Sparprogramm der Bundesregierung: Die Arbeiter sollen für die Krise blechen

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Genau wie alle anderen Regierungen der Welt hat auch die deutsche Regierung ein Sparpaket verabschiedet, welches wie woanders die Kosten der Krise auf die Arbeiter abwälzen soll.

Die Bedürftigsten wie immer zuerst…

Bis 2014 wollen Union und FDP im Bundeshaushalt 81,6 Milliarden Euro einsparen. Die Arbeitslosen sind wohl die großen Verlierer des Sparpakets. Rund 30 Milliarden Euro will die Regierung bis 2014 aus dem Sozialbereich quetschen - Langzeitarbeitslose können sich auf allerlei Kürzungen einstellen. So soll der befristete Zuschlag beim Übergang vom Arbeitslosengeld I ins Arbeitslosengeld II ebenso gestrichen werden, wie der Zuschuss zur Rentenversicherung. Hartz-IV-Empfänger verlieren zudem ihren Anspruch auf Elterngeld. Künftig soll die Bundesagentur für Arbeit stärker selbst entscheiden können, wem welche Gelder zugestanden werden. Dazu sollen Pflichtleistungen in Ermessensleistungen umgewandelt werden. Der Heizkostenzuschuss für Wohngeldempfänger, der 2009 wegen der hohen Energiekosten eingeführt worden war, wird wieder abgeschafft. Im Öffentlichen Dienst sollen 15.000 Stellen gestrichen werden.“ (Siehe Spiegelonline)

Bei den ersten Reaktionen auf die Ankündigung der Sparbeschlüsse konnte man selbst in den bürgerlichen Medien häufig lesen: „Wieder einmal wird auf Kosten der Armen gespart“, so dass sogar Manager aus dem Unternehmerlager, die eingestanden, ziemlich ungeschoren davonzukommen, ihre Bereitschaft bekundeten, ebenfalls ihren Beitrag zu den Sparanstrengungen zu leisten. Aber das hielt die Bundesregierung nicht davon ab, just gegen Ende der Fußballweltmeisterschaft in Südafrika, die für genügend Ablenkung gesorgt hatte, zuzuschlagen und kräftige Erhöhungen der Beiträge im Gesundheitswesen durchzudrücken.

Sparpaket = Spaltungspaket

Auch wenn die Bundesregierung mit ihrem Sparpaket in die gleiche Richtung drängt wie die anderen Regierungen auf der Welt, die die Arbeiterklasse zur Kasse bitten, geht sie dennoch nicht blindlings und unüberlegt vor. Denn während sie zwar unnachgiebig gegenüber anderen Regierungen wie z.B. der griechischen brutale Sparprogramme fordert, bevor sie irgendwelche Rettungspakete unterschreibt, und auch (wie wir im nebenstehenden Artikel dargestellt haben) international im Vergleich zu den USA auf rigorose Sparprogramme drängt, hat sie im Augenblick noch den Spielraum und auch die politische Cleverness, in Deutschland scheibchenweise zuzuschlagen. Es geht explizit darum, Erwerbslose und Beschäftigte auseinander zu dividieren. Zwar wurde der Kern der industriellen Arbeiterklasse beim ersten Sparpaket noch von den heftigsten Angriffen weitestgehend ausgenommen. Die Zuschläge für Nachtschicht- und Wochenendarbeit in der Industrie bleiben vorerst von der Steuer verschont; auch werden Sozialabgaben auf die Löhne noch nicht erhöht. Aber wie wenig die Beschäftigten in Wirklichkeit ausgespart werden sollen, hat gleich die „Gesundheitsreform“ gezeigt, die alle Lohnabhängigen kräftig zur Kasse bittet, dafür aber die Entlastung der Unternehmer für die nächsten Jahren schon festgeschrieben hat.

Der Hintergrund: Gegenwärtig zieht vor allem im Exportsektor die Produktion wieder an. Auf den ersten Blick scheint eine Rechnung aufgegangen zu sein, die das deutsche Kapital zu Beginn der Beschleunigung der Krise aufgestellt hatte. Über eine Million Arbeiter - vor allem im Maschinenbau und anderen exportstarken Branchen (z.B. Chemie, Elektroindustrie, Autobau) - wurden in Kurzarbeit geschickt. Davon sind nun wider Erwarten viele nicht arbeitslos geworden, sondern konnten wieder in die Produktion mit einsteigen. Und während in den Nachbarländern die Arbeitslosigkeit stark anschwoll (zum Teil um mehr als 50%) oder sie sich wie in den USA verdoppelte, ist sie in Deutschland 2009 nur geringfügig angestiegen, in der jüngsten Zeit gar minimal rückläufig. Deutschland ist das einzige Land, in dem die offizielle Arbeitslosenquote heute niedriger liegt als vor dem Ausbruch der Wirtschaftskrise im Frühjahr 2008 (Spiegel, 17/2010).

Die widersprüchliche Lage des deutschen Kapitals

Diese gegenwärtig günstige Situation für das deutsche Kapital ist auf mehrere Faktoren zurückzuführen: Deutschland profitiert von den Konjunkturprogrammen, die in den USA und vor allem in China für eine Ankurbelung der Wirtschaft sorgten. (1)

Während der Gesamtexport 2009 um fast 18% sank, stiegen die Ausfuhren nach China um 7%. „Den deutschen Maschinenbau hat Fernost regelrecht gerettet. China ist jetzt der wichtigste Auslandsmarkt. Für VW ist China wichtiger als Deutschland. Auf deutscher Seite hat sich der Anteil Chinas an den Ausfuhren in den vergangenen zehn Jahren mehr als verdreifacht.“ (FAZ, 12.5.10). Generell hat der Export die Wirtschaft angefeuert. „Die Unternehmen verkauften Waren im Wert von 77,5 Milliarden Euro ins Ausland - 28,8 Prozent mehr als im Mai 2009. Das war der kräftigste Anstieg seit Mai 2000 mit 30,7 Prozent, teilte das Statistische Bundesamt mit. Allerdings waren die Exporte vor einem Jahr wegen der weltweiten Wirtschaftskrise auch um ein Viertel eingebrochen. Besonders stark stiegen die Ausfuhren in die Staaten außerhalb Europas: Hier lag das Plus bei 39,5 Prozent, während die Geschäfte mit den anderen Euro-Staaten um 21,4 Prozent zulegten.“ (Spiegelonline)

Dies wird zurzeit begünstigt durch den seit Jahresbeginn stark gefallenen Eurokurs (-15%). Erleichtert wurde die Exportoffensive auch durch die stark gesunkenen Lohnstückkosten, welche nach einer vor Jahren eingefädelten Ausweitung des Niedriglohnsektors landesweit gesunken sind. Denn in anderen EU-Ländern waren die Lohnstückkosten in den ersten Jahren des ersten Jahrzehnts gestiegen, wohingegen sie in Deutschland im ersten Jahrzehnt fielen. Dass nun diese Lohnsenkungen, die in anderen Ländern zum Teil eher in einem „Hau-Ruck-Ansatz“ eingeführt werden, in Deutschland schon vor Jahren umgesetzt wurden, ist eines der "historischen Verdienste" der rot-grünen Regierung, das dem deutschen Kapital zugute kommt. Auch dieses Jahr noch hat der jüngste IG-Metall-Abschluss in enger Absprache mit der SPD für weitere Lohnverzichte gesorgt.

Darüber hinaus profitieren deutsche Firmen im Augenblick von günstigen Zinskonditionen. Denn während die Staatsanleihen in den „PIIGS“-Ländern nur zu hohen Zinsen gekauft werden können, hat in Deutschland ein Run auf zinsgünstige deutsche Staatsanleihen eingesetzt. Dies begünstigt im Augenblick noch die günstige Kreditaufnahme für das deutsche Kapital, mit dem Vorteil einer großen Zinsersparnis für den deutschen Staat, der auch trotz aller Sparbeschlüsse noch immer neue Rekordverschuldungen eingehen muss.

Der vorübergehende Charakter der jetzigen „Erholung“

Auf der einen Seite schnellen die Schulden des deutschen Staats in die Höhe. Bund, Länder und Kommunen mussten im ersten Quartal neue Verpflichtungen eingehen sie stehen mit insgesamt 1,711 Billionen Euro in der Kreide. Die Schulden des Bundes stiegen um 1,1 Prozent auf 1,066 Billionen Euro, die der Länder um 1,2 Prozent auf 533 Milliarden Euro und die der Kommunen um ein Prozent auf 112,5 Milliarden Euro. Dies zwingt zur Verabschiedung von Sparpaketen.

Gleichzeitig hat die Verabschiedung der jüngsten Rettungspakete zur Stützung des Euros deutlich werden lassen, dass das deutsche Kapital innerhalb der EU am stärksten mit einspringen muss. So muss das deutsche Kapital selbst immer größere Risiken eingehen um der Gefahr der Zahlungsunfähigkeit europäischer Konkurrenten entgegenzutreten, es muss also immer waghalsiger und somit immer verletzlicher werden – auch wenn es im Augenblick noch die Mittel hat, Zeit herauszuschinden. Die Stunde der Wahrheit aber wird kommen.

Was bislang als große Stärke angesehen werden konnte, d.h. die Exportrekorde, bewirkt aber auch eine besondere Verwundbarkeit Deutschlands. Jeder fünfte Arbeitsplatz hängt am Export, das sind acht Millionen Jobs. Inzwischen beträgt der Anteil der Ausfuhren am BIP 47%, Anfang der 1990er Jahre lang er noch bei ca. 20%. Selbst China, die Werkbank der Welt, besitzt mit einem Exportanteil von 36% eine Wirtschaft, die nicht so stark exportabhängig ist. Jedes Mal, wenn der Weltmarkt schrumpft, wird wegen der hohen Exportabhängigkeit die deutsche Wirtschaft stärker angeschlagen. So sank in Deutschland das BIP 2009 um -5.3%, in Frankreich -2.4%, in Großbritannien -4.4%, in den USA -2.7% gegenüber 2008. Eine Folge: In Deutschland stieg die Arbeitslosigkeit in Süddeutschland, insbesondere in Baden-Württemberg, d.h. in den exportstarken Regionen am stärksten. Zwar trägt zum Beispiel in Großbritannien das verarbeitende Gewerbe nur noch zu 13% zur Wertschöpfung bei, in Deutschland sind es ca. 23%, dennoch schrumpfen die Weltmärkte, weil Konjunkturblasen irgendwo platzen und gerät besonders Deutschland in Bedrängnis. Deshalb bangen alle darum, wann die chinesische Blase platzen wird. „Manche Experten fürchten, dass die Wirtschaft nach kurzem Aufflackern der Wachstumskräfte weltweit wieder in die Rezession zurückfällt, weil zahlreiche Konjunkturprogramme auslaufen. Sie sprechen in diesem Zusammenhang von einem „double dip“, als einem zweifachen Knick nach unten“. (Spiegel, 27/2010).

Insofern ist es nur eine Frage der Zeit, bis es auch den in Lohn und Brot stehenden Arbeitern im exportstarken Deutschland so richtig an den Kragen geht….

Und die Arbeiter sich hierzulande noch mehr wehren müssen.

(1) China ist der grösste Automarkt der Welt.

„Gegen die Bremswirkung der globalen Krise, die selbstverständlich auch China getroffen hat, ist Peking mit einem gigantischen Konjunkturpaket vorgegangen: Umgerechnet 400 Milliarden Euro pumpte der Staat vor allem in Infrastrukturinvestitionen wie Straßen- und Schienennetze, Flughäfen und Sportstätten – ganz gleich, ob sie gebraucht wurden oder nicht. Hinzu kamen Anreize für den Autokauf und andere Waren. Doch das war alles nichts gegen die umgerechnet fast 1000 Milliarden Euro, die von den Banken an Krediten unters Volk gebracht wurden.“ (Rheinische Post, 15.7.10) Im Juni wurden in China 1,04 Millionen Autos verkauft. Im März aber gab es noch einen Rekordabsatz von 1,7 Millionen Fahrzeugen. 2000 Autos werden jeden Tag in Peking verkauft. In Berlin waren es 2009 täglich 261.

 

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