Der
sozialistische Gedanke, der in unserer Zeit stärker als je die Geister bewegt, ist
nicht erst in der Gegenwart oder der jüngsten Vergangenheit lebendig geworden,
sondern er kann auf eine Jahrtausende lange Geschichte zurückblicken. Das was
man heute gemeinhin unter Sozialismus oder Kommunismus versteht, der
proletarische Sozialismus, ist zwar jungen Datums, ist kaum ein Jahrhundert
alt. Aber zu allen Zeiten hat es Denker gegeben, die, wenn auch gefühlmäßig
und unklar, der auf Ausbeutung und Unterdrückung beruhenden Gesellschaft ein
neues Kulturideal gegenüberstellten, die einen Zustand herbeisehnten, in dem
nicht mehr Willkür und Macht, sondern Recht und Gerechtigkeit bestimmend wären
für die Beziehungen von Mensch zu Mensch. Alle diese Denker können sich
Sozialisten nennen, können darauf Anspruch erheben, als Sozialisten anerkannt
zu werden; denn sie alle weisen in ihrer Zielsetzung auf das Ideal des
Sozialismus hin. Es kann aber nicht wundernehmen, dass über dieses eine, allen
sozialistischen Denkern gemeinsame Ziel hinaus die Gedanken dieser
verschiedenen Sozialisten in mannigfacher Weise von einander abweichen. Klar
und deutlich lassen sich in der sozialistischen Geistesweit namentlich zwei Strömungen
unterscheiden, in die wir die Gesamtheit der sozialistischen Systeme gliedern
wollen: 1. der utopische oder naturrechtliche Sozialismus, auch als „nationaler"
Sozialismus bezeichnet, und 2. der entwicklungsgeschichtliche, moderne oder
wissenschaftliche Sozialismus: der Marxismus.