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"Horror", "Massaker", "Terrorismus", "Terror", "Kriegsverbrechen", "humanitäre Katastrophe", "Völkermord"... Die Worte, die auf den Titelseiten der internationalen Presse zu lesen sind, sprechen Bände über das Ausmaß der Barbarei in Gaza.
Am 7. Oktober tötete die Hamas 1400 Israelis und verfolgte alte Männer, Frauen und Kinder bis in ihre Häuser. Seitdem rächt sich der Staat Israel und mordet massenhaft. Der Bombenhagel, der Tag und Nacht auf Gaza niedergeht, hat bereits mehr als 10.000 PalästinenserInnen das Leben gekostet, darunter 4.800 Kinder. Inmitten der zerstörten Gebäude fehlt es den Überlebenden an allem: Wasser, Strom, Lebensmitteln und Medikamenten. Zweieinhalb Millionen BewohnerInnen von Gaza sind in diesem Moment von Hunger und Epidemien bedroht, 400.000 von ihnen sind in Gaza-Stadt gefangen und jeden Tag sterben Hunderte von ihnen, zerfetzt von Raketen, zerquetscht von Panzern, hingerichtet von Kugeln.
Der Tod ist überall in Gaza, genauso wie er in der Ukraine ist. Erinnern wir uns an die Zerstörung von Mariupol durch die russische Armee, den Exodus der Bevölkerung und den Grabenkrieg, der die Menschen unter sich begräbt. Bis heute soll es fast 500.000 Tote gegeben haben. Auf jeder Seite die Hälfte. Eine ganze Generation von Russen und Ukrainern wird heute auf dem Altar des nationalen Interesses geopfert, im Namen der Verteidigung des Vaterlandes. Und es ist noch nicht vorbei: Ende September mussten in Berg-Karabach 100.000 Menschen vor der Armee Aserbaidschans und der Gefahr eines Völkermords fliehen. Im Jemen hat der Konflikt, über den niemand spricht, über 200.000 Opfer gefordert und 2,3 Millionen Kinder zur Unterernährung gezwungen. Derselbe Schrecken des Krieges in Äthiopien, Myanmar, Haiti, Syrien, Afghanistan, Mali, Niger, Burkina Faso, Somalia, Kongo, Mosambik... Und zwischen Serbien und dem Kosovo schwelt die Konfrontation.
Wer ist für all diese Barbarei verantwortlich? Wie weit kann sich der Krieg ausdehnen? Und vor allem: Welche Macht kann sich ihm entgegenstellen?
Während wir diese Zeilen schreiben, fordern alle Nationen Israel auf, seine Offensive zu "mäßigen" oder "auszusetzen". Russland fordert einen Waffenstillstand, es, das vor anderthalb Jahren die Ukraine mit derselben Grausamkeit angegriffen hat, es, das 1999 im Namen desselben "Kampfes gegen den Terrorismus" 300.000 Zivilisten in Tschetschenien massakriert hat. China will Frieden, es, das die uigurische Bevölkerung ausrottet, es, das den Bewohnern Taiwans mit einer noch größeren Feuerflut droht. Saudi-Arabien und seine arabischen Verbündeten wollen die Einstellung der israelischen Offensive, und dezimieren selber die Bevölkerung im Jemen. Die Türkei wendet sich gegen den Angriff auf Gaza, während sie davon träumt, die Kurden auszulöschen. Was die großen Demokratien betrifft, so fordern sie, nachdem sie "Israels Recht auf Selbstverteidigung" unterstützt haben, heute "einen humanitären Waffenstillstand" und "die Einhaltung des Völkerrechts", sie, die seit 1914 mit bemerkenswerter Regelmäßigkeit ihre Expertise im Massenmord unter Beweis gestellt haben.
Das ist übrigens das Hauptargument des Staates Israel: "Die Vernichtung von Gaza ist legitim", so wie es die Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki, der Teppich aus Brandbomben auf Dresden und Hamburg waren. Die Kriege in Afghanistan und im Irak führten die USA mit denselben Argumenten und Methoden wie Israel heute! Alle Staaten sind Kriegsverbrecher! Ob groß oder klein, beherrscht oder mächtig, scheinbar kriegslüstern oder gemäßigt – in Wirklichkeit beteiligen sich alle am imperialistischen Krieg in der globalen Arena, und alle betrachten die Arbeiterklasse als Kanonenfutter.
Es sind diese heuchlerischen und verlogenen Stimmen, die uns jetzt ihren Elan für den Frieden und ihre Lösung weismachen wollen: die Anerkennung Israels und Palästinas als zwei unabhängige und autonome Staaten. Die Palästinensische Autonomiebehörde, die Hamas und die Fatah lassen uns erahnen, wie dieser Staat aussehen würde: Wie alle anderen würde er die ArbeiterInnen ausbeuten; wie alle anderen würde er die Massen unterdrücken; wie alle anderen wäre er ein Kriegstreiber. Es gibt bereits 195 "unabhängige und autonome" Staaten auf der Welt, die zusammen jedes Jahr mehr als 2 Billionen Dollar für "Verteidigung" ausgeben. Und für 2024 werden diese Budgets explodieren.
Warum haben die Vereinten Nationen dann gerade erklärt: "Wir brauchen einen sofortigen humanitären Waffenstillstand. Es sind dreißig Tage vergangen. Zu viel ist zu viel. Das muss jetzt aufhören"? Natürlich wollen die Verbündeten Palästinas, dass die israelische Offensive gestoppt wird. Die Verbündeten Israels, die "großen Demokratien", die behaupten, das "Völkerrecht" zu respektieren, können die israelische Armee nicht einfach gewähren lassen, ohne etwas zu sagen. Die IDF massakrieren zu sichtbar. Vor allem, da sie die Ukraine militärisch gegen die "russische Aggression" und ihre "Kriegsverbrechen" unterstützen. Die Barbarei der beiden "Aggressionen" sollte nicht als zu ähnlich erscheinen.
Aber es gibt noch einen viel tieferen Grund: Alle versuchen, die Ausbreitung des Chaos zu begrenzen, denn alle können betroffen sein, alle haben etwas zu verlieren, wenn sich dieser Konflikt zu sehr ausbreitet. Sowohl der Angriff der Hamas als auch Israels Gegenreaktion haben eines gemeinsam: die Politik der verbrannten Erde. Das terroristische Massaker von gestern und der Bombenteppich von heute können zu keinem wirklichen und dauerhaften Sieg führen. Dieser Krieg stürzt den Nahen Osten in eine Ära der Destabilisierung und der Konfrontation.
Wenn Israel weiterhin Gaza dem Erdboden gleichmacht und seine Bewohner unter Trümmern begräbt, besteht die Gefahr, dass das Westjordanland ebenfalls in Flammen aufgeht, dass die Hisbollah den Libanon in den Krieg hineinzieht und dass der Iran sich schließlich zu sehr einmischt. Die Ausbreitung des Chaos auf die gesamte Region wäre zum Beispiel nicht nur ein schwerer Schlag für den amerikanischen Einfluss, sondern auch für die globalen Ansprüche Chinas, dessen wertvolle Seidenstraße durch die Region verläuft.
Die Gefahr eines dritten Weltkriegs schwebt in den Köpfen aller Menschen. In den Fernsehstudios diskutieren die Journalisten offen darüber. In Wirklichkeit ist die aktuelle Situation viel perfider. Es gibt keine zwei Blöcke, die sich wohlgeordnet und diszipliniert gegenüberstehen, wie in den Jahren 1914-18 und 1939-45 oder während des gesamten Kalten Krieges. Während der wirtschaftliche und kriegerische Wettbewerb zwischen China und den USA immer brutaler und bedrückender wird, beugen sich die anderen Nationen nicht den Befehlen eines dieser beiden Kolosse, sondern spielen ihre eigene Partitur, in Unordnung, Unberechenbarkeit und Kakophonie. Russland griff die Ukraine gegen den Rat Chinas an. Israel zerschlägt Gaza gegen den Rat der USA. Diese beiden Konflikte verkörpern die Gefahr, die die gesamte Menschheit mit dem Tod bedroht: die Zunahme von Kriegen, deren einziges Ziel es ist, den Gegner zu destabilisieren oder zu zerstören; eine endlose Kette von irrationalen und nihilistischen Ausschreitungen; ein jeder für sich selbst, das Synonym für unkontrollierbares Chaos ist.
Für einen dritten Weltkrieg müssten die ProletarierInnen in Westeuropa, Nordamerika und Ostasien bereit sein, ihr Leben im Namen des Vaterlandes zu opfern, zu den Waffen zu greifen und sich gegenseitig für die Flagge und die nationalen Interessen umzubringen, was heute absolut nicht der Fall ist. Aber das, was sich gerade entwickelt, braucht diese Zustimmung, diese Einwickelung der Massen nicht. Seit Anfang der 2000er Jahre versinken immer größere Teile der Welt in Gewalt und Chaos: Afghanistan, Irak, Syrien, Libyen, Libanon, Ukraine, Israel und Palästina... Dieses Geschwür breitet sich nach und nach aus, Land für Land, Region für Region. Das ist die einzig mögliche Zukunft im Kapitalismus, diesem dekadenten und verrottenden Ausbeutungssystem.
Was ist also zu tun? Die ArbeiterInnen aller Länder dürfen sich keine Illusionen über einen angeblich möglichen Frieden machen, über irgendeine Lösung durch die "internationale Gemeinschaft", die UNO oder eine andere Räuberbande. Kapitalismus bedeutet Krieg. Seit 1914 hat er praktisch nie aufgehört und immer nur den einen Teil der Welt betroffen, dann den anderen. In der vor uns liegenden historischen Periode wird sich diese todbringende Dynamik weiter ausbreiten und verstärken, mit einer immer unfassbareren Barbarei.
Die ProletarierInnen aller Länder müssen sich daher weigern, sich mitreißen zu lassen, sie müssen sich weigern, für das eine oder das andere bürgerliche Lager Partei zu ergreifen, in Osteuropa, im Nahen Osten und überall sonst. Sie müssen sich weigern, sich von den Reden täuschen zu lassen, die sie auffordern, ihre "Solidarität" mit dem "angegriffenen ukrainischen Volk", mit dem "bedrohten Russland", mit den "gemarterten palästinensischen Massen", mit den "terrorisierten Israelis" usw. zu bekunden. In allen Kriegen, auf beiden Seiten der Grenzen, werben die Staaten stets mit dem Glauben an einen Kampf zwischen Gut und Böse, zwischen Barbarei und Zivilisation. In Wirklichkeit sind all diese Kriege immer eine Auseinandersetzung zwischen konkurrierenden Nationen, zwischen rivalisierenden Bourgeoisien. Sie sind immer Konflikte, in denen die Ausgebeuteten zugunsten ihrer Ausbeuter sterben.
Die Solidarität der ArbeiterInnen gilt daher nicht den "Palästinensern", wie sie auch nicht den "Israelis", den "Ukrainern" oder den "Russen" gilt, denn unter all diesen Nationalitäten gibt es Ausbeuter und Ausgebeutete. Sie richtet sich an die ArbeiterInnen und Arbeitslosen in Israel und Palästina, Russland und der Ukraine, genauso wie sie an die ArbeiterInnen in allen anderen Ländern der Welt geht. Echte Solidarität mit den Opfern des Krieges, der Zivilbevölkerung und den Soldaten beider Seiten, den Proletariern in Uniform, die zu Kanonenfutter gemacht werden, und den indoktrinierten und fanatisierten Kindern, kann man nicht dadurch erreichen, dass man "für den Frieden" demonstriert oder sich dafür entscheidet, eine Seite gegen eine andere zu unterstützen. Die einzige Solidarität besteht darin, ALLE kapitalistischen Staaten, ALLE Parteien, die dazu aufrufen, sich hinter diese oder jene Nationalflagge, diese oder jene kriegerische Sache zu stellen, ALLE, die uns mit der Illusion von Frieden und "guten Beziehungen" zwischen den Völkern täuschen, anzuprangern.
Diese Solidarität erfordert vor allem die Entwicklung unserer Kämpfe gegen das kapitalistische System, das für alle Kriege verantwortlich ist, einen Kampf gegen die nationalen Bourgeoisien und ihren Staat.
Die Geschichte hat gezeigt, dass die einzige Kraft, die den kapitalistischen Krieg beenden kann, die ausgebeutete Klasse ist, das Proletariat, der direkte Feind der Bourgeoisie. Das war der Fall, als die ArbeiterInnen in Russland im Oktober 1917 den bürgerlichen Staat stürzten und die ArbeiterInnen und Soldaten in Deutschland im November 1918 revoltierten: Diese großen Kampfbewegungen des Proletariats zwangen die Regierungen, den Waffenstillstand zu unterzeichnen. Das war es, was den Ersten Weltkrieg beendete: die Kraft des revolutionären Proletariats! Den wirklichen und endgültigen Frieden überall muss die Arbeiterklasse erobern, indem sie den Kapitalismus weltweit stürzt.
Dieser lange Weg liegt vor uns. Er führt heute über die Entwicklung von Kämpfen auf Klassenebene, gegen die immer härteren wirtschaftlichen Angriffe, die uns ein in eine unüberwindbare Krise gestürztes System auferlegt. Denn indem wir die Verschlechterung unserer Lebens- und Arbeitsbedingungen ablehnen, indem wir die ständigen Opfer im Namen eines ausgeglichenen Haushalts, der Wettbewerbsfähigkeit der nationalen Wirtschaft oder der notwendigen Kriegsanstrengungen ablehnen, beginnen wir, uns gegen das Herz des Kapitalismus zu stellen: die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen.
In diesen Kämpfen ziehen wir an einem Strang, entwickeln Solidarität, debattieren und werden uns unserer Stärke bewusst, wenn wir vereint und organisiert sind. Das Proletariat trägt in seinen Klassenkämpfen eine Welt in sich, die das genaue Gegenteil des Kapitalismus ist: auf der einen Seite die Spaltung in Nationen, die sich in wirtschaftlicher und kriegerischer Konkurrenz bis zur gegenseitigen Zerstörung befinden; auf der anderen Seite eine potenzielle Einheit aller Ausgebeuteten der Welt. Das Proletariat hat begonnen, diesen langen Weg zu beschreiten und einige Schritte darauf zu machen: im "Sommer des Zorns" in Großbritannien 2022, in der sozialen Bewegung gegen die Rentenreform in Frankreich Anfang 2023, in den historischen Streiks im Gesundheitswesen und in der Automobilindustrie in den USA in den letzten Wochen. Diese internationale Dynamik markiert die historische Rückkehr der Kampfbereitschaft der ArbeiterInnen, die wachsende Weigerung, die permanente Verschlechterung der Lebens- und Arbeitsbedingungen zu akzeptieren, die Tendenz, sich als kämpfende ArbeiterInnen sektor- und generationsübergreifend zu solidarisieren. In Zukunft müssen die Bewegungen eine Verbindung herstellen zwischen der Wirtschaftskrise und dem Krieg, zwischen den geforderten Opfern und der Entwicklung der Rüstungshaushalte und -politik, zwischen all den Geißeln, die dieser veraltete globale Kapitalismus in sich trägt, zwischen der Wirtschafts-, Kriegs- und Klimakrise, die sich gegenseitig nähren.
Gegen den Nationalismus, gegen die Kriege, in die uns unsere Ausbeuter hineinziehen wollen, sind die alten Losungen der Arbeiterbewegung, die im Kommunistischen Manifest von 1848 zu finden sind, heute aktueller denn je:
Das Proletariat hat kein Vaterland!
„Proletarier aller Länder, vereinigt euch!"
Für die Entwicklung des Kampfes des internationalen Proletariats!
Internationale Kommunistische Strömung, 7. November 2023
Die jüngsten Entwicklungen in der Weltlage haben dem deutschen Kapitalismus schwer zugesetzt und werden seine Lage noch weiter verschlechtern. An vorderster Stelle steht der Ukrainekrieg, der eine Zeitenwende (Originalton Kanzler Scholz) eingeleitet hat. Die ökonomische Sonderstellung, die Deutschland seit dem Eintritt in den Zerfall Anfang der 1990er Jahre an der Seite der als unangefochtene Weltmacht untergegangenen USA, aber mit wachsenden ökonomischen Beziehungen zu Russland und China einnehmen konnte und die zu üppigen Gewinnen und zu Träumen von einer wachsenden politischen Bedeutung im Zentrum des EU Projektes geführt hat, sind krachend explodiert.
Angefangen von der Verdoppelung des Rüstungshaushaltes über den explosiven und dauerhaften Anstieg der Preise (ob Energiekosten, Spritpreise oder Lebensmittel), die verschärfte Konkurrenz auf dem Weltmarkt, neu entstandene Abhängigkeiten und weitere schwer kalkulierbare Risiken: der Druck auf das deutsche Kapital ist enorm angestiegen und zwingt es zu einer ganzen Welle von Angriffen auf die Arbeiterklasse.
Die zahlreichen Folgen des Krieges werden von der herrschenden Propaganda herunterspielt. Dabei stehen wir erst am Anfang einer ganzen Reihe von Konsequenzen, sie sich u. a. aus folgenden eskalierenden Problemen ergeben:
- Die Verdoppelung des Rüstungshaushaltes wird natürlich aus Staatsmitteln finanziert, was letztendlich der Arbeiterklasse in Form von Steuern aufgehalst wird.
- Die Erzwingung von Sanktionen gegen Russland, um sich von russischen Gaslieferungen unabhängig zu machen[1], hat nur bewirkt, dass man die Abhängigkeit von Russland durch die von anderen Ländern – vor allem von den USA – eingetauscht hat. Den USA wird es somit möglich sein, gegenüber Deutschland auf einer neuen Ebene Druck auszuüben.
- Zudem ist der Gaspreis in Deutschland zum Beispiel fünfmal höher als in den USA und auch deutlich höher als in anderswo in Europa – was die Konkurrenzfähigkeit deutscher Firmen beträchtlich untergräbt. Die Folge: insbesondere energieintensive Betriebe haben schon rigorose Sparmaßnahmen und Stellenabbau sowie Standortverlagerungen eingeleitet[2]. Gleichzeitig hat der Krieg die Tendenz beschleunigt, dass immer mehr Großkonzerne der energieintensiven Industrie zu Subventionsempfängern geworden sind: ThyssenKrupp, der größte Stahlhersteller in Deutschland, erhält 2 Mrd. Euro zur Fortsetzung seiner Stahlproduktion mit weniger Umweltbelastung.
- Neben einer Verdoppelung der Heizkosten für die Privatverbraucher kommen riesige Investitionen in neue Energieversorgungsgeräte wie Wärmepumpen hinzu (Es müssten ca. 20 Millionen Häuser und etwa 40 Millionen Wohneinheiten mit neuen Energieversorgungsgeräten ausgestattet werden).
- Da die Ukraine im Krieg mit Russland durch die USA mit der strategischen Absicht unterstützt wird, durch das Ausbluten Russlands langfristig eine entscheidende Schwächung Chinas herbeizuführen, haben die USA bei ihrem weltweiten Vorgehen gegen ihren Hauptrivalen nahezu zeitgleich mit dem Ukrainekrieg auch die Sanktionsspirale gegenüber China verschärft. Die Firmen, welche in China in für die aus Sicht der USA strategisch wichtigen Bereichen Investitionen tätigen, setzen sich dem Risiko von Sanktionen durch die USA aus. Deutsche und französische Firmen stehen dabei mit an oberster Stelle. Deshalb werden die Konflikte zwischen der EU und den wirtschaftlich in China am stärksten engagierten europäischen Mächten noch weiter zunehmen.
- Weiter erhöht sich der Druck für das deutsche Kapital durch die Politik der USA, die unter Biden eine Reihe von ökonomischen Maßnahmen ergriffen haben, die von den Spitzen der europäischen Bourgeoisie sehr wohl als Kriegserklärung an Europa verstanden worden ist. Die Vorgehensweise der Biden-Regierung Investitionen in die USA gerade dort anzulocken, wo zuvor jahre-/jahrzehntelanger Niedergang zu einer Deindustrialisierung und Standortschließungen geführt hatte, zwingt die europäischen Staaten zu einem Subventionswettlauf mit den USA. Sicher kann Deutschland im Vergleich zu anderen europäischen Staaten hier immer noch mehr Gelder locker machen, aber der Staat muss dadurch immer stärker zur Schuldenspritze greifen[3]. Pläne für eine neue Industriestrategie des deutschen Staates sind von Wirtschaftsminister Habeck schon vorgestellt worden.[4]
Seit dem erneuten Ausbruch der Kriegshandlungen im Nahen Osten kommen für die Wirtschaft weitere Unsicherheitsfaktoren hinzu, deren Ausmaß wir jetzt noch nicht einschätzen können.
- Die weltweit größten Wetterextreme, welche im Jahr 2023 registriert wurden, haben natürlich auch Deutschland erfasst[5]. Für all die Kosten der Klimakatastrophe und die angestrebte ökologische Umstellung auf erneuerbare Energien wird erneut staatliche Hilfe als unabdingbar erachtet. Aus Platzgründen gehen wir nicht näher auf diese Frage hier ein.
Seit einiger Zeit ist für das deutsche Kapital durch den Aufstieg Chinas eine zusätzliche Bedrohung herangewachsen.
China hat sich dank massiver staatlicher Subventionen zu einem führenden Elektroautohersteller gemausert[6] und ist neben Tesla zu einer massiven Bedrohung für die deutschen Automobilhersteller geworden. Reaktion des deutschen Kapitals: mit Unterstützung der EU ist man in einen Subventionskrieg mit China eingetreten und plant protektionistische Maßnahmen gegen chinesische Elektrofahrzeuge.
Dies wird das Dilemma von Volkswagen noch vergrößern, das in eine verheerende Abhängigkeit gegenüber China mit einem Absatzanteil seiner Autos in China von ca. 40% geraten ist. Es ist gezwungen weiter massiv in China zu investieren, weil man sonst ganz vom Markt verdrängt würde.[7] Die Herausforderung für das deutsche Kapital lautet: wie den US-Sanktionen ausweichen und was tun, um nicht durch die chinesische Konkurrenz aufgerieben zu werden. In Anbetracht des Drucks Chinas und des US-Konkurrenten Tesla besteht die Gefahr, dass die deutschen Autobauer mit ihren jahrelang führenden Modellen wie BMW, Mercedes, Porsche, Volkswagen durch die immer größere Nachfrage nach ausländischen Elektroautos beiseite gedrängt werden. D.h. ein Kernbereich der deutschen Wirtschaftskraft gerät ins Wanken.[8]
Wie oben erwähnt ist der deutsche Staat gezwungen, im internationalen Konkurrenzkampf und insbesondere im Wettbewerb mit den Subventionen durch den chinesischen und amerikanischen Staat selbst die Subventionskanone massiv einzusetzen.[9]
Während der Covid-Pandemie hatte der Staat mit der Vergabe von Rettungspaketen und mit allen möglichen „Abfederungs- und Ankurbelungsprogrammen“ die schlimmsten Auswirkungen abzuschwächen versucht. Die Verdoppelung des Rüstungshaushaltes (auf mehr als 80 Mrd. (auch wenn mit vielen Buchungstricks), die Einsetzung eines Stabilisierungsfonds (WSF) Energie nach Beginn des Ukrainekriegs (das Maßnahmenpaket Energie beläuft sich vielleicht auf 300 Mrd. Euro) – all das verschlingt Unsummen an Staatsgeldern. Bund, Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände sowie Sozialversicherung einschließlich aller Extrahaushalte standen Anfang 2023 zusammen mit 2406,6 Milliarden Euro in der Kreide, Tendenz steigend.
Solange die Zinsen null Prozent betrugen oder um null Prozent schwankten, konnte sich über längere Zeit ein Bauboom entfalten. Seitdem die Zinsen jedoch kräftig angezogen haben, ist die Bauindustrie in die Knie gegangen. Auch wenn es in Deutschland keine Bombardierungen mit entsprechenden Ruinen gab, sind viele gegenwärtigen Baustopps (von denen einige zu Bauruinen werden können) eine der ökonomischen Folgen des Krieges. Die Wohnungsnot wird weiter dramatisch zunehmen, mit der Folge, dass 3,1 Millionen der insgesamt 21 Millionen Mieterhaushalte für die Warmmiete im Monat mehr als 40 Prozent ihres Einkommens ausgeben. Je länger die Zinsen auf diesem hohen Niveau liegen (und je länger der Krieg dauert, desto wahrscheinlicher ist dies), desto mehr wird die Bauwirtschaft stranguliert und die Schuldenspirale selbst wird sich noch verschärfen.
Die Tatsache, dass die deutsche Wirtschaft sich als größte Wirtschaft in Europa mit ihrem Negativwachstum in der Rezession befindet, wird natürlich ebenso Folgen insbesondere für die europäischen Nachbarstaaten haben (auf die wir in einem anderen Artikel eingehen wollen).
Wenn wir diese Liste der sich verschärfenden Probleme für das deutsche Kapital aufführen, wird unverkennbar wie sehr das deutsche Kapital unter Zugzwang gerät, um das alles auf die Arbeiterklasse abzuwälzen.
Ein anschauliches Beispiel, auf wessen Rücken die ganze Zuspitzung der Lage ausgetragen werden soll, ist die Entwicklung im Gesundheitswesen.
Aufgrund von Sparmaßnahmen im Gesundheitswesen, (u.a. Privatisierungen, Fallpauschalen, Personalabbau usw.) die zu einer brutalen Verdichtung der Arbeitshetze mit entsprechendem Verschleiß der Arbeitskräfte geführt hat, was wiederum viele zur Aufgabe ihrer Arbeit gezwungen und damit beträchtlich zur Personalnot in den Krankenhäusern beigetragen hat, stehen heute viele Kliniken vor dem Bankrott. Dem Krankenhausverband zufolge machen die Allgemeinkrankenhäuser derzeit jeden Monat 500 Millionen Euro Verlust, (50 Krankenhäuser sind bereits in dem Insolvenzverfahren) - was wiederum die Hälfte von ihnen zur Reduzierung von Bettenkapazitäten zwingt. Ein Drittel dieser Krankenhäuser will offene Stellen nicht mehr besetzen. In den Pflegeheimen für die Alten sieht es ähnlich aus. Immer mehr Pflegeheime müssen aus Rentabilitätsgründen schließen, bis Jahresende 2023 prognostiziert man Defizite bei mehr als einem Drittel der Pflegeheime und das bei einem starken Anstieg der Pflegekosten auf durchschnittlich 2548 Euro pro Monat, das sind 348 Euro mehr als Mitte 2022. Sind weniger als 98 Prozent der Plätze belegt, rutscht eine Einrichtung in die roten Zahlen. Ein neuralgischer Punkt auch hier: Pflegenotstand. 100.000 Pflegekräfte fehlen - das bei steigendem Pflegebedarf.
Konsequenz: es wird immer unzureichender oder sogar gefährlicher in einem Krankenhaus behandelt oder in einem Heim gepflegt werden zu müssen, weil die Arbeitsbedingungen für das Personal immer unerträglicher werden und somit die Qualität der Behandlung und der Unterbringung untergraben wird. Für die Krankenhauspatienten und die Bewohner der Pflegeheime heißt dies immer unmenschlichere und gesundheitsgefährdende! Bedingungen und für das Personal immer unerträglichere Arbeitsbedingungen. Und da die Krankenhäuser über eine Mindestzahl von Pflegekräften verfügen müssen, müssen Kliniken Betten schließen, weil kein Personal vorhanden ist. Ähnliche Entwicklungen haben auch im Rettungswesen stattgefunden, wo wegen nicht vorhandenem Personal die Einsatzfähigkeit eingeschränkt wird und die Anfahrzeiten für die Einsatzfahrzeuge steigen. Größer und deutlicher könnte der Kontrast zwischen dem, was grundsätzlich medizinisch-technisch möglich ist und dem, was die Gesetze des Profits aufzwingen, nicht sein.
Vergleichbare Trends gibt es auch im Bildungswesen, wo immer weniger Lehrer für mehr Schüler vorhanden sind und die Unterrichtsbedingungen sich immer mehr verschlechtern.
In mehreren Bereichen gibt es deshalb infolge von massiven Personaleinsparungen eine Art Fluchtmechanismus, der bislang eher zu „Kündigungen“ geführt hat und nicht in offenen Abwehrkampf umgeschlagen ist.
Der Personalmangel nimmt mittlerweile immer dramatischere Ausmaße an[10]. Beim Personalmangel kommt auch die demographische Entwicklung hinzu, da allein schon aufgrund der niedrigen Geburtenraten ein Rückgang der Arbeitskräfte eingetreten und aus der Sicht der Wirtschaft die Beschäftigung von ausländischen Arbeitskräften immer unverzichtbarer wird. Das deutsche Kapital möchte – wie woanders auch, die bestqualifizierten Arbeitskräfte „selektieren“ (vor allem wenn deren Ausbildungskosten im Ausland finanziert wurden) – aber eine Mischung aus politischer Rückständigkeit, Populismus, Fremdenfeindlichkeit behindert selbst eine gezielte Zuwanderung. Somit häufen sich die durch Personalmangel entstandenen Schwierigkeiten und das Kapital wird selbst getroffen durch den zunehmenden Rassismus und Populismus.
Während der Staat einerseits dem Kapital durch viele Finanzspritzen im internationalen Wettbewerb unter die Arme greifen muss, nimmt er anderswo immer heftigere Kürzungen vor.
So sind für das nächste Jahr z.B. Einschnitte im Sozial- & Bildungsbereich vorgesehen. Aber auch die Firmen drehen die Daumenschrauben an.
Die großen Konzerne haben längst massive Kürzungen verordnet, die vom Personalkostensenkung, Abbau der Stammbelegschaften, Produktivitätserhöhungen, bis zum Schließen von Abteilungen und Werken gehen können. VW, Ford, DB-Cargo wollen alle mehrere Tausend Stellen streichen, in der Chemie ist Personalabbau in der Höhe von Tausenden von Arbeitsplätzen angerollt. Die Deutsche Bank/Postbank will jede zweite Filiale schließen. Im Einzelhandel gehen viele Jobs verloren (die Real-Supermarktkette mit 4.000 Jobs macht dicht, Karstadt und Kaufhof schließen weitere Filialen). Die Regierung will die Vorruhestandsregelung mit 63 Jahren einschränken.
Bislang stehen wir erst am Anfang der ganzen Welle von Konsequenzen, die sich aus der sich verschärfenden Lage ergeben haben. All die oben aufgeführten Faktoren zwingen das Kapital zu neuen Konfrontationen mit der Arbeiterklasse. Die Arbeiterklasse wird damit gezwungen sein, die Herausforderung anzunehmen und sich viel stärker in den Abwehrkampf einzureihen, den die Arbeiter und Arbeiterinnen in anderen Ländern schon viel früher und entschlossener aufnehmen mussten. T. 01.11.2023
[1] War man bis zu Kriegsbeginn zu 60% auf russische Gas-und Öllieferungen angewiesen und plante man mit Northstream II noch größere Lieferungen (zu einem relativ günstigen Preis), sind diese Verträge alle Makulatur geworden.
[2] BASF investiert nun verstärkt in den wichtigen Markt China: Bis zu zehn Milliarden Euro sollen in den neuen Standort Zhanjiang in der Provinz Guangdong fließen. Er soll die weltweit drittgrößte Produktionsstätte von BASF nach Ludwigshafen und Antwerpen werden.
[3] „Schleichende Deindustrialisierung? Ausländische Firmen investierten lediglich 10,5 Milliarden Euro, während deutsche Unternehmen rund 135,5 Milliarden Euro im Ausland direkt investiert haben.“ Institut der deutschen Wirtschaft (IW)
[4] Wirtschaftsminister Habeck (Grüne) plant gewissermaßen einen kleinen Konkurrenzplan (von vsl. 50 Mrd. Euro) zum amerikanischen Inflation Reduction Act, (kurz IRA, ein Investitionsprogramm, dessen Umfang 738 Milliarden Dollar beträgt) mit einer Industriestrategie.
[5] Auch wenn 2023 nicht solche verheerenden Überschwemmungen wie die vom Ahrtal 2021 eingetreten sind (dies hatte mehr als 30 Mrd. geschätzte Folgekosten verursacht), steigen deren Kosten unaufhörlich an.
[6] In China wurden bis zum Jahreswechsel 2022/23 rund 14,6 Millionen Elektro- und Hybridfahrzeuge neu zugelassen – 53 Prozent der 27,7 Millionen Elektro- und Hybridfahrzeuge weltweit.
[7] Volkswagen etwa kündigte im April 2023 an, man werde für rund eine Milliarde Euro ein Entwicklungs-, Innovations- und Beschaffungszentrum im südchinesischen Hefei errichten. Die Abhängigkeit bei anderen deutschen Autoherstellern von ihren Verkäufen in China ist ebenso gewachsen.
[8] Die Zahl der in Deutschland hergestellten Autos war während der Corona-Pandemie deutlich rückläufig; wurden 2016 noch rund 5,75 Millionen Fahrzeuge produziert, waren es 2022 nur noch knapp 3,5 Millionen.
[9] Der US-Chiphersteller Intel bekommt für seine Chipfabrik in Magdeburg 9,9 Milliarden Euro staatliche Subvention für ein Gesamtinvestitionspaket von ca. 30 Milliarden Euro. Das Geld ist zunächst für 3000 Arbeitsplätze in zwei Fabriken angedacht. Macht rein rechnerisch 3,3 Millionen Euro pro Arbeitsplatz. TSCM – ein anderer High-Tech Riese - plant genauso wie Infineon bis Ende des Jahrzehnts milliardenschwere Investitionen in Dresden (TSCM von knapp 7,6 Milliarden Euro, Infineon ca. 5 Mrd.), unter der Voraussetzung, dass für sie die staatliche Kreditpumpe im Umfang von mehreren Milliarden geöffnet wird.
[10] In den nächsten 5-10 Jahren rechnet man mit mehreren Millionen offenen Stellen. https://www.br.de/nachrichten/wirtschaft/fachkraeftemangel-in-deutschlan... [3]
"Der Krieg ist ein methodisches, organisiertes, riesenhaftes Morden. Zum systematischen Morden muss aber bei normal veranlagten Menschen erst der entsprechende Rausch erzeugt werden. Dies ist seit jeher die wohlbegründete Methode der Kriegführenden. Der Bestialität der Praxis muss die Bestialität der Gedanken und der Gesinnung entsprechen, diese muss jene vorbereiten und begleiten." (Rosa Luxemburg, Die Krise der Sozialdemokratie/Junius-Broschüre, 1915) Die schrecklichen Zusammenstöße, die wieder einmal den Nahen Osten mit Blut beflecken, bestätigen erneut, was die große Revolutionärin Rosa Luxemburg 1915 im Gefängnis schrieb.
Die Milizen der Hamas, die am 7. Oktober 2023 grausame Verbrechen gegen die israelische Zivilbevölkerung – Frauen, Kinder und alte Menschen – begingen, konnten sich nur aufgrund einer Konditionierung, einer systematischen Gehirnwäsche durch die islamistische Organisation welche den Gazastreifen dirigiert, so barbarisch verhalten.
Wenn heute die große Mehrheit der israelischen Bevölkerung die kriminellen Bombardierungen und die Bodenoffensive gegen die Bewohner des Gazastreifens billigt, die bereits Tausende von zivilen Todesopfern gefordert haben, so liegt das daran, dass sie durch das Massaker vom 7. Oktober ein schreckliches Trauma erlitten hat, aber auch daran, dass auch sie jahrzehntelang Opfer einer Konditionierung durch die israelischen Behörden und die verschiedenen Parteien der herrschenden Klasse war.
Heute, mit dem Krieg zwischen dem Staat Israel und der Hamas, sind wir wieder einmal Zeuge, wie die verschiedenen politischen Kräfte, die für die Aufrechterhaltung der kapitalistischen Ordnung eintreten, eine Methode anwenden, die die herrschende Klasse seit Beginn des 20. Jahrhunderts in großem Stil zur Rechtfertigung der kriegerischen Barbarei eingesetzt hat: das Hervorheben der vom "Feind" begangenen Gräueltaten, um die eigenen Gräueltaten zu rechtfertigen. Und an Beispielen mangelt es nicht im gesamten 20. Jahrhundert, dem Jahrhundert, in dem das kapitalistische System in seine dekadente Phase eintrat.
Zwar gab es schon lange vor dieser Zeit Kriege, und ihre Rechtfertigung durch die Herrschenden begleitete sie immer, aber die Kriege der Vergangenheit hatten nie die Form eines totalen Krieges angenommen, der alle Ressourcen der Gesellschaft mobilisierte und die gesamte Bevölkerung mit einbezog, wie es ab 1914 der Fall wurde. Und es war der Erste Weltkrieg, in dem die Propaganda zur Mobilisierung der größten Teile der Bevölkerung eines Landes von den Regierungen der kriegführenden Länder in organisierter und systematischer Weise übernommen wurde.
Wir haben in unserer Presse bereits einen sehr gründlichen Artikel über die Propaganda geschrieben, die "zum systematischen Morden" dazu dient, " bei normal veranlagten Menschen erst der entsprechende Rausch" zu erzeugen, wie Rosa Luxemburg schrieb. Wir empfehlen unseren Lesern, den gesamten Artikel "Die Geburt der totalitären Demokratie"[1] aus dem Jahr 2015 zu lesen, aus dem wir hier nur einige kurze Auszüge zitieren.
Insbesondere wird in diesem Artikel ausführlich ein 1927 veröffentlichtes Werk von Harold Lasswell mit dem Titel Propaganda technique in the World War[2] zitiert. Hier einige Passagen daraus:
"Die psychologischen Widerstände gegen den Krieg sind in den modernen Nationen so groß, dass jeder Krieg als Verteidigungskrieg gegen einen bedrohlichen, mörderischen Angreifer erscheinen muss. Es darf keine Zweideutigkeit darüber geben, wen die Öffentlichkeit hassen soll. Der Krieg darf nicht auf ein Weltsystem zur Regelung internationaler Angelegenheiten zurückzuführen sein, auch nicht auf die Dummheit oder Bösartigkeit aller regierenden Klassen, sondern auf die Raffgier des Feindes. Schuld und Arglosigkeit müssen geographisch bewertet werden, und die ganze Schuld muss auf der anderen Seite der Grenze liegen. Wenn der Propagandist den Hass des Volkes mobilisieren will, muss er dafür sorgen, dass alles in Umlauf gebracht wird, was die alleinige Verantwortung des Feindes begründet. Unter bestimmten Umständen, die wir noch näher erläutern werden, kann von diesem Thema abgewichen werden, aber es muss weiterhin das Leitmotiv sein. Die westeuropäischen Regierungen können nie ganz sicher sein, dass ein klassenbewusstes Proletariat innerhalb der Grenzen ihrer Autorität den Klängen des Krieges folgt."
Propaganda "ist ein Zugeständnis an die Rationalität der modernen Welt. Eine gebildete Welt zieht es vor, sich von Argumenten und Nachrichten zu ernähren (...) Der ganze Apparat der verbreiteten Gelehrsamkeit popularisiert die Symbole und Formen des pseudo-rationalen Appells: der Wolf der Propaganda zögert nicht, sich im Schafspelz zu verkleiden. Alle wortgewandten Männer der Zeit – Schriftsteller, Reporter, Redakteure, Prediger, Dozenten, Lehrer, Politiker – werden in den Dienst der Propaganda gestellt, um die Stimme eines Meisters zu verstärken. Alles geschieht mit dem Anstand und der Sorgfalt der Intelligenz, denn dies ist eine rationale Epoche, und sie verlangt, dass ihr rohes Fleisch von geschickten Köchen gekocht und garniert wird. (...) Eine neue Flamme muss das Krebsgeschwür des Dissenses ausbrennen und den Stahl des kriegerischen Enthusiasmus härten" (Lasswell, Seite 221)
"Um den Hass des Volkes gegen den Feind zu mobilisieren, muss die gegnerische Nation als bedrohlicher, mörderischer Aggressor dargestellt werden (...) Durch die Ausarbeitung von Kriegszielen wird die hinderliche Rolle des Feindes besonders deutlich. Stellen Sie die gegnerische Nation als satanisch dar; sie verstößt gegen alle moralischen Normen (Sitten) der Gruppe und beleidigt ihr Selbstwertgefühl. Die Aufrechterhaltung des Hasses hängt davon ab, dass die direkten Darstellungen des bedrohlichen, hinderlichen, satanischen Feindes durch Zusicherungen des endgültigen Sieges ergänzt werden." (Lasswell, Seite 195)
Die Lektüre dieser Passagen, die Rosa Luxemburgs Zeilen auf bemerkenswerte Weise illustrieren und ergänzen, könnte den Eindruck erwecken, Lasswell sei ein militanter Kämpfer gegen den Kapitalismus gewesen. Das ist mitnichten der Fall, er war ein herausragender amerikanischer Akademiker, der zahlreiche Bücher über Politikwissenschaft veröffentlichte und dieses Fach von 1946 bis 1958 an der renommierten Yale-Universität lehrte. In seinem 1927 erschienenen Werk befürwortete er zum Abschluss seiner Arbeit eine staatliche Kontrolle der Kommunikationstechniken (Telegraf, Telefon, Kino und Radio) und stellte seine Fähigkeiten zeitlebens in den Dienst der amerikanischen Bourgeoisie, insbesondere während des Zweiten Weltkriegs, als er Forschungsdirektor für Kommunikation und Krieg in der Library of Congress (der wichtigsten und renommiertesten Bibliothek der USA) war und gleichzeitig in der Propagandaabteilung der Armee arbeitete.
Wie Lasswells Schriften auf anschauliche Weise zum Ausdruck bringen, geht es für jeden kriegführenden Staat darum, den bekämpften Feind als Verkörperung des BÖSEN darzustellen, um sich selbst als herausragenden Vertreter des GUTEN zu präsentieren. In der Geschichte ab 1914 gibt es zahlreiche Beispiele, von denen wir hier nur einige nennen können.
In unserem Artikel aus dem Jahr 2015 heißt es: "Großbritannien nutzte die Besetzung Belgiens durch Deutschland voll aus, nicht ohne eine gehörige Portion Zynismus, da die deutsche Invasion in Wirklichkeit schlicht und einfach die britischen Kriegspläne durchkreuzte. Sie verbreitete Geschichten über die makabersten Gräueltaten: Deutsche Truppen töteten Babys mit Bajonetten, kochten Suppe aus Leichen, banden Priester kopfüber an den Glockenklöppel ihrer eigenen Kirche usw.".
Das französische Bürgertum stand dem in nichts nach: Auf einer Propaganda-Postkarte findet sich ein Gedicht, in dem ein Soldat seiner jüngeren Schwester erklärt, was ein "Boche" (ein Begriff, der in Frankreich für den Deutschen verwendet wurde und "Schlächter" bedeutet) ist.
"Willst du wissen, Kind, was dieses Ungeheuer ist, ein Boche?
Ein Boche, mein Liebling, ist das Wesen ohne Ehre
Er ist ein hinterhältiger, schwerfälliger, hasserfüllter und hässlicher Bandit
Er ist ein düsterer Mann, ein vergiftender Unhold
Er ist ein Teufel in Soldatengestalt, der die Dörfer niederbrennt
Erschießt Alte und Frauen, ohne Reue
Erschießt die Verwundeten, begeht alle Arten von Plünderungen
Beerdigt die Lebenden und beraubt die Toten
Er ist ein Feigling, der Kindern und Mädchen die Kehle durchschneidet
Er spießt Babys mit Bajonetten auf
Massakriert aus Lust, ohne Grund … ohne Heimat
Er ist der Mann, mein Kind, der deinen Vater töten will
Dein Vaterland zerstören und deine Mutter foltern
Er ist der vom ganzen Universum verfluchte Teutone."
Diese Art von Propaganda entwickelte sich besonders nach den Verbrüderungen, die zur Weihnachtszeit 1914 an der Front zwischen deutschen, französischen und schottischen Einheiten stattgefunden hatten. Das Gedicht bringt es auf den Punkt: Man kann sich unter keinen Umständen mit "Ungeheuern" verbrüdern.
In der Folgezeit diente die Anhäufung von Leichen auf beiden Seiten jedem kriegführenden Staat als Rechtfertigung für die Dämonisierung des Feindes. Auf beiden Seiten lobte man den Heldenmut und die Opferbereitschaft der eigenen Soldaten bei der "notwendigen" Aufgabe, die "Verbrechen" der Soldaten der anderen Seite zu verhindern. Das Töten von Menschen war kein Verbrechen mehr, wenn sie eine andere Uniform trugen, sondern im Gegenteil eine "heilige Pflicht zur Verteidigung der Menschlichkeit und der Moral".
Diese Dämonisierung "feindlicher" Völker zur Rechtfertigung kriegerischer Barbarei setzte sich im gesamten 20. und frühen 21. Jahrhundert fort, da der Krieg zu einem dauerhaften Bestandteil der kapitalistischen Dekadenz wurde. Der Zweite Weltkrieg liefert uns dafür ein ebenso eindrückliches wie grausames Beispiel. Für die heutige bürgerliche Propaganda gab es nur ein "Lager des BÖSEN": Nazi-Deutschland und seine Verbündeten.
Das Naziregime war die Verkörperung der Konterrevolution, die über das Proletariat in Deutschland nach seinen revolutionären Versuchen von 1918-23 hereingebrochen war. Eine Konterrevolution, zu der die "Demokratien" des "Lagers des GUTEN" ihren ganzen Beitrag geleistet hatten und die durch den Nationalsozialismus vollendet wurde. Im Übrigen waren diese "Demokratien" lange Zeit davon ausgegangen, dass sie sich mit dem Hitler-Regime arrangieren könnten, wie das Münchner Abkommen von 1938 belegt. Die Gräueltaten des Naziregimes dienten den Alliierten in ihrer Propaganda dazu, ihre eigenen Gräueltaten zu rechtfertigen. Insbesondere die Vernichtung der europäischen Juden durch dieses Regime – der konzentrierteste Ausdruck der Barbarei, in die die Dekadenz des kapitalistischen Systems die menschliche Gesellschaft gestürzt hatte – war ein massives und als "unwiderlegbar" dargestelltes Argument dafür, dass die Alliierten Deutschland zerstören mussten, was vor allem durch die Ermordung Zehntausender Zivilisten durch die Bomben des "Lagers des GUTEN" geschah. Nach dem Krieg, als die Bevölkerung der "Siegerländer" von den Verbrechen ihrer Führer erfuhr, wurde ihnen erklärt, dass die entsetzlichen Massaker an der Zivilbevölkerung (insbesondere die Bombenangriffe auf Hamburg zwischen dem 25. Juli und dem 3. August 1943 und auf Dresden vom 13. bis 15. Februar 1945, bei denen unter massivem Einsatz von Brandbomben vor allem Zivilisten getroffen wurden und insgesamt über 100.000 Menschen getötet wurden) durch die Barbarei des Naziregimes gerechtfertigt waren. Die gleichen Politiker organisierten eine massive Propaganda über die – tatsächlichen – Gräueltaten des Regimes, insbesondere die Ausrottung der jüdischen Bevölkerung.[3] Die meisten Länder des Lagers des GUTEN verweigerten ihnen Einreisevisa und lehnten sogar die Angebote der Naziführer ab, ihnen Hunderttausende von Juden zu übergeben.
Die Heuchelei der "demokratischen" Bourgeoisie wird im Artikel Auschwitz oder das große Alibi, der 1960/61 in der Nr. 11 der Zeitschrift Programme Communiste (Organ der "bordigistischen" Internationalen Kommunistischen Partei)[4] erschien, abgestützt auf belegbare historische Tatsachen, sehr gut bloßgestellt. Die Schlussfolgerung dieses Artikels, den wir voll und ganz unterstützen, lautet wie folgt:
"Wir haben gesehen, wie der Kapitalismus Millionen von Menschen zu Tode verurteilte, indem er sie aus dem Produktionsprozess ausstieß. Wir haben gesehen, wie er sie umgebracht und ihnen dabei allen nur möglichen Mehrwert abgepresst hat. Wir müssen jetzt noch sehen, wie er sie sogar nach ihrem Tode weiter ausnutzt, wie er sogar ihren Tod selbst ausnutzt. Zuerst haben die Imperialisten des alliierten Lagers sie benutzt, um ihren Krieg zu rechtfertigen und nach ihrem Sieg die gemeine Behandlung des Besiegten. Man hat sich auf die Lager und die Leichen gestürzt! Überall hat man die Gräuelbilder herumgezeigt und gerufen: „Seht ihr, was für Schufte die Nazis waren! Wie Recht wir hatten, sie zu bekämpfen! Und wie Recht haben wir jetzt, ihnen das Leben sauer zu machen!“ Man denke an die unzähligen Verbrechen des Imperialismus; man denke z. B. daran, dass gerade am 8. Mai 1945, als in Frankreich Thorez, der ehemalige KPF-Führer, den Sieg über den Faschismus auskrähte, 145.000 Algerier, die die Avantgarde der antikolonialen Bewegung gegen den Imperialismus darstellten, unter dem Vorwand, faschistische Provokateure zu sein, niedergemetzelt wurden[5]; man denke an die Verantwortung des Weltkapitalismus für alle diese Massaker – da packt einen der Ekel vor dem gemeinen Zynismus und der heuchlerischen Selbstzufriedenheit des siegreichen imperialistischen Blocks! Gleichzeitig haben sich alle braven antifaschistischen Demokraten auf die Leichen der Juden gestürzt. Und sie schwenken diese Bilder vor den Augen des Proletariats. Selbstverständlich tun sie es nicht, um die Abscheulichkeit des Kapitalismus zu zeigen! Im Gegenteil, sie versuchen zu zeigen, wie schön die wahre Demokratie und der wahre Fortschritt des anderen Lagers ist, wie wohl es sich lebt in der renovierten kapitalistischen Gesellschaft! Vor dem Gräuel des kapitalistischen Todes soll das Proletariat die Gräuel des kapitalistischen Lebens vergessen und dass beide unzertrennlich miteinander verbunden sind. Vor den Experimenten der SS-Ärzte soll vergessen werden, dass der Kapitalismus im großen Maßstab mit Alkohol, mit krebserregenden Produkten, mit den Strahlungen der „demokratischen“ Atombomben usw. experimentiert. Man zeigt die Lampenschirme aus Menschenhaut, damit vergessen wird, dass der Kapitalismus aus dem lebendigen Menschen, seiner Arbeitskraft, einen Lampenschirm macht. Vor den Bergen von Haaren, Goldzähnen, vor dem zur Ware gewordenen Körper des toten Menschen soll man vergessen, dass der Kapitalismus das Leben der Menschen selbst, die Arbeit, zur Ware gemacht hat. Hier ist die Quelle allen Unglücks. Dies hinter den Leichen der Opfer des Kapitals verstecken zu wollen, diese Leichen zum Schutz des Kapitals zu verwenden, das ist wirklich die abscheulichste Art, sie bis zu Ende auszunutzen."
Dieser Artikel bringt auf den Punkt, was eine Grundposition der Kommunistischen Linken darstellt: die Denunziation der antifaschistischen Ideologie, deren Pfeiler die Erwähnung des Holocausts ist, als Mittel, um die Verteidigung der kapitalistischen "Demokratie" zu rechtfertigen. So erschien bereits im Juni 1945 in der Nummer 6 von L'Étincelle, der Zeitung der Gauche Communiste de France, der politischen Vorläuferin der IKS, ein Artikel mit dem Titel Buchenwald, Maidaneck, makabre Demagogie[6], der das gleiche Thema entwickelte und den wir nachstehend wiedergeben:
"Die Rolle, die die SS, die Nazis und ihre Lager der Industrialisierung des Todes spielten, war die der allgemeinen Ausrottung all jener, die sich dem faschistischen Regime widersetzten, und vor allem der revolutionären Aktivisten, die immer an der Spitze des Kampfes gegen die kapitalistische Bourgeoisie standen, in welcher Form auch immer sie sich präsentierte: Autarkie, Monarchie oder "Demokratie", unabhängig davon, wer ihr Führer war: Hitler, Mussolini, Stalin, Leopold III., Georg V., Viktor Emanuel, Churchill, Roosevelt, Daladier oder De Gaulle.
Die internationale Bourgeoisie, die beim Ausbruch der Oktoberrevolution 1917 nach jedem erdenklichen Mittel suchte, um sie niederzuschlagen, die die deutsche Revolution 1919 mit brutaler Repression zerschlug, die den proletarischen chinesischen Aufstand im Blut ertränkte; dieselbe Bourgeoisie, die in Italien die faschistische und in Deutschland die Hitler-Propaganda finanzierte; dieselbe Bourgeoisie brachte in Deutschland denjenigen an die Macht, den sie dazu bestimmt hatte, in ihrem Namen der Gendarm Europas zu sein; dieselbe Bourgeoisie gibt heute schließlich Millionen aus, um den Aufbau einer Ausstellung "SS-Verbrechen Hitlers", die Aufnahmen und die öffentliche Vorführung von Filmen über "deutsche Gräueltaten" zu finanzieren (während die Opfer dieser Gräueltaten weiterhin oft ohne Pflege sterben und die zurückkehrenden Überlebenden nicht die Mittel haben, um zu leben).
Die gleiche Bourgeoisie, die auf der einen Seite die Wiederbewaffnung Deutschlands bezahlt und auf der anderen Seite das Proletariat verhöhnt hat, indem sie es mit der antifaschistischen Ideologie in den Krieg hineingezogen hat, ist es, die auf diese Weise Hitlers Aufstieg an die Macht begünstigt und ihn bis zum Ende benutzt hat, um das deutsche Proletariat zu zerschlagen und es in den blutigsten aller Kriege, in das abscheulichste Gemetzel, das man sich vorstellen kann, hineinzuziehen.
Es ist immer dieselbe Bourgeoisie, die Vertreter mit Blumenkränzen schickt, um sich scheinheilig an den Gräbern der Toten zu verneigen, die sie selbst zu verantworten hat, weil sie unfähig ist, die Gesellschaft zu führen, und weil der Krieg ihre einzige Lebensform ist.
SIE IST ES, DIE WIR ANKLAGEN!
Denn die Millionen Toten, die sie in diesem Krieg verschuldet hat, sind nur ein Zusatz zu einer leider schon viel zu langen Liste von Märtyrern der "Zivilisation", der zerfallenden kapitalistischen Gesellschaft.
Die Verantwortlichen für Hitlers Verbrechen sind nicht die Deutschen, die 1934 als erste mit 450.000 Menschenleben für Hitlers bürgerliche Unterdrückung bezahlten und die weiterhin unter dieser gnadenlosen Unterdrückung litten, als diese gleichzeitig ins Ausland getragen wurde. Ebenso wenig wie die Franzosen, Engländer, Amerikaner, Russen und Chinesen sind sie für die Schrecken des Krieges verantwortlich, den sie nicht gewollt haben, sondern den ihnen ihre herrschende Klasse aufgezwungen hat.
Die Millionen von Männern und Frauen, die in den Konzentrationslagern der Nazis langsam starben, die brutal gefoltert wurden und deren Körper irgendwo verrotten, die während dieses Krieges im Kampf geschlagen oder in einem "befreienden" Bombardement überrascht wurden, die Millionen von verstümmelten, amputierten, zerfetzten, entstellten Leichen, die unter der Erde vergraben sind oder in der Sonne verrotten, die Millionen von Leichen, Soldaten, Frauen, Greise, Kinder.
... und sie fordern Rache nicht an der deutschen Bevölkerung, die weiterhin zahlt, sondern an der skrupellosen herrschenden Klasse, die nicht gezahlt, sondern profitiert hat und die weiterhin hungernde Sklaven mit ihren Mastschweineminen verhöhnt.
Die einzige Position des Proletariats besteht nicht darin, demagogischen Aufrufen zu folgen, die darauf abzielen, den Chauvinismus durch antifaschistische Komitees fortzusetzen und zu verstärken, sondern im direkten Klassenkampf zur Verteidigung ihrer Interessen, ihres Rechts auf Leben, einem Kampf jeden Tag, jeden Augenblick, bis zur Zerstörung des monströsen Regimes des Kapitalismus."[7]
Auch heute noch beruft sich der Staat Israel (und berufen sich diejenigen, die ihn unterstützen) auf die Erinnerung an die Shoah, um seine Verbrechen zu rechtfertigen. Die Gräueltaten, die die jüdische Bevölkerung in der Vergangenheit erlitten hat, sind ein Mittel, um den Eindruck zu erwecken, dass dieser Staat zum Lager des GUTEN gehört, selbst wenn er sich im Zweiten Weltkrieg die "Demokratien" zum Vorbild nimmt, um die Zivilbevölkerung vorsätzlich mit Bomben zu massakrieren. Die von der Hamas am 7. Oktober begangenen Gräueltaten ermöglichten es ihm, diese Flamme auf spektakuläre Weise wieder zu entfachen, so dass in Israel selbst die Stimmen derjenigen, die zuvor die verbrecherische Politik dieses Staates angeprangert hatten, zum Schweigen gebracht wurden und sogar ins Lager der exzessiven Kriegsführung wechselten.
Gleichzeitig haben die Feinde Israels und ihre Unterstützer, die jahrzehntelang die Unterdrückung und Erniedrigung der palästinensischen Bevölkerung zu ihrem Geschäft gemacht haben, egal ob sie sich hinter islamistischen oder "anti-imperialistischen" Fahnen verbergen, heute mit den Massakern, die der hebräische Staat in Gaza verübt, die Trumpf-Argumente, um ihre Unterstützung für einen palästinensischen Staat zu rechtfertigen, der wie alle Staaten das Instrument der Ausbeuterklasse zur Unterdrückung und Repression der Ausgebeuteten sein wird.
Um die kriegerische Barbarei zu rechtfertigen, hat die bürgerliche Propaganda insbesondere seit 1914 massiv von der Lüge Gebrauch gemacht, wie wir oben gesehen haben und immer noch sehen. Denken wir nur, neben vielen anderen Beispielen, an den Mythos der "Massenvernichtungswaffen", den der amerikanische Staat 2003 in die Welt setzte, um die Invasion des Iraks zu rechtfertigen. Diese Propaganda ist jedoch noch viel wirksamer, wenn sie sich auf die tatsächlichen Gräueltaten stützen kann, die von denjenigen begangen werden, die als Feinde bezeichnet werden. Und diese Gräueltaten werden nicht verschwinden, ganz im Gegenteil. Je tiefer das kapitalistische System in seine Dekadenz und seinen Zerfall eindringt, desto häufiger und abscheulicher werden sie werden. Wie in der Vergangenheit werden sie von jedem Teil der Bourgeoisie benutzt werden, um ihre eigenen Gräueltaten und zukünftige Gräueltaten zu rechtfertigen.
Empörung und Wut über diese Gräueltaten sind legitim und normal bei jedem Menschen. Aber es ist wichtig, dass die Ausgebeuteten, die Proletarier, in der Lage sind, den Sirenen derer zu widerstehen, die sie dazu aufrufen, Proletarier in anderen Ländern zu bekämpfen und zu töten oder sich selbst in diesen Kämpfen töten zu lassen. Kein Krieg im Kapitalismus wird jemals der Krieg sein, der die Kriege beendet, die "Der des Ders"[8], wie es die Propaganda der Entente-Länder 1914 behauptete oder wie es Präsident Bush junior 2003 vorgab, als er nach der Beseitigung Saddam Husseins (in Wirklichkeit nach dem Massaker an Hunderttausenden Irakern) "eine Ära des Friedens und des Wohlstands" vorhersagte. Die einzige Möglichkeit, Kriege und die damit verbundenen Gräueltaten zu beenden, besteht darin, das System zu beenden, das sie hervorbringt, den Kapitalismus. Jede andere Perspektive sichert nur das Überleben dieses barbarischen Systems.
Fabienne, 24.11.2023
[1] „Naissance de la démocratie totalitaire [4]“ Revue Internationale Nr. 155
[2] "PROPAGANDA TECHNIQUE IN THE WORLD WAR" (https://babel.hathitrust.org/cgi/pt?id=mdp.39015000379902&view=1up&seq=23) [5]
[3] Der Einsatz der Atombombe durch das amerikanische Lager des GUTEN, die die Städte Hiroshima (6. August 1945 – je nach unterschiedlichen Schätzungen zwischen 103.000 und 220.000 Tote) und Nagasaki (9. August – zwischen 90.000 und 140.000 Tote) dem Erdboden gleichmachte, konnte natürlich nicht mit der Ausrottung der Juden durch die japanischen Behörden gerechtfertigt werden, musste aber dennoch eine "humanitäre" Bestimmung erhalten. Den US-Behörden zufolge rettete sie nämlich eine Million Menschenleben auf beiden Seiten, indem sie das Ende des Krieges beschleunigte. Dies ist eine der abscheulichsten Lügen über den Zweiten Weltkrieg. In Wirklichkeit war die japanische Regierung bereits vor diesen Bombenangriffen bereit, unter der Bedingung zu kapitulieren, dass Kaiser Hirohito seinen Thron behalten würde. Die US-amerikanischen Behörden lehnten diese Bedingung jedoch ab. Sie mussten unbedingt die Atombombe einsetzen können, um mehr über die "Effektivität" dieser neuen Waffe zu erfahren und vor allem, um eine einschüchternde Botschaft an die Sowjetunion zu senden, von der die US-Regierung vorhersagte, dass sie der nächste Feind sein würde. Hirohito seinerseits blieb bis zu seinem Tod am 7. Januar 1989 auf seinem Thron, ohne jemals von den US-Behörden behelligt zu werden, obwohl seine persönliche Beteiligung an den Verbrechen der japanischen Armeen eindeutig nachgewiesen wurde. Ein letzter Hinweis: Japans Hauptstadt Tokio erhielt keine Atombombe, weil sie bereits durch zahlreiche "klassische" Bombenangriffe (mit intensivem Einsatz von Brandbomben) praktisch dem Erdboden gleichgemacht worden war, insbesondere durch die Bombenangriffe vom März 1945, die ebenso viele Todesopfer forderten wie der Angriff auf Hiroshima.
[4] https://www.marxists.org/deutsch/archiv/bordiga/1961/xx/auschwitz.htm [6] Dieser Artikel stützt sich insbesondere auf das Buch Die Geschichte von Joel Brand, Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln-Berlin, 1956), in dem die Erlebnisse dieses ungarischen Juden beschrieben werden, der die Flucht von Juden organisierte, die von den Nazis verfolgt wurden. Im Mai 1944 wurde Brand von Adolf Eichmann beauftragt, den Alliierten einen Vorschlag zur "Auslieferung" von Hunderttausenden von Juden zu übermitteln, ein Vorschlag, der von den britischen Behörden abgelehnt wurde.
[5] Der Aufstand der Bevölkerung von Setif am 8. Mai 1945, am Tag der Unterzeichnung des Waffenstillstands, der von der französischen Regierung, an der die von Maurice Thorez geführte "Kommunistische" Partei beteiligt war, mit äußerster Gewalt niedergeschlagen wurde.
[7] Die Internationalist Communist Tendency ICT hat auf ihrer Website (https://www.leftcom.org/en [8]) einen Artikel veröffentlicht, der sich mit denselben Fragen befasst, die in unserem vorliegenden Artikel angesprochen werden: Imperialist Hypocrisy in the East and West. Es handelt sich um einen ausgezeichneten Artikel, den wir begrüßen und unsere LeserInnen ermutigen zu lesen.
[8] "Der des Ders" ist ein Ausdruck, der sich nach dem Ersten Weltkrieg geprägt hat und "der letzte der letzten (Kriege)" bedeutet.
Am 7. Oktober verbreitete eine Horde Islamisten unter einem Raketenhagel Angst und Schrecken über die israelischen Ortschaften rund um den Gazastreifen. Im Namen einer "gerechten Rache" für die "Verbrechen der Besatzung", im Namen der "Muslime der ganzen Welt" gegen das "zionistische Regime" schickten die Hamas und ihre Verbündeten Tausende fanatisierte "Kämpfer" los, um die schlimmsten Gräueltaten an wehrlosen Zivilisten, Frauen, alten Menschen und sogar Kindern zu begehen. Die Brutalität der Hamas kannte keine Grenzen: Morde, Vergewaltigungen, Folter, Entführungen, gezielte Angriffe auf Schulen, unschuldige Menschen, die bis in ihre Häuser gejagt wurden, Tausende von Verletzten...
Kaum waren die schändlichen Ausschreitungen der Hamas zurückgeschlagen, entfesselten die israelischen Streitkräfte IDF im Namen des Kampfes "des Lichts" gegen "die Finsternis" ihre ganze mörderische Macht im Gazastreifen. Während wir diese Zeilen schreiben, bombardiert die israelische Luftwaffe die überbevölkerte Enklave, in der die Hamas herrscht, ohne Unterlass und reißt dabei wahllos Zivilistinnen und Terroristen mit in den Tod, während die IDF den Gazastreifen in zwei Teile zerschnitten und die Hauptstadt umzingelt haben. Indem die Regierung Netanjahu "das Höllenfeuer auf die Hamas regnen" lässt, macht sie blindlings Häuser dem Erdboden gleich und nimmt ebenfalls Tausende unschuldiger Opfer mit ins Grab, darunter mehrere tausend Kinder.
Der Angriff der Hamas hat die ganze Welt in Erstaunen versetzt. Israel, ein Staat, dessen herrschende Klasse Tag für Tag, Jahr für Jahr in der Bevölkerung das Gefühl einer belagerten Zitadelle kultiviert, ein Staat mit Geheimdiensten, dem Mossad und dem Shin Bet, die zu den renommiertesten der Welt gehören, ein Staat, der seit langem mit den USA und ihrem Überwachungsarsenal verbündet ist – Israel hat anscheinend nichts kommen sehen: weder die verdächtigen Übungen der Hamas noch die Konzentration von Tausenden von Raketen und Menschen. Der jüdische Staat hat auch die zahlreichen Warnungen, insbesondere die des benachbarten Ägyptens, nicht beachtet.
Es gibt mehrere Hypothesen, die diese Überraschung erklären könnten:
- Netanjahu und seine Clique sind so gespalten und stupid, vom Gewicht des Populismus und den schlimmsten religiösen Verirrungen geprägt, auf die Verteidigung ihrer unmittelbaren Kleininteressen ausgerichtet und von der Kontrolle des Westjordanlandes und der "Rückeroberung des gelobten Landes" besessen, dass sie den unmittelbar bevorstehenden Angriff vielleicht unterschätzt haben, als sie die Streitkräfte in dieser Region konzentrierten.
- Von Teilen der israelischen Bourgeoisie, der Armee und des Geheimdienstes so sehr in Frage gestellt, ist es auch möglich, dass Netanjahu die Warnungen absichtlich ignoriert hat, um zu versuchen, die Kontrolle über die politische Situation in Israel wiederzuerlangen, indem er die "nationale Einheit" herbeiführt. Wie es auch durchaus möglich ist, dass ein Teil des Staatsapparats die Regierung nicht über den bevorstehenden Angriff informiert hat, um sie weiter zu schwächen.
Sicher ist jedenfalls, dass Netanjahu vor dem 7. Oktober alles getan hat, um die Macht und die Mittel der Hamas insofern zu stärken, als diese Organisation wie er und die gesamte israelische Rechte völlig gegen die Osloer Verträge von 1993[1] war, die eine Autonomie Palästinas vorsahen. Es war Netanjahu selbst, der sich zu dieser Politik bekannte: "Wer die Gründung eines palästinensischen Staates vereiteln will, muss die Stärkung der Hamas unterstützen und Geld an die Hamas überweisen. Das ist Teil unserer Strategie." Diese Äußerungen machte Netanjahu am 11. März 2019 gegenüber Likud-Abgeordneten (berichtet von der großen israelischen Tageszeitung Haaretz am 9. Oktober 2023).
Im Moment ist es schwierig, die Ursachen für dieses Fiasko der israelischen Sicherheitskräfte zu bestimmen. Aber jede der beiden Hypothesen sowie die Dynamik, in die der Nahe Osten versinkt, offenbaren das zunehmende Chaos, das im politischen Apparat der israelischen Bourgeoisie herrscht: Instabilität der Regierungskoalitionen, massive Korruption, Betrugsprozesse, Gesetzesmanipulationen, eine sehr umstrittene Justizreform, hinter der sich die Abrechnung innerhalb des Staatsapparats nur schwer verbergen lässt, ein Überlegenheitswahn bei gewissen Ultraorthodoxen... All dies vor dem Hintergrund einer steigenden Inflation und einer enormen Explosion der Armut.
Was die angeblichen "Widerstandskämpfer" der Hamas betrifft, so ist die Tatsache, dass diese Organisation, die mit einer bis ins Mark verrotteten PLO konkurriert, den Gazastreifen anführt, ein karikaturistischer Ausdruck des Chaos und der Irrationalität, in die die palästinensische Bourgeoisie gestürzt ist. Wenn die Hamas nicht gerade damit beschäftigt ist, wie im März 2019 Demonstrationen gegen das Elend blutig niederzuschlagen (was hinreichend erkennen lässt, wie es dem "palästinensischen Volk" ergehen wird, sobald es vom "zionistischen Kolonialismus" "befreit" ist ...!), wenn sich ihre mafiösen Führer nicht gerade mit internationaler Hilfe vollstopfen (die Hamas ist eine der reichsten Terrororganisationen der Welt) oder Terroranschläge planen, dann predigt diese blutrünstige Gruppe eine Ideologie, die zu den abergläubischsten, rassistischsten und wahnhaftesten gehört.
Der Staat Israel und die Hamas haben zu unterschiedlichen Zeiten und mit unterschiedlichen Mitteln die Politik des Schlimmsten praktiziert, die zu den heutigen Massakern geführt hat. Eine Politik, die letztlich keiner der beiden Kriegsparteien nützen kann, sondern die Zerstörung und Barbarei noch weiter ausdehnen wird.
Der israelisch-palästinensische Konflikt ist natürlich alles andere als ein rein lokaler Konflikt. Weniger als zwei Jahre nach dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine, während eine ganze Reihe von Konflikten auf dem Balkan, im Kaukasus oder in der Sahelzone wieder aufflammt, ist dieser blutige Flächenbrand nicht nur die x-te Episode eines seit Jahrzehnten andauernden Konflikts. Vielmehr handelt es sich um einen weiteren bedeutenden Schritt in der Beschleunigung des globalen Chaos.
In naher Zukunft ist die Möglichkeit nicht von der Hand zu weisen, dass Israel gezwungen sein wird, einen Dreifrontenkrieg gegen die Hamas, die Hisbollah und den Iran zu führen. Eine Ausweitung des Konflikts hätte große globale Auswirkungen, vor allem einen enormen Flüchtlingsstrom aus dem Gazastreifen oder dem Westjordanland und eine Destabilisierung der Nachbarländer Israels. Angesichts der zusätzlichen Bedeutung des Nahen und Mittleren Ostens für die Öl- und Gasproduktion hätte er auch unmittelbare Folgen, die für die gesamte Weltwirtschaft besonders verheerend wären.
Auch die Übertragung des Konflikts nach Europa mit einer Reihe von tödlichen Anschlägen ist nicht zu unterschätzen. Bereits wurde in Belgien ein Anschlag verübt, zu dem sich der Islamische Staat bekannte. Auch in Frankreich wurde am 13. Oktober ein Lehrer von einem jungen Islamisten brutal ermordet, weniger als eine Woche nach der Offensive der Hamas.
Es reicht jedoch nicht aus, auf die Ausweitung des Konflikts zu warten, um seine unmittelbar internationale Dimension zu ermessen.[2] Das Ausmaß des Hamas-Angriffs und der Grad der Vorbereitung, die er erforderte, lassen wenig Zweifel an der Beteiligung des Iran, der offensichtlich bereit ist, die gesamte Region in Brand zu setzen, um seine unmittelbaren strategischen Interessen zu verteidigen und zu versuchen, aus der Isolation herauszukommen. Es ist eine regelrechte Falle, die die Islamische Republik Netanjahu gestellt hat. Dies war auch der Grund, warum Teheran und seine Verbündeten die Provokationen mit dem Raketenbeschuss israelischer Stellungen durch die Hisbollah und die Huthis (Jemen) steigerten. Auch Russland dürfte bei der Hamas-Offensive eine Rolle gespielt haben: Es ist ein Mittel, so hofft es zumindest, um die Unterstützung der USA und Europas für die Ukraine zu schwächen.
Selbst wenn sich die Gewalt in nächster Zeit nicht auf den gesamten Nahen Osten ausbreiten sollte, ist die Dynamik der Destabilisierung unausweichlich. In dieser Hinsicht kann die Situation China nur beunruhigen: Dies würde nicht nur seine Versorgung mit Öl und Gas schwächen, sondern auch ein erhebliches Hindernis für den Bau seiner "Seidenstraßen" mit diesen gigantischen Hafen-, Eisenbahn- und Kohlenwasserstoffinfrastrukturen darstellen. China, das sich hier in einer ambivalenten Position befindet, könnte jedoch auch zum Chaos beitragen, indem es schließlich den Iran offen unterstützt und so hofft, den Druck der USA im Pazifikraum zu lockern.
Dieser Konflikt zeigt, wie jeder Staat zur Verteidigung seiner Interessen zunehmend eine Politik der "verbrannten Erde" betreibt, indem er nicht mehr nur versucht, Einfluss zu gewinnen oder Interessen zu erobern, sondern gezielt Chaos und Zerstörung unter seinen Rivalen zu stiften.
Diese Tendenz zu strategischer Irrationalität, kurzfristigen Visionen, instabilen Bündnissen und zum Jeder-für-sich ist weder eine willkürliche Politik dieses oder jenes Staates noch das Produkt der bloßen Dummheit dieser oder jener bürgerlichen Fraktion an der Macht. Sie ist die Folge der historischen Bedingungen des Zerfalls des Kapitalismus, unter denen sich alle Staaten gegenüberstehen.[3] Mit dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine haben sich diese historische Tendenz und die Last des Militarismus auf die Gesellschaft tiefgreifend verschärft. Der israelisch-palästinensische Konflikt bestätigt, wie sehr der imperialistische Krieg mittlerweile der Hauptfaktor für die Destabilisierung der kapitalistischen Gesellschaft ist. Als Produkt der Widersprüche des Kapitalismus nährt der Atem des Krieges im Gegenzug das Feuer eben dieser Widersprüche und verstärkt durch das Gewicht des Militarismus die Wirtschaftskrise, die Umweltkatastrophe, die Zerstückelung der Gesellschaft ... Diese Dynamik tendiert dazu, dass alle Teile der Gesellschaft verrotten und alle Nationen geschwächt werden, angefangen bei der ersten unter ihnen: den Vereinigten Staaten.
Die westlichen Staatschefs eilten an das Krankenbett Israels, zunächst mit einer gewissen Hektik und Zweifeln, wie man am besten mit der Situation umgehen sollte. So sah man, wie sich der französische Präsident ausnahmsweise einmal in einem diplomatischen Spagat lächerlich machte, indem er dazu aufrief, die 2014 geschaffene Koalition gegen den Islamischen Staat nun gegen die Hamas zu mobilisieren, bevor er am Abend erbärmlich zurückruderte.
Mit ihrem Ansturm auf Tel Aviv und die Nachbarländer Israels versuchen die europäischen Regierungen, die Situation zu nutzen, um in der Region wieder Fuß zu fassen. Es war jedoch wieder Biden, der den Ton angab, indem er versuchte, Druck auf Israel auszuüben, um ein zu großes Blutbad in Gaza zu verhindern. Außerdem schickte er zwei Flugzeugträger in das Gebiet, um eine Botschaft der Entschlossenheit an die Hisbollah und den Iran zu richten.
Als die USA unter Obama ihren "strategischen Schwenk" nach Asien vollzogen (eine Politik, die von Trump und Biden fortgesetzt wird), gaben sie ihren Einfluss im Nahen und Mittleren Osten nicht auf. Mit dem Abraham-Abkommen und anderen Maßnahmen versuchte Washington, ein Bündnissystem zwischen Israel und mehreren arabischen Ländern, insbesondere Saudi-Arabien, aufzubauen, um die imperialistischen Bestrebungen des Iran einzudämmen, indem die Verantwortung für die Aufrechterhaltung der Ordnung an den jüdischen Staat delegiert wurde.
Doch dabei wurde die Dynamik der zunehmenden Instabilität von Allianzen und der tiefen Tendenz, dass jeder gegen jeden kämpft, nicht berücksichtigt. Denn die israelische Bourgeoisie hat ihre eigenen imperialistischen Interessen immer wieder vor die der USA gestellt. Während Washington eine Zwei-Staaten-"Lösung" bevorzugt, hat Netanjahu die Annexionen im Westjordanland vervielfacht und damit riskiert, die Region in Brand zu setzen, während er gleichzeitig auf die militärische und diplomatische Unterstützung der USA für den Fall einer Eskalation des Konflikts baute. Die USA sehen sich nun von Israel in die Ecke gedrängt und gezwungen, Netanjahus unverantwortliche Politik zu unterstützen.
Bidens zumindest harsche Reaktion zeigt, wie wenig Vertrauen die US-Regierung in die Netanjahu-Clique hat und wie besorgt sie angesichts der Aussicht auf einen katastrophalen Flächenbrand im Nahen Osten ist. Der israelisch-palästinensische Konflikt ist ein neuer Druckpunkt für die imperialistische Politik der USA, der sich im Falle einer Ausweitung als katastrophal erweisen könnte. Washington müsste dann eine beträchtliche Militärpräsenz und Unterstützung für Israel übernehmen, was nicht nur die US-Wirtschaft, sondern auch seine Unterstützung für die Ukraine und vor allem seine Strategie zur Eindämmung der Expansion Chinas belasten würde.
Die pro-palästinensische Rhetorik des "unverbesserlichen" NATO-Mitglieds Türkei wird ebenfalls zu einer Schwächung der USA in der Region beitragen, ebenso wie die Spannungen zwischen Israel und mehreren lateinamerikanischen Ländern die Spannungen mit seinem nordamerikanischen Sponsor zweifellos verschärfen werden. Washington versucht also zu verhindern, dass die Situation außer Kontrolle gerät – ein angesichts der verhängnisvollen Dynamik, in der der Nahe Osten versinkt, auf lange Sicht völlig illusorisches Ziel.
Die Bilder vom Wüten der Hamas und der IDF gingen um die Welt, und überall rief uns die Bourgeoisie auf, uns für eine Seite zu entscheiden. Auf allen Fernsehkanälen und in allen Zeitungen, von links bis rechts, tobt eine hässliche Kriegspropaganda, oft grob, manchmal subtiler, die jeden und jede auffordert, zwischen dem "palästinensischen Widerstand" und der "israelischen Demokratie" zu wählen, als ob es keine andere Wahl gäbe, als die eine oder die andere dieser blutrünstigen bürgerlichen Cliquen zu unterstützen.
Ein Teil der Bourgeoisie, insbesondere in Europa und Nordamerika, entfesselt eine heftige Kampagne, um den Krieg und die Übergriffe der israelischen Armee zu legitimieren: "Wir verteidigen das Recht Israels, zu existieren, sich zu verteidigen und die Sicherheit seines Volkes zu garantieren. Und wir verstehen vollkommen, dass der Terrorismus bekämpft werden muss" (Meloni). Natürlich schmückt sich die Bourgeoisie mit allen humanitären Tugenden und beklagt scheinheilig die zivilen Opfer im Gaza-Streifen. Aber, seien Sie beruhigt, gute Leute, Scholz ist sich sicher: "Israel ist ein demokratischer Staat mit sehr humanitären Prinzipien, die ihn leiten. Und deshalb kann man sicher sein, dass die israelische Armee bei dem, was sie macht, die Regeln beachten wird, die sich aus dem Völkerrecht ergeben."
Die Bourgeoisie kann sich auch auf ihre linken Parteien stützen, um ihre schmutzige nationalistische Propaganda zu füttern. Praktisch alle treten für die Verteidigung Palästinas ein. Ihre Reden reichen von der angeblichen Verteidigung der bombardierten palästinensischen Bevölkerung bis zur schamlosen Unterstützung der Barbaren der Hamas. In London und Berlin wurden riesige pro-palästinensische Demonstrationen organisiert, die den legitimen Abscheu vor den Bombenangriffen auf Gaza instrumentalisierten.
Es stimmt, dass die Arbeiterklasse heute nicht in der Lage ist, sich direkt gegen den Krieg und seine Schrecken zu stellen. Aber sich für eine imperialistische Seite gegen eine andere zu entscheiden, ist eine tödliche Falle. Denn es bedeutet, die Logik des Krieges zu akzeptieren, die lautet: "Hass, Spannungen und Spaltungen zwischen den Menschen, Tod um des Todes willen, Folter, Unterwerfung, Machtverhältnisse als einzige Logik der gesellschaftlichen Entwicklung".[4] Es bedeutet, die unverschämten Lügen, die die Bourgeoisie bei jedem Konflikt wiederholt, für bare Münze zu nehmen: "Nach diesem Krieg wird wieder Frieden herrschen." Es bedeutet vor allem, sich hinter die Interessen der Bourgeoisie zu stellen (das nationale Kapital um jeden Preis zu verteidigen, auch wenn es die Menschheit ins Grab bringt) und den Kampf für die einzig
e Perspektive aufzugeben, die wirklich in der Lage ist, der mörderischen Dynamik des Kapitalismus ein Ende zu setzen: den Kampf für die Verteidigung der historischen Interessen des Proletariats, den Kampf für den Kommunismus.
Die ArbeiterInnen in Israel und Palästina werden sich höchstwahrscheinlich in ihrer großen Mehrheit für das Terrain des Nationalismus und des Krieges mobilisieren lassen. Doch durch die beispiellose Serie von Kämpfen in vielen Ländern, insbesondere in Großbritannien, Frankreich und den USA, hat die Arbeiterklasse gezeigt, dass sie in der Lage ist, zu kämpfen – wenn auch nicht gegen den Krieg und den Militarismus selbst, so doch gegen die wirtschaftlichen Folgen des Krieges, gegen die Opfer, die die Bourgeoisie fordert, um ihre Kriegswirtschaft zu nähren. Dies ist ein grundlegender Schritt in der Entwicklung von Kampfbereitschaft und letztlich von Klassenbewusstsein.[5] Der Krieg im Nahen Osten wird mit der Vertiefung der Krise und dem zusätzlichen Rüstungsbedarf, den er an allen Ecken und Enden des Planeten hervorrufen wird, die objektiven Bedingungen für diesen Bruch nur noch weiter verschärfen.
Doch dieser Krieg birgt für die Arbeiterklasse noch unvorhersehbare Gefahren in sich. Sollten die Massaker noch schlimmer werden oder sich weiter ausbreiten, könnten das Gefühl der Ohnmacht und die Spaltungen innerhalb der Arbeiterklasse ein bedeutendes Hindernis für die Entwicklung ihrer kämpferischen und reflektierenden Bemühungen darstellen. Wie die pro-palästinensischen Demonstrationen zeigen, könnte sich der Nahostkonflikt sehr negativ auf die Arbeiterklasse auswirken, insbesondere in Frankreich, Großbritannien oder Deutschland, wo die Anwesenheit vieler Juden und Muslime in Verbindung mit den Hetzreden der Regierungen die Situation mehr als explosiv macht.
Der israelisch-palästinensische Krieg löst in der Arbeiterklasse zweifellos Gefühle der Ohnmacht und der dramatischen Zerrissenheit aus. Aber die gewaltigen Gefahren und die vor uns liegenden Aufgaben dürfen uns nicht zum Fatalismus verleiten. Auch wenn die herrschende Klasse den ArbeiterInnen heute mit nationalistischer und kriegerischer Propaganda den Kopf vollstopft, schafft die Krise, in der der Kapitalismus steckt, auch die Bedingungen für den Ausbruch von Massenkämpfen und das Entstehen eines Denkprozesses, zunächst in den revolutionären Minderheiten und dann in der gesamten Klasse.
EG, 6. November 2023
[1] Unterzeichnet von Arafat, dem ehemaligen PLO-Vorsitzenden, und Yitzhak Rabin, dem damaligen israelischen Premierminister
[2] Die schamlosen Lügen von Linken und Stalinisten aller Art, die die (schon damals falsche) Position der Bolschewisten zu nationalen Befreiungskämpfen entstellen, um ihre zynische Unterstützung der "palästinensischen Sache" im Namen des Kampfes eines "unterdrückten Volkes" gegen den "zionistischen Kolonialismus" zu rechtfertigen, ist pure Heuchelei. Es ist mehr als offensichtlich, dass die Hamas eine Schachfigur im großen internationalen imperialistischen Schachbrett ist, die maßgeblich vom Iran und in geringerem Maße auch von Russland unterstützt und bewaffnet wird.
[3] In diesem Zusammenhang laden wir unsere Leser ein, sich zwei unserer Texte zu diesem Thema anzusehen:
- die Aktualisierung von "Militarismus und Zerfall" [9], Internationale Revue Nr. 58 (2022);
- das Dritte Manifest der IKS: Der Kapitalismus führt zur Zerstörung der Menschheit, nur die Weltrevolution des Proletariats kann dem ein Ende setzen [10], Januar 2023.
[4] Drittes Manifest der IKS: Der Kapitalismus führt zur Zerstörung der Menschheit, nur die Weltrevolution des Proletariats kann dem ein Ende setzen [10], Januar 2023
[5] Zur Weiterentwicklung der Überlegungen über die Realität des Bruchs, der sich derzeit in der Arbeiterklasse vollzieht: "Streiks und Demonstrationen in den USA, Spanien, Griechenland, Frankreich... Wie können wir unsere Kämpfe ausweiten und vereinen? [11]", IKSonline Oktober 2023
Dieser Artikel wurde vor den schrecklichen Ereignissen in Derna, Libyen, verfasst, nachdem die durch den Sturm Daniel ausgelösten Überschwemmungen schlecht gewartete Dämme im Wadi Derna überflutet und ein unvorstellbares Ausmaß an Zerstörung verursacht hatten. Man weiß, dass über 11.000 Menschen ums Leben gekommen sind, Tausende werden vermisst und die in den Ruinen zurückgebliebenen Menschen sind von Hunger und Krankheiten bedroht. Nichts könnte die zunehmenden Auswirkungen des Klimawandels und die völlige Unfähigkeit des Kapitalismus, einen "Damm" dagegen zu errichten, deutlicher veranschaulichen, wie der nachstehende Artikel deutlich zeigt.2023 zeigt einmal mehr das Ausmaß der Umweltkatastrophe, in die die Bourgeoisie die gesamte Menschheit hineinreißt. Die verheerenden Waldbrände in Kanada und Hawaii, die Überschwemmungen in Asien, die Trinkwasserknappheit in Uruguay und Afrika, die verheerenden Stürme in den Vereinigten Staaten, das unwiederbringliche Schmelzen der Gletscher ... all diese "Naturkatastrophen" stehen in direktem Zusammenhang mit der globalen Erwärmung.
Die globale Erwärmung ist nicht nur real, sie beschleunigt sich auch in einem schwindelerregenden und katastrophalen Tempo. Der Juli 2023 war der heißeste Monat seit Beginn der Aufzeichnungen für den Planeten. Im August wurde der heißeste Tag aller Zeiten für diesen Zeitraum verzeichnet. Prognostiker sagen voraus, dass das Jahr 2024 diese traurigen Rekorde noch übertreffen könnte. Der Zusammenbruch des Systems von Meeresströmungen wie dem Golfstrom, einem wesentlichen Regulator des Weltklimas, könnte, wenn er sich bestätigt, das Klima der Erde drastisch verändern und die menschliche Spezies innerhalb weniger Jahrzehnte erheblich schwächen; es handelt sich um eine neue Bedrohung, die sich noch nicht bestätigt hat, die aber zu all denen hinzukommen könnte, die die Menschheit bereits bedrohen!
Die Bourgeoisie kann diese Realität nicht mehr leugnen, auch wenn sie jahrelang bewusst versucht hat, die Risiken zu verringern oder gar zu verbergen, um ihre Profite zu schützen![1] Aber die Beschleunigung und Verschärfung der Folgen des Klimawandels bedeutet, dass sie die Wahrheit nicht mehr verbergen kann: Das globale Klima steuert auf eine katastrophale Situation zu, die immer mehr Gebiete des Planeten unbewohnbar machen wird. Abgesehen von völlig irrationalen "Klimaskeptikern" wie Trump und der europäischen extremen Rechten versprechen die "verantwortungsvollsten" Staatsoberhäupter aus vollem Herzen, die Treibhausgasemissionen zu reduzieren, um eine umweltfreundlichere Wirtschaft zu entwickeln. Natürlich werden diese Versprechen nie eingehalten, bleiben weit hinter dem zurück, was auf dem Spiel steht, oder sind völlig lächerlich (Verbot von Plastikstrohhalmen, Kassenbons usw.).
Folglich muss die Bourgeoisie ihren Ton ändern und uns alle auf das Undenkbare vorbereiten, indem sie Maßnahmen zur "Anpassung" einführt. Der jüngste, aber sicher nicht der letzte Kommentar stammt von Frankreichs neuem Gesundheitsminister Aurélien Rousseaux, der angesichts einer neuen Hitzewelle, die im August das halbe Land heimsuchte, nichts Besseres zu sagen hatte als:"Wir müssen uns daran gewöhnen, mit diesen extrem hohen Temperaturen zu leben". Natürlich zeigt die Bourgeoisie, wie bei den vergangenen und zukünftigen Pandemien, eine unsägliche Inkompetenz und bereitet sich nicht ernsthaft auf die Katastrophe vor. Hinter diesen so genannten "Anpassungen" bereitet die herrschende Klasse die Menschen vor allem auf Entbehrungen und Versorgungsengpässe im Namen der Anpassung an die "Umweltanforderungen" vor.
Unter dem Vorwand der "Anpassung" an immer unhaltbarere klimatische Bedingungen beginnt die Bourgeoisie, ihre Wirtschaft umzugestalten... aber sicher nicht, um den Planeten zu erhalten! Mehrere Länder planen die Reaktivierung von Kohlekraftwerken oder manipulieren (wie Frankreich) skrupellos die Quoten, um deren Abschaltung zu vermeiden! Die französische Regierung steht kurz davor, neue Erdölbohrungen in der Gironde zu genehmigen, die sich symbolisch an dem Ort befindet, an dem die Wälder im letzten Jahr verwüstet wurden! Die Staaten kämpfen darum, ihre Wirtschaft nicht übermäßig zu belasten, und benutzen die Umwelt als imperialistische Waffe, um die Untätigkeit der anderen zu verunglimpfen, ihre eigenen Märkte zu schützen und zu versuchen, ihre Konkurrenten zu schwächen, z.B. mit öffentlichkeitswirksamen Klagen gegen konkurrierende Autohersteller wegen Verletzung der Umweltvorschriften... So enthält das am 12. Juli verabschiedete europäische Naturschutzgesetz eine Bestimmung, die eine wirtschaftliche Schutzklausel einführt: Wenn die Wirtschaft unter falsch konzipierten Maßnahmen des Gesetzes leidet, sollen diese rückgängig gemacht werden! Für das Kapital darf es keine Beschränkungen für die Ausweitung und Intensivierung seiner Wirtschaft geben. Die Umweltzerstörung muss an zweiter Stelle stehen.
Gleichzeitig werden keine Präventivmaßnahmen ergriffen, mit dem offensichtlichen Risiko, dass sich das Ausmaß der Katastrophen vergrößert. Die Brände auf Hawaii beispielsweise waren nicht zu kontrollieren, weil die Stromleitungen noch nicht unterirdisch verlegt waren und die Gefahr der Ausbreitung der Brände durch Freileitungen die Behörden dazu veranlasste, den Strom abzuschalten, wodurch die Pumpen, die die Feuerwehrschläuche mit Wasser versorgten, sofort abgeschaltet wurden. In Asien trug der Mangel an Medikamenten zur Bekämpfung von Malaria und Ruhr wesentlich zur Verschlimmerung der Folgen der Überschwemmungen bei. In Uruguay wurde das Trinkwasser, das nicht mehr in ausreichender Menge aus den Wasserhähnen fließen konnte, durch Salzwasser ersetzt! In Mayotte, einem französischen Überseegebiet, wurden keine Vorkehrungen für den Fall getroffen, dass die Bevölkerung aufgrund einer Dürre kein Trinkwasser mehr erhält.
Dies ist keine Frage der "Wahl" oder des "fehlenden politischen Willens", sondern die Logik der kapitalistischen Akkumulation, die es verbietet, die extrem umweltverschmutzende Dynamik der bürgerlichen Gesellschaft in Frage zu stellen. Denn es ist der Kapitalismus, der für diese Probleme verantwortlich ist; es ist der Kapitalismus, der jeden Kapitalisten dazu zwingt, immer mehr und billiger zu produzieren, auch wenn diese Produktion zu mehr Umweltverschmutzung und Gesundheitsgefährdung führt. Der Kapitalismus muss sich verkaufen. Und das ist alles, was er kann! Ein anarchischer und kurzfristiger Ansatz. In der Tat ist es selbstmörderisch. Beim Verkaufen geht es nicht um die Befriedigung menschlicher Bedürfnisse, sondern darum, von der Marktnachfrage zu profitieren.
Es ist daher sinnlos und selbstbetrügerisch, sich einzubilden, dass dieses System in der Lage ist, plötzlich eine langfristige Vision und eine vernünftige Organisation zu erfinden; dazu ist es nicht fähig und wird es nie sein. Der scharfe Wettbewerb, der es auszeichnet, mag von Anfang an ein mächtiger Motor des Fortschritts für die Produktivkräfte gewesen sein, aber als er an die Grenzen der zahlungsfähigen Nachfrage, d.h. der Märkte, stieß, verwandelte sich dieser scharfe Wettbewerb in eine Kriegsmaschine: ein Wirtschaftskrieg, ein militärischer Krieg um die Weltherrschaft um jeden Preis, auch um den Preis der Umweltzerstörung.
Heute dienen Forschung und Entwicklung des Produktionsapparats viel mehr dem Militärsektor als dem Schutz der Umwelt und der Befriedigung menschlicher Bedürfnisse. Die weltweiten Militärausgaben belaufen sich heute auf über 2.000 Milliarden Dollar und waren seit dem Ende des Kalten Krieges noch nie so hoch. Diese Ausgaben sind eine völlige Verschwendung, ihr einziges Ziel ist es, zu zerstören und zu töten oder bestenfalls Maschinen in irgendeinem Hangar verrosten zu lassen. Sie setzen Tausende von Gehirnen ein, um zu zerstören und Chaos und Tod zu verbreiten. Die Verschärfung der imperialistischen Spannungen seit dem Ende des Kalten Krieges zeigt sehr deutlich, dass diese Entwicklung noch lange nicht ihren Höhepunkt erreicht hat.
Die Rettung des Planeten wird nicht durch "Genügsamkeit" oder "Degrowth" erreicht, was nichts anderes ist als ein Eingeständnis der Ohnmacht oder gar eine Fantasie von einer Rückkehr zu einer vorkapitalistischen Gesellschaft. Nein, die Rettung des Planeten erfordert die bewusste Abschaffung der kapitalistischen Wirtschaft und ihrer überholten Produktionsverhältnisse und den Aufbau einer Gesellschaft, die in der Lage ist, für die menschlichen Bedürfnisse auf eine Weise zu produzieren, die sowohl rational ist als auch die gesamte Umwelt respektiert. Nur das Proletariat kann dem Kapitalismus ein Ende setzen, denn es ist die einzige gesellschaftliche Kraft, die den Großteil des weltweiten Produktionsapparates in ihren Händen hält; eine Kraft, die gleichzeitig unter den Auswirkungen der Krise und der Ausbeutung leidet und daher kein Interesse an der Aufrechterhaltung dieses Systems hat.
Die Zeit ist eindeutig nicht mehr auf unserer Seite, und der Kapitalismus könnte zu gegebener Zeit die Existenz der Zivilisation, wenn nicht sogar der Menschheit als Ganzes, erheblich bedrohen. Aber es gibt menschliche und materielle Ressourcen, um die Produktion auf globaler Ebene in einer Weise zu reorganisieren, die die Umwelt und das menschliche Leben respektiert, und dies, während die ungenutzten Möglichkeiten von Wissenschaft und Technologie noch immens sind.
Nur das Proletariat wird, sobald es die Macht im Weltmaßstab ergriffen hat, in der Lage sein, die Produktivkräfte von den kapitalistischen Zwängen zu befreien, die sie fesseln. Nur das Proletariat ist in der Lage, auf internationaler Ebene eine Politik zu konzipieren, zu beschließen und umzusetzen, die diese Welt von den Gesetzen des Profits befreit und auf den Ruinen, die der Kapitalismus der Menschheit hinterlässt, eine Gesellschaft wieder aufbaut. Indem sie dem kapitalistischen Wettbewerb, der die Welt verseucht, ein Ende setzt, wird sie die Produktivkräfte von der Vorherrschaft der militärischen Sphäre befreien, die den gesamten menschlichen Einfallsreichtum auf das Werk der Zerstörung ausrichtet. Sie würde sie auch von der ständigen Verschwendung der kapitalistischen Produktion befreien: nutzlose und umweltschädliche Überproduktion, programmierte Veralterung, unproduktive Ausgaben in Verbindung mit Massenarbeitslosigkeit, Industriespionage usw. Schließlich wird sie in der Lage sein, das menschliche Bewusstsein und den menschlichen Geist zu heben, indem sie eine Bildung entwickelt, die nicht mehr auf den unmittelbaren Profit ausgerichtet ist, sondern auf die Emanzipation des Menschen und eine harmonische Beziehung zur Natur. Wie Engels in "Die Rolle der Arbeit beim Übergang vom Affen zum Menschen" schrieb: Wir "herrschen keineswegs über die Natur wie ein Eroberer über ein fremdes Volk, wie jemand, der außerhalb der Natur steht - sondern dass wir mit Fleisch, Blut und Hirn zur Natur gehören und in ihrer Mitte existieren, und dass unsere ganze Beherrschung der Natur darin besteht, dass wir vor allen anderen Geschöpfen den Vorteil haben, ihre Gesetze zu lernen und sie richtig anzuwenden".
Guy, 28. August 2023
[1]In den 1970er Jahren war sich die Bourgeoisie der globalen Erwärmung voll bewusst. Im Jahr 1972 warnte der "Bericht des Club of Rome" vor dem Ernst der Lage. Jahrzehntelang versuchte die Bourgeoisie im Allgemeinen, diese Realität zu verbergen oder sie in einer Flut ideologischer Mystifikationen zu ertränken, wovon der Bericht selbst, der für ein "begrenztes Wachstum" plädiert (was der Realität der kapitalistischen Wirtschaft vollkommen widerspricht), ein deutliches Beispiel ist.
Die Internationalist Communist Tendency (ICT) hat kürzlich eine Erklärung über ihre Erfahrungen mit den Komitees No War But The Class War (Kein Krieg ausser dem Klassenkampf) veröffentlicht, die sie zu Beginn des Krieges in der Ukraine mit ins Leben gerufen haben[1]. Sie sagen: "Es geht nichts über einen imperialistischen Krieg, um die wirkliche Klassenbasis eines politischen Rahmens zu enthüllen, und die Invasion in die Ukraine hat das sicherlich getan", und erklären, dass die Stalinisten und Trotzkisten wieder einmal gezeigt haben, dass sie zum Lager des Kapitals gehören - sei es durch die Unterstützung der Unabhängigkeit der Ukraine, ob sie die Unabhängigkeit der Ukraine unterstützen oder sich der russischen Propaganda über die "Entnazifizierung" der Ukraine anschließen. Die Linken rufen die Arbeiterklasse offen dazu auf, die eine oder andere Seite in einem imperialistischen Krieg zu unterstützen, der Ausdruck der sich verschärfenden Rivalitäten zwischen den größten imperialistischen Haien auf dem Planeten ist und somit der gesamten Menschheit katastrophale Folgen drohen. Die ICT stellt auch fest, dass die anarchistische Bewegung tief gespalten ist, zwischen denjenigen die zur Verteidigung der Ukraine aufrufen und denjenigen, die eine internationalistische Position der Ablehnung beider Lager beibehalten haben. Im Gegensatz dazu stellt die ICT fest, dass "die Kommunistische Linke in der ganzen Welt fest hinter den internationalen Interessen der Arbeiterklasse steht und diesen Krieg als das anprangert, was er ist".
So weit so gut. Aber wir unterscheiden uns grundlegend von der ICT, wenn sie argumentieren: "Für unseren Teil hat die ICT die internationalistische Position eine Stufe weiter gebracht, indem sie versucht hat, mit anderen Internationalisten zusammenzuarbeiten, die die Gefahren für die Weltarbeiterklasse sehen, wenn sie sich nicht organisiert. Deshalb haben wir uns der Initiative angeschlossen, Komitees auf lokaler Ebene in der ganzen Welt aufzubauen, um eine Antwort auf das zu organisieren, was der Kapitalismus den Arbeitern überall bereitet".
Unserer Meinung nach ist der Aufruf der ICT zur Bildung der NWBTCW-Komitees alles andere als "eine Stufe weiter" im Internationalismus oder ein Schritt hin zu einer soliden Umgruppierung der internationalistischen kommunistischen Kräfte. Wir haben bereits eine Reihe von Artikeln geschrieben, in denen wir unseren Standpunkt zu diesem Thema dargelegt haben, aber die ICT hat auf keinen reagiert, eine Haltung, die in der Erklärung der ICT gerechtfertigt wird, in der darauf bestanden wird, dass sie sich nicht auf "die gleiche alte Polemik" mit denjenigen einlassen wollen, von denen sie glauben, dass sie ihre Positionen missverstanden haben. Aber die Tradition der Kommunistischen Linken, die von Marx und Lenin geerbt und auf den Seiten der Zeitschrift Bilan fortgeführt wurde, ist die Erkenntnis, dass die Polemik zwischen proletarischen Gruppen für jeden politischen Klärungsprozess unerlässlich ist. Und in der Tat ist die ICT-Erklärung in Wirklichkeit eine versteckte Polemik, vor allem mit uns, der IKS. Aber es liegt in der Natur der Sache, dass solche versteckte Polemiken, die es vermeiden sich auf bestimmte Organisationen und ihre schriftlichen Erklärungen zu beziehen, niemals zu einer echten und ehrlichen Konfrontation der Positionen führen können.
In ihrer Erklärung zu NWBTCW behauptet die ICT, dass ihre Initiative in Kontinuität mit dem Ansatz der linken Strömung im durch die Zimmerwalder Konferenz von 1915 eingeleiteten Prozess steht, nachdem sie bereits im Artikel NWBCW and the "Real International Bureau" of 1915 (Internationale Sozialistische Kommission) eine ähnliche Behauptung aufgestellt hatte: "Wir glauben, dass die NWBTCW-Initiative mit den Prinzipien der Zimmerwalder Linken übereinstimmt".[2]
Doch die Aktivitäten der Zimmerwalder Linken von 1915 und vor allem Lenins waren von einer unerbittlichen Polemik geprägt, die auf eine Abgrenzung und Auslese der revolutionären Kräfte abzielte. Die Zimmerwalder Linke vereinte verschiedene Tendenzen in der Arbeiterbewegung gegen den Krieg, und in einer Reihe von Fragen gab es erhebliche Divergenzen; die Linke war sich durchaus bewusst, dass eine gemeinsame Position gegen den Krieg, wie sie im Zimmerwalder Manifest zum Ausdruck kam, nicht ausreichte. Aus diesem Grund verbarg die Zimmerwalder Linke auf den Konferenzen von Zimmerwald 1915 und Kienthal 1916 nicht ihre Divergenzen mit den anderen Strömungen, sondern kritisierte diese offen dafür, dass sie in ihrem Kampf gegen den imperialistischen Krieg nicht konsequent waren. In und durch diese Debatte formten Lenin und seine politische Umgebung einen Kern, der zur Keimzelle der Kommunistischen Internationale werden sollte.
Wie die Leser aus der Veröffentlichung unserer Korrespondenz mit der ICT bezüglich unseres Aufrufs zu einer gemeinsamen Erklärung der Kommunistischen Linken als Reaktion auf den Krieg in der Ukraine sehen können, hat die Weigerung der ICT zu unterzeichnen und ihre Förderung der NWBTCW als eine Art "rivalisierendes" Projekt die Fähigkeit der Kommunistischen Linken, in diesem entscheidenden Moment gemeinsam zu handeln, stark geschwächt. Damit wurde zum ersten Mal seit dem Auseinanderbrechen der internationalen Konferenzen der Kommunistischen Linken zu Beginn der 1980er Jahre die Möglichkeit eines Zusammenschlusses ihrer Kräfte zunichte gemacht. Die ICT beschloss, diesen Briefwechsel abzubrechen.[3]
Wir haben auch einen Artikel veröffentlicht, der die tatsächliche Geschichte der NWBTCW im anarchistischen Milieu in den 1990er Jahren beschreibt[4]. Dies bedeutete, dass diese Gruppen alle möglichen Verwirrungen enthielten, aber unserer Meinung nach drückten sie damals etwas Reales aus - die Reaktion einer kleinen Minderheit, die die massiven Mobilisierungen gegen die Kriege im Nahen Osten und auf dem Balkan kritisierte, Mobilisierungen, die sich auf einem eindeutig bürgerlichen linken und pazifistischen Terrain bewegten. Aus diesem Grund hielten wir es für wichtig, dass die Kommunistische Linke gegenüber diesen Formationen interveniert, um in ihnen klare internationalistische Positionen zu verteidigen. Im Gegensatz dazu gibt es nur sehr wenige solcher pazifistischen Mobilisierungen als Reaktion auf den Ukraine Krieg, und das anarchistische Milieu ist, wie wir bereits festgestellt haben, in dieser Frage zutiefst gespalten. Daher sehen wir in den verschiedenen NWBTCW-Gruppen nur sehr wenig, was uns veranlassen sollte, unsere Schlussfolgerung in unserem Artikel infrage zu stellen: "Der Eindruck, den wir von den Gruppen haben, über die wir etwas wissen, ist, dass sie hauptsächlich 'Duplikate' der ICT oder ihrer Mitgliedsorganisationen sind". Unserer Meinung nach offenbart diese Duplizierung ernsthafte Meinungsverschiedenheiten, sowohl über die Funktion und die Arbeitsweise der revolutionären politischen Organisation als auch über ihr Verhältnis zu Minderheiten, die sich auf proletarischem Terrain befinden, und sogar zur Klasse als Ganzes. Diese Meinungsverschiedenheit geht auf die ganze Debatte über Betriebsgruppen und Kampfgruppen zurück, aber wir haben nicht die Absicht, sie in diesem Artikel zu entwickeln.[5]
Wichtiger - aber auch mit der Frage des Unterschieds zwischen einem Produkt der realen Bewegung und den künstlichen Erfindungen politischer Minderheiten verbunden - ist die Feststellung in unserem Artikel, dass die NWBTCW-Initiative auf einer falschen Einschätzung der Dynamik des heutigen Klassenkampfes beruht. Unter den gegenwärtigen Bedingungen können wir nicht erwarten, dass sich eine Klassenbewegung direkt gegen den Krieg entwickelt, sondern gegen die Auswirkungen der Wirtschaftskrise - eine Analyse, die unserer Meinung nach durch die internationale Wiederbelebung der Kämpfe, die durch die Streikbewegung in Großbritannien im Sommer 2022 ausgelöst wurde und die sich, mit unvermeidlichen Höhen und Tiefen, immer noch nicht erschöpft hat, hinreichend bestätigt wurde. Diese Bewegung war eine direkte Reaktion auf die "Lebenshaltungskostenkrise", und obwohl sie den Keim für eine tiefergehende und umfassendere Infragestellung der Ausweglosigkeit des Systems und seines Strebens nach Krieg in sich birgt, sind wir von diesem Punkt noch weit entfernt. Die Vorstellung, dass die NWBTCW-Komitees in gewisser Weise der Ausgangspunkt für eine direkte Klassenantwort auf den Krieg sein könnten, kann nur zu einer Fehlinterpretation der Dynamik der gegenwärtigen Kämpfe führen. Sie öffnet Tür und Tor für eine aktivistische Politik, die sich ihrerseits nicht von den "Tu jetzt was"-Positionen der Linken des Kapitals abgrenzen kann. Die Erklärung der ICT besteht darauf, dass ihre Initiative vor allem politisch ist und dass sie Aktivismus und Unmittelbarkeit ablehnt, und sie behaupten, dass die offen aktivistische Richtung, die von den NWBTCW-Gruppen in Portland und Rom eingeschlagen wurde, auf einem Missverständnis der wahren Natur der Initiative beruht. In der Erklärung heißt es: "...diejenigen, die sich der NWBTCW angeschlossen haben, ohne zu verstehen, worum es wirklich geht, oder besser gesagt, die sie als Erweiterung ihrer früheren radikal-reformistischen Aktivitäten sahen. Dies geschah sowohl in Portland als auch in Rom, wo bestimmte Leute die NWBTCW als etwas ansahen, das eine Klasse, die sich immer noch von vier Jahrzehnten des Rückzugs erholte und die gerade erst begann, im Kampf gegen die Inflation Fuß zu fassen, sofort mobilisieren könne. Ihre unmittelbare und ultra-aktivistische Perspektive führte nur zum Niedergang dieser Komitees". Für uns hingegen haben diese lokalen Gruppen fast besser als die ICT begriffen, dass eine Initiative, die in Ermangelung einer wirklichen Bewegung gegen den Krieg - selbst bei kleinen Minderheiten - gestartet wurde, nur in den Versuch verfallen kann, eine Bewegung aus dem Nichts zu schaffen.
Wir haben erwähnt, dass die Italienische Fraktion der Kommunistischen Linken, die Bilan herausgab, auf der Notwendigkeit einer rigorosen öffentlichen Debatte zwischen proletarischen politischen Organisationen bestand. Dies war ein zentraler Aspekt ihrer prinzipiellen Herangehensweise an Umgruppierungen. Sie widersetzten sich insbesondere den opportunistischen Bestrebungen der Trotzkisten und Ex-Trotzkisten jener Zeit, auf Fusionen und Umgruppierungen zurückzugreifen, die nicht auf einer ernsthaften Debatte über grundlegende Prinzipien beruhten. Unserer Ansicht nach basiert die Initiative der NWBTCW auf einer Art "frontistischen" Logik, die nur zu prinzipienlosen und sogar destruktiven Bündnissen führen kann.
Die Erklärung räumt ein, dass einige offen linke Gruppen den Slogan "Kein Krieg außer dem Klassenkampf" missbraucht haben, um ihre wesentliche Unterstützung für die eine oder andere Seite in dem KonflICT zu verbergen. Die ICT bestehen darauf, dass sie solche Operationen unter "falscher Flagge" nicht verhindern können. Unser Artikel über die Eröffnungssitzung des NWBTCW-Komitees in Paris[6] zeigt aber klar auf, dass nicht nur ein beträchtlicher Teil der Teilnehmer offen linke "Aktionen" unter dem Banner der NWBTCW befürwortete, sondern auch, dass eine trotzkistische Gruppe, die das Recht der Ukraine auf Selbstbestimmung verteidigt (Matière et Révolution), tatsächlich zu dem Treffen eingeladen worden war. In ähnlicher Weise scheint die NWBTCW Gruppe in Rom auf einer Allianz zwischen der ICT-Filiale in Italien (die Battaglia Comunista herausgibt) und einer rein linkskapitalistischen Gruppe zu beruhen.[7]
Wir sollten hinzufügen, dass das Präsidium des Pariser Treffens aus zwei Mitgliedern bestand, die Anfang der 2000er Jahre aus der IKS ausgeschlossen wurden, weil sie Material veröffentlicht hatten, das unsere Genossen staatlicher Repression aussetzte - eine Tätigkeit, die wir als Spitzelarbeit angeprangert haben. Einer dieser beiden ist Mitglied der «Groupe international de la Gauche Communiste GIGC», einer Gruppe, die nicht nur ein typischer Ausdruck des politischen Parasitismus ist, sondern die auf der Grundlage dieses polizeiähnlichen Verhaltens gegründet wurde und daher keinen Platz im internationalistischen kommunistischen Lager haben darf. Der Andere ist mittlerweile tatsächlich der Vertreter der ICT in Frankreich. Als die ICT sich weigerte, die gemeinsame Erklärung zu unterzeichnen, argumentierte sie, dass deren Definition der Kommunistischen Linken zu eng sei, vor allem, weil sie Gruppen ausschließe, die von der IKS als parasitär definiert werden. In der Tat hat sich sehr deutlich gezeigt, dass die ICT es vorzieht, öffentlich mit parasitären Gruppen wie der GIGC in Verbindung gebracht zu werden als mit uns, und ihre derzeitige Politik via die NWBTCW-Komitees kann keinen andere Wirkung haben, als solchen Gruppen ein Zertifikat der Respektabilität zu geben und ihre langjährigen Bemühungen zu verstärken, die IKS zu einem Paria zu machen - gerade weil wir die klaren Verhaltensgrundsätze verteidigen, die sie wiederholt verletzt haben.
In einigen Fällen, wie z.B. in Glasgow, scheinen die NWBTCW-Komitees auf zeitweiligen Bündnissen mit anarchistischen Gruppen wie der Anarchist Communist Group zu beruhen, die internationalistische Positionen zum Ukraine-Krieg vertreten, aber mit Gruppen verbunden sind, die sich auf bürgerlichem Terrain bewegen (z.B. Plan C in Großbritannien). Und in letzter Zeit hat die Anarchist Communist Group gezeigt, dass sie sich lieber mit solchen Linken zusammentut, als mit einer internationalistischen Organisation wie uns zu diskutieren, und uns kürzlich von einem Treffen in London ausgeschlossen hat, ohne dass die Communist Workers Organisation CWO (die Teil der ICT ist) dagegen protestiert hätte[8]. Das bedeutet nicht, dass wir es ablehnen mit wirklich internationalistischen Anarchisten diskutieren wollen, und gegenüber der Gruppe KRAS in Russland, die klar gegen imperialistische Kriege ist, haben wir diese gebeten, die gemeinsame Erklärung in jeder erdenklichen Weise zu unterstützen. Die Anarchist Communist Group-Affäre ist jedoch ein weiteres Beispiel dafür, wie die NWBTCW-Initiative an die opportunistische Politik der Einheitsfront erinnert, bei der die Kommunistische Internationale ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit den Verrätern der Sozialdemokratie zum Ausdruck brachte. Dies war eine Taktik, um den kommunistischen Einfluss in der Arbeiterklasse zu stärken, aber das wahre Ergebnis war die Beschleunigung der Degeneration der Kommunistischen Internationale und ihrer Parteien.
Die Italienische Kommunistische Linke formulierte in den frühen 1920er Jahren eine scharfe Kritik an dieser opportunistischen Politik der Kommunistischen Internationale. Sie hielt weiterhin an der ursprünglichen Position der Kommunistischen Internationale fest, die besagte, dass die sozialdemokratischen Parteien durch die Unterstützung des imperialistischen Krieges und die aktive Ablehnung der proletarischen Revolution zu Parteien des Kapitals geworden waren. Es stimmt, dass ihre Kritik an der Einheitsfronttaktik eine Zweideutigkeit beibehielt - die Idee der "Einheitsfront von unten", die auf der Annahme beruhte, dass die Gewerkschaften immer noch proletarische Organisationen seien und dass es auf dieser Ebene möglich sei, dass kommunistische und sozialdemokratische Arbeiter gemeinsam kämpfen.
In ihrer Schlussfolgerung ihres Artikels über NWBTCW behauptet die ICT, dass es einen historischen Präzedenzfall für die NWBTCW-Komitees in der revolutionären Bewegung gibt: den Aufruf zu einer vereinigten proletarischen Front, der von der Internationalistischen Kommunistischen Partei (PCInt) in Italien 1944 gestartet wurde. Dieser Aufruf hatte einen grundlegend internationalistischen Inhalt, aber warum sprach er von einer "vereinigten proletarischen Front"? Und war mit der folgenden Forderung gemeint? "Die gegenwärtige Zeit erfordert die Bildung einer proletarischen Einheitsfront, d.h. die Einheit all derer, die gegen den Krieg sind, ob faschistisch oder demokratisch. Arbeiterinnen und Arbeiter aller proletarischen und überparteilichen politischen Formationen! Schließt euch unseren Arbeitern an, diskutiert die Klassenprobleme im Lichte der Kriegsereignisse und bildet in jedem Betrieb, in jedem Zentrum, Komitees der Einheitsfront, die in der Lage sind, den Kampf des Proletariats auf sein wahres Klassenterrain zurückzubringen".
Wer waren diese "proletarischen und überparteilichen politischen Formationen"? War dies tatsächlich ein Aufruf an die Basis der ehemaligen Arbeiterparteien, sich gemeinsam mit den Aktivisten der PCInt politisch zu betätigen?
Der Aufruf von 1944 war nicht lediglich ein Ausrutscher, denn nur ein Jahr später hatte damals die PCInt einen "Aufruf" ihres Agitationskomitees veröffentlicht, der sich ausdrücklich an die Agitationskomitees der Sozialistischen Partei, der stalinistischen Kommunistischen Partei und anderer Organisationen der bürgerlichen Linken richtete und zu gemeinsamen Aktionen in den Fabriken aufrief. Wir schrieben dazu in der Internationalen Revue Nr. 32 (engl., franz., span.) In der Internationalen Revue Nr. 34 (engl., franz., span.) veröffentlichten wir einen Brief der PCInt, in dem sie auf unsere Kritik an diesem Aufruf antwortete. In diesem Brief schrieben sie:
"War es tatsächlich ein Fehler? Ja, das war es; wir geben es zu. Es war der letzte Versuch der Italienischen Linken, die Taktik der "Einheitsfront an der Basis" anzuwenden, die von der KP Italiens 1921-23 gegen die Dritte Internationale verteidigt wurde. Wir stufen dies als eine "lässliche Sünde" (verzeihliche Sünde) ein, weil unsere Genossen sie später sowohl politisch als auch theoretisch mit solcher Klarheit beseitigt haben, dass wir heute gegen jeden in diesem Punkt gewappnet sind".
Darauf haben wir geantwortet: "Wenn ein Vorschlag für eine Einheitsfront mit den stalinistischen und sozialdemokratischen Schlächtern nur eine "kleine" Sünde ist, was hätte die PCInt 1945 sonst tun müssen, um in einen wirklich schweren Fehler zu verfallen ... in die Regierung einzutreten? Aber Battaglia Comunista beruhigt uns: sie habe diese Fehler schon vor einer ganzen Weile korrigiert, ohne auf die IKS zu warten, und sie habe nie versucht, sie zu verbergen. Möglicherweise, aber 1977, als wir die Fehler der PCInt in der unmittelbaren Nachkriegszeit in unserer Presse zur Sprache brachten, antwortete Battaglia Comunista mit einem empörten Brief, in dem sie zugaben, dass es Fehler gegeben habe, aber sie behaupteten, dass es die Schuld der Genossen gewesen sei, die 1952 gegangen waren, um die PCInternazionale zu gründen".
Die Tatsache, dass die ICT weiterhin den Aufruf von 1944 zu einer "proletarischen Einheitsfront" verteidigt, zeigt, dass dieser tiefe Fehler weder "politisch noch theoretisch eliminiert" wurde. Die Taktik der "Einheitsfront von unten" von 1921-23 bleibt die Inspiration der opportunistischen NWBCW-"Bewegung" der ICT.
Die ICT hat also in einem Punkt recht: Sie steht in Kontinuität mit dem opportunistischen Aufruf der PCInt zu einer "Proletarischen Einheitsfront" im Jahr 1944. Aber es ist keine Kontinuität, auf die man stolz sein kann, denn diese Taktik verschleiert aktiv die Klassenlinie, die zwischen dem Internationalismus der Kommunistischen Linken und dem vorgetäuschten Internationalismus der bürgerlichen Linken, des Parasitentums und des anarchistischen Sumpfes besteht. Darüber hinaus sollte die NWBTCW sogar eine exklusive Alternative zum unnachgiebigen Internationalismus der Gemeinsamen Erklärung der Kommunistischen Linken sein, was die revolutionären Kräfte nicht nur durch Opportunismus gegenüber der bürgerlichen Linken schwächt, sondern auch durch ein Sektierertum gegenüber anderen authentischen Gruppen der Kommunistischen Linken.
Amos, September 2023
[1] The No War but the Class War Initiative [12], Revolutionary Perspectives Nr.22
[3] Correspondence on the Joint Statement of groups of the Communist Left on the war in Ukraine [14]
[5] Siehe : Reply to the Internationalist Communist Party (Battaglia Comunista) [16] in International Review Nr.13; The organisation of the proletariat outside periods of open struggle (workers' groups, nuclei, circles, committees) | International Communist Current (internationalism.org) [17] in International Review Nr.21 und World Revolution Nr.26: “Factory Groups and ICC intervention”
[6] No War But The Class War: Ein Komitee das seine Teilnehmer in eine Sackgasse führt. https://de.internationalism.org/content/3105/no-war-class-war-ein-komite... [18]
[7] Das Statement enthält einen link zu einem Artikel in Battaglia Comunista über die Niederlage des Komitees in Rom: Sul Comitato di Roma NWBCW: un'intervista [19]. Es beschreibt das negative Ergebnis einer Allianz mit der Gruppe Società Incivile. Es ist in einer dermassen eigenartigen Weise geschrieben, dass es schwierig ist etwas davon zu verstehen. Wenn man aber die Website dieser Gruppe besucht, erkennt man, dass sie eine durch und durch linksbürgerliche Gruppe sind, welche die antifaschistischen Partisanen und die stalinistische Kommunistische Partei Italiens hochloben. Siehe: https://www.sitocomunista.it/canti/cantidilotta.html [20]; www.sitocomunista.it/resistence/resistenceindex.html; [21] https://www.sitocomunista.it/pci/pci.html [22].
[8] ACG bans the ICC from its public meetings, CWO betrays solidarity between revolutionary organisations [23], World Revolution Nr.397
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"Wir müssen sagen, dass zu viel zu viel ist! Nicht nur wir, sondern die gesamte Arbeiterklasse in diesem Land muss irgendwann sagen, dass zu viel zu viel ist" (Littlejohn, Wartungsleiter in den Spezialberufen im Ford-Presswerk in Buffalo, USA).
Dieser amerikanische Arbeiter fasst in einem Satz zusammen, was im Bewusstsein der gesamten Arbeiterklasse in allen Ländern heranreift. Vor einem Jahr brach in Großbritannien der "Sommer des Zorns" aus. Die britischen Arbeiter skandierten "Enough is enough" (zu viel ist zu viel) und nahmen den Kampf nach über 30 Jahren Stillstand und Resignation wieder auf.
Dieser Aufruf wurde über die Grenzen hinweg gehört. Von Griechenland bis Mexiko, gegen die gleiche unerträgliche Verschlechterung unserer Lebens- und Arbeitsbedingungen, entwickelten sich Streiks und Demonstrationen über das gesamte Ende des Jahres 2022 und den Beginn des Jahres 2023.
Mitten im Winter wurde in Frankreich ein weiterer Schritt gemacht: Die Arbeiter und Arbeiterinnen griffen die Idee "trop, c`est trop!" auf. Aber anstatt die lokalen und korporatistischen Kämpfe, die voneinander isoliert waren, weiter zu zersplittern, verstanden sie es, sich zu Millionen auf der Straße zu versammeln. Zum notwendigen Kampfgeist kam also die Kraft der Massivität hinzu. Und nun versuchen die Arbeiter und Arbeiterinnen in den USA, die Fackel des Kampfes weiter zu tragen.
Ein regelrechter Medien-Blackout umgibt die sozialen Bewegungen, die derzeit die größte Wirtschaftsmacht der Welt in Atem halten. Und das aus gutem Grund: In diesem Land, das seit Jahrzehnten von Armut, Gewalt, Drogen, Rassismus, Angst und Individualismus heimgesucht wird, zeigen diese Kämpfe, dass ein ganz anderer Weg möglich ist.
Im Herzen all dieser Streiks kommt eine Welle der Arbeitersolidarität auf: "Wir haben es alle satt, die Leiharbeiter haben es satt, die langjährigen Angestellten wie ich, wir haben es satt ... denn diese Leiharbeiter sind unsere Kinder, unsere Nachbarn, unsere Freunde" (derselbe Arbeiter aus Buffalo, N.Y). So halten die Arbeiter und Arbeiterinnen generationenübergreifend zusammen: Die "Alten" streiken nicht nur für sich selbst, sondern in erster Linie für die "Jungen", die unter noch schlechteren Arbeitsbedingungen und noch niedrigeren Löhnen zu leiden haben.
In der Arbeiterklasse wächst allmählich ein Gefühl der Solidarität, je mehr wir verstehen, dass wir "alle im selben Boot sitzen": "All diese Gruppen sind nicht einfach nur separate Bewegungen, sondern ein kollektiver Aufschrei: Wir sind eine Stadt der Arbeiter - Blue Collar und White Collar, gewerkschaftlich organisiert und nicht gewerkschaftlich organisiert, eingewandert und hier geboren" (Los Angeles Times).
Die aktuellen Streiks in den USA vereinen weit mehr als nur die mobilisierten Sektoren. "Der Stellantis-Komplex in Toledo, Ohio, wurde zu Beginn des Streiks von Jubelrufen und Hupen überschwemmt" (The Wall Street Journal). "Hupen unterstützt die Streikenden vor dem Werk des Automobilherstellers in Wayne, Michigan" (The Guardian).
Die aktuelle Streikwelle ist von historischer Bedeutung:
- Drehbuchautoren und Schauspieler in Hollywood haben zum ersten Mal seit 63 Jahren gemeinsam gekämpft;
- die privaten Krankenschwestern in Minnesota und Wisconsin führen den größten Streik in ihrer Geschichte durch;
- die Beschäftigten der Stadtverwaltung von Los Angeles traten zum ersten Mal seit 40 Jahren in den Streik;
- die Arbeiter und Arbeiterinnen der "Big Three" (General Motors, Ford, Chrysler) führen einen beispiellosen gemeinsamen Kampf;
- die Beschäftigten von Kaiser Permanente (eine Health Maintenance Organization), die in mehreren Bundesstaaten streikten, halten die größte Demonstration ab, die jemals im Gesundheitssektor der USA stattgefunden hat.
Wir könnten noch die zahlreichen Streiks der letzten Wochen bei Starbucks, Amazon und McDonald's, in den Fabriken der Luft- und Eisenbahnindustrie oder den Streik, der sich nach und nach auf alle Hotels in Kalifornien ausgeweitet hat, hinzufügen... alles Arbeiter und Arbeiterinnen, die angesichts einer galoppierenden Inflation, die sie ins Elend treibt, für einen würdigen Lohn kämpfen.
Mit all diesen Streiks zeigt das amerikanische Proletariat, dass es auch für die Beschäftigten im Privatsektor möglich ist, zu kämpfen. In Europa waren es bislang vor allem die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes, die sich mobilisiert haben, da die Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes für die Beschäftigten der Privatwirtschaft eine entscheidende Bremse darstellt. Aber angesichts der immer unhaltbareren Ausbeutungsbedingungen werden wir alle in den Kampf getrieben werden. Die Zukunft gehört dem Klassenkampf in allen Sektoren, gemeinsam und vereint!
In Europa, Asien und sogar in Ozeanien wächst die Wut wieder. Auch in China, Südkorea und Australien kam es seit dem Sommer zu einer Reihe von Streiks. In Griechenland kam es Ende September zu einer sozialen Bewegung im Verkehrs-, Bildungs- und Gesundheitssektor, die sich gegen eine geplante Arbeitsreform zur Flexibilisierung der Beschäftigung richtete. Am 13. Oktober kam es in Frankreich wieder zu Demonstrationen, bei denen es um die Löhne ging. Auch in Spanien beginnt ein Wind der Wut zu wehen: geplant sind am 17. und 19. Oktober Streiks im Privatschulwesen; am 24. Oktober Streik im öffentlichen Schulwesen; am 25. Oktober Streik im gesamten öffentlichen Sektor des Baskenlandes; am 28. Oktober Demonstration der Rentner etc. Angesichts dieser prognostizierten Kämpfe beginnt die spanische Presse, "einen neuen heißen Herbst" vorauszusagen.
Diese Liste zeigt nicht nur das wachsende Niveau der Unzufriedenheit und der Kampfbereitschaft unserer Klasse. Sie offenbart auch die derzeit größte Schwäche unserer Bewegung: Trotz der wachsenden Solidarität bleiben unsere Kämpfe voneinander getrennt. Unsere Streiks müssten zur gleichen Zeit stattfinden, wir könnten sogar Seite an Seite stehen, manchmal auf der Straße, aber wir kämpfen noch nicht wirklich gemeinsam. Wir sind noch nicht vereint, als eine einzige soziale Kraft die in einem einzigen Kampf organisiert ist.
Die derzeitige Streikwelle in den USA ist ein deutlicher Beweis dafür. Als die Bewegung in den "Big Three" begann, wurde der Streik auf drei "designierte" Fabriken beschränkt: Wentzville (Missouri) für GM, Toledo (Ohio) für Chrysler und Wayne (Michigan) für Ford. Diese drei Fabriken sind Tausende von Kilometern voneinander entfernt, was es den Arbeitern und Arbeiterinnen unmöglich macht, sich zu versammeln und wirklich gemeinsam zu kämpfen.
Warum diese Zersplitterung? Wer organisiert diese Zersplitterung? Wer "betreut" diese Angestellten offiziell? Wer organisiert die sozialen Bewegungen? Wer sind die "Kampfspezialisten", die gesetzlichen Vertreter der Angestellten? Die Gewerkschaften! An allen Ecken und Enden der Welt sieht man wie sie die Abwehrkämpfe der Arbeiterklasse zersplittern.
Es ist die UAW (United Auto Workers), eine der größten Gewerkschaften der USA, die diese drei Fabriken "gesteuert" hat! Es ist die UAW, die zwar von einer "starken, vereinten und massiven" Bewegung spricht, den Streik aber absichtlich auf nur 10 % der gewerkschaftlich organisierten Belegschaft beschränkt, während alle Arbeiter und Arbeiterinnen lautstark ihren Willen zu einem vollständigen Streik bekunden. Als die Beschäftigten von Mack Truck (Volvo Trucks) versuchten, sich in ihrem Kampf den "Big Three" anzuschließen, was taten die Gewerkschaften? Sie beeilten sich, eine Vereinbarung zu unterzeichnen, um den Streik zu beenden! In Hollywood, wo der Streik der Schauspieler und Drehbuchautoren seit Monaten andauerte, wurde ein Abkommen zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaft genau in dem Moment unterzeichnet, als sich die Beschäftigten der Automobilindustrie dem Streik anschlossen.
Selbst bei Demonstrationen in Frankreich, die Millionen von Menschen auf die Straße bringen, spalten die Gewerkschaften die Demonstrationszüge, indem sie "ihre" Gewerkschaftsmitglieder, die nach Bereich zusammengefasst sind, nicht gemeinsam, sondern hintereinander marschieren lassen und so jede Zusammenkunft und jede Diskussion verhindern.
In den USA, Großbritannien, Frankreich, Spanien, Griechenland, Australien und allen anderen Ländern müssen wir, um diese organisierte Spaltung zu stoppen, um wirklich vereint zu sein, um aufeinander zuzugehen, um uns gegenseitig zu mobilisieren und unsere Bewegung auszuweiten, die Kontrolle über die Kämpfe den Gewerkschaften aus den Händen reißen. Es sind unsere Kämpfe, die Kämpfe der gesamten Arbeiterklasse!
Wo immer wir können, müssen wir in offenen und massiven, autonomen Vollversammlungen zusammenfinden, die wirklich über die Führung der Bewegung entscheiden. Vollversammlungen, in denen wir so breit wie möglich über die allgemeinen Bedürfnisse des Kampfes und die vereinigenden Forderungen diskutieren. Vollversammlungen, von denen aus wir in Massendelegationen aufbrechen können, um andere Beschäftigte zu treffen, die Lohnabhängigen in der nächsten Fabrik, im nächsten Krankenhaus, in der nächsten Schule, in der nächsten Verwaltung.
Angesichts der Verarmung, der globalen Erwärmung, der Polizeigewalt, des Rassismus, der Gewalt gegen Frauen ... gibt es seit einigen Jahren auch andere Arten von Reaktionen: die Demonstrationen der "Gelbwesten" in Frankreich, Umweltversammlungen wie "Youth for climate", Proteste für Gleichberechtigung wie "Black Lives Matter" oder "MeToo", oder verzweifelte Aufschreie wie bei den Unruhen in den USA, Frankreich oder Großbritannien.
Aber all diese Aktionen zielen darauf ab, einen gerechteren, humaneren und grüneren Kapitalismus durchzusetzen. Deshalb sind diese Reaktionen auch so leicht von den Staaten und der herrschenden Klasse zu vereinnahmen, die nicht zögern, alle "Bürgerbewegungen" zu unterstützen. Im Übrigen tun die Gewerkschaften und alle Politiker alles, um die Forderungen der Arbeiter und Arbeiterinnen in den Rahmen des Kapitalismus zu integrieren, indem sie die Notwendigkeit einer "besseren Verteilung des Reichtums" zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern hervorheben. Biden, der erste US-Präsident, der auf einem Streikposten stand, sagte sogar heuchlerisch: "Jetzt, wo die Industrie wieder an Fahrt gewinnt, sollten [die Arbeiter] an den Gewinnen beteiligt werden".
Aber im Kampf gegen die Auswirkungen der Wirtschaftskrise, gegen die von den Staaten inszenierten Angriffe und gegen die durch die Ausdehnung der Kriegswirtschaft auferlegten Opfer, erhebt sich die Arbeiterklasse nicht als "Bürger, die Rechte und Gerechtigkeit fordern", sondern als Ausgebeutete gegen ihre Ausbeuter und letztlich als Klasse gegen das System selbst. Deshalb trägt die internationale Dynamik des Kampfes der Arbeiterklasse den Keim für eine grundlegende Infragestellung des gesamten Kapitalismus in sich.
In Griechenland stellten Demonstranten während des Aktionstages am 21. September gegen die Arbeitsreform eine Verbindung zwischen diesem Angriff und den "Natur"-Katastrophen her, die das Land im Sommer verwüstet haben. Auf der einen Seite zerstört der Kapitalismus den Planeten, verschmutzt die Umwelt, verschärft die globale Erwärmung immer weiter, entwaldet, betoniert, trocknet das Land aus, verursacht Überschwemmungen und Brände. Auf der anderen Seite baut er Arbeitsplätze ab, die früher die Natur pflegten und die Menschen schützten, und baut lieber Kriegsflugzeuge als Löschflugzeuge.
Über den Kampf gegen die Verschlechterung ihrer Lebens- und Arbeitsbedingungen hinaus ist die Arbeiterklasse dabei, ein weitaus umfassenderes Nachdenken über dieses System und seine Zukunft zu beginnen. Vor einigen Monaten konnte man bei Demonstrationen in Frankreich auf einigen Schildern die Ablehnung des Krieges in der Ukraine zu lesen, die Weigerung, im Namen dieser Kriegswirtschaft den Gürtel enger zu schnallen: "Kein Geld für den Krieg, kein Geld für die Waffen, Geld für die Löhne, Geld für die Renten".
Wirtschaftskrise, ökologische Krise, kriegerische Barbarei... alles Symptome der tödlichen Dynamik des globalen Kapitalismus. Die Flut von Bomben und Kugeln, die auf die Bevölkerung Israels und des Gazastreifens niedergeht, während wir diese Zeilen schreiben, und während dessen die Massaker in der Ukraine weitergehen, sind ein weiteres Beispiel für diese Abwärtsspirale, in die der Kapitalismus die Gesellschaft treibt und die das Leben der gesamten Menschheit bedroht!
Die immer zahlreicher werdenden Streiks zeigen, dass zwei Welten aufeinanderprallen: die Welt der herrschenden Klasse, die von Konkurrenz und Barbarei geprägt ist, und die Welt der Arbeiterklasse, die von Solidarität und Hoffnung geprägt ist. Das ist die tiefere Bedeutung unserer gegenwärtigen und zukünftigen Kämpfe: das Versprechen einer anderen Zukunft, ohne Ausbeutung und soziale Klassen, ohne Krieg und Grenzen, ohne Zerstörung des Planeten und Profitstreben.
Internationale Kommunistische Strömung
8. Oktober 2023
Links
[1] https://de.internationalism.org/files/de/welt-186.pdf
[2] https://de.internationalism.org/files/de/internationales_flugblatt_krieg_november_2023hd_0.pdf
[3] https://www.br.de/nachrichten/wirtschaft/fachkraeftemangel-in-deutschland-wie-viel-personal-fehlt,TjEWKwG
[4] https://fr.internationalism.org/content/9242/naissance-democratie-totalitaire#sdfootnote5sym
[5] https://babel.hathitrust.org/cgi/pt?id=mdp.39015000379902&view=1up&seq=23
[6] https://www.marxists.org/deutsch/archiv/bordiga/1961/xx/auschwitz.htm
[7] https://archivesautonomies.org/spip.php?article1521
[8] https://www.leftcom.org/en
[9] https://de.internationalism.org/content/3064/aktualisierung-des-orientierungstextes-von-1990-militarismus-und-zerfall-mai-2022
[10] https://de.internationalism.org/files/de/beilage-manifest-digital_0.pdf
[11] https://de.internationalism.org/content/3140/streiks-und-demonstrationen-den-usa-spanien-griechenland-frankreich-wie-koennen-wir
[12] https://www.leftcom.org/en/articles/2023-07-05/the-no-war-but-the-class-war-initiative
[13] https://www.leftcom.org/en/articles/2022-07-22/nwbcw-and-the-real-international-bureau-of-1915
[14] https://en.internationalism.org/content/17240/correspondence-joint-statement-groups-communist-left-war-ukraine
[15] https://en.internationalism.org/content/17223/history-no-war-class-war-groups
[16] https://en.internationalism.org/content/2641/reply-internationalist-communist-party-battaglia-comunista
[17] https://en.internationalism.org/ir/021_workers_groups.html
[18] https://de.internationalism.org/content/3105/no-war-class-war-ein-komitee-das-seine-teilnehmer-eine-sackgasse-fuehrt
[19] https://www.leftcom.org/it/articles/2023-01-03/sul-comitato-di-roma-nwbcw-un-intervista
[20] https://www.sitocomunista.it/canti/cantidilotta.html
[21] http://www.sitocomunista.it/resistence/resistenceindex.html;
[22] https://www.sitocomunista.it/pci/pci.html
[23] https://en.internationalism.org/content/17378/acg-bans-icc-its-public-meetings-cwo-betrays-solidarity-between-revolutionary
[24] https://de.internationalism.org/files/de/internationales_flugblatt_-_streiks_maerz_2023xa3.pdf