Hin zu Vollversammlungen in Indien

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Am 28. Februar 2012 beteiligten sich in Indien bis zu 100 Millionen ArbeiterInnen an einem eintägigen Streik. Der Streik, der in einer Reihe von Wirtschaftsbranchen stattfand, wird von einigen als der zahlenmäßig „größte“ Streik der Welt angesehen. Elf Zentralgewerkschaften haben zu ihm aufgerufen (dies war das erste Mal, dass die Gewerkschaften einen gemeinsamen Aufruf seit der Unabhängigkeit 1947 verfassten) sowie 5000 kleinere Gewerkschaften. Zu den Forderungen gehörten ein landesweiter Mindestlohn, Festanstellung für 50 Millionen prekär Beschäftigte, Maßnahmen der Regierung gegen die Inflation (die in den letzten beiden Jahren auf 9% geklettert war), Sozialleistungen wie Renten für alle Beschäftigte, Umsetzung von Arbeitsschutzmaßnahmen und ein Ende der Privatisierung von staatseigenen Betrieben. Die Tatsache, dass Millionen ArbeiterInnen in Indien sich an diesem Streik beteiligten, zeigt, dass all das Gerede vom „Boom“ in Indien nicht der Wirklichkeit der Lage der Arbeiterklasse entspricht.

 

Aber die von den Gewerkschaften erhobenen Forderungen gehen von der Annahme aus, dass die kapitalistische Regierung Indiens in der Lage wäre, auf die Bedürfnisse anderer Klassen einzugehen. Auch verbreiten sie die Illusion, dass sie die Inflation eindämmen und den Verkauf von Staatsbetrieben einschränken könnte, was zum Vorteil der Arbeiter wäre. Die Wirtschaftskrise zeigt auch deutlich in Indien ihre Spuren. Die Umsätze der  IT Industrie und Call-Center in Indien hängen bis zu 70% von US-Firmen ab. Diese Wirtschaftsbranche ist von der Krise schwer erfasst worden; sie wächst nicht mehr, die Profite brechen ein, überall wurden die Löhne gekürzt und Stellen gestrichen. Aber auch in anderen Branchen gibt es die gleiche Entwicklung. Die indische Wirtschaft kann sich nicht vor der Weltwirtschaftskrise abschirmen.

Bei diesem Streik zogen alle Gewerkschaften an einem Strang. Seit 1991 gab es 14 Generalstreiks. In der jüngsten Zeit jedoch haben immer mehr Beschäftigte eigenständig gehandelt anstatt auf gewerkschaftliche Anweisungen zu warten.  Zum Beispiel beteiligten sich zwischen Juni und Oktober 2011 Tausende Beschäftigte an Fabrikbesetzungen, wilden Streiks und Protestlagern in Maruit-Suzuki und anderen Autofabriken in Manesat, einer „Boom town“ in der Nähe von New Delhi. Nach gewerkschaftlicher Übereinkunft mit den Arbeitgebern Anfang Oktober wurde der Vertrag für 1.200 Zeitarbeiter nicht verlängert. Darauf legten 3.500 Beschäftigte in einem spontanen Streik die Arbeit nieder und besetzten die Fließbänder aus Solidarität. Mehr als 8.000 Beschäftigte schlossen sich aus Solidarität in anderen Werken an. Dadurch wurden ebenso sit-in Proteste ausgelöst; Vollversammlungen wurden abgehalten, um sich der Sabotage durch die Gewerkschaften zu widersetzen.

Die Wiederentdeckung von Vollversammlungen als das wirksamste Mittel zur breitest möglichen Beteiligung  von ArbeiterInnen und der größtmögliche Austausch von Ideen ist ein gewaltiger Fortschritt für den Kampf. Die Vollversammlungen bei Maruit-Sazuki in Manesar standen jedem offen, alle ArbeiterInnen wurden aufgefordert, sich an den Versammlungen zu beteiligen und die Führung und Ziele des Kampfes festzulegen. Daran beteiligten sich zwar nicht Millionen, aber sie machten klar, dass die Arbeiterklasse in Indien eindeutig ein Teil der gegenwärtigen internationalen Intensivierung des Klassenkampfes ist.    Car. 3/3/12.

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