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Wir veröffentlichen nachfolgend in Ermangelung anderer Quellen einen Artikel aus der bürgerlichen Presse zu den jüngsten Protesten in Israel. Wenn die Welle sozialer Proteste jetzt auf Israel überschwappt, ist dies in der Tat von herausragender Bedeutung- nicht nur weil in einem der höchst militarisierten Länder die soziale Frage sich in den Vordergrund schiebt und damit die gleichen Klasseninteressen zwischen den Ausgebeuteten und Unterdrückten in Israel und Palästina greifbar werden, sondern auch weil diese Kämpfe in einem Land stattfinden, wo im Nachbarland Syrien tagtäglich die grausamste Repression gegen oppositionelle Stimmen ausgeübt wird... Wir sind dankbar für mehr Infos und Einschätzungen - die IKS.
Israelis zelten gegen horrende Mieten in Tel Aviv
Seit Tagen zelten mehr als hundert Israelis im Herzen von Tel Aviv. Sie wehren
sich gegen die horrenden Mieten in der Küstenstadt. Jetzt weitet sich die
Bewegung aus.
Mit gekreuzten Beinen und durchgestrecktem Rücken sitzt Lior Birger auf der
Matratze vor dem Iglu-Zelt, die Gitarre lehnt neben ihr. Die 26-Jährige
greift nach dem Megafon und ruft: „Die Mieten sind zu hoch! Der freie Markt
ist zu frei! Die Regierung...“ Die Hupe eines vorbeifahrenden Busses
verschluckt den Rest des Satzes. Die anderen Demonstranten klatschen
trotzdem. Passanten drehen sich um und blicken staunend auf die Zelte in der
Stadt.
Zelten gegen die Wohnungsnot
Hunderte Israelis zelten seit einigen Tagen auf dem Grünstreifen des
Rothschild Boulevards im Zentrum Tel Avivs, aus Protest gegen die hohen
Mieten. Die zweitgrößte Stadt Israels mit knapp 400.000 Einwohnern ist nach
einer Studie der Finanzberatungsfirma Mercer eine der teuersten Städte der
Welt – teurer als beispielsweise Mailand, Paris oder New York City.
Birger ist wütend: „Ich zahle für das Zimmer in meiner Wohngemeinschaft 2400
Schekel Kaltmiete (etwa 500 Euro), und mit meinem Job als Kellnerin verdiene
ich 4000 Schekel (etwa 800 Euro). Als Sozialarbeiterin, was ich eigentlich
studiert habe, könnte ich gar nicht mehr hier leben. Miete und Gehälter
stehen in keinem Verhältnis.“
Wut auf "reiche Ausländer"
Das Problem betrifft alle Gesellschaftsschichten: Auch die Ärztin Rotem Ajalu
(29) hat unter den Demonstranten ihr Zelt aufgeschlagen. Sie lebt noch bei
ihren Eltern, weil sie nirgends eine bezahlbare Wohnung gefunden hat. „Wir
wollen doch nur einen Ort haben, den wir Zuhause nennen können“, sagt sie.
„Man sollte endlich aufhören, Land und Immobilien nur an reiche Ausländer zu
verkaufen.“
Ausländische Investitionen spielen aber nach Ansicht des Wohnungsbau-Experten
Chaim Harvey Fialkoff nur im oberen Marktsegment eine Rolle. Der Mitarbeiter
der Hebräischen Universität in Jerusalem sieht andere Ursachen: „In Israel
wächst die Zahl der Haushalte rascher als die Zahl der Wohnungen, außerdem
sind die Kreditzinsen niedrig.“
Zudem gelten Immobilien besonders seit der Finanzkrise als relativ sichere
Geldanlage. Abgesehen davon sei in den attraktivsten Städten das Angebot an
Wohnraum im Vergleich zur Nachfrage immer besonders niedrig. Das treibe die
Preise zusätzlich in die Höhe.
"Die Leute können sich nicht mehr leisten, hier zu leben"
Die Protestbewegung, die in dem sozialen Netzwerk Facebook entstand, hat sich
mittlerweile auch auf andere israelische Städte wie Jerusalem oder Beerscheva
ausgebreitet. Mehrere Parlamentarier kamen, um mit den Demonstranten zu
diskutieren.
Der Mitte-Links-Abgeordnete Nitzan Horowitz war schon zu Beginn der
Demonstrationen vor knapp einer Woche dabei: „Die Leute können sich das nicht
mehr leisten, hier zu leben. Das ist ein Riesen-Problem“, sagt er. Daher
fordert er ein Gesetz, nach dem 30 Prozent aller neuen Wohnungen zu
bezahlbaren Preisen angeboten werden müssen.
Dies ist eine Möglichkeit, um der Krise zu begegnen, sagt der Experte
Fialkoff: „Die Regierung hat schon mehrere Maßnahmen ergriffen, wie zum
Beispiel Spekulationsgeschäfte auf dem Immobilienmarkt stärker zu besteuern.
Aber es braucht Zeit, bis das Wirkung zeigt.“
"Wir bleiben, bis die Mieten sinken"
Allerdings hat die Regierung Berichten verschiedener israelischer Medien
zufolge als Reaktion auf den Protest den Neubau von 7000 erschwinglichen
Wohneinheiten beschlossen. Brisanterweise sind 294 davon in der Siedlung
Beitar Illit im besetzten Westjordanland geplant.
Unter einer silbernen Zeltplane, die sie vor der brütenden Mittagshitze
schützt, sitzt Natalie Dessau am Ende der mittlerweile mehr als einhundert
aufgereihten Zelte auf einer Bank. Über ihrem Kopf baumelt ein Schild mit der
Aufschrift „Hauptquartier“. Für sie ist der Protest auch ein Echo auf den
arabischen Frühling. An die Art und Weise, wie die Regierung das Problem
löst, hat sie keine konkreten Forderungen: „Wir bleiben einfach, bis die
Mieten sinken.“
https://www.welt.de/politik/ausland/article13496687/Israelis-zelten-gegen-horrende-Mieten-in-Tel-Aviv.html#
Als Zuschrift haben wir ein paar aktuelle links zur sozialen bewegung in israel erhalten:
ansonsten empfiehlt es sich die homepage von wac/maan, einer staats-unabhängigen gewerkschaft zu verfolgen.
https://www.wac-maan.org.il/ oder die israelische anarcho-hompage: https://awalls.org/
https://www.taz.de/Proteste-gegen-hohe-Mieten-in-Israel/!75212/
https://www.welt.de/politik/ausland/article13508911/Wir-gehen-erst-wenn-...
https://bundes.blog.de/2011/07/26/israel-israelis-protest-for-their-righ...
https://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,776796,00.html
https://www.israelheute.com/Nachrichten/tabid/179/nid/23468/Default.aspx