Mai 68 und die revolutionäre Perspektive Die weltweite Studentenbewegung in den 1960er Jahren

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Im Januar 1969 erklärte der Präsident der USA, Richard Nixon, bei seiner Amtsübernahme: „Wir haben endlich gelernt, eine Wirtschaft so zu gestalten, dass ihr ständiges Wachstum sichergestellt ist.“ Rückblickend können wir sehen, in welchem Maße dieser Optimismus durch die Wirklichkeit brutal widerlegt wurde. Schon zu Beginn seiner zweiten Amtszeit, vier Jahre später, schlitterten die USA in die schlimmste Rezession seit dem 2. Weltkrieg. Dieser folgten viele andere, die alle jeweils verheerender waren als die vorhergehenden. Aber was weltfremden Optimismus angeht, so war Nixon ein Jahr zuvor von einem viel erfahreneren Staatschef übertroffen worden – dem General de Gaulle, seit 1958 Präsident der französischen Republik und Führer des „freien Frankreich“ während des 2. Weltkriegs. Hatte der große Führer in seiner Neujahresansprache nicht erklärt: „Ich begrüße das Jahr 1968 mit großer Ruhe und Frieden“. In seinem Falle vergingen keine vier Monate, bevor der Optimismus verflogen war. Vier Monate reichten, bis die Ruhe des Generals der größten Verwirrung wich. De Gaulle musste nicht nur einer gewalttätigen und massiven Studentenrevolte entgegentreten, sondern auch dem größten Streik in der Geschichte der internationalen Arbeiterbewegung. 1968 war also nicht nur kein Jahr der Ruhe und des Friedens für Frankreich, sondern es war und bleibt bis heute das Jahr mit den größten Erschütterungen seit dem 2. Weltkrieg. Aber nicht nur in Frankreich kam es in jenem Jahr zu großen Erschütterungen. Zwei Autoren, denen man keinen Vorwurf der Beschränkung des Blickes auf Frankreich machen kann, der Engländer David Caute und der Amerikaner Mark Kulansky, machen dazu eindeutige Aussagen: „1968 war das turbulenteste Jahr seit dem
Ende des 2. Weltkriegs. Reihenweise kam es zu Aufständen in Amerika und Westeuropa, bis hin zur Tschechoslowakei. Durch sie wurde die Weltnachkriegsordnung in Frage gestellt.“
[i] „Zuvor hatte es kein Jahr wie 1968 gegeben. Und wahrscheinlich wird es ein Jahr mit solchen Ereignissen nicht mehr geben. Zu einer Zeit, als die Nationen und Kulturen noch gespalten und sehr unterschiedlich waren, (…) tauchte ein rebellischer Geist spontan auf der ganzen Welt auf. Zuvor hatte es schon andere Revolutionsjahre gegeben: 1848 zum Beispiel; aber im Gegensatz zu 1968 waren die Ereignisse auf Europa beschränkt geblieben…“[ii] Während gegenwärtig 40 Jahre nach diesem „heißen Jahr“ in mehreren Ländern eine wahre Flut von Berichten in der Presse und im Fernsehen zu diesem Thema präsentiert wurde, müssen die Revolutionäre auf die wichtigsten Ereignisse von 1968 zurückkommen, nicht so sehr um diese hier detailliert und erschöpfend wieder aufzurollen, sondern um die wirkliche Bedeutung dieser Ereignisse herauszuarbeiten[iii]. Insbesondere müssen sie gegenüber einer heute sehr weit verbreiteten Idee Stellung beziehen, die auch auf der Umschlagseite des Buches von Kurlansky aufgegriffen wird: „Sowohl Historiker als auch Politikwissenschaftler – die Experten der Sozialwissenschaften auf der ganzen Welt sind sich darin einig, dass man zwischen einem Vor-1968 und einem Nach-1968 unterscheiden kann.“ Um es gleich vorweg zu sagen, wir teilen diese Einschätzung, aber sicher nicht aus den gleichen Gründen, wie man sie immer wieder hört: Weil es zu einer „sexuellen Befreiung“, der „Frauenbefreiung“, der Infragestellung familiärer autoritärer Strukturen, der „Demokratisierung“ bestimmter Institutionen (wie der Universität), der Entwicklung neuer Kunstformen usw. gekommen sei. Deshalb wollen wir in diesem Artikel die wirklichen Umwälzungen aufzeigen, die aus der Sicht der IKS im Jahre 1968 stattfanden.

Neben einer ganzen Reihe von als solchen schon wichtigen Ereignissen (wie z.B. die Tet-Offensive der Vietcong im Februar, welche zwar schlussendlich von der US-Armee abgewehrt wurde, dennoch deutlich machte, dass die USA den Krieg in Vietnam niemals gewinnen könnten oder auch der Einmarsch sowjetischer Panzer in der Tschechoslowakei im August 1968) war das Jahr 1968 – wie Caute und Kurlansky hervorheben – durch diesen „Geist der Rebellion, welcher auf der ganzen Welt zu spüren war, geprägt“. Bei dieser Infragestellung der bestehenden Ordnung muss man zwischen zwei Komponenten unterscheiden, die sowohl unterschiedliche Ausmaße als auch unterschiedliche Bedeutungen annahmen.

Es handelte sich einerseits um die Studentenrevolte, die fast alle Länder des westlichen Blocks erfasste, und die sich in einem gewissen Maße gar bis in die damaligen Ostblockstaaten ausbreitete. Die andere Komponente war der massive Kampf der Arbeiterklasse, der sich im Jahre 1968 im Wesentlichen nur in einem Land, Frankreich, entwickelte.

In diesem ersten Artikel werden wir ausschließlich diese erste Komponente untersuchen, nicht weil sie die wichtigste wäre. Das Gegenteil ist der Fall. Sie entfaltete sich lediglich vor den Arbeiterkämpfen. Der Kampf der Arbeiter sollte eine besondere historische Bedeutung erlangen, die weit über die Bedeutung der Studenten-revolten hinausging.

Die Studentenbewegung – weltweit

Im mächtigsten Land der Erde, den USA, entfalteten sich damals ab 1964 die massivste und radikalste Bewegung jener Zeit. Insbesondere an der Universität Berkeley, im Norden Kaliforniens, breiteten sich die Studentenproteste zum ersten Mal in größerem Umfang aus. Die von den Studenten erhobene Hauptforderung war die der „free speech movement“ (Bewegung für Redefreiheit) zugunsten der freien politischen Äußerung in den Universitäten.

Gegenüber den gut ausgerüsteten Anwerbern der US-Armee wollten die protestierenden Studenten Propaganda gegen den Vietnamkrieg und gegen die Rassentrennung betreiben (all dies spielte sich ein Jahr nach dem „Marsch für die Bürgerrechte“ am 28.8.1963 in Washington ab, auf dem Martin Luther King seine berühmte Rede „I have a dream“ hielt). Anfänglich reagierten die Behörden sehr repressiv, insbesondere durch den Einsatz von Polizeikräften gegen die „Sit-ins“, die friedliche Besetzung der Uniräume, wobei 800 Studenten verhaftet wurden. Anfang 1965 gestattete die Universitätsleitung politische Aktivitäten an der Uni, die damit zu einem Hauptzentrum des Studentenprotestes in den USA wurden. Gleichzeitig wurde damals Ronald Reagan 1965 unerwartet zum Gouverneur von Kalifornien mit der Parole gewählt „Räumen wir mit der Unordnung in Berkeley auf“. Die Bewegung erlebte einen mächtigen Auftrieb und radikalisierte sich in den darauf folgenden Jahren durch die Proteste gegen die Rassentrennung, für die Verteidigung der Frauenrechte und vor allem gegen den Vietnamkrieg. Während gleichzeitig viele junge Amerikaner, vor allem Studenten, scharenweise ins Ausland flüchteten, um einer Einberufung nach Vietnam zu entgehen, wurden die meisten Universitäten des Landes zum Schauplatz von Antikriegsbewegungen, während gleichzeitig die gewaltsamen Aufstände in den schwarzen Ghettos der Großstädte aufflammten (der Anteil junger Schwarzer, die in den Vietnamkrieg geschickt wurden, lag viel höher als der nationale Durchschnitt der nach Vietnam-Einberufenen).

Diese Protestbewegungen wurden oft grausam unterdrückt. So wurden Ende 1967 952 Studenten zu langjährigen Gefängnisstrafen verurteilt, weil sie sich geweigert hatten, der Einberufung nach Vietnam Folge zu leisten. Am 8. Februar 1968 wurden 3 Studenten während einer Demonstration für die Bürgerrechte in Süd Carolina getötet. 1968 breiteten sich die Bewegungen am stärksten aus. Im März besetzten schwarze Studenten in der Universität Howard in Washington vier Tage lang das Uni-Gelände. Vom 23. bis 30. April 1968 wurde die Columbia-Universität von New York aus Protest gegen die Zusammenarbeit mit dem Pentagon und aus Solidarität mit den Bewohnern des schwarzen Ghettos von Harlem besetzt. Die Unzufriedenheit und Radikalisierung nahmen weiter durch die Ermordung Martin Luther Kings am
4. April weiter zu, die zahlreiche gewalttätige Zusammenstöße in den schwarzen Ghettos des Landes auslösten. Die Besetzung der Columbia-Universität war einer der Höhepunke der Studentenproteste in den USA, was wiederum neue Zusammenstöße hervorrief.

Im Mai traten die Studenten von 12 Universitäten in den Streik, um gegen den Rassismus und den Vietnamkrieg zu protestieren. Im Sommer geriet Kalifornien in den Sog der Bewegung. Zwei Nächte lang kam es zu Zusammenstößen zwischen Polizei und Studenten in der Universität Berkeley, wonach der Gouverneur Kaliforniens, Ronald Reagan, den Notstand ausrief und ein Ausgehverbot verhängte. Diese neue Welle von Zusammenstößen erreichte ihren Höhepunkt nach gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen dem 22. und 30. August in Chicago, als es während der Konferenz der Demokratischen Partei zu großen gewaltsamen Auseinandersetzungen kam.

Die Revolten der amerikanischen Studenten breiteten sich in der gleichen Zeit auf viele andere Länder aus.

Auf dem amerikanischen Kontinent selbst traten die Studenten in Brasilien und in Mexiko am aktivsten auf den Plan.

Immer wieder kam es 1967 in Brasilien zu Kundgebungen gegen die brasilianischen und amerikanischen Regierungen. Am 28. März griff die Polizei gegen Studenten ein und tötete einen von ihnen, Luis Edson; mehrere wurden schwer verletzt, von denen wiederum einer einige Tage später verstarb. Das Begräbnis von Luis Edson am 29. März schlug in eine gewaltige Demonstration um. Von der Universität Rio de Janeiro, welche in einen unbefristeten Streik trat, dehnte sich die Bewegung über die Universitäten in Sao Paulo aus, wo Barrikaden errichtet wurden. Am 30. und 31. Märzen fanden erneut Kundgebungen im ganzen Land statt. Am 4. April wurden in Rio ca. 600 Menschen verhaftet. Trotz einer heftigen Repression und massenhafter Verhaftungen fanden fast täglich Demonstrationen bis Oktober 1968 statt.

Einige Monate später wurde Mexiko erfasst. Ende Juli brach in Mexiko Stadt eine Studentenrevolte aus. Als Reaktion setzte die Polizei Panzer ein. Der Polizeichef der Hauptstadt rechtfertige die Repression folgendermaßen : Man muss einer „subversiven Bewegung“ entgegentreten, welche „am Vorabend der 19. Olympischen Spiele dazu neigt, eine Atmosphäre der Feindschaft gegenüber unserer Regierung zu erzeugen.“ Die Repression ging weiter und wurde sogar noch verschärft. Am 18. September wurde das Universitätsgelände von der Polizei besetzt. Am 21. September verhaftete die Polizei im Verlaufe von neuen Zusammenstößen in der Hauptstadt 736 Personen. Am 30. September wurde die Universität Veracruz besetzt. Am 2. Oktober schließlich ließ die Regierung auf eine Studentendemonstration mit ca. 10.000 Teilnehmern auf dem Platz der Drei Kulturen in Mexiko schießen; dabei kamen paramilitärische Kräfte ohne Uniform zum Einsatz. Bei dieser Niederschlagung, die als „das Massaker von Tlatelolco“ in Erinnerung blieb, wurden mindestens 200 Teilnehmer getötet, mehr als 500 schwer verletzt und über 2000 verhaftet. Dem Präsidenten Díaz Ordaz gelang es somit, die am 12. Oktober begonnenen Olympischen Spiele „in Ruhe“ durchzuführen. Nach der „Zwangspause“ der Olympischen Spiele setzten die Studenten ihre Bewegung jedoch noch einige Monate lang fort.

Aber nicht allein der amerikanische Kontinent wurde von dieser Welle von Studentenrevolten ergriffen. Tatsächlich waren alle Kontinente betroffen.

So kam es in Asien in Japan zu besonders spektakulären Bewegungen. Seit 1963 fanden gewalttätige Demonstrationen gegen die USA und den Vietnamkrieg statt, die hauptsächlich von den Zengakuren (Nationaler Verband der autonomen Komitees der japanischen Studenten) getragen wurden. Am Ende des Frühjahrs 1968 erreichten die Studentenproteste die Schulen und Universitäten. Ein Schlachtruf lautete: „Wandeln wir den Kanda [Universitätsviertel von Tokio] in ein Quartier Latin um.“ Nachdem sich der Bewegung Arbeiter angeschlossen hatten, erreichte diese im Oktober 1968 ihren Höhepunkt. Am 9. Oktober prallten in Tokio, Osaka und Kyoto Polizisten und Studenten aufeinander – 80 Menschen wurden verletzt, 188 verhaftet. Das Antiaufstandsgesetz wurde verabschiedet – dagegen protestierten ca. 800.000 Menschen auf der Straße. Als Reaktion auf das Eingreifen der Polizei in der Tokioter Uni gegen die Besetzung derselben traten am 25. Oktober 6000 Studenten in den Ausstand. Mitte Januar 1969 fiel dann allerdings die Tokioter Uni, die letzte Bastion der Studentenbewegung.

In Afrika ragten insbesondere zwei Länder heraus: Senegal und Tunesien.

Im Senegal prangerten die Studenten den Rechtsdrall der Regierung und den neokolonialen Einfluss Frankreichs an und forderten die Umstrukturierung der Universitäten. Am 29. Mai 1968 wurde der Generalstreik der Studenten und Arbeiter von Léopold Sédar Senghor, Mitglied der ‚Sozialistischen Internationale’ mit Hilfe der Armee niedergeschlagen. Bei der Repression wurde in der Uni Dakar ein Mensch getötet und 20 verletzt. Und am 12. Juni wurde erneut bei einer Studenten- und Schülerdemo in den Vororten von Dakar ein Mensch getötet.

In Tunesien fing die Bewegung 1967 an. Am 5. Juni wurde bei einer Demonstration gegen die USA und Großbritannien, welche beschuldigt wurden, Israel gegen die arabischen Staaten zu unterstützen, das Amerikanische Kulturzentrum verwüstet und die britische Botschaft angegriffen. Ein Student, Mohamed Ben Jennet, wurde verhaftet und zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt. Am 17. November protestierten Studenten zahlreich gegen den Vietnamkrieg. Vom 15.–19. März 1968 traten die Studenten in den Streik und forderten die Freilassung Mohamed Ben Jennets. Schließlich wurde die Bewegung durch eine Reihe von Verhaftungen niedergeschlagen.

... Europa ...

Aber in Europa entfaltete sich die reifste und spektakulärste Bewegung.

In Großbritannien fing es schon Ende 1966 in der sehr respektablen „London School of Economics“ an zu brodeln, die eine Hochburg der bürgerlichen Wirtschaftsschulen ist, als die Studenten gegen die Nominierung einer Persönlichkeit zum Präsidenten ihrer Schule protestierten, die für ihre Beziehungen zum rassistischen Regime des damaligen Rhodesiens und Südafrikas bekannt war. Später wurde die LSE immer wieder von Protestbewegungen heimgesucht. So gab es beispielsweise im März 1967 ein sit-in von fünf Tagen gegen Disziplinarmaßnahmen, in deren Anschluss, dem amerikanischen Vorbild folgend, eine „Freie Universität“ gebildet wurde. Im Dezember fanden in der Regent Street Polytechnic und im Holborn College of Law and Commerce Sit-ins statt, welche eine Studentenvertretung in der College Leitung forderten. Im Mai wurde die Universität Essex, das Hornsey College of Art in Hull, Bristol und Keele besetzt ; diesen folgten andere Bewegungen in Croydon, Birmingham, Liverpool, Guildford und im Royal College of Arts.

Die spektakulärsten Demonstrationen (an denen sich viele Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund und unterschiedlichen Auffassungen beteiligten) waren die gegen den Vietnamkrieg: Im März und Oktober 1967, im März und Oktober 1968 (letztere war die zahlenmäßig größte); alle führten zu gewalttätigen Zusammenstößen mit der Polizei. Dabei gab es jeweils Hunderte von Verletzten und Verhaftungen vor der US-Botschaft am Grosvenor Square.

In Belgien zogen die Studenten von April 1968 an mehrfach auf die Straße, um gegen den Vietnamkrieg zu protestieren und Verbesserungen des Bildungswesens zu fordern. Am 22. Mai wurde die Freie Universität Brüssel besetzt und zur für das „Volk offenen Universität“ erklärt. Das Gelände wurde Ende Juni wieder geräumt, nachdem der Akademische Rat der Uni auf einige ihrer Forderungen eingegangen war.

In Italien wurden ab 1967 immer mehr Universitäten besetzt, auch gab es regelmäßig Zusammenstöße zwischen Polizei und Studenten. Die Universität Rom wurde im Februar 1968 besetzt. Die Polizei räumte das Gelände; daraufhin zogen die Studenten zu den Gebäuden der Architektur in der Villa Borghese. Schließlich kam es zu gewalttätigen Zusammenstößen, die unter dem Namen “Schlacht von Valle Grulia” bekannt wurden. Gleichzeitig protestierten spontan Beschäftigte der Industriebranchen, in denen die Gewerkschaften schwach waren (in dem Marzotto-Werk in Venezien). Darauf hin proklamierten die Gewerkschaften einen eintägigen Generalstreik in der Industrie, an dem sich viele Beschäftigte beteiligten. Schließlich bedeuteten die Wahlen im Mai das Ende der Bewegung, die schon ab dem Frühjahr abflachte.

Im Spanien Francos entfaltete sich ab 1966 eine Welle von Arbeiterstreiks und Universitätsbesetzungen. 1967 schwoll die Bewegung weiter stark an; sie setzte sich bis ins Jahr 1968 fort. Studenten und Arbeiter zeigten sich jeweils solidarisch, wie z.B. am 27. Januar 1967, als 100.000 Demonstranten gegen die brutale Repression gegen die Teilnehmer an einer Demonstration in Madrid protestierten, bei denen die Studenten, die sich ins Gebäude der Wirtschaftswissenschaften zurückgezogen hatten, sich mit der Polizei sechs Stunden lang Auseinandersetzungen lieferten. Die Behörden setzten alle Mittel gegen die Protestierer ein. Die Presse wurde kontrolliert, die Mitglieder der Bewegung und im Untergrund tätige Gewerkschafter wurden verhaftet. Am 28. Januar 1968 errichtete die Regierung in jeder Uni eine “Universitätspolizei”. Diese konnte jedoch die Studentenbewegung nicht an der Fortsetzung ihres Widerstandes gegen den Vietnamkrieg und das Franco-Regime hindern. Darauf hin wurde die Universität von Madrid im März geschlossen.

Von allen Ländern Europas war die Studentenbewegung in Deutschland am stärksten.

In Deutschland entstand Ende 1966 eine „Außerparlamentarische Opposition“, insbesondere als Reaktion auf die Beteiligung der Sozialdemokratie an der Regierung. Die APO stützte sich insbesondere auf studentische Vollversammlungen, in denen man in hitzigen Debatten über Mittel und Wege des Protestes stritt. An vielen Universitäten bildeten sich – dem US-Vorbild folgend – Diskussionsgruppen, als Gegenpol zur „etablierten“, bürgerlichen wurde die „kritische Universität“ gegründet. In dieser Phase wurde eine alte Tradition der Debatte, der Diskussionen in öffentlichen Vollversammlungen zum Teil wiederbelebt. Auch wenn sich viele durch den Drang zum spektakulären Handeln angezogen fühlten, blühte wieder das Interesse an Theorie, an der Geschichte revolutionärer Bewegungen auf und der Mut an den Gedanken der Überwindung des Kapitalismus auf. Bei vielen keimte Hoffnung auf andere Gesellschaft auf. Die Protestbewegung in Deutschland galt international als am „theo-retischsten, am meisten in den Diskussionen in die Tiefe gehend, am politischsten“.

Parallel zu diesen Diskussionen fanden zahlreiche Protestkundgebungen statt. Der Vietnamkrieg war sicherlich die Haupttriebkraft in einem Land, dessen Regierung die US-Militärmacht voll unterstützte, welches aber auch vom 2. Weltkrieg nachhaltig geprägt worden war. Am 17./18. Februar 1968 wurde in West-Berlin ein Internationaler Vietnam-Kongress mit anschließender Demonstration von 12.000 Teilnehmern abgehalten. Aber die seit 1965 einsetzenden Demonstrationen prangerten ebenso den Aufbau der Notstandsgesetze an, welche den Staat mit umfassenden Rechten der Militarisierung im Inneren und verschärfter Repression ausstatten sollten. Die 1966 in die Große Koalition eingetretene SPD bestand auf diesem Vorhaben in Fortsetzung ihrer alter Tradition von 1918–1919, als sie die blutige Niederschlagung des deutschen Proletariats angeführt hatte. Am 2. Juni 1967 wurde eine Demonstration gegen den Besuch des Schahs von Persien in Berlin mit der größten Brutalität vom „demokratischen“ deutschen Staat, welcher beste Beziehungen mit diesem blutrünstigen Diktator unterhielt, angegriffen. Bei den gewaltsamen Auseinandersetzungen wurde dabei von einem Zivilpolizisten der Student Benno Ohnesorg hinterrücks erschossen (der Polizist wurde nachher freigesprochen). Nach diesem Mord wurde die Stimmung gegen die Protestierenden weiter aufgeheizt, insbesondere gegen ihre Führer. Die Bild-Zeitung forderte: „Stoppt den Terror der Jungroten jetzt!“ Bei einer vom Berliner Senat organisierten „Pro-Amerika-Demonstration“ am 21. Februar 1968 trugen Teilnehmer Plakate mit der Aufschrift „Volksfeind Nr. 1: Rudi Dutschke“, die prominenteste Führerpersönlichkeit der Protestbewegung. Bei dieser Kundgebung wurde ein Passant mit Dutschke verwechselt, Demonstrationsteilnehmer drohten diesen totzuschlagen. Eine Woche nach der Ermordung von Martin Luther King in den USA erreichte schließlich in Deutschland am „Gründonnerstag“ 11. April die Hetzkampagne ihren Höhepunkt nach dem Attentat auf Rudi Dutschke in Berlin durch einen jungen Attentäter, der durch die Springer-Presse aufgestachelt worden war. Die darauf folgenden Osterunruhen richteten sich hauptsächlich gegen die Springer-Presse. Mehrere Wochen lang spielte die Studentenbewegung in Deutschland den Bezugspunkt für die meisten Länder Europas, bevor sich dann die Blicke auf Frankreich richteten.

… und in Frankreich

Die Hauptepisode der Studentenrevolten in Frankreich begann am 22. März 1968 in Nanterre in einem westlichen Vorort von
Paris.

Als solche waren die Ereignisse jenes Tages nichts Besonderes. Um gegen die Verhaftung eines linksextremen Studenten der Universität Nanterre zu protestieren, der unter dem Verdacht stand, an einem Attentat gegen ein Büro von American Express in Paris zu einem Zeitpunkt beteiligt gewesen zu sein, als in Paris viele gewalttätige Demonstrationen gegen den Vietnamkrieg stattfanden, hielten 300 seiner Kommilitonen ein Treffen in einem Hörsaal ab. 142 von ihnen beschlossen die nächtliche Besetzung des Gebäudes des Akademischen Rates der Universität. Die Studenten der Uni Nanterre hatten nicht zum ersten Mal ihre Unzufriedenheit zum Ausdruck gebracht. So war es kurz zuvor schon zu einem Konflikt zwischen Studenten und Polizisten wegen des Zugangs zu einem Studentinnenheim gekommen, dessen Zugang den männlichen Studenten verboten war. Am 16. März 1967 hatte eine Versammlung von 500 Studenten, ARCUN, die Abschaffung der Hausordnung beschlossen, die unter anderem besagte, dass die Studentinnen (auch die Volljährigen, was damals erst mit 21 Jahren der Fall war) weiterhin als Minderjährige anzusehen seien. Daraufhin hatte die Polizei am 21. März 1967 auf das Verlangen der Uni-Verwaltung hin das Studentinnenwohnheim umzingelt, um dort 150 Studenten festzunehmen, die sich in deren Gebäude befanden und sich in der obersten Etage verbarrikadiert hatten. Aber am nächsten Tag waren die Polizisten selbst von mehreren Tausend Studenten umzingelt worden. Diese hatten daraufhin den Befehl erhalten, die verbarrikadierten Studenten ohne irgendeine Belästigung abziehen zu lassen. Aber sowohl dieser Vorfall als auch andere Demonstrationen der Studenten, in denen sie ihre Wut abließen, insbesondere gegen den im Herbst 1967 verkündeten „Fouchet-Plan“ der Universitätsreform, blieben ohne Folgen. Nach dem 22. März 1968 verlief aber alles anders. Innerhalb weniger Wochen sollte eine Reihe von Ereignissen nicht nur zur größten Studentenmobilisierung seit dem Krieg führen, sondern auch zum größten Streik in der Geschichte der internationalen Arbeiterbewegung.

Bevor sie das Gebäude verließen, beschlossen die 142 Besetzer des Akademischen Rates der Uni die Bildung einer Bewegung des 22. März (M22), um so die Agitation aufrechtzuerhalten und sie voranzutreiben. Es handelte sich um eine informelle Bewegung, der zu Beginn die Trotzkisten der Ligue Communiste Révolutionnaire (LCR) und die Anarchisten (zu ihnen gehörte unter anderem Daniel Cohn-Bendit) angehörten; Ende April traten ihnen die Maoisten der Union der marxistisch-leninistischen kommunistischen Jugend (UCJML) bei. Insgesamt beteiligten sich in den darauf folgenden Wochen ca. 1200 Studenten daran. An den Wänden der Universität tauchten mehr und mehr Plakate und Graffitis auf: “Professoren, Ihr seid alt und Eure Kultur ebenso.”; “Lasst uns leben!”, “Nehmt Eure Wünsche für Wirklichkeit!” Die M22 kündigte für den 29. März einen Tag der “kritischen Universität” an und trat damit in die Fußstapfen der deutschen Studenten. Der Universitätsrektor beschloss die Schließung der Universität bis zum 1. April, aber die Agitation flammte sofort wieder nach der Öffnung der Universität auf. Vor 1000 Studenten erklärte Cohn-Bendit: “Wir wollen nicht die zukünftigen Manager der kapitalistischen Ausbeutung sein.” Die meisten Lehrenden reagierten ziemlich konservativ: Am 22. April verlangten 18 von ihnen, darunter “linke Dozenten”, “Maßnahmen und Mittel, damit die Agitatoren entlarvt und bestraft” werden. Der Rektor beschloss eine Reihe von Repressionsmaßnahmen, insbesondere gestattete er der Polizei freien Zugang und Bewegungsfreiheit auf dem Unigelände. Gleichzeitig hetzte die Presse gegen die “Wütenden”, die “Sekten” und “Anarchisten”. Die “Kommunistische” Partei Frankreichs hieb in die gleiche Kerbe: Am 26. April kam Pierre Juquin, Mitglied des Zentralkomitees, zu einem Treffen in Nanterre: “Die Störenfriede, die wohlbetuchte Muttersöhnchen sind, hindern die Arbeiterkinder daran, ihre Prüfungen abzulegen.” Er konnte seine Rede nicht zu Ende bringen, sondern musste stattdessen die Flucht antreten. In der Humanité vom 3. Mai, hetzte dann Georges Marchais, die Nummer 2 der PCF, wiederum: “Diese falschen Revolutionäre müssen energisch entlarvt werden, denn objektiv dienen sie den Interessen der Macht der Gaullisten und der großen kapitalistischen Monopole.”

Auf dem Unigelände in Nanterre kam es immer häufiger zu Schlägereien zwischen linksextremen Studenten und Faschisten aus der Gruppe Occident, die aus Paris angereist waren, um “Bolschewiki zu verprügeln”. In Anbetracht dieser Lage beschloss der Rektor am 2. Mai die Universität erneut zu schließen, die danach von der Polizei abgeriegelt wurde. Die Studenten von Nanterre beschlossen am darauf folgenden Tag eine Versammlung im Hof der Universität Sorbonne abzuhalten, um gegen die Schließung der Universität und gegen die disziplinarischen Maßnahmen gegen 8 Mitglieder der M22, darunter Cohn-Bendit, durch den Akademischen Rat zu protestieren.

An dem Treffen nahmen nur 300 Leute teil. Die meisten Studenten bereiteten aktiv ihre Jahresabschlussprüfungen vor. Aber die Regierung, die die Agitation endgültig auslöschen wollte, wollte zu einem großen Schlag ausholen, als sie die Besetzung des Quartier Latin (Univiertel in Paris) und die Umzingelung der Sorbonne durch die Polizei anordnete. Die Polizei drang zum ersten Mal seit Jahrhunderten in die Universität Sorbonne ein. Den Studenten, die sich in die Sorbonne zurückgezogen hatten, wurde freies Geleit zugesagt. Doch während die Studentinnen unbehelligt abziehen konnten, wurden die Studenten systematisch in Polizeiwagen verfrachtet, sobald sie das Unigelände verlassen hatten. In Windeseile versammelten sich Hunderte von Studenten auf dem Platz der Sorbonne und beschimpften die Polizisten. Die Polizei schoss mit Tränengas auf die Studenten. Die Studenten wurden gewaltsam vom Platz vertrieben, aber im Gegenzug fingen immer mehr Studenten an, die Polizisten und ihre Fahrzeuge einzukreisen. Die Zusammenstöße dauerten an jenem Abend vier Stunden: 72 Polizisten wurden verletzt, 400 Demonstranten verhaftet. In den darauf folgenden Tagen riegelte die Polizei das Gelände der Sorbonne vollständig ab. Gleichzeitig wurden vier Studenten zu Gefängnisstrafen verurteilt. Diese Politik der “entschlossenen Hand” bewirkte jedoch das Gegenteil dessen, was die Regierung von ihr erhoffte: Anstatt die Agitation zu beenden, wurde diese
noch massiver. Ab Montag, dem 6. Mai kam es immer wieder zu Zusammenstößen mit den um die Sorbonne zusammengezogenen Polizeikräften und den zahlenmäßig immer größer werdenden Demonstrationen, zu denen von der M22, UNFEF (Studentische Gewerkschaft) und Snesup (Gewerkschaft des Uni-Lehrkörpers) aufgerufen wurde. Bis zu 45.000 Studenten beteiligten sich an ihnen mit dem Schlachtruf “Die Sorbonne gehört in die Hände der Studenten”, “Bullen raus aus dem Quartier Latin”, und vor allem “Befreit unsere Genossen”. Den Studenten schlossen sich immer mehr Schüler, Lehrer, Arbeiter und Arbeitslose an. Am 7. Mai überschritten die Demonstrationszüge überraschenderweise die Seine und zogen die Champs-Elysées entlang und drangen bis in die Nähe des Präsidentenpalastes vor. Die Internationale wurde unter dem Triumphbogen angestimmt, dort wo man meistens die Marseillaise hört oder Totengeläut. Die Demonstrationen griffen auch auf einige Provinzstädte über. Die Regierung wollte einen Beweis für ihren guten Willen zeigen und öffnete die Universität von Nanterre am 10. Mai. Am Abend des gleichen Tages strömten Zehntausende von Demonstranten im Quartier Latin zusammen und fanden sich den Polizeikräften gegenüber, die die Sorbonne abgeriegelt hatten. Um 21 Uhr fingen einigen Demonstranten an, Barrikaden zu errichten (insgesamt wurden ca. 60 errichtet). Um Mitternacht wurde eine Delegation von drei Studenten (unter ihnen Cohn-Bendit) vom Rektor der Akademie von Paris empfangen. Der Rektor stimmte der Wiedereröffnung der Sorbonne zu, konnte aber keine Versprechungen hinsichtlich der Freilassung der am 3. Mai verhafteten Studenten machen. Um zwei Uhr morgens starteten die CRS (Bürgerkriegspolizei) den Sturm auf die Barrikaden, nachdem sie zuvor viele Tränengasgeschosse auf sie gefeuert hatten. Die Zusammenstöße verliefen sehr gewalttätig; Hunderte von Menschen wurden auf beiden Seiten verletzt. Mehr als 500 Demonstranten wurden verhaftet. Im Quartier Latin bekundeten viele Anwohner ihre Sympathie mit den Demonstranten; sie ließen sie in ihre Wohnungen rein oder spritzten Wasser auf die Straße, um sie vor dem Tränengas und den anderen Geschossen der Polizei zu schützen. All diese Ereignisse, insbesondere die Berichte über die Brutalität der Repressionskräfte, wurden im Radio permanent von Hunderttausenden Menschen verfolgt. Um sechs Uhr morgens ‚herrschte Ordnung’ im Quartier Latin, das wie von einem Tornado durchpflügt schien.

Am 11. Mai war die Empörung in Paris und in ganz Frankreich riesengroß. Die Menschen strömten überall zu spontanen Demonstrationszügen zusammen. Diesen schlossen sich nicht nur Studenten sondern Hunderttausende anderer Demonstranten mit unterschiedlichster Herkunft an, insbesondere junge Arbeiter oder Eltern von Studenten. In der Provinz wurden viele Universitäten besetzt; überall auf den Straßen, auf den Plätzen fing man an zu diskutieren und verurteilte die Haltung der Repressionskräfte.

In Anbetracht dieser Entwicklung kündigte der Premierminister Georges Pompidou abends an, dass vom 13. Mai an die Polizeikräfte aus dem Quartier Latin abzuziehen, die Sorbonne wieder zu öffnen und die verhafteten Studenten freizulassen sind.

Am gleichen Tag riefen die Gewerkschaftszentralen, die CGT eingeschlossen (die bis dahin die ‚linksextremen’ Studenten angeprangert hatten), sowie einige Polizeigewerkschaften zum Streik und Demonstrationen für den 13. Mai auf, um gegen die Repression und die Regierungspolitik zu protestieren.

Am 13. Mai fanden in allen Städten des Landes die größten Demonstrationen seit dem 2. Weltkrieg statt. Die Arbeiterklasse beteiligte sich massiv an der Seite der Studenten. Einer der am meisten verbreiteten Schlachtrufe lautete “10 Jahre, das reicht” (man bezog sich auf den 13. Mai 1958, als De Gaulle wieder die Macht übernommen hatte). Am Ende der Demonstrationen wurden fast alle Universitäten nicht nur von den Studenten besetzt, sondern auch von vielen jungen Arbeitern. Überall ergriff man das Wort. Die Diskussionen begrenzten sich nicht nur auf die universitären Fragen oder die Repression. Man fing an, alle möglichen gesellschaftlichen Fragen aufzugreifen: die Arbeitsbedingungen, die Ausbeutung, die Zukunft der Gesellschaft.

Am 14. Mai gingen die Diskussionen in vielen Betrieben weiter. Nach den gewaltigen Demonstrationen am Vorabend, die den ganzen Enthusiasmus und ein Gefühl der Stärke zum Vorschein gebracht hatten, war es schwierig die Arbeit wieder aufzunehmen, so als ob nichts passiert wäre. In Nantes traten die Beschäftigen von Sud-Aviation in einen spontanen Streik und beschlossen die Besetzung des Werkes. Vor allem die jüngeren Beschäftigten trieben die Bewegung voran. Die Arbeiterklasse war auf den Plan getreten.

Die Bedeutung der Studentenbewegung der 1960er Jahre

Ein Merkmal dieser ganzen Bewegung war natürlich vor allem die Ablehnung des Vietnamkrieges. Aber während man eigentlich hätte erwarten können, dass die stalinistischen Parteien, die mit dem Regime in Hanoi und Moskau verbunden waren, wie zuvor bei den Antikriegsbewegungen während des Koreakrieges zu Beginn der 1950er Jahre, die Führung dieser Bewegung übernehmen würden, geschah dies nicht. Im Gegenteil; diese Parteien verfügten praktisch über keinen Einfluss, und sehr oft standen sie im völligen Gegensatz zu den Bewegungen.[iv] Dies war eines der Merkmale der Studentenbewegung Ende der 1960er Jahre; es zeigte die tiefgreifende Bedeutung auf, die ihr zukommen sollte. Diese Bedeutung werden wir jetzt aufzuzeigen versuchen. Dazu müssen wir natürlich unbedingt die damaligen Themen der studentischen Mobilisierung in
Erinnerung rufen.

Die Themen der Studentenrevolte in den 1960er Jahren in den USA ...

Wenn der Widerstand gegen den Vietnamkrieg der USA der wichtigste und weitest verbreitete Mobilisierungsfaktor in allen Ländern der westlichen Welt war, ist es sicherlich kein Zufall, dass die Studentenrevolten im mächtigsten Land der Erde einsetzten. Die Jugend in den USA wurde direkt und unmittelbar mit der Frage des Krieges konfrontiert, da in ihren Reihen junge Männer rekrutiert wurden, die zur Verteidigung „der freien Welt“ in den Krieg geschickt wurden. Zehntausende amerikanische Jugendliche haben für die Politik ihrer Regierung ihr Leben gelassen; Hunderttausende sind verletzt und verstümmelt aus Vietnam zurückgekehrt, Millionen bleiben ihr Leben lang geprägt durch das, was sie in diesem Land erlebt haben. Abgesehen von dem Horror, den sie vor Ort durchgemacht haben, wurden viele mit der Frage konfrontiert: Was machen wir eigentlich in Vietnam? Den offiziellen Erklärungen zufolge waren sie dorthin geschickt worden, um die ‚Demokratie’, ‚die freie Welt’ und die ‚Zivilisation’ zu verteidigen. Aber was sie vor Ort erlebten, widersprach völlig den offiziellen Rechtfertigungen: Das Regime, das sie angeblich verteidigen sollten, die Regierung in Saigon, war weder ‚demokratisch’ noch ‚zivilisiert’. Sie war eine Militärdiktatur und extrem korrupt. Vor Ort fiel es den Soldaten sehr schwer nachzuvollziehen, dass sie die ‚Zivilisation’ verteidigten, wenn von ihnen verlangt wurde, dass sie sich selbst wie Barbaren verhalten sollten, die unbewaffnete arme Bauern, Frauen, Kinder und Alte terrorisieren und umbringen sollten. Aber nicht nur die Soldaten vor Ort waren von den Schrecken des Krieges angeekelt, sondern dies traf auch auf wachsende Teile der US-Jugend insgesamt zu. Junge Männer fürchteten nicht nur in den Krieg geschickt zu werden, und junge Frauen fürchteten nicht nur den Verlust ihrer Freunde, sondern man erfuhr auch immer mehr von den rückkehrenden „Veteranen“, oder ganz einfach durch das Fernsehen von der Barbarei, die dort herrschte.[v] Der schreiende Widerspruch zwischen den offiziellen Reden der US-Regierung von der ‚Verteidigung der Zivilisation und der Demokratie’, auf die sich die US-Regierung berief und ihr tatsächliches Handeln in Vietnam war einer der wichtigsten Faktoren, der zur Revolte gegen die Autoritäten und die traditionellen Werte der US-Bourgeoisie führte.[vi] Diese Revolte hatte in einer ersten Phase die Hippie-Bewegung mit hervor gebracht, eine gewaltlose und pazifistische Bewegung, die sich auf ‚Flower power“ (Macht der Blumen) berief, und von der ein Slogan lautete: „Make Love, not War“ (Macht Liebe, nicht Krieg). Es war wahrscheinlich kein Zufall, dass die erste größere Studentenmobilisierung an der Universität Berkeley entstand, d.h. in einem Vorort von San Francisco, das damals das Mekka der Hippies war.

Die Themen und vor allem die Mittel dieser Mobilisierungen ähnelten noch dieser Hippie-Bewegung: „Sit-in“; eine gewaltlose Methode, um die „Free Speech“ (Redefreiheit) für politische Propaganda an den Universitäten zu fordern, insbesondere auch um die ‚Bürgerrechte’ der Schwarzen zu unterstützen und die Rekrutierungskampagnen der Armee, die in den Universitäten stattfanden, anzuprangern. Jedoch stellte wie in anderen Ländern später auch, insbesondere 1968 in Frankreich, die Repression in Berkeley einen wichtigen Faktor der ‚Radikalisierung’ der Bewegung dar. Von 1967 an, nach der Gründung der Youth International Party (Internationalen Partei der Jugend) durch Abbie Hoffman und Jerry Rubin, der eine kurze Zeit bei der Bewegung der Gewaltlosen mitgewirkt hatte, gab sich die Bewegung der Revolte eine ‚revolutionäre’ Perspektive gegen den Kapitalismus. Die neuen ‚Helden’ der Bewegung waren nicht mehr Bob Dylan oder Joan Baez, sondern Leute wie Che Guevara (den Rubin 1964 in La Havanna getroffen hatte). Die Ideologie dieser Bewegung war unglaublich konfus. Es gab anarchistische Bestandteile (wie den Freiheitskult, insbesondere die sexuelle Freiheit oder Freiheit des Drogenkonsums), aber auch stalinistische Bestandteile (Kuba und Albanien wurden als Beispiele gepriesen). Die Aktionen ähnelten sehr denen der Anarchisten – wie Lächerlichmachen und Provokationen. So bestand eine der ersten spektakulären Aktionen des Tandems Hoffman-Rubin darin, Bündel Falschgeld in der New Yorker Börse zu verteilen, woraufhin sich die dort Anwesenden wie wild auf sie stürzten, um welche zu ergattern. Und während des Kongresses der Demokratischen Partei im Sommer 1968 schlugen sie als Präsidentenkandidaten das Schwein Pegasus vor[vii], während sie gleichzeitig bewaffnete Auseinandersetzungen mit der Polizei vorbereiteten. Zusammenfassend kann man zu den Hauptmerkmalen der Proteste, welche sich in den 1960er Jahren in den USA ausbreiteten, sagen, dass sie sich sowohl gegen den Vietnamkrieg als auch gegen die Rassendiskriminierung, gegen die ungleiche Behandlung der Geschlechter und gegen die traditionelle Moral und die Werte Amerikas wandten. Wie die meisten der Beteiligten feststellten (als sie sich wie revoltierende Bürgerkinder verhielten), waren diese Bewegungen keineswegs Regungen der Arbeiterklasse. Es ist sicherlich kein Zufall, dass einer ihrer ‚Theoretiker’, der Philosophieprofessor Herbert Marcuse, meinte, die Arbeiterklasse sei ‚integriert’ worden, und dass die revolutionären Kräfte gegen den Kapitalismus unter anderen Gesellschaftsschichten zu finden seien, so beispielsweise die Schwarzen, die Opfer der Rassendiskriminierung waren, die Bauern der Dritten Welt oder revoltierende Intellektuelle.

… und in den anderen Ländern

In den meisten anderen Ländern des Westens ähnelten die Studentenbewegungen der 1960er Jahre stark denen der USA: Verwerfung der US-Intervention in Vietnam, Revolte gegen die Autoritäten, insbesondere die akademischen Autoritäten, gegen die Autorität im Allgemeinen, gegen die traditionelle Moral, insbesondere gegen die Sexualmoral. Dies ist einer der Gründe, weshalb die stalinistischen Parteien, die ein Symbol des Autoritären waren, keinen Widerhall unter den Revoltierenden finden konnten, obgleich sie die US-Intervention in Vietnam heftig an den Pranger stellten. Dabei wurden die von den USA bekämpften militärischen Kräfte in Vietnam, welche als ‚anti-kapitalistisch’ auftraten, total vom sowjetischen Block unterstützt. Es stimmt, dass der Ruf der UdSSR sehr stark unter der Niederschlagung des Aufstands in Ungarn 1956 gelitten hatte, und dass das Bild des alten Apparatschiks Breschnew keine großen Träume aufkommen ließ. Die Revoltierenden der 1960 Jahre hingen lieber Poster von Ho Chi Minh (ein alter Apparatschik, der aber eher vorzeigbar war und als ‚heldenhafter’ erschien) und am liebsten noch das romantische Photo von Che Guevara auf (ein anderes Mitglied einer stalinistischen Partei, aber halt ‚exotischer’) oder von Angela Davis (sie war auch Mitglied der stalinistischen Partei der USA, aber sie hatte den doppelten Vorteil eine Schwarze und Frau zu sein, und zudem noch genau wie Che Guevara ‚gut’ auszusehen).

Diese Komponente, sowohl gegen den Vietnamkrieg gerichtet zu sein und als ‚libertär’ zu erscheinen, tauchte ebenfalls in Deutschland auf. Die berühmteste Figur der Bewegung, Rudi Dutschke, stammte aus der ehemaligen DDR, wo er sich als junger Mann schon gegen die Niederschlagung des Ungarn-Aufstandes geäußert hatte. Seine ideologischen Bezugspunkte waren der ‚junge Marx’ sowie die Frankfurter Schule (der Marcuse angehörte), und auch die Situationistische Internationale (auf die sich die Gruppe „Subversive Aktion“, deren Berliner Sektion er 1962 gründete, berief).[viii]

Während der Diskussionen, die sich von 1965 an in den deutschen Universitäten entfalteten, stieß die Suche nach einem “wahren anti-autoritären Marxismus” auf einen großen Erfolg. Damals wurden viele Texte der Rätebewegung wieder aufgelegt.

Die Themen und Forderungen der Studentenbewegung, die sich 1968 in Frankreich entfaltete hat, waren im Wesentlichen die gleichen. Im Laufe der Entwicklung wurde der Widerstand gegen den Vietnamkrieg durch eine Reihe von Slogans in den Hintergrund gedrängt, die situationistisch oder anarchistisch inspiriert waren (oder gar surrealistisch), und die man immer häufiger auf den Mauern lesen konnte („Die Mauern haben das Wort“). Die anarchistische Ausrichtung wurde insbesondere in folgenden Slogans deutlich:

„Die Leidenschaft der Zerstörung ist eine schöpferische Freude.“ (Bakunin)

„ Es ist verboten zu verbieten.“

„Freiheit ist das Verbrechen, das alle Verbrechen beinhaltet.“

„Wahlen sind Fallen für Dumme.“

„Frech und unverschämt zu sein, ist die neue revolutionäre Waffe.“

Diese wurden durch jene Forderungen ergänzt, die zur „sexuellen Revolution“ aufriefen:

„Liebt euch aufeinander liegend!“

„Knöpft euer Gehirn so oft auf wie euren Hosenschlitz!“

„Je mehr ich Liebe mache, desto mehr habe ich Lust die Revolution zu machen. Je mehr ich die Revolution mache, desto mehr habe ich Lust Liebe zu machen.“

Der Einfluss des Situationismus spiegelte sich in Folgendem wider:

„Nieder mit der Konsumgesellschaft!“

„Nieder mit der Warengesellschaft des Spektakels!“

„Schaffen wir die Entfremdung ab!“

„Arbeitet nie!“

„Seine Wünsche für die Wirklichkeit nehmen, denn ich glaube an die Wirklichkeit meiner Wünsche.“

„Wir wollen keine Welt, in der die Sicherheit nicht zu verhungern eingetauscht wird mit dem Risiko vor Langeweile zu sterben.“

„Langeweile ist konterrevolutionär.“

„Wir wollen leben ohne Stillstand und uns grenzenlos amüsieren.“

„Seien wir realistisch, verlangen wir das Unrealistische!“

Übrigens tauchte auch die Generationenfrage (die in den USA und in Deutschland sehr präsent war) in verschiedenen Slogans (oft auf sehr schändliche Weise) auf:

„Lauf Genosse, die alte Welt liegt hinter dir!“

„Die Jungen machen Liebe, die Alten machen obszöne Gesten.“

Im Frankreich des Mai 68, wo Barrikaden errichtet wurden, hörte man auch Slogans wie:

„Die Barrikaden versperren die Straßen, aber öffnen den Weg.“

„Der Abschluss allen Denkens ist der Pflasterstein in deiner Fresse, CRS [Bürgerkriegs-polizei].”

„Unter dem Pflasterstein liegt der Strand.“

Die größte Verwirrung, die in dieser Zeit vorzufinden war, kommt durch die beiden folgenden Slogans zum Ausdruck:

„Es gibt kein revolutionäres Denken. Es gibt nur revolutionäre Handlungen.“

„Ich habe etwas zu sagen, aber ich weiß nicht was.“

Das Klassenwesen der Studentenbewegung der 1960er Jahre

Diese Slogans wie die meisten, die in den anderen Ländern zirkulierten, zeigen deutlich, dass die Studentenbewegung der 1960er Jahre keineswegs das Wesen der Arbeiterklasse widerspiegelte, auch wenn es in verschiedenen Ländern (wie natürlich in Frankreich, und auch in Italien, Spanien oder im Senegal) den Willen gab, eine Brücke zu den Arbeiterkämpfen zu schlagen. Diese Herangehensweise spiegelte übrigens eine gewisse Überheblichkeit gegenüber der Arbeiterklasse wider, die mit einer gewissen Faszination für den Arbeiter als Blaumann durchmischt war, welcher der Held von schlecht verdauten Texten der Klassiker des Marxismus war. Im Kern war die Studentenbewegung der 1960er Jahre kleinbürgerlicher Natur. Einer der klarsten Aspekte neben ihrem anarchisierenden Erscheinungsbild war der Wille „das Leben sofort umzuwälzen“. Die Ungeduld und das “alles sofort” waren die Merkmale einer gesellschaftlichen Schicht wie des Kleinbürgertums, die in der Geschichte keine Zukunft haben.

Der ‚revolutionäre’ Radikalismus der Führung dieser Bewegung, sowie die Gewaltverherrlichung, die von einigen Teilen der Bewegung betrieben wurde, spiegelt ebenfalls ihr kleinbürgerliches Wesen wider. Die ‚revolutionären’ Anliegen der Studenten von 1968 waren zweifelsohne aufrichtig, aber sie waren stark geprägt von einer Sicht der Welt aus einer Dritten-Welt-Perspektive (Guevarismus und Maoismus) sowie vom Antifaschismus. Die Bewegung hatte eine romantische Sichtweise der Revolution, ohne auch nur die geringste Vorstellung von der wirklichen Entwicklung der Bewegung der Arbeiterklasse zu haben, die zur Revolution führt. Die Studenten in Frankreich, die sich für „revolutionär“ hielten, glaubten, dass die Bewegung des Mai 68 schon die Revolution war, und die Barrikaden, die Tag für Tag errichtete wurden, wurden als die Erben der Barrikaden von 1848 und der Kommune von 1871 dargestellt.

Eines der Merkmale der Studentenbewegung Ende der 1960er Jahre war der „Generationenkonflikt“, der sehr große Graben zwischen der neuen Generation und der ihrer Eltern, denen verschiedene Vorwürfe gemacht wurden. Insbesondere die Tatsache, dass
diese hart hatte schuften müssen, um Armut und auch Hunger zu überwinden, die durch den 2. Weltkrieg entstanden waren. Man warf ihr vor, dass sie sich nur um ihr materielles Wohlergehen kümmerte. Deshalb feierten die Fantastereien über die „Konsumgesellschaft“ und Slogans wie „Arbeitet nie!“ solche Erfolge. Als Nachfolger einer Generation, die von der Konterrevolution voll getroffen worden war, warf die Jugend der 1960er Jahre der älteren Generation vor, sich den Ansprüchen des Kapitalismus unterworfen und angepasst zu haben. Im Gegenzug verstanden viele Eltern nicht und hatten Schwierigkeiten zu akzeptieren, dass ihre Kinder Verachtung für die Opfer zeigten, die sie hatten erbringen müssen, um ihren Kindern bessere wirtschaftliche Verhältnisse zu ermöglichen, als sie sie selbst erlebt hatten.

Aber dennoch gab es einen wirklichen ökonomischen Bestimmungsgrund für die Studentenrevolte der 1960er Jahre. Damals gab es keine größere Bedrohung durch Arbeitslosigkeit oder durch prekäre Arbeitsbedingungen nach dem Studium, wenn man die Lage mit der heute vergleicht. Die Hauptsorge der studentischen Jugend war damals, dass sie nicht mehr den gleichen sozialen Aufstieg würde machen können wie die vorhergehende Akademikergeneration. Die Generation von 1968 war die erste Generation, die mit einer gewissen Brutalität mit dem Phänomen der „Proletarisierung der Führungskräfte“ konfrontiert wurde, welches von den Soziologen der damaligen Zeit eingehend untersucht wurde. Dieses Phänomen hatte sich seit einigen Jahren ausgebreitet, noch bevor die Krise offen in Erscheinung trat, sobald die Studentenzahl beträchtlich zugenommen hatte (so war zum Beispiel die Zahl der Studenten in Deutschland von 330.000 auf
1.1 Millionen zwischen 1964–1974 gestiegen). Diese Zunahme entsprach den Bedürfnissen der Wirtschaft aber auch dem Willen und der Möglichkeit der Generation ihrer Eltern, ihren Kindern eine bessere wirtschaftliche und soziale Lage als ihre eigene angedeihen zu lassen.

Unter anderem hatte diese massenhafte Zunahme der Studenten die wachsende Malaise hervorgerufen, die auf den Fortbestand von Strukturen und Praktiken an den Universitäten zurückzuführen war, welche aus einer Zeit stammten, in der nur eine Elite die Uni besuchen konnte, und in der stark autoritäre Strukturen vorherrschten.

Während die Studentenbewegung, welche 1964 einsetzte, sich in einer Zeit des „Wohlstandes“ des Kapitalismus entfaltete, sah die Lage 1967 schon anders aus, als die wirtschaftliche Situation sich schon sehr stark verschlechtert hatte – wodurch die studentische Malaise vergrößert wurde. Dies war einer der Gründe, weshalb die Bewegung 1968 ihren Höhepunkt erlebte. Und dies erklärt auch, warum im Mai 1968 die Arbeiterklasse auf den Plan trat und die Bewegung anführte. Darauf werden wir in einem nächsten Artikel eingehen.

Fabienne


[i] David Caute, 1968 dans le monde, Paris, Laffont, 1988, übersetzt aus Sixty-Eight: The Year of the Barricades, London, Hamilton 1988. Es erschien in den USA ebenso unter dem Titel „The Year of the Barricades – A Journey through 1968, New Yorker: Harper & Row, 1988.

[ii] Mark Kurlansky, 1968: l‘année qui ébranla le monde. Paris: Presses De La Cite, 2005 ; übersetzt aus 1968: The Year That Rocked the World. New York: Ballan-tine Books, 2004.

[iii] Einige unserer territorialen Publikationen haben schon oder werden noch Artikel über die Ereignisse in den jeweiligen Ländern veröffentlichen.

[iv] Studentenbewegungen griffen 1968 auch auf stalinistische Regime über. In der Tschechoslowakei waren sie Teil des „Prager Frühlings“, welcher von einem Teil der stalinistischen Partei propagiert wurde. Sie können nicht als eine Bewegung angesehen werden, die das Regime infragestellten. In Polen nahm die Bewegung einen anderen Charakter an. Am 8. März wurden Studentenproteste gegen das Verbot einer als Russland-feindlichen angesehenen Aufführung von der Polizei unterdrückt. Im März stieg die Spannung weiter an. Immer mehr Universitäten wurden von den Studenten besetzt, immer mehr wurde demonstriert. Unter der Führung des Innenministers, General Moczar, Anführer der „Partisanenströmung“ in der stalinistischen Partei, wurden sie brutal unterdrückt, während gleichzeitig die Juden in der Partei auf-grund von „Zionismusvorwürfen“ herausgeschmissen wurden.

[v] Während des Vietnamkrieges waren die US-Medien den Militärbehörden nicht unterworfen. Diesen „Fehler“ beging die US-Regierung während der Auslösung des Irakkrieges 1991 und 2003 nicht mehr.

[vi] Solch ein Phänomen wiederholte sich nicht mehr nach dem 2. Weltkrieg. Die US-Soldaten hatten ebenfalls eine Hölle er-lebt, insbesondere jene, die 1944 in der Normandie gelandet waren, aber fast alle Soldaten und die Bevölkerung insgesamt waren angesichts der Barbarei des Nazi-Regimes bereit, diese Opfer zu bringen

[vii] Zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatten die französischen Anarchisten einen Esel für die Parlamentswahlen nominiert.

[viii] Für eine zusammenfassende Darstellung der politischen Positionen des Situationismus siehe unseren Artikel: „Guy Debord – Der zweite Tod der Situa-tionistischen Internationale“ in Revue Internationale, Nr. 80.

Theoretische Fragen: