Theorien der historischen Krise des Kapitalismus

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Das Internationale Büro für die Revolutionäre Partei (IBRP) hat in der International Communist Review Nr.13 auf unsere Polemik ''Die Auffassung des IBRP zur Dekadenz im Kapitalismus'' geantwortet, die in unserer International Review Nr.79 erschienen war. In der International Review Nr.82 veröffentlichten wir den ersten Teil dieses Artikels, der die negativen Auswirkungen der Auffassung des IBPR über den imperialistischen Krieg als ein Mittel der Kapitalentwertung und der Erneuerung von Akkumulationszyklen aufzeigte. In diesem zweiten Teil werden wir daran gehen, die ökonomische Theorie zu analysieren, die diese Auffassung stützt: die Theorie des tendenziellen Falls der Profitrate.

 

Die Erklärung der historischen Krise des Kapitalismus in der marxistischen Bewegung

Schon die Klassiker der bürgerlichen Ökonomen (Smith, Ricardo etc.) haben sich auf die Grundlage zweier Dogmen gestellt:

1. Der Arbeiter ist ein freier Bürger, der seine Arbeitskraft im Austausch für einen Lohn verkauft. Der Lohn ist sein Anteil am gesellschaftlichen Einkommen, aus dem auch der Profit des Arbeitgebers bezahlt wird.

2. Der Kapitalismus ist ein ewig bestehendes System. Seine Krisen sind temporärer und konjunktureller Natur, bedingt durch die Disproportion zwischen den verschiedenen Produktionszweigen, durch ein Ungleichgewicht in der Verteilung oder durch schlechtes Management. Nichtsdestotrotz gibt es langfristig kein Problem bei der Realisierung der Waren, die Produktion findet immer einen Markt, indem das Gleichgewicht zwischen Angebot (Produktion) und Nachfrage (Konsum) gefördert wird.

Marx hat bis an sein Lebensende diese Dogmen der bürgerlichen Ökonomen bekämpft. Er zeigte auf, daß der Kapitalismus kein unendliches System ist: ''Auf einer gewissen Stufe ihrer Entwicklung geraten die materiellen Produktivkräfte der Gesellschaft in Widerspruch mit den vorhandenen Produktionsverhältnissen oder, was nur ein juristischer Ausdruck dafür ist, mit den Eigentumsverhältnissen, innerhalb deren sie sich bisher bewegt hatten. Aus Entwicklungsformen der Produktivkräfte schlagen diese Verhältnisse in Fesseln derselben um’ (Marx, Zur Kritik der politischen Ökonomie). Die Periode der historischen Krise, der unumkehrbaren Dekadenz des Kapitalismus wurde mit dem Ersten Weltkrieg eröffnet. Das Überleben des Kapitalismus nach dem gescheiterten Versuch der Weltrevolution durch das Proletariat zwischen 1917 - 23 hat der Menschheit Ströme von Blut (hunderte Millionen Tote in den imperialistischen Kriegen zwischen 1914 - 68), Schweiß (eine brutale Steigerung der Ausbeutung der Arbeiterklasse) und Tränen (der Schrecken der Arbeitslosigkeit, alle möglichen Formen der Barbarei, die Entmenschlichung der sozialen Beziehungen) gekostet.

Jedoch wird diese fundamentale Analyse, die gemeinsame Tradition der kommunistischen Linken, im gegenwärtigen revolutionären Milieu nicht mehr in derselben Weise dargelegt: Es existieren zwei Theorien zur Erklärung der Dekadenz des Kapitalismus, die Theorie der tendenziellen Falls der Profitrate und jene, die ''Markttheorie'' genannt wird und im wesentlichen auf dem Werk von Rosa Luxemburg basiert.

Das IBRP hält sich an die erste Theorie, während wir die zweite vorziehen.

[1] Um eine Polemik über beide Theorien fruchtbar zu gestalten, ist es notwendig, sie auf die Grundlage eines Verständnisses der Entwicklung dieser Debatte in der marxistischen Bewegung zu stellen.

Marx lebte in einer Periode des kapitalistischen Aufstiegs. Obwohl sich die Frage der historischen Krise des Systems nicht so dramatisch stellte wie heute, war er in der Lage, in seinen periodischen zyklischen Krisen einen Ausdruck  seiner Widersprüche und eine Ankündigung von Erschütterungen zu erblicken, die in den Ruin führen würden: ''Marx hob zwei fundamentale Widersprüche im Prozeß der kapitalistischen Akkumulation hervor: zwei Widersprüche, die den zyklischen Krisen des Wachstums zugrunde lagen, durch die der Kapitalismus im 19.Jahrhundert schritt, und die, in einem gegebenen Moment, die kommunistische Revolution auf die Tagesordnung ruft. Diese beiden Widersprüche sind der tendenzielle Fall der Profitrate aufgrund der Unvermeidlichkeit einer immer höheren organischen Zusammensetzung des Kapitals und das Problem der Überproduktion, die angeborene Krankheit des Kapitals, mehr zu produzieren, als der Markt aufnehmen kann''  (''Marxismus und Krisentheorie'', International Review Nr.13).

 

Daraus können wir ersehen, daß ''Marx, auch wenn er einen Rahmen entwickelte, in dem diese beiden Phänomene eng miteinander verknüpft sind, niemals seine Untersuchung des Kapitalismus vervollständigte, so daß in verschiedenen Schriften mal das eine, mal das andere als die mehr oder weniger vorherrschende Ursache der Krise unterstrichen wurde.... Der unfertige Charakter dieses entscheidenden Bereichs im Marxschen Denken wurde, wie wir gesagt haben, nicht allein durch die persönliche Unfähigkeit von Marx bestimmt, das Kapital zu beenden, sondern auch durch die Beschränkungen der historischen Periode, in der er lebte'' (ebenda, S.27).

 

Ende des letzten Jahrhunderts begannen sich die Bedingungen des Kapitalismus zu ändern: Der Imperialismus als eine Politik des Raubes und der Konfrontation zwischen den Mächten entfaltete sich in Riesenschritten. Andererseits wies der Kapitalismus wachsende Krankheitsanzeichen auf (Inflation, gesteigerte Ausbeutung), die in großem Gegensatz zu jenem Wachstum und Wohlstand standen, welche in den 90er Jahren des 19.Jahrhunderts ununterbrochen geherrscht hatten. In diesem Zusammenhang erschien innerhalb der II.Internationalen eine opportunistische Strömung, die die marxistische These vom Zusammenbruch des Kapitalismus in Frage stellte und einen allmählichen Übergang zum Sozialismus mittels stufenweiser Reformen in Aussicht stellte, welche ''diese Widersprüche vermindern'' würden. Die Theoretiker dieser Strömung konzentrierten ihre Geschütze genau auf den zweiten der von Marx hervorgehobenen Widersprüche: die Tendenz zur Überproduktion. So sagte Bernstein: ''Marx widerspricht sich, wenn er meint, daß die Wurzeln der Krise die Grenzen der Massenkaufkraft sind''[2] (Bernstein: Theoretischer Sozialismus und sozialdemokratische Praxis).

 

1902 griff Tugan-Baranowski, ein russischer Revisionist, die Marxsche Theorie der Krise des Kapitalismus an, indem er leugnete, daß es ein Marktproblem geben könne und aufzeigte, daß die Krise den ''Disproportionalitäten'' zwischen verschiedenen Sektoren zuzuschreiben sei.

Tugan-Baranowski ging sogar noch weiter als seine revisionistischen deutschen Kompagnons (Bernstein, Schmidt, Vollmar, etc.). Er griff auf die Dogmen der bürgerlichen Ökonomen zurück, konkret, er kehrte zu den (offen von Marx kritisierten) Ideen von Say[3] zurück, die auf der These basierten, daß ''der Kapitalismus kein Problem mit der Realisierung hat, das über zeitweilige Störungen hinausgeht''. Es folgte in der II. Internationale von seiten Kautskys, der sich damals noch in den Reihen der Revolution befand, eine sehr entschiedene Antwort: ''Die Kapitalisten und die von ihnen ausgebeuteten Arbeiter bieten einen mit der Zunahme des Reichstums der ersteren und der Zahl der letzteren zwar stets wachsenden, aber nicht so rasch wie die Akkumulation des Kapitals und die Produktivität der Arbeit wachsenden und für sich allein nicht ausreichenden Markt für die von der kapitalistischen Großindustrie geschaffenen Konsummittel. Diese muß einen zusätzlichen Markt außerhalb ihres Bereiches in den noch nicht kapitalistisch produzierenden Berufen und Nationen suchen.... dieser zusätzliche Markt besitzt bei weitem nicht die Elastizität und Ausdehnungsfähigkeit des kapitalistischen Produktionsprozesses.... Dies in kurzen Zügen die, soweit wir sehen, von den 'orthodoxen' Marxisten allgemein angenommene, von Marx begründete Krisentheorie'' (zitiert von Rosa Luxemburg in ihrem Buch Die Akkumulation des Kapitals und Antikritik; die Unterstreichungen stammen von Rosa Luxemburg).

Als Rosa Luxemburg ihr Buch Die Akkumulation des Kapitals veröffentlichte, verschärfte sich diese Auseinandersetzung jedoch. In diesem Buch versuchte Rosa Luxemburg das schwindelerregende Wachstum des Imperialismus und die sich steigernde tiefe Krise des Kapitalismus zu erklären. Sie zeigte in dem Buch auf, daß der Kapitalismus sich historisch durch die Ausweitung seiner auf Lohnarbeit fußenden Produktionsverhältnisse auf nichtkapitalistische Gebiete und Bereiche entwickelte, daß er seine historischen Grenzen dann erreicht hat, wenn er den gesamten Planeten umfaßt, und daß er schon damals daran scheiterte, neue Territorien zu finden, die für die Expansion notwendig waren, die das Wachstum der Arbeitsproduktivität und der organischen Zusammensetzung des Kapitals verlangte: ''So breitet sich der Kapitalismus dank der Wechselwirkung mit nichtkapitalistischen Gesellschaftskreisen und Ländern immer mehr aus, indem er auf ihre Kosten akkumuliert, aber sie zugleich Schritt für Schritt zernagt und verdrängt, um an ihre Stelle selbst zu treten. Je mehr kapitalistische Länder aber an dieser Jagd nach Akkumulationsgebieten teilnehmen und je spärlicher die nichtkapitalistischen Gebiete werden, die der Weltexpansion noch offenstehen, um so erbitterter wird der Konkurrenzkampf des Kapitals um jene Akkumulationsgebiete, um so mehr verwandeln sich seine Streifzüge auf der Weltbühne in eine Kette ökonomischer und politischer Katastrophen: Weltkrisen, Kriege, Revolutionen'' (Rosa Luxemburg: Antikritik).

Rosa Luxemburgs Kritiker stritten ab, daß der Kapitalismus ein Realisierungsproblem hat, das heißt, sie vergaßen den Widerspruch des Systems, den Marx nachdrücklich gegen die bürgerlichen Ökonomen verteidigte und der die Basis der ''von Marx gegründeten Krisentheorie'' bildete, wie Kautsky einige Jahre zuvor gegen den Revisionisten Tugan-Baranowski in Erinnerung gerufen hatte.

Die Kritiker Rosa Luxemburgs stellten sich selbst als die ''orthodoxen und bedingungslosen'' Verteidiger von Marx und insbesondere seiner Schemata der erweiterten Reproduktion dar, die im Band 2 des Kapital dargelegt sind. Das heißt, sie erklärten den Rest des Marxschen Denkens für null und nichtig, indem sie eine einzelne Passage aus seinem Werk überbetonten.[4] Ihre Argumente waren sehr verschiedenartig: Eckstein sagte, daß es kein Problem der Realisierung gebe, weil Marx in dem Schema der erweiterten Reproduktion ''perfekt'' erklärt habe, daß es keinen Teil in der Produktion gebe, der nicht bezahlt werden könne. Hilferding belebte die Theorie der ''Disproportionalität zwischen den Sektoren'' wider, als er sagte, daß die Krise der Anarchie der Produktion geschuldet sei und daß die Tendenz zur Konzentration des Kapitalismus diese Anarchie und somit auch die Krise vermindere. Bauer sagte schließlich, daß Rosa Luxemburg auf ein tatsächliches Problem aufmerksam gemacht habe, das aber im Kapitalismus gelöst werden könne: durch die Akkumulation, die dem Bevölkerungswachstum folge.

Während dieser Periode stellte der Herausgeber einer lokalen sozialistischen Zeitung die Theorie des tendenziellen Falls der Profitrate jener von Rosa Luxemburg entgegen, womit ''der etwas nebelhafte Trost eines kleinen 'Sachverständigen' aus der 'Dresdner Volkszeitung' übrig (bleibt), der nach gründlicher Vernichtung meines Buches erklärt, der Kapitalismus werde schließlich 'an dem Fall der Profitrate' zugrunde gehen. Wie sich der gute Mann eigentlich das Ding vorstellt, ob so, daß an einem gewissen Punkte die Kapitalistenklasse, vor Verzweiflung ob der Niedrigkeit der Profitrate, sich insgesamt aufhängt, oder ob sie etwa erklärt, bei solchen lumpigen Geschäften verlohne sich die Plackerei nicht mehr, worauf sie die Schlüssel selbst dem Proletariat abliefert ? Wie dem sei, der Trost wird leider durch einen einzigen Satz von Marx in Dunst aufgelöst, nämlich durch den Hinweis, daß 'für große Kapitale der Fall der Profitrate durch Masse aufgewogen' werde. Es hat also mit dem Untergang des Kapitalismus am Fall der Profitrate noch gute Wege, so etwa bis zum Erlöschen der Sonne'' (Rosa Luxemburg: Anti-Kritik, Gesammelte Werke, Bd.5, S.446, Fußnote).

Lenin und die Bolschewiki nahmen an dieser Auseinandersetzung nicht teil[5] Sicherlich hat Lenin die populistische Markttheorie bekämpft, eine Theorie der Unter-Konsumption, die mit den Irrtümern Sismondis fortfährt. Jedoch hat Lenin nie das Problem des Marktes verleugnet: In seiner Analyse des Imperialismus hat er zwar das Hauptaugenmerk auf Hilferdings Theorie der Konzentration im Finanzkapital gelegt,[6] aber auch nicht übersehen, daß dies unter dem Druck eines gesättigten Weltmarktes stattfand. So betonte er in Der Imperialismus - die höchste Stufe des Kapitalismus in seiner Entgegnung auf Kautsky, daß ''für den Imperialismus... gerade das Bestreben charakteristisch (ist), nicht nur agrarische Gebiete, sondern sogar höchgst entwickelte Industriegebiete zu annektieren (...), denn erstens zwingt die abgeschlossene Aufteilung der Erde, bei einer Neuaufteilung die Hand nach jedem beliebigen Land auszustrecken...''.

In der Degenerationsphase der 3.Internationale griff Bucharin in seinem Buch Imperialismus und die Akkumulation des Kapitals die These von Rosa Luxemburg an, indem er eine Theorie entwickelte, die dem Triumph des Stalinismus Tür und Tor öffnete: die Theorie der ''Stabilisierung'' des Kapitalismus (was die revisionistische These voraussetzte, daß die Krise überwunden werden kann) und der ''Notwendigkeit'' einer längeren Koexistenz der UdSSR mit dem kapitalistischen System. Bucharins grundsätzliche Kritik an Rosa Luxemburg war, daß sie sich darauf beschränkt habe, dem marktbezogenen Widerspruch einen privilegierten Platz einzuräumen und all die anderen, unter ihnen die Theorie des tendenziellen Falls der Profitrate, zu übersehen.[7]

Ende der 20er und zu Beginn der 30er Jahre ''griff Paul Mattick von den amerikanischen Rätekommunisten Henry Grossmanns Kritik an Luxemburg und die Behauptung auf, daß die permanente Krise des Kapitalismus ausbreche, wenn die organische Zusammensetzung des Kapitals einen solchen Umfang erreicht habe, daß es immer weniger Mehrwert gibt, um den Akkumulationsprozeß anzuheizen. Diese Grundidee wird, auch wenn in zahlreichen Punkten überarbeitet, heute von revolutionären Gruppen wie die CWO, Battaglia Comunista und einige der in Skandinavien entstandenen Gruppen vertreten.'' (''Marxism and Crisis Theory'' in International Review Nr.13, S.28)

Die Krisentheorie basiert nicht ausschließlich auf der Tendenz der fallenden Profitrate

Es muß Klarheit darüber bestehen, daß der Widerspruch, an dem der Kapitalismus in Bezug auf die Realisierung des Mehrwerts krankt, eine fundamentale Rolle in der marxistischen Krisentheorie spielt und daß die revisionistischen Tendenzen diese These mit besonderer Heftigkeit attackierten. Das IBRP behauptet das Gegenteil. So erzählt es uns in seiner Antwort, daß ''für Marx die Quelle aller wirklichen Krisen innerhalb des kapitalistischen Systems liegt, innerhalb der Beziehung zwischen Kapitalisten und Arbeitern. Er bezeichnete dies gelegentlich als eine Krise, die von der begrenzten Fähigkeit der Arbeiter geschaffen wurde, das Produkt ihrer eigenen Arbeitskraft zu konsumieren.... Er fuhr fort hinzuzufügen, daß dies nicht aufgrund der Überproduktion an sich so sei.... Und Marx fährt fort zu erklären, daß die Krise aus der fallenden Profitrate entsteht.... Die Krise entwertet Kapital und erlaubt den Beginn eines neuen Akkumulationszyklus' '' (The IBRP's response, S. 32).

Es hieße, Marxens Denken zu deformieren, wenn man sagt, daß die historische Krise des Kapitals allein mit der Theorie der Tendenz der fallendenden Profitrate zu erklären ist. Aus drei Gründen:

1.  Marx legte das Gewicht auf zwei Widersprüche:

*  Er stellte fest, daß die kapitalistische Produktion zwei Seiten hat, die eigentliche Produktion und ihre Realisierung. Einfach gesagt, bedeutet der der Ausbeutung innewohnende Profit weder für den einzelnen Kapitalisten noch für den Kapitalismus in seiner Ganzheit irgendetwas, wenn die Waren, die sie produzieren,. nicht verkauft werden: ''Die gesamte Warenmasse, das Gesamtprodukt, sowohl der Teil, der das konstante und variable Kapital ersetzt, wie der den Mehrwert darstellt, muß verkauft werden. Geschieht das nicht oder nur zum Teil oder nur zu Preisen, die unter den Produktionspreisen stehn, so ist der Arbeiter zwar exploitiert, aber seine Exploitation realisiert sich nicht als solche für den Kapitalisten'' (Das Kapital, Bd.3, S.254, MEW; unsere Hervorhebung).

*  Er demonstrierte die lebenswichtige Bedeutung des Marktes in der Entwicklung des Kapitalismus: ''Der Markt muß daher beständig ausgedehnt werden, so daß seine Zusammenhänge und die sie regelnden Bedingungen immer mehr die Gestalt eines von den Produzenten unabhängigen Naturgesetzes annehmen.... Der innere Widerspruch sucht sich auszugleichen durch Ausdehnung des äußeren Feldes der Produktion'' (ebenda, S.255; unsere Hervorhebung). Weiter fragt er: ''Wie könnte es sonst an Nachfrage für dieselben Waren fehlen, deren die Masse des Volks ermangelt, und wie wäre es möglich, diese Nachfrage im Ausland suchen zu müssen, auf fernern Märkten, um den Arbeitern zu Hause das Durchschnittsmaß der notwendigen Lebensmittel zahlen zu können ? Weil nur in diesem spezifischen, kapitalistischen Zusammenhang das überschüssige Produkt eine Form erhält, worin sein Inhaber es nur dann der Konsumtion zur Verfügung stellen kann, sobald es sich für ihn in Kapital rückverwandelt'' (ebenda, S. 267, unsere Hervorhebung).

*  Er verurteilte ohne Zögern Says These, wonach es kein Realisierungsproblem im Kapitalismus gab: „Die von Ricardo adoptierte (eigentlich James Mill gehörige) Ansicht des faden Say (worauf wir bei der Besprechung des Jammermenschen zurückkommen), daß keine Überproduktion möglich oder wenigstens no general glut of the market, beruht auf dem Satz daß Produkte gegen Produkte ausgetauscht werden oder wie Mill es hatte, auf dem `metaphysischen Gleichgewicht der Verkäufer und Käufer, was weiter entwickelt wurde zu der nur durch die Produktion selbst bestimmte Nachfrage oder auch der Identität von demand und offer.“ (K. Marx, Theorien über den Mehrwert, MEW 26.2, S. 493)

*  Er bestand darauf, daß die permanente Überproduktion die historischen Grenzen des Kapitalismus ausdrückten: „Ist daher zugegeben, daß der Markt sich erweitern muß, soll keine Überproduktion stattfinden, so ist auch zugegeben, daß Überproduktion stattfinden kann, denn es ist dann möglich, da Markt und Produktion zwei gegeneinander gleichgültige [Momente sind], daß die Er­weiterung des einen der Erweiterung der andren nicht entspricht, daß die Schranken des Markts sich nicht rasch genug für die Produktion ausdehnen oder daß neue Märkte - neue Ausdehnungen des Markts - von der Produk­tion rasch überholt werden können, so daß der erweiterte Markt nun ebenso­sehr als eine Schranke erscheint wie früher der engere.“ (K. Marx, Theorien über den Mehrwert, MEW 26.2, S. 525).

2.  Marx stellte all die Gründe fest, die der Tendenz der fallenden Profitrate entgegenwirken: Im Kapitel XIV in Bd.3 vom Kapital analysierte er sechs Faktoren, die dieser Tendenz entgegenwirken: intensivere Ausbeutung der Arbeit, die Reduzierung der Löhne unter ihren Wert, die Verminderung der Kosten des konstanten Kapitals, der relative Bevölkerungsüberschuß, Außenhandel, das Wachstum des Aktienkapitals.

*  Er sah die Tendenz der fallenden Profitrate als ein Ausdruck der konstanten Produktivitätssteigerung der Arbeit an, als eine Tendenz, die der Kapitalismus bis zu einem in früheren Produktionsweisen nie gekannten Grad entwickelte: ''Diese (Tendenz) erzeugt mit der fortschreitenden relativen Abnahme des variablen Kapitals gegen das konstante eine steigend höhere organische Zusammensetzung des Gesamtkapitals, deren unmittelbare Folge ist, daß die Rate des Mehrwerts bei gleichbleibendem und selbst bei steigendem Exploitationsgrad der Arbeit sich in einer beständig sinkenden allgemeinen Profitrate ausdrückt.... Die progressive Tendenz der allgemeinen Profitrate zum Sinken ist also nur ein der kapitalistischen Produktionsweise eigentümlicher Ausdruck für die fortschreitende Entwicklung der gesellschaftlichen Produktivkraft der Arbeit.'' (Das Kapital, Bd.3, S.223, MEW; Hervorhebungen im Original).[8]

*  Marx machte klar, daß dies kein absolutes Gesetz ist, sondern eine Tendenz, die eine ganze Reihe entgegenwirkender Kräfte enthielt (wie oben gezeigt), die von ihr hervorgerufen wurden: ''Und so hat sich denn im allgemeinen gezeigt, daß dieselben Ursachen, die das Fallen der allgemeinen Profitrate hervorbringen, Gegenwirkungen hervorrufen, die diesen Fall hemmen, verlangsamen und teilweise paralysieren. Sie heben das Gesetz nicht auf, schwächen aber seine Wirkung ab. Ohne das wäre das Fallen der allgemeinen Profitrate unbegreiflich, sondern umgekehrt die relative Langsamkeit dieses Falls. So wirkt das Gesetz nur als Tendenz, dessen Wirkung nur unter bestimmten Umständen und im Verlauf langer Perioden schlagend hervortritt'' (ebenda, S.249)).

*  Gegenüber der Tendenz der fallenden Profitrate setzte er die ursprüngliche Bedeutung des ''Außenhandels'' und vor allem die ständige Suche nach neuen Märkten: ''Derselbe auswärtige Handel... entwickelt im Inland die kapitalistische Produktionsweise, und damit die Abnahme des variablen Kapitals gegenüber dem konstanten, und produziert auf der andern Seite Überproduktion mit Bezug auf das Ausland, hat daher auch wieder im weitern Verlauf die entgegengesetzte Wirkung.'' (ebenda, S.249).

3.  Schließlich sah Marx, im Gegensatz zu dem, was die Genossen denken, in der Entwertung des Kapitals nicht das einzige Mittel, das der Kapitalismus für die Überwindung der Krise hat; er bestand ebenfalls auf das andere Mittel: die Eroberung neuer Märkte: ''Wodurch überwindet die Bourgeoisie die Krisen ? Einerseits durch die erzwungene Vernichtung einer Masse von Produktivkräften; anderseits durch die Eroberung neuer Märkte und die gründlichere Ausbeutung alter Märkte.'' (Das Kommunistische Manifest). ''Die kapitalistische Produktion als eine vorübergehende ökonomische Phase ist voll innerer Widersprüche, die sich in dem Maße entfalten und sichtbar werden, in dem sie sich selbst entfaltet. Die Tendenz, ihren eigenen Markt zu schaffen und zugleich zu zerstören, ist einer dieser Widersprüche. Ein anderer liegt in der ausweglosen Situation, zu der sie führt und die in einem Land ohne auswärtigen Markt, wie Rußland, eher eintritt als in Ländern, die auf dem freien Weltmarkt mehr oder weniger konkurrenzfähig sind. Diese letztgenannten Länder finden in einer solchen scheinbar ausweglosen Lage eine Lösung in der Ausdehnung des Handels durch gewaltsame Erschließung neuer Märkte. Aber auch da steht man vor einem cul-de-sac (Sackgasse). Nehmen Sie England. Der letzte neue Markt, dessen Erschließung dem englischen Handel eine zeitweilige Wiederbelebung bringen könnte, ist China’ (Engels an Nikolai Franzewitsch Danielson, 22. Sept. 1892, MEW 38, S. 470).

Das Problem der Akkumulation

Die Genossen geben uns jedoch noch ein anderes ''gewichtiges'' Argument: ''Wie wir zuvor hervorgehoben haben, erklärt diese Theorie (sie beziehen sich auf jene von Rosa Luxemburg) das Kapital für unsinnig, denn Marx führte seine Analyse unter der Annahme eines geschlossenen kapitalistischen Systems aus, das bereits frei von 'dritten Käufern' ist (und dennoch fand er einen Krisenmechanismus)'' (The IBRP's response, S.33).

Es ist ganz richtig, daß Marx hervorgehoben hat, daß ''die Hereinziehung des auswärtigen Handels bei Analyse des jährlich reproduzierten Produktenwerts... also nur verwirren (kann), ohne irgendein neues Moment, sei es des Problems, sei es seiner Lösung zu liefern'' (Das Kapital, Bd.2, S.466). Es ist richtig, daß Marx, im letzten Kapitel von Bd.2, bei dem Versuch, die Mechanismen der erweiterten Reproduktion des Kapitalismus zu verstehen, sagt, daß es notwendig ist, ''äußere Elemente'' wegzulassen, daß es notwendig ist, davon auszugehen, daß es nur Kapitalisten und Arbeiter gibt, und auf dieser Basis erarbeitete er das Schema der erweiterten Reproduktion des Kapitals. Diese berühmten Schemata haben als revisionistische ''Bibel'' gedient, um ''zu demonstrieren'', daß ''die Marxschen Darlegungen im zweiten Band des 'Kapitals'... eine ausreichende und erschöpfende Erklärung der Akkumulation (seien), dort sei eben durch die Schemata klipp und klar nachgewiesen, daß das Kapital ausgezeichnet wachsen, die Produktion sich ausdehnen könne, wenn in der Welt keine andere als die kapitalistische existierte; sie sei für sich selbst Absatzmarkt, und nur meine totale Unfähigkeit, das Abc der Marxschen Schemata zu begreifen, konnte mich dazu verleiten, hier ein Problem zu erblicken !'' (Rosa Luxemburg: Antikritik, Gesammelte Werke, Bd.5, S.433).

Es ist absurd vorzugeben, daß die Erklärung der Krise des Kapitalismus innerhalb der berühmten Schemata der Reproduktion enthalten ist. Im Mittelpunkt von Rosa Luxemburgs Kritik steht exakt die sich darauf stützende Behauptung: ''Die Realisierung des Mehrwerts zu Zwecken der Akkumulation ist also in einer Gesellschaft, die nur aus Arbeitern und Kapitalisten besteht, eine unlösbare Aufgabe'' (Luxemburg: Die Akkumulation des Kapitals, Gesammelte Werke, Bd.5, S.299). Von diesem Ausgangspunkt aus demonstriert sie ihre Inkonsequenz: ''Für wen produzieren die Kapitalisten, wenn und soweit sie nicht selbst konsumieren, sondern 'entsagen', d.h. akkumulieren ? Noch weniger kann die Erhaltung einer immer größeren Armee von Arbeitern der Zweck der ununterbrochenen Kapitalakkumulation sein. Die Konsumtion der Arbeiter ist kapitalistisch eine Folge der Akkumulation, niemals ihr Zweck und ihre Voraussetzung, wenn anders die Grundlagen der kapitalistischen Produktion nicht auf den Kopf gestellt werden sollen. Und jedenfalls können die Arbeiter stets nur den Teil des Produkts konsumieren, der dem variablen Kapital entspricht, kein  Jota darüber hinaus. Wer realisiert also den beständig wachsenden Mehrwert ? Das Schema antwortet: die Kapitalisten selbst und nur sie. Und was fangen sie mit ihrem wachsenden Mehrwert an ? Das Schema antwortet: Sie gebrauchen ihn, um ihre Produktion immer mehr zu erweitern. Diese Kapitalisten sind also Fanatiker der Produktionserweiterung um der Produktionserweiterung willen. Sie lassen immer neue Maschinen bauen, um damit immer wieder neue Maschinen zu bauen. Was wir aber auf diese Weise bekommen, ist nicht eine Kapitalakkumulation, sondern eine wachsende Produktion von Produktionsmitteln ohne jeden Zweck, und es gehört die Tugan-Baranowskische Kühnheit und Freude an Paradoxen dazu, um anzunehmen, dieses unermüdliche Karussell im leeren Luftraum könne ein treues theoretisches Spiegelbild der kapitalistischen Wirklichkeit und eine wirkliche Konsequenz der Marxschen Lehre sein.'' (ebenda, S.284/285)).

Daher schließt sie daraus, daß ''Marx seine allgemeine Auffassung von dem charakteristischen Gang der kapitalistischen Akkumulation in seinem ganzen Werke, namentlich im dritten Bande, sehr ausführlich und deutlich niedergelegt (hat). Und man braucht sich nur in diese Auffassung hineindenken, um das Unzulängliche des Schemas am Schluß des zweiten Bandes ohne Mühe einzusehen. Prüft man das Schema der erweiterten Reproduktion gerade vom Standpunkte der Marxschen Theorie, so muß man finden, daß es sich mit ihr in mehreren Hinsichten im Widerspruch befindet.'' (ebenda, S.285)).

Während seiner historischen Entwicklung war der Kapitalismus von einem ihn umgebenden vorkapitalistischen Milieu abhängig, zu dem er ein Verhältnis unterhielt. Dieses umfaßte drei untrennbare Elemente: den Handel (die Aneignung von Rohstoffen und der Austausch von Manufakturwaren), die Zerstörung sozialer Formen (die Vernichtung der natürlichen Subsistenzwirtschaft, die Trennung der Bauern und Handwerker von ihren Arbeitsmitteln) und die Integration in die kapitalistische Produktion (die Entwicklung von Lohnarbeit und all der kapitalistischen Institutionen).

Dieses Verhältnis von Handel-Zerstörung-Integration erstreckte sich über den gesamten Prozeß der Bildung des kapitalistischen Systems (im 16.-18.Jahrhundert), seines Gipfels (im 19.Jahrhundert) und seiner Dekadenz (im 20.Jahrhundert) und bildete eine vitale Notwendigkeit für die Gesamtheit der Produktionsbeziehungen: ''Der Akkumulationsprozeß des Kapitals ist durch alle seine Wertbeziehungen und Sachbeziehungen: konstantes Kapital, variables Kapital, variables Kapital und Mehrwert an nichtkapitalistische Produktionsformen gebunden. Letztere bilden das gegebene historische Milieu jenes Prozesses. Die Kapitalakkumulation kann so wenig unter der Voraussetzung der ausschließlichen und absoluten Herrschaft der kapitalistischen Produktionsweise dargestellt werden, daß sie vielmehr ohne das nichtkapitalistische Milieu in jeder Hinsicht undenkbar ist.'' (ebenda, S.314)).

Für Battaglia Comunista ist dieser historische Prozeß, der sich auf der Ebene des Weltmarktes entfaltet, nichts anderes als die Widerspiegelung eines viel tieferen Prozesses: ''Auch wenn wir mit dem Markt und mit den Widersprüchen, die dort auftreten (Produktion-Verteilung, Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage), beginnen mögen, müssen wir letztendlich doch zu den Mechanismen zurückkehren, die die Akkumulation beherrschen, um zu einer korrekteren Sichtweise des Problems zu gelangen. Als eine Einheit von Produktion und Verteilung erfordert das Kapital, daß wir berücksichtigen, was auf dem Markt infolge der Heranreifung von Widersprüchen passiert, die am Anfang, und nicht am Ende der Produktionsverhältnisse stehen. Es ist der ökonomische Zyklus und die Notwendigkeit für die Verwertbarkeit des Kapitals, die den Markt bedingt. Nur wenn wir von den widersprüchlichen Gesetzen ausgehen, die den Akkumulationsprozeß beherrschen, ist es möglich, die 'Marktgesetze' zu erklären.''  (2.Konferenz von Gruppen der kommunistischen Linken, Band 1 der Vorbereitungstexte, S.10)

Die Realisierung des Mehrwerts, dieser famose ''Salto mortale der Ware'', wie Marx es nannte, bildet die ''Oberfläche'' des Phänomens, den ''Resonanzkörper'' der Widersprüche der Akkumulation. Diese Sichtweise mit ihrem Anschein von ''Tiefgründigkeit'' enthält nichts anderes als profunden Idealismus: Die ''Marktgesetze'' sind das ''äußere'' Resultat der ''inneren'' Gesetze des Akkumulationsprozesses. Das ist nicht die Sicht von Marx, für dem die beiden Momente der kapitalistischen Produktion (Produktion und Realisierung) nicht die Widerspiegelung des einen durch den anderen sind, sondern zwei unzertrennliche Teile der globalen Einheit, die die historische Evolution des Kapitalismus darstellen: ''.... Zitat ....'' (Marx: Ein Beitrag zur Kritik der politischen Ökonomie, Kapitel 2).

Jeder Versuch, die Produktion von der Realisierung zu trennen, erschwert das Verständnis der historischen Bewegung des Kapitalismus, die zu seinem Gipfel (die Bildung des Weltmarktes) und zu seiner historischen Krise (die chronische Sättigung des Weltmarktes) führt: ‘In dem Maße endlich, wie die Kapitalisten durch die oben geschilderte Bewegung gezwungen werden, schon vorhandene riesenhafte Produktionsmittel auf größerer Stufenleiter auszubeuten... nehmen mit einem Wort die Krisen zu. Sie werden häufiger und heftiger schon deswegen, weil in demselben Maß, worin die Produktenmasse, also das Bedürfnis nach ausgedehnten Märkten wächst, der Weltmarkt immer mehr sich zusammenzieht, immer weniger Märkte zur Exploitation übrigbleiben, da jede vorhergehende Krise einen bisher uneroberten oder vom Handel nur oberflächlich ausgebeuteten Markt dem Welthandel unterworfen hat’ (Lohnarbeit und Kapital, MEW 6, S. 423,).

Als Lenin die Entwicklung des Kapitalismus in Rußland studierte, benutzte er dieselbe Methode: 'Wichtig ist, daß der Kapitalismus nicht bestehen und sich nicht entwickeln kann ohne ständige Erweiterung seiner Herrschaftssphäre, ohne Kolonisation neuer Länder und Einbeziehung nichtkapitalistischer alter Länder in den Strudel der Weltwirtschaft. Und diese Eigenschaft des Kapitalismus machte und macht sich in Rußland nach der Reform mit größer Kraft geltend’ (Lenin: Die Entwicklung des Kapitalismus in Rußland, Gesammelte Werke, Bd.3, S. 615, 8. Kapitel, V.).

Die historischen Grenzen des Kapitalismus

Die Genossen vom IBRP denken jedoch, daß Rosa Luxemburg darauf beharrt habe, nach ''äußeren'' Ursachen der Krise des Kapitalismus zu schauen: ''Anfänglich unterstützte Luxemburg die Idee, daß die Ursache der Krise in den Wertverhältnissen zu suchen ist, die der kapitalistischen Produktionsweise selbst innewohnen.... Aber in der Auseinandersetzung mit dem Revisionismus innerhalb der deutschen Sozialdemokratie schien sie 1913 dazu verleitet worden sein, nach einer anderen ökonomischen Theorie Ausschau zu halten, um der revisionistischen Behauptung entgegenzutreten, daß das Gesetz der Tendenz der fallenden Profitrate nicht mehr gültig sei. In Die Akkumulation des Kapitals zog sie die Schlußfolgerung, daß es 'einen Makel in Marxens Analyse' gab, und sie beschloß, daß die Ursache der kapitalistischen Krise außerhalb der kapitalistischen Beziehungen liegt.'' (The IBRP's response, S.33)

Die Revisionisten schleuderten Rosa Luxemburg die Beschuldigung ins Gesicht, daß sie ein Problem aufstellt, das nicht existiert, denn nach ihnen hatten Marxens Schemata der erweiterten Reproduktion ''demonstriert'', daß aller Mehrwert innerhalb des Kapitalismus realisiert wird. Die Genossen vom IBRP berufen sich nicht auf diese Schemata, aber ihre Methode läuft auf dasselbe hinaus: Für sie hat Marx mit seinen Schemata der Akkumulationszyklen die Lösung gegeben. Das Kapital fährt mit Produktion und Entwicklung fort, bis die Profitrate fällt und die Produktion gehemmt wird, was dann die Tendenz zu einer ''objektiven'' Eigenlösung durch massive Kapitalentwertung hervorbringt. Nach dieser Wertminderung hat sich die Profitrate erholt, und der Prozeß beginnt aufs neue und so weiter. Es ist richtig, daß die Genossen einräumen, daß diese Evolution historisch viel komplizierter ist, entsprechend dem Wachstum in der organischen Zusammensetzung des Kapitals und der Tendenz zu Konzentration und Zentralisierung des Kapitals: daß dieser Konzentrationsprozeß im 20.Jahrhundert bedeutet, daß die notwendige Kapitalentwertung sich nicht auf strikt ökonomische Mittel (Schließung von Fabriken und Entlassung von Arbeitern) beschränken kann, sondern die enorme Zerstörung durch einen Weltkrieg erfordert (s. den ersten Teil dieses Artikels).

Diese Erklärung ist in der Mehrheit der Fälle eine Beschreibung der konjunkturellen Bewegungen des Kapitalismus, aber sie erlaubt nicht das Verständnis der globalen historischen Bewegung des Kapitalismus. Sie versorgt uns mit einem unzuverlässigen Thermometer (wir haben, Marx gemäß, die entgegenstrebenden Ursachen des Gesetzes erklärt) für die Wendungen und Fortschritte des Kapitalismus, aber es versetzt uns nicht einmal ansatzweise in die Lage, den Grund, die tiefe Ursache der Krankheit zu verstehen. Unter der zusätzlichen Bürde der Dekadenz (s. unsere Artikel in der International Review Nr.79 und 82) wurde die Akkumulation weitgehend blockiert, und ihre Mechanismen (also einschließlich der Tendenz der fallenden Profitrate) wurden durch massive Staatsinterventionen verändert und pervertiert.

Die Genossen erinnern uns daran, daß nach Marx die Ursachen der Krise dem Kapitalismus innewohnen.

Was wollen die Genossen mehr als die dem Kapitalismus ''innewohnende'', zwingende Notwendigkeit einer ständigen Ausweitung der Produktion über die Grenzen des Marktes hinaus ? Das Ziel des Kapitalismus ist nicht die Befriedigung von Konsumbedürfnissen (ungleich dem Feudalismus, dessen Ziel dem Konsum der Edelleute und Priester galt). Er ist auch kein System der einfachen Warenproduktion (solche Methoden konnten im Altertum und bis zu einem gewissen Punkt im 14. und 15.Jahrhundert beobachtet werden). Sein Produktionsziel ist ein stetig steigender Mehrwert, der aus den auf der Lohnarbeit fußenden Wertverhältnissen stammt. Dies erfordert, daß er sich permanent auf der Suche nach neuen Märkten befindet. Warum ? Um ein Regime des einfachen Warenaustausches zu etablieren ? Um des Raubes und der Sklavenhaltung willen ? Nein, obwohl diese Methoden die Entwicklung des Kapitalismus begleitet haben, bilden sie nicht das innere Wesen, das in der Notwendigkeit einer steigenden Ausweitung seiner auf der Lohnarbeit basierenden Produktionsverhältnisse ruht: ''Traurigerweise kann das Kapital kein Geschäft mit seinen nichtkapitalistischen Kunden betreiben, ohne sie zu ruinieren. Ob es ihnen Konsum- oder Produktionsgüter verkauft, es zerstört das prekäre Gleichgewicht einer jeden vorkapitalistischen (und daher weniger produktiven) Ökonomie. Die Einführung von billiger Kleidung, der Bau von Eisenbahnen, die Errichtung einer Fabrik reicht aus, um die gesamte vorkapitalistische Wirtschaftsorganisation zu zerstören. Das Kapital mag seine vorkapitalistischen Kunden so, wie Oger Kinder 'mag': Es frißt sie auf. Die Arbeiter einer vorkapitalistischen Wirtschaft, die das 'Pech' haben, es mit den Kapitalisten zu tun zu bekommen, erkennen früher oder später, daß sie bestenfalls proletarisiert oder schlimmstenfalls - und dies ist seit dem Abgleiten des Kapitalismus in die Dekadenz immer häufiger der Fall - zu Elend und Bankrott verdammt sind.'' (Kritik an Bucharin, Teil 2, International Review Nr.30)

In der aufsteigenden Periode, im 19.Jahrhundert, schien dieses Realisierungsproblem zweitrangig zu sein, da der Kapitalismus ständig neue vorkapitalistische Gebiete fand, die er in sein Netzwerk integrierte und denen er folglich seine Waren verkaufte. Im 20.Jahrhundert jedoch, als die nichtkapitalistischen Territorien im Verhältnis zu den Expansionsbedürfnissen in wachsendem Maße an Bedeutung verloren, erhielt das Realisierungsproblem eine entscheidende Bedeutung. Daher sagen wir, daß Rosa Luxemburgs Theorie ‘eine Er­klärung für die historisch konkreten Be­dingungen liefert, die den Beginn der permanen­ten Systemkrise bestimmen: Je mehr der Kapitalismus die verbliebenen nicht-kapi­talistischen Wirtschaftsbereiche in sich selbst eingegliedert hat, je mehr er die Welt nach seinem Bild geformt hat, desto weniger konstant kann er seine Märkte ausweiten und neue Auswege für die Re­alisierung jenes Teils des Mehrwerts fin­den, der weder von den Kapitalisten noch vom Proletariat realisiert werden kann. Die Unfähigkeit des Systems, weiter in alter Manier zu expandieren, bewirkte die neue Epoche des Imperialismus und der in­terimperialistischen Kriege, die das Ende der fortschrittlichen historischen Mission des Kapitalismus bedeuteten und die Menschheit mit dem Rückfall in die Bar­barei bedrohten' ((''Der Kommunismus ist nicht eine schöne Idee, sondern eine materielle Notwendigkeit'', Teil 7).

Wir streiten nicht die Tendenz der fallenden Profitrate ab, wir betrachten sie als ein Teil der historischen Evolution des Kapitalismus. Diese ist beeinflußt von einer ganzen Reihe von Widersprüchen: den Widerspruch zwischen dem gesellschaftlichen Charakter der Produktion und dem privaten Charakter der Aneignung, zwischen der unaufhörlichen Steigerung der Arbeitsproduktivität und dem fallenden Anteil der lebenden Arbeit, die bereits erwähnte Tendenz der fallenden Profitrate.... Jedoch konnten diese Widersprüche nur solange eine Stimulans für die Entwicklung des Kapitalismus sein, wie er die Möglichkeit hatte, sein Produktionssystem auf Weltebene auszudehnen. Als der Kapitalismus seine historischen Grenzen erreichte, verkehrten sich diese stimulierenden Widersprüche in schwere Ketten, in Faktoren, die die Schwierigkeiten und Konvulsionen des Systems verschärften.

 Produktionssteigerung in der Dekadenz des Kapitalismus

Die Genossen vom IBRP erheben einen wirklich verblüffenden Einwand: ''Wenn die Märkte bereits 1913 gesättigt wurden, wenn alle vorkapitalistischen Auswege erschöpft sind, können neue nicht neu geschaffen werden (abgesehen von einem Trip zum Mars). Wenn aber der Kapitalismus über die Wachstumsebene des vorherigen Zyklus' hinausgeht, wie geht das mit der Theorie von Luxemburg zusammen ?'' (The IBRP's response, S.33)

Während unser polemische Artikel in der International Review Nr.79 die Natur und Zusammensetzung der ''ökonomischen Wachstums'' nach dem 2.Weltkrieg klar gemacht hat, kritisieren uns die Genossen in ihrer Antwort, indem sie sagen, daß es ein ''wirkliches ökonomisches Wachstum des Kapitalismus in der Dekadenz'' gegeben hat, und angesichts unser Verteidigung der Positionen von Rosa Luxemburg fahren sie fort: ''Wir haben bereits gesehen, wie die IKS das Dilemma löst - durch die empirische Leugnung, daß es ein wirkliches Wachstum gegeben hat.'' (ebenda, S.33)

Wir können hier nicht die Analyse der Natur des ''Wachstums'' seit 1945 wiederholen. Wir laden die Genossen dazu ein, den Artikel ''Understanding the decadence of capitalism (part VI)'' in der International Review Nr.56 (auf deutsch in Internationale Revue Nr. 15) zu lesen, der klarstellt, daß bezüglich der ''Wachstumsraten in der 1945 folgenden Periode (die höchste in der Geschichte des Kapitalismus)... wir aufzeigen werden, daß dieser zeitweilige Aufschwung das Produkt eines gedopten Wachstums ist, das nichts anderes ist als der verzweifelte Kampf eines Systems in seinem Todeskampf. Die Mittel, die benutzt wurden, um dies zu erreichen (massive Verschuldung, Staatsintervention, wachsende Rüstungsproduktion, unproduktive Ausgaben, etc.) sind ausgewrungen, womit der Weg zu einer beispiellosen Krise eröffnet ist.'' Womit wir uns befassen wollen, ist etwas grundsätzlich Marxistisches: das quantitative Wachstum der Produktion bedeutet nicht notwendigerweise eine Entwicklung des Kapitalismus.

Das chronische endlose Problem, das der Kapitalismus in der Dekadenz hat, ist die Abwesenheit von neuen Märkten, die erforderlich geworden sind durch die Produktionssteigerungen, die auf das konstante Wachstum in der Arbeitsproduktivität und in der organischen Zusammensetzung zurückzuführen sind. Dieses konstante Wachstum erschwert das Problem der bereits steigenden Überproduktion von akkumulierter Arbeit (konstantes Kapital) im Verhältnis zur lebenden Arbeit (variables Kapital, die Lebensmittel der Arbeiter) noch mehr.

Die gesamte Überlebensgeschichte des Kapitalismus im 20.Jahrhundert nach der Niederlage der revolutionären Welle 1917-23 ist das verzweifelte Bemühen, das Wertgesetz durch Schulden, Hyperinflation von unproduktiven Kosten und die monströse Entwicklung der Rüstung zu manipulieren, um die Folgen der chronischen Abwesenheit neuer Märkte zu lindern. Und die Geschichte zeigt, daß diese Bemühungen nichts anderes bewirkt haben, als die Probleme zu verschlimmern und die Tendenzen des dekadenten Kapitalismus zur Selbstzerstörung zu schüren: Die Verschlimmerung der chronischen Krise des Kapitalismus verstärkt die permanenten Tendenzen zum imperialistischen Krieg, zur allgemeinen Zerstörung (s. den ersten Teil dieses Artikels in der International Review Nr.82).

In Wahrheit illustriert dieses ''fabelhafte'' Produktionswachstum, das die Genossen so sehr blendet, den unüberwindlichen Widerspruch, den der Kapitalismus mit seiner Tendenz der unbegrenzten Entwicklung der Produktion über die Absorptionsfähigkeit des Marktes hinaus erzwingt. Diese Zahlen untergraben die Theorien von Rosa Luxemburg ganz und gar nicht, sondern bestätigen sie völlig. Wenn wir das unkontrollierte und galoppierende Wachstum der Schulden betrachten, das ohne jeden Vergleich in der menschlichen Geschichte steht, wenn wir die Existenz der strukturellen und permanenten Inflation betrachten, wenn wir sehen, daß seit der Abschaffung des Goldstandards der Kapitalismus unbekümmert jede garantierte Deckung des Geldes eliminierte (gegenwärtig erfaßt Fort Knox lediglich 3 % der Dollar, die in den Vereinigten Staaten zirkulieren), wenn man die massive Intervention durch den Staat erkennt, um das ökonomische Gefüge abzustützen (und dies seit mehr als 50 Jahren), so muß jeder annähernd ernsthafte Marxist dieses ''fabelhafte Wachstum'' als ein Bluff in Abrede stellen und die Schlußfolgerung ziehen, daß es sich hier um eine Frage von gedopten und betrügerischen Wachstum handelt.

Statt sich diese Realität zu vergegenwärtigen, ziehen die Genossen es vor, über die ''neuen Realitäten'' des Kapitalismus zu spekulieren. So unterbreiten sie in ihrer Antwort folgendes: ''Die Umstrukturierung (und, wir müssen es leider sagen, das Wachstum) der Arbeiterklasse, die Tendenz der kapitalistischen Staaten, durch das Volumen des Welthandels und den Kapitalbetrag, der von den Weltfinanzinstitutionen kontrolliert wird (der heute mindestens viermal so groß ist wie das Budget aller Staaten zusammengenommen), ökonomisch zu verkümmern, hat eine weitere Ausweitung der Weltwirtschaft aus Bucharins und Luxemburgs Tagen in eine globalisierte Ökonomie produziert.'' (The IBRP's response, S.35)

Da gibt es 820 Millionen Arbeitslose in der Welt (Zahlen von der IAO, Dezember 1994), aber die Genossen sprechen von einem Wachstum der Arbeiterklasse ! Da gibt es ein irreversibles Wachstum der Zeitarbeit, aber die Genossen sehen wie moderne Don Qixotes die Windmühlen des ''Wachstums'' und der ''Wiederherstellung'' der Arbeiterklasse ! Da gerät der Kapitalismus immer näher an eine Finanzkrise von unkalkulierbarem Ausmaß, aber die Genossen spekulieren fröhlich über die ''globale Ökonomie'' und über das ''Kapital, das von den Finanzinstitutionen kontrolliert wird''. Noch einmal, in ihren Träumen sehen sie ihre heimliche Liebe in der ''Weltwirtschaft'', deren prosaische Wirklichkeit in den verzweifelten Bemühungen dieser - ''immer kindlicheren'' - Staaten besteht, den Grad der Spekulationen zu kontrollieren, die exakt von der Sättigung des Marktes provoziert werden; diese Giganten, die vom ''durch die Finanzinstitutionen kontrollierten Kapital'' konstituiert wurden, sind Luftballons, die durch eine Spekulation gewaltig aufgebläht sind, welche eine Katastrophe für die Weltwirtschaft auslösen könnte.

Die Genossen kündigen an: ''All das oben Erwähnte muß einer rigorosen marxistischen Analyse unterzogen werden, deren Entwicklung Zeit bedarf.'' (The IBRP's Response, S.35) Ist es für die militante Arbeit der kommunistischen Linken nicht sinnvoller, wenn die Genossen ihre Zeit der Erklärung des Phänomens widmen, das die Paralyse und tödliche Krankheit der Akkumulation in der ganzen kapitalistischen Dekadenz hindurch demonstriert ? Marx sagte, der Fehler liege nicht in der Antwort, sondern in der Frage selbst. Solche Fragen wie die der ''globalen Ökonomie'' und der ''Wiederherstellung der Arbeiterklasse'' zu stellen, heißt, in den Treibsand des Revisionismus zu versinken, wohingegen es ''andere Fragen'' gibt wie die der Natur der Massenarbeitslosigkeit oder die der Schuldenlast, die die grundsätzlichen Probleme beim Verständnis der kapitalistischen Dekadenz zu konfrontieren helfen.

Militante Schlußfolgerungen

Im ersten Teil dieses Artikels betonten wir, was uns verband mit den Genossen des IBRP: die unnachgiebige Verteidigung der marxistischen Position zur Dekadenz des Kapitalismus, das Fundament der Notwendigkeit der kommunistischen Revolution. Es ist grundlegend, diese Position bis zu Ende zu vertreten, in ihrem Zusammenhang zu verstehen und ihre Folgen anzunehmen. Wie wir in ''Marxism and Crisis Theory'' (International Review Nr.13) erklärt haben, ist es möglich, die Position zur Dekadenz des Kapitalismus zu vertreten, ohne unsere auf Rosa Luxemburgs Analyse basierende Theorie völlig zu teilen[9]. Jedoch birgt solch eine Haltung die Gefahr in sich, diese Position nicht kohärent einzuhalten, ''sie mit Leim zusammenzuhalten''. Der militante Zweck unserer Polemik geht genau darum: Die Inkonsequenzen und Verwirrungen der Genossen führen sie dazu, die Klassenposition zur Dekadenz des Kapitalismus zu schwächen.

Mit der ihr eigenen sektiererischen Ablehnung der These Rosa Luxemburgs (und Marx') über die Frage der Märkte öffnet die Analyse der Genossen den revisionistischen Ideen Tugan-Baranowskis u.a. die Tür: ''Akkumulationszyklen wohnen dem Kapitalismus inne, und sie erklären, warum in verschiedenen Momenten die kapitalistische Produktion und das kapitalistische Wachstum größer oder kleiner als in den vorhergehenden Perioden ist.'' (The IBRP's Response, S.31) Damit übernehmen sie eine alte Behauptung, die von Battaglia Comunista während der Internationalen Konferenz der Gruppen der Kommunistischen Linken aufgestellt wurde: ''Der Markt ist keine außerhalb des kapitalistischen Produktionssystems existierende physische Einheit, die auf die Produktionsbremse tritt, sobald sie abgefüllt ist; im Gegenteil, er ist eine ökonomische Realität innerhalb des Systems und nicht außerhalb davon, er weitet sich aus und zieht sich zusammen entsprechend dem widersprüchlichen Kurs des Akkumulationsprozesses.'' (2.Konferenz der Gruppen der kommunistischen Linken, Vorbereitungstexte, S.13)

Begreifen die Genossen nicht, daß sie mit dieser ''Methode'' in die Welt von Say eintreten, wo außerhalb von kunjunkturellen Disproportionalitäten ''alles, was produziert wird, konsumiert wird, und alles, was konsumiert wird, auch produziert wird'' ? Verstehen die Genossen nicht, daß sie mit dieser Analyse auf den phänomenalen ''Beweis'' zurückgreifen, daß der Markt ''sich gemäß dem Akkumulationsrhytmus ausweitet oder zusammenzieht'', was absolut nichts über die historische Evolution der kapitalistischen Akkumulation aussagt ? Sehen die Genossen nicht, daß sie denselben Irrtümern anheimfallen, die Marx kritisierte: ''.... Zitat ....'' (Marx: Ein Beitrag zur Kritik der politischen Ökonomie)

Die Tatsache, daß die Genossen die Tür zu den revisionistischen Theorien nur angelehnt haben, erklärt ihren Hang, sich selbst in sterilen und absurden Spekulationen über die ''Rekonstruktion der Arbeiterklasse'' oder die ''globale Ökonomie'' zu verlieren. Sie sollten sich auch ihrer Neigung bewußt sein, die sie dazu veranlaßt, von den Sirenenklängen der Bourgeoisie angezogen zu werden: Zunächst gab es die ''technologische Revolution''. Dann die fabelhaften Märkte des Ostens, später gab es das ''Geschäft'' mit dem Krieg in Jugoslawien. Sicherlich, die Genossen korrigierten unter dem Gewicht der Kritik der IKS und der überwältigenden Offenkundigkeit der Tatsachen diese Absurditäten. Dies demonstriert ihre Verantwortung und ihre feste Verbundenheit mit der kommunistischen Linken. Aber werden die Genossen mit uns darin übereinstimmen, daß diese Irrtümer aufzeigen, daß ihre Position über die Dekadenz des Kapitalismus nicht konsequent genug ist, daß diese ein Flickwerk ist und daß sie (die Genossen) sich auf eine festere Grundlage stellen müssen?

Die Genossen pflichten den revisionistischen Widersachern von Rosa Luxemburg bei, indem sie sich weigern, das Problem der Realisierung ernst zu nehmen, aber sie distanzieren sich radikal von ihnen, indem sie deren Vision einer Tendenz zur Linderung der Gegensätze des Kapitalismus ablehnen. Im Gegenteil, und mit vollem Recht, sehen die Genossen, daß jede Krisenphase im Akkumulationszyklus eine noch größere und tiefere Verschärfung der Widersprüche des Kapitalismus bedeutet. Das Problem liegt genau in jenen Perioden begraben, in denen, nach ihnen, die kapitalistische Akkumulation sich völlig erholt. Angesichts dieser Perioden, dabei nur die Tendenz der fallenden Profitrate anerkennend und den Blick auf die chronische Sättigung des Marktes verweigernd, vergessen oder bagatellisieren die Genossen die revolutionäre Position über die Dekadenz des Kapitalismus.

Adalen 16.6.95

[1] Wir haben unsere Position in zahlreichen Artikeln in unserer Internationalen Revue entwickelt: Wir wollen hier auf ''Marxism and Crisis Theory'' (Nr.13), ''Economic Theories and the Struggle for Socialism'' (Nr.16), ''Crisis Theory from Marx to the CI'' (Nr.22), ''Critique of Bukharin'' (Nr.29 & 30), Teil 7 der Reihe ''Communism is not a nice idea but a material necessity'' (Nr.76) hinweisen. Die Genossen haben in ihrer Antwort gesagt, daß die IKS die Kritik ihrer Positionen nicht, wie im Artikel ''Marxism and Crisis Theory'' angekündigt, fortgesetzt habe. Die bloße Aufzählung dieser Artikelliste macht klar, daß dies falsch ist.

[2]Rodbertus war Mitte des letzten Jahrhunderts ein bürgerlicher Sozialist, der das ''Gesetz'' des sich verringernden Lohnanteils formulierte. Ihm zufolge hing die Krise des Kapitalismus mit diesem Gesetz zusammen, und dementsprechend schlug er die Intervention des Staates vor, um die Löhne als Mittel gegen die Krise anzuheben. Die Revisionisten in der 2.Internationale beschuldigten Marx, sich auf die These von Rodbertus eingelassen zu haben, nannten ihnen einen ''Unterkonsumptionisten'' und wiederholten später dieselbe Beschuldigung gegenüber Rosa Luxemburg.

Heute sind viele Gewerkschaftler und auch bestimmte linksbürgerliche Strömungen uneingestandene Nachfolger von Rodbertus, indem sie behaupten, daß der Kapitalismus vorrangig an der Verbesserung des Arbeiterlebens interessiert sei, als ein Mittel, die Krise zu überwinden.

[3]Say war zu Beginn des 19.Jahrhunderts ein bürgerlicher Ökonom, der in seiner Verteidigung  des Kapitalismus darauf beharrte, daß es kein Marktproblem gebe, da ihm zufolge ''die Produktion ihren eigenen Markt schafft''. Solch eine Theorie ist das Äquivalent zu der Idee, daß der Kapitalismus ein unendliches System ohne jegliche Möglichkeit einer Krise ist, die über zeitweilige Erschütterungen hinausgeht, welche von ''schlechtem Management'' oder durch ''Disproportionen zwischen verschiedenen Produktionsbereichen'' provoziert werden. Wir sehen also, daß die gegenwärtigen Botschaften der Bourgeoisie über die ''Wiedergesundung'' nichts Neues sind

[4] Diese Technik des Opportunismus wurde vor langem vom Stalinismus, von der Sozialdemokratie und anderen Kräften der Linken des Kapitals (besonders von den Linksextremen) angenommen, die sich unverfroren dieser oder jener Zeilen von Lenin, Marx, etc. bedienen, um sie auf Positionen zu übertragen, die nichts mit ihnen zu tun haben.

[5] Es ist wichtig, darauf hinzuweisen, daß in dieser von Rosa Luxemburgs Buch ausgelösten Polemik Pannekoek, der in jener Epoche weder ein Opportunist noch ein Revisionist war, sondern sich im Gegenteil auf dem linken Flügel der 2.Internationale befand, gegen Rosa Luxemburgs These war.

[6] Wir haben oftmals erklärt, daß Lenin, im Angesicht des Problems des Ersten Weltkriegs und besonders in seinem Buch Der Imperialismus - die höchste Stufe des Kapitalismus, richtigerweise die revolutionäre Position über die historische Krise des Kapitalismus (die er die Krise der Auflösung und des Parasitentums des Kapitals nannte) und über die Notwendigkeit einer Revolution durch das Weltproletariat verteidigte. Jedoch unterstützte er Hilferdings irrige Theorien über das Finanzkapital und die ''Kapitalkonzentration'', was besonders in den Händen seiner Epigonen die Kraft und Kohärenz seiner Position zum Imperialismus schwächte. Siehe dazu unsere Kritik in der International Review Nr.19, ''Über den Imperialismus''.

[7] zur Kritik an Bucharin siehe: International Review Nr. 29 & 30, ''To go beyond capitalism: Abolish the wage system'';

[8]Im Kapital, Band 3, weist Marx darauf hin, daß ''wird endlich gesagt, daß die Kapitalisten ja selbst nur unter sich ihre Waren auszutauschen und aufzuessen haben, so wird der ganze Charakter der kapitalistischen Produktion vergessen und vergessen, daß es sich um die Verwertung des Kapitals handelt, nicht um seinen Verzehr’ (Das Kapital, 3. Band, III. Abschnitt, 15. Kapitel, Überfluß an Kapital bei Überfluß an Bevölkerung,  S. 268)

[9] Die Plattform der IKS sagt, daß Genossen die Krisenerklärung vertreten können, welche auf der Tendenz der fallenden Profitrate beruht.

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