Baut etwa eine Aktiengesellschaft oder der Staat eine neue Fabrik, so wird stets die Schaffung neuer Arbeitsplätze als Motiv dafür angegeben. Glaubt man den Behauptungen der Kapitalisten, so geschieht fast alles, was sie tun, im Interesse der Allgemeinheit, insbesondere zugunsten der von ihnen beschäftigten Arbeiter. Mit Ausbeutung und Plusmacherei hat das also nichts zu tun...
Ganz ähnlich tönt ihre unverfrorene Propaganda, wenn es um die Beschäftigung ausländischer Arbeiter in den Industriestaaten des Nordens geht. Dadurch haben nämlich die edlen "Arbeitgeber" Millionen Menschen aus den ärmsten Ländern einen neuen Wohlstand geschenkt, zugleich damit aber auch vielen deutschen Malochern, die "die Drecksarbeit nicht mehr machen wollten", neue Aufstiegsmöglichkeiten eröffnet. So sieht es in der heilen bürgerlichen Märchenwelt aus.
Fast meinen sie, daß es für die Arbeiterschaft aus Osteuropa, den Mittelmeerländern oder aus den 3. Welt-Staaten ein ungeheueres Privileg sein muß, sich hierzulande ausbeuten zu lassen. Und dieses angebliche Privileg macht man den Fremdarbeitern heute wieder zum Vorwurf. Sie werden beschimpft, "Einheimischen" die knappen Arbeitsplätze und den Wohnraum wegzunehmen und dem deutschen Steuerzahler zu Last zu fallen.
Weit entfernt, der kapitalistischen Staatskasse der Industrieländer zur Last zu fallen, holt das Bürgertum der mächtigsten Länder schon seit Jahrzehnten gerade deshalb so gierig Fremdarbeiter zu sich, weil sie in der Regel SO GUT WIE KEINE SOLCHEN KOSTEN VERURSACHEN. Es handelt sich um ein besonderes Privileg der stärksten Fraktionen des Weltkapitals, ihre Kosten dadurch zu senken, daß sie einen Teil der Reproduktionskosten ihrer Arbeitskräfte anderen Ländern überlassen. Man importiert halt erst dann die Arbeiter, wenn sie bereits im arbeitsfähigen Alter sind.
Der ehemalige Chef des Reichsarbeitsamtes Friedrich Syrup urteilte bereits 1918 so:
"Es ist fraglos, daß die deutsche Volkswirtschaft aus der Arbeitskraft der im besten Alter stehenden Ausländer einen hohen Gewinn zieht, wobei das Auswanderungsland die Aufzuchtkosten bis zur Erwerbstätigkeit der Arbeiter übernommen hat. Von noch größerer Bedeutung ist jedoch das Abstoßen oder die verminderte Anwerbung der ausländischen Arbeiter in Zeiten wirtschaftlichen Niederganges."
Diese Vorteile wurden vor allem nach dem 2.Weltkrieg voll ausgeschöpft, da eine niedergeschlagene und durch das Kriegsgemetzel ausgeblutete Arbeiterklasse den Maßnahmen des Kapitals kaum noch widerstehen konnte. Außerdem fielen zwei Drittel der Weltwirtschaft unter die einheitliche Führung der USA, wodurch eine riesige, schier unerschöpfliche internationale Arbeitskraftreserve entstand. Das goldene Zeitalter der 'Gastarbeiter' brach für die Kapitalisten ganz Westeuropas an.
Weit entfernt davon, den einströmenden Arbeitern aus den unterentwickelten Gebieten einen neuen Anfang zu bieten, begegnete das Kapital des Nachkriegseuropas seine 'Gastarbeitern' mit Arbeitserlaubnissen von jeweils nur einem Jahr. Sie konnten quasi jederzeit rausgeschmissen werden, und sie wurden es auch: nicht nur bei Geschäftsflauten, sondern auch so, damit sie bloß nicht anfingen, sich heimisch zu fühlen.
Nicht nur die "Aufzuchtkosten" und das Arbeitslosengeld sparte sich das Kapital damit, sondern auch die Krankenkassen- und Rentenauszahlungen. Zwar durften die "Gäste" kräftig in diese Kassen einzahlen. Aber sie kriegten daraus so gut wie nichts zurück, da sie abgeschoben wurden, sobald sie älter oder krankheitsanfälliger wurden. Es war wohl einer der größten Betrugsfälle der Weltgeschichte - was das Bürgertum natürlich nicht daran hinderte, endlos über die Kosten der Bewirtung der 'Gastarbeiter' zu heulen.
Wie radikal der Staat sich der "Aufzuchtkosten" dieses Teils der Arbeiterklasse entledigte, zeigte die Tatsache auf, daß in der Bundesrepublik Mitte der 60er Jahre über 90% der ausländischen Arbeiter im besten Schaffensalter waren - überwiegend allein stehende Männer. 1961 waren über 80% aller in der BRD lebenden Ausländer erwerbstätig - bei der deutschen Bevölkerung 47%. Im Klartext: es waren so gut wie keine Kinder oder Rentner dabei.
Genauso wie die Staatskasse belasteten die Fremdarbeiter damals den heimischen Arbeits- und Wohnungsmarkt. Bei der Rezession 1967 etwa wurden 400.000 davon gleich hinausgeworfen. Arbeiter in Betriebsunterkünften verloren mit ihrem Job direkt auch das Dach überm Kopf und mußten damit auch schon vor Ablauf der Aufenthaltserlaubnis gehen.
1962 wohnten zwei Drittel der neuangeworbenen Fremdarbeiter in Gemeinschaftsunterkünften. Andere wohnten in denselben Baracken, die seit den 30er Jahren der Reihe nach, von Reichsarbeitsdienstkolonnen, Zwangsarbeitern, 'Displaced Persons' und Vertriebenen bevölkert wurden. Damals wimmelte es sogar in der bürgerlichen Presse von Berichten über die empörende Wohnlage der Ausländer, die stark an die Berichte erinnern, die Marx im 'Kapital' über die Situation des Englands der industriellen Revolution zitierte. Ein damaliger Bericht aus Düsseldorf :
"Ein paar Straßen weiter befindet sich das zweite Ziel der Razzia, eine Baracke... Hundert Südländer führen hier ein trauriges Dasein... übereinander und eng zusammengerückt stehen die Betten: alle Männer liegen schon, obwohl es gerade erst halb Neun ist. Aber was sollen sie in diesem Loch anders anfangen?"
Die Erstellung von Wohnräumen war der einzige ins Gewicht fallende Kostenfaktor der superbiligen 'Gastarbeiter' für die Unternehmer. Natürlich waren sie nicht bereit dafür aufzukommen.
Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre bahnte sich folgendes an : die Gastarbeiter richteten sich häuslich ein, holten ihre Familien nach, und bekamen auch immer längere Aufenthaltserlaubnisse. Es war ein ganz normaler Prozess. Ein Teil dieser Arbeiter ist für das westeuropäische, japanische usw. Kapital einfach unentbehrlich geworden. Die Unternehmer selber sträubten sich dagegen, immer wieder neue Leute einarbeiten zu müssen, während die bereits eingeübten heimgeschickt wurden - zu kostspielig; Produktionsabläufe kamen durcheinander. Außerdem war etwas anderes, von enormer Bedeutung passiert - in ganz Westeuropa beteiligten sich die 'ausländischen' Arbeiter voll und ganz an der mächtigen Flut von Arbeiterkämpfen zwischen 1968-72, die das Ende der kapitalistischen Konterrevolution und der Friedhofsruhe im Klassenkampf signalisierte. Das Kapital konnte sich gegenüber der Arbeiterklasse, egal welcher Herkunft, nicht mehr einfach alles erlauben.
Dies alles bedeutet aber, daß das heimische Kapital auch für diese Arbeiter die stinknormalen Reproduktionskosten übernehmen mußte. Das Gejammer war natürlich groß.
"Der nicht integrierte, auf sehr niedrigem Lebensstandard vegetierende Gastarbeiter verursacht relativ geringe Kosten von vielleicht 30.000 DM. Bei Vollintegration muß jedoch eine Inanspruchnahme der Infrastruktur von 150.000 bis 200.000 DM je Arbeitnehmer angesetzt werden. Hier beginnen die politischen Aspekte des Gastarbeiterproblems".
('Mehr Auslandsinvestitionen - weniger Gastarbeiter', Handelsblatt 23.01.1971)
Da waren sie wieder, die schrecklichen "Aufzuchtkosten"! Aber auch jetzt kam das Kapital nur zum Teil dafür auf. Zusätzliche Wohnungen für die hinzuziehenden Familien der seit Jahren besonders profitabel ausgebeuteten "Südländer" wurden beispielsweise gar nicht gebaut. Stattdessen gibt man heute den Ausländern die Schuld an der Wohnungsnot.
Obwohl damals die große Zeit der 'Gastarbeiter' mit dem Aufflammen der Krise am Ende des Nachkriegswiederaufbaus zu Ende ging (die Ausländeranzahl dagegen ging nicht zurück, weil die Frauen und Kinder jetzt hinzukamen), verzichtete das Bürgertum nicht auf die alte Beschimpfung 'Gastarbeiter' ("die Bundesrepublik ist kein Einwanderungsland"), um damit zu versuchen, die Absonderung verschiedener Teile der Arbeiterklasse voneinander aufrechtzuerhalten, und um die Möglichkeit zu behalten, einen Teil dieser Arbeiter doch noch hinauszuwerfen - was unter Schmidt Mitte der 70er Jahre auch im großen Stil geschah.
Außerdem verzichtet das Kapital der Industriestaaten auch in Krisenzeiten nicht auf die Vorteile, bereits "aufgezüchtete" Arbeiter aus anderen Ländern zu holen. Die Aussiedler und Asylanten sind heute in dieser Hinsicht das, was die 'Gastarbeiter' der Nachkriegsjahre waren.
Also: Nicht die 'Gastarbeiter', Aussiedler und Asylanten nehmen 'uns' Wohnraum und Arbeitsplätze weg - sondern das Kapital. Dieses verfaulende System ist immer weniger imstande, Arbeitern (egal welcher Herkunft) überhaupt solche minimalen Lebensgrundlagen zur Verfügung zu stellen.
Falkenhayn
PS: Das für diese Nummer versprochene Kapitel über die internationale Auswanderung von Arbeitern heute im Vergleich zum vorigen Jahrhundert erscheint stattdessen in der nächsten Ausgabe.
In der letzten Nr. von WR veröffentlichten wir einen Artikel anläßlich des 70. Jahrestag der Gründung der Kommunistischen (oder auch III). Internationalen. Die Gründung der KI im Jahre 1919 stellte einen gewaltigen Schritt vorwärts für die Weltarbeiterklasse dar, und ihr Tod in den Händen des Stalinismus weniger als ein Jahrzehnt später war der Ausdruck einer Niederlage, deren Auswirkungen zum Teil noch bis heute zu spüren sind. Denn seit dieser Zeit verfügt die Arbeiterklasse nicht mehr über ihr grundlegendes Element für ihre Befreiung: die Kommunistische Weltpartei der kommunistischen Revolution.
Aber ein anderer Jahrestag wurde neulich ebenfalls von einer politischen Kraft gefeiert, die sich auf eine Kontinuität mit den frühen Jahren der KI beruft, und die ebenso darauf besteht, daß die III. Internationale in der 1938 von Trotzki gegründeten IV. Internationale einen würdigen Nachfolger gefunden habe. Die verschiedenen trotzkistischen Gruppen mögen heute wutentbrannt darüber streiten, ob diese IV. Internationale noch lebt oder nicht, ob sie reformiert werden kann wiederaufgebaut werden muß; aber alle wollen sie als die wirklichen Erben der 1938'er Internationale und deren grundsätzlichen politischen Positionen angesehen werden.
Die Argumente als solche sind von geringem Interesse für die Arbeiterklasse. Aber weil die Trotzkisten bei der Sabotage des Klassenkampfes eine wachsende Rolle spielen, und weil ihr Ruf, ihre Glaubwürdigkeit als "Revolutionäre" und "Internationalisten" sich gerade auf ihren Anspruch stützt, daß sie die wirkliche Kontinuität mit der revolutionären Bewegung der Vergangenheit darstellen, müssen wir auf das wirkliche Wesen der IV. Internationale zu sprechen kommen, um die tatsächliche Rolle der Trotzkisten heute aufzuzeigen.
Die Gründung der IV. Internationale wurde auf Trotzkis Initiative hin ein Jahr vor dem Ausbruch des 2. Weltkriegs beschlossen. Innerhalb der trotzkistischen Strömung sprachen nur wenige Gruppen oder Elemente gegen diese Entscheidung - z.B. die österreichischen RKD, die mit dem Trotzkismus im Verlaufe des Krieges brachen und sich auf die Positionen der Kommunistischen Linken hinbewegten.
Die damaligen kleinen trotzkistischen Gruppen, von denen viele noch sozialdemokratischen Parteien angehörten und in ihnen die Taktik der "Unterwanderung" praktizierten, erklärten, daß es sich um eine "revolutionäre" Periode handele, und daß deshalb die Gründung einer neuen Internationale nötig sei. Diese Erklärung war sowohl abenteuerlich als auch rein voluntaristisch, d.h. reines Wunschdenken. Zu behaupten, indem man sich einfach Partei und Internationale nenne, mache man die Revolution möglich, hieß in Wirklichkeit, daß Trotzki und seine Anhänger die tatsächlichen damaligen Verhältnisse vollkommen außer Acht ließen. Damals steckte die Arbeiterbewegung in einem absoluten Tiefpunkt. Um Victor Serges Ausdruck zu verwenden, "es war Mitternacht im Jahrhundert". Nach dem Scheitern der revolutionären Welle von 1917-23 hatte die Konterrevolution überall auf die brutalste Art gesiegt, und das Bewußtsein der Arbeiterklasse entwickelte sich zurück. Das Proletariat war durch die Nazis und den Stalinismus physisch besiegt, und ideologisch war es durch die Unterstützung des Anti-Faschismus und die Volksfronten geschlagen, die ja eine direkte Vorbereitung für den Weltkrieg waren.
Nur einige wenige revolutionäre Kerne, insbesondere die Italienische und Belgische Fraktion der Internationalen Kommunistischen Linken begriffen die Aufgaben, welche infolge des Siegs der Konterrevolution auf sie zukamen: die Bilanz der vorangegangenen revolutionären Welle zu ziehen und die zukünftigen revolutionären Kämpfe durch die Konsolidierung der kommunistischen Fraktionen vorzubereiten. Aber sie verstanden, daß auf dem Hintergrund der zunehmenden Kriegsvorbereitungen die Aussichten auf eine Revolution immer schlechter wurden, und daß die Gründung einer neuen Internationale nur ins Auge gefaßt werden konnte, wenn es zu einem neuen revolutionären Aufschwung der Kämpfe kommen würde.
Die IV. Internationale war nicht nur ein voluntaristischer Bluff. Sie stand in vollständigem Gegensatz zu den Arbeiterinternationalen der Vergangenheit.
In der Geschichte des proletarischen Klassenkampfes wurden die wirklichen Internationalen immer auf der Grundlage einer politischen und organisatorischen Entwicklung der Arbeiterbewegung gegründet, die allemal eine aufwärtsstrebende Entwicklung des Klassenkampfes selber widerspiegelten. Die Internationale Arbeiterassoziation (IAA) oder auch I. Internationale genannt (1864-1872) war das Ergebnis einer Entwicklung der Arbeiterbewegung, die in der Pariser Kommune 1871 gipfelte. Die Niederschlagung der Kommune und das sich daraus ergebende Auseinanderbrechen der Internationale führten zu ihrer praktischen Auflösung 1872. Die Bildung eines mächtigen Industrieproletariats in Nord- und Mitteleuropa nach dem französisch-preußischen Krieg von 1870 und die tumultartige Entwicklung des Klassenkampfes 1880 waren die Grundlage für die Gründung der II. Internationale 1889. Und wiederum brach die Internationale an einem Tiefpunkt der Arbeiterbewegung zusammen: die Zustimmung für die Kriegskredite durch die größten Parteien im August 1914.
Die III. Internationale war das direkte Ergebnis des Oktoberaufstandes und der internationalen revolutionären Welle von Kämpfen, die danach stattfanden. Dies wiederum ermöglichte es den revolutionären Elementen von damals, mit den Parteien der II. Internationale zu brechen und wirklich kommunistische Parteien zu gründen. In all diesen Fällen war die neue Internationale sowohl eine Fortsetzung und ein neuer Schritt vorwärts gegenüber der vorherigen.
Abgesehen von ihrem tief greifenden Irrtum bei der Einschätzung der historischen Periode wurde die IV. Internationale auf ganz falschen politischen Positionen gegründet. Mit dem "Übergangsprogramm" übernahm sie all die schlimmsten Verirrungen der entartenden Komintern: "Arbeiterregierung" und "Einheitsfronten" mit der Sozialdemokratie, parlamentarische und Gewerkschaftspolitik. Ihr Programm war ein verwirrtes Durcheinander von revolutionären Forderungen wie der "Bewaffnung der Arbeiter" und reformistischen Forderungen wie die "Arbeiterkontrolle über die Produktion", Verstaatlichungen, öffentliche Arbeiten, gleitende Lohnskala usw... Zu einer Zeit, als es nicht mehr darum ging, dem System Reformen abzugewinnen, sondern es zu zerstören, weil es dekadent geworden war, propagierten die Trotzkisten einen "Übergangsweg" zum Sozialismus mit Hilfe solcher leerer Formeln. In vollständigem Gegensatz zu der III. Internationalen von 1919 besteht das Programm von 1938 auf der Notwendigkeit der Zerstörung des kapitalistischen Staats und der Diktatur des Proletariats mittels der Arbeiterräte.
Die trotzkistische Strömung hatte ihren Ursprung in dem proletarischen Widerstand gegen die stalinistische Konterrevolution. Aber ihre Unfähigkeit, eine tiefgreifende, konsequente Kritik am Stalinismus durchzuführen, sollte fatale Konsequenzen nach sich ziehen. Zu Anfang der 30er Jahre waren sie eine opportunistische Strömung innerhalb der revolutionären Bewegung gewesen, zu Anfang des neuen Jahrzehnts waren sie zu offenen Agenten der Konterrevolution geworden.
Obgleich sie behauptete, die Verbrechen des Stalinismus zu entblößen, machte sich die IV.Internationale von Anfang an zum Verteidiger des konterrevolutionären Regimes in Rußland. Das gesamte Programm Trotzkis und seiner Anhänger fußte auf der "Verteidigung der UdSSR", die sie immer noch ungeachtet ihres Verfalls als einen "Arbeiterstaat" betrachteten. In der Praxis konnte dies nur die Verteidigung der kapitalistischen Ausbeutung innerhalb Rußlands bedeuten, und damit auch die Verteidigung des russischen Imperialismus in dem bevorstehenden Weltkrieg. Der Trotzkismus schickte sich somit an, sich einem der Kriegslager des Kapitals direkt anzuschließen.
Eine andere ideologische Erklärung für diesen entscheidenden Schritt war die Unterstützung der Trotzkisten für die "Demokratie", für die Volksfronten und den anti-faschistischen Kreuzzug. Ihre Verteidigung des russischen Imperialismus ging somit logischerweise Hand in Hand mit der Verteidigung des "demokratischen" Imperialismus während des Krieges. Selbst vor 1939 hatten die Trotzkisten mit dieser Politik die Spanische Republik gegen Franco unterstützt. Trotzki selber hatte seinen Anhängern geraten, die "besten Soldaten" in diesem Krieg zwischen Republikanern und den anti-faschistischen Fraktionen der herrschenden Klasse zu sein. Die Unterstützung der Trotzkisten für Haile Selasses in dem italienisch-abessinischen Krieg von 1935 und das Eintreten für China gegen Japan 1937 waren weitere Schritte bei der vollständigen Aufgabe des Internationalismus. Und als Trotzki 1939 forderte, daß die amerikanischen Arbeiter zu den "besten Soldaten der Demokratie" werden sollten, als er einen sogenannten "Arbeiterpatriotismus" erfand und über die Möglichkeit einer Kriegsmobilisierung unter "Gewerkschaftskontrolle" spekulierte, war die Integration der Trotzkisten in das Lager des Kapitalismus schon vollständig vollzogen.
Der 2. Weltkrieg bewies, daß der von den Trotzkisten proklamierte Internationalismus eine reine Lüge war. Von einigen seltenen Ausnahmen abgesehen - wie den österreichischen RKD und der Gruppe um Munis in Mexiko - handelten die Gruppen der IV. Internationale als "kritische" Unterstützer des Krieges, des Nationalismus und des Staatskapitalismus. 1940 trat die POI (Parti Ouvrier Internationaliste - Internationalistische Arbeiterpartei) in Frankreich offen für die französische "Nation" und das "Vaterland" ein, dabei stützte sie sich auf eine nationalistische Sprache, die die Gaullisten im Vergleich dazu als blaß erschienen ließ. Die POI ist der Vorläufer der heutigen Ligue Communiste Revolutionnaire (LCR- Revolutionäre Kommunistische Liga) - der französischen Sektion der Tendenz um Mandel, die immer noch behauptet, die IV. Internationale zu sein. Andere trotzkistische Gruppen wie Lutte Ouvriere erinnern manchmal die LCR an diese dubiosen Vorfahren, aber sie verschweigen, daß ihre eigenen Vorfahren die gleiche kriegs-unterstützende, arbeiterfeindliche Haltung hatten. So beschrieb die Union Communiste Internationaliste, die Vorfahren von Lutte Ouvriere, den Vormarsch der Roten Armee in Europa enthusiastisch als das Voranschreiten des Sozialismus. Andere Trotzkisten gingen sogar noch weiter, indem sie in der patriotischen "Resistance" neben den Stalinisten und Gaullisten kämpften. In GB stellten sich die Vorfahren aller heute bestehenden trotzkistischen Gruppen, die Revolutionäre Sozialistische Liga und die Internationale Arbeiterliga, hinter Trotzkis Aufruf für die Unterstützung der antifaschistischen Kriegsbemühungen "unter Arbeiterkontrolle".
Soweit zum "Internationalismus" der IV. Internationale während des Kriegs, der ganz im Gegensatz stand zu dem Schlachtruf der Bolschewiki während des I. Weltkriegs, und auf den die Komintern sich bei ihrer Gründung stützte: "Umwandlung des imperialistischen Kriegs in einen Bürgerkrieg".
Die ganze Geschichte der IV. Internationale seit 1945, mit all ihren Spaltungen und ihrem Auseinanderbrechen, beweist nur, daß die Teilnahme der Trotzkisten am 2. Weltkrieg deren endgültigen Übergang in das Lager der Bourgeoisie verdeutlichte. Um nur einige Beispiele zu zitieren, und die Liste ist sehr lang:
- "bedingungslose" Unterstützung der UdSSR und des Ostblocks; Verteidigung des "selbstverwalteten Sozialismus" in Titos Jugoslawien. So wurde die Verteidigung der kapitalistischen Ausbeutung in Rußland jetzt auf eine ganze Reihe von Regimes ausgeweitet, die alle als "entartete Arbeiterstaaten" bezeichnet wurden, in denen der Kapitalismus angeblich umgestürzt worden sei;
- Unterstützung der nationalen Bourgeoisie der "3. Welt" im Namen des "Kampfes gegen den Imperialismus". Normalerweise bedeutete dies die Unterstützung der "nationalen Befreiungsbewegungen", welche vom russischen Imperialismus bewaffnet wurden, aber es kann auch die Länder mit einbeziehen, die vom US-Imperialismus unterstützt werden, wie im Falle der Socialist Workers Party in GB, die den russischen Abzug aus Afghanistan begrüßte.
- direkte Teilnahme an bürgerlichen Regierungen wie im Falle der LSSP in Ceylon 1964, oder als 1962 einer der Führer der IV. Internationale, Michel Raptis, auch Pablo genannt, zu einem hohen Führungstier im algerischen Staat unter Ben Bella gemacht wurde.
All die internen Streitigkeiten unter den trotzkistischen Gruppen, all die Argumente über die Frage, wer der wirkliche Erbe von 1938 ist, sind nur eine Rauchwolke, hinter der die Tatsache verborgen werden soll, daß die Bewegung als Ganzes in den Dienst des Kapitals getreten ist.
Die Trotzkisten mögen ihre IV.Internationale feiern oder von einer besseren träumen. Diese "Internationale" war nie die Fortsetzung der I.,II. und III. Internationale. Ihre ganze Geschichte ist die der Verwerfung des Internationalismus und der Verbrüderung der Arbeiter.
Eine wirkliche Internationale, die in tatsächlicher Kontinuität zu den früheren Internationalen steht, wird nur aus der Bewegung der internationalen Arbeiterklasse selber hervorgehen. Und eine ihrer Vorbedingungen wird die politische Zerstörung der trotzkistischen Strömung sein, die seit mehr als einem halben Jahrhundert zu den gefährlichsten und heimtückischsten Verteidigern der kapitalistischen Gesellschaft gehört.
CH. (aus Revolution Internationale und World Revolution, Zeitungen der IKS in Frankreich und GB).