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Weltrevolution Nr. 159

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20 Jahre „Deutsche Einheit“ - Die Kosten der ‚Wiedervereinigung‘, Teil 2

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Bis heute hat sich noch jede Bundesregierung, die seit der Wiedervereinigung amtierte, geweigert, konkrete Angaben über die tatsächlichen Kosten der ‚Wiedervereinigung‘ zu machen. „Alle Bundesregierungen haben versucht, die Kosten der Vereinigung zu verschleiern, wohl um eine Neiddebatte zu verhindern“, schrieb bereits vor fünf Jahren der Leiter des Forschungsverbundes SED-Staat an der Freien Universität von Berlin, Klaus Schroeder, in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Es wäre wirklich eine noble Geste, wenn es den Herrschenden nur darum ginge, den Graben zwischen Ost und West, den sie selbst gegraben haben, nicht noch weiter zu vertiefen. Viel naheliegender ist jedoch das Motiv, mit der Verschleierung der Einheitskosten das ganze Ausmaß des Fiaskos der Wiedervereinigung auf ökonomischer Ebene zu verbergen.

Seriöse Untersuchungen schätzen, dass in den letzten 20 Jahren Transferleistungen in Höhe von 1,5 bis 2 Billionen Euro nach Ostdeutschland gepumpt wurden. Allein zwischen 1991 und 1994 betrug der Anteil dieser Leistungen am westdeutschen Bruttoinlandproduktes (BIP) vier Prozent jährlich. Ein gigantisches Konjunkturprogramm, dessen Dimensionen erst von Obamas Rettungsplan für die US-Wirtschaft nach der jüngsten Krise übertroffen wurde. Sichtbarste Zeichen dieses Programms sind sanierte Innenstädte, eine moderne Infrastruktur, gut ausgebaute Gewerbegebiete. Doch es sind Innenstädte ohne Leben, Infrastrukturen ohne Nutzer, Gewerbegebiete ohne Gewerbe. Es sind Potemkinsche Dörfer, die verbergen sollen, dass der „Aufschwung Ost“, wie dieses Konjunkturprogramm genannt wird, eine Schimäre ist, ein Hirngespinst der politischen Klasse Deutschlands, das an der Realität eines Kapitalismus zerschellt, der es nicht mit einer Unterkonsumtion zu tun hat, sondern mit einer permanenten und sich zuspitzenden Überproduktion. Dabei verhießen zunächst steigende Wachstumszahlen des ostdeutschen Bruttoinlandproduktes in der ersten Hälfte der 90er Jahre ein Aufschließen der ostdeutschen Wirtschaft an das westdeutsche Niveau auf absehbare Zeit.[1] Doch wer genauer hinschaute, musste feststellen, dass es nicht die Industrie, sondern das Bauhandwerk war, das den Löwenanteil zu diesem Wachstum beitrug.[2] Kaum waren die letzten Straßen erneuert und die Bevölkerung mit ‚adäquatem‘ Wohnraum versorgt, ging das ohnehin bescheidene Wachstum kontinuierlich zurück. So ist bis heute kein ‚selbsttragender‘ Aufschwung der ostdeutschen Wirtschaft in Sicht.

Es war eine geradezu groteske Illusion der deutschen Bourgeoisie zu glauben, dass die Einheitskosten allein durch ein als selbstverständlich vorausgesetztes ostdeutsches Wachstum und das damit einhergehende erhöhte Steueraufkommen sowie durch die Einsparung der Kosten der deutschen Teilung finanziert werden könnten. Diese Kalkulation erwies sich schnell als Milchmädchenrechnung; die einzige Größe, die beträchtliche Steigerungsraten aufwies, waren die galoppierenden Kosten der Einheit. Darüber konnte auch nicht das kurze Strohfeuer hinwegtäuschen, das den westdeutschen Banken, Industrien und Handelsgesellschaften in Folge der Währungsunion zu Rekordgewinnen verhalf und dafür sorgte, dass das westdeutsche Kapital vorerst von der Rezession verschont geblieben war, die seine internationalen Konkurrenten bereits erfasst hatte. Der sog. Einheitsboom wurde allein durch die künstliche Aufwertung der Kaufkraft der ostdeutschen Bevölkerung ermöglicht, als die DDR-Bevölkerung dank der Währungsunion in den Besitz von rund 115 Mrd. D-Mark kam. Bereits 1991 war jedoch klar, „daß die deutsche Volkswirtschaft nicht in der Lage war, die immensen Kosten des Aufbaus Ost aus dem inländischen Sparvolumen zu finanzieren.“[3]

Doch wie sollten diese Kosten dann finanziert werden? Die politische Klasse griff auf ein Potpourri von Finanzierungsmitteln zurück. Sie bediente sich diverser staatlicher Kapitalreserven und verkaufte ihr Tafelsilber, indem sie die Telekom und die Post privatisierte. Sie erhöhte die Mehrwert-, Mineralöl- sowie Tabaksteuern und belangte die Arbeiterklasse u.a. mittels der Einführung des sog. Solidaritätszuschlages. Sie strich Subventionen wie die sog. Berlinzulage und die Zonenrandförderung. Doch reichte all dies bei weitem nicht aus, um die nicht abreißenden Kosten für den „Aufbau Ost“ zu finanzieren. Die damals amtierende konservativ-liberale Regierungskoalition unter Bundeskanzler Kohl war gezwungen, ans Eingemachte zu gehen.

Zum einen plünderte sie die Sozialkassen aus. Allein zwischen 1991 und 1995 flossen 140 Milliarden Mark aus den Kassen der Arbeitslosen- und Rentenversicherung als Transferleistungen in den Osten; das waren 23 Prozent der Gesamtausgaben für den „Aufbau Ost“ in diesen Jahren! Die Folge: die sog. Sozialleistungsquote[4], die zwischen 1982 und 1990 von 30 auf 26,9 Prozent gesenkt werden konnte, stieg wieder an, diesmal auf 31,9 Prozent.[5]

Zum anderen trat die Kohl-Regierung die Flucht in die Schulden an. Sie lockte westdeutsche Privatanleger mit Steuervergünstigungen und Abschreibungsmodellen, aber vor allem bediente sie sich auf den internationalen Kapitalmärkten. Deutschland, noch in den 80er Jahren Kapitalexporteur, wurde zum Schuldnerland; 1991 schloss die Leistungsbilanz Deutschlands mit dem Ausland erstmals seit langer Zeit mit einem Defizit von 30 Mrd. D-Mark ab. Die öffentlichen Schulden explodierten förmlich: Von Ende 1989 bis Ende 1997 wuchsen die Staatsschulden um fast das Zweieinhalbfache, von 929 Mrd. auf 2.215 Mrd. D-Mark. Fast 50 Prozent der Neuverschuldung ging auf das Konto des Fonds „Deutsche Einheit“. „Der deutsche Staat ist auf allen Ebenen (Bund, Länderm Kommunen) an die Grenze seiner finanziellen Leistungsfähigkeit gestoßen.“[6]

All dies hatte erhebliche Folgen. 1993 erlebte Westdeutschland einen schweren wirtschaftlichen Einbruch. „Die Produktion des westdeutschen Wirtschaftsraumes sank um 1,8% unter das Niveau des Vorjahres. Das Exportvolumen ging im Vergleich zu 1992 sogar um 3,7% zurück. Dieser Abschwung verstärkte den Wettbewerb um die Auslastung von Produktionskapazitäten auf dem deutschen Binnenmarkt zusätzlich. Die unmittelbare Folge war, daß es ostdeutschen Unternehmen angesichts hoher westdeutscher Überkapazitäten noch schwerer fiel, sich beispielsweise in Branchen wie dem Maschinenbau oder der Chemie gegen die Konkurrenz aus den alten Bundesländern durchzusetzen bzw. neue Marktzugänge zu finden.“[7]

Spätestens ab jetzt ging das deutsche Kapital schweren Zeiten entgegen. Die Leitzinserhöhungen, die von der deutschen Bundesbank sukzessive vorgenommen wurden, um den infolge der Einheit entstandenen Kosten- und Preisauftrieb zu dämpfen, sorgten für eine Verteuerung der D-Mark auf den internationalen Märkten und erschwerten den Export deutscher Waren. Die immer drückendere Steuerlast schnürte gleichzeitig auch den Binnenmarkt ab; die ständigen Erhöhungen der Sozialabgaben bzw. die Schaffung neuer (Solidaritätsbeitrag, Pflegeversicherung), mit denen die Kohl-Regierung einen großen Teil der Einheitskosten finanzierte, bewirkten eine weitere Verteuerung der Bruttolöhne. Kurzum: es stand nichts Geringeres auf dem Spiel als die Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Kapitals. Besorgt schlagzeilte die internationale Presse: „Deutschland – der kranke Mann Europas!“ In allen wichtigen Parametern wies Deutschland die schlechtesten Zahlen innerhalb der EU auf: Es wies über Jahre die niedrigsten Wachstumsraten und die höchsten Arbeitslosenraten auf. Die sog. Staatsquote war unter allen EU-Ländern die höchste. Und ausgerechnet Deutschland, das am stärksten auf die Maastricht-Kriterien gedrängt hatte, überschritt in puncto Neuverschuldung in den 90er Jahren mehrmals die Drei-Prozent-Marke.

Die deutsche Bourgeoisie musste handeln, wollte sie gegenüber ihren Konkurrenten auf dem Weltmarkt nicht ins Hintertreffen geraten. Doch um die – in den Augen der Herrschenden - längst überfälligen Reformen endlich einzuleiten, bedurfte es einer anderen Regierungsmannschaft. Die christlich-liberale Koalition unter Kohl kam dafür nicht in Frage. Schließlich verbarg sich hinter der Chiffre „Reform des Sozialstaats“ nichts anderes als ein massiver Anschlag auf den Lebensstandard der Arbeiterklasse in Deutschland. Für solch ein Unterfangen hat die deutsche Bourgeoisie ein weitaus probateres Mittel zur Hand – die altbewährte Sozialdemokratie. Und Letztere sollte das Vertrauen der deutschen Bourgeoisie nicht enttäuschen. In ihren sieben Jahren schuf die Schröder-Regierung, eine Koalition aus SPD und Grüne, die Voraussetzungen für die Wende. Beschränkte sie sich in ihrer ersten Amtsperiode noch darauf, die Rahmenbedingungen für das deutsche Kapital durch massive Steuerentlastungen zu verbessern, holte sie nach ihrer Wiederwahl Ende 2002 zum großen Schlag gegen die Arbeiterklasse aus. Sie gab das bis dahin eherne Paritätsprinzip, das Kapital und Arbeit zu gleichen Teilen an der Finanzierung der Sozialversicherungskassen beteiligt hatte, zuungunsten der Arbeiterklasse auf. Sie sorgte mit der Einführung von Hartz IV für den Durchbruch bei den schon lange währenden Bemühungen des Kapitals in Deutschland, die Lohnkosten substanziell zu senken.[8] Und unter ihrer Ägide erlebte die Politik der sog. Flexibilisierung der Arbeit, d.h. ihre Prekarisierung (Leiharbeit, Zeitarbeit, Ich-AGs usw.), einen unerhörten Schub, so dass mittlerweile mehr als ein Viertel der Lohnabhängigen unter diesen Bedingungen existiert.

Für die deutsche Bourgeoisie bedeutete die „Agenda 2010“ die Wende auf der Talfahrt ihrer Ökonomie. Befeuert von den genannten Maßnahmen, erlangte die westdeutsche Wirtschaft schnell ihre Konkurrenzfähigkeit gegenüber dem Ausland wieder und erklomm bald darauf erneut die Spitze unter den führenden Exportnationen der Welt. Die Arbeitslosenzahlen gingen substanziell zurück, und auch der Staatshaushalt erholte sich allmählich wieder.[9] Für die Arbeiterklasse dagegen symbolisierte die „Agenda 2010“ das endgültige Ende des westdeutschen Wohlfahrtsstaates, wie er bis dato existiert hatte. Sie musste die Zeche der Wiedervereinigung nun zum zweiten Mal bezahlen, nachdem ihr bereits in den neunziger Jahren die Hauptlast der Wiedervereinigung aufgebürdet worden war – im Osten in Form der Massenarbeitslosigkeit, im Westen in Gestalt eines jahrelangen Lohnverzichts.

 



[1] „1994 erreichte das Wirtschaftswachstum in Ostdeutschland seinen bis dahin höchsten Wert. Eine reale Zunahme des BIP von 8,5% war zu verzeichnen.“ (Handbuch zur Deutschen Einheit, S. 853)

[2] „Während in Westdeutschland das Baugewerbe nur 5% zum BIP beisteuerte, war es in dieser Branche in Ostdeutschland dreimal soviel.“ (ebenda, S. 856)

[3] Ebenda, S. 852.

[4] Die Sozialleistungsquote entspricht dem Anteil des Sozialbudgets am Bruttoinlandsprodukts.

[5] Alle Zahlen aus: Gerhard A. Ritter, Der Preis der deutschen Einheit. Die Wiedervereinigung und die Krise des Sozialstaats, S. 127f.

[6] Flug, Treuhand-Poker, S. 861.

[7] Ebenda, S. 853.

[8] Indem Rot-Grün die Bezugsdauer der Arbeitslosenunterstützung von drei auf ein Jahr kürzte, die Arbeitslosenhilfe ersatzlos strich und so dafür sorgte, dass ArbeiterInnen bereits nach einem Jahr Arbeitslosigkeit in Hartz IV (eine bessere Sozialhilfe) abrutschten, erfüllte es einen langgehegten Wunsch des deutschen Kapitals – die Umwandlung der „stillen“ industriellen Reservearmee in eine Armee von jederzeit verfüg- und einsetzbaren Arbeitslosen. Denn erst Hartz IV schuf die „Anreize“, mit denen Arbeitslose dazu veranlasst werden konnten, auch für Niedrigstlöhne zu schuften, und übte darüber hinaus einen enormen Druck auch auf die Tariflöhne aus.

[9] Allerdings muss dabei eingeschränkt werden, dass die Kosten der Wiedervereinigung schon längst nicht mehr in den Haushaltsetats einfließen. Sie werden in einem Schattenhaushalt, dem „Fonds Deutsche Einheit“, budgetiert und üben nach wie vor einen erheblichen Druck auf den finanziellen Spielraum des deutschen Staates aus.

Aktuelles und Laufendes: 

  • Wiedervereinigung Deutschland [1]
  • Treuhand Wiedervereinigung [2]

Bankrotte Staaten: Der Widerstand beginnt sich zu regen

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Nachdem vor 18 Monaten die jüngste Zuspitzung der Weltwirtschaftskrise mit dem Bankrott der Lehman-Brothers Bank die Bevölkerung der Welt mit voller Wucht traf, reagierten die Lohnabhängigen aller Länder zunächst einmal erschrocken, eingeschüchtert, wie gelähmt. Inzwischen hat sich diese Krise weiter ausgebreitet und vertieft. Man beginnt zu ahnen, dass es sich um keine vorübergehende Erscheinung handelt. In diesem Kontext beginnt sich das soziale Klima zu wandeln.

Der Klassenkampf kommt langsam in Fahrt

In Algerien kam es im Januar zu bedeutsamen Protesten von Arbeitslosen in Annaba im Osten des Landes und von Wohnungslosen in mehreren Landesteilen. Trotz Medienblack-outs streikten auch Arbeiter in Oran, Mosaganem, Constantine und vor allem im Industriegürtel um die Hauptstadt Algier. Es beteiligten sich Beschäftigte aus Betrieben der Privatwirtschaft und des öffentlichen Dienstes.

In der Türkei wirkte der Kampf der Tekel-Beschäftigten (siehe mehr auf unserer Webseite und an anderer Stelle in dieser Zeitung) wie ein Leuchtfeuer. In dem Kampf schlossen sich türkische und kurdische Arbeiter zusammen. Es gab eine große Entschlossenheit, den Kampf auf andere Betriebe auszudehnen und die Führung des Kampfes in den eigenen Händen zu behalten und sie nicht an die Gewerkschaften abzugeben, die diesen nur sabotieren.

Bemerkenswert an diesem Kampf bei Tekel in der Türkei war aber auch die Stärke der Regung der internationalen Solidarität unter einer Minderheit der Beschäftigten in einer Reihe von europäischen Ländern. Insbesondere aus Deutschland und der Schweiz wissen wir von einer Reihe von Solidaritätsinitiativen. Während die herrschende Klasse immer wieder versucht, die Migration aus ärmeren Ländern in den Industriestaaten dazu auszunutzen, nicht nur um die Löhne zu drücken, sondern die Arbeiter der Herkunftsländer und der sog. Gastländer gegeneinander aufzuhetzen, wird hier der Spieß vom Proletariat umgedreht. Durch das Phänomen der weltweiten Migration entstehen Brücken der internationalen Arbeitersolidarität.

Selbst wenn die gewerkschaftliche Kontrolle noch stark ist, gab es auch wichtige Streiks und Protestkundgebungen in den Kernländern Europas. In Frankreich z.B. wurde im öffentlichen Dienst wie auch in der Privatindustrie mehrfach die Arbeit niedergelegt – im Erziehungswesen, im Gesundheitswesen, bei den Raffinerien, Fluglotsen, Ikea, Philips. Aber wir könnten allein für Europa eine Reihe anderer Arbeiterkämpfe der jüngsten Zeit auflisten, welche diesen Trend bestätigen. Etwa den der Hafenarbeiter in Finnland oder die Streiks in Serbien. Die Frage der Solidarität rückt immer mehr in den Vordergrund. Bei Tekel in der Türkei war dies eine zentrale Frage, aber auch bei den Arbeitern in Nordspanien in Vigo (siehe dazu Artikel in dieser Zeitung).

Griechenland gegenwärtig im Brennpunkt der gegensätzlichen Klasseninteressen

Die Augen der herrschenden Klasse starren gebannt auf Griechenland, nicht nur weil der Bankrott der Wirtschaft das aufzeigt, was auf die anderen Länder Europas zukommt, sondern auch weil sie weiß, dass die soziale Situation im Land ein wahres Pulverfass ist.

Im Dezember 2008 wurde das Land nach der Ermordung eines jungen Anarchisten einen Monat lang von sozialen Protesten erschüttert, an deren Spitze hauptsächlich jugendliche Arbeiter standen. Dieses Jahr drohen die Sparmaßnahmen, welche von der sozialistischen Regierung angekündigt wurden, eine Explosion nicht nur unter den Studenten und Arbeitslosen auszulösen, sondern auch unter den Beschäftigten. Deshalb ist den Herrschenden sehr daran gelegen, ein Beispiel vorzuweisen, wo Arbeiter Sparbeschlüsse im Interesse der Wirtschaft einfach schlucken. Aber dieses Szenario ist bislang in Griechenland nicht eingetreten. Schon vor der Ankündigung der Sparmaßnahmen seitens der Regierung war ein 24 stündiger Generalstreik geplant, sowie Arbeitsniederlegungen der Zöllner, wodurch der Export und die Importe getroffen werden sollten, sowie Aktionen von anderen Regierungsangestellten, Fischern usw. "Nur wenige Stunden nach der Ankündigung der Sparmaßnahmen griffen Beschäftigte von Olympic Airways die Bereitschaftspolizei an, die vor einem Gebäude der Finanzverwaltung stand. Sie besetzten dieses Gebäude. Danach wurde die Hauptgeschäftsstraße Athens Panepistimio stundenlang abgesperrt. Donnerstag Morgen besetzten Arbeiter im Rahmen einer Aktion der von der Kommunistischen Partei PAME kontrollierten Gewerkschaft das Finanzministerium am Syntagma Platz (das weiterhin besetzt ist), sowie ein kommunales Gebäude in Trikala. Später besetzte die PAME ebenso vier Fernsehstudios in Patras, das staatliche Fernsehen in Thessaloniki, und zwang die Journalisten, eine DVD gegen die Sparmaßnehmen zu spielen. Donnerstag Nachmittag wurde auf den Straßen Athens protestiert. Es beteiligten sich PAME und OLME, die Lehrergewerkschaft, die von ADEDY unterstützt wurde. Nach einem Aufruf versammelten sich innerhalb von 24 h über 10.000 Teilnehmer. Dabei kam es zu Zusammenstößen mit der Bereitschaftspolizei, die vor dem EU-Kommissionsgebäude postiert war. Gleichzeitig fanden in Thessaloniki und Lamia Protestzüge statt. Das Parteigebäude der PASOK wurde in Arta von wütenden Demonstranten zerstört" (leicht gekürzt aus dem blog von Taxikipali, der regelmäßig auf libcom.org: https://libcom.org/article/mass-strikes-greece-response-new-measures [3] schreibt.

Die Gewerkschaften haben sich radikalisiert, um die Lage im Griff zu behalten

Im Dezember 2008 entfaltete sich die Bewegung weitestgehend spontan und organisierte sich oft in Vollversammlungen in den besetzten Schulen und Universitäten. Die Zentrale des Gewerkschaftsverbandes, der der Kommunistischen Partei (KKE) nahesteht, wurde besetzt, wodurch ein klares Misstrauen gegenüber dem stalinistischen Gewerkschaftsapparat zum Vorschein trat, der die Jugendlichen oft als Lumpenproletarier und verwöhnte Bürgerkinder verunglimpft hatte.

Aber jetzt hat die KKE gezeigt, dass sie immer noch ein wichtiges Werkzeug in den Händen der Herrschenden ist, indem sie die Streiks, Demonstrationen und Besetzungen mit organisierte. Die Wut gegen die Sozialistische GSEE –Gewerkschaft ist groß, die als direkter Handlanger der PASOK-Bewegung angesehen wird. Panagopoulos, der Gewerkschaftsführer der GSEE, ein Dachverband von Gewerkschaften der Privatindustrie, wurde auf der Demo gewalttätig angegriffen und musste von der Präsidentenwache geschützt werden, aber bislang konnten die KKE und ihre Gewerkschaften sich als die Führer und Organisatoren der Bewegung darstellen. Für die Herrschenden in Griechenland besteht die Gefahr, wenn die Wut und die Ablehnung weiter zunehmen, werden die Arbeiter diese vorgetäuschte Radikalisierung durchschauen und den gewerkschaftlichen Rahmen zu durchbrechen versuchen. Dann könnten sie den Kampf in die eigenen Hände nehmen und damit wieder zu den Vollversammlungen vom Dezember 2008 zurückkehren.

Aber selbst im gegenwärtigen Stadium bereiten die Kämpfe in Griechenland der herrschenden Klasse insgesamt Sorgen. Ähnliche Maßnahmen in Spanien, die z.B. eine Verschiebung des Renteneintrittsalters um zwei Jahre vorsehen, verursachten eine Reihe von Demonstrationen in vielen Städten, während am 4. März (am gleichen Tag der Athener Demos) in Portugal ein 24 stündiger Streik des öffentlichen Dienstes stattfand.

Kurzum, das Gefühl der Angst und Passivität, das überall zu spüren war, als die Wirtschaftskrise 2008 ihre dramatische Wende nahm, weicht jetzt langsam der Empörung, nachdem Arbeiter offen fragen: warum sollten wir für die kapitalistische Krise zahlen?

Natürlich können und werden diese Regungen des Bewusstseins in ideologische Sackgassen geführt, insbesondere durch die weltweiten Versuche, überall die Banker oder die Neoliberalen als die 'Schuldigen' darzustellen. In Griechenland wird immer wieder die deutsche Bourgeoisie an den Pranger gestellt, weil sie die von PASOK geführte Regierung bisher nicht mit Kredithilfen unterstützt hat. Die deutschfeindlichen Gefühle, die noch aus der Nazi-Besatzung stammen, werden gegen die Bewegung ausgespielt.

Vater Staat enthüllt seine Fratze

Nunmehr ist eine Situation entstanden, wo neben den Entlassungen in den strauchelnden Betrieben der Staat immer mehr zum direkten Angriff gegen die Arbeiterklasse blasen muss, um die Kosten der Krise auf sie abzuwälzen. Der direkte Drahtzieher, der Verantwortliche dieser Angriffe, nämlich der Staat, ist in diesem Fall viel leichter erkennbar als bei Entlassungen. Dies begünstigt die Entfaltung des Klassenkampfes, das Streben nach einem Zusammenschluss und die Politisierung, denn der oberste Wächter der Interessen des Kapitals, der Staat, erscheint als entschlossenster Verteidiger der Kapitalisten gegen die Arbeiterklasse. Damit kommen immer mehr Faktoren zusammen, die zu einer Bewegung mit massiven Kämpfen führen können. Der auslösende Moment wird sicherlich die Anhäufung der Unzufriedenheit, die angestaute Wut und Empörung sein. Je mehr die Herrschenden versuchen, ihre Sparpakete umzusetzen, desto mehr werden die Betroffenen gezwungen sein in den Kampf zu treten und so Erfahrungen zu sammeln. Es lässt sich nicht vorhersagen, wie und wo es zu einer Zuspitzung von Kämpfen kommen wird, da der Auslöser irgendein Anlass sein kann, der das Fass zum Überlaufen bringt.

Die Perspektive von massiveren Kämpfen

Der Zusammenbruch des Stalinismus und vor allem die Art und Weise, wie die Herrschenden dies ideologisch ausgeschlachtet haben, haben Spuren in der Arbeiterklasse hinterlassen, die auch heute noch zu erkennen sind. Die Kampagne "Der Kommunismus kann nicht funktionieren, seht doch, die Bevölkerung hat für den Kapitalismus gestimmt" hat eine abschreckende Wirkung gehabt und von der Suche nach einer Alternative zum Kapitalismus abgehalten. Insofern ist die Lage heute eine andere als Ende der 1960er Jahre. Damals hatten die massiven Kämpfe, insbesondere der große Generalstreik im Mai 1968 in Frankreich und der Heiße Herbst 1969 in Italien aufgezeigt, dass die Arbeiterklasse in der Gesellschaft eine wichtige Rolle spielt. Zu glauben, dass die Arbeiterklasse eines Tages den Kapitalismus überwinden könnte, erschien damals nicht als ein süßer Traum – im Gegensatz zu heute. Die Schwierigkeiten der Arbeiterklasse seit den 1990er Jahren in den Kampf zu treten, ist u.a. auf ein mangelndes Selbstvertrauen zurückzuführen, welches durch das Wiedererstarken der Kämpfe nach 2003 noch nicht überwunden ist. Aber erst wenn sich massive Kämpfe entwickeln, kann auch das notwendige Selbstvertrauen wieder entstehen, das für die Reifung einer Perspektive unerlässlich ist. 17.3.10

Aktuelles und Laufendes: 

  • Staatsbankrott [4]
  • Vollversammlungen [5]
  • Arbeiterkampf Griechenland [6]
  • Algerien [7]
  • Portugal [8]
  • Türkei [9]
  • Krise Griechenland [10]

Die einzigen Optionen… Rüstung und Handelskrieg

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Während die Regierungen in allen Ländern der Welt der Arbeiterklasse Sparpakete in einem noch nie da gewesenen Ausmaß aufhalsen wollen, um so die Kosten der Krise auf die Arbeiter abzuwälzen, zögern sie nicht, für ihre imperialistischen Ambitionen ungeheure Summen aufzubringen. So war der deutsche Imperialismus einer der Hauptdrahtzieher des seit langem geplanten Militärtransporters A400M. Bislang muss z.B. das deutsche Militär für den Transport von Material und Soldaten nach Afghanistan auf russische & ukrainische Transportflugzeuge des Typs Antonov oder auf US-Maschinen zurückgreifen. Dieser Zustand der Abhängigkeit im Transportbereich ist nicht nur für das deutsche Militär, sondern für alle europäischen Staaten unhaltbar. Nun, mehr als 20 Jahre nach 1989, steht endlich ein europäisches Transportflugzeug zur Verfügung, das aber erst ab 2014 ausgeliefert werden kann. Airbus hatte sich 2003 verpflichtet, 180 Maschinen zu einem Festpreis von 20 Milliarden Euro auszuliefern. Deutschland hatte 60 Maschinen bestellt. Immer wieder aber waren weitere Kosten hinzugekommen. Die zu deckenden Mehrkosten von 5.2 Mrd. Euro werden jetzt unter die sieben Käuferstaaten aufgeteilt. Wo soll von den beteiligten Staaten das Geld hergeholt werden? Während die Regierungen auf allen Ebenen sparen, durfte dieses wichtige Projekt nicht der Sparpolitik zum Opfer fallen, im Gegenteil. Denn für die weitere Handlungsfähigkeit auf der imperialistischen Bühne ist solch ein Flugzeug unerlässlich. Für die Machthaber gibt es Bereiche, von denen sie nicht abrücken wollen! Auch diese Kosten muss die Arbeiterklasse tragen. Wenn es um den Widerstand gegen Spardiktate seitens der Regierungen geht, dürfen wir nicht vergessen, dass jeden Cent, den sie von uns erpressen, von ihnen wiederum für die Rüstung oder andere Projekte verbraten wird.

Handelskrieg an allen Fronten

Friedensnobelpreisträger Obama, der den durch den Krieg unpopulär gewordenen G.W. Bush abgelöst hat, zeichnet sich bislang durch eine große Entschlossenheit aus, die amerikanischen Rüstungspläne nicht nur uneingeschränkt weiter zu finanzieren, sondern er wirkt auch als treibende Kraft im Handelskrieg. Das jüngste Beispiel der Anschaffung von Tankflugzeugen für die US-Luftwaffe belegt dies. „Die US-Luftwaffe muss insgesamt 534 Tank- und Frachtflugzeuge ersetzen. Das verspricht langfristig ein Geschäft von 100 Milliarden Dollar. Die US-Rüstungsfirma Northrop Grumman (NGC) und der europäische Flugzeugbauer EADS hatten den Tankerauftrag 2008 bereits gewonnen, auf Protest von Boeing aber wieder aberkannt bekommen [11]. Der Rechnungshof des Kongresses erklärte das Vergabeverfahren für fehlerhaft und empfahl dem Pentagon die Neuausschreibung. Der Airbus-Konzern EADS war damit beim Jahrhundertgeschäft mit der US-Luftwaffe für 179 Tankflugzeuge im Wert von 35 Milliarden Dollar aus dem Rennen. Der US-Partner Northrop Grumman (NGC) zog das gemeinsame Angebot zurück. Er begründete die Entscheidung mit unfairen Wettbewerbsbedingungen. Die Ausschreibung sei voll auf den Konkurrenten Boeing zugeschnitten worden. US-Verteidigungsminister Robert Gates hatte 2009 erklärt, er könne auch nur mit einem Boeing-Angebot leben.“ (Spiegelonline, 5.3.2010)

Anfang März erklärte Obama, die USA wollen ihre Exporte in den nächsten fünf Jahren verdoppeln. Obama verkündete, „jede verfügbare Ressource für diese Mission zugänglich zu machen“. Weil zur Zeit fast alle Länder auf den Export zur Überwindung der Wirtschaftskrise setzen, die USA ihre Exporte bei einer Verdoppelung innerhalb der nächsten fünf Jahre damit jedes Jahr um 20% steigern müssten, China und Europa ähnliche Anstrengungen unternehmen, ist hier der große Handelskrieg programmiert. „Die französische Finanzministerin Lagarde drängt die Bundesrepublik, auf einen Teil ihres Ausfuhr-Überschusses zu verzichten - die deutsche Exportmacht schade den schwächeren Staaten. In der Bundesregierung rüstet man schon zum Verteilungskampf.“ (Spiegelonline, 15.3.2010). Denn zu einer Zeit, wo überall die Kaufkraft der Arbeiter drastisch reduziert wird, damit ein Nachfragerückgang vorprogrammiert ist, bleibt das Rätsel ungelöst, wer all die Waren kaufen soll? Einer der angestrebten Märkte ist jedenfalls der Rüstungsmarkt. Deutschland hat mittlerweile "seine Rüstungsexporte in den vergangenen fünf Jahren verdoppelt, der deutsche Weltmarktanteil stieg auf elf Prozent für den Zeitraum zwischen 2005 und 2009. Noch mehr exportierten nur die USA mit 30 Prozent und Russland mit 23 Prozent. (Welt-online., 15.3.10). 15.3.10

 

Aktuelles und Laufendes: 

  • Überproduktion [12]
  • Handelskrieg [13]
  • Rüstungsexporte [14]
  • Militärtransporter [15]
  • Tankflugzeuge [16]
  • Airbus [17]
  • Boeing [18]

Eindrücke von den diesjährigen Anarchietagen in Winterthur / Schweiz

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„Herzlich Willkommen!

Bereits zum sechsten Mal lädt die Libertäre Aktion Winterthur [19] - deine Ansprechpartnerin für anarchistische Theorie und Praxis - zu den lang begehrten Anarchietagen. Am Wochenende vom 12. bis 14. Februar erwartet dich ein Wellnessprogramm für Geist und Seele - begleitet von kulinarischen Feuerwerken und abgerundet von einem musikalischen Abendprogramm werden auch dieses Jahr eine handvoll hochwertiger Vorträge für Höhepunkte im politischen Jahreskalender Winterthurs sorgen. Präsentiert werden dir nichts weniger als die interessantesten Entwicklungen im internationalen Klassenkampf.“

Mit diesen einleitenden Worten rief die LAW dieses Jahr zu den Anarchietagen in Winterthur auf. Wir möchten hier ein paar Eindrücke von der Veranstaltung vermitteln, die aber schon allein deshalb sehr subjektiv und unvollständig sind, weil wir nicht am ganzen Programm teilnehmen konnten.

Im Unterschied zu früheren Jahren dauerten die Anarchietage nicht mehr einen ganze Woche, sondern nur noch von Freitagabend bis Sonntag. Diese Konzentration hat offenbar damit zu tun, dass es immer mehr Teilnehmerinnen und Teilnehmer gibt, die von weit her anreisen. Während früher diese Veranstaltung ein lokales Ereignis war, von dem man zwar auch im benachbarten Zürich je nachdem interessiert Notiz nahm, ist sie mittlerweile weit über die Kantons- und Landesgrenzen hinaus ein Anziehungspunkt für Leute, die an einer ernsthaften Diskussion über die Möglichkeiten und Wege einer revolutionären Überwindung dieser Gesellschaft interessiert sind. So gab es nun mehrere Vorträge und Diskussionen am gleichen Tag mit dem Resultat, dass im Allgemeinen die Debatten mit wesentlich mehr Publikum stattfanden (80-100 Leute).

Auch die Themen haben sich gewandelt. An den 2. Anarchietagen 2006 waren beispielsweise typische Themen der abendlichen Veranstaltungen „Gewaltfreier Anarchismus, Geschichte und Gegenwart weltweit, Vortrag, Diskussion und Film“ oder „Naturismus, Eine Welt ohne Kleider, Vortrag, Diskussion“. Zu den Veranstaltungen 2010 sagte ein Genosse von LAW am alternativen Lokalradio Lora in Zürich: „Die diesjährigen Anarchietage stehen eigentlich im Zeichen der Wirtschaftskrise und der Krise des Kapitals und der Arbeitskämpfe dazu.“ Es gab jetzt beispielsweise folgende Referate und Diskussionen:

- Zum Konzept der gesellschaftlichen Veränderung im (Anarcho-)Syndikalismus; Holger Marcks, Referat und Diskussion

- Die revolutionäre Selbstaufhebung des Proletariats; Unabhängige Rätekommunisten, Referat und Diskussion

- Arbeiterwiderstand gegen die Pläne des Kapitals; Rainer Thomann, Referat und Diskussion

Stellvertreterpolitik oder Selbsttätigkeit des Proletariats?

Unter dem Titel „Die revolutionäre Selbstaufhebung des Proletariats“ stellte ein Genosse der Unabhängigen Rätekommunisten (aus Deutschland) die wichtigsten programmatischen Punkte seiner Gruppe vor: Wir Arbeiter und Arbeiterinnen der ganzen Welt können die Revolution niemand anderem überlassen, wir müssen unsere Aufhebung als Proletarier und Proletarierinnen selbst in die Hand nehmen - ohne den bürgerlichen Staat und seine Apparate, ohne Parlament, Gewerkschaften, linke Parteien und Berufspolitiker, ohne selbsternannte Stellvertreter, stattdessen mit selbstbestimmten Kämpfen, z.B. Streiks, mit selbst geschaffenen Organisationen, z.B. Arbeiterräten. Die Unabhängigen Rätekommunisten halten die Parteiform als solche für bürgerlich, ohne aber - wenn wir dies richtig verstanden haben - abzulehnen, dass sich Revolutionäre in einer besonderen Organisation zusammenschliessen.

Im Anschluss an das Referat wurden sehr grundsätzliche Fragen diskutiert:

- Wer ist die Arbeiterklasse?

- Wird die Revolution gewaltsam sein?

- Was hat die Arbeiterklasse mit Demokratie und Menschenrechten zu tun?

Einer der Teilnehmer meinte zwar, die Frage, wer zu Arbeiterklasse gehöre, sei ziemlich abstrakt und theoretisch. Aber es gab doch ein Bedürfnis in der Versammlung festzustellen, dass z.B. Arbeitslose ebenso zum Proletariat gehören wie die meisten Rentner, Studierenden und Hausfrauen. Bei denjenigen, die sich zu Wort meldeten, schien darüber auch Einigkeit zu herrschen: Die Arbeiterklasse bildet mindestens in den industrialisierten Ländern - und dazu gehören natürlich auch China oder Brasilien - die grosse Mehrheit der Bevölkerung. Wir sind viele, auch wenn sich die meisten heute nicht damit identifizieren, Proletarier und Proletarierinnen zu sein.

Die Gewaltfrage ist auch ein ständiges Thema an solchen Diskussionen, wie die vorher aus dem Jahre 2006 zitierte Veranstaltung über gewaltfreien Anarchismus zeigt. Man könnte sich vorstellen, dass diese Frage sehr unterschiedlich beantwortet wird. Und doch gab es an der diesjährigen Diskussion aus unserer Sicht eine klare Tendenz - nämlich dahin, dass die revolutionäre Umgestaltung der Gesellschaft das bewusste Zusammenwirken aller daran Interessierten (eben der grossen Mehrheit der Bevölkerung = Proletariat) braucht und dass das erforderliche Bewusstsein nicht durch Gewalt, sondern durch Diskussion und solidarisches Handeln geschaffen wird. Die herrschende Klasse wird zwar ihre Macht nicht freiwillig aufgeben; ihr gegenüber wird es beim revolutionären Umsturz notwendigerweise zu Gewaltausübung kommen, auch wenn erfahrungsgemäss eine Situation des Massenstreiks - entgegen einem wohl verbreiteten Vorurteil - gerade nicht durch Chaos und Gewalt geprägt ist; Historiker aller Couleur sind sich darüber einig, dass es im Kapitalismus nie so wenige Verbrechen gab wie während der jeweils kurzlebigen Zeit einer Räteordnung (1905 Russland, 1917-19 Russland, Deutschland, Ungarn). Aber Gewalt innerhalb der Arbeiterklasse und gegenüber anderen Unterdrückten, die selber niemanden ausbeuten, sollte abgelehnt werden. Alle, die mindestens potentiell das gleiche Interesse an einer herrschaftsfreien Gesellschaft haben, müssen mit Überzeugung gewonnen werden, nicht mit der Pistole auf der Brust. Die gewaltsame Niederschlagung des Kronstädter Aufstands 1921 durch die Bolschewiki war ein tragischer Fehler; auf beiden Seiten wurde im Namen der Arbeiterklasse gefochten, solche Widersprüche können nicht mit Gewalt gelöst werden.

Und trotzdem - oder gerade deshalb - gab es in der Diskussion grosse Vorbehalte gegenüber einer proletarischen Verteidigung von Demokratie und Menschenrechten. Die Menschenrechte sind eine Errungenschaft der aufgeklärten Bourgeoisie aus dem Zeitalter ihrer Revolutionen im 17. und 18. Jahrhundert. Sie beruhen auf dem Individuum und geben vor, jedes habe die gleichen Rechte, wobei von der Ungleichheit zwischen Arm und Reich abstrahiert wird. „Die Demokratie ist die Verschmelzung von sozialer Ungleichheit mit rechtlicher Gleichheit. (…) Die gleichen demokratischen Rechte bedeuten für Wirtschaftsbosse und die politische Klasse die soziale Herrschaft und für uns ArbeiterInnen und Arbeitslose weitgehend Ohnmacht. Für uns sind die demokratischen Rechte kaum mehr als Narrenfreiheiten.“ (aus einem aktuellen Flugblatt der Unabhängigen Rätekommunisten mit dem Titel: „Nicht nur gegen Nazis … - Kein Bock auf Nazis und Demokratie!“)

In der Diskussion am nächsten Tag zum Referat „Arbeiterwiderstand gegen die Pläne des Kapitals“ wurde anhand der Fabrikbesetzungen bei Continental in Clairoix/Frankreich[1] und INNSE in Mailand/Italien[2] im Jahre 2009 unter anderem über folgende Fragen debattiert:

- Wie kann ein Arbeitskampf erfolgreich geführt werden? Wie durchbricht man die Isolation? Wie können wir einen Kampf auf andere Teile der Arbeiterklasse ausdehnen?

- Warum ist der Kampf bei der INNSE gar nicht und derjenige bei Continental nur innerhalb des Unternehmens ausgedehnt worden? Hat dies etwas damit zu tun, dass man sich doch auf Gewerkschaftsstrukturen verliess, wenn auch nicht die offiziellen Zentralen?

- Soll man mit spektakulären Aktionen die bürgerlichen Medien mobilisieren? Soll man gegenüber den Medien drohen, sich das Leben zu nehmen, auch wenn man es gar nicht ernst meint?

An dieser Diskussion nahmen nicht mehr viele Leute teil, wahrscheinlich auch deshalb, weil das Referat lange dauerte und die Diskussion nach einer ebenfalls längeren Pause in einem anderen Raum stattfand. Auch der Dialog unter den Teilnehmenden war schwierig. Es schien, als prallten hier entgegen der gemeinsamen Einsichten vom Vortag über den Charakter der Gewerkschaften zwei grundverschiedene Visionen gegeneinander: einerseits die (auch von gewerkschaftlicher Seite) vertretene Sichtweise, nach der Aktivisten einen möglichst spektakulären, medienwirksamen Kampf notfalls allein und gegen den Rest der Welt organisieren sollen, andererseits das Anliegen, dass die kämpfenden Arbeiter die Solidarität von anderen Arbeitern suchen und die Ausweitung des Kampfes in die eigene Hand nehmen und selber organisieren.

Welche Bilanz?

Die gerade erwähnte Meinungsverschiedenheit zeigt, dass auch im Lager derjenigen, die sich als Anarchisten bezeichnen oder damit sympathisieren, keineswegs einheitliche Positionen vertreten werden. Unseres Erachtens kann man eine gute Bilanz aus den Diskussionen der Anarchietage ziehen, und zwar auf verschiedenen Ebenen:

1) Die Diskussionen waren (soweit wir es mitbekommen haben) geprägt vom Willen, sich gegenseitig zuzuhören und gemeinsam nach einer Klärung der offenen Fragen zu suchen. Die Debattenkultur war ein gemeinsames Anliegen.

2) Die Debatten waren weiter im Allgemeinen geprägt von einem internationalistischen Bewusstsein. Es gab zwar zweifellos auch Leute, die nach wie vor am Konzept der nationalen Befreiung festhalten oder das Chavez-Regime politisch unterstützen, also nationalstaatliche, bürgerliche Sichtweisen verteidigten. Aber solche Positionen lenkten nicht ab vom vorherrschenden Bemühen, auf einer internationalistischen Grundlage gemeinsam Fragen zu klären, unabhängig davon, ob man/frau sich als AnarchistIn oder KommunistIn versteht.

3) Wie der Genosse von LAW gegenüber dem Radio Lora ankündigt hatte, standen bei den diesjährigen Anarchietagen die Krise des Kapitals und der Klassenkampf des Proletariats im Zentrum der Veranstaltungen. Man spürte an den diesjährigen Anarchietagen, dass das Proletariat und sein Kampf konkretere Anliegen geworden sind. Niemand macht sich Illusionen darüber: Die Kämpfe unserer Klasse sind gegenwärtig noch sehr zögerlich, zu schwach, um schon heute am Kräfteverhältnis zur herrschenden Klasse unmittelbar etwas verändern zu können. Wir Revolutionäre sind aber Teil eines vor unseren Augen sich abspielenden Prozesses. So real die Arbeiterklasse mit ihren (noch schwachen) Kämpfen ist, so real sind wir Teil derselben Klasse und können Ferment im vor sich gehenden Gerinnungsprozess sein.

Kurz: Für uns waren die Anarchietage ein Ort der Debatte und der Klärung proletarischer Positionen für Leute, die für eine klassenlose, herrschaftsfreie Gesellschaft kämpfen wollen.

Lobo, 14.03.10



[1] Vgl. dazu unsere Artikel in Révolution Internationale und auf der französischsprachigen Webseite, z.B. RI Nr. 405, Oktober 2009: « Répression des ouvriers de Clairoix, Une tentative d’intimidation de toute la classe ouvrière »

[2] Vgl. dazu unsere Artikel in Rivoluzione internazionale und auf der italienischsprachigen Webseite, z.B. Nr. 162, Oktober/November 2009: „Solo una lotta unita e solidale può farci resistere agli attachi“

Aktuelles und Laufendes: 

  • Anarchietage Winterthur [20]
  • Anarchismus Internationalismus [21]
  • Anarchisten Debatten [22]

Politische Strömungen und Verweise: 

  • Internationalistischer Anarchismus [23]

Filmbesprechung: „Up in the Air“ – Leben auf der Überholspur?

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Der amerikanische Film „Up in the Air“ läuft aktuell in den Kinos und begeistert das Publikum. Der Film setzt sich mit den menschlichen Folgen der Arbeitslosigkeit und der (Welt)wirtschaftskrise auseinander. Wie passt das zusammen?

Im Zentrum des Geschehens steht Ryan Bingham. Er ist fast immer auf Reisen. Firmen buchen ihn, damit er deren Angestellte und Arbeiter feuert. Um diesen Job erfüllen zu können, reist Bingham 322 Tage im Jahr kreuz und quer durch die USA. Die schlechte Nachricht für ihn: Das bedeutet „43 grässliche Tage zu Hause“. Bingham ist ein Mann ohne Ecken und Kanten – aalglatt. Er hat sich den kapitalistischen Mythos einer makellos funktionierenden Maschine zum Lebensprinzip erkoren. Zufriedene Momente erlebt er, wenn seine zahllosen Flüge und „Firmenbesuche“ wie am Schnürchen laufen. Die Blitzmontagen der Kamera verstärken diesen Eindruck bewusst – er funktioniert wie ein geöltes Getriebe: reibungslos. Bingham hat den perfekten Reisekoffer, den man als Handgepäck mitnehmen kann; er hat alle Vielfliegerprogramme, so dass er nie in einer Schlange am Counter warten muss; er muss nur seine Karte durchziehen und schon begrüßt ihn eine „freundliche“ Computerstimme.

Bingham geht sogar noch einen Schritt weiter. Er macht aus dieser Lebensart eine Lebensanschauung. Er hält vor Mitarbeitern und Managern „Rucksackvorträge“. Sein Motto: Alles, was man zum Leben wirklich braucht, passt in einen kleinen Rucksack. Der Rucksack ist ein zentrales Symbol des Films. Schließlich schmeißt Bingham nicht nur vertraute Wohngegenstände oder Erinnerungsstücke aus dem Rucksack raus, sondern gar jegliche soziale Bindungen wie Familie, Freunde und Kollegen. All diese „Gegenstände“ müsse man hinter sich lassen, da man sonst zu viel „Ballast“ mit sich herumtrage. Dies verdeutlicht, wie im Kapitalismus „freie“ Arbeiter gezwungen sind, kreuz und quer durch die Welt zu wandern, auf der Suche nach einer Gelegenheit, ihre Arbeitskraft zu verkaufen.

Bingham hat sich „frei“ gemacht; er lebt frei von jeglicher engerer emotionaler Bindung zu anderen Menschen. Menschen sind für ihn Dienstleistungsanbieter, einschließlich seiner selbst. Gerade deshalb ist er in seinem Beruf auch so erfolgreich. Schließlich lebt er davon, Menschen zu feuern und ihnen dadurch ihre Lebensgrundlage zu entreißen. Wie immer feuert er diese verzweifelten Menschen unglaublich freundlich und erzählt ihnen, welche ungeahnten Möglichkeiten ein solcher Rauswurf doch für die Zukunft bedeuten könnte. Die Betroffenen reagieren unterschiedlich, aber alle sind verzweifelt, können nicht begreifen, warum ihre jahrelange gute Arbeit nicht gewürdigt wird, fragen, ob sie denn etwas falsch gemacht hätten, was sie nun ihren Familien sagen sollten, und auch der Bank, die auf die nächsten Ratenzahlungen warte.

Diese Szenen gehören zu den stärksten des Films. Ein Grund könnte nicht zuletzt darin bestehen, dass der Regisseur Reitman mit Laiendarstellern gearbeitet hat. Diese Laiendarsteller haben 2007-2008 tatsächlich ihren Job im Taumel der Krise verloren. Hinter den anonymen Zahlen der Entlassungswellen weltweit, die man tagtäglich in den Nachrichten vernimmt, stehen ganze Menschen und ihre Familien. In diesen Szenen leidet man besonders mit, denn wir wissen: Diese Gesichter sind unsere Gesichter. Es geht nicht darum, ob man am Arbeitsplatz etwas falsch gemacht hat. Wie hilflos wir Arbeiter und Angestellte als Einzelne angesichts der sich rapide verschärfenden Überproduktionskrise sind, zeigt „Up in the Air“ mehr als deutlich. Bingham versucht all diesen Verzweifelten zu sagen, sie sollen das Beste aus der Situation machen. Leider schließt dies für manche auch den Selbstmord mit ein.

Wie kann Bingham einen solchen Beruf nur durchstehen? Seine junge, neue Kollegin Natalie Keener, die zunächst härter und unmenschlicher wirkt (ihre kostensenkende Idee für die Firma, in der Bingham arbeitet, lautet, Kündigungen per Internet durchzuführen), kündigt nach nur einem Monat. Was unterscheidet Keener von Bingham? Keener hat noch soziale Bindungen, leidet unter der Trennung von ihrem Verlobten, wünscht sich eine liebende Familie. Aufgrund dieser sozialen Gefühle ist ihr eines noch nicht abhanden gekommen: ihr Gewissen. Für sie werden diese Kündigungsgespräche immer unerträglicher.

Und nun begreift man nach und nach, dass Bingham vermutlich „gezwungen“ war, alle seine Beziehungen zu seiner Familie zu kappen, damit er seine soziale und emotionale Seite und sein Gewissen ganz tief begraben kann. Er kann seinen Job nur dann durchhalten, wenn er rein rational an die Entlassungen herangeht. Kosten-Nutzen-Rechnung geht nicht auf, also raus mit den Kostenverursachern. Natürlich nett verpackt. Bingham ist der entfremdete Mensch im Kapitalismus in Reinkultur. Aber er ist eben auch ein Mensch. Was zunächst als harmlose Affäre mit seinem weiblichen Gegenstück Alex Goran beginnt, wird für Bingham eine echte Beziehung. Er verspürt erstmals Nähe, Zugehörigkeitsgefühle, Vertrauen und Glück – aber dadurch bekommt seine Lebensart erste Risse. Er nimmt Kontakt zu seiner Familie auf und reist spontan zu Alex (um festzustellen, dass sie eine Familie hat). Er hat seine menschlichen Seiten zugelassen. Dies hat ihn verletzlich, aber auch glücklich gemacht.

Das Ende des Films bleibt offen. Bingham steht am Flughafen und schaut hinauf auf die Anzeigetafel. Reist er wieder zum nächsten Entlassungstermin, oder hat er ein Stück weit ausbrechen können aus dem Hamsterrad der völligen Entfremdung?

2.3.2010 t.t.

Aktuelles und Laufendes: 

  • Up in the Air [24]

Leute: 

  • Bingham [25]

Selbstmord und Leiden am Arbeitsplatz

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Wir veröffentlichen nachfolgend das Einleitungsreferat, das wir in Frankreich bei Diskussionsveranstaltungen zum Thema Selbstmord am Arbeitsplatz und Arbeitsstress gehalten haben, nachdem in Frankreich z.B.bei France Télécom mehrere Beschäftigte Selbstmord am Arbeitsplatz begingen.

 

 

Das Auftauchen des Phänomens

Selbstmord am Arbeitsplatz ist kein ganz neues Phänomen, denn unter Bauern ist dieser schon seit längerem weit verbreitet. Der tiefere Grund ist, dass in diesem Bereich der private Lebensraum und der Arbeitsplatz im Allgemeinen miteinander verwoben sind. Die Wohnung des Bauern und der Hof, den er bewirtschaftet, befinden sich meist am gleichen Ort.

Das neue, seit Beginn der 1990er Jahre beobachtete Element ist, dass es zu mehr Selbstmorden am Arbeitsplatz in anderen Berufssparten, der Industrie und im Dienstleistungsgewerbe gekommen ist. Wenn sich jemand bei sich zu Hause oder an einem anderen Ort als am Arbeitsplatz umbringt, ist es nicht leicht zu beweisen, dass die Hauptursache der Geste in dem Leiden liegt, welches die Arbeit verursacht. Denn die Beschäftigten, die unter den Arbeitsbedingungen leiden, bringen sich nicht alle um, und diejenigen, die solch eine Tat begehen, sind meist ohnehin zerbrechliche Menschen. Darauf berufen sich die Unternehmen, um sich reinzuwaschen, wenn die Angehörigen versuchen, den Selbstmord eines Beschäftigten auf die Arbeitsbedingungen zurückzuführen. Wenn der Selbstmord aber am Arbeitsplatz selbst stattfindet, sind die Ausreden der Arbeitgeber schwieriger. Selbstmord am Arbeitsplatz muss man also als eine klare Botschaft der Person verstehen: „Nicht aufgrund des Bruch einer Liebesbeziehung, einer Scheidung oder eines ‚depressiven Wesens’ bringe ich mich um, sondern der Arbeitgeber oder das von ihm verkörperte System sind für meinen Tod verantwortlich.“

Die Zunahme von Selbstmorden am Arbeitsplatz aufgrund der Arbeitsbedingungen bringt somit ein viel breiteres Phänomen zum Ausdruck, von dem dies nur die Spitze des Eisberges ist: das immer größere Leiden, das durch die Arbeitsbedingungen hervorgerufen wird.

Das durch Arbeit verursachte Leiden ist auch wiederum kein neues Phänomen: Berufskrankheiten gibt es seit langem; vor allem seit der industriellen Revolution, welche die Arbeit für die meisten Lohnabhängigen zu einer wahren Hölle hat werden lassen. Kinderarbeit, 15 Stunden pro Tag, in großer Hitze und bei unausstehlichem Staub in einem Bergwerk oder einer Textilfabrik mit dem Lärm Hunderter Webstühle – all das war nie ein Vergnügen. Schon von Anfang des 19. Jahrhunderts an haben sozialistische Schriftsteller die Arbeitsbedingungen der Ausgebeuteten angeprangert. Gleichzeitig Trotzdem gehörte der Selbstmord vom 19. Jahrhundert bis zum Ende des 20. Jahrhunderts nicht zu den Reaktionen der Ausgebeuteten gegenüber dem durch die Arbeitsbedingungen verursachten Leiden.

Tatsächlich ist ein Selbstmord mehr auf ein psychisches als auf ein physisches Leiden zurückzuführen. Aber psychisches Leiden ist auch kein neues Phänomen. Die Chefs erniedrigen und drangsalieren ihre Beschäftigten seit jeher. Aber in der Vergangenheit führte dieses Leiden der Ausgebeuteten, von Ausnahmen abgesehen, nicht zum Selbstmord.

Die Zunahme des psychischen Leidens der Beschäftigten wurde Ende der 1970er, Anfang der 1980er Jahre von den Arbeitsmedizinern festgestellt, insbesondere anhand der Zunahme von Skelett-Muskel-Erkrankungen (Bewegungsapparat, Gelenke usw.), die nicht im direkten Zusammenhang mit den physischen Arbeitsbedingungen standen, sondern auf psychosomatische Störungen zurückzuführen waren, d.h. physische Symptome eines moralischen Leidens am Arbeitsplatz.

Die spektakuläre Zunahme der Selbstmorde aufgrund des Leidens unter den Arbeitsbedingungen erscheint dann als zweite Etappe dieses Leidens, eine Art Zuspitzung des Phänomens.

Wie schätzen Spezialisten das Phänomen ein?

Selbstmord ist schon vor langer Zeit untersucht worden, insbesondere von dem Soziologen Emil Durkheim am Ende des 19. Jahrhunderts. Damals schon hatte Durkheim nicht einfach auf die Ursachen des Selbstmords beim Einzelnen hingewiesen, sondern die sozialen Ursachen aufgezeigt. «Wenn ein Einzelner durch die Umstände zu Fall gebracht wird und Selbstmord begeht, spiegelt das die Zustände einer Gesellschaft wider, wo jemand zum Opfer der Verhältnisse wird.»

Ebenso gibt es schon seit langem Untersuchungen, auch Untersuchungen der psychischen Aspekte des Leidens auf der Arbeit. Aber Untersuchungen über Selbstmord infolge der Arbeitsbedingungen sind eher jüngeren Datums, weil das Phänomen neu ist. Mehrere Hypothesen werden zur Erklärung vorgebracht, mehrere Feststellungen sind getroffen worden. Insbesondere die des Psychiaters, ehemaligen Arbeitsmediziners und Autors mehrerer berühmter Bücher über die Frage, Christophe Dejours, sind erwähnenswert (z.B. „Leiden in Frankreich: die Verharmlosung der sozialen Ungerechtigkeit“).

Einige Hypothesen :

1) Die Arbeit steht im Mittelpunkt: Die Arbeit (nicht nur als Mittel, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen, sondern als produktive und schöpferische Tätigkeit, die Anderen zunutze kommt) spielt eine zentrale Rolle bei der psychologischen Entwicklung jedes Einzelnen. Wenn man auf dieser Ebene leidet, hat dies letztendlich größere dramatische Folgen als ein Leiden, das aus dem privaten oder familiären Bereich herrührt. Wenn jemand in seinem Familienleben leidet, hat dies weniger Konsequenzen im Arbeitsleben als umgekehrt.

2) Die Anerkennung der Arbeit und ihrer Qualität seitens der Anderen. In einer hierarchisierten Gesellschaft wie der unsrigen kommt dies natürlich in der Anerkennung zum Ausdruck, die wir von unseren Chefs erhalten und in der Form des Lohns (man spricht hier von ‘vertikaler Anerkennung’). (…) Aber für die Beschäftigten gibt es eine im Alltag viel wichtigere Anerkennung: die Wertschätzung der Arbeit durch seine Kollegen. Ein Zeichen, dass sich jemand in die Gemeinschaft der «Leute seines Berufe » eingliedert, mit denen er seine Erfahrung und seine Kenntnisse teilt, wie auch seine Wertschätzung der Arbeitsqualität. Selbst wenn jemand kein hohes Ansehen bei seinen Chefs oder seinem Arbeitgeber genießt, weil sich jemand ihnen nicht unterwirft, kann man trotzdem ein gewisses Gleichgewicht aufrechterhalten, wenn die Kollegen nicht die Sichtweise der Vorgesetzten übernehmen und das Vertrauen in den Kollegen aufrechterhalten. Aber alles gerät aus dem Gleichgewicht, wenn man auch das Vertrauen der Kollegen verliert.

…. Einige Feststellungen

1) Eine immer größere Überlastung auf der Arbeit. Dies erscheint als paradox, denn mit der Entwicklung neuer Technologien, die die Automatisierung einer Reihe von Aufgaben ermöglichen, war von einigen Leuten schon das «Ende der Arbeit» angekündigt worden oder zumindest die Möglichkeit der drastischen Senkung der Arbeitsbelastung. Seit zwei Jahrzehnten sehen wir aber die entgegengesetzte Entwicklung. Das Arbeitspensum nimmt immer mehr zu. Das geht sogar so weit, dass man in einigen Ländern wie in Japan neue Begriffe entwickelt hat, wie Karôshi, ein plötzlicher Tod (infolge eines Herzinfarktes oder eines Schlaganfalls) von Leuten, die keine besondere Erkrankung hatten, die sich aber «auf der Arbeit umgebracht» haben. Dieses Phänomen ist nicht auf Japan beschränkt, auch wenn es in Japan ein besonderes Ausmaß angenommen hat. Auch in den USA und in Westeuropa gab es ähnliche Fälle.

2) Ein anderer Ausdruck dieser Arbeitsüberlastung, die einen neuen Begriff erforderlich machte, ist der «burn-out», die eine besondere Form der Depression infolge Erschöpfung ist. Der Begriff ist selbstredend: man ist völlig «ausgebrannt», weil man zu viel Energie verausgabt hat.

2) Das Aufkommen von Krankheiten infolge von Mobbing

Diese Erkrankungen sind heute relativ gut bekannt: Depressionssyndrom, Gedächtnisstörungen, Desorientierung in Raum und Zeit, ein Gefühl verfolgt zu werden, psychosomatische Störungen (insbesondere im Bereich der Gebärmutter, Brust, Schilddrüsen).

Christophe Dejours analysiert dieses Phänomen folgendermaßen:

«Mobbing am Arbeitsplatz ist nicht neu. Es ist so alt wie die Arbeit selbst. Was neu ist, sind die Erkrankungen. Das ist neu, weil es mittlerweile im Vergleich zu früher viele gibt. Immer mehr Leute werden für Mobbing anfälliger. […] Dies hängt mit der Destrukturierung dessen zusammen, was man «Verteidigungsstrukturen» nennt, insbesondere die kollektive Verteidigung und Solidarität. Dies ist das ausschlaggebende Element für die Zunahme von Erkrankungen. Mit anderen Worten – die Erkrankungen infolge Mobbings sind vor allem Erkrankungen infolge der Einsamkeit. […] Vor 30 oder 40 Jahren gab es auch Mobbing und Ungerechtigkeiten, aber es gab noch keine Selbstmorde auf der Arbeit. Diese Erscheinung hängt mit der zusammenbrechenden Solidarität unter den Beschäftigten zusammen.»

Dies ist ein sehr wichtiges Element des psychischen, mit der Arbeit verbundenen Leidens, und das zum Großteil eine Erklärung für die Zunahme der Selbstmorde liefert: Die Isolierung der Beschäftigten.

Was verstehen die Experten unter diesem Phänomen der Isolierung der Arbeiter?

Bei der Erklärung dieses Phänomen spielt laut Christophe Dejours die Einführung von Leistungsbeurteilungen jedes Beschäftigten während der letzten beiden Jahrzehnte eine große Rolle.

«Die individuelle Beurteilung, welche mit Zielvereinbarungen oder mit Zielmanagement und entsprechenden Leistungsvorgaben und Umsatzzahlen verbunden wird, bewirkt eine generalisierte Konkurrenz unter den Beschäftigten, unter Abteilungen im gleichen Betrieb, unter Filialen, Werkstätten usw.

Wenn diese Konkurrenz mit der Drohung von Entlassungen verbunden wird, führt dies zu einer tiefgreifenden Umwälzung der Beziehungen auf der Arbeit. Und die Arbeitsbeziehungen verschlechtern sich wiederum nochmals, wenn sie an perverse Prämiensysteme gekoppelt sind. Und wenn die Beurteilung nicht an Belohnungen geknüpft ist, sondern an Bestrafungen oder Entlassungsdrohungen, werden die schädlichen Auswirkungen greifbar. Die Individualisierung gleitet in ein Jeder-für-sich ab, die Konkurrenz mündet in unredliches Verhalten unter Kollegen, Misstrauen zieht ein unter den Beschäftigten.

Das Endergebnis der Beurteilungen und der damit verbundenen Maßnahmen ist schließlich die Untergrabung des Vertrauens, des Zusammenhaltes und der Solidarität. Schlussendlich werden die Schutzmechanismen gegen die krankmachenden Auswirkungen des Leidens und der Arbeitsbedingungen abgeschliffen.»

Er unterstreicht ebenfalls, dass einer der Gründe für den Erfolg dieser neuen Methoden der Unterwerfung in deren passiver Hinnahme durch die Mehrzahl der Beschäftigten liegt, insbesondere in dem Klima der Angst, das immer mehr zunimmt, vor allem der Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes auf dem Hintergrund einer wachsenden Arbeitslosigkeit.

Er meint, die Einführung dieser neuen Methoden (die oft als angel-sächsisch bezeichnet werden, weil sie zunächst in den USA angewandt wurden) entspricht dem Triumph der liberalen Ideologie während der letzten 20 Jahre.

Er befasst sich auch mit dem «moralischen Leiden» : die Beschäftigten, die ein immer größeres, unerträgliches Arbeitspensum leisten müssen, und vor der Notwendigkeit stehen, dass man nicht zu verwirklichende Ziele anstreben muss, sind gezwungen zu pfuschen und «inderwertige Arbeit» abzuliefern, d.h. eine Arbeit zu verrichten, die sie moralisch verwerfen, wie z.B. bei der Telefonwerbung. Aber auch viele Führungskräfte spüren ebenso dieses moralische Leiden. Meist müssen sie diese neuen Methoden einführen und oft wird von ihnen erwartet, dass sie zu wahren Folterern werden. Dejours eint, der Aspekt der Zunahme des Leidens durch die Arbeit werde bei den Forderungen seitens der Gewerkschaften vernachlässigt.

Was halten wir als marxistische Organisation von diesen Auffassungen der Experten (insbesondere der von Christophe Dejours)?

Die IKS stimmt ganz und gar mit diesen Analysen überein, auch wenn natürlich unser Ausgangspunkt ein anderer ist. Christophe Dejours ist zunächst Arzt, der sich zur Aufgabe gesetzt hat, kranken Menschen zu helfen, hier Leute, die durch ihre Arbeit krank geworden sind. Aber seine intellektuelle Sorgfalt zwingt ihn die Wurzeln der Krankheit, von der er den Patienten heilen möchte, zu suchen. Die IKS versteht sich als revolutionäre Organisation, die den Kapitalismus mit der Perspektive seiner Überwindung durch die Arbeiterklasse bekämpft.

Aber wenn man jeden einzelnen Punkt aufgreift, kann man sehen, dass sie sehr gut mit unserer eigenen Auffassung übereinstimmen.

Die Arbeit im Mittelpunkt

Das ist eine der Grundlagen der marxistischen Analyse der Gesellschaft:

Grundlagen der marxistischen Analyse sind:

- Die Rolle der Arbeit, d.h. der Umwandlung der Natur, in der Entstehung der Menschheit wurde von Engels hervorgehoben, insbesondere in seiner Schrift: „Der Anteil der Arbeit an der Menschwerdung des Affen".

- Die Produktionsverhältnisse, d.h. die Gesamtheit der Beziehungen, welche die Menschen bei der gesellschaftlichen Produktion ihrer Existenz eingehen, stellen aus der Sicht des Marxismus die Infrastruktur der Gesellschaft dar. Die anderen Bereiche, juristische Verhältnisse, Denkweisen usw. hängen in letzter Instanz von den Produktionsverhältnissen ab.

- Marx meinte, dass in der kommunistischen Gesellschaft, wenn die Arbeit von den Zwängen der kapitalistischen Gesellschaft befreit sein wird, welche diese oft zu einem wirklichen Unheil werden lassen, diese zum ersten Bedürfnis des Menschen werden wird.

Anerkennung durch andere

Dies ist eine der wesentlichen Grundlagen der Solidarität und der assoziierten Arbeit

Solidarität ist eine der Grundlagen der menschlichen Gesellschaft, eine Eigenschaft, die mit dem Kampf des Proletariats die höchst entwickelte Form annimmt: den Internationalismus. Solidarität wird nicht mehr gegenüber der Familie, dem Stamm oder der Nation bezeugt, sondern gegenüber der ganzen Menschengattung.

Assoziierte Arbeit bedeutet, dass man beim Produktionsprozess aufeinander bauen kann, sich gegenseitig anerkennt. Seit Beginn der Menschheit gibt es assoziierte Arbeit, aber in der kapitalistischen Gesellschaft ist sie am weitesten ausgedehnt. Diese Vergesellschaftung der Arbeit macht den Kommunismus notwendig und möglich.

Überlastung durch Arbeit

Sich auf unsere marxistische Auffassung stützend hat die IKS immer die Meinung vertreten, dass der technische Fortschritt keinesfalls als solcher eine Senkung des Arbeitspensums im kapitalistischen System mit sich bringt. Die «natürliche» Tendenz dieses Systems besteht im Herauspressen von immer mehr Mehrwert aus den Lohnabhängigen. Und selbst wenn die Arbeitszeit verkürzt wird (wie z.B. in Frankreich mit der 35 Stunden-Woche) ist das Arbeitspensum verdichtet, sind Pausen abgeschafft worden. All dies verschlimmert sich noch mehr unter dem Druck der Krise, welche die Konkurrenz zwischen den Betrieben und den Staaten verschärft.

Der Verlust an Solidarität lässt die Beschäftigen viel anfälliger werden für Mobbing.

Die IKS hat dieses Phänomen während der letzten beiden Jahrzehnte unter zwei Gesichtspunkten untersucht:

- Dem Rückfluss des Klassenbewusstseins und der Kampfbereitschaft in der Arbeiterklasse – als Folge des Zusammenbruchs der sogenannten ‘sozialistischen’ Regime 1989 und der Kampagnen vom angeblichen ‘endgültigen Sieg’ des ‘liberalen Kapitalismus’ und vom ’Verschwinden der Arbeiterklasse’.

- Den schädlichen Auswirkungen der zerfallenden kapitalistischen Gesellschaft, die Tendenzen wie des Jeder-für-sich, die Atomisierung, jeder muss sehen, wie er für sich selbst zurechtkommt, die Untergrabung der gesellschaftlichen Beziehungen (mehr dazu siehe unseren Artikel «Der Zerfall, Endphase der Niedergangsphase des Kapitalismus», Internationale Revue Nr.13)

- Diese beiden Faktoren liefern unter anderem die Erklärung dafür, dass seit der Kapitalismus in den letzten 20 Jahren neue Arbeitsmethoden einführen konnte, die eine entsprechende Reaktion Wirkung der Arbeiterklasse hervorgerufen haben, keine Abwehrkämpfe gegen diese wesentliche Verschlechterung der Arbeitsbedingungen stattgefunden haben.

- Wenn sich jemand wegen seiner Arbeit umbringt, gehört er in der Regel zu denjenigen, die gegen diese zunehmende Barbarei am Arbeitsplatz vorgehen möchten. Im Vergleich zu vielen anderen Kollegen unterwirft sich derjenige nicht passiv der Überlastung am Arbeitsplatz, dem Mobbing, der Verachtung gegenüber den Bemühungen, ‘gute Arbeit’ abzuliefern. Aber weil es noch keinen kollektiven Widerstand gibt, keine ausreichende Solidarität unter den Beschäftigten, bleiben sein Widerstand und seine Revolte gegen diese Verhältnisse individuell oder isoliert. Beide sind zum Scheitern verurteilt. In letzter Konsequenz dieses Scheiterns kommt es zum Selbstmord, der nicht nur ein Akt der Verzweiflung ist, sondern auch ein letzter Aufschrei der Revolte gegen ein System, das jemanden erdrückt hat. Die Tatsache, dass diese Revolte die Form der Selbstzerstörung annimmt, ist in letzter Instanz auch nur eine andere Erscheinungsform des Nihilismus, der die ganze kapitalistische Gesellschaft, welche sich auf dem Weg der Selbstzerstörung befindet, befallen hat.

- Wenn die Arbeiterklasse wieder massiv in den Kampf treten und die Solidarität wieder Einzug halten wird, wird es keine Selbstmorde auf der Arbeit mehr geben.

Aktuelles und Laufendes: 

  • Arbeitsstress [26]
  • Selbstmord Arbeitsplatz [27]
  • arbeitsbedingte Krankheiten [28]
  • Arbeit Gesundheit [29]

Leute: 

  • Christophe Dejours [30]

Vigo/Spanien: Gemeinsame Vollversammlungen und Demonstrationen von Arbeitslosen und Beschäftigten

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(Wir haben neulich eine Information aus der nordwestspanischen Hafenstadt Vigo über einen wichtigen Kampf erhalten, den wir hier gekürzt widergeben).

In Vigo (der Großraum der Stadt umfasst ca. 400.000 Einwohner) sind mehr als 60.000 Arbeitslose registriert. Allein im Jahre 2009 wurden im Metallbereich mehr als 8.000 Beschäftigte auf die Straße geschmissen. Nach einer Entlassungswelle wurden ca. 700 Beschäftigte in einer Auffanggesellschaft geparkt, mit der Zusage, dass sie jeweils – falls vorhanden - Stellenangebote erhalten würden. Als sie aber erfuhren, dass niemand jemals ein Stellenangebot erhielt, während gleichzeitig Billiglöhner aus dem Ausland herbeigeschafft wurden, die unter unvorstellbaren Bedingungen arbeiten sollten, (z.B. schliefen einige ausländische Beschäftigte auf Parkplätzen und hatten Geld nur für eine Mahlzeit am Tag) war das Fass übergelaufen. Die Arbeiter erklärten sofort, dass sie nichts gegen ausländische Arbeitskräfte hätten, man solle ihnen allerdings die tariflich vereinbarten Löhne zahlen. Tatsache war, dass mit den ausländischen Beschäftigten Lohndumping betrieben wurden, da sie nur 30-50% des Lohns spanischer Arbeiter bekamen. Dessen ungeachtet beschuldigten die Medien die spanischen Arbeiter sofort der Ausländerfeindlichkeit. Der Zynismus und das spalterische Verhalten der herrschenden Klasse sind unübertroffen. Wenn sich Beschäftigte gegen Lohndumping wenden, werden sie sofort der Ausländerfeindlichkeit des Rassismus und Nationalismus bezichtigt, ja man versucht ihnen gar rechtsextreme Gedanken anzuhängen.

Gemeinsame Vollversammlungen und Demonstrationen von Arbeitslosen und Beschäftigten

Am 3. Februar zogen die Arbeitslosen vor die Werkstore von Astilleros Barreras (dem größten Schiffsbaubetrieb in der Region) mit der Absicht, eine gemeinsame Vollversammlung mit den Beschäftigten dieses Betriebs abzuhalten. Da die Werkstore verschlossen waren, fingen sie an mit Megaphonen Parolen zu rufen und ihre Forderungen zu erklären, bis schließlich die große Mehrzahl der Beschäftigten das Werksgelände verließen und sich den Arbeitslosen anschlossen. Der Berichterstattung von Europa-Press zufolge „tauchten fünf Mannschaftswagen mit Sondereinheiten vor Ort auf. Die Polizisten bezogen dort Stellung in voller Montur, mit ihren Gummigeschossen ausgerüstet, aber schließlich zogen sie sich zur Straßenkreuzung Beiramar zurück.(…) Die Gruppe von Arbeitslosen und Beschäftigten zog demonstrierend in Richtung Bozas. Auf dem Demonstrationsweg durch den Industriegürtel schlossen sich Beschäftigte anderer Werften (wie Cardama, Armon, Freire-Asi) ihnen an, so dass die Arbeit in allen Schiffswerften niedergelegt wurde."

Das Beispiel verdeutlicht, wie die Solidarität und die Einheit unter den beschäftigten Kollegen und den Arbeitslosen konkretisiert werden kann; gemeinsame Vollversammlungen, Straßenkundgebungen um ihren Kampf den anderen Beschäftigten bekannt zu machen; Kontaktaufnahme und direkte Verbindung mit den Beschäftigen anderer Betriebe, um sie für den gemeinsamen Kampf zu gewinnen. D.h., eine Wiederholung der Ereignisse von Vigo 2006 (siehe dazu frühere Artikel auf unserer Webseite) Die Arbeiter wandten die Kampfmethoden an, die im Gegensatz zu den Spaltungen, dem Berufsegoismus, der Passivität, den typisch gewerkschaftlichen Methoden stehen.

Am 4. Februar wurden die gleichen Methoden wiederholt. Gegen 10 h vormittags zogen erneut Arbeitslose vor die Werkstore von Barreras. Erneut verließen die Beschäftigten das Werksgelände und schlossen sich ihnen an. Trotz der großen Polizeimobilisierung zogen sie gemeinsam in die Stadt. Die Zeitung "El Faro" aus Vigo meldete: "Der Protestzug wurde von einem großen Polizeiaufgebot begleitet. Es gab einige Augenblicke große Spannungen, aber es kam schließlich zu keinen Zusammenstößen. Die Arbeitslosen demonstrierten in Beiramar und Bouzas, in Begleitung der Beschäftigten aus dem Viertel, und sie bekräftigten, dass sie weiterhin kämpfen werden, solange die Arbeitgeber nicht die Probleme der Arbeitsverträge lösen."

Aktuelles und Laufendes: 

  • Vigo [31]
  • Arbeiterkampf Spanien [32]
  • Solidarität Arbeitslose Beschäftigte [33]
  • Vollversammlungen [5]

„Wildcat“ zur Krise - Wertvolle Anregungen des Nachdenkens

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Nimmt man allein die Zahl der Artikel, in denen sich die Zeitschrift Wildcat der derzeitigen Weltwirtschaftskrise widmet, dann zeigt sich diese Gruppe ziemlich beredt. Was sagt Wildcat zur aktuellen Krise? Wo sehen die Genossen ihre Ursachen begründet?

Ein Streifzug durch die Krisenherde

Allein in den Ausgaben Nr. 84 und 85 vom Frühjahr und Sommer 2009 beschäftigt sich Wildcat in sieben Artikeln mit der jüngsten Weltwirtschaftskrise. In „Update Krise“ (Nr. 84) beschreiben die Genossen das epidemische Ausmaß der Verschuldung des Staatshaushaltes und der privaten Haushalte in den USA – ein Ausmaß, das die Bonität der USA bei den Ratingagenturen beeinträchtige und „bereits jetzt zum Platzen der Mutter aller Blasen, des US-amerikanischen Bond-Bubble, führen“ könne.

Gleich zwei Artikel nehmen die Rolle der beiden Hauptakteure der Weltwirtschaft, China und die USA, und ihre fast schon „symbiotischen“ Beziehungen unter die Lupe: „Chimerika“ (Nr. 84) und „Alle Hoffnungen richten sich auf China“ (Nr. 85). Der Leser erfährt, dass die Wirtschaftsbeziehungen zwischen beiden Nationen auf einem Prozess des Gebens und Nehmens beruhen, der kurzfristig durchaus die Weltwirtschaft stimuliert habe, längerfristig aber auf tönernen Füßen stehe: „In den Jahren zwischen dem Dot-com-Crash und dem Einsetzen der aktuellen Krise hat die Weltwirtschaft vor allem dank ‚Chimerika‘ funktioniert: der Symbiose zwischen den USA und China. Auf der einen Seite stand die gewaltige Verschuldung der US-amerikanischen Konsumenten, die mit ihrem Geld chinesische Waren kauften. Auf der anderen Seite die gewaltige chinesische Überproduktion und das Unvermögen, die vielen eingenommen Dollars produktiv in China anzulegen. Indem ein großer Teil der Einnahmen in US-Staatsanleihen zurückfloss, finanzierte China die amerikanischen Schulden, und der Kreis schloss sich. Damit ergab sich eine doppelte Abhängigkeit: Die USA sind von China als ihrem größten Kreditgeber abhängig, und China ist mit seinen über zwei Billionen Dollar Devisenreserven von der Stabilität des Dollar abhängig.“ („Alle Hoffnungen richten sich auf China“). Besser, als es die Genossen von Wildcat getan haben, kann man das Dilemma der US-chinesischen Symbiose nicht veranschaulichen. Dabei darf allerdings auch nicht vergessen werden, dass die USA und China Hauptkonkurrenten, ja tödliche Rivalen bleiben.

Noch ausgiebiger befassen sich die Genossen von Wildcat mit dem Phänomen der Spekulation. In „Wie die Welle auf den Boden kommt“ (Nr. 84) wird das Ausmaß der „Finanzialisierung der allgemeinen Reproduktionskosten“ geschildert, das dazu geführt habe, dass „viele Leute (...) gezwungenermaßen zu ‚Akteuren an den Finanzmärkten‘“ geworden seien. Gegenstand des Artikels „Wiederkehr der Realität“ (Nr. 84) ist die Alchimie der Finanzjongleure – die sog. „Mathematisierung des Finanzhandels“, mit der der Wert einer Anlage in der Zukunft vorhersehbar gemacht werden soll und die das globale Pilotenspiel mit den sog. Derivaten erst ermöglicht hat. Dieser Artikel gibt einen guten Einblick in die Scheinwelten postmoderner Vorturner wie Deleuze, Guttari oder Beaudrillard, die mit ihren Theorien über „signifikante Zeichenketten“ oder die „strukturale Revolution des Werts“ den Luftgeschäften an den Börsen die philosophischen Weihen verliehen haben.

Zweierlei fällt auf, wenn man diese Artikel auf ihren Inhalt abklopft. In all diesen Texten kommt ein hoher Kenntnisstand über die auslösenden Faktoren und die Erscheinungsformen der aktuellen Krise zum Ausdruck; sie sind gespickt mit Zahlen, Daten und Fakten zum aktuellen Stand der Dinge. Kurz: sie sind sehr anschauliche Schilderungen, fundierte Beschreibungen des Status quo der Weltwirtschaft. Doch die andere Aufgabe bleibt noch anzugehen, welche der Drang zur Wissenschaft immer auch von uns abverlangt: Den Dingen auf den Grund gehen, die tieferen Ursachen einer Oberflächenerscheinung zu beleuchten.

Profit- und Überproduktionskrise

In dieser Richtung versucht sich der Gastbeitrag von Paolo Guissani in Wildcat Nr. 84: „Des Kapitalismus neue Kleider“. Hier wird der Versuch unternommen, den Zustand des zeitgenössischen Kapitalismus in einen grundsätzlicheren, historischen Zusammenhang zu stellen. Der Autor dieses Beitrags fühlt sich dazu umso mehr bemüßigt, als es auch der marxistischen „Wirtschaftsliteratur“ (?) seiner Auffassung nach „noch nie gelungen ist, eine zusammenhängende Darstellung zu liefern, die dem magischen Wort ‚Krise‘ gerecht würde“.

Hauptgegenstand seines Beitrags ist die Umwandlung des Weltkapitalismus, die seit den 80er Jahren zu einer wachsenden „Verlagerung von Geldkapital in spekulative Anlagen“ geführt habe. So habe sich der Umsatz der Wall Street, der bis Mitte der 70er Jahre bei konstanten 15 Prozent des US-amerikanischen BIP gelegen habe, bis 2006 mehr als verzwanzigfacht (350%). Giussani weist darauf hin, dass im Unterschied zum Börsenboom der 20er Jahre heuer nicht nur Managergehälter und realisierte Profite an der Börse verzockt werden, sondern – „vermittelt durch die Fonds“ – auch Teile der Arbeitslöhne. Er behauptet sodann: „Ohne diese Verlagerung von Geldkapital aus der produktiven Akkumulation in spekulative Anlagen hätte es weder einen spekulativen Boom gegeben, noch hätte der Finanzsektor sich so sensationell ausweiten können.“

Doch warum fand diese Verlagerung statt? Was hat sie letztendlich bewirkt? Giussanis Antworten auf diese Frage erscheinen uns undeutlich. Da ist die Rede von einer „inneren Struktur der Aktiengesellschaft“, die der Grund dafür sei, „warum das moderne Kapital spontan zur Verwandlung in spekulatives Kapital tendiert“. Gleichzeitig räumt er ein, dass die Herrschaft des spekulativen Kapitals „einen anfänglichen Impuls von außen (braucht), denn niemand kann einen spekulativen Boom in Gang setzen“. Da es Giussani im Anschluss an dieser Feststellung jedoch versäumt, das Kind beim Namen zu nennen, können wir hier nur spekulieren, was denn nun nach seiner Auffassung den Impuls zum Börsenboom der letzten 20 Jahre gegeben hat. Wir denken, dass die Antwort darauf in seinen einleitenden Worten desselben Kapitels zu suchen ist: „Die parasitäre Transformation des Weltkapitalismus hat ihren Ursprung im Ende des Nachkriegs-Wirtschaftsbooms, der in die Rezessionen und in die Stagnation der 70er Jahre mündete, als der tendenzielle Fall der hohen Nachkriegs-Profitrate zu einem beträchtlichen Überschuss an Geldkapital führte.“

Nach seiner Ansicht würde der „Fall der Profitrate (...) mehr oder weniger direkt dazu führen, dass auch die Akkumulationsrate sinkt“. Und der einzige „Mechanismus“, der bisher in der Lage gewesen sei, den Fall der Profitrate umzukehren, sei der Weltkrieg gewesen. Leider hat es Giussani für überflüssig erachtet, diese Frage ausführlicher zu thematisieren, und sich stattdessen über Gebühr mit dem Phänomen der Aktiengesellschaft und der Spekulation gewidmet. So mutet es wie Schattenboxen an, auf Giussanis unterlassene Argumente in dieser zentralen Frage zu antworten: Stand am Anfang der Weltwirtschaftskrise allein der tendenzielle Fall der Profitrate?

Eine Fixierung auf die Profitraten als ausschließliche Krisenursache könnte dazu führen, die qualitativen Unterschiede zwischen den Wirtschaftskrisen im 19. Jahrhundert und 20. Jahrhunderts zu ignorieren. Schließlich ist das Problem der immer höheren organischen Zusammensetzung des Kapitals fast so alt wie der Kapitalismus selbst. Dennoch waren die mehr oder weniger regelmäßigen „Zusammenbrüche“ der kapitalistischen Wirtschaft des 19. Jahrhunderts Wachstumskrisen eines juvenilen Kapitalismus; die Krisen von heute sind dagegen Manifestationen des Siechtums eines senilen Kapitalismus. Während der Kapitalismus zurzeit Marx‘ und Engels‘ aus jeder Wirtschaftskrise mit einem unerhörten Wachstumsschub hervortrat, taumelt der moderne Kapitalismus des 20. und 21. Jahrhunderts von einer Krise in die nächste und gerät dabei immer tiefer in den Sog seiner eigenen Widersprüche. Wie ist das zu erklären?

Wir meinen, dass der krisenhafte Fall der Profitrate im Kapitalismus heute wesentlich einhergeht mit einer allgemeinen Überproduktionskrise. Sicher, auch Letztere ist nichts Neues im Leben des Kapitalismus. Schon Marx erkannte, dass dem schier unendlichen Potenzial des kapitalistischen Produktionsapparates die eingeschränkte Konsumtionsfähigkeit der großen Masse gegenübersteht, die durch die „antagonistischen Distributionsverhältnisse“ verursacht wird. Sprich: der Massenkonsum wird systemisch begrenzt durch die Spaltung der Gesellschaft in Klassen, insbesondere durch den Warencharakter der Lohnarbeit. Die Konsumfähigkeit der Arbeiterklasse wird in elastischen aber engen Grenzen gehalten durch die Ausbeutungsmechanismen des Kapitalismus selbst.

Aber die Überproduktionskrisen zu seiner Zeit waren vorübergehend und erlebten schnell ihre Auflösung in der Erschließung neuer außerkapitalistischer Territorien. Die Überproduktionskrise in unseren Tagen ist hingegen permanent und kann nur dank einer schuldenfinanzierten, künstlichen Nachfrage mühsam eingedämmt werden, um dann wieder um so heftiger auszubrechen. Während im Zeitalter der Kolonialisierung das Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate durch die Einbeziehung außerkapitalistischer Territorien eine Abschwächung erfuhr, wird es heute angesichts des erbitterten Kampfes der verschiedenen Produzenten um Anteile auf einem längst übersättigten Weltmarkt gar noch verschärft.

Die aktuelle Rezession ist unserer Auffassung nach zum wesentlichen Teil letztlich die Folge der immer größeren Schwierigkeiten des Kapitals, seinen Mehrwert auf den heillos überfüllten Märkten zu realisieren. Sie ist ferner das Ergebnis des jahrzehntelangen Krisenmanagements der Staaten, das sich darin auszeichnet, mittels der Politik des billigen Geldes und einer immer exzessiveren Verschuldung kurzfristig künstliche Nachfrage zu schaffen und langfristig für eine Verschärfung der Krisensymptome zu sorgen. Die Unmengen vagabundierenden Kapitals auf den Finanzmärkten wie die explodierenden Arbeitslosenzahlen, die Spekulationsblasen wie die sog. Wiedergeburt des Keynesianismus – sie sind alle in letzter Konsequenz auf einen Widerspruch zurückzuführen, der einst den Kapitalismus zur dynamischsten Gesellschaftsform in der Menschheitsgeschichte machte und ihn dazu antrieb, sich binnen kürzester Zeit die gesamte Welt untertan zu machen, und heute den Kapitalismus auf seiner verzweifelten Suche nach Märkten dazu treibt, sich selbst zu kannibalisieren. Es ist der auf die Spitze getriebene Antagonismus zwischen Produktion und Konsumtion: „Der letzte Grund aller wirklichen Krisen bleibt immer die Armut und Konsumtionsbeschränkung der Massen gegenüber dem Trieb der kapitalistischen Produktion, die Produktivkräfte so zu entwickeln, als ob nur die absolute Konsumtionsfähigkeit der Gesellschaft ihre Grenze bilde“. (Marx, Kapital, Bd. 3) Ried, 15.03.2010

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