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Öffentliche Diskussionsveranstaltung des IBRP in Paris (2. Teil) Politische Leere und mangelnde Methode des IBRP
In dem ersten Teil dieses Artikels zur öffentlichen Veranstaltung des IBRP in Paris am 2. Oktober zum Thema „Warum der Krieg im Irak?“ (unsere Leser finden den ersten Teil auf unserer Webseite im Internet) haben wir aufgezeigt, wie die prinzipienlose Umgruppierungspolitik des IBRP diese linkskommunistische Organisation dazu geführt hat, dass das IBRP von einer parasitären Gruppe (einer selbsternannten ‚Internen Fraktion der IKS‘) als Geisel genommen wird (). In diesem zweiten Teil des Artikels wollen wir über die Debatte zum Irakkrieg berichten.
Öffentliche Diskussionsveranstaltung des IBRP in Paris (2. Teil) Politische Leere und mangelnde Methode des IBRP
In dem ersten Teil dieses Artikels zur öffentlichen Veranstaltung des IBRP in Paris am 2. Oktober zum Thema „Warum der Krieg im Irak?“ (unsere Leser finden den ersten Teil auf unserer Webseite im Internet) haben wir aufgezeigt, wie die prinzipienlose Umgruppierungspolitik des IBRP diese linkskommunistische Organisation dazu geführt hat, dass das IBRP von einer parasitären Gruppe (einer selbsternannten ‚Internen Fraktion der IKS‘) als Geisel genommen wird[1]. In diesem zweiten Teil des Artikels wollen wir über die Debatte zum Irakkrieg berichten.
Wir haben (insbesondere in unserer Presse) immer die Notwendigkeit betont, dass die Organisationen, welche sich auf die Kommunistische Linke berufen, eine öffentliche Debatte führen, ihre jeweiligen Positionen den anderen gegenüberstellen, damit die nach einer Klassenperspektive suchenden Leute sich eine klare Vorstellung von den verschiedenen im proletarischen Lager vorhandenen Positionen machen können.
Eine Analyse mit variabler Geometrie?
Obgleich das IBRP (wie die Organisationen, die es gegründet haben, die IntKP und die CWO) immer den proletarischen Internationalismus gegenüber den schlimmsten, von der Bourgeoisie verübten nationalistischen Horrortaten verteidigt hat, erfasste seine Analyse der verschiedenen kriegerischen Konflikte während der letzten 20 Jahre überhaupt nicht das Wesentliche. Bezüglich des gegenwärtigen Irakkrieges hat das IBRP in seinem Einleitungsreferat die Analyse wiederholt, der zufolge dieser neue Krieg auch eine ökonomische Rationalität verfolge (die Ölrente und die Kontrolle der Ölquellen durch die USA). Diese Analyse hatte das IBRP schon in der Vergangenheit vertreten, insbesondere während des Afghanistankrieges 2001.
„Die USA brauchen den Dollar als gültige Währung im internationalen Handel, wenn sie ihre Stellung als globale Supermacht bewahren wollen. Vor allem sind die USA verzweifelt darum bemüht sicherzustellen, dass der internationale Ölhandel auch weiterhin primär in Dollars abgewickelt wird. Dies bedeutet, bei der Bestimmung der Routen für die Öl- und Gaspipelines und vor allem bei der Beteiligung von kommerziellen US-Interessen an der Ausbeutung der Quellen das letzte Wort zu haben. Dies steckt dahinter, wenn offen kommerzielle Entscheidungen durch die sie überwölbenden Interessen des US-Imperialismus als Ganzes gemäßigt werden, wenn der amerikanische Staat politisch und militärisch für langfristige Ziele eingespannt wird, Ziele, die sich oft gegen die Interessen anderer Staaten und in steigendem Maße gegen jene ihrer europäischen ‚Verbündeten‘ richten. Mit anderen Worten, dies ist der Kern der imperialistischen Konkurrenz im 21. Jahrhundert“ (zitiert aus Revolutionary Perspectives Nr. 23, in Internationale Revue Nr. 29, S. 29).
Auch während des ersten Golfkrieges 1991 hatte das IBRP eine ähnliche Analyse verfochten: „Die Golfkrise ist wirklich wegen des Öls und der Frage, wer das Öl kontrolliert, ausgebrochen. Ohne billiges Öl werden die Profite fallen. Die Profite des westlichen Kapitalismus werden bedroht, und aus diesem Grund – und keinem anderen – bereiten die USA ein neues Blutbad im Mittleren Osten vor“ (International Review Nr. 64, engl. Ausgabe).
In Anbetracht der nicht zu leugnenden Entwicklung der Wirklichkeit ist das IBRP aber hinsichtlich des Irak-Kriegs dazu gezwungen gewesen, seine Analyse ein wenig zu ändern. So hat das IBRP in seinem Einleitungsreferat drei Hauptgründe erwähnt, die die Auslösung dieses neuen Krieges erklären sollen:
1)geostrategische Gründe;
2)die Verteidigung des Dollars als dominante Währung und die Ölrente;
3)die Kontrolle der Ölförderung während der nächsten 20 Jahre.
Nach dem Einleitungsreferat hat die IKS das Wort ergriffen, um aufzuzeigen, dass die amerikanische Offensive hauptsächlich strategische Ziele verfolgt. Während die Frage des Öls eine wichtige Rolle spielt, ist dies hauptsächlich nicht auf ökonomische Faktoren zurückzuführen, sondern vornehmlich auf strategische und militärische. Wir haben daran erinnert, dass das Öl nicht erst seit heute und auch nicht erst seit den 1960er Jahren strategisch wichtig ist, sondern seit der Zeit vor dem 1. Weltkrieg, als die Armeen mechanisiert wurden.
In unseren Redebeiträgen haben wir unterstrichen, dass das Einleitungsreferat des IBRP insofern einen gewissen Fortschritt des IBRP darstellt, als dieses bei der Liste der Ursachen der amerikanischen Offensive im Irak an erster Stelle „geostrategische“ Faktoren nannte. Trotz seiner mechanistischen und reduktionistischen Auffassung hinsichtlich der Verbindung zwischen Wirtschaftskrise und Krieg (ein Merkmal des Vulgärmaterialismus), kann das IBRP nicht völlig die Augen verschließen vor nicht zu leugnenden Tatsachen: Mehr als 10 Jahre später sind die Transportwege des Öls im Afghanistan durch den Krieg nicht sicherer geworden, sondern im Gegenteil zum Teil zerstört.
Leider waren wir ein wenig zu optimistisch, als wir behaupteten, dass das IBRP bei seinen Analysen einen gewissen Fortschritt gemacht habe.
Der Genosse des IBRP, der das Einleitungsreferat vorgetragen hatte, hat unseren Redebeitrag ‚korrigiert‘, als er behauptete, wir hätten den Inhalt des Einleitungsreferates nicht richtig gehört (oder nicht richtig verstanden), denn egal in welcher Reihenfolge die Ursachen erläutert worden seien, die ‚strategischen Ursachen‘ der US-Offensive im Irak seien aus der Sicht des IBRP zweitrangig. Der Genosse meinte gar, das IBRP hätte uns das Einleitungsreferat schriftlich zur Verfügung stellen sollen, damit wir jedes ‚Missverständnis‘ vermeiden. Nach der Diskussionsveranstaltung hat das IBRP auf seiner Webseite dieses Einleitungsreferat veröffentlicht. Dort kann der Leser nachlesen und sich davon überzeugen, dass der Hauptfaktor, den das IBRP als Erklärung vorgetragen hatte, sehr wohl der ist, den wir vernommen hatten: „Wenn das schwarze Gold bei den Überlegungen Washingtons gegenüber dem Irak einfließt, dann eher aus strategischen als aus ökonomischen Gründen. Durch diesen Krieg soll eher die US-Hegemonie verewigt – und somit Garantien für die Zukunft aufgebaut werden – als sofort die Gewinne von Exxon zu steigern.“ Das kann man klarer nicht ausdrücken (und wir sind mit dieser Analyse voll einverstanden)!
So hat dieser kleine Winkelzug des IBRP, zu behaupten, die IKS habe „schlecht gehört“ oder „schlecht verstanden“, es dem IBRP während der ganzen Diskussion ermöglicht, der Frage der „strategischen Ursachen“ des Irakkriegs auszuweichen. In Wirklichkeit versuchte das IBRP dadurch zu vertuschen, dass seine Analysen „geometrisch variabel“ sind oder dass die Genossen des IBRP nicht alle mit den 'offiziellen‘ Analyen ihrer eigenen Organisation einverstanden sind.
Die Argumente der IKS
In unseren Redebeiträgen haben wir betont, dass der Krieg seit dem Beginn der Dekadenz des Kapitalismus anfangs des 20. Jahrhunderts jegliche ökonomische Rationalität für das Kapital als Ganzes, aber auch mehr und mehr für jeden einzelnen Staat verloren hat. Wir haben daran erinnert, dass das Konzept der Dekadenz keine Erfindung der IKS ist, da auch die Kommunistische Internationale 1919 dieses Konzept vertreten hat. Auch ist die Analyse der Irrationalität des Krieges im Zeitraum der Dekadenz keine tolle Erfindung der ‚Idealisten‘ der IKS. Schon die Kommunistische Linke Frankreichs (Gauche Communiste de France – GCF), auf die sich die IKS immer berufen hat, hatte diese Analyse schon vertreten, als sie behauptete, dass in der Niedergangsphase des Kapitalismus "die Produktion im Wesentlichen auf die Produktion von Zerstörungsmitteln ausgerichtet ist, d.h. im Hinblick auf den Krieg. Der Niedergang der kapitalistischen Gesellschaft spiegelt sich am deutlichsten in der Tatsache wider, dass die Kriege nicht mehr wie in der aufsteigenden Phase des Kapitalismus die wirtschaftliche Entwicklung fördern, sondern dass die Wirtschaft in der Dekadenz hauptsächlich auf den Krieg ausgerichtet ist“ (Bericht auf der Konferenz der GCF, Juli 1944, zitiert in „Der historische Kurs“, Internationale Revue Nr. 5).[2]
Wir haben ebenso verdeutlicht, wie das IBRP, wenn es das – auf ökonomischer Ebene - irrationale Wesen des Krieges in der Dekadenz und ihre zunehmende Irrationalität in der Endphase dieses Niedergangs (die Zerfallsphase des Kapitalismus) verwirft, keinen Unterschied mehr macht zwischen der Funktion der Kolonialkriege und dem Aufbau der Nationalstaaten im 19. Jahrhundert einerseits und den Kriegen, die seit 1914 die Welt verwüstet haben, andererseits.
Wir haben daran erinnert, dass im 19. Jahrhundert die Kriege „rentabel“ waren. Sie erfüllten eine ökonomische Rationalität (da sie die Ausdehnung des Kapitalismus auf den ganzen Erdball ermöglichten), während sie im 20. Jahrhundert einen immer irrationaleren Charakter annahmen. Und dies ist heute noch offensichtlicher: Mit dem Eintritt des Kapitalismus in seine Zerfallsphase (die mit dem Auseinanderbrechen der beiden, aus dem 2. Weltkrieg hervorgegangenen imperialistischen Blöcke eröffnet wurde) hat diese Irrationalität auf wirtschaftlicher Ebene eine höhere Stufe erreicht, wie die Lage auf dem Balkan oder in Tschetschenien zeigt.
So wird die 1945 auf der Konferenz von Jalta festgelegte Weltordnung heute ersetzt durch einen Zeitraum des weltweiten Chaos, wo auf imperialistischer Ebene ‚jeder für sich‘ kämpft.
Die Kurzsichtigkeit des IBPR führt dazu, dass es nicht sieht, wie die imperialistische Logik des Kapitalismus in seiner Niedergangsphase immer mehr nur der eigenen Logik folgt: Der grenzenlosen Flucht nach vorn in den Krieg und eine wachsende Barbarei.
Die Redebeiträge der IKS haben ebenso die Folgen der Analyse des IBRP aufgezeigt, der zufolge der Krieg der USA gegen den Irak noch eine ökonomische Rationalität besäße (insbesondere die berühmte ‚Ölrente‘). Diese Auffassung lässt in Wirklichkeit das IBRP die wirklichen Gefahren der gegenwärtigen historischen Lage (das blutige Chaos entfaltet sich immer mehr) unterschätzen und damit das, was für die Arbeiterklasse und die Zukunft der Menschheit auf dem Spiel steht.
Wir haben in dieser Diskussionsveranstaltung ebenso an den Rahmen erinnert, anhand dessen die IKS die Ursachen dieses neuen Krieges im Irak festmacht: „Auf dem Hintergrund des Bankrotts des Kapitalismus und des Zerfalls der bürgerlichen Gesellschaft zeigt uns die Wirklichkeit, dass die einzige mögliche Politik einer jeden Großmacht darin besteht, den anderen Schwierigkeiten zu bereiten, um zu versuchen, ihnen die eigenen Interessen aufzuzwingen. Dies sind die kapitalistischen Gesetze. So sind diese sich immer mehr ausdehnende Instabilität, die wachsende Anarchie und das Chaos keine Besonderheit dieses oder jenes exotischen oder rückständigen Gebietes der Erde, sondern das Ergebnis des Kapitalismus in der gegenwärtigen unumkehrbaren Zerfallsphase. Und da der Kapitalismus die Welt beherrscht, wird die ganze Welt mehr und mehr diesem Chaos unterworfen“ (Internationale Revue, Nr. 118).
Die mangelnde Ernsthaftigkeit der Argumente des IBRP
Das IBRP war nicht in der Lage, auf unsere Argumente mit einem Mindestmaß an Ernsthaftigkeit zu antworten. Was unsere Analyse des Zerfalls des Kapitalismus angeht, war das einzige politische Argument, das man vom IBRP hören konnte, dass es erneut den ‚Idealismus‘ der IKS mit einem unpassenden Sarkasmus anprangerte, als einer ihrer Vertreter sagte, „mit eurer Analyse des Zerfalls findet man alles zusammengeworfen in einem Topf, Chaos, Gott, die Engel...“!
Aber das ist nicht alles. Wir waren verblüfft, Argumente zu hören, bei denen sich Marx und Engels im Grabe herumgedreht hätten.
1) Wir stellten die Frage: „Vertritt das IBRP heute noch den Standpunkt, wenn ein Dritter Weltkrieg vor dem Zusammenbruch des Ostblocks nicht stattgefunden hat, dann deshalb, weil es Atombomben und ein ‚Gleichgewicht des Schreckens‘ gab?“ Anfänglich wollte kein Mitglied des IBRP auf unsere Frage antworten. Und erst nachdem wir die Frage zum dritten Mal gestellt hatten, hat ein Genosse des IBRP die Güte gehabt uns sehr knapp zu antworten, ohne auch nur irgendein Argument zu liefern: Das Gleichgewicht des Schreckens sei ‚einer der Faktoren‘, der erklärt, weshalb die Bourgeoisie einen dritten Weltkrieg nicht auslösen konnte... Kurzum, die klassische Analyse der herrschenden bürgerlichen Kreise, die jahrzehntelang gegenüber den Arbeitern den furchtbaren Rüstungswettlauf im Namen des ‚Schutzes des Friedens‘ gerechtfertigt haben. Wir verzichten auf jeden Kommentar!
Alle bei dieser Diskussionsveranstaltungen anwesenden suchenden Leute, die Zeuge wurden, wie das IBRP die Allgemeinheiten der bürgerlichen Propaganda wiederkäute, kamen bei diesem Treffen nicht auf ihre Kosten. Am Ende des Treffens waren sie nicht schlauer darüber, was „die anderen Faktoren“ waren, die ein Hindernis für die Auslösung eines dritten Weltkriegs darstellten (und vor allem, welcher ausschlaggebend ist). Dagegen hat die IKS auf dem Treffen unterstrichen, dass der Hauptfaktor darin besteht, dass seit dem Ende der 1960er Jahre ein neuer historischer Kurs (hin zu verstärkten Klassenzusammenstößen) eröffnet wurde, womit der lange Zeitraum der Konterrevolution zu Ende ging, unter der das Proletariat nach der Niederlage der revolutionären Welle von Kämpfen 1917-23 gelitten hat. Wenn ein dritter Weltkrieg nicht ausgebrochen ist, dann nicht, weil es Atomwaffen und ein ‚Gleichgewicht des Schreckens‘ gab, sondern weil die Arbeiterklasse nicht bereit war, ihr Leben für ein Vaterland zu opfern.
2)Hinsichtlich der marxistischen Analyse der Dekadenz des Kapitalismus antwortete uns ein Sprecher des IBRP folgendes: „Ich habe genug davon, seit 25 Jahren mit der IKS zu diskutieren.“ Tatsächlich ist die IKS so ‚engstirnig‘, dass sie immer noch nicht das ABC des Marxismus begreifen will, der uns (nach der Aussage des Sprechers des IBRP) lehrt, dass „man im Kapitalismus zwei Dinge unterscheiden muss: die Gesellschaftsformation und die Produktionsform. Man kann sagen, dass es eine Dekadenz der Gesellschaftsformation gibt (auch wenn ich den Begriff ‚Dekadenz‘ nicht mag), aber die Produktionsform ist nicht dekadent. Denn wenn es keine gesellschaftliche Revolution gibt, werden die beiden weiterhin fortbestehen, mit einem Versinken der Gesellschaft in der Barbarei.“
Vorsichtig formuliert (es stimmt, wenn es zu keiner Revolution kommt, versinkt die Gesellschaft in der Barbarei) hat das IBRP in aller Ruhe behauptet, dass der Kapitalismus als ‚Gesellschaftssystem‘, d.h. auf der Ebene des Überbaus (herrschende Ideologie, Kultur, Freizeit, Sitten, Moral usw.) dekadent sein könnte, aber nicht als ‚Wirtschaftssystem‘, d.h. auf der Ebene der Basis (auf der Ebene der Produktionsform und der Art und Weise, wie die Menschen sich organisiert haben, um für ihre Existenz zu produzieren).
Im Namen des Marxismus, des ‚Materialismus‘ und natürlich gegen die ‚idealistische‘ Auffassung der IKS, wurde der IKS solch eine Lektion der ‚Dialektik‘ erteilt. Wir wollen es Marx überlassen, solchen Unfug zu widerlegen: „Hieraus geht hervor, dass eine bestimmte Produktionsweise oder industrielle Stufe stets mit einer bestimmten Weise des Zusammenwirkens oder gesellschaftlichen Stufe vereinigt ist, und diese Weise des Zusammenwirkens ist selbst eine ‚Produktivkraft (...) Die Produktion der Ideen, Vorstellungen, des Bewussteins ist zunächst unmittelbar verflochten in die materielle Tätigkeit und den materiellen Verkehr der Menschen, Sprache des wirklichen Lebens “ (Deutsche Ideologie, MEW, Bd 3, S. 30 u. S. 26). So scheint das IBRP die „Sprache des wirklichen Lebens“ zu ignorieren. Aber wie Spinoza meinte, ist „Unwissenheit kein Argument“!
Aus marxistischer Sicht beeinflusst der Aufstieg wie der Niedergang einer Produktionsform alle Aspekte der Gesellschaft, denn der Zustand der Basis (die Wirtschaft) bestimmt den des Überbaus (das Gesellschaftsleben), auch wenn die Entwicklung oder der Rückschritt einer Zivilisation sich nicht gleichmäßig in allen Bereichen entfaltet. Das Gegenteil zu behaupten ist weder materialistisch noch marxistisch. Damit verfällt man dem dümmsten Idealismus.
3)Während der Diskussion hat einer unserer Sympathisanten das IBPR gefragt: „Wenn man eurer Analyse des Zyklus „Krise, Expansion, neue Krise usw. folgt, was haltet ihr von den nationalen Befreiungskämpfen? Wären sie heute noch unterstützenswert? Heißt dies, dass die Gewerkschaften noch Arbeiterorganisationen sind?“
Auf die Frage nach den nationalen Befreiungsbewegungen hat das IBRP überhaupt nicht geantwortet. Dagegen hat ein Genosse des Präsidiums behauptet, wenn das IBRP keine Arbeit in den Gewerkschaften befürwortet, dann „weil die Erfahrung bewiesen hat, dass man da nichts ausrichten kann, aber nicht weil der Kapitalismus dekadent wäre.“ Wir haben danach das IBRP gefragt, ob es damit die Position der IntKP von 1947 verwirft, die in ihren „Thesen zu den Gewerkschaften heute und kommunistische Aktivitäten“ (die auf dem 4. Kongress der IntKP verabschiedet wurden) unterstrich: „In der gegenwärtigen Phase der Dekadenz der kapitalistischen Gesellschaft sind die Gewerkschaften ein wesentliches Instrument der konservativen Politik und deshalb übernehmen sie genau die Funktion eines staatlichen Organismus“ (von der IKS hervorgehoben).
Der Genosse des Präsidiums, der auf die Frage nach dem Wesen der Gewerkschaften geantwortet hatte, schien sehr überrascht zu sein, dass das IBRP oder die IntKP solch eine Auffassung vertreten konnte. Offensichtlich schien er diese programmatische Position seiner eigenen Organisation erst zu entdecken (obwohl diese doch auch auf der Webseite des IBRP veröffentlicht ist)!
Jedenfalls kann die Infragestellung der Analyse der Dekadenz des Kapitalismus, so wie sie von der Kommunistischen Internationale formuliert wurde, das IBRP nur dazu bringen, gewisse Positionen seiner eigenen Plattform zu ‚revidieren‘.
Die mangelnde Ernsthaftigkeit in der Debatte
Abgesehen von unseren Redebeiträgen in der Debatte und den von unseren Sympathisanten gestellten Fragen (auf die das IBRP entweder nicht oder zumindest sehr konfus geantwortet hat) wollen wir auf den Redebeitrag eines Anhängers des rätistischen Milieus (den wir seit langem kennen) hinweisen. Er kritisierte vor allem unsere Auffassung von der Dekadenz des Kapitalismus (die sich auf die Theorie der Sättigung der Märkte, wie sie von Rosa Luxemburg in der „Akkumulation des Kapitals“ entwickelt wurde, stützt). Auch er wollte uns erneut eine „Lektion in Marxismus“ erteilen, indem er behauptete, dass der Kapitalismus heute noch in der Phase der erweiterten Akkumulation stecke, wie beispielsweise die beeindruckende Entwicklung in China zeige.
Dieser Analyse (die heute von den ‚Experten‘ der herrschenden Klasse weit verbreitet wird) wurde von Seiten des IBRP nicht kritisiert. Die IKS hat deshalb das Wort ergriffen, um aufzuzeigen, dass die angebliche „wirtschaftliche Expansion“ Chinas auf Sand gebaut ist (siehe dazu den Artikel in Weltrevolution Nr. 127).
Einer der beiden Anhänger der IFIKS wollte in seinem langen (unverständlichen und völlig zusammenhanglosen) Beitrag aufzeigen, dass die Analyse der IKS (und auch der Komintern) von der Dekadenz des Kapitalismus absurd sei und außerhalb des Marxismus stünde.
Ebenso aufschlussreich waren die ‚Leistungen‘ der beiden ‚Tribunen‘ der IFIKS, die alles daran setzten, nicht zur Analyse des IBRP, wie sie vom Präsidium vertreten wurde, Stellung zu beziehen, sondern versuchten, die IKS-Analyse ‚auseinander zu nehmen‘[3].
Die mangelnde Ernsthaftigkeit der IFIKS wurde erneut durch das Verhalten von zwei ihrer Mitglieder (und ihrer beiden Anhänger) unter Beweis gestellt, die anstatt das Wort zu ergreifen, um eine politische Argumentation zu entwickeln, sich während des ganzen Treffens damit zufrieden gaben, zu grinsen und eine sarkastische Haltung an den Tag zu legen (und gar Beifall gegenüber den Kritiken an der IKS zu spenden, als ob diese Leute gekommen wären, um einem Fußballspiel beizuwohnen!). Diese mangelnde Ernsthaftigkeit hat übrigens auf dem Treffen die Teilnehmer, die sich auf der Suche nach Klärung befinden, zutiefst schockiert. Einer von ihnen hat das Wort ergriffen und gesagt, dass solch eine Haltung auf einem politischen Treffen ihn nicht dazu „ermutigt habe, sich an der Diskussion zu beteiligen“.
Es liegt auf der Hand: Wenn die IKS nicht anwesend gewesen wäre und keinen Diskussionsstoff geliefert hätte, hätte es keine kontroverse Debatte gegeben, keine Auseinandersetzung über die verschiedenen Positionen. Die IFIKS (die behauptet, „die wahre Verteidigerin der Plattform der IKS“ zu sein), hat sich davor gehütet, irgendeine Divergenz oder irgendeine Kritik an den Analysen des IBRP zur Sprache zu bringen. Zum Konzept der Dekadenz (das das IBRP ‚neu definiert‘, tatsächlich aber verwirft) haben die Mitglieder der IFIKS keinen Ton gesagt. Genauso haben sie schamhaft jede Auseinandersetzung mit dem IBRP zur Frage, warum die Bourgeoisie vor dem Zusammenbruch des Ostblocks keinen dritten Weltkrieg auslösen konnte, vermieden.
Deshalb ist die angebliche Öffnung hin zur öffentlichen Debatte, für die ‚Klärung‘ und die ‚Auseinandersetzung‘ der verschiedenen Standpunkte innerhalb des proletarischen Lagers, den die IFIKS beansprucht, nur ein Bluff, angereichert mit einer entsprechenden Portion Heuchelei. In Wirklichkeit ziehen das IBRP und die IKIKS, die eine ‚Einheitsfront gegen die IKS‘ errichten wollen, es vor, ihre Divergenzen zu verheimlichen und sie in ‚privaten‘ Treffen zu besprechen!
Wenn wir uns auf überhaupt keine ‚Debatte‘ mit den Leuten von der IFIKS (trotz ihrer provozierenden Redebeiträge) einlassen wollten, dann weil die IKS zu einer Veranstaltung des IBRP gegangen ist, und weil wir diese Leute der IFIKS daran hindern wollten, dass sie die Debatte sabotieren. Deshalb haben wir das Wort ergriffen, um auf die Argumente des IBRP zu antworten, nicht aber auf die der selbsternannten ‚Fraktion‘, die sich wie eine Diebesbande verhält (indem sie Material und Geld von der IKS gestohlen haben).
Und weil die IKS keine Angst vor der öffentlichen Auseinandersetzung über die Divergenzen mit dem IBRP hat, haben wir uns an dem Treffen beteiligt. Deshalb stimmen wir nicht mit der Position des IBRP überein (die auch am Ende des Treffens wiederholt wurde), der zufolge die Debatte zwischen der IKS und dem IBRP ‚zu nichts dient‘. Wir vertreten die Auffassung, dass öffentliche Debatten kein Wettkampf zwischen den Gruppen der Kommunistischen Linken sind, um zu wissen, wer der ‚Stärkere‘ ist oder wer am meisten Leute ‚erobert‘. Wenn wir für die öffentliche Debatte dieser Divergenzen eintreten, tun wir dies, um den suchenden Leuten zu ermöglichen, dass sie nicht nur die Positionen der IKS kennen, sondern auch die anderer Gruppen des proletarischen Lagers. Nur so können sie für sich selbst eine Klärung herbeiführen und auch entscheiden, in welcher Gruppe sie als Militante mitarbeiten wollen.
Gegenüber den nach einer Klassenperspektive suchenden Leuten ist es die Aufgabe der revolutionären Organisationen, Antworten auf all ihre Fragen zu liefern, sie mit einem Höchstmaß an Klarheit und Ernsthaftigkeit zu überzeugen. Ebenso müssen sie in ihren öffentlichen Veranstaltungen die Ernsthaftigkeit der politischen Debatte verteidigen, indem sie jegliche parasitäre Haltung verwerfen, die darin besteht, die Debatten durch Sarkasmen, Gekicher oder Beifall zu stören.
IKS, 18. 10.2004
Fußnoten:
1. Aus Platzgründen und um das Gleichgewicht unserer Zeitung nicht zu beeinträchtigen, veröffentlichen wir in unserer Zeitung nicht den ersten Teil des Artikels „Das IBRP – von Dieben als Geisel genommen“ (den wir auf unserer Webseite veröffentlicht haben). Wenn jedoch jemand keinen Zugang zum Internet hat, können wir ein gedrucktes Exemplar des ersten Teils des Artikels zuschicken. Wir schicken dann ebenfalls eine Kopie der Antwort, die das IBRP auf seiner Webseite mit dem Titel „Antwort auf eine auseinanderbrechende Organisation“ veröffentlicht hat.
2. Ein Mitglied der IFIKS versuchte in einem Redebeitrag unsere Auffassung von der Irrationalität des Krieges ‚lächerlich‘ zu machen, indem er uns ‚Revisionismus‘ vorwarf und uns gar vorhielt, wir seinen „Kautskyaner“! In Wirklichkeit sind diese Leute von der angeblichen ‚Fraktion‘ die wahren ‚Revisionisten‘, da sie heute die von der GCF entwickelte Analyse, auf die sich die IKS immer berufen hat, verwerfen. Somit verwerfen heute diese Renegaten, die von sich behaupten, ‚die wahren Verteidiger der programmatischen Positionen der IKS‘ zu sein, diese Grundposition unserer Plattform (um dem IBRP zu schmeicheln), auf den sich unser Rahmen der Analyse der Dekadenz des Kapitalismus stützt.
3. Und um die ‚kautskyschen‘ und ‚revisionistischen‘ Analysen der IKS zu bekämpfen, hörte man diejenigen, die das IBRP als die ehemaligen „Führer der alten Garde der IKS“ (sic!) bezeichnet, ‚Argumente‘ vorbringen, die an Kretinismus grenzen. So konnte man (neben anderen ‚Perlen‘ aus dem Mund der IFIKS) vernehmen: „Der Krieg im Irak stellt einen enorm wichtigen ökonomischen Gewinn für die USA dar“!; Im irakischen Morast „verstärkt die US-Armee ihre Position“. „Bevor es die Frage des Krieges begreifen kann, muss das Proletariat unter dem Krieg leiden und ihn an seinem eigenen Leib erleben“. Ohne Kommentar!