11. Kongress der IKS: Der Kampf zur Verteidigung und zum Aufbau der Organisation

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Im April hat die IKS ihren 11. Internationalen Kongreß abgehalten. Da die kommunistischen Organisationen ein Teil des Proletariats, ein historisches Erzeugnis desselben sowie ein lebendiger Bestandteil und aktiver Faktor des Kampfes der Arbeiterklasse für ihre Befreiung sind, ist ihr Kongreß als höchstes Organ von herausragender Bedeutung für das Proletariat. Deshalb ist es die Aufgabe der Kommunisten, von diesem wesentlichen Moment des Lebens ihrer Organisation zu berichten.

Mehrere Tage lang haben Delegationen aus 12 Ländern1kg/16#_edn1" name="_ednref1">[i], in denen mehr als anderthalb Milliarden Menschen und vor allem die größten Arbeiterkonzentrationen der Welt leben (Westeuropa und Nordamerika), debattiert, Lehren gezogen, Orientierungen zu den Hauptfragen eingeschlagen, vor denen heute unsere Organisation steht. Auf der Tagesordnung des Kongresses standen hauptsächlich zwei Punkte: die Aktivitäten und die Funktionsweise unserer Organisation, die internationale Situation1kg/16#_edn2" name="_ednref2">[ii]. Die Aktivitäten und Funktionsweise der IKS haben uns in den Sitzungen am meisten beschäftigt und die leidenschaftlichsten Debatten hervorgerufen. Der Grund: die IKS stand vor großen organisatorischen Schwierigkeiten, die eine besonders starke Mobilisierung aller Sektionen und aller Mitglieder erforderlich machten.

Die Organisationsprobleme in der Geschichte der Arbeiterbewegung...

Die historische Erfahrung der revolutionären Organisationen des Proletariats zeigt, daß die Fragen der Funktionsweise eigenständige politische Fragen sind, die die größte Aufmerksamkeit erfordern. Wenn man beispielsweise die Erfahrung der ersten internationalen Organisation des Proletariats, die IAA (Internationale Arbeiterassoziation) sowie des 2.Kongresses der Russischen Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAPR) von 1903 untersucht, kann man feststellen, daß die Debatten und Resolutionen über die Organisation im Mittelpunkt ihres Wirkens standen.

Die Erfahrung der 1.Internationale

Die I. Internationale wurde im September 1864 aufgrund der Initiative von französischen und englischen Arbeitern in London gegründet. Von Anfang an arbeitete sie zentralisiert mit einem Zentralrat an ihrer Spitze, der nach dem Genfer Kongreß von 1867 als der ‘Generalrat’ bekannt wurde. Marx sollte im Generalrat eine führende Rolle spielen, da er die Aufgabe übernahm, bedeutende Grundlagentexte zu schreiben wie beispielsweise die Inauguraladresse, ihre Statuten und die Adresse des Generalrates zur  Pariser Kommune (Bürgerkrieg in Frankreich, Mai 1871). Die Internationale Arbeiterassoziation (IAA) oder die Internationale, wie die Arbeiter sie nannten, wurde schnell zu einer Macht in den fortgeschrittenen Ländern (insbesondere in Westeuropa). Bis zur Pariser Kommune 1871 umfaßte sie eine wachsende Anzahl von Arbeitern und wurde zu einem führenden Faktor bei der Entwicklung der beiden Hauptwaffen des Proletariats: seine Organisation und sein Bewußtsein. Deshalb war die Internationale zunehmend erbitterten Angriffen seitens der Bourgeoisie ausgesetzt: Verleumdungen in der Presse, Eindringen in ihre Reihen von Informationen, Verfolgung ihrer Mitglieder usw.. Aber die IAA war durch die Angriffe einiger ihrer Mitglieder der größten Gefahr ausgesetzt, die sich gegen die Funktionsweise der Internationale selber richteten. Schon als die IAA gegründet wurde, wurden die provisorischen Funktionsregeln von der Pariser Sektion übersetzt; diese waren stark von den föderalistischen Auffassungen Proudhons beeinflußt worden, wodurch der zentralisierte Charakter der Internationale beträchtlich geschwächt wurde. Aber die gefährlichsten Angriffe sollten erst später stattfinden, als die Kräfte der ‘Allianz der sozialistischen Demokratie’, die von Bakunin gegründet worden war, in die Internationale eintreten wollte. Die ‘Allianz der Demokratie’ sollte in einigen Sektionen der Internationale fruchtbaren Nährboden aufgrund deren Schwächen finden, die wiederum das Ergebnis der Schwäche des Proletariats zu einem Zeitpunkt war, da das Proletariat selbst noch nicht die Schwächen der vorherigen Stufe überwunden hatte.’Die erste Phase in dem Kampfe des Proletariats gegen die Bourgeoisie ist durch die Sektenbewegung bezeichnet. Diese ist berechtigt zu einer Zeit, in der das Proletariat sich noch nicht hinreichend entwickelt hat, um als Klasse zu handeln. Vereinzelte Denker unterwerfen die sozialen Gegensätze einer Kritik und geben zugleich eine phantastische Lösung derselben, welche die Masse der Arbeiter nur anzunehmen, zu verbreiten und praktisch ins Werk zu setzen braucht. Es liegt schon in der Natur dieser durch die Initiative Einzelner gebildeten Sekten, daß sie sich jeder wirklichen Tätigkeit, der Politik, den Streiks, den Gewerksgenossenschaften, mit einem Wort, jeder Gesamtbewegung gegenüber fremd und abgeschlossen verhalten. Die Masse des Proletariats bleibt stets ihrer Propaganda gegenüber gleichgültig, ja selbst feindlich. (...) Die Sekten, im Anfange Hebel der Bewegung, werden ein Hindernis, sowie diese sie überholt; sie werden dann reaktionär; (...) Kurz, sie stellen die Kindheit der Proletarierbewegung dar, wie die Astrologie und Alchimie die Kindheit der Wissenschaft. Damit die Gründung der Internationalen zur Möglichkeit wurde, mußte das Proletariat diese Entwicklungsstufe überschritten haben’ (MEW Bd. 18, S. 32 ff, ‘Die angeblichen Spaltungen in der Internationale’).

Im Gegensatz zu den Sekten ist die Internationale eine wirkliche, militante Organisation der Arbeiterklasse eines jeden Landes, zusammengeschmiedet in ihrem gemeinsamen Kampf gegen die Kapitalisten, Grundbesitzer und deren Klassenmacht, die sich im Staat zusammengefaßt haben. Die Statuten der Internationale erkannten   deshalb nur einige Arbeitervereine an, die jeweils das gleiche Ziel verfolgten und alle das gleiche Programm vertraten, das sich darauf beschränkt, die Hauptzüge der proletarischen Bewegung zu umreißen. Die theoretische Ausarbeitung soll dem Anstoß überlassen werden, der durch die Erfordernisse des Klassenkampfes ausgeht. Dies geschieht durch den Austausch der Ideen in den Sektionen, wobei alle sozialistischen Auffassungen in ihren Publikationen und Kongressen akzeptiert werden.

‘Wie in jeder neuen historischen Phase die alten Irrtümer für einen Augenblick von neuem auftauchen, um bald danach wieder zu verschwinden, so hat auch die Internationale in ihrem Schoße sektiererische Sektionen entstehen sehen...’ (MEW 18, S. 34, ‘Die angeblichen Spaltungen in der Internationale’)

Diese Schwäche wurde am deutlichsten in den rückständigsten Teilen des europäischen Proletariats, die gerade aus der Bauernschaft und den Handwerkergruppen hervorgegangen waren. Bakunin, der 1868 nach dem Zusammenbruch der ‘Ligue de la Paix et de la Liberté’ (Friedens- und Freiheitsliga) (die bürgerliche Republikaner zusammenfaßte und an deren Spitze er stand), benutzte diese Schwäche, um zu versuchen, die Internationale seinen anarchistischen Auffassungen zu unterwerfen und sie unter seine Kontrolle zu bringen. Die Allianz der sozialistischen Demokratie wurde dabei für ihn ein Mittel zum Zweck; er hatte sie als eine Minderheit in der Friedens- und Freiheitsliga gegründet. Die Allianz war sowohl eine öffentliche als auch eine Geheimgesellschaft, die beabsichtigte, eine Internationale innerhalb der Internationale zu gründen. Ihre geheime Struktur und Geheimabsprachen unter ihren Mitgliedern sollten Bakunins Einfluß auf möglichst viele Sektionen der IAA sicherstellen, insbesondere in den Sektionen, in denen die anarchistischen Auffassungen auf das stärkste Echo stießen. Die Existenz von verschiedenen Gedankenströmungen innerhalb der Internationale stellte als solches noch kein Problem dar1kg/16#_edn3" name="_ednref3">[iii]. Dagegen sollte die Aktivität der Allianz, die darauf abzielte, die offizielle Struktur der Internationale zu ersetzen, zur Desorganisierung beitragen und die Existenz der Internationale selbst bedrohen. Die Allianz versuchte zum ersten Mal die Kontrolle der Internationale im Sept. 1869 auf ihrem Baseler Kongreß zu übernehmen. Mit diesem Ziel vor Augen unterstützten vor allem Bakunin und James Guillaume eine Resolution, die die Macht des Generalrates stärken sollte. Weil sie jedoch bei diesem Versuch scheiterten, begann die Allianz (die selbst geheime Statuten entwickelt hatte, welche sich auf eine extreme Zentralisierung stützten1kg/16#_edn4" name="_ednref4">[iv], eine Kampagne ‘gegen die Diktatur des Generalrates’, die darauf abzielte, daß der Generalrat zu einem ‘statistischen’ und ‘Korrespondenzbüro’ werden sollte, wie es die Allianz wollte, oder wie Marx sagte, zu einem einfachen Briefkasten werden sollte. Gegen das Prinzip der Zentralisierung als ein Ausdruck der internationalen Einheit des Proletariats trat die Allianz für den Föderalismus ein, die vollständige ‘Selbständigkeit der Sektionen’ und den nicht bindenden Charakter der Entscheidungen der Kongresse. Tatsächlich wollte die Allianz in den Sektionen, wo sie die Kontrolle hatte, immer das tun, was ihr am liebsten war. Dadurch sollte die  vollständige Desorganisierung der IAA ermöglicht werden. Vor dieser Gefahr stand 1872 der Haager Kongreß, der die Frage der Allianz auf der Grundlage eines Berichtes einer Untersuchungskommission diskutieren sollte. Schließlich wurde der Ausschluß Bakunins und James Guillaumes, des Führers der Föderation Jura beschlossen, die voll unter der Kontrolle der Allianz steckte. Dieser Kongreß war der Höhepunkt der IAA (es war der einzige Kongreß, an dem sich Marx direkt beteiligte, wodurch wir ablesen können, für wie wichtig er diesen Kongreß hielt). Aber er stand auch unter dem Vorzeichen der erdrückenden Niederlage der Pariser Kommune und der Demoralisierung, die diese innerhalb der Arbeiterklasse hervorgerufen hatte. Marx und Engels waren sich all dessen bewußt. Deshalb schlugen sie neben den Maßnahmen, die darauf abzielten, die IAA nicht in die Hände der Allianz geraten zu lassen, vor, daß der Generalrat nach New York verlagert werden sollten, weit entfernt also von den Konflikten, die die Internationale spalteten. Das sollte auch ein Mittel sein, damit die Internationale eines natürlichen Todes sterben sollte (was durch die Konferenz von Philadelphia 1876 bestätigt wurde), ohne daß ihr Prestige durch das Treiben Bakunins geschädigt wurde. Bakunins Anhänger und die Anarchisten haben diese Legende später immer weiter verbreitet, daß Marx und der Generalrat Bakunin und Guillaume aufgrund deren unterschiedlicher Auffassungen zur Frage des Staates ausgeschlossen hätten1kg/16#_edn5" name="_ednref5">[v]. Oder sie stellten den Konflikt dar als einen Zusammenprall zwischen den Persönlichkeiten Marxens und Bakunins. Kurzum, Marx wurde vorgeworfen, eine Divergenz bei generellen theoretischen Fragen mit administrativen Maßnahmen aus der Welt geschafft zu haben. Aber nichts widerspricht mehr der Wahrheit als das.

Der Haager Kongreß ergriff keine Maßnahmen gegen die Mitglieder der spanischen Sektion, die Bakunins Ideen teilten und Mitglieder der Allianz gewesen waren, aber erklärten, dies nicht mehr zu sein.

Auch setzte sich die ‘antiautoritäre’ IAA, die nach dem Haager Kongreß aus den Föderationen zusammengesetzt war, welche die Kongreßbeschlüsse nicht akzeptieren wollten, nicht nur aus Anarchisten zusammen, da ihnen auch deutsche Lassalleaner beigetreten waren, die große Anhänger des ‘Staatssozialismus’ waren, wie Marx es nannte. Tatsächlich fand der wirkliche Kampf in der IAA zwischen denjenigen statt, die für die Einheit der Arbeiterbewegung eintraten - und damit den bindenden Charakter der Kongreßbeschlüsse- und denjenigen, die forderten, daß sie all das tun könnten, was immer ihnen in den Sinn kam, daß jeder für sich handeln könnte und die Kongresse einfach als eine Versammlung aufgefaßt werden könnten, wo jeder seinen Standpunkt austauschen könnte, ohne daß aber verbindliche Beschlüsse gefaßt würden. Mit dieser informellen Organisationsweise wollte die Allianz versuchen, insgeheim eine wirkliche Bündelung der Föderationen vorzunehmen, wie es die Korrespondenz Bakunins ausdrücklich zum Ausdruck brachte. Die Durchsetzung dieser  ‘antiautoritären’ Auffassungen innerhalb der Internationale wäre das sicherste Mittel gewesen, sie zum Opfer der Intrigen und der versteckten und unkontrollierten Machtallianz werden zu lassen. Mit anderen Worten, sie den Abenteurern zu überlassen, die die Allianz beherrschten.

Die Lehren der russischen Sozialdemokratie

Der 2. Kongreß der SDAPR 1903 war auch der Ort einer ähnlichen Auseinandersetzung zwischen Anhängern einer proletarischen und denen einer kleinbürgerlichen Auffassung zur Organisation. Es gab Ähnlichkeiten zwischen der Lage der Arbeiterbewegung zur Zeit der I. Internationale und der Bewegung in Rußland um die Jahrhundertwende. In beiden Fällen steckte die Arbeiterbewegung noch in ihren Kinderschuhen, und das Hinterherhinken der russischen Arbeiterbewegung war vor allem zurückzuführen auf die späte russische Industrialisierung. Das Ziel der IAA bestand darin, eine vereinte Organisation aufzubauen,  die verschiedenen Arbeitervereinigungen, die die Entwicklung der Arbeiterklasse hervorgebracht hatte, zusammenzufassen. Ähnlich bestand das Ziel des 2. Kongresses der SDAPR  darin, die verschiedenen Zirkel und Gruppen der Sozialdemokratie, die sich in Rußland sowie im Exil entfaltet hatten, zusammenzuführen. Nach der Auflösung des Zentralkomitees, das auf dem 1. Kongreß der SDAPR  1897 gebildet worden war, gab es fast keine förmlichen Beziehungen mehr zwischen diesen verschiedenen Formationen. Auf dem 2. Kongreß gab es deshalb seinerzeit in der IAA einen Zusammenprall zwischen den Auffassungen zur Organisationsfrage, die die Vergangenheit der Bewegung zum Ausdruck brachten (welche von den Menschewiki - der Minderheit - vertreten wurden) und einer Auffassung, die den Bedürfnissen der neuen Situation entsprach (Bolschewiki - der Mehrheit). ‘Unter dem Namen der ‘Minderheit’ haben sich die unterschiedlichsten Leute in der Partei zusammengeschlossen, die von dem Wunsch - ob bewußt oder nicht - getragen werden, die Zirkelbeziehungen aufrechtzuerhalten, d.h. die vorherige Organisationsform der Partei. Einige bedeutende Mitglieder der einflußreichsten alten Zirkel, die die organisatorischen Verhaltensregeln nicht einhalten wollen, welche die Partei einführen muß, neigen dazu, die allgemeinen Interessen der Partei und die Interessen von Zirkeln, die in der Zirkelphase zusammenfallen können, mechanisch durcheinanderzubringen’ (Lenin, Ein Schritt vorwärts, zwei Schritte zurück).

Wie später deutlich werden sollte, war die Herangehensweise der Menschewiki (in der Revolution von 1905 und mehr noch in der Revolution von 1917, als die Menschewiki auf die Seite der Bourgeoisie wechselten) bestimmt worden durch das Eindringen bürgerlicher und kleinbürgerlicher Ideologie innerhalb der russischen Sozialdemokratie. Insbesondere wie Lenin feststellte, bestand der Großteil der Opposition (d.h. der Menschewiki) aus den Intellektuellen in der Partei, die somit zum Träger der kleinbürgerlichen Auffassungen hinsichtlich Organisationsfragen wurden. Diese Leute revoltieren gegen die Organisationsprinzipien und erheben den spontanen Anarchismus zu einem Prinzip des Kampfes, fordern ‘Toleranz’ usw. Es gibt in der Tat viele Ähnlichkeiten zwischen dem Verhalten der Menschewiki und der Anarchisten in der IAA (Lenin sprach mehrmals von dem ‘aristokratischen’ Anarchismus der Menschewiki). Wie die Anarchisten nach dem Haager Kongreß weigerten sich die Menschewiki die Entscheidungen des 2. Kongresses der SDAPR  anzuerkennen und sie anzuwenden. Sie erklärten, daß der Kongreß keine Gottheit und deshalb die Beschlüsse nicht ‘unantastbar’ seien. Genauso wie die Bakunisten gegen das Prinzip der Zentralisierung und der Diktatur des Generalrates zu Felde zogen, nachdem sie ihn nicht unter ihre Kontrolle hatten bringen können, bestand einer der Gründe dafür, daß die Menschewiki die Zentralisierung nach dem Kongreß verwarfen, darin, daß einige ihrer Mitglieder aus dem Zentralorgan, welches vom Kongreß gewählt worden war, entfernt worden waren. Es gibt

viele Parallelen bei der Art und Weise, wie die Menschewiki gegen die ‘persönliche Diktatur Lenins und seine eiserne Faust’ eine Kampagne betrieben, und der Art und Weise, wie Bakunin Marx ‘der Diktatur gegen den Generalrat’ beschuldigte.

‘Betrachte ich das Verhalten der Martowleute nach dem Parteitag (...) so kann ich nur sagen, daß das ein irrsinniger, eines Parteimitglieds unwürdiger Versuch ist, die Partei zu sprengen... und weshalb? Nur weil man unzufrieden ist mit der Zusammensetzung der Zentralstellen, denn objektiv war das die einzige Frage, in der wir uns trennten, die subjektiven Urteile aber (wie Kränkung, Beleidigung, Hinauswurf, Beseitigung, Verunglimpfung etc. etc.) sind die Frucht gekränkter Eigenliebe und krankhafter Phantasie. Diese krankhafte Phantasie und diese gekränkte Eigenliebe führen geradewegs zu schändlichen Klatschereien, nämlich dazu, daß man, ohne die Tätigkeit der neuen Zentralstellen kennengelernt und ohne sie gesehen zu haben, Gerüchte verbreitet über ihre ‘Arbeitsunfähigkeit’, über die ‘eiserne Hand’ eines Iwan Iwanowitsch, die ‘Faust’ eines Iwan Nikiforowitsch usw.... Die russische Sozialdemokratie muß den letzten schwierigen Übergang vollziehen vom Zirkelwesen zum Parteiprinzip, vom Spießertum zur Erkenntnis der revolutionären Pflicht, vom Handeln auf Grund von Klatschereien und Zirkeleinflüssen zur Disziplin’ (Lenin, Schilderung des 2. Parteitags der SDAPR, Bd 7, S. 20).

In Anbetracht der Beispiele der IAA und des. 2. Kongresses der SDAPR  wird die Wichtigkeit der Fragen der Funktionsweise der revolutionären Organisationen deutlich. Tatsächlich brachten diese Entscheidungen die erste grundlegende Abtrennung zwischen der proletarischen Strömung auf der einen Seite und der bürgerlichen und kleinbürgerlichen Strömung auf der anderen Seite. Dahinter steckte kein Zufall. Diese Abtrennung ist im Gegenteil gerade auf die Tatsache zurückzuführen, daß einer der Hauptwege, über den die dem Proletariat fremde Ideologie in dieses durch die Frage der Funktionsweise eindringt.

Die Geschichte der Arbeiterbewegung liefert uns viele Beispiele dafür. Wir haben hier z.T. aus Platzgründen nur diese beiden letzten Fälle aufgegriffen, aber auch weil es verblüffende Ähnlichkeiten gibt zwischen der Art und Weise, wie die IAA, die SDAPR  und die IKS gegründet wurden.

...und die Geschichte der IKS

Die IKS hat sich schon mehrmals mit dieser Art Fragen befassen müssen. Das war beispielsweise während unseres Gründungskongresses im Jan. 1975 der Fall, als wir uns mit der internationalen Zentralisierung  befaßten (siehe dazu ‘Bericht zur Organisationsfrage unserer Strömung’ in International Review). Ein Jahr später sind wir wieder auf unserem ersten Kongreß bei der Diskussion der Statuten darauf zurückgekommen (siehe den Artikel ‘Die Statuten der revolutionären Organisation des Proletariats’ in International Review Nr. 5). Schließlich hat die IKS im Jan. 1982 speziell eine Außerordentliche Konferenz zu dieser Frage nach der Krise von 1981 einberufen1kg/16#_edn6" name="_ednref6">[vi]. Gegenüber der Arbeiterklasse und dem proletarischen politischen Milieu haben wir unsere Schwierigkeiten Anfang der 80er Jahre nicht verheimlicht. In der Resolution des 5. Kongresses schrieben wir in der International Review Nr. 35 : ‘Seit ihrem 4. Kongreß (1981) hat die IKS in der schwersten Krise seit ihrem Bestehen gesteckt. Diese Krise hat abgesehen von der ‘Affäre Chenier’ (4) die Organisation zutiefst erschüttert; wir sind knapp am Auseinanderbrechen vorbeigeschlittert, als Folge daraus sind direkt oder indirekt ca. 40 Mitglieder ausgetreten, die Hälfte unserer territorialen Sektion in England hat uns verlassen. Diese Krise hatte eine Vernebelung, eine Desorientierung hervorgebracht, wie es zuvor in der IKS noch nie vorgekommen war.  Diese Krise erforderte zu ihrer Überwindung den Einsatz außergewöhnlicher Mittel: die Einberufung einer Internationalen Außerordentlichen Konferenz, die Diskussion und Verabschiedung von Grundsatzorientierungstexten zur Funktion und Funktionsweise der revolutionären Organisation, die Verabschiedung neuer Statuten’.

Solch eine Haltung der Transparenz gegenüber den Schwierigkeiten unserer Organisation war überhaupt kein Ausdruck irgendeines ‘Exhibitionismus’. Die Erfahrung kommunistischer Organisationen ist ein tiefgreifender Bestandteil der Erfahrung der Arbeiterklasse. Deshalb hat ein großer Revolutionär wie Lenin ein ganzes Buch ‘Ein Schritt vorwärts, zwei Schritte zurück’ darauf verwendet, die politischen Lehren des 2. Kongresses der SDAPR zu ziehen. Indem wir von unserem Organisationsleben berichten, übernimmt die IKS nur ihre Verantwortung gegenüber der Arbeiterklasse.

Wenn eine revolutionäre Organisation ihre Probleme und internen Diskussionen bekanntmacht, stürzen sich natürlich alle Gegner darauf, um die Organisation zu verleumden. Dies ist natürlich insbesondere mit der IKS der Fall. Natürlich werden wir kein Lob in der bürgerlichen Presse ernten aufgrund der Schwierigkeiten,  mit denen unsere Organisation jetzt kämpft. Die IKS ist noch zu klein - sowohl was Größe und Einfluß innerhalb der Arbeiterklasse angeht, so daß die Bourgeoisie noch kein Interesse daran hat, von uns zu sprechen und uns diskreditieren will. Die Bourgeoisie zieht es vor, eine Mauer des Schweigens aufzubauen um unsere Positionen und die Existenz revolutionärer Organisationen überhaupt. Deshalb sind die Verleumdung und die Sabotage unserer Intervention das Steckenpferd einer ganzen Reihe von Gruppen und parasitären Elementen, deren Funktion darin besteht, diejenigen abzuschrecken, die sich auf Klassenpositionen zubewegen, damit in ihnen ein Gefühl der Abscheu gegenüber der Mitarbeit an der Entwicklung des proletarischen Milieus entsteht.

Alle kommunistischen Gruppen  sind zur Zielscheibe von Angriffen der Parasiten geworden. Aber insbesondere die IKS ist stark davon betroffen gewesen, weil wir heute die größte Gruppe im proletarischen Milieu sind. Innerhalb der parasitären Bewegung gibt es heute voll entwickelte Gruppen wie die Gruppe Groupe Communiste Internationaliste (GCI) und ihre Abspaltung (wie ‘Gegen den Strom’), die jetzt aufgelöste Communist Bulletin Group (CBG) (aus Großbritannien ) und die Abspaltung der ehemaligen ‘Externen Fraktion der IKS’,  die alle aus  Abspaltungen von der IKS hervorgingen. Aber das Parasitentum ist nicht auf solche Gruppen beschränkt. Es wird auch von unorganisierten Elementen getragen, die sich von Zeit zu Zeit zu Diskussionen treffen und deren Hauptsorge darin besteht, alles mögliche Gerede über unsere Organisation in Umlauf zu bringen. Zu diesen Leuten gehören oft ehemalige Mitglieder der IKS, die sich dem Druck der kleinbürgerlichen Ideologie ergeben und sich als unfähig erwiesen haben, ihr Engagement in der Organisation aufrechtzuhalten, oder die darüber frustriert sind, daß die Organisation ihnen nicht die  ‘Anerkennung’ liefert, die sie meinten, zu ‘verdienten’. Oder sie hielten es nicht aus, sich der Kritik der Organisation zu stellen. Zu diesen Leuten gehören auch ehemalige Sympathisanten der Organisation, die wir nicht integrieren wollten, weil sie nicht über ausreichend Klarheit verfügten, oder ihre militante Sorge über Bord warfen, sobald sie spürten, daß ihre ‘Individualität innerhalb des kollektiven Rahmens verloren ginge. Dies trifft beispielsweise auf die Gruppe Colectivo Alptraum in Mexiko zu sowie  auf Kamunist Kranti in Indien. Es handelt sich jeweils um Elemente, deren Frustration über ihren eigenen Mangel an Mut, ihre Schlaffheit und ihre Unfähigkeit zu einer systematischen Feindschaft gegenüber unserer Organisation geworden ist. Offensichtlich sind diese Leute völlig unfähig, irgend etwas Konstruktives aufzubauen. Dagegen sind sie sehr wirksam, wenn es darum geht, ihr Gerede zu verbreiten und das mit Schutz zu besudeln, das zu zerstören und diskreditieren, was die Organisation dabei ist aufzubauen. Aber das Treiben der Parasiten wird die IKS nicht davon abhalten, gegenüber dem gesamten proletarischen Milieu unsere Erfahrungen kundzutun. In dem Vorwort zu ‘Ein Schritt vorwärts, zwei Schritte rückwärts’ schrieb Lenin: ‘Sie (unsere Gegner) feixen und sind schadenfroh über unsere Streitigkeiten; sie werden sich natürlich bemühen, einzelne Stellen aus meiner Broschüre, die den Mängeln und Unzulänglichkeiten unserer Partei gewidmet ist, für ihre Zwecke aus dem Zusammenhang zu reißen. Die russischen Sozialdemokraten haben bereits genügend im Kugelregen der Schlachten gestanden, um sich durch diese Nadelstiche nicht beirren zu lassen, um dessenungeachtet ihre Arbeit der Selbstkritik und rücksichtslosen Enthüllung der eigenen Mängel fortzusetzen, die durch das Wachstum der Arbeiterbewegung unbedingt und unvermeidlich ihre Überwindung finden werden. Die Herren Gegner aber mögen versuchen, uns ein Bild der wahren Sachlage in ihren ‘Parteien’ zu zeigen, das auch nur im entferntesten dem Bild ähnelt, das die Protokolle unseres zweiten Parteitags bieten’ (Mai 1904).

Genau mit diesem gleichen Geist wollen wir unseren Lesern einige Hauptauszüge aus der Resolution des 11.Kongresses bekannt machen. Dies ist kein Zeichen der Schwäche der IKS sondern legt Zeugnis ab von  unserer Stärke.

Die Probleme der IKS in der letzten Zeit

‘Der 11. Kongreß der IKS unterstreicht deutlich: die IKS befand sich in einer latenten Krise, die tiefgreifender war als die Krise Anfang der 80er Jahre. Wenn die Wurzeln dieser Krise nicht identifiziert worden wären, hätte die Gefahr der Zerstörung der Organisation bestanden.’ (Aktivitätsresolution, Punkt 1).

Die Ursachen der Krise, die die Organisation zu ersticken drohten, sind vielfältig, aber man kann einige Hauptfaktoren aufzählen:

- die Tatsache, daß die Außerordentliche Konferenz vom Jan. 1982, die uns aus der Krise von 1981 helfen sollte, nicht bis auf den Grund der Dinge gegangen ist,  die Schwächen der IKS nicht tiefgreifend genug angepackt hat;

- mehr noch, die Tatsache, daß die IKS die Errungenschaften dieser Konferenz selber nicht ausreichend genug verarbeitet hat...

- der gewachsene zerstörerische Einfluß des Zerfalls des Kapitalismus innerhalb der Arbeiterklasse und in den Reihen der kommunistischen Organisationen.

Deshalb bestand die einzige Art und Weise, wie die IKS wirksam der tödlichen Gefahr entgegentreten konnte, die uns bedrohte, :

-in der Identifizierung des Ausmaßes dieser Gefahr ...

- in der Mobilisierung der gesamten IKS, der Militanten, der Sektionen und der Zentralorgane um die Priorität der Verteidigung der Organisation,.

- in der Wiederaneignung der Errungenschaften der Konferenz von 1982,

-in der Vertiefung dieser Errungenschaften auf der Grundlage des Rahmens, den dieser uns bot (Punkt 2).

Der Kampf für die Wiederaufrichtung der IKS fing im Herbst 1993 durch die Diskussion eines Orientierungstextes in der ganzen Organisation an. Dieser Orientierungstext erinnerte und aktualisierte die Lehren von 1982, wobei wir uns besonders mit den historischen Ursprüngen unserer Schwächen befaßten. Im Mittelpunkt unserer Vorgehensweise standen die folgenden Bestrebungen: die Wiederaneignung der Errungenschaften unserer eigenen Organisation und der gesamten Arbeiterbewegung, die Kontinuität mit der Arbeiterbewegung und insbesondere der Kampf gegen das Eindringen  bürgerlicher und kleinbürgerlicher Ideologie, die der Arbeiterklasse fremd und feindlich sind.

‘Der Rahmen für das Begreifen des Ursprungs der Schwächen ist eingebettet in den vom Marxismus geführten historischen Kampf gegen den Einfluß der kleinbürgerlichen Ideologie, der in den Organisationen des Proletariats zu spüren ist. Insbesondere bezieht er den Kampf  der IAA gegen das Treiben Bakunins und seiner Anhänger ein, wie auch das Wirken Lenins und der Bolschewiki gegen die opportunistischen und anarchisierenden Auffassungen der Menschewiki auf dem 2. Kongreß der SDAPR und der Zeit danach. Insbesondere ging es darum, daß die Organisation in den Mittelpunkt ihrer Aktivitäten genau wie die Bolschewiki von 1903 an den Kampf gegen den Zirkelgeist und für den Aufbau des Parteigeistes stellt. Diese Priorität des Kampfes war durch das Wesen der Schwächen selber gegeben, die auf der IKS lasteten, weil die IKS aus Zirkeln hervorgegangen ist, die in der Phase  des historischen Wiedererstarkens der Arbeiterklasse Ende der 60er Jahre entstanden waren. Diese Zirkel waren seinerzeit stark geprägt durch das Gewicht der alles anfechtenden, alles in Frage stellenden  individualistischen  Haltung, kurzum anarchisierender Auffassungen, die besonders von den Studentenrevolten gezeichnet waren, und die mit dem Wiedererstarken der Arbeiterklasse einhergingen und diese dann negativ beeinflußten. Deshalb war die Feststellung des Vorhandenseins eines starken Zirkelgeistes in unserer Anfangsphase ein Teil unserer allgemeinen Analyse, die wir seit langem erarbeitet hatten, und die die Wurzeln unserer Schwächen auf den organischen Bruch der kommunistischen Organisationen zurückführte, welcher durch die Konterrevolution seit dem Ende der 20 Jahre entstanden war. Diese Feststellung erlaubte uns jedoch einen Schritt weiterzugehen als die früheren Ergebnisse und tiefer an die Wurzeln unserer Schwächen heranzukommen. Dadurch haben wir besser das Phänomen verstanden, das wir früher schon aufgedeckt aber unzureichend angepackt hatten, nämlich die Bildung von Clans innerhalb der Organisation. Diese Clans waren tatsächlich das Ergebnis des grassierenden Zirkelgeistes, der sich länger am Leben hielt als die Phase, in der die Zirkel eine unvermeidbare Etappe bei der Neugründung der kommunistischen Avantgarde gewesen waren. Dadurch wurden die Zirkel wiederum zu einem aktiven Faktor und massiven Stützpfeiler des Zirkelgeistes innerhalb der Organisation’ (Punkt 4).

Hier bezieht sich die Resolution auf einen Punkt des Orientierungstextes vom Herbst 1993, der die folgende Frage behandelt:

‘Eine große ständige Gefahr für die Organisation, die ihre Einheit infragestellt und zu ihrer Zerstörung führen kann, ist die Bildung von ‘Clans’ - auch wenn das nicht absichtlich oder bewußt geschieht. Bei einer Clan-Dynamik wird das Handelns nicht bestimmt  durch eine wirkliche politische Übereinstimmung sondern durch Freundschaftsbeziehungen, Treue, der Konvergenz besonderer ‘persönlicher’ Interessen oder geteilter Frustrationen. Da solch eine Dynamik sich nicht auf eine wirklich politische Konvergenz stützt, kommt es oft zum Erscheinen von ‘Gurus’, ‘Anführern von Cliquen’, die die Einheit des Clans sicherstellen und die ihre Macht stützen entweder auf ein besonderes Charisma (welches gar die politischen Fähigkeiten und das Urteilsvermögen anderer Militanter ersticken können) oder auf die Tatsache, daß sie als ‘Opfer’ einer bestimmten Politik der Organisation dargestellt werden oder als solche auftreten. Wenn solch eine Dynamik in Erscheinung tritt, werden das Verhalten oder die Entscheidungen der Clanmitglieder oder Sympathisanten eines Clans nicht mehr bestimmt durch eine bewußte Entscheidung, die auf den allgemeinen Interessen der Organisation fußt, sondern wo die Sichtweise und die Interessen des Clans überwiegen, und die dazu neigen, sich als im Widerspruch mit dem Rest der Organisation zu sehen’.

Diese Analyse stützte sich auf die Erfahrung der Arbeiterbewegung (z.B. die Haltung der alten Redakteure der Iskra, auf die Gruppe um Martov, welcher aus Unzufriedenheit mit den Entscheidungen des 2. Kongresses der SDAPR die menschewistische Fraktion gebildet hatte), aber auch auf Erfahrungen in der IKS. Wir können hier nicht in Einzelheiten gehen, aber hervorheben, daß die ‘Tendenzen’, die es in der IKS gegeben hat (die Tendenz, die 1978 die Groupe Communiste Internationaliste (GCI) schuf, 1981 die ‘Tendenz Chenier’1kg/16#_edn7" name="_ednref7">[vii], die ‘Tendenz’, die auf dem 6. Kongreß der IKS austrat, um die ‘Externe Fraktion der IKS’ -EFIKS- zu bilden), viel eher auf eine jeweilige Clandynamik zurückzuführen waren als auf eine wirkliche Tendenz, die sich auf eine alternative positive Orientierung stützten. Die Haupttriebkraft dieser ‘Tendenzen’ wurden nicht aufgrund von Divergenzen ihrer Mitglieder mit den Orientierungen der Organisation gebildet (diese Divergenzen waren sehr vielschichtig, wie es der spätere Werdegang der jeweiligen Tendenzen aufzeigte), sondern eher durch einen Zusammenschluß der Unzufriedenen und der Frustrierten mit den Zentralorganen und die persönliche Gefolgschaft gegenüber den Elementen, die sich als ‘Verfolgte’ oder als unzureichend ‘anerkannt’ ansahen.

Die Wiederaufrichtung der IKS

Während die Existenz von Clans in der Organisation nicht mehr den gleichen spektakulären Charakter wie in der Vergangenheit hatte, nagte deren Existenz jedoch ständig und dramatisch am Organisationsnetz. Insbesondere hat die gesamte IKS (und direkt beteiligte Genossen haben das ebenfalls so geschildert) aufgedeckt, daß sie mit einem Clan konfrontiert war, der an zentraler Stelle der Organisation saß und der ‘eine Vielzahl der gefährlichen Merkmale in sich konzentrierte und bündelte, mit denen die Organisation zu kämpfen hatte und deren gemeinsamer Nenner der Anarchismus war...’(Aktivitätsresolution Punkt 5).

Deshalb ‘haben wir nach Begreifen des Phänomens der Clans und ihrer besonders zerstörerischen Rolle eine Reihe von schlechten Funktionsweisen aufdecken können, unter denen die meisten territorialen Sektionen litten... Wir haben dadurch ebenfalls die Ursachen für das Abhandenkommen des ‘Geistes der Umgruppierung’ erkannt, den der 10. Kongreß in seinem Aktivitätsbericht aufgezeigt hatte, und der in den Gründerjahren der IKS vorhanden gewesen war...’ (Punkt 5).

Nach mehreren Tagen sehr lebhafter Debatte mit einer tiefgreifenden Beteiligung aller Delegationen und mit einer großen Einheit hat der 11. Kongreß der IKS die folgenden Schlußfolgerungen ziehen können:

‘...der Kongreß stellt den globalen Erfolg des von der IKS seit Herbst 1993 begonnenen Kampfes fest.... Die manchmal spektakuläre Genesung der von den organisatorischen Schwierigkeiten seit 1993 betroffenen Sektionen...., die von zahlreichen Teilen der IKS eingebrachten Vertiefungen..., all diese Tatsachen bestätigen die uneingeschränkte Gültigkeit des begonnenen Kampfes, seiner Methode, seiner theoretischen Grundlagen wie auch seiner konkreten Aspekte... Der Kongreß unterstreicht insbesondere die Vertiefung beim Begreifen einer Reihe von Fragen, vor denen wir standen und mit denen sich die Organisationen der Klasse auseinanderzusetzen haben: ein vertieftes Verständnis des Kampfes von Marx und des Generalrates der I. Internationale gegen die Allianz, des Kampfes von Lenin und der Bolschewiki gegen die Menschewiki, des Phänomens des politischen Abenteuertums in der Arbeiterbewegung (verkörpert vor allem von Gestalten wie Bakunin und Lassalle), das von deklassierten Elementen getragen wird, und die nicht unbedingt im Dienst des kapitalistischen Staates stehen, aber dennoch gefährlicher sind als die von ihm infiltrierten Agenten’ (Punkt 10).

Auf der Grundlage dieser Erkenntnisse stellt der 11. Kongreß fest, daß die IKS heute wesentlich stärker ist als zur Zeit des 10. Kongresses, und daß wir besser gerüstet sind, um unsere Verantwortung in den zukünftigen Kämpfen der Klasse zu übernehmen, obgleich die Organisation natürlich noch in einer ‘Genesungsphase’ steckt’.

Die Feststellung des positiven Ausgangs dieses von uns seit dem Herbst 1993 geführten Kampfes hat jedoch kein Gefühl der Euphorie auf dem Kongreß aufkommen lassen. Die IKS hat mittlerweile gelernt, sich vor Überschwenglichkeiten zu hüten, die eher ein Zeichen des Eindringens der kleinbürgerlichen Ungeduld in die Reihen der Kommunisten sind als ein proletarisches Verhalten. Der von den kommunistischen Organisationen und Militanten geführte Kampf ist langwierig, der viel Geduld erfordert, oft unscheinbar ist, und der wirkliche Enthusiasmus, den wir alle als Militante haben müssen, darf nicht gemessen werden an euphorischen Höhenflügen, sondern an der Fähigkeit, allen Höhen und Tiefen zu widerstehen, dem schädlichen Druck der Ideologie der Feindesklasse standzuhalten. Deshalb hat uns der erfolgreich geführte Kampf keinesfalls triumphalistisch werden lassen.

‘Das heißt nicht, daß der von uns geführte Kampf jetzt aufhören müsse... Die IKS muß ihn jederzeit mit der größten Wachsamkeit fortsetzen, mit der Entschlossenheit, jede Schwäche aufzudecken und sie ohne zu zögern anpacken... Tatsächlich zeigt uns die Geschichte der Arbeiterbewegung und auch die der IKS, wie die jetzt abgeschlossene Debatte einleuchtend verdeutlicht hat, daß der Kampf für die Verteidigung der Organisation ein ständiger, pausenloser Kampf ist. Insbesondere muß sich die IKS vor Augen halten, daß der von den Bolschewiki geführte Kampf gegen den Zirkelgeist für die Einführung des Parteigeistes Jahre gedauert hat. Das gleiche trifft für unsere Organisation zu, die jede Demoralisierung überwinden und jedem Gefühl der Hilflosigkeit infolge der Dauer des Kampfes entgegentreten muß’ (Punkt 13).

Bevor wir diesen Teil zur Organisationsfrage abschließen, wollen wir hervorheben, daß die Debatte, die die Organisation 18 Monate lang geführt hat, zu keiner Abspaltung führte (im Gegensatz zur Entwicklung auf dem 6. Kongreß z.B. oder 1981). Das ist darauf zurückzuführen, daß es in der Organisation von Anfang an eine Übereinstimmung gab zur theoretischen Grundlage für das Begreifen der Schwierigkeiten, auf die wir gestoßen sind. Weil es bei diesem Rahmen keine Divergenz gab, war es möglich, die Herausbildung einer ‘Tendenz’ oder gar einer ‘Minderheit’ zu verhindern, die ihre eigenen Besonderheiten theoretisch verankert hätte. Ein großer Teil dieser Diskussionen drehte sich um die Frage der täglichen Funktionsweise der IKS, mit einer ständigen Sorge, diese Konkretisierungen mit der Erfahrung der Arbeiterbewegung zu verbinden. Die Tatsache, daß es keine Abspaltungen gegeben hat, ist ein Zeugnis der Stärke der IKS, unserer größeren Reife, der Entschlossenheit der Mehrheit unserer Mitglieder, den Kampf für die Verteidigung der Organisation fortzusetzen und das organisatorische Gewebe zu erneuern, den Zirkelgeist zu überwinden und all die anarchistischen Auffassungen über Bord zu schmeißen, die die Organisation als eine Summe von Individuen oder als kleine Gruppen, die sich auf Affinität stützen, betrachten.

Die Perspektiven der internationalen Situation

Die kommunistische Organisation besteht natürlich nicht nur für sich selbst.

Sie ist kein Zuschauer sondern handelt in den Kämpfen der Arbeiterklasse, und die Verteidigung der Organisation dient gerade dazu, daß sie ihre Rolle im Klassenkampf übernehmen kann. Mit diesem Ziel vor Augen hat sich der Kongreß in einem Teil der Debatte mit der Analyse der internationalen Lage befaßt. Mehrere Berichte zu dieser Frage wurden diskutiert und verabschiedet sowie eine Resolution, die unsere Analyse zusammenfaßt und in dieser Internationalen Revue veröffentlicht ist.

Deshalb werden wir uns hier nicht ausführlicher mit diesem Aspekt unseres Kongresses befassen. Wir wollen hier nur kurz den dritten Aspekt (Entwicklung der Wirtschaftskrise, imperialistische Konflikte und das Kräfteverhältnis) der internationalen Situation aufgreifen. Diese Resolution unterstreicht, daß ‘mehr als je zuvor der Kampf des Proletariats die einzige Hoffnung für die Zukunft der Menschheit darstellt’ (Punkt 14).

Jedoch unterstreicht der Kongreß, was die IKS seit dem Herbst 1989 schon herausgestellt hatte: ‘Diese Kämpfe, die Ende der 60er Jahre wieder kräftig entbrannt waren, beendeten die furchtbarste Konterrevolution, die Arbeiterklasse durchlebt hatte. Jedoch ist nach dem Zusammenbruch der stalinistischen Regime,  der damit eingeleiteten ideologischen Kampagne und den darauffolgenden Ereignissen (Golfkrieg, Krieg auf dem Balkan usw.) ein Rückfluß des Kampfes eingetreten’ (ebenda). Deshalb ‘entwickelt sich der Arbeiterkampf heute nicht geradlinig, sondern mit Fort- und Rückschritten, in einer auf- und abwärts Bewegung’ (ebenda).

Die Bourgeoisie versteht jedoch sehr wohl, daß die Zuspitzung der Angriffe gegen die Arbeiterklasse nur neue und bewußtere Kämpfe hervorbringen wird. Sie bereitet sich darauf vor, indem sie eine Reihe von gewerkschaftlichen Manövern anzettelt, und indem einige ihrer Vertreter die Initiative ergriffen haben, ‘Beweihräucherungsreden’ auf die ‘Revolution’ , den ‘Kommunismus’ und den ‘Marxismus’ zu halten. Deshalb ist es ‘die Aufgabe der Revolutionäre in ihrer Intervention, so deutlich und energisch wie möglich die tückischen Manöver der Gewerkschaften zu entblößen wie auch die angeblich ‘revolutionären Reden’ der Sprachrohre der Herrschenden. Sie müssen die wirkliche Perspektive der proletarischen Revolution und des Kommunismus als einzig möglichen Ausweg aufzeigen, der die Menschheit retten kann und durch die Arbeiterkämpfe erst möglich wird’ (Punkt 17).

Nachdem die IKS ihre Kräfte wieder zusammengefügt und gesammelt hat, sind wir nach dem 11. Kongreß erneut bereit, diese Verantwortung zu übernehmen.



1kg/16#_ednref1" name="_edn1">[i] Belgien, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Indien, Italien, Mexiko, Niederlande, Schweden, Spanien, USA, Venezuela.

1kg/16#_ednref2" name="_edn2">[ii] Eine Analyse des proletarischen politischen Milieus, das ein ständiges Anliegen ist,  stand ebenfalls auf der Tagesordnung. Aus Zeitgründen haben wir diesen Punkt fallenlassen müssen, aber das heißt nicht, daß wir unsere Aufmerksamkeit gegenüber dem Milieu vernachlässigen wollten. Im Gegenteil: indem wir unsere eigenen organisatorischen Schwierigkeiten überwunden haben, können wir einen besseren Beitrag zur Entwicklung des gesamten proletarischen Milieus leisten.

1kg/16#_ednref3" name="_edn3">[iii] ‘Da die Bedingungen für die Arbeitersektionen in jedem Lande und für die Arbeiterklasse in den verschiedenen Ländern sowie auch ihre gegenwärtigen Entwicklungsstufen sehr verschieden sind, so folgt daraus notwendig, daß ihre theoretischen Ansichten, welche die reelle Bewegung widerspiegeln ebenso verschieden sind.

Die Gemeinsamkeit der Aktion, welche die Internationale Arbeiterassoziation ins Leben ruft, der durch die Organe der verschiedenen nationalen Sektionen erleichterte Ideenaustausch und die unmittelbare Debatte auf den allgemeinen Kongressen werden indes nicht verfehlen, nach und nach ein gemeinsames theoretisches Programm zu schaffen’ (MEW 16, S. 348, ‘Der Generalrat der IAA an das Zentralbüro der Allianz der sozialistischen Demokratie’, 9.3.1869).

Die Allianz wollte zunächst mit ihren eigenen Statuten beitragen, wobei vorgesehen war, daß sie eine internationale Struktur haben würde, die sich mit der der IAA decken würde (mit einem Generalrat  und Kongreß, die getrennt von denen der IAA durchzuführen wären). Der Generalrat verwarf diesen Antrag; er unterstrich, daß die Statuten der Allianz im Gegensatz standen zu denen der IAA. Er hob hervor, daß er bereit war, die Sektionen der Allianz aufzunehmen, falls die Allianz ihre internationale Struktur aufgab. Die Allianz akzeptierte diese Bedingungen, aber hielt dennoch ihre geheimen Statuten verborgen aufrecht.

1kg/16#_ednref4" name="_edn4">[iv] In einem Aufruf ‘An die Offiziere der russischen Armee’ lobt Bakunin die Vorteile einer geheimen Organisation, deren ‘Stärke in der Disziplin liegt, in leidenschaftlicher Aufopferung und Selbstverleugnung der Mitglieder und in blindem Gehorsam gegenüber der Zentrale, die alles weiß und die niemand kennt’.

1kg/16#_ednref5" name="_edn5">[v] Die Anarchisten treten ein für die sofortige Abschaffung des Staates direkt nach der Revolution. Dies weicht der Frage aus: der Marxismus hat gezeigt, daß der Staat überleben wird, obgleich offensichtlich in einer anderen Form als im kapitalistischen Staat, bis zum vollständigen Verschwinden der gesellschaftlichen Klassen.

1kg/16#_ednref6" name="_edn6">[vi] Siehe dazu die Artikel ‘Die Krise des revolutionären Milieus’, ‘Bericht zur Struktur und Funktionsweise der revolutionären Organisation’, ‘Vorstellung des 5. Kongresses der IKS’ in unserer Internationalen Revue.

1kg/16#_ednref7" name="_edn7">[vii] Chenier, der unsere Wachsamkeit ausgenutzt hatte, war 1978 Mitglied der IKS in Frankreich geworden. Von 1980 hatte er Unterwanderungsarbeit mit dem Ziel der Zerstörung unserer Organisation betrieben. Zu diesem Zwecke hatte er sehr clever sowohl unsere mangelnde organisatorische Wachsamkeit wie auch die Spannungen, die es damals in unserer Sektion in Großbritannien gab, ausgeschlachtet. Diese Lage hatte zur Bildung von zwei entgegengesetzten Clans in dieser Sektion geführt, mit der Folge der Blockierung der Arbeit und dem Austritt der Hälfte der Mitglieder in dieser Sektion sowie Austritten in anderen Sektionen. Chenier war im Sept. 1981 aus der IKS ausgeschlossen worden, und wir hatten damals in unserer Presse ein Kommuniqué mit einer Warnung vor ihm an das proletarische politische Milieu veröffentlicht, da es sich um ein ‘undurchsichtiges und verdächtiges’ Element handelt. Kurz danach begann Chenier eine Karriere in den Gewerkschaften, der Sozialistischen Partei und dem Staatsapparat, für den er wahrscheinlich schon seit langem arbeitete.

Erbe der kommunistischen Linke: