Veröffentlicht auf Internationale Kommunistische Strömung (https://de.internationalism.org)

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Februar 2009

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Debatte: Zur Frage der subjektiven und objektiven Faktoren des Klassenkampfes

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Die IKS bietet auf ihrer Webseite ihren Lesern die Möglichkeit an, Meinungen und Kommentare zu den einzelnen Artikeln zu hinterlassen, und damit öffentliche Diskussionen anzuregen. Von Stellungnahmen unserer Organisation zu den weltweiten Schüler- und Studentenprotesten ausgehend, hat sich seit Anfang der zweiten Januarwoche daraus eine Art spontaner Blog dazu entwickelt, was wir sehr herzlich begrüßen. Dabei haben v.a. zwei Teilnehmer, Hama und Bruno, teils heftigen Einspruch erhoben gegen unsere Sichtweise dieser Jugendproteste als Zeichen des verstärkten internationalen Widerstandes der Arbeiterklasse gegenüber der sich rasant verschärfenden Wirtschaftskrise. Es stellte sich rasch heraus, dass weder die Einschätzung des proletarischen Charakters der Proteste noch die Aussage über den sich formierenden und sich allmählich verstärkenden Widerstand der Klasse insgesamt auf ungeteilte Zustimmung stießen. Wir müssen zugeben, dass wir jedenfalls anfangs Schwierigkeiten hatten, das genauere Anliegen der Genossen zu begreifen, welche hauptsächlich Kritik erhoben hatten. Umso schöner war es für uns zu erleben, wie – im Verlauf der Diskussion und durch die Diskussion – uns die sehr berechtigten Sorgen dieser Genossen klarer wurden. Dazu beigetragen haben die Kritikführer selbst mit ihrer unermüdlichen Bemühung, ihr Anliegen immer deutlicher zu machen, als auch die Einwände und Fragestellungen der anderen Teilnehmer an der Debatte wie etwa der Genosse Riga. Nicht weniger befriedigend ist es zu erleben, wie im Verlauf die Teilnehmer aufeinander eingehen, ihre Ansichten weiter entwickeln und, wenn nötig, auch korrigieren. Wir verweisen also auf die Beiträge dazu und ermuntern alle unsere Leser, sich an diesem und ähnlichen Blogs zu beteiligen.

Wir wollen nun kurz auf einige wenige Beiträge eingehen, in denen aus unserer Sicht wichtige Entwicklungen in der Diskussion stattfanden und die tiefer liegenden Sorgen und Sichtweisen sich erhellten. Wir werden aus Platzgründen nicht ausführlich aus diesen Beiträgen zitieren, sondern die Ideen zusammenfassen, und verweisen unsere Leser auf die Kommentare, die man ja selber nachlesen kann.

Im Beitrag von Bruno vom 19. Jan. 09 „Nicht mit den Wölfen heulen“ merkt der Genosse selbstkritisch an, dass sein(e) „Sarkasmus und Polemik“ gegenüber der These der erwachenden Kampfbereitschaft der Arbeiterklasse „scheinbar“ (wie er schreibt) in Widerspruch stehen zu seinen eigenen Aussagen damals zur Zeit der Eisenbahnerstreiks in Deutschland. Damals vertrat er ja die Ansicht, dass die Argumente der Ausbeuter, etwa dass wir alle in einem Boot sitzen würden, an Glaubwürdigkeit und Integrationskraft verlören. Auch würde die Klasse sich weniger als vorher durch die Erpressung der Arbeitslosigkeit davon abhalten lassen, sich zu wehren, je mehr die Lohnabhängigen mitbekämen, wohin ein solcher Verzicht führe.

 

Eine Bemerkung zur Frage der Moral

Bruno erklärt nun, diese Widersprüchlichkeit seiner Argumentation sei Ausdruck einer „moralischen Ungeduld“. Das ist eine couragierte Aussage. Es stoße ihm auf, dass die Menschen erst dann reagieren, wenn sie selbst betroffen werden. Somit kritisiert der Genosse seine eigene bisherige Diskussion als Ausdruck einer moralischen und nicht marxistischen Sichtweise des Klassenkampfes. Wir sind mit dieser Argumentationslinie ganz einverstanden, wobei wir, unsererseits, da wir die Rolle der Moral im Klassenkampf hochschätzen, eher von einem „moralisierenden“ als von einem „moralischen“ Ansatz sprechen würden, den es zu überwinden gilt.

Hier hat der Genosse jedenfalls eine sehr wertvolle Anregung geliefert. Anders als die christliche Nächstenliebe (die so leicht in Hass umschlägt) geht die Auffassung des proletarischen Klassenkampfes davon aus, dass Eigenliebe und Nächstenliebe zusammen gehören. Ansonsten läuft man Gefahr, den in Not Geratenen noch mit Vorwürfen zu kommen. Wäre es für die Arbeiterklasse möglich, auf Dauer im Kapitalismus sich sozusagen häuslich einzurichten, wäre eine proletarische Revolution nichts als ein frommer Wunsch. Dann würde es auch nichts bringen, die Klasse dafür zu tadeln. Der Kapitalismus kann aus unserer Sicht nur überwunden werden, wenn es eine Klasse dieser Gesellschaft gibt, welche ein dringendes Eigeninteresse an der Überwindung dieser Gesellschaft hat. Im Verlauf des Kampfes dieser Klasse wird es möglich sein, eine tief verwurzelte Solidarität mit der ganzen Menschheit zu entwickeln, da die Interessen dieser Klasse – die Überwindung der Klassengesellschaft – sich mit denen der Menschheit insgesamt decken. Im übrigen ist in dieser Frage die Haltung Lenins während des Ersten Weltkriegs ein Beispiel. Er hat immer unterschieden zwischen dem Chauvinismus der herrschenden Klasse, welcher ihrem Klasseninteresse entspricht, und dem vieler Arbeiter, welche verwirrt sind und dessen Chauvinismus ihrem Klasseninteressen widerspricht, und deshalb überwunden werden kann und sollte.

Aber auch in einer weiteren wichtigen Frage bringt der Beitrag von Bruno die Debatte weiter, meinen wir: nämlich mit der Frage nach dem Klassencharakter der Jugendproteste. Riga hat zurecht darauf hingewiesen, dass man die subjektiven Faktoren eines Kampfes sehr beachten muss, um eine Bewegung richtig einzuschätzen. Auf das Bewusstsein, auf das Verhalten, auf die Forderungen, auf die Lernfähigkeit und Kampffähigkeit komme es vor allem an; daraus könne man am besten auf den Klassencharakter schließen. Dieser Idee Rigas stimmen wir zu. Allerdings betont Riga, dass man nicht ohne weiteres „objektive“, gewissermaßen ökonomische oder soziale Kriterien anwenden könne, ohne Gefahr zu laufen, die Arbeiterklasse zu verdinglichen, sie als eine Sache und nicht mehr als etwas Lebendiges zu betrachten. Es ist sicher richtig, auf diese Gefahr hinzuweisen. Dennoch meinen wir, dass Bruno zurecht darauf hinweist, dass der Kapitalismus selbst die Lohnabhängigen versachlicht und degradiert, und dass wir folglich gut tun werden, bei der Einschätzung der Klassennatur einer Bewegung auch die objektiven Faktoren zu berücksichtigen, und diese beiden zusammengehörenden Ebenen der Analyse einander nicht gegenüberzustellen.

 

Welche Einschätzung der weltweiten Schüler- und Studentenbewegung?

Wie ist es also mit den weltweiten Schüler- und Studentenbewegungen in dieser Hinsicht bestellt? „Schüler“ oder „Studenten“ sind ganz gewiss keine Klassenkategorien. Seitdem Schulpflicht besteht, wird den Angehörigen aller Klassen bürgerliche Bildung zuteil. Mit der wachsenden Komplexität und Wissenschaftlichkeit des Produktionsapparates werden auch mehr Arbeiterkinder an die Universitäten geschickt als zu Kaisers Zeiten. Schüler, Studenten, sind klassenübergreifende Kategorien. Hier kommen die von Riga zurecht betonten subjektiven Faktoren ins Spiel. Wenn Schüler, wenn Studenten im Verlauf eines Kampfes proletarische Forderungen stellen, proletarische Kampfmethoden anwenden, so fühlen wir uns berechtigt, anzunehmen, dass es sich im Kampf vorwiegend um die proletarischen Teile der Jugendlichen handelt, oder aber dass innerhalb einer breiteren Bewegung der Einfluss der proletarischen Bestandteile überwiegt. Noch wichtiger dabei als etwa die Vollsammlungen (auch andere Schichten können solche abhalten) erscheint uns die Tatsache, dass man sich an die Klasse insgesamt richtet und ihre Solidarität sucht. Aber dieser subjektive Faktor muss eine objektive Grundlage haben, wie Bruno und auch Hama betonen. Bruno merkt an, dass man als Proletarier nicht geboren wird. Er hat damit, meinen wir, nur bedingt recht. Er hat insofern recht, als es im Kapitalismus, anders z.B. als im Feudalismus eine weitreichende Durchlässigkeit und Fluktuation zwischen den Klassen gibt. Wer in einem schwarzen Ghetto Chicagos zur Welt kommt, kann Frau Obama werden und auch umgekehrt. Er hat insofern nicht recht damit, als auch die Reproduktion der LohnarbeiterInnen durch die Klasse zum Kapitalismus gehört, so dass die Reproduktionskosten der neuen Generation zu den Lohnkosten gehören. Allen Fluktuationen zum Trotz: Es wird immer einen Kern von proletarischen Kindern geben, welche Arbeiterfamilien entstammen, und deren „Schicksal“ ebenfalls die Lohnsklaverei ist. Die Tatsache, dass viele dieser Jugendlichen noch nicht in der Produktion stehen, stellt sie nicht außerhalb der Klasse, ansonsten wären die Erwerbslosen auch nicht Teil der Arbeiterklasse. Die proletarische Jugend ist nicht per se radikaler oder „revolutionärer“ als andere (Hama deutet zurecht auf diese Tatsache hin). Aber die lernenden oder studierenden Proletarier haben, wie die Erwerbslosen auch, zumindest den Vorteil, dass sie (noch) nicht so stark durch die Bedrohung der Arbeitslosigkeit erpressbar sind. Da sie (noch) nicht durch das Eingeschlossensein in den einzelnen Betrieben und durch die Gewerkschaften voneinander so abgetrennt werden, haben sie es leichter, zusammenzukommen. Und dadurch, dass sie jung sind, in die entwickelte kapitalistische Krise sozusagen hinein geboren wurden und dadurch weniger Illusionen haben, können sie vielleicht eher jetzt vorangehen im Kampf der Klasse zu einem Zeitpunkt, in dem die schiere Wucht der Wirtschaftskrise zunächst überwiegend einschüchternd auf die Beschäftigten wirken muss.

 

Macht es heute noch Sinn, die Kategorien von Klasse noch zu verwenden?

