Battaglia Comunista wendet sich von einem marxistischen Schlüsselkonzept ab: der Dekadenz der Produktionsweisen

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Die Theorie der Dekadenz im Zentrum des Historischen Materialismus

Battaglia Comunista wendet sich von einem marxistischen Schlüsselkonzept ab: der Dekadenz der Produktionsweisen

In der letzten Ausgabe der Internationalen Revue 34 haben wir ausführlich und gestützt auf Passagen aus ihren Hauptschriften in Erinnerung gerufen, wie Marx und Engels die Begriffe des Aufstiegs und der Dekadenz einer Produktionsweise definierten. Wir sahen, dass der Begriff der Dekadenz sich im eigentlichen Zentrum des historischen Materialismus, in der Analyse der Aufeinanderfolge der verschiedenen Produktionsweisen, befindet. In einem weiteren Artikel werden wir aufzeigen, dass dieses Konzept auch an zentraler Stelle in den Programmen der 2. und 3. Internationalen sowie der marxistischen Linken stand, die aus Letzterer stammte und in denen die Gruppen der Kommunistischen Linken heute ihren Ursprung haben.
Wir haben mit der Veröffentlichung einer neuen Artikelreihe1 über die „Dekadenztheorie im Zentrum des Historischen Materialismus“ begonnen, um sowohl auf völlig legitime Fragen zum Thema als auch und vor allem auf die Konfusionen zu antworten, die von jenen in Umlauf gesetzt werden, die dem Druck der bürgerlichen Ideologie nachgegeben und sich von diesem Grundsatz des Marxismus abgewendet haben. Der Artikel, der von Battaglia Comunista veröffentlicht wurde und den schamhaften Titel „Für eine Definition des Konzepts der Dekadenz“2 trägt, ist ein erstklassiges Beispiel dafür. Wir haben bereits die Gelegenheit genutzt, einige seiner Hauptideen zu kritisieren .3 Doch die Publicity, die diesem Artikel gewidmet wurde, seine Übersetzung in drei Sprachen, die Tatsache, dass er innerhalb des IBRP eine Diskussion über die Frage der Dekadenz ausgelöst hat, und die Einleitung, die die CWO4 in ihrer eigenen Zeitschrift5 veröffentlicht hat, veranlassen uns, zum Thema zurückzukehren und noch eingehender darauf zu antworten.
Laut Battaglia machen es zwei Gründe notwendig, „den Begriff der Dekadenz zu definieren“:
– erstens um gewisse Zweideutigkeiten in der gegenwärtig akzeptierten Definition der Dekadenz des Kapitalismus zu entfernen, wovon die schlimmste die Sichtweise vom Absterben des Kapitalismus als „ökonomisch unabwendbar und gesellschaftlich vorhersehbar“ (Revolutionary Perspectives, Nr. 32) sei, mit anderen Worten: eine fatalistische Sichtweise des Todes des Kapitalismus;
– zweitens um die Idee zur Durchsetzung zu verhelfen, dass solange, wie das Proletariat den Kapitalismus noch nicht überwunden hat, „das Wirtschaftssystem sich selbst reproduziert, indem es einmal mehr und auf höherer Ebene all seine Widersprüche aufwirft, ohne auf diese Weise die Bedingungen für seine Selbstzerstörung zu schaffen“ (ebenda). Die Idee der Dekadenz macht also angeblich „keinen Sinn, wenn sie in Bezug auf die Überlebensfähigkeiten der Produktionsweise benutzt wird“ (Internationalist Communist, Nr. 21).
Wir bestreiten die Behauptung, dass der Marxismus auch nur die leiseste Zweideutigkeit enthält, die zu einer fatalistischen Sichtweise vom Ableben des Kapitalismus und damit zur Idee verleiten könnte, dass unter dem Druck der immer überwältigenderen Widersprüche das System sich einfach von der historischen Bühne zurückzieht. Für den Marxismus hatte im Gegenteil die Folge einer Abwesenheit, entweder „…jedes Mal mit einer revolutionären Umgestaltung der ganzen Gesellschaf [geendet] oder mit dem gemeinsamen Untergang der kämpfenden Klassen.“ (Marx/Engels: Manifest der kommunistischen Partei, MEW Bd. 4, S. 462). Mit anderen Worten: das Verschwinden der Gesellschaft selbst. Wie wir aufzeigen wollen, besteht die einzige Zweideutigkeit in den Ideen von Battaglia Comunista. Wir sollten darauf hinweisen, dass Battaglia unfreiwillig als Sprecher all jener bürgerlichen Ideologen handelt, die behaupten, dass der Marxismus „fatalistisch“ sei, und die die Rolle des „menschlichen Willens“ in der Entwicklung der Geschichte hervorheben. Battaglia stellt selbstredend den Marxismus nicht in Frage. Im Gegenteil, im Namen des Marxismus (oder zumindest der eigenen Version des Marxismus) macht es sich daran, eine Konzeption als „fatalistisch“ zurückzuweisen, die sich, wie wir im letzten Artikel gesehen haben, im eigentlichen Zentrum des Marxismus befindet.
Was den zweiten Grund angeht, den Battaglia für die Definierung des Begriffes der Dekadenz angibt, so steht er im völligen Widerspruch zum Marxismus, für den die kapitalistische Produktionsweise „damit nur aufs neue [beweist], dass sie altersschwach wird und sich mehr und mehr überlebt“,6 und das „kapitalistische System im Westen im Verblühen ist“,7 „…an der Entwicklung der Produktivkräfte eine Schranke findet“.8
Seine methodischen Irrtümer führt Battaglia in die schlimmste Art von Verirrungen: „Selbst in der progressiven Phase (…) tauchten Krisen und Kriege wie auch die Angriffe gegen die Arbeitsbedingungen punktuell immer wieder auf“.9 Battaglia endet so bei den alten bürgerlichen Banalitäten, die die qualitativen Ausweitungen dieser Geisseln während des barbarischen 20. Jahrhunderts minimalisieren, mit der Begründung, dass Krieg und Armut immer existiert haben. Indem es so verfährt, behauptet Battaglia letztendlich, dass die Hauptausdrücke der Dekadenz des Kapitalismus einfach nicht existieren.
Laut Battaglia gibt es ferner keine zwei fundamentalen Phasen in der Evolution der kapitalistischen Produktionsweise, sondern stetig aufeinander folgende Perioden des Aufstiegs und der Dekadenz, die den Hauptphasen der Entwicklung der Profitrate entsprechen.
Bei dieser Sichtsweise nehmen die Kriege der dekadenten Periode – die einen der Ausdrücke der Todeskrise des Systems und eine wachsende Bedrohung für das Überleben der Menschheit darstellen – die Rolle der „Regulierung der Beziehungen zwischen den Sektionen des internationalen Kapitals“ (ebenda) an. Diese Unfähigkeit, die Realität zu begreifen, ist ein Hauptfaktor in der erheblichen Unterschätzung des Ernstes der Weltlage durch das IBRP. Das IBRP steht somit in wachsendem Masse auf Kriegsfuss mit der Realität, was nur seine Fähigkeit aufs Spiel setzen kann, die Welt zu verstehen, deren Analyse Teil seiner Interventionen in der Arbeiterklasse ist. Es verringert den Einfluss dieser Intervention, wenn es sich auf faule und nicht überzeugende Argumente stützt.

Besassen Marx und Engels eine fatalistische Sichtweise der Dekadenz des Kapitalismus?

Battaglia beginnt seinen Artikel mit der Behauptung, dass das Konzept der Dekadenz Zweideutigkeiten enthalte und dass sich die erste in der fatalistischen Sichtweise vom Ende des Kapitalismus zeige: „Die Zweideutigkeit befindet sich in der Tatsache, dass die Dekadenz (oder der fortschreitende Verfall der kapitalistischen Produktionsweise) aus einer Art unabwendbaren Selbstzerstörungsprozesses herrührt, dessen Ursachen nachweislich die wesentlichen Aspekte ihres eigenen Daseins sind (…) das Verschwinden und die Zerstörung der kapitalistischen Wirtschaftsform ist ein historisch gegebenes Ereignis, ökonomisch unvermeidbar und gesellschaftlich vorhersehbar. Dies, eine ebenso infantile wie idealistische Vorgehensweise, endete darin, ein negatives politisches Echo auszustrahlen und die Hypothese in die Welt zu setzen, dass es angesichts des Todes des Kapitalismus ausreiche, Däumchen zu drehen, oder dass es in einer Krisensituation (und nur dann) genug sei, die subjektiven Instrumente des Klassenkampfes als den letzten Impuls für einen Prozess zu schaffen, der ansonsten unumkehrbar ist. Nichts ist falscher als dies.“ (ebenda) Vorweg sei gesagt, dass diese Zweideutigkeit nur in Battaglias Kopf existiert. Marx und Engels, die als Erste diesen Begriff der Dekadenz prägten und davon reichlich Gebrauch machten, waren keineswegs fatalistisch. Für die Begründer des Marxismus gab es keinen unabwendbaren und automatischen Mechanismus hinter der Abfolge der Produktionsweisen; sozioökonomische Widersprüche wurden vom Klassenkampf geregelt, der die Antriebskraft der Geschichte bildet. Um Marx zu zitieren – die Menschen machen ihre eigene Geschichte, aber innerhalb vorgegebener historischer Bedingungen: „Die Menschen machen ihre eigene Geschichte, aber sie machen sie nicht aus freien Stücken, nicht unter selbstgewählten; sondern unter unmittelbar vorgefundenen, gegebenen und überlieferten Umständen.“10 Oder wie Rosa Luxemburg schrieb: „Der wissenschaftliche Sozialismus hat uns gelehrt, die objektiven Gesetze der geschichtlichen Entwicklung zu begreifen. Die Menschen machen ihre Geschichte nicht aus freien Stücken. Aber sie machen sie selbst. Das Proletariat ist in seiner Aktion von dem jeweiligen Reifegrad der gesellschaftlichen Entwicklung abhängig, aber die gesellschaftliche Entwicklung geht nicht jenseits des Proletariats vor sich, es ist in gleichem Masse ihre Triebfeder und Ursache, wie es ihr Produkt und ihre Folge ist. Seine Aktion selbst ist mitbestimmender Teil der Geschichte. Und wenn wir die geschichtliche Entwickung sowenig überspringen können wie der Mensch seinen Schatten, so können wir sie doch beschleunigen oder verlangsamen.“11
Eine alte herrschende Klasse verzichtet niemals auf ihre Macht, sie verteidigt sie mit allen Mitteln und Waffen. Der Begriff der Dekadenz enthält also keinerlei Zweideutigkeit hinsichtlich der Möglichkeit eines „unabwendbaren Prozesses der Selbstzerstörung“. Wie sehr auch immer eine alte Produktionsweise sich auf wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und politischer Ebene aufgelöst haben mag, wenn keine neue gesellschaftliche Kraft aus dem Innern der alten Gesellschaft emporgekommen ist oder wenn sie sich als unfähig erweist, genügend Kraft zu entwickeln, um die alte herrschende Klasse zu stürzen, dann gibt es keinen Tod der herrschenden Gesellschaft oder den Aufbau einer neuen. Die Macht der herrschenden Klasse und ihre Anhänglichkeit an ihren Privilegien sind bedeutende Faktoren beim Überleben einer Gesellschaftsform. Die Dekadenz einer Produktionsweise schafft die Möglichkeit und die Notwendigkeit ihres Sturzes, aber nicht die automatische Entstehung einer neuen Gesellschaft.
Es gibt daher keine „fatalistische Zweideutigkeit“ in der marxistischen Analyse der Aufeinanderfolge von Produktionsweisen, wie Battaglia uns weiszumachen versucht. Marx wies selbst darauf hin, dass, wenn der Ausgang des Klassenkampfes nicht vom Sieg einer neuen Klasse besiegelt wird, die neue Produktionsverhältnisse mit sich bringt, die Periode der Dekadenz einer Produktionsweise zu einer Periode des allgemeinen Zerfalls mutieren wird. Diese historische Möglichkeit wird gleich zu Beginn des Kommunistischen Manifestes entwickelt, wo Marx nach seiner Äusserung, dass die „Die Geschichte aller bisherigen Gesellschaft ist die Geschichte von Klassenkämpfen“, mit einem „Entweder…. oder“ fortfährt, um die beiden möglichen alternativen Ausgänge der Klassenwidersprüche zu veranschaulichen: „…..Freier und Sklave, Patrizier und Plebejer, Baron und Leibeigener, Zunftbürger und Gesell, kurz, Unterdrücker und Unterdrückte standen in stetem Gegensatz zueinander, führten einen ununterbrochenen, bald versteckten, bald offenen Kampf, einen Kampf, der jedesmal mit einer revolutionären Umgestaltung der ganzen Gesellschaft endete oder mit dem gemeinsamen Untergang der kämpfenden Klassen.“12
Es gibt viele historische Beispiele von Zivilisationen, die eine solche Pattsituation im Klassenkampf erlebt haben, welche sie zum „gemeinsamen Untergang.“ und somit zur Stagnation, zum Zusammenbruch oder gar zur Rückkehr zu früheren Entwicklungsstufen verurteilte.
Battaglias Bannsprüche, denen zu Folge die Auffassungen über Dekadenz und Zerfall „den Methoden und dem Arsenal der politischen Ökonomie fremd“ (Internationalist Communist, Nr. 21) seien, sind also nichts Anderes als lächerlich. Die Militanten dieser Organisation würden besser daran tun, zu ihren Klassikern zurückzukehren und mit dem Manifest und dem Kapital beginnen, wo die beiden Begriffe einen wichtigen Platz einnehmen (s. Internationale Revue Nr. 34). Manche Gruppen oder Individuen mögen ein Unverständnis oder opportunistische Verirrungen rund um den Begriff der Dekadenz entwickelt haben – und die fatalistische Sichtweise ist sicherlich eine von ihnen. Dies ist eine Frage. Doch die Methode, die darin besteht, den Begriff der Dekadenz zu diskreditieren, indem ihm die Irrtümer angeheftet werden, die von Anderen in seinem Namen begangen werden, ist dieselbe, die die Anarchisten benutzten, um den Begriff der Partei oder der Diktatur des Proletariats auf der Basis der Verbrechen des Stalinismus zu diskreditieren. Eine andere Frage ist die häufig anzutreffende Ungeduld, der Optimismus vieler Revolutionäre, unter ihnen auch Marx. Wie oft ist der Kapitalismus in den Texten der Arbeiterbewegung voreilig begraben worden! Dies traf besonders auf die Kommunistische Internationale und die ihr angeschlossenen Parteien zu, einschliesslich der italienischen Kommunistischen Partei (ob es den Bordigisten gefällt oder nicht): „Die Krise des Kapitalismus ist immer noch offen und wird sich unvermeidlich vertiefen, bis der Kapitalismus dahinstirbt.“ (Lyoner Thesen, 1926)13 Diese verständliche und kleine Sünde ist, auch wenn sie möglichst vermieden werden sollte, nur dann eine Gefahr, wenn die Revolutionäre sich als unfähig erweisen, ihre Fehler zu erkennen, wen sich das Kräfteverhältnis zwischen den Klassen verändert.

Ein Konzept des historischen Materialismus, das dem Marxismus völlig entgegengesetzt ist

In seinem Kampf gegen den „Fatalismus“, der angeblich der marxistischen Idee der Dekadenz innewohnt, enthüllt Battaglia seine eigene Sicht des historischen Materialismus: „Der widersprüchliche Aspekt der kapitalistischen Produktion, die Krisen, die daraus herrühren, die Wiederholung des Akkumulationsprozesses, der zeitweise unterbrochen wird, der aber frisches Blut aus der Zerstörung des Übermasses an Kapital und Produktionsmitteln erhält, führt nicht automatisch zu seiner Zerstörung. Entweder interveniert der subjektive Faktor, der im Klassenkampf seinen materiellen Angelpunkt und in der Krise seine ökonomisch bestimmende Voraussetzung hat, oder das Wirtschaftssystem reproduziert sich selbst, indem es all seine Widersprüche einmal mehr und auf einer höheren Stufe aufwirft, ohne auf diese Weise die Bedingungen für seine Selbstzerstörung zu schaffen.“ Für Battaglia fährt der Kapitalismus, solange er nicht vom Klassenkampf zerstört worden ist, also fort, „frisches Blut aus der Zerstörung des Übermasses an Kapital und Produktionsmittel“ zu beziehen, womit sich „das Wirtschaftssystem selbst reproduziert, indem es all seine Widersprüche einmal mehr und auf einer höheren Stufe aufwirft“. Hier befindet sich Battaglia im krassen Gegensatz zur Ansicht von Marx über die Dekadenz einer Produktionsweise, insbesondere des Kapitalismus: „Über einen gewissen Punkt hinaus wird die Entwicklung der Produktivkräfte eine Schranke für das Kapital; also das Kapitalverhältnis eine Schranke für die Entwicklung der Produktivkräfte der Arbeit.“14
In seinem zweiten Entwurf des Briefes an Vera Sassulitsch (MEW 19, S. 398) zog Marx in Betracht, dass „...das kapitalistische Systems im Westen im Verblühen ist, und nur noch eine ‚archaische‘ Formation sein wird,“ und im Kapital teilt er uns mit, dass der Kapitalismus „altersschwach wird und sich mehr und mehr überlebt. (siehe oben Fsn 5). Die Begriffe, die Marx benutzt, um die Dekadenz des Kapitalismus zu beschreiben, sind unzweideutig: „altersschwach“, „im Verblühen“, „eine Schranke für die Entwicklung der Produktivkräfte der Arbeit“ etc. Und dennoch meint Battaglia sagen zu können, dass „die Dekadenz (…) bedeutungslos ist, wenn wir die Überlebensfähigkeit einer Produktionsweise in Betracht ziehen“ (Internationalist Communist, Nr. 21)
Mit diesen wenigen Erinnerungen an die marxistische Definition der Dekadenz wird der Leser allein den Unterschied zwischen der von Marx entwickelten historischen und materialistischen Sicht der Dekadenz des Kapitalismus und Battaglias eigener Sichtweise beurteilen können, wonach der Kapitalismus, auch wenn er sicherlich Krisen und wachsende Widersprüche durchläuft,15 sich kontinuierlich erneuert (es sei denn, der Klassenkampf interveniert), „frisches Blut“ erhält und „sich selbst reproduziert, indem er all seine Widersprüche einmal mehr und auf einer höheren Stufe aufwirft“. Es trifft zu, dass Battaglia vorgibt, keine Kenntnis davon zu haben, dass Marx über die Dekadenz schrieb – „bis hin zu der Tatsache, dass das Wort selbst nirgendwo in den drei Bänden, die das Kapital bilden, auftaucht“ (Internationalist Communist, Nr. 21, S. 23) – und dass Marx die Idee der Dekadenz nur ein einziges Mal in seinem gesamten Werk erwähnte: „Marx beschränkte sich selbst darauf, den Kapitalismus lediglich in jener historischen Phase als fortschrittlich zu definieren, als er die Wirtschaftswelt des Feudalismus eliminierte und sich selbst als mächtiges Entwicklungsmittel der Produktionsmittel vorstellte, die von der vorherigen Wirtschaftsform gehemmt worden waren, doch ging er niemals weiter in der Definition des Kapitalismus, ausgenommen in der berühmten Einleitung zu ‚Ein Beitrag zur Kritik der politischen Ökonomie‘“16. Nach unserer Auffassung würde Battaglia, statt hochtrabende Exkommunikationen gegen die Begriffe der Dekadenz und des Zerfalls zu verkünden, die dem Marxismus fremd seien, besser daran tun zu berücksichtigen, was Marx über Weitling feststellen musste: „Ignoranz ist kein Argument.“ Dann sollten die Genossen von Battaglia zu ihren Klassikern zurückgehen, insbesondere zum Kapital, das sie offensichtlich als ihre Bibel betrachten.17 Was uns anbelangt, so verweisen wir den Leser auf die Beschreibung des Marx'schen Konzeptes der Dekadenz in der Internationalen Revue Nr. 34.

Die marxistische Methode auf das Studium gewisser ökonomischer Mechanismen reduziert

Der Prozess der Dekadenz, wie ihn Marx definiert hat, geht weit über eine blosse „kohärente ökonomische Erklärung“ hinaus: Er korrespondiert an erster Stelle mit der historischen Alterung der gesellschaftlichen Produktionsverhältnisse (Lohnarbeit, Leibeigenschaft, Sklaventum, Stammesgesellschaft etc.) auf der Grundlage verschiedener Produktionsweisen (Kapitalismus, Feudalismus, Sklavenhaltergesellschaften, die asiatische Produktionsweise etc.). Der Eintritt in eine Periode der Dekadenz bedeutet, dass sich die eigentlichen Fundamente einer Produktionsweise in der Krise befinden. Das Sekret, die versteckte Gründung einer neuen Produktionsweise, ist „Die spezifische ökonomische Form, in der unbezahlte Mehrarbeit aus den unmittelbaren Produzenten ausgepumpt wird. (...) Hierauf aber gründet sich die ganze Gestaltung des ökonomischen, aus den Produktionsverhältnissen selbst hervorwachsenden Gemeinwesens…“ und dies „.das innerste Geheimnis, die verborgne Grundlage der ganzen gesellschaftlichen Konstruktion“ 18 Marx hätte nicht ausdrücklicher sein können. „Hiermit war aber nachgewiesen, dass die Reichtumserwerbung der heutigen Kapitalisten ebensogut in der Aneignung von fremder, unbezahlter Arbeit besteht, wie die der Sklavenbesitzer oder der die Fronarbeit ausbeutenden Feudalherren, und dass sich alle diese Formen der Ausbeutung nur unterscheiden durch die verschiedene Art und Weise, in der die unbezahlte Arbeit angeeignet wird.“19 Die gesellschaftlichen Produktionsverhältnisse sind also mehr als blosse „ökonomische Mechanismen“: Sie sind vor allem gesellschaftliche Verhältnisse zwischen Klassen, da sie den verschiedenen Formen, die die Auspressung von Mehrwert annimmt (Lohnarbeit, Sklaverei, Leibeigentum, Zins etc.), erst die materielle Form verleiht. Wenn eine Produktionsweise in die Dekadenz eintritt, bedeutet dies, dass sich diese spezifischen Verhältnisse zwischen den Klassen in der Krise befinden, dass sie historisch ungeeignet sind. Dies ist der eigentliche Kern des historischen Materialismus in einer Welt, die Battaglia, besessen von seiner „kohärenten ökonomischen Erklärung“, völlig unerschlossen bleibt.
Wie Battaglia sagt: „Auch die Evolutionstheorie ist nicht gültig, der zu Folge der Kapitalismus historisch durch eine progressive Phase und eine dekadente Phase gekennzeichnet ist, falls keine kohärente ökonomische Erklärung gegeben wird (...) Die Untersuchung der Dekadenz unterscheidet entweder diese Mechanismen, die die Verlangsamung des Verwertungsprozesses des Kapitals regulieren, von all den Konsequenzen, die diese mit sich bringen, oder bleibt in einer falschen Perspektive gefangen, die aufgeblasene Prophezeiungen macht (…) Doch das Auflisten dieser ökonomischen und gesellschaftlichen Phänomene, sofern sie identifiziert und beschrieben worden sind, kann für sich genommen nicht als eine Demonstration der dekadenten Phase des Kapitalismus betrachtet werden. Sie sind lediglich Symptome, und die vorrangige Ursache, die sie zum Leben verhilft, muss im Gesetz der Profitkrise gesucht werden.“ (Revolutionary Perspectives, Nr. 32) Einerseits wird hier die Folgerung geäussert, dass heute keine kohärente ökonomische Erklärung der Dekadenz existiert, andererseits verfügt Battaglia vorbeugend, dass jene Phänomene, die klassischerweise dafür benutzt worden waren, um die Dekadenz einer Produktionsweise zu charakterisieren, irrelevant sind.
Bevor wir uns mit einer spezifisch ökonomischen Erklärung befassen, sollten wir darauf hinweisen, dass der Begriff der Dekadenz bedeutet, dass die gesellschaftlichen Produktionsverhältnisse zu eng geworden sind, um die Weiterentwicklung der Produktivkräfte zu gewähren, und dass die Kollision zwischen den gesellschaftlichen Produktionsverhältnissen und den Produktivkräften jeden Aspekt der Gesellschaft betrifft. Die marxistische Analyse der Dekadenz bezieht sich nicht auf eine quantitative ökonomische Ebene ausserhalb der gesellschaftlichen und politischen Mechanismen einer gegebenen Gesellschaftsform. Im Gegenteil, sie bezieht sich auf die qualitative Ebene jenes Verhältnisses, das die Produktionsverhältnisse an die Entwicklung der Produktivkräfte bindet: „Auf einer gewissen Stufe ihrer Entwicklung geraten die materiellen Produktivkräfte der Gesellschaft in Widerspruch mit den vorhandenen Produktionsverhältnissen oder, was nur ein juristischer Ausdruck dafür ist, mit den Eigentumsverhältnissen, innerhalb deren sie sich bisher bewegt hatten. Aus Entwicklungsformen der Produktivkräfte schlagen diese Verhältnisse in Fesseln derselben um. Es tritt dann eine Epoche sozialer Revolution ein.“20 Die Ära der Dekadenz der alten Gesellschaft wird nicht mit einer Blockade der Entwicklung der Produktivkräfte eröffnet, sondern mit einem endgültigen und unumkehrbaren „Konflikt“. Marx ist sehr genau bei diesem Kriterium: „Aus Entwicklungsformen der Produktivkräfte schlagen diese Verhältnisse in Fesseln derselben um.“ Um genau zu sein, heisst dies, dass eine Gesellschaft niemals ihr Leben aushaucht, bevor die Weiterentwicklung der Produktivkräfte definitiv von den herrschenden Produktionsverhältnissen gehemmt wird. Die Dekadenz kann als eine Reihe von Funktionsstörungen definiert werden, deren Auswirkungen sich von dem Moment an häufen, wenn das System seine Entwicklungskapazitäten ausgeschöpft hat. Vom marxistischen Standpunkt aus wird die Periode der Dekadenz einer Gesellschaft nicht durch einen völligen und permanenten Stopp im Wachstum der Produktivkräfte charakterisiert, sondern durch quantitative und qualitative Umbrüche, die von diesem konstanten Konflikt zwischen obsoleten Produktionsverhältnissen und der Weiterentwicklung der Produktivkräfte verursacht werden.
Wann immer Marx versuchte, die Kriterien für den Eintritt des Kapitalismus in seine dekadente Periode festzulegen, gab er niemals irgendeine präzise ökonomische Erklärung, sondern höchstens dieses oder jenes allgemeine Kriterium in Zusammenhang mit seiner Krisenanalyse (s. unseren Artikel in der letzten Ausgabe von Internationale Revue). Es wird möglicherweise Battaglia nicht erfreuen, aber Marx benötigte keine nationalen Statistiken oder die ökonomische Wiedergenesung der Profitabilität, die Battaglia benutzt,21 um sich für die Reife des Kapitalismus oder für seine Alterung auszusprechen. Dasselbe trifft auf die anderen Produktionsweisen zu; Marx und Engels machten wenig Gebrauch von den präzisen ökonomischen Mechanismen, um den Eintritt in die Dekadenz zu erklären. Sie charakterisierten diese historischen Wendepunkte auf der Grundlage eindeutig qualitativer Kriterien: das Auftauchen eines allgegenwärtigen Prozesses der Behinderung der Entwicklung der Produktivkräfte, eine qualitative Entwicklung von Konflikten innerhalb der herrschenden Klasse und zwischen der herrschenden Klasse und den ausgebeuteten Klassen, die Überzogenheit des Staatsapparates, die Geburt einer neuen revolutionären Klasse, die in sich die neuen gesellschaftlichen Produktionsverhältnisse trägt und eine Übergangsperiode herbeiführt, die Vorbote revolutionärer Erschütterungen ist, etc. (s. unseren Artikel in der letzten Ausgabe).
Dies war auch die Methode, die von der Kommunistischen Internationalen angenommen wurde, die nicht wartete, bis alle Komponenten einer „kohärenten ökonomischen Erklärung“ entdeckt waren, um im Ausbruch des I. Weltkrieges die Eröffnung der Periode der kapitalistischen Dekadenz zu identifizieren.22 Der Krieg und eine ganze Reihe anderer qualitativer Kriterien auf anderen Ebenen (gesellschaftlich, ökonomisch und politisch) brachte die KI zur Erkenntnis, dass der Kapitalismus seine historische Mission vollendet hatte. Die gesamte kommunistische Bewegung stimmte dieser Diagnose zu, auch wenn es wichtige Unstimmigkeiten gab, wie jene über ihre wirtschaftlichen Ursachen und die politischen Auswirkungen. Die ökonomischen Erklärungen variierten zwischen jener, die von Rosa Luxemburg auf der Basis der Sättigung des Weltmarkts vertreten wurde,23 und Lenins Erklärung auf der Grundlage seiner Argumente, die er in “Der Imperialismus – das höchste Stadium des Kapitalismus” entwickelt hatte.24
Und dennoch waren alle, auch Lenin, davon überzeugt, dass die „Epoche der fortschrittlichen Bourgeoisie“ zu Ende war und dass die Welt in die Epoche der reaktionären, überlebten Bourgeoisie” eingetreten war.25 In der Tat hatten die Differenzen etwas mit der Analyse der ökonomischen Ursachen der Dekadenz zu tun, vertrat doch Lenin, obwohl tief überzeugt von der Tatsache, dass die kapitalistische Produktionsweise in die Dekadenz eingetreten war, dennoch den Gedanken, dass der Kapitalismus “im grossen und ganzen (...) bedeutend schneller als früher” wächst.26 Trotzki hingegen, der auf derselben theoretischen Grundlage wie Lenin arbeitete, kam kurz darauf zu der Schlussfolgerung, dass die Entwicklung der Produktivkräfte zum Stillstand gekommen ist, während die Italienische Linke behauptete: „Der Krieg von 1914–18 markierte den äussersten Punkt in der Expansionsphase des kapitalistischen Regimes (…) In der letzten Phase des Kapitalismus, in jener seines Niedergangs, wird die historische Entwicklung grundsätzlich durch den Klassenkampf geregelt“ (Manifest des Internationalen Büros der Fraktionen der Kommunistischen Linken, in: Octobre, Nr. 3, April 1938)
Es mag unlogisch erscheinen, die Dekadenz einer Produktionsweise auf der Grundlage ihrer Ausdrücke zu identifizieren, und nicht auf der Grundlage einer Untersuchung ihrer ökonomischen Fundamente, wie Battaglia dies gern möchte, da Erstere „in letzter Instanz“ nichts anderes als das Produkt Letzterer sind. Dies ist jedoch die Art und Weise, wie Revolutionäre – einschliesslich Marx und Engels – in der Vergangenheit gearbeitet haben, nicht weil es im Allgemeinen einfacher ist, die Überbau-Strukturen in einer Dekadenzphase zu erkennen, sondern weil hier die ersten Ausdrücke zuerst historisch in Erscheinung treten. Ehe sie auf der quantitativen ökonomischen Ebene als Hemmnis der Weiterentwicklung der Produktivkräfte auftrat, erschien die Dekadenz des Kapitalismus vor allem als ein qualitatives Phänomen auf der sozialen, politischen und ideologischen Ebene durch die Verschlimmerung der Konflikte innerhalb der herrschenden Klasse, die zum I. Weltkrieg führten, durch den Verrat der Sozialdemokratie und das Überlaufen der Gewerkschaften zum kapitalistischen Lager, durch den Ausbruch eines Proletariats, fähig zum Sturz des bürgerlichen Rechts und zur Etablierung der ersten Massnahmen zur Kontrolle durch die Arbeiterklasse. Auf der Grundlage dieser Charakteristiken identifizierten die Revolutionäre zu Beginn des 20. Jahrhunderts den Eintritt des Kapitalismus in die Dekadenz.27 .
Auch wartete Marx nicht auf die „kohärenten ökonomischen Erklärungen“, die im Kapital enthalten sind, um im Kommunistischen Manifest das Urteil über die historisch veraltete Natur des Kapitalismus zu fällen: „Die Produktivkräfte, die ihr zur Verfügung stehen, dienen nicht mehr zur Beförderung der bürgerlichen Eigentumsverhältnisse; im Gegenteil, sie sind zu gewaltig für diese Verhältnisse geworden, sie werden von ihnen gehemmt; und sobald sie dies Hemmnis überwinden, bringen sie die ganze bürgerliche Gesellschaft in Unordnung, gefährden sie die Existenz des bürgerlichen Eigentums. Die bürgerlichen Verhältnisse sind zu eng geworden, um den von ihnen erzeugten Reichtum zu fassen.“ (Marx/Engels: Manifest der kommunistischen Partei, in: MEW Bd. 4, S. 468)
Battaglia weigert sich also, die Dekadenz einer Produktionsweise entsprechend der Methode zu definieren, die von unseren Vorgängern, angefangen bei Marx und Engels, angewandt wurden. Offensichtlich unter dem Eindruck, marxistischer als Marx zu sein, denken die Genossen, sie könnten sich als Materialisten profilieren, indem sie pausenlos wiederholen, dass das Konzept der Dekadenz ökonomisch definiert werden müsse, wenn es nicht für null und nichtig erklärt werden soll. Indem es so verfährt, demonstriert Battaglia, dass sein Materialismus von vulgärster Art ist, wie ihnen Engels mitgeteilt hätte, der sich in seinem Brief an J. Bloch sehr ungehalten darüber äusserte: „Nach materialistischer Geschichtsauffassung ist das in letzter Instanz bestimmende Moment in der Geschichte die Produktion und Reproduktion des wirklichen Lebens. Mehr hat weder Marx noch ich je behauptet. Wenn nun jemand das dahin verdreht, das ökonomische Moment sei das einzig bestimmende, so verwandelt er jenen Satz in eine nichts sagende, abstrakte, absurde Phrase. Die ökonomische Lage ist die Basis, aber die verschiedenen Momente des Überbaus – politische Formen des Klassenkampfs und seine Resultate – Verfassungen, nach gewonnener Schlacht durch die siegende Klasse festgestellt usw. – Rechtsformen, und nun gar die Reflexe aller dieser wirklichen Kämpfe im Gehirn der Beteiligten, politische, juristische, philosophische Theorien, religiöse Anschauungen und deren Weiterentwicklung zu Dogmensystemen, üben auch ihre Einwirkung auf den Verlauf der geschichtlichen Kämpfe aus und bestimmen in vielen Fällen vorwiegend deren Form. Es ist eine Wechselwirkung aller dieser Momente, worin schliesslich durch alle die unendliche Menge von Zufälligkeiten (d. h. von Dingen und Ereignissen, deren innerer Zusammenhang untereinander so entfernt oder so unnachweisbar ist, dass wir ihn als nicht vorhanden betrachten, vernachlässigen können) als Notwendiges die ökonomische Bewegung sich durchsetzt. Sonst wäre die Anwendung der Theorie auf eine beliebige Geschichtsperiode ja leichter als die Lösung einer einfachen Gleichung ersten Grades. Dass von den jüngeren zuweilen mehr Gewicht auf die ökonomische Seite gelegt wird, als ihr zukommt, haben Marx und ich teilweise selbst verschulden müssen. Es ist aber leider nur zu häufig, dass man glaubt, eine neue Theorie vollkommen verstanden zu haben und ohne weiteres handhaben zu können, sobald man die Hauptsätze sich angeeignet hat, und das auch nicht immer richtig.“28 Ob es darum geht, die Dekadenz zu definieren, die Ursachen der Kriege zu erklären, das Gleichgewicht der Kräfte oder die gegenwärtige Entwicklung der kapitalistischen Wirtschaft zu analysieren, stets ist der Vulgärmaterialismus die Handelsmarke von Battaglia.29 Und nebenbei sei bemerkt, dass Battaglias Ausflucht in eine „kohärente ökonomische Erklärung“ der Dekadenz des Kapitalismus kaum all jenen Revolutionären gerecht wird, die bereits eine solche Erklärung angeboten haben, von Rosa Luxemburg über die italienische Fraktion30 bis hin zur IKS und gar zur CWO, deren erste Broschüre den Titel trägt „Die ökonomischen Fundamente der Dekadenz“! Es ist charakteristisch für den Marxismus, dass er von den früheren theoretischen Errungenschaften der Arbeiterbewegung ausgeht, um sie zu vertiefen oder zu kritisieren und Alternativen vorzuschlagen… Doch die marxistische Methode gehört nicht zu den Stärken von Battaglia: In der Annahme, dass die revolutionäre Kohärenz erst mit ihnen beginnt, ziehen es die Genossen vor, ganz von vorn anzufangen.

Battaglia leugnet die Haupterscheinungen der Dekadenz

Nachdem es Zweifel über den Wert des (angeblich „fatalistischen“) Konzepts der Dekadenz gesät hat, nachdem es voller Entschiedenheit erklärt hat, dass es keine kohärente ökonomische Erklärung der Dekadenz gibt und dass ohne diese ohne sie wertlos ist, und nach der Umdefinierung der marxistischen Methode geht Battaglia dazu über, die Hauptausdrücke der Dekadenz zu leugnen: „…. es ist absolut unzureichend, sich auf die Tatsache zu beziehen, dass in der dekadenten Phase die Wirtschaftskrise und Kriege ähnlich wie die Angriffe gegen die Arbeitskraft weltweit in einem beständigen und verheerenden Rhythmus auftreten. Auch in der progressiven Phase (…) traten punktuell Krisen und Kriege auf, genauso wie Angriffe gegen die Bedingungen der Arbeitskraft. Ein ausdrückliches Beispiel hierfür sind die Kriege zwischen den grossen Kolonialmächten Ende des 18. Jahrhunderts und während des gesamten 19. Jahrhunderts bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Diesem Beispiel könnten noch weitere hinzugefügt werden, indem man die sozialen Angriffe und die häufigen militärischen Attacken gegen Klassenrevolten und Aufstände auflistet, die ebenfalls in dieser Periode stattfanden.“ (Revolutionary Perspectives, Nr. 32) Mit anderen Worten: alle Kriege und Krisen seit Beginn des 20. Jahrhunderts bedeuten nichts – sie haben stets existiert!
Mit unglaublicher Sorglosigkeit sowohl gegenüber dem Marxismus als auch gegenüber der schlichten historischen Realität wirft Battaglia mir-nichts-dir-nichts alle theoretischen Errungenschaften der vergangenen Arbeiterbewegung über Bord. Was sagt uns Battaglia? Dass Kriege und Krisen immer existiert haben – was so selbstverständlich wie banal ist. Doch welch Verwirrung stiftet Battaglia damit? Dass es folglich keinen qualitativen Bruch in der Geschichte des Kapitalismus gebe – und das ist schlichtweg blind!
Wenn Battaglia jeglichen qualitativen Bruch in der Entwicklung einer Produktionsweise leugnet, dann lehnt es die Analyse von Marx und Engels ab, die die Existent einer jeden Produktionsweise in zwei qualitativ unterschiedliche Phasen aufteilten. Für jeden, der des Lesens kundig ist, demonstriert die von Marx und Engels benutzte Sprache ohne die leiseste Zweideutigkeit, dass es zwei gesonderte historische Perioden innerhalb einer Produktionsweise gibt: „Über eine gewissen Punkt hinaus wird die Entwicklung…“, Auf einem gewissen Punkt angelangt…“, „kapitalistische System im Westen im Verblühen ist“ etc. Im ersten Artikel dieser Reihe haben wir ebenfalls gesehen, dass Marx und Engels in jeder Produktionsweise, die sie definierten (Urkommunismus, die asiatische Produktionsweise, Sklaverei, Feudalismus und Kapitalismus), eine Phase der Dekadenz ausfindig machten und dass sie diese Phase als qualitativ unterschiedlich zu der ihr vorausgehenden Phase anerkannten. In einem Artikel über die feudale Produktionsweise mit dem Titel „Über den Verfall des Feudalismus und das Aufkommen der Bourgeoisie“ (Friedrich Engels: Über den Verfall des Feudalismus und das Aufkommen der Bourgeoisie, MEW Bd. 21, S. 392) demonstrierte Engels die Macht des historischen Materialismus, indem er die feudale Dekadenz durch ihre wesentlichen Ausdrücke definierte: stagnierende Produktivkräfte, ein aufgeblähter (monarchischer) Staat, die qualitative Zuspitzung von Konflikten innerhalb der herrschenden Klasse und zwischen der herrschenden Klasse und den ausgebeuteten Klassen, das Herauskristallisieren eines Übergangs zwischen den alten und neuen Produktionsverhältnissen etc. Dasselbe trifft auf Marx' Definition der kapitalistischen Dekadenz zu, das heisst, in einer Periode, „…die wachsende Unangemessenheit der produktiven Entwicklung der Gesellschaft zu ihre bisherigen Produktionsverhältnissen…“,31 und er betrachtet diese Konflikte, Krisen und Erschütterungen als qualitativ verschieden gegenüber der vorausgehenden Periode, da er solche Begriffe wie „…an der Entwicklung der Produktivkräfte eine Schranke findet,“, „altersschwach“, etc. benutzt.
Es ist nur ein Minimum an historischen Kenntnissen notwendig, um die Absurdität von Battaglias Behauptung zu begreifen, dass es keinen qualitativen Bruch zwischen dem Aufstieg und der Dekadenz gebe, der seinen Ausdruck in den Krisen, Kriegen und sozialen Kämpfen findet.
1. Während der Aufstiegsphase des Kapitalismus nahmen seine Wirtschaftskrisen sicherlich sowohl in der Tiefe als auch im Ausmass zu. Doch man muss schon Battaglias Nerven (oder Ignoranz) besitzen, um zu glauben, dass die enorme Krise in den 1930er-Jahren als blosse Fortsetzung der Krisen im 19. Jahrhundert betrachtet werden kann! Beginnen wir damit, dass Battaglia ganz einfach vergisst, wie die Revolutionäre zu jener Zeit die relative Verminderung der Krisen in den letzten 20 Jahren (1894 – 1914) der kapitalistischen Aufstiegsperiode (die das Wachstum des Reformismus begünstigte) konstatierte die Kommunistische Internationale stellte fest: „Die den zwei Dezennien vor dem Krieg waren eine Epoche einer besonders mächtigen Entwicklung. Die Perioden des Aufschwungs zeichneten sich durc lange Dauer und hohe Intensität, die Perioden der Depression durch ihre kurze Dauer aus.“32 Dies passt kaum mit Battaglias „Theorie“ der ständigen Verschlimmerung der Wirtschaftskrisen zusammen. Darüber hinaus benötigt man schon eine gehörige Portion Chuzpe, um zu übersehen, dass die Krise der 1930er-Jahre alle Proportionen der Krisen des 19. Jahrhunderts sprengt, sowohl hinsichtlich ihrer Dauer (knappe zehn Jahre), ihrer Tiefe (Halbierung der Industrieproduktion) als auch hinsichtlich ihres Ausmasses (internationaler denn je). Noch schlimmer: Während die Krisen des kapitalistischen Aufstiegs durch die Steigerung der Produktion und eine Ausweitung des Weltmarktes gelöst wurden, wurde die Krise in den 1930er-Jahren nie überwunden und endete im II. Weltkrieg. Battaglia verwechselt hier die Herzschläge eines wachsenden Organismus mit dem Todesröcheln desselben in seinen letzten Zügen. Was die gegenwärtige Krise anbelangt, so dauert sie nun bereits 30 Jahre, und das Schlimmste kommt noch.
2. Was die sozialen Konflikte betrifft, so trifft es sicherlich zu, dass die gesamte Aufstiegsperiode wachsende Spannungen zwischen den Klassen erlebte, die in allgemeinen politischen Streiks (für das allgemeine Wahlrecht und den 8-Stunden-Tag) und im Massenstreik in Russland 1905 ihren Höhepunkt fanden. Doch man wäre mit Blindheit geschlagen, würde man übersehen, dass die revolutionären Bewegungen zwischen 1917–23 aus ganz anderem Holz geschnitzt waren. Es waren keine lokalen oder nationalen Bewegungen oder gar Aufstände, sondern eine sechsjährige internationale Welle, deren Dauer alle Bewegungen des 19. Jahrhunderts in den Schatten stellte. Es gibt auch einen qualitativen Unterschied: Diese Bewegungen waren zumeist nicht ökonomisch, sondern direkt revolutionär und stellten keine Forderungen nach Reformen, sondern nach der Machtergreifung auf.
