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Die weltweit bekannteste Kunstschule, das deutsche Bauhaus (1919 – 1933), wurde als Modell für sozialistisches Design und Produktion geplant.
„Bilden wir also eine neue Zunft der Handwerker ohne die klassentrennende Anmaßung, die eine hochmütige Mauer zwischen Handwerkern und Künstlern errichten wollte! Wollen, erdenken, erschaffen wir gemeinsam den neuen Bau der Zukunft, der alles in einer Gestalt sein wird: Architektur und Plastik und Malerei, der aus Millionen Händen der Handwerker einst gen Himmel steigen wird als kristallenes Sinnbild eines neuen kommenden Glaubens.“ (Bauhaus-Manifest, April 1919)[1]
Der Architekt Walter Gropius, vormals Vorsitzender des Arbeitsrats für Kunst, schrieb als Gründer dieser neuen Schule dieses ziemlich romantische Manifest. Ein paar Jahre später fasste er ihre Ziele nüchterner und knapper zusammen: „Kunst und Technik – eine neue Einheit“ (Leitsatz des Bauhauses 1923-25).[2]
Erklärtes Ziel war die Aufhebung der Trennung von:
- hoher und niedriger Kunst (das Bauhaus vereinigte die ehemalige Großherzogliche Kunsthochschule und die Großherzoglich Sächsische Kunstgewerbeschule),
- luxuriöser Kunst für die Privilegierten und einfach produzierter Massenware für den Rest,
- industrieller und handwerklicher Produktion.
- Künstlerisches Schaffen sollte zu einem integralen Bestandteil des Gesellschaftslebens werden und keine privilegierte Nische darin. Der kreative Prozess, bisher von einem mysteriösen Nebel umgeben, sollte deutlich und bewusst hervortreten. Drucke, Tonwaren, Gewebe, Metallarbeiten, Möbel, Theater wurden alle in eine neue moderne Architektur von Licht und Raum integriert. Festivals, Theater, Partys wurden gefördert, damit die künstlerische Gemeinschaft zusammenkommt und Studenten und Lehrer dabei geholfen wird, sich auf Augenhöhe zu begegnen – dies vermittelt der Titel der Ausstellung im Barbican „Kunst als Leben“. Ähnlich der Titel, den Lyonel Feininger seinem Holzschnitt gab, der das erste Bauhaus-Manifest illustrierte: „Die Kathedrale des Sozialismus“.
Trotz seines kurzen Lebens hatte das Bauhaus einen enormen Einfluss, der noch bis in die heutigen Tage zu spüren ist:
Moderne Architekten des internationalen Stils, deren Vorläufer Bauhaus war, haben einen nachhaltigen Eindruck auf das bauliche Design hinterlassen. Selbst Architekturströmungen, die sich dagegengestemmt haben, wie der Post-Modernismus, zeigen bereits in ihrem Namen, dass der internationale Stil ein Referenzpunkt geblieben ist.[3]
Das heutige Grafik-Design wäre ohne die Bauhaus-Pioniere unmöglich (Werbung, Zeitschriften, Zeitungen und Webdesign).
Künstlerische Ausbildung bezieht sich immer noch auf die Innovationen des Bauhaus-Curriculums: Einem Basiskurs der grundlegenden Prinzipien und Untersuchungsmethoden folgen mehrere Jahre der Spezialisierung in bestimmten Gebieten.
Warum war das Bauhaus so einflussreich?
Die Oktoberrevolution 1917 in Russland und die revolutionäre Welle inspirierten das Bauhaus – besonders in Deutschland - in den folgenden Jahren und es schien - nach den massenhaften Vernichtungen des Ersten Weltkriegs - eine neue Lebensart anzubieten. In der Kunstwelt veranschaulichte das Bauhaus den Geist der Moderne, der selbst heute noch den Ausstellungsbesucher packt. In einer Gesellschaft, die sich anscheinend gegen den Menschen verschworen hat, hält das Bauhaus die Hoffnung aufrecht, dass die moderne Industrie für das menschliche Wohl tätig werden wird.
Das Bauhaus war Teil einer breiteren internationalen Bewegung, die den Würgegriff des Spießbürgertums gegenüber der Kunst zu zerschlagen versuchte. Strömungen wie Dada und der Expressionismus in Deutschland, De Stijl in Holland, Le Corbusiers „Neuer Geist“ („L’Esprit Nouveau“) in Frankreich teilten alle das gleiche Ziel. Am Bauhaus arbeiteten einige der bekanntesten internationalen Talente der Zeit, wie Walter Gropius selbst, später der Architekt Mies Van der Rohe, Maler wie Paul Klee und Wassily Kandinsky (um nur die hervorragendsten Persönlichkeiten zu erwähnen).
Zur selben Zeit wurde in Russland - mit gleichen Grundsätzen, aber weitaus geringeren Ressourcen – die konstruktivistische Kunstschule Wchutemas (Höhere Künstlerisch-Technische Werkstätten) gegründet. Diese war von dem Glauben beseelt, dass auf den Trümmern des bürgerlichen Regimes eine neue proletarische Kunstkultur erschaffen werden könne. Kandinsky, der das Curriculum der Wchutemas mit abfasste, wechselte 1921 zum Bauhaus.
Architektur und Design wurden durch die industrielle Massenproduktion in Harmonie gebracht. Beide Disziplinen hinkten bisher der technologischen Entwicklung hinterher und versuchten nach wie vor, altmodische Formen der vorindustriellen Produktionsmethoden nachzuahmen, eine Haltung die stark vom Konservatismus der Bourgeoisie beeinflusst war. Laut Bauhaus mussten neue Formen entwickelt werden, die die Möglichkeiten der neuen Technologie im Dienste der Massen ausdrückten.
Das Bauhaus erschuf ein neues ästhetisches Empfinden und entwickelte geeignete Fertigkeiten, diese zu befriedigen: die radikale Vermählung von modernen Materialien und Techniken (z. B. Gebäude aus Glas und Stahl, Möbel aus Metallröhren); ihr Prinzip von „weniger ist mehr“, „die Wahrheit des Materials“ (Verzicht auf dekorative Nachbildung und Verzierungen); und „die Form folgt der Funktion“ (als kleines Beispiel: die Schachfiguren eines Ausstellungsstückes waren im Gegensatz zu den traditionelle Formen nach den Zügen – den möglichen Bewegungsformen der Figuren – komponiert worden).
Ironischer weise waren die neuen Materialien (aufgrund der desaströsen ökonomischen Lage in Folge des Ersten Weltkriegs und des anschließenden Bürgerkriegs) in Russland so rar, dass die konstruktivistischen Architekten häufig Holz benutzen mussten, um den Baustoff Stahl zu imitieren.
Konnte das Bauhaus die Transformation der künstlerischen Produktion in eine sozialistische Richtung unterstützen?
Der Kapitalismus hat gezeigt, dass er in bestimmten Perioden in der Lage ist, erzieherische Experimente wie das Bauhaus zu tolerieren. In den frühen Zwanzigern - inmitten der Revolte der Arbeiterklasse und der Gefahr der Revolution – hatte die SPD, die Hauptstütze der Weimarer Republik, ein starkes Interesse daran, diese als sozialistische Alternative gegenüber den Gefahren des deutschen Oktobers aufzubauen. Mit dem Abflauen der proletarischen Bewegung fiel es dem Bauhaus immer schwieriger, die finanzielle Grundlage zu erhalten, und war 1926 gezwungen, von Weimar nach Dessau zu wechseln. Von Dessau wiederum zog es 1932 in einem letzten verzweifelten Versuch nach Berlin, wo es von der neu gewählten nationalsozialistischen Regierung 1933 endgültig geschlossen wurde. Für die Nazis war jegliche moderne Kunst an sich schon „Kulturbolschewismus“. Die Nationalsozialisten hatten kein Interesse daran, „deutsche Steuergelder“ für ein Institut der Avantgarde auszugeben, das Ausländer und Juden beherbergte.
In Russland gründeten die Bolschewiki 1920 durch das Narkompros (Volkskommissariat für Bildungswesen) die Wchutemas. Ihr Kommissar, Anatoli Lunatscharski, unterstützte die künstlerische Avantgarde. Der ehemalige Bolschewiki, Alexander Bogdanow, vertrat die Auffassung, dass es möglich sei, innerhalb der isolierten sowjetischen Festung eine neue proletarische Kultur (Proletkult) von Grund auf neu zu erschaffen. Dies lehnten Lenin und Trotzki jedoch ab. Die politische Macht und die Produktionsbeziehungen der Bourgeoisie müssten erst auf weltweiter Ebene zerschlagen werden, ehe ein umfassender Prozess in Richtung einer neuen klassenlose Kultur frühestens eingeleitet werden könnte. Aus dieser Perspektive müsse die Arbeiterklasse sich erst einmal die Errungenschaften der vorherigen Kulturen aneignen, statt einfach neue zu schaffen[4]. Die Wchutemas wurden 1930 geschlossen. Die stalinistische Konterrevolution umklammerte das kulturelle Leben und stellte es unter die Doktrin des sozialistischen Realismus. Welch Versuche und Fortschritte auch immer im erzieherischen Bereich im Rahmen des Kapitalismus gemacht wurden und werden, die herrschende Klasse ist verpflichtet (und dazu in der Lage), diese ihren imperialistischen, politischen und ökonomischen Zielen zu unterwerfen.
Die Ethik des Bauhauses setzte ein System der gesellschaftlichen Beziehungen voraus, das an dem Konsum und der Befriedigung der menschlichen Bedürfnisse orientiert ist. Der Kapitalismus muss zwar menschlichen Bedarf befriedigen, um Waren verkaufen zu können. Dieses Ziel ist jedoch einem viel mächtigerem Ziel unterworfen: Profit zu erzielen. Und wenn aufgrund des Mangels an zahlungskräftigen Käufern dieses Ziel nicht erreicht werden kann, interessieren die menschlichen Bedürfnisse niemanden mehr.
In ihrem Streben nach Profit versucht die kapitalistische Produktion, die Konsumption der Massen durch möglichst niedrige Löhne und möglichst günstige Produktion von Verbrauchsgütern niederzudrücken.
Deshalb ist es - neben der großen Ausnahme des Bauhaus-Stils – unmöglich, die Lücke zwischen Qualitätsproduktion für einen kleinen luxuriösen Markt und die billigen (und schlechten) Ersatzprodukte für den Massenmarkt zu schließen.
Außerdem verlangt das Streben nach Profit im kapitalistischen Produktionsprozess (selbst in den so genannten „kreativen Industrien“) nach einer strengen hierarchischen Trennung der Arbeit und dem bedingungslosen Gehorsam der Arbeiter. Statt, wie das Bauhaus anstrebte, den Handwerker mit dem Künstler gleich zu stellen, tendiert der Kapitalismus dazu, ihn weiter auf das Niveau eines Maschinenbedieners zu erniedrigen – wenn es ihn nicht gleich arbeitslos macht.
Nach Informationen der UN waren 2005 über 100 Millionen Menschen weltweit wohnungslos, eine Milliarde Menschen lebten in Slums. Ohne Zweifel haben diese Zahlen seither zugenommen. Der wunderschöne Traum des Bauhauses scheint vollkommen geplatzt zu sein.
Jedoch werden die Produktivkräfte der Gesellschaft, die die künstlerische Kultur einschließen, weiterhin gegen den Klammergriff der kapitalistischen Produktionsbeziehungen rebellieren. Sie werden weiterhin auf eine neue Gesellschaft verweisen und uns inspirieren. In diesem Sinne ist nicht das Bauhaus, sondern der Kapitalismus selbst gescheitert. Das Bauhaus wird weiterhin ein historischer Meilenstein des kulturellen Fortschritts bleiben.
Como 24/7/12
[4] siehe hierzu den Artikel: „Der Kommunismus ist nicht nur eine schöne Idee, sondern eine Notwendigkeit“https://de.internationalism.org/kultur