu erobern, ohne jegliche Perspektive einer Massenbewegung nach dem Vorbild des Nationalsozialismus ist es nur folgerichtig, dass einige Desperados aus dem rechtsextremen Milieu in den nackten Terror flüchten und völlig irrationale Taten begehen, Taten, die weder für die NPD als einzig verbliebene politische Organisation am rechten Saum der Gesellschaft noch für irgendeine Fraktion innerhalb der deutschen Bourgeoisie von Nutzen sind. Im Gegenteil.

Heute hat vielmehr die Stunde der Demokraten, der Antifaschisten und besonders der bürgerlichen Linken geschlagen, ist die Demokratie längst zur adäquatesten Herrschaftsform des Kapitalismus in den westlichen Industrieländern, auch in Deutschland geworden. Nur sie und ihre Protagonisten sind in der Lage, den Gegensatz zwischen den nationalen Interessen und den Anforderungen eines entfesselten Weltmarktes zu übertünchen. Dies lässt sich am besten an der Ausländerpolitik illustrieren: Während die Rechte des Kapitals mit ihrer Losung „Deutschland dem deutschen Volk!“ nicht nur völlig an der Realität einer Arbeiterklasse in Deutschland vorbeigeht, die schon längst international geworden ist, sondern auch den demographischen Wandel ignoriert, der die deutsche Bourgeoisie zum „brain drain“ (d.h. zur Rekrutierung von ausgebildeten Arbeitskräften in der 3. Welt) geradezu zwingt, weiß die Linke des Kapitals sehr wohl zu unterscheiden zwischen „nützlichen Ausländern“ – beispielsweise IT-Spezialisten aus Indien –, die sie willkommen heißt, und den unerwünschten Elendsflüchtlingen aus Afrika. Während die rechten Glatzen mit roher Gewalt und zur Empörung der Mehrheit der Bevölkerung Fremde mit südländischem Aussehen terrorisieren, lassen die Technokraten des demokratischen Regimes die Wirtschaftsflüchtlinge diskret und unter Ausschluss der Öffentlichkeit auf hoher See verrecken und schieben jene, denen die Flucht ins „Gelobte Land“ gelungen ist, geräuschlos ab, wobei sie bewusst den Tod vieler dieser Flüchtlinge in Kauf nehmen. Während die Rechten die EU uneingeschränkt ablehnen und den Austritt Deutschlands fordern, was auf eine katastrophale Isolierung des deutschen Kapitals auf dem Weltmarkt hinauslaufen würde, halten die etablierten Parteien trotz aller Krisen unbeirrt an dem Projekt eines gemeinsamen europäischen Raumes fest, weil sie wissen, dass es den nationalen Interessen Deutschlands am besten gerecht wird. Und während die Neonazis mit ihrer irren Version einer „Volksgemeinschaft“ allenfalls bei einigen Dörflern in Brandenburg oder Mecklenburg auf Gegenliebe stoßen, erweist sich das Modell einer „pluralistischen Demokratie“ heute als das effektivste Mittel der Bourgeoisie, um der aufkeimenden sozialen Unruhe Herr zu werden.

So mag der Rechtsextremismus in seiner gewalttätigsten Form, wie er sich in Gestalt stiernackiger Glatzen, aber auch des Terror-Trios äußert, eine Gefahr für Leib und Leben einzelner Angehöriger der Arbeiterklasse sein, doch auf politischer Ebene droht die wirkliche Gefahr für die Arbeiterklasse in ihrer Gesamtheit von der anderen Seite, vom linken Arm des bürgerlichen Herrschaftsapparates. Nicht nur, dass er in seiner gewerkschaftlichen Ausprägung einen enormen Erfahrungsschatz hat, um Arbeiterkämpfe zu sabotieren; darüber hinaus sorgt er mit seiner Verteidigung der bürgerlichen Demokratie und somit der kapitalistischen Produktionsverhältnisse dafür, dass der Schoß, aus dem der Faschismus einst kroch, fruchtbar bleibt.                                                                                                   2.1.2012

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