Den Genossen Hama treibt neben dieser auch eine andere Frage um, eine noch grundsätzlichere Frage, meinen wir. Dies kommt deutlich zum Ausdruck im Beitrag des Genossen vom 26. Jan. 09. Dort stellt er die Frage, ob es überhaupt noch richtig ist, an die Kämpfe von heute mit Kategorien von Klassen heranzutreten. Damals, noch in den 1930er Jahren, konnte man von einem Weltproletariat reden, so sein Argument, heute aber eher nicht mehr. Was wir sehen, ist vielmehr Widerstand bestimmter Gruppen, deren Kampf eher keinen deutlichen Klassencharakter hat, und dennoch möglicherweise das Potenzial entwickeln kann, irgendwann in eine kommunistische Richtung zu gehen. Es geht dem Genossen also weniger darum, ob etwa die Bewegung in Griechenland proletarisch sei, sondern v.a. darum, ob es überhaupt noch vertretbar sei, das Instrument der Klassenanalyse anzuwenden und die Lösung der Krise des Kapitalismus von einer bestimmten Klasse der Gesellschaft, spricht durch den Klassenkampf zu erwarten und die Intervention dementsprechend auszurichten? Auf die Frage von Riga, wer denn außer der Arbeiterklasse etwa in der Übergangsperiode nach einer Machtergreifung für eine Ausrichtung hin zum Kommunismus „garantieren“ könne, findet Hama zwar keine schlüssigen Antworten; dennoch müsse diese Tatsache nicht automatisch die anderen nicht den Klassenkampf befürwortenden Ansätze (etwa den der „Wertkritiker“) disqualifizieren.

Hier geht es allerdings ums Grundsätzliche, nämlich um das marxistische Verständnis des Wesens des Kapitalismus als Abschnitt der Menschheitsgeschichte. Wie Engels in Anti-Dühring argumentiert (und wir schließen uns dieser Ansicht an), besteht das besondere, das Revolutionäre am Kapitalismus darin, dass er erstmals in der Geschichte die Einzelproduktion mit vereinzelten Arbeitsinstrumenten ersetzt hat durch eine gesellschaftliche, nur gemeinsam durch viele Menschen anwendbare Produktionsmittel. Durch eine gigantische Steigerung der Produktivität der Arbeit hat der Kapitalismus erstmals die Voraussetzungen für den Kommunismus geschaffen. Diese Steigerung wurde aber ermöglicht durch die Assoziation der Arbeit. Erst dadurch wurde der systematische Einsatz von Maschinen und von Wissenschaft in der Produktion möglich. Der Hauptwiderspruch dieses Systems liegt nun darin, dass die Produktion gewissermaßen „vergesellschaftet“ geschieht, während die Aneignung der Früchte dieser Arbeit weiterhin privat und anarchisch bleibt. Das Wesen der kommunistischen Revolution besteht nun darin, die sozusagen halbe Revolution des Kapitalismus zu vollenden, die Vergesellschaftung zu vollenden. Da der Kapitalismus als System der Konkurrenz und der Verallgemeinerung der Warenzirkulation kein anderes System neben sich duldet, hat er nicht nur einen Weltmarkt, sondern auch noch ein Weltproletariat hervorgebracht. Nach der Sichtweise des Marxismus fällt es nun schwer, sich einen anderen Träger der zuvollziehenden Transformation als das Weltproletariat vorzustellen als die Kraft, welche ohnehin die bereits vorhandene Assoziation verkörpert.

Es stimmt, dass die Arbeiterklasse heute, im Gegensatz zum 19. Jahrhundert, im Gegensatz vielleicht noch zu den 1930er Jahren, ihre Abwehrkämpfe nicht mehr mit dem Bewusstsein führt, dass dies Schritte auf den Weg zum Sozialismus seien. Da das Wesen des proletarischen Klassenkampfes aus marxistischer Sicht wesentlich bestimmt wird durch das Endziel des Kommunismus, ist die Frage mehr als berechtigt, ob Abwehrkämpfe, welche ohne das Bewusstsein eines solchen Ziels ausgetragen werden, überhaupt noch als Klassenkämpfe in diesem Sinne zu betrachten sind. Aber gerade bei dieser Frage wird deutlich, welche Bedeutung neben den „subjektiven“ Faktoren des Bewusstseins gerade die „objektiven“ Faktoren haben müssen. Der Marxismus jedenfalls geht davon aus, dass die Arbeiterklasse der Träger des Kommunismus ist und bleibt, und zwar unabhängig davon, ob die Mehrzahl der Arbeiterinnen und Arbeiter das momentan wissen oder überhaupt wollen.

Die Redaktion von Weltrevolution. 03.02.2009.

Aktuelles und Laufendes: 

  • Jugendproteste [1]
  • Schüler- und Studentenproteste [2]
  • Kategorie Klasse [3]
  • subjektive objektive Faktoren des Klassenkampfes [4]

Ein Willkommensgruß an die neuen Sektionen de IKS in der Türkei und den Philippinen

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Auf dem letzten Kongress der IKS hoben wir einen internationalen Trend des Auftauchens neuer Gruppen und Einzelpersonen hervor, die sich auf die Positionen der Kommunistischen Linken zubewegen. Wir unterstrichen sowohl die Bedeutung dieses Prozess als auch die Verantwortung, die sich daraus für unsere Organisation ergibt.   „Die Arbeit dieses Kongresses drehte sich um die Analyse der Wiederbelebung des Kampfes der Arbeiterklasse und die entsprechende Verantwortung, vor die diese Entwicklung unsere Organisation stellt, insbesondere angesichts einer auftauchenden neuen Generation von Leuten, die sich einer revolutionären politischen Perspektive zuwenden“".[1]  “Die Verantwortung der revolutionären Organisation, und vor allem der IKS, besteht darin, aktiver Teil in diesem Denkprozess innerhalb der Klasse zu sein. Dies nicht nur durch aktive Interventionen in den sich entwickelnden Klassenkämpfen, sondern auch durch die Stimulierung der Gruppen und Einzelpersonen, die sich diesem Kampf anschließen wollen“. [2] “Der Kongress hat ebenfalls eine sehr positive Bilanz über unsere Arbeit gegenüber Gruppen und Einzelpersonen gezogen, welche sich für die Verteidigung oder Annäherung an linkskommunistische Positionen einsetzen. (…) der positivste Aspekt dieser Arbeit ist zweifellos die Verstärkung des Kontaktes zu anderen Organisationen, welche revolutionäre Positionen vertreten, und dies wurde durch die Präsenz von vier Gruppen auf unserem 17. Kongress konkretisiert.“ [3]

 

Auf dem letzten Kongress der IKS wiesen wir auf einen internationalen Trend des Auftauchens neuer Gruppen und Einzelpersonen hin, die sich auf die Positionen der Kommunistischen Linken zubewegen. Wir unterstrichen sowohl die Bedeutung dieses Prozesses als auch die Verantwortung, die sich daraus für unsere Organisation ergibt.   „Die Arbeit dieses Kongresses drehte sich um die Analyse der Wiederbelebung des Kampfes der Arbeiterklasse und die entsprechende Verantwortung, vor die diese Entwicklung unsere Organisation stellt, insbesondere angesichts einer auftauchenden neuen Generation von Leuten, die sich einer revolutionären politischen Perspektive zuwenden.“[1]  „Die Verantwortung der revolutionären Organisation, und vor allem der IKS, besteht darin, aktiver Teil in diesem Denkprozess innerhalb der Klasse zu sein. Dies nicht nur durch aktive Interventionen in den sich entwickelnden Klassenkämpfen, sondern auch durch die Stimulierung der Gruppen und Einzelpersonen, die sich diesem Kampf anschließen wollen.“ [2] „Der Kongress hat ebenfalls eine sehr positive Bilanz über unsere Arbeit gegenüber Gruppen und Einzelpersonen gezogen, welche sich für die Verteidigung oder Annäherung an linkskommunistische Positionen einsetzen (…) der positivste Aspekt dieser Arbeit ist zweifellos die Verstärkung des Kontaktes zu anderen Organisationen, welche revolutionäre Positionen vertreten, und dies wurde durch die Präsenz von vier Gruppen auf unserem 17. Kongress konkretisiert.“ [3]

 

So konnten wir auf unserem letzten internationalen Kongress zum ersten Mal seit 25 Jahren Delegationen verschiedener Gruppen begrüßen, die eindeutig internationalistische Klassenpositionen vertreten (OPOP aus Brasilien, SPA aus Korea, EKS aus der Türkei, die Gruppe Internasyonalismo aus den Philippinien (4), obgleich letztere nicht direkt am Kongress teilnehmen konnte). Seitdem haben wir auch mit anderen Gruppen und Leuten aus anderen Teilen der Welt Kontakte geknüpft und Diskussionen geführt, insbesondere in Lateinamerika, wo wir öffentliche Diskussionsveranstaltungen in Peru, Ecuador, und Santo Domingo [5] abhalten konnten. Die Diskussionen mit uns bewogen die Genossen der EKS und Internasyonalismo dazu, ihre Aufnahme in die IKS zu beantragen, nachdem sie immer mehr mit unseren Positionen übereinstimmten. Seit einiger Zeit haben wir Diskussionen im Rahmen des Integrationsprozesses durchgeführt, die sich an dem ausrichteten, was wir in unserem Text "Wie der IKS beitreten?" geschrieben hatten.[6]  

In dieser Zeit haben sie vertieft über unsere Plattform diskutiert, wobei sie uns jeweils über den Stand der Diskussionen unterrichtet hatten. Mehrere Delegationen der IKS haben sie vor Ort besucht und waren von der tiefen militanten Überzeugung der GenossInnen und der Klarheit ihrer Übereinstimmung mit unseren Organisationsprinzipien sehr beeindruckt. Nach Abschluss dieser Diskussionen fasste das letzte Plenartreffen des Zentralorgans der IKS den Beschluss der Integration der beiden Gruppen als neue Sektionen unserer Organisation.

Die meisten der IKS-Sektionen befinden sich in Europa [7] oder in Amerika [8] - und bislang war die einzige Sektion außerhalb dieser beiden Kontinente die Sektion in Indien. Die Integration dieser beiden neuen Sektionen in unsere Organisation erweitert somit beträchtlich die geographische Ausdehnung der IKS.

Auf den Philippinen gab es in der letzten Zeit eine hohes industrielles Wachstum, wodurch auch die Zahl der Beschäftigten zunahm - ganz zu schweigen von der Diaspora von acht Millionen im Ausland tätiger philippinischer Arbeiter/Innen.  In den letzten Jahren hat dieses Wachstum viele Illusionen über einen angeblich „zweiten Frühling“ des Kapitalismus hervorgerufen. Dagegen wird es heute klar, dass die „Schwellenländer“ jetzt genauso wenig den Auswirkungen der Wirtschaftskrise entkommen können wie die „alten“ kapitalistischen Länder. Die Widersprüche des Kapitalismus werden sich deshalb in der nächsten Zeit in dieser Region gewalttätig zuspitzen, und dies wird unvermeidbar soziale Abwehrkämpfe hervorrufen, die sich nicht auf die Hungerrevolten wie die vom Frühjahr 2008 beschränken werden, sondern auch den Kampf der Arbeiterklasse umfassen werden.

Die Gründung einer Sektion der IKS in der Türkei verstärkt die Präsenz der IKS auf dem asiatischen Kontinent, insbesondere in einer Region, die in der Nähe der kritischsten Konfliktherde der heutigen imperialistischen Spannungen liegt: dem Mittleren Osten. Die GenossInnen der EKS intervenierten schon letztes Jahr mit einem Flugblatt, um die militärischen Manöver der türkischen Bourgeoisie in Nordirak anzuprangen (siehe dazu „Flugblatt der EKS: Gegen die jüngste Militäroperation der Türkei“ auf unserer Webseite).

Die IKS ist mehrfach beschuldigt worden, eine „eurozentristische“ Sichtweise der Entwicklung der Arbeiterkämpfe und der revolutionären Perspektiven zu haben, weil sie auf der entscheidenden Rolle des Proletariats Westeuropas hingewiesen hat. „Nur wenn die Arbeiterkämpfe direkt in den ökonomischen und politischen Zentren des Kapitalismus ausbrechen:

-              verbietet sich die Errichtung eines wirtschaftlichen Absperrringes von selbst, wären doch diesmal die reichsten Ökonomien davon betroffen;

-              verliert ein politischer Cordon sanitaire seine Wirksamkeit, da nun das höchstentwickelte Proletariat der stärksten Bourgeoisie gegenüberträte. Erst diese Kämpfe werden das Signal für die weltweite Ausdehnung geben.

(…) Nur durch einen Angriff auf das Herz und Hirn kann das Proletariat die kapitalistische Bestie zerstören.

Herz und Hirn der kapitalistischen Welt sind historisch seit Jahrhunderten in Westeuropa angesiedelt. Dort hat der Kapitalismus seine ersten Schritte getan, und dort wird auch die Weltrevolution ihre ersten Gehversuche unternehmen. Dort sind in der Tat alle Bedingungen für die Revolution am offenkundigsten und am weitesten fortgeschritten. (…) Es ist das westeuropäische Proletariat (ein Proletariat, das über die größte Kampferfahrung verfügt und das schon seit Jahrzehnten mit den heimtückischsten Mystifikationen der ‚Arbeiterparteien‘ zu tun hat) das der Vorreiter des Weltproletariats bei der Entwicklung des für die revolutionären Kämpfe unabdingbaren politischen Bewusstseins sein wird."[9]

Dies ist keine „eurozentristische“ Auffassung. Der Kapitalismus hat sich von Europa aus entwickelt, hier existiert das älteste Proletariat mit dem größten Erfahrungsschatz.

Unsere Organisation hat auf diese Beschuldigungen des „Eurozentrismus“ bereits geantwortet.

Vor allem sind wir immer davon ausgegangen, dass die Revolutionäre eine entscheidende Rolle in den Ländern der kapitalistischen Peripherie zu spielen haben.

„Das soll nicht heißen, dass der Klassenkampf oder die Aktivitäten der Revolutionäre in den anderen Weltteilen keinen Sinn machten. Die Arbeiterklasse ist ein unteilbares Ganzes. Der Klassenkampf existiert überall, wo sich Arbeit und Kapital gegenüberstehen. Die Lehren aus den verschiedenen Kämpfen sind für die gesamte Klasse gültig, gleichgültig, wo sie gemacht werden. Insbesondere wird die Erfahrung der Kämpfe in den peripheren Ländern den Verlauf der Kämpfe in den Zentren dieser Welt beeinflussen. Auch wird die Revolution weltweit sein, das heißt alle Länder umfassen. Die revolutionären Strömungen der Klasse sind überall wertvoll, wo die Arbeiterklasse mit der Bourgeoisie zusammenstößt, also  auf der ganzen Welt.“ (ebenda).

Dies trifft insbesondere auf Länder wie die Türkei und die Philippinien zu.

In diesen Ländern ist der Kampf zur Verteidigung der kommunistischen Ideen in der Tat sehr schwierig. Man muss den klassischen Mystifikationen der herrschenden Klasse zur Blockierung der Entwicklung des Klassenkampfes und der  Bewusstseinsentwicklung der Arbeiterklasse entgegentreten (die Illusionen in die Demokratie und die Wahlen, die Sabotage der Arbeiterkämpfe durch den Gewerkschaftsapparat, das Gewicht des Nationalismus). Aber mehr noch, der Kampf der Arbeiterklasse und der Revolutionäre prallt nicht nur direkt und unmittelbar mit den offiziellen Repressionskräften der Regierung zusammen, sondern auch mit bewaffneten Kräften, die gegen die Regierung kämpfen, wie die PKK in der Türkei oder die verschiedenen Guerillabewegungen auf den Philippinen. Diese stehen in Brutalität und Skrupellosigkeit der Regierung nichts nach, weil auch sie den Kapitalismus - wenn auch unter einem anderen Gewand - verteidigen. Dadurch werden die Aktivitäten der beiden neuen Sektionen der IKS gefährlicher als in Europa oder in Nordamerika sein.

Vor ihrem Beitritt in die IKS veröffentlichten die Genossen auf den Philippinen bereits ihre eigene Webseite auf Tagalog (die offizielle Amtssprache) sowie auf Englisch (das auf den Philippinen sehr weit verbreitet ist). Unter den gegenwärtigen Bedingungen können wir noch keine regelmäßige gedruckte Presse veröffentlichen (abgesehen von gelegentlich veröffentlichten Flugblättern) und unsere Webseite wird somit das Hauptmittel zur Verbreitung unserer Positionen werden.

Die Sektion in der Türkei wird weiterhin die Zeitschrift „Dunya Devrimi“ veröffentlichen, die nunmehr zum IKS-Organ in diesem Land werden wird.

Wie wir in unserer "International Review" Nr. 122 (deutsche Ausgabe Nr. 36, S. 7) schrieben:

"Wir heißen diese Genossinnen und Genossen, die sich den kommunistischen Positionen und unserer Organisation zuwenden, willkommen. Wir rufen ihnen zu: Ihr habt eine gute Wahl getroffen, die einzig mögliche, wenn ihr im Sinn habt, euch in den Kampf für die proletarische Revolution einzureihen. Aber es ist keine einfache Wahl: Ihr werdet nicht sofort Erfolg ernten, ihr werdet Geduld und Hartnäckigkeit brauchen und lernen müssen, nicht aufzugeben, wenn die erreichten Resultate noch nicht den gehegten Hoffnungen entsprechen. Aber ihr seid nicht allein: Die Militanten der IKS sind an eurer Seite,  und sie sind sich der Verantwortung bewusst, die eure Annäherung ihnen auferlegt. Ihr Wille, der am 16. Kongress zum Ausdruck kam, ist, auf der Höhe dieser Verantwortung zu sein." (IKS, 16. Kongress.). Diese Worte waren an all die Personen und Gruppen gerichtet, die sich dafür entschieden hatten, die Positionen der Kommunistischen Linken zu verteidigen. Sie treffen natürlich vor allem auf die beiden neuen Sektionen zu, die jetzt unserer Organisation beigetreten sind.

Die IKS heißt die beiden neuen Sektionen und die GenossInnen, die sie gegründet haben, herzlich und brüderlich willkommen.

IKS

 

Aktuelles und Laufendes: 

  • Kommunistische Linke Türkei [5]
  • Kommunistische Linke Philippinen [6]
  • Internationalisten Türkei [7]
  • Internationalisten Philippinen [8]

Streiks in den Erdölraffinerien und Kraftwerken: Arbeiter fangen an, den Nationalismus infrage zu stellen.

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Die Welle wilder Streiks, die durch den Kampf der Bauarbeiter der Lindsey Raffinerie ausgelöst wurde, war einer der wichtigsten Arbeiterkämpfe in Großbritannien seit den letzten 20 Jahren. Tausende von Bauarbeiter anderer Raffinerien und Kraftwerke traten aus Solidarität in den Streik. Massenversammlungen fanden regelmäßig statt. Arbeitslose Bau-, Stahl,- Hafen und andere Arbeiter schlossen sich den Streikposten an und demonstrierten außerhalb verschiedener Kraftwerke und Raffinerien. Die Arbeiter kümmerten sich nicht im Geringsten um das illegale Vorgehen, als sie ihre Solidarität mit den streikenden Kollegen, ihre Wut gegenüber der anschwellenden Arbeitslosigkeit und der Unfähigkeit der Regierung, dagegen etwas unternehmen zu können, zum Ausdruck brachten. Als 200 polnische Bauarbeiter sich dem Kampf anschlossen, wurde ein Höhepunkt erreicht, indem direkt der Nationalismus infragestellt wurde, welcher von Anfang an diese Bewegung überschattet hat. Die Welle wilder Streiks, die durch den Kampf der Bauarbeiter der Lindsey Raffinerie ausgelöst wurde, war einer der wichtigsten Arbeiterkämpfe in Großbritannien seit den letzten 20 Jahren. Tausende von Bauarbeiter anderer Raffinerien und Kraftwerke traten aus Solidarität in den Streik. Massenversammlungen fanden regelmäßig statt. Arbeitslose Bau-, Stahl,- Hafen und andere Arbeiter schlossen sich den Streikposten an und demonstrierten außerhalb verschiedener Kraftwerke und Raffinerien. Die Arbeiter kümmerten sich nicht im Geringsten um das illegale Vorgehen, als sie ihre Solidarität mit den streikenden Kollegen, ihre Wut gegenüber der anschwellenden Arbeitslosigkeit und der Unfähigkeit der Regierung, dagegen etwas unternehmen zu können, zum Ausdruck brachten. Als 200 polnische Bauarbeiter sich dem Kampf anschlossen, wurde ein Höhepunkt erreicht, indem direkt der Nationalismus infragestellt wurde, welcher von Anfang an diese Bewegung überschattet hat. Die Entlassung von 300 Zeitarbeitern bei der Lindsey Ölraffinerie, der Vorschlag, dass ein anderer Subunternehmer den Auftrag übernehmen und dabei auf 300 italienische und portugiesische Arbeiter zurückgreifen sollte (die wegen schlechterer Arbeitsbedingungen geringere Löhne erhalten), und die Ankündigung, dass kein Beschäftigter aus Großbritannien für diesen Auftrag zum Einsatz käme, brachten das Pulverfass der Unzufriedenheit unter den Bauarbeitern zur Explosion. Seit Jahren schon wurden immer mehr Bauarbeiter nach England gekarrt, die meist geringere Löhne bekamen und schlechtere Arbeitsbedingungen hatten, wodurch der Konkurrenzkampf unter den Arbeitern um Arbeitsplätze verschärft und die Löhne und Arbeitsbedingungen für alle Beschäftigten verschlechtert wurden. Zusammen mit der rezessionsbedingten Welle von Entlassungen in der Baubranche und in anderen Branchen wurde dadurch ein tiefgreifendes Gefühl der Kampfbereitschaft erweckt, welches sich nun in diesen Kämpfen äußert.

Von Anfang an stand diese Bewegung vor einer grundlegenden Frage, die nicht nur die Streikenden betraf, sondern die ganze Arbeiterklasse heute und in der Zukunft: Können wir uns gegen Arbeitslosigkeit und andere Angriffe wehren, indem wir uns als „britische Arbeiter“ betrachten und uns gegen „ausländische Arbeiter“ richten, oder müssen wir uns nicht als Arbeiter mit gemeinsamen Interessen mit allen anderen Arbeitern verstehen, egal woher die Arbeiter kommen. Dies ist eine zutiefst politische Frage, mit der sich diese Bewegung befassen muss.

Von Anfang an schienen die Kämpfe von Nationalismus beherrscht zu sein. Bilder von Arbeitern mit selbst gefertigten Spruchbändern wie „British Jobs for British Workers“ wurden gezeigt, und mehr professionell hergestellte Gewerkschaftsspruchbänder trugen die gleichen Forderungen vor. Offizielle Gewerkschaftsvertreter vertraten mehr oder weniger offen diese Forderung; die Medien sprachen von einem Kampf gegen ausländische Arbeiter und zeigten Arbeiter, die diese Meinung teilten. Diese Bewegung von wilden Streiks hätte potenziell durch den Nationalismus ertränkt und mit einer Niederlage für die Arbeiterklasse enden können, wobei sich die Arbeiter gegenseitig bekämpft und massenhaft nationalistische Forderungen vertreten und verlangt hätten, dass die wenigen Arbeitsstellen britischen Arbeitern vorbehalten bleiben und italienische und portugiesische Arbeiter ihre Stellen verlieren müssten. Die Fähigkeit der Arbeiterklasse, einen Abwehrkampf zu führen, wäre geschwächt worden und der herrschenden Klasse wäre es umso leichter gefallen, die Arbeiterklasse noch schärfer anzugreifen und sie zu spalten.

Die Berichterstattung in den Medien (und was einige der Arbeiter sagten) ließ einen leicht glauben, dass die Forderungen der Lindsey Beschäftigten tatsächlich „British Jobs for British Workers“ lauteten. Aber das stimmt nicht. Die in den Vollversammlungen diskutierten und abgestimmten Forderungen gingen keineswegs in diese Richtung, und es gab auch nicht diese Feindseligkeit gegenüber ausländischen Arbeitskräften. Komisch, wie die Medien dies ‚verpassten’. Sie brachten eher Illusionen in die Fähigkeit der Gewerkschaften zum Ausdruck, die Unternehmer daran zu hindern, die Arbeiter gegeneinander auszuspielen. Aber eine offene Form des Nationalismus trat nicht zutage. Der allgemeine Eindruck, welcher von den Medien vermittelt wurde, war, dass die Streikenden sich gegen ausländische Beschäftigte wandten.

Das fortdauernde Gewicht des Nationalismus

Der Nationalismus ist ein wesentlicher Bestandteil der kapitalistischen Ideologie. Jedes nationale Kapital kann nur durch einen gnadenlosen Konkurrenzkampf auf ökonomischer und militärischer Ebene mit den Rivalen überleben. Ihre Kultur, Medien, Bildung, ihre Unterhaltungsindustrie und Sport – sie alle verbreiten immerzu das nationalistische Gift und versuchen die Arbeiterklasse an die Nation zu fesseln. Die Arbeiterklasse kann dem Einfluss dieser Ideologie nicht entweichen. Aber wichtig an dieser Bewegung war, dass das Gewicht des Nationalismus infragestellt wurde, als die Arbeiter vor der Frage standen, ihre grundlegenden materiellen Interessen zu verteidigen.

Der nationalistische Slogan “British Jobs for British Workers”, welcher durch den Premierminister Gordon Brown von der British National Party (BNP) übernommen wurde, hat ein großes Unwohlsein unter den Streikenden und der Klasse hervorgerufen. Viele Streikenden erläuterten, dass sie keine Rassisten seien und auch nicht die BNP unterstützen, die, als sie bei den Streikposten auftauchte, meist von den Streikenden verjagt wurden.

Neben der Verwerfung der BNP versuchten natürlich viele im Fernsehen interviewte Arbeiter sich zur Bedeutung ihres Kampfes zu äußeren. Sie seien nicht gegen ausländische Arbeiter; sie selbst hätten im Ausland geschuftet, aber sie seien nunmehr arbeitslos oder sie wollten Arbeit für ihre Kinder haben, deshalb meinten sie, die Stellen sollten zunächst an „britische“ Arbeiter vergeben werden. Solche Auffassungen führen immer dazu, dass man davon ausgeht, „britische“ und „ausländische“ Arbeiter hätten keine gemeinsamen Interessen. Man wird somit zu einem Gefangenen des Nationalismus. Aber diese Äußerungen zeigten, dass ein Prozess des Nachdenkens, der Auseinandersetzung stattfindet.

Auf der anderen Seite betonten andere Beschäftigte die gemeinsamen Interessen aller Arbeiter und hoben hervor, dass sie Arbeit für alle Arbeiter wollten. „Ich wurde vor zwei Wochen als ein Stauer entlassen. Ich habe 11 Jahre lang in Cardiff und Barry Docks gearbeitet und bin heute hierher gekommen in der Hoffnung, dass wir die Regierung in Bedrängnis bringen können. Ich meine, das ganze Land sollte in Streik treten, da die ganze britische Industrie den Bach runter geht. Aber ich habe gar nichts gegen ausländische Arbeiter. Man kann ihnen nicht vorwerfen, dass sie dorthin gehen, wo es noch Arbeit gibt“. (Guardian On-Line 20.1.2009). Einige Arbeiter meinten auch, dass der Nationalismus eine wirkliche Gefahr sei. Ein im Ausland beschäftigter Arbeiter warnte auf einem Bauarbeiter-Internetforum vor den Versuchen der Unternehmer, die nationalen Spaltungen gegen die Arbeiter einzusetzen. „Die Massenmedien, die die nationalistischen Kreise aufgestachelt haben, werden sich gegen euch richten und die Demonstranten in das schlechtest mögliche Licht stellen. Das Spiel ist aus. Das Letzte, was die Unternehmer und die Regierung wollen, ist dass sich britische Arbeiter mit den Arbeitern aus anderen Ländern zusammenschließen. Sie meinen, sie könnten uns weiter an der Nase herumführen, dass wir uns gegenseitig bekämpfen. Es wird ihnen kalt den Rücken runter laufen, wenn sie feststellen, dass wir uns zusammenschließen“. Und in einem anderen Beitrag verband er diesen Kampf in Großbritannien mit den Kämpfen in Frankreich und Griechenland und der Notwendigkeit internationaler Verbindungen unter den Arbeitern. „Die massiven Proteste in Frankreich und Griechenland sind nur ein Vorläufer von dem, was wir noch sehen werden. Habt ihr jemals daran gedacht, mit diesen Arbeitern Kontakt aufzunehmen und zu ihnen Verbindungen herzustellen und damit europaweite Proteste gegen die Angriffe auf die Arbeiter zu entfalten? Das scheint ein viel besserer Weg anstatt zuzulassen, dass die wirklich schuldigen Parteien, diese Bande von Unternehmern, korrupten Gewerkschaftsführern und New Labour weiterhin von den Schwächen der Arbeiter profitieren“ (Thebearfacts.org). Arbeiter aus anderen Branchen der Wirtschaft meldeten sich auch auf diesem Forum zu Wort, um den nationalistischen Slogans entgegenzutreten.

Diese Diskussionen unter den am Streik Beteiligten und innerhalb der Klasse insgesamt über die Frage der nationalistischen Slogans erreichte am 3. Februar einen neuen Höhepunkt, als 200 Arbeiter aus Polen sich anderen 400 Beschäftigten in einem wilden Streik zur Unterstützung der Lindsey Arbeiter auf der Baustelle des Langage Kraftwerks in Plymouth anschlossen. Die Medien unternahmen alles, um diesen Schritt internationaler Solidarität zu vertuschen. Das örtliche BBC-Studio erwähnte den Streik überhaupt nicht und auf nationaler Ebene wurde er kaum erwähnt.

Die Solidarität dieser polnischen Arbeiter war besonders wichtig, weil sie sich letztes Jahr an einem ähnlichen Kampf beteiligt hatten. 18 Arbeiter waren seinerzeit entlassen worden und andere Arbeiter legten damals aus Solidarität die Arbeiter nieder, polnische Arbeiter eingeschlossen. Damals versuchte die Gewerkschaft den Kampf in einen Widerstand gegen die Anwesenheit von ausländischen Arbeitern zu verwandeln, aber die Streikbeteiligung von polnischen Arbeitern untergrub dieses Vorhaben.

Die Beschäftigten von Langage nahmen diesen Kampf mit einem gewissen Bewusstsein auf, wie die Gewerkschaften versucht haben, mit Hilfe des Nationalismus die Arbeiter zu spalten. Ein Tag nach der Arbeitsniederlegung wurde auf einer Vollversammlung in Lindsey ein selbst angefertigtes Schild hochgehalten: „"Langage Power Station - Polish Workers Join Strike: Solidarity", (Kraftwerk Langage – Polnische Arbeiter schließen sich dem Kampf an – Solidarität“), was bedeutete, dass einer oder mehrere polnische Arbeiter die siebenstündige Reise auf sich genommen hatten, um dort hinzufahren und dass ein Beschäftigter in Lindsey diese Aktion hervorheben wollte.

Gleichzeitig tauchte bei den Streikposten in Lindsey ein Schild auf, in dem italienische Arbeiter aufgerufen wurden, sich dem Streik anzuschließen. Es war auf englisch und italienisch verfasst, und es wurde berichtet, dass einige Arbeiter Parolen hochhielten wie „Arbeiter aller Länder, vereinigt Euch“ (Guardian, 5.2.09). Kurzum, wir sehen den Anfang einer bewussten Anstrengung seitens einiger Arbeiter, für einen wirklich proletarischen Internationalismus einzutreten; ein Schritt, der nur zu mehr Nachdenken und Diskussionen innerhalb der Klasse führen kann.

All dies erfordert, dass der Kampf eine neue Stufe erreichen muss, in dem man sich direkt gegen die Kampagne wendet, den Kampf als eine nationalistische Regung darzustellen. Das Beispiel der polnischen Arbeiter zeigt die Möglichkeit auf, dass sich Tausende von ausländischen Arbeitern dem Kampf auf den größten Baustellen in Großbritannien wie auf den Baustellen der Olympiade in Ost-London anschließen. Es bestand auch die Gefahr, dass die Medien die internationalistischen Sogans nicht hätten vertuschen können. Damit wären die nationalistischen Hürden überwunden worden, welche die Herrschenden zwischen den kämpfenden Arbeitern und dem Rest der Klasse errichtet haben. Es ist kein Zufall, dass der Konflikt so schnell gelöst wurde. Innerhalb von 24 Stunden wechselten die Gewerkschaften, die Unternehmer und die Regierung den Ton. Während sie anfangs sagten, es werde Tage, wenn nicht Wochen dauern, um den Streik beizulegen, wurde er dadurch schnell beigelegt, dass zusätzlich 102 Arbeitsplätze errichtet werden, auf die sich „britische Arbeitskräfte“ bewerben können. Dies war eine Einigung, mit der die meisten Streikenden sich scheinbar zufrieden gaben, weil damit kein Verlust von Arbeitsplätzen für die italienischen und portugiesischen Arbeiter verbunden war, sondern wie ein Streikender meinte: „warum sollten wir kämpfen müssen, nur um Arbeit zu bekommen?“

Innerhalb von wenigen Wochen fanden die größten wilden Streiks seit Jahrzehnten statt. Arbeiter haben Vollversammlungen abgehalten und ohne zu zögern illegale Solidaritätsaktionen durchgeführt. Ein Kampf, der im Nationalismus hätte erstickt werden können, fing an, dieses Gift infrage zu stellen. Dies bedeutet nicht, dass damit die Gefahr des Nationalismus abgewendet ist. Er ist eine ständige Gefahr, aber diese Bewegung hat für spätere Kämpfe viele wichtige Lehren zu bieten. Der Anblick von Spruchbändern auf angeblich nationalistischen Streikposten, auf denen „Arbeiter aller Länder, vereinigt Euch“ gefordert wird, wird innerhalb der herrschenden Klasse große Sorgen über das, was die Zukunft bringen wird, hervorrufen.

Phil, 7.2.09 - aus der Presse der Internationalen Kommunistischen Strömung in Großbritannien

Aktuelles und Laufendes: 

  • Nationalismus [9]
  • wilde Streiks in England [10]
  • British jobs for British workers [11]

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