3. Was schliesslich den Krieg anbetrifft, so ist der Gegensatz noch frappierender. Während des 19. Jahrhunderts bestand die Funktion des Krieges darin, die Einheit jeder kapitalistischen Nation (nationale Unabhängigkeitskriege) und/oder die für ihre Entwicklung notwendige territoriale Expansion (Kolonialkriege) sicherzustellen. In diesem Sinne war der Krieg trotz der Katastrophen, die er mit sich brachte, ein Moment in der Weiterentwicklung des Kapitalismus; seine Kosten waren einfach eine notwendige Ausgabe für die Erweiterung des Marktes und somit der Produktion. Daher betrachtete Marx bestimmte Kriege als fortschrittlich. Die Kriege jener Periode waren im Allgemeinen :
a) begrenzt auf zwei oder drei benachbart
Länder;
b) von geringer Dauer;
c) ohne grössere Schäden;
d) ein Kampf zwischen stehenden Armeen, die nur einen kleinen Teil der Wirtschaft oder der Bevölkerung mobilisierten;
e) ausgeführt wegen der rationalen Aussicht auf ökonomischem Gewinn;
Sowohl für Sieger als auch für Besiegte bedeuteten sie eine neue wirtschaftliche Expansion. Der deutsch-französische Krieg 1870 ist ein typisches Beispiel hierfür: Er war ein entscheidender Schritt zur Bildung der deutschen Nation; mit anderen Worten, er legte die Fundamente für eine gewaltige Expansion der Produktivkräfte und für die Schaffung des grössten Sektors des europäischen Industrieproletariats. Ferner dauerte dieser Krieg weniger als ein Jahr und verursachte relativ wenig Opfer. Auch bildete er kein ernstes Handicap für das besiegte Land. Während der Aufstiegsperiode waren Kriege im Wesentlichen das Produkt eines expandierenden Systems:
a) 1790–1815: Kriege der Französischen Revolution und des napoleonischen Reiches (die zum Sturz der Feudalmächte in ganz Europa beitrugen);
b) 1850–1873: der Krimkrieg, der amerikanische Bürgerkrieg, Kriege der nationalen Einheit (Deutschland, Italien), mexikanischer und deutsch-französischer Krieg;
c) 1895–1913: spanisch-amerikanischer, russisch-japanischer und Balkankrieg.
Bis 1914 gab es ein Jahrhundert lang keinen richtig grossen Krieg. Die meisten Kriege zwischen den Grossmächten blieben verhältnismässig kurz, dauerten allenfalls Monate oder gar nur Wochen (der Krieg zwischen Preussen und Österreich 1866). Zwischen 1871 und 1914 wurde kein europäisches Land Opfer einer Invasion. Es hat keinen Weltkrieg gegeben. Zwischen 1815 und 1914 wurde kein Krieg zwischen den Grossmächten ausserhalb ihrer Nachbarregionen geführt. All dies änderte sich 1914, als ein Zeitalter des Abschlachtens eingeläutet wurde. 33
In der Dekadenzperiode sind die Kriege das Produkt eines Systems, dessen Dynamik nur in eine Sackgasse führen kann. In einer Periode, in der es nicht mehr um die Schaffung wirklich unabhängiger Nationalstaaten geht, sind alle Kriege imperialistisch. Die Kriege zwischen den Grossmächten a) neigen dazu, Weltkriege zu werden, weil ihre Wurzeln in der Schrumpfung des Weltmarktes im Verhältnis zu den Erfordernissen der Kapitalakkumulation liegen; b) dauern weitaus länger an; c) sind immens zerstörerisch; d) mobilisieren die gesamte Weltwirtschaft und die gesamte Bevölkerung der Krieg führenden Länder; e) haben vom Standpunkt des globalen Kapitals jede fortschrittliche wirtschaftliche Funktion verloren und sind völlig irrational geworden. Sie sind nicht mehr Elemente in der Entwicklung der Produktivkräfte, sondern Mittel zu ihrer Zerstörung. Sie sind nicht mehr Momente in der Expansion der Produktionsweise, sondern Zuckungen eines sterbenden Systems. In der Vergangenheit endeten Kriege mit einem klaren Gewinner, und der Ausgang des Krieges beeinflusste nicht die künftige Entwicklung der Protagonisten, wohingegen in den beiden Weltkriegen sowohl Sieger als auch Besiegte vom Krieg ausgezehrt wurden, zugunsten eines dritten Gangsters, den Vereinigten Staaten. Die Sieger waren nicht im Stande, die Besiegten zu zwingen, Kriegsreparationen zu zahlen (im Gegensatz zum riesigen Lösegeld in Gold, das nach 1870 von Frankreich an Preussen gezahlt wurde). Dies zeigt, wie in der Dekadenzperiode die Expansion der einen Macht nur zum Ruin Anderer führen kann. Früher garantierte die Militärmacht die Eroberungen ökonomischer Positionen. Heute steht die Wirtschaft in wachsendem Masse zu Diensten der Militärstrategie. Die Teilung der Welt in rivalisierende Imperialisten und die daraus resultierenden militärischen Konflikte zwischen ihnen sind zu permanenten Aspekten in der Existenz des Kapitalismus geworden. Dies war das Ergebnis der Analyse unserer Vorgänger, der Italienischen Linken: „Seit der Eröffnung der imperialistischen Phase des Kapitalismus zu Beginn des Jahrhunderts schwankt die Evolution zwischen dem imperialistischen Krieg und der proletarischen Revolution. In der Epoche des kapitalistischen Wachstums öffneten Kriege den Weg zur Ausweitung der Produktivkräfte durch die Zerstörung überholter Produktionsverhältnisse. In der Dekadenzphase haben Kriege keine andere Funktion als die Vernichtung des überschüssigen Reichtums…“ (Resolution über die Bildung des Internationalen Büros der Fraktionen der Kommunistischen Linken, in: Octobre,
Nr. 1, Februar 1938, S. 5) Battaglia lehnt heute diese Analyse ab und behauptet dennoch, Erbe der Italienischen Linken zu sein.
All dies ist in den Analysen der Revolutionäre des letzten Jahrhunderts enthalten,34 und Battaglia amüsiert sich lediglich darüber, indem es versucht, unsere Vorgänger mit der sarkastischen Frage zu ignorieren: „Und wann, folgt man dieser Art, die Frage zu stellen, trat der Übergang von der progressiven zur dekadenten Phase auf? Am Ende des 19. Jahrhunderts? Nach dem Ersten Weltkrieg? Nach dem zweiten?“. Battaglia weiss – oder sollte es wissen – sehr gut, dass für die gesamte kommunistische Bewegung, einschliesslich der Mitgefährten des IBRP, die Communist Workers Organisation, der I. Weltkrieg den Eintritt des Kapitalismus in die Dekadenz bedeutete: „Zurzeit der Bildung der Komintern 1919 wurde es offensichtlich, dass die Epoche der Revolution erreicht war, und ihre Gründungskonferenz erklärte dies.“35
In diesem Artikel haben wir versucht aufzuzeigen, dass es nichts Fatalistisches an der marxistischen Sichtweise der kapitalistischen Dekadenz gibt und dass die Geschichte des Kapitalismus nicht ein endloser Kreis von Wiederholungen ist. Im nächsten Artikel werden wir unsere Kritik an Battaglia fortsetzen und vor allem auf all die Folgen hinweisen, die eintreten, wenn sich vom Begriff der Dekadenz auf der Ebene des politischen Kampfes des Proletariats abwendet.
C.Mcl.

Fußnoten:
1 s. International Review Nrn. Nr. 48, 49, 50, 54, 56, 58 und 60 (engl., frz., span. Ausgabe). Und auf Deutsch: Die Dekadenz verstehen in: Internationale Revue Nrn. 10–12. Und unserer Website.
2 Veröffentlicht auf Italienisch in Prometeo, Nr. 8, Reihe VI (Dezember 2003) und auf Englisch in Revolutionary Perspectives, Nr. 32, dritte Serie, Summer 2004. Eine französische Version ist über die IBRP-Website erhältlich. Weitere Referenzen zur Dekadenztheorie können im Artikel Kommentare über die jüngste Krise der IKS, in Internationalist Communist, Nr. 21, gefunden werden.
3 s. International Review Nrn. 111, 115 und besonders 118. (engl., frz., span. Ausgabe).
4 Die Communist Workers Organisation war mit Battaglia Comunista Mitbegründer des IBRP.
5 In ihrer Einführung zum Artikel von Prometeo schreibt die CWO: „Wir veröffentlichen unten einen Text der Genossen von Battaglia Comunista, der einen Beitrag zur Debatte über die kapitalistische Dekadenz darstellt. Der Begriff der Dekadenz ist ein Teil von Marxens Analyse der Produktionsweisen. Der klarste Ausdruck dafür wird in dem berühmten Vorwort zur Kritik der politischen Ökonomie gegeben, wo Marx feststellt: „Auf einer gewissen Stufe ihrer Entwicklung geraten die materiellen Produktivkräfte der Gesellschaft in Widerspruch mit den vorhandenen Produktionsverhältnissen oder, was nur ein juristischer Ausdruck dafür ist, mit den Eigentumsverhältnissen, innerhalb deren sie sich bisher bewegt hatten. Aus Entwicklungsformen der Produktivkräfte schlagen diese Verhältnisse in Fesseln derselben um. Es tritt dann eine Epoche sozialer Revolution ein.“ (Marx: Zur Kritik der politischen Ökonomie, MEW Bd. 13, S. 9) Zurzeit der Bildung der Komintern 1919 schien es, dass die Epoche der Revolution erreicht war, und ihre Gründungskonferenz erklärte dies. 85 Jahre später erschient dies zumindest fraglich. Innerhalb des 20. Jahrhunderts haben die kapitalistischen Eigentumsverhältnisse trotz der von zwei Weltkriegen verursachten unerhörten Zerstörung und Leiden die Produktivkräfte in die Lage versetzt, sich in nie gekannter Weise weiterzuentwickeln, und Hunderte von Millionen neuer Arbeiter in die Reihen des Proletariats eingegliedert. Kann unter diesen Umständen argumentiert werden, dass diese Verhältnisse in dem allgemeinen Sinn, den Marx unterstrichen hat, eine Fessel der Produktivkräfte sind? Die CWO hat früher argumentiert, dass nicht die Abwesenheit von Wachstum der Produktivkräfte, sondern die allgemeinen Unkosten, die mit einem solchen Wachstum verbunden sind, betrachtet werden müssen, wenn man die Dekadenz beurteilt. Solch ein Argument öffnet, während es das massive Wachstum der Produktivkräfte anerkennt, die Tür für eine subjektive Beurteilung der allgemeinen Unkosten, die ein solches Wachstum ermöglicht haben. Der Text weiter unten streitet für eine wissenschaftliche Herangehensweise besonders an die Frage der ökonomischen Definition der Dekadenz. Wir hoffen, weitere Texte über dieses Thema in Zukunft veröffentlichen zu können.“ (Revolutionary Perspectives, Nr. 32, unsere Hervorhebung) Wir werden später in dieser Reihe auf die Argumente zurückkommen, die die CWO vorbringt, um den Begriff der Dekadenz, wie er von Marx definiert wurde, in Frage zu stellen: die Dynamik in der Entwicklung der Produktivkräfte, das numerische Wachstum der Arbeiterklasse und die Bedeutung der beiden Weltkriege. Im Moment muss die Veröffentlichung dieser Einführung ausreichen, um unseren Lesern eine Ahnung von dem Entwicklungsgang im Denken der CWO zu geben, die in der Vergangenheit die marxistische Definition der Dekadenz stets als einen zentralen Angelpunkt ihrer Plattform betrachtet hat. In der Tat trug die erste Broschüre der CWO den Titel Die ökonomischen Fundamente der kapitalistischen Dekadenz. Sollen wir heute daraus den Schluss ziehen, dass die ökonomischen Fundamente dieser Broschüre nicht wissenschaftlich waren?
6 Karl Marx: Das Kapital, MEW Bd. 25, S. 273.
7 Karl Marx: Brief an V. I. Sassulitsch, . MEW Bd. 19, S. 387.
8 Karl Marx: Das Kapital, MEW Bd. 25, S. 252.
9 s. Revolutionary Perspectives, Nr. 32, oben zitiert.
10 Karl Marx: Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte,in: MEW Bd. 8, S. 115.
11 Rosa Luxemburg, Junius-Broschüre (Die Krise der Sozialdemokratie),in: Werke Bd. 4, S. 61.
12 Marx/Engels: Manifest der kommunistischen Partei, in: MEW Bd. 4, S. 462.
13 Diese Thesen wurden in Paris von der Imprimerie spéciale de la Librairie du Travail unter dem Titel Plattform der Linken veröffentlicht. Eine andere französische Übersetzung ist über die Edition Programme Communiste erhältlich: Die Krise des Kapitalismus bleibt offen, und ihre weitere Verschlimmerung ist unvermeidlich, veröffentlicht in der Anthologie Nr. 7 von Texten der Parti Communiste International mit dem Titel Die Verteidigung der Kontinuität des kommunistischen Programms.
14 Karl Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, S. 635.
15 Wir sollten unsere Leser darauf hinweisen, dass sich nicht einmal Battaglia dessen sicher ist! Anscheinend sind sich die Genossen nicht einmal sicher, ob der Kapitalismus an wachsenden Krisen und Widersprüchen leidet: „Die Verkürzung der Aufschwungsphase der Akkumulation könnte ebenfalls als ein Aspekt der ‚Dekadenz‘ betrachtet werden, doch die Erfahrungen aus dem letzten Zyklus zeigen, dass die Verkürzung der aufsteigenden Phase nicht notwendigerweise die Beschleunigung des Gesamtzyklus der Akkumulation, Krise, Krieg, neue Akkumulation, mit sich bringt.“ (Internationalist Communist, Nr. 21)
16 Revolutionary Perspectives, Nr. 32.
17 In Internationalist Communist, Nr. 21, sagt das IBRP, dass es „ein internationales Dokument/Manifest verteilte (…) (das) neben einem dringenden Aufruf zur internationalen Partei auch beabsichtigt, eine seriöse Einladung an all jene zu sein, die behaupten, zur kommunistischen Avantgarde zu gehören.“ Wenn das IBRP wirklich ernst genommen werden will, dann muss es anfangen, die Fundamente des historischen Materialismus zu begreifen und Polemiken auf der Grundlage wirklich politischer Argumente zu führen, statt Selbstgespräche zu führen und Bannsprüche zu fällen, deren Ursprung in einem Anfall typisch bordigistischen Grössenwahns liegen, welcher sie einbilden lässt, die einzigen Wächter der marxistischen Wahrheit und weltweit der einzige revolutionäre Umgruppierungspol zu sein.
18 Karl Marx Das Kapital, MEW Bd. 25, S. 799/800.
19 Friedrich Engels, Karl Marx, in: MEW Bd. 19, S. 105–106.
20 Karl Marx: Zur Kritik der politischen Ökonomie, in: MEW Bd. 13, S. 9.
21 „In einfachen Begriffen betrifft das Dekadenzkonzept allein die fortschreitenden Schwierigkeiten beim Verwertungsprozess des Kapitals (…) Die stetig wachsenden Schwierigkeiten im Verwertungsprozess des Kapitals haben zu ihrer Voraussetzung den tendenziellen Fall der durchschnittlichen Profitrate (…) Selbst Ende der 60er-Jahre waren entsprechend der Statistiken, die von internationalen Wirtschaftsorganisationen wie der IWF, die Weltbank und auch das Massachusetts Institute für Technologie sowie jüngst in den Untersuchungen von Ökonomen des marxistischen Gebiets, wie Ochoa und Mosley, herausgegeben wurden, die Profitraten in den USA 30% niedriger als in den 50er-Jahren…“ (Revolutionary Perspectives, Nr. 32)
22 „2. Die Niedergangsperiode des Kapitalismus
Nach Abschätzung der ökonomischen Weltlage konnte der 3. Kongress mit vollkommener Bestimmtheit konstatieren, dass der Kapitalismus nach Erfüllung seiner Mission, die Entwicklung der Produktion
zu fördern, in unversöhnlichen Widerspruch zu den Bedürfnissen nicht nur der gegenwärtigen historischen Entwicklung, sondern auch der elementarsten menschlichen Existenzbedingungen geraten ist. Im letzten imperialistischen Kriege spiegelte sich dieser fundamentale Widerspruch wider, der durch den Krieg noch verschärft wurde und der die Produktions- und Zirkulationsverhältnisse den schwersten Erschütterungen aussetzte. Der überlebte Kapitalismus ist in das Stadium getreten, in dem die Zerstörungsarbeit seiner zügellosen Kräfte die schöpferischen, wirtschaftlichen Errungenschaften, die das Proletariat noch in den Fesseln kapitalistischer Knechtschaft geschaffen hat, lähmt und vernichtet. (…) Was der Kapitalismus heute durchmacht, ist nichts anderes als sein Untergang. Der Zusammenbruch des Kapitalismus ist unabwendbar.“ (Thesen über die Taktik der Komintern des 4. Kongresses, in: Manifeste, Leitsätze, Thesen und Resolutionen,
Bd. 2, S. 9, Intarlit 1984).
23 „Der Kapitalismus ist die erste Wirtschaftsform mit propagandistischer Kraft, eine Form, die die Tendenz hat, sich auf dem Erdrund auszubreiten und alle anderen Wirtschaftsformen zu verdrängen, die keine andere neben sich duldet. Er ist aber zugleich die erste, die allein, ohne andere Wirtschaftsformen als ihr Milieu und ihren Nährboden, nicht zu existieren vermag, die also gleichzeitig mit der Tendenz, zur Weltform zu werden, an der inneren Unfähigkeit zerschellt, eine Weltform der Produktion zu sein. Er ist ein lebendiger historischer Widerspruch in sich selbst, seine Akkumulationsbewegung ist der Ausdruck, die fortlaufende Lösung und zugleich Potenzierung des Widerspruchs. Auf einer gewissen Höhe der Entwicklung kann dieser Widerspruch nicht anders gelöst werden als durch die Anwendung der Grundlagen des Sozialismus – derjenigen Wirtschaftsform, die zugleich von Hause aus Weltform und in sich ein harmonisches System, weil sie nicht auf die Akkumulation, sondern auf die Befriedigung der Lebensbedürfnisse der arbeitenden Menschheit selbst durch die Entfaltung aller Produktivkräfte des Erdrundes gerichtet sein wird.“ (R. Luxemburg, Die Akkumulation des Kapitals, in: Werke Bd. 5, S. 411)
24 Aus allem, was über das ökonomische Wesen des Imperialismus gesagt wurde, geht hervor, dass er charkterisiert werden muss, als Übergangskapitalismus (...) Es ist eben der Parasitismus und die Fäulnis des Kapitalismus, die seineinem höchsten geschichtlichen Stadium, d. h. dem Imperialismus eigen sind (...) Der Imperialismus ust de Vorabend der sozialen Revolution. Das hat sich 1917 im Weltmasstab bestätigt.” (W. I. Lenin, Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus, in LW Bd. 22, S. 307 und 198).
25 „…Die russischen Sozialchauvinisten (an ihrer Spitze Plechanow) berufen sich auf die Taktik von Marx im Kriege von 1870; die deutschen Sozialchauvinisten (vom Schlage der Lensch, David und Co.) berufen sich auf die Erklärungen von Engels im Jahre 1891, in denen er von der Pflicht der deutschen Sozialisten spricht, im Falle eines gleichzeitigen Krieges gegen Russland und Frankreich das Vaterland zu verteidigen (…) Alle diese Berufungen sind eine empörende Fälschung der Auffassungen von Marx und Engels zugunsten der Bourgeoisie und der Opportunisten (…) Wer sich jetzt auf Marx' Stellungnahme zu den Kriegen in der Epoche der fortschrittlichen Bourgeoisie beruft und Marx' Worte „Die Arbeiter haben kein Vaterland“ vergisst – diese Worte, die sich gerade auf die Epoche der reaktionären, überlebten Bourgeoisie beziehen, auf die Epoche dersozialistischen Revolution –, der fälscht Marx schamlos und ersetzt die sozialistische Auffassung durch die bürgerliche.“ (W. I. Lenin, Sozialismus und Krieg, in: LW Bd. 21, S. 295 ff.)
26 „Es wäre ein Fehler, zu glauben, dass diese Fäul-nistendenz ein rasches Wachstum des Kapitalismus ausschliesst; durchaus nicht, einzelne Industriezweige, einzelne Schichten der Bourgeoisie und einzelne Länder offenbaren in der Epoche des Imperialismus mehr oder minder stark bald die eine, bald die andere dieser Tendenz. Im grossen und ganzen wächst der Kapitalismus bedeutend schneller als früher, aber dieses Wachstum wird nicht nur im allgemeinen immer ungleichmässiger, sondern die Ungleichmässigkeit äussert sich auch im besonderen in der Fäulnis der kapitalkräftigsten Länder (England).“ (W. I. Lenin, Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus, in: LW Bd. 22, S. 305.)
27 „Wenn der Kapitalismus einmal in die Dekadenz eingetreten ist, wenn er bewiesen hat, dass er in eine historische Sackgasse geraten ist, sind es deshalb hauptsächlich politische Faktoren, die den Zeitpunkt des Kriegsausbruchs bestimmen.“ s. Bericht über die internationale Lage für den 9. Internationalen Kongress, in: International Review Nr. 67 (frz., engl., span. Ausgabe).
28 Engels an Bloch, 21. September 1890, in: MEW Bd. 37, S. 462 ff.
29 In diesen Fragen siehe unsere Kritik an Battaglia Comunista's politischen Positionen in International Review, Nr. 36, Die 1980er sind nicht die 1930er-Jahre; Nr. 41, Welche Methode zum Verständnis des Klassenkampfes; Nr. 50, Antwort an Battaglia über den historischen Kurs; Nr. 79, Die Auffassung des IBRP über die Dekadenz des Kapitalismus und die Kriegsfrage; Nr. 82, Antwort an das IBRP: der Charakter des imperialistischen Krieges; Nr. 83, Antwort an das IBRP: Theorien der historischen Krise des Kapitalismus; Nr. 86, Hinter der Globalisierung der Wirtschaft die Verschlimmerung der kapitalistischen Krise Nr. 108, Polemik mit dem IBRP: der Krieg in Afghanistan – Strategie oder Ölprofite?
30 s. den Artikel aus Bilan, Nr. 10–11, 1934, Krisen und Zyklen in der Wirtschaft des dekadenten Kapitalismus, in” Internationale Review, Nr. 27 und 28.
31 Karl Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, S. 635
32 s. Thesen zur Weltlage und die Aufgaben der Kommunistische Internationale des 3. Weltkongresse, in: Manifeste, Leitsätze, Thesen und Resolutionen, Bd. 2, S. 9, Intarlit (1984).
33 Dies wurde von Engels lange vor dem Ende des 19. Jahrhunderts vorausgesagt: Friedrich Engels sagt einmal: „Die bürgerliche Gesellschaft steht vor einem Dilemma, entweder Übergang zum Sozialismus oder Rückfall in die Barbarei. Was bedeutet ein „Rückfall in die Barbarei” auf unserer Höhe der europäischen Zivilisation? Wir haben wohl alle die Worte bis jetzt gedankenlos gelesen und wiederholt, ohne ihren furchtbaren Ernst zu ahnen. Ein Blick um uns in diesem Augenblick zeigt, was ein Rückfall der bürgerlichen Gesellschaft in die Barbarei bedeutet. Dieser Weltkrieg – das ist ein Rückfall in die Barbarei. Der Triumph des Imperialismus führt zur Vernichtung der Kultur – sporadisch während der Dauer eines modernen Krieges und endgültig, wenn die nun begonnene Periode der Weltkriege ungehemmt bis zur letzten Konsequenz ihren Fortgang nehmen sollte. Wir stehen also heute, genau wie Friedrich Engels vor einem Menschenalter, vor vierzig Jahren, voraussagte, vor der Wahl: entweder Triumph des Imperialismus und Untergang jeglicher Kultur, wie im alten Rom, Entvölkerung, Verödung, Degeneration, ein grosser Friedhof; oder Sieg des Sozialismus, d. h. der bewussten Kampfaktion des internationalen Proletariats gegen den Imperialismus und seine Methode: den Krieg. Dies ist ein Dilemma der Weltgeschichte, ein Entweder – Oder, dessen Waagschalen zitternd schwanken vor dem Entschluss des klassenbewussten Proletariats. Die Zukunft der Kultur und der Menschheit hängt davon ab, ob das Proletariat sein revolutionäres Kampfschwert mit männlichem Entschluss in die Waagschale wirft.“ (R. Luxemburg, Juniusbroschüre – Die Krise der Sozialdemokratie, in: Gesammelte Werke Bd. 4, S. 62).
34 „Eine neue Epoche ist geboren: die Epoche der Auflösung und des Zusammenbruchs des Kapitalismus, die Epoche der kommunistischen Revolution des Proletariats“ (Richtlinien des 1. Kongresses der Kommunistischen Internationale).
„Der theoretisch klare Kommunismus muss dagegen den Charakter der gegenwärtigen Epoche richtig einschätzen. (Höhepunkt des Kapitalismus; imperialistische Selbstverneinung und Selbstvernichtung; ununterbrochenes Anwachsen des Bürgerkriegen usw.)“ (Leitsätze über die Kommunistischen Parteien und den Parlamentarismus des 2. Kongresses der Kommunistischen Internationale)
„Die III. Kommunistische Internationale, gegründet im März 1919 in der Hauptstadt der Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik, Moskau, erklärt feierlich vor der ganzen Welt, dass sie es auf sich nimmt, das grosse Werk, welches von der I. Internationalen Arbeiter-Assoziation begonnen wurde, fortzusetzen und zu Ende zu führen. (…) Die III. Kommunistische Internationale bildete sich beim Ausbruch des imperialistischen Krieges 1914–1918, in welchem die imperialistische Bourgeoisie der verschiedenen Länder 20 Millionen Menschen opferte. (…) „Gedenke des imperialistischen Krieges!” das ist das erste, womit die Kommunistische Internationale sich an jeden Werktätigen wendet, wo er auch leben mag, in welcher Sprache er auch sprechen mag. . Gedenke dessen, dass dank des Bestehens der kapitalistischen Ordnung ein kleines Häuflein von Imperialisten die Möglichkeit hatte, im Verlauf von vier langen Jahren die Arbeiter der verschiedenen Länder zu zwingen, einander den Hals abzuschneiden! Gedenke dessen, dass der Krieg .der Bourgeoisie über Europa und die ganze Welt die fürchterlichste Hungersnot und das entsetzlichste Elend, heraufbeschwor! Gedenke dessen, dass ohne den Sturz des Kapitalismus die Wiederholung von derartigen Raubkriegen nicht nur möglich, sondern unvermeidlich ist. (…) Die Kommunistische Internationale stellt sich zum Ziel: mit allen Mitteln, auch mit den Waffen in der Hand, für den Sturz der internationalen Bourgeoisie und für die Schaffung einer internationalen Sowjetrepublik, als Übergangsstufe zur vollen Vernichtung des Staates, zu kämpfen. Die Kommunistische Internationale hält die Diktatur des Proletariats für das einzige Mittel, welches -die Möglichkeit gibt, die Menschheit von den Greueln des Kapitalismus zu befreien. (Statuten der Kommunistischen Internationale vom 2. Kongress)
Alle drei Zitate in: Manifeste, Leitsätze, Thesen und Resolutionen, Bd. 2, S. 9, Intarlit (1984).
35 Die Einführung der CWO zu Battaglias Artikel in Revolutionary Perspectives, Nr. 32.

Politische Strömungen und Verweise: 

Entwicklung des proletarischen <br>Bewusstseins und der Organisation: 

Erbe der kommunistischen Linke: