Gespeichert von Weltrevolution am
Zunahme der Arbeiterkämpfe weltweit Verarmung, Prekarisierung, Preissteigerungen von Lebensmitteln - vor all diesen Fragen stehen auf der ganzen Welt immer mehr Menschen. Die herrschende Klasse selbst ist besorgt über die weltweite Zuspitzung all dieser Phänomene. Heute schon verhungern jeden Tag 100.000 Menschen auf der ganzen Erde. Während der letzten drei Jahre sind die Lebensmittelpreise um 83% gestiegen. Der Weizenpreis ist sogar um 181% nach oben geschnellt. In den USA wurde Reis schon teilweise rationiert. Schon bei den großen Hungerkatastrophen der letzten Jahrzehnte - in der Sahelzone, Äthiopien, Darfur usw., welche von den Medien als eine "Naturkatastrophe" dargestellt wurden, war in Wirklichkeit das kapitalistische System verantwortlich. Jetzt werden immer mehr Menschen aufgrund der steigenden Lebensmittelpreise mit dem Problem des Hungers konfrontiert. Jean Ziegler, UN-Sonderbeauftragter für das Recht auf Ernährung, erklärte: "Wir stehen vor einem langen Zeitraum von Aufständen, Konflikten, einer Welle von unkontrollierbaren Destabilisierungen ganzer Regionen". Selbst die Weltbank gesteht ein, dass "der Anstieg der Lebensmittelpreise kein vorübergehendes Phänomen" und diese weiter bis mindestens 2015 steigen würden. Immer mehr Menschen werden verhungern, weil das kapitalistische System in der Krise versinkt. Weil nunmehr die Immobilienspekulation nicht mehr lukrativ ist, stürzen sich die Spekulanten jetzt auf Rohstoffe, vor allem aber auf Grundnahrungsmittel.
Hungerrevolten
In den letzten Monaten hat es schon Hungerrevolten in einer Reihe von Ländern gegeben (siehe dazu den Artikel in dieser Zeitung). In den meisten Ländern hat die herrschende Klasse mit Repression reagiert: Über 200 Protestierende wurden im Februar in Burkina Faso erschossen, mehr als 100 Tote im Kamerun. Auch in Haiti und Ägypten schossen Polizisten auf Demonstranten. Aber dieses Mal entwickelt sich neben dem Protest der Hungernden in den Ländern der 3. Welt eine wachsende Kampfbereitschaft der Arbeiter in den Industriestaaten. Auch in den modernen Arbeitslagern der "Schwellenländer" flammen immer mehr Kämpfe auf. Oft versucht die Propaganda der herrschenden Klasse die Ausgebeuteten zwischen Nord und Süd zu spalten, als ob die Menschen im Norden "privilegiert" und die Ausgebeuteten im Süden zu einem wirksamen Widerstand unfähig wären. Durch diese Beschuldigung "privilegiert" zu sein, sollen hinterlistig Schuldgefühle geweckt werden, obwohl in Wirklichkeit das System verantwortlich ist für die Misere. Aber diese Taktik geht so nicht mehr auf. Denn bei den jüngsten Abwehrkämpfen der Arbeiterklasse kam trotz des weit verbreiteten Individualismus immer mehr ein Streben nach Solidarität zum Ausdruck.
Eine einzige Antwort gegenüber dem weltweiten Bankrott des Kapitalismus: Solidarität und Einheit der Arbeiterklasse
In den letzten Jahren haben sich immer mehr Abwehrkämpfe der Arbeiterklasse entwickelt - sowohl in den ärmsten Ländern als auch in im Zentrum des Kapitalismus, insbesondere in Europa.
Seit mehr als zwei Jahren brechen immer wieder zahlreiche Kämpfe in Ägypten aus. Insbesondere die Textilfabrik Ghazl al-Mahalla im Norden Kairos stand im Mittelpunkt. Und immer wieder attackierte die Polizei die Beschäftigten. Weil die gewerkschaftliche Kontrolle über die Arbeiterkämpfe schwach ist, können die Kämpfe massiver werden und die Arbeiter radikalere Forderungen stellen. Auch haben die Arbeiter, weil sie ohne die Gewerkschaften kämpften, ihre Kämpfe leichter ausdehnen können. Die Bewegung hat auf andere Bereiche übergegriffen - Eisenbahnen, Finanzbeamte, Postbeschäftigte, Universitäten in Kairo, Alexandria, Mansur.
Im Iran erschütterte eine massive Streikwelle das Land. Im Januar streikten die Teheraner-Busfahrer. Im Februar demonstrierten die Arbeiter einer Zuckerfabrik für höhere Löhne. Im Norden und im Süden des Landes traten zahlreiche Beschäftigte in den Ausstand wegen nicht gezahlter Löhne. Immer wieder hießen die Slogans "Wir wollen essen". Jedes Mal reagierte die Regierung mit brutaler Repression. Normale Polizeikräfte und die Geheimpolizei VEVAK gingen gegen die Arbeiter vor. An mehreren Orten wurden Hunderte Streikende verhaftet.
Seit Anfang des Jahres wurden mehr als 150 Streiks in Vietnam registriert. Jüngst streikten 17.000 Arbeiterinnen einer Nike-Schuhfabrik im Süden Vietnams um Lohnerhöhungen durchzusetzen. Die Arbeiterinnen konnten nur die Hälfte der geforderten Lohnerhöhung erzwingen, aber nach gewalttätigen Auseinandersetzungen musste die Fabrik drei Tage lang geschlossen werden. 10.000 Beschäftigte einer Spielzeugfabrik in Danang traten ebenfalls in den Streik, um längere Urlaubszeiten und Zulagen zu erhalten.
In Rumänien haben die Renaultbeschäftigten des Dacia-Werkes eine Lohnerhöhung von 40% (=100 Euro) nach einem wochenlangen Streik durchsetzen können. Im Osten des Landes traten 4.000 Beschäftigte von Arcelo Mittal in Galati in den unbefristeten Ausstand. Sie wollten eine Verdoppelung ihrer Löhne, Wochenendzulagen und Beihilfen für die Familien von Stahlarbeitern durchsetzen, die einen Arbeitsunfall erlitten hatten oder gar durch einen Unfall ums Leben gekommen waren. Die Werksleitung hat sofort eine 12%ige Lohnerhöhung zugestanden. Aber der Streik wurde gerichtlich aufgrund von "Sicherheitsgründen beim Betrieb der Hochöfen" für verboten erklärten. Während die Kapitalisten immer mehr Arbeitsplätze verlagern und die Arbeiter in den westlichen Industriestaaten damit erpressen, zeigen diese Kämpfe in den "Billiglohnländern", dass auch dort die Arbeiter ausgebeutet werden und den gleichen Kampf wie ihre Klassenbrüder- und -schwestern im Westen zu führen haben. Überall auf der Welt muss die Arbeiterklasse für Solidarität und Zusammenschluss ihrer Kämpfe eintreten.
In Polen streikten im Januar und Februar die Bergarbeiter von Budryk in Omontowice in Schlesien 46 Tage lang, um Lohnanpassungen an die Löhne anderer Beschäftigter zu verlangen. Dies war der größte Streik seit 1989. Auch Bergwerke wurden dabei besetzt. Zwei Drittel der Bevölkerung unterstützte den Streik. Viele andere Beschäftigte des öffentlichen Dienstes legten ebenfalls die Arbeit nieder. Die große Streikwelle im Sommer 1980 war von der damals gegründeten Gewerkschaft Solidarnosc gebremst und schließlich sabotiert worden. Dieses Mal beschimpfte die Gewerkschaft Solidarnosc und die Gewerkschaftszentrale ZZG die Streikenden als "Lumpen". Bergarbeiterfrauen demonstrierten in Warschau zur Unterstützung ihrer Männer.
Aber der Widerstand der Arbeiter nimmt auch in den Industriezentren des Kapitalismus selbst zu.
In Großbritannien streikten am 24. April ca. 400.000 Beschäftigte des öffentlichen Dienstes gegen die sinkende Kaufkraft und die Angriffe der Labourregierung. Zum ersten Mal seit 21 Jahren wurde im Erziehungswesen gestreikt; dort allein streikten 200.000 Lehrer. Auch Beschäftigte der Stadtverwaltungen legten massiv die Arbeit nieder - wie in Birmingham 20.000. Beschäftigte der Ölraffinerien in Grangemouth in Schottland wehrten sich gegen Pensionskürzungen. In London drohten die Beschäftigten der U-Bahn mit einem dreitägigen Streik vom 6.-8. April, um gegen eine Absenkung des Sicherheitsstandards aus Kostengründen zu protestieren - die Geschäftsleitung gab nach.
In Deutschland gab es nach dem letztendlich erfolglosen Abwehrkampf der Nokianer gegen die Werksschließung in Bochum, bei denen sie von den Beschäftigten der benachbarten Opelwerke aktiv unterstützt wurden, eine Reihe von Arbeitsniederlegungen in der Stahlindustrie, die zu Lohnerhöhungen von 5.4% für die 93.000 Beschäftigten führten. Danach erlebte das Land eine Reihe von Tarifauseinandersetzungen, insbesondere im öffentlichen Dienst in der ersten Märzwoche. Die Gewerkschaften waren gezwungen, einen mehrere Wochen dauernden Streik bei der BVG in Berlin sowie Warnstreiks in den Krankenhäusern, Kita’s, an vielen Flughäfen und in den Verwaltungen zuzulassen. Unter dem Druck der Arbeiter drohte Verdi mit einem massiven, unbefristeten Streik Ende März/Anfang April für eine Lohnerhöhung von 8%, während die Arbeitgeberseite lediglich die Hälfte zugestehen und gleichzeitig eine Verlängerung der Wochenarbeitszeit durchsetzen wollte. Zugleich drohte ein unbefristeter Streik bei der Deutschen Post ab Anfang Mai, da die Beschäftigten sowohl eine Lohnerhöhung von 7% als auch die Abwehr von Entlassungen anstrebten.
Während Verdi gezwungen war, den BVG-Streik in Berlin hinzunehmen, sorgte sie für ein Abwürgen des Streiks im öffentlichen Dienst in den anderen Bereichen, um die Beschäftigten des Transportbereiches in der Hauptstadt zu isolieren, sowie anschließend für einen Abschluss im öffentlichen Dienst, der die Lage an der Streikfront insgesamt beruhigen sollte. Der darauf folgende Abschluss bei der Post wird inzwischen von vielen Beschäftigten als Mogelpackung empfunden, da sowohl die ausgehandelten Lohnerhöhungen als auch die Arbeitsplatzgarantie genauso wie bei der Deutsche Bahn durch Ausgliederungen unterlaufen werden sollen. Zwar hat in Deutschland die Kapitalseite keine wesentlichen Angriffe zurückgenommen, und dennoch kann man als Bilanz der Kämpfe im ersten Halbjahr auch die Schlussfolgerung ziehen, dass die Herrschenden hier und da momentan höheren Abschlüssen, als sie sich gewünscht hätten, zustimmen mussten, um der Gefahr der Gleichzeitigkeit größerer Kämpfe vorzubeugen.
Auch bei den Streiks der Renault-Arbeiter in Rumänien ist auffallend, dass die Arbeiter zumindest einen Teil ihrer Forderungen durchgesetzt haben, obwohl die Regierung in Bukarest das Schreckgespenst der Abwanderung des Auslandskapitals an die Wand malte. Auch wenn die Weltarbeiterklasse die Verschlechterung ihrer Lage nicht verhindern kann, so zeigt sich doch, dass es sich lohnt, sich zur Wehr zu setzen, und der Konkurrenz unter den Lohnarbeitern die Solidarität der Arbeiterklasse entgegenzusetzen. Internationale Solidarität ist unsere Antwort auf die weltweite Erpressung durch das Kapital.
Hin zur Zusammenführung der Kämpfe
All diese Beispiele zeigen auf, dass die Arbeiter überall auf der Welt immer mehr aus den gleichen Gründen zum Kampf gezwungen werden. Zunächst und vor allem lassen Preissteigerungen und Lohnsenkungen das Überleben immer schwieriger werden. Hinzu kommen immer schlechtere, unerträglichere Arbeitsbedingungen, ein immer späteres Renteneintrittsalter mit immer geringeren Renten und der Perspektive der Altersarmut, immer prekärere Arbeitsbedingungen. Man muss die Entwicklung der letzten Jahre mit Abstand betrachten. Die Arbeiter fangen nicht nur an, langsam den Kampf wieder aufzunehmen, sondern die Kämpfe nehmen eine neue Dimension aufgrund ihrer internationalen Gleichzeitigkeit und ihrer Ausdehnung an. Die gemeinsame Wurzel der Arbeiterkämpfe in der Peripherie und dem Herz des Kapitalismus in der weltweiten kapitalistischen Krise wird immer deutlicher. Daraus werden in der Zukunft neue Perspektiven für die Zusammenführung der Kämpfe erwachsen. Diese Perspektive ist umso wichtiger, da ansonsten die Gefahr droht, dass die Herrschenden bei ihren Versuchen erfolgreicher werden, die Besitzlosen gegeneinander aufzuhetzen wie es derzeit in Johannesburg und anderen Großstädten Südafrikas geschieht.
Während die Kämpfe in der Peripherie massiver werden, kann man die gleiche Tendenz in den Industriezentren vernehmen, wo die Arbeiter über mehr Erfahrung verfügen, aber die Bourgeoisie auch beim Aufstellen von Fallen geschickter ist. Auch wenn sie immer unerträglicheren Bedingungen ausgesetzt ist, mit einer immer größeren Armut und einer immer heftigeren Repression konfrontiert wird, ist die Arbeiterklasse dazu fähig, sich zu wehren. Anstatt sich kampflos geschlagen zu geben, erhebt die Arbeiterklasse immer mehr die Stirn. Die Verteidigung unserer Würde ist eine zutiefst moralische Angelegenheit der Arbeiterklasse und die Verteidigung unserer Würde gibt uns Selbstvertrauen und stärkt unsere Kräfte.
Map, Mitte Mai